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     Das, worauf sich die Reihe der Kardinalzahlen bezieht, sind nie Gegenstände, im Sinn von Elementen der Erkenntnis, || Erkenntnis, sondern Gebilde, räumliche und zeitliche, wie die Striche auf meinem Papier, die sie vertreten.

   
     Wenn man sagt, der Fleck A ist irgendwo zwischen den Grenzen B und C ist es denn nicht offenbar möglich, eine Anzahl von Stellungen des A zwischen B und C zu beschreiben oder abzubilden, sodaß ich die Sukzession aller dieser Stellungen als kontinuierlichen Übergang sehe? Und ist dann nicht die Disjunktion aller dieser N Stellungen eben der Satz, daß sich A irgendwo zwischen B und C befindet?
     Aber wie verhält es sich mit diesen N Bildern? Es ist klar, daß ein Bild und das unmittelbar folgende visuell nicht unterscheidbar sein dürfen, sonst ist der Übergang visuell diskontinuierlich.

   
     In unserer Notation oder Ausdrucksweise drückt sich auch aus, welche Ähnlichkeiten – und welche Verschiedenheiten – wir besonders betont wissen wollen. So nennt man einmal alles ‘Räume’, was eine ähnliche Struktur hat wie der Raum und will immer darauf || auf diese Analogie hinweisen. Und dann wieder will man nur diese Analogie, weil sie zu Konfusionen führt, fliehen und die Verschiedenheit der ‘Räume’ betonen und nun bezeichnet man die frühere Ausdrucksweise als irreführend und gebraucht selbst eine andere ebenso irreführende – wenn man sie nämlich nicht ganz versteht.

   
     Der kleinste sichtbare Unterschied wäre einer, der in sich selbst das Kriterium des Kleinsten trüge.
     Denn im Fall des Flecks A zwischen B und C unterscheiden wir eben einige Lagen und andere unterscheiden wir nicht. Was wir aber brauchten
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wäre sozusagen ein infinitesimaler Unterschied, also ein Unterschied, der es in sich selbst trüge, der Kleinste zu sein.

   
     Der Raum besteht offenbar nicht aus diskreten Teilen.
     Denn sonst müßte man unmittelbar sagen können, aus welchen.
     Der Raum ist aber offenbar homogen.

   
     “Gehe gerade aus, so wirst du, ehe du zur anderen Wand kommst, mit der Hand an etwas stoßen.” Dieser Art sind jene allgemeinen Sätze. “Schau dem Tisch entlang, so wirst du einen Strich sehen.” Man gibt quasi eine Methode die ich aber nicht “allgemein” nennen möchte weil sie in keinem Sinn sich auf eine Gesamtheit bezieht.
     Ja, im Falle man eine Bewegung macht, ist es besonders klar. Wenn ich sage “wische den Tisch ab” so meine ich nicht “wische alle Punkte || jeden Punkt des Tisches ab”.

   
     Es will einem vorkommen, als wäre es gar keine Allgemeinheit, sondern etwas, wie ein spezielles Symptom einer Allgemeinheit. Etwa wie wenn ich sage: “Wenn du mein Fenster erleuchtet siehst, so bin ich zu Hause.” Eine Allgemeinheit liegt dann darin, daß ich irgendwo in meinem Zimmer sein kann; das erleuchtete Fenster hat aber nicht die Multiplizität einer Allgemeinheit und bezieht sich daher auch nicht auf eine Gesamtheit, sondern auf das Substrat, welches als Substrat einer Gesamtheit dienen kann.

   
     Die Möglichkeit, welcher Art immer sie ist, muß die Logik voraussehen (das heißt, es gibt keine logische Überraschung). Und im Raum besteht eben diese Möglichkeit, nicht aus einer Anzahl diskreten Möglichkeiten.

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     Der Raum ist sozusagen eine Möglichkeit. Er besteht nicht aus mehreren Möglichkeiten.

   
     Wenn ich also höre, das Buch liegt – irgendwo – auf dem Tisch, und finde es nun in einer bestimmten Stellung, so kann ich nicht überrascht sein und sagen “ah, ich habe nicht gewußt, daß es diese Stellung gibt” und doch hatte ich diese besondere Stellung nicht vorhergesehen, d.h., als besondere Möglichkeit vorher ins Auge gefaßt.

   
     Was ist nun aber der Unterschied zwischen dem Fall “das Buch liegt irgendwo auf dem Tisch” und dem “das Ereignis wird irgendeinmal in Zukunft eintreten”? Offenbar der, daß wir im einen Fall eine sichere Methode kennen zu verifizieren, ob das Buch auf dem Tisch liegt, im anderen Fall eine analoge Methode nicht existiert. Wenn etwa ein bestimmtes Ereignis bei einer der unendlich vielen Bisektionen einer Strecke eintreten sollte, oder besser; wenn es eintreten sollte, wenn wir die Strecke in einem Punkt (ohne nähere Bestimmung) schneiden und an diesem Punkt eine Minute verweilen, so ist diese Angabe ebenso sinnlos, wie die über die unendliche Zukunft.

   
     Wenn einer gegen eine Euklidische Demonstration mit Lineal und Zirkel einwenden würde “ja, das sehe ich schon, daß es in diesem Falle stimmt, aber die Frage ist, ob es in allen anderen Fällen stimmt”, so müßten wir ihm antworten: “es stimmt ja garnicht in diesem Fall.” – Und es wäre, wie schon gesagt, dasselbe, als wollte einer zu der Demonstration, daß pq . & . p..q tautologisch ist, sagen “ja, für die Buchstaben p und q stimmt es allerdings, aber gilt es allgemein?”.

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     Man möchte hier immer sagen, “es kommt nicht auf die Buchstaben, oder die genaue Form des Dreiecks, an”. Aber was bedeutet das?
     Was heißt es “von allem Unwesentlichen absehen”?

   
     In der Demonstration – z.B. – daß Scheitelwinkel gleich sind, könnte man sich die Figur in fortwährender Bewegung denken, indem die beiden Geraden scherenartig auf und zu gingen, und man könnte die Demonstration an dieser bewegten Figur gerade so gut ausführen, als an der ruhigen. Ich will damit übrigens nicht sagen, daß die so bewegte Figur das allgemeine Zeichen ist.

   
     Wenn man jemandem, der es noch nicht versucht hat, sagt “versuche die Ohren zu bewegen”, so wird er zuerst etwas in der Nähe der Ohren bewegen, was er schon früher bewegt hat, und dann werden sich entweder auf einmal seine Ohren bewegen oder nicht. Man könnte nun von diesem Vorgang sagen: er versucht die Ohren zu bewegen. Aber wenn das ein Versuch genannt werden kann, so ist es einer in einem ganz anderen Sinn als der, die Ohren (oder die Hände) zu bewegen, wenn wir zwar wohl wissen, wie es zu machen ist, aber sie jemand hält, sodaß wir sie schwer oder nicht bewegen können. Der Versuch im ersten Sinne entspricht einem Versuch “ein mathematisches Problem zu lösen”, wozu es keine Methode gibt. Man kann sich immer um das scheinbare Problem bemühen. Wenn man mir sagt, “versuche durch den bloßen Willen den Krug dort am andern Ende des Zimmers zu bewegen” so werde ich ihn anschauen und irgendwelche seltsame Bewegungen mit meinen Gesichtsmuskeln machen; also selbst in diesem Falle scheint es ein Versuchen zu geben.

   
     Angenommen es hätte einer den pythagoräischen Lehrsatz zwar nicht bewiesen, wäre aber durch Messungen der Katheten und Hypotenusen zur “Vermutung” dieses Satzes geführt worden. Und nun fände er den Beweis und sagt, er habe
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nun bewiesen, was er früher vermutet hatte: so ist doch wenigstens das eine merkwürdige Frage: An welchem Punkt des Beweises kommt denn nun das heraus, was er früher durch die einzelnen Versuche bestätigt fand? denn der Beweis ist doch wesensverschieden von der früheren Methode. – Wo berühren sich diese Methoden, da sie angeblich in irgendeinem Sinne das Gleiche ergeben? D.h.: Wenn der Beweis und die Versuche nur verschiedene Ansichten Desselben (derselben Allgemeinheit) sind.
     (Ich sagte “aus der gleichen Quelle fließt nur Eines” und man könnte sagen, es wäre doch zu verflucht sonderbar, wenn aus so verschiedenen Quellen dasselbe fließen sollte. Der Gedanke, daß aus verschiedenen Quellen dasselbe fließen kann, ist uns von der Physik d.h. von den Hypothesen her so geläufig. Dort schließen wir immer von Symptomen auf die Krankheiten und wissen, daß die verschiedensten Symptome, Symptome Desselben sein können.)

   
     Wie konnte man nach der Statistik das vermuten, was dann der Beweis zeigte?

   
     Der Beweis des Pythagoräischen Lehrsatzes ist ein allgemeiner Beweis und nicht ein Beweis der Allgemeinheit.

   
     Gäbe es eine Vermutung, daß der Satz für alle Fälle wahr sein wird, so könnte das so Vermutete niemals bewiesen, sondern nur durch unendliche Erfahrung bestätigt werden.

   
     Denken wir daran, was es heißt, etwas im Gedächtnis zu suchen.
     Hier liegt gewiß etwas wie ein Suchen im eigentlichen Sinn vor.
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     Versuchen, eine Erscheinung hervorzurufen, aber, heißt nicht, sie suchen.
     Angenommen, ich taste meine Hand nach einer schmerzhaften Stelle ab, so suche ich wohl im Tastraum, aber nicht im Schmerzraum. D.h., was ich eventuell finde, ist eigentlich eine Stelle und nicht der Schmerz. D.h., wenn die Erfahrung auch ergeben hat, daß Drücken einen Schmerz hervorruft, so ist doch das Drücken kein Suchen nach einem Schmerz. So wenig wie das Drehen einer Elektrisiermaschine das Suchen nach einem Funken ist.

   
     Wo soll aus dem Beweis dieselbe Allgemeinheit hervorspringen, die die früheren Versuche wahrscheinlich machten?

   
     Ich hatte die Allgemeinheit vermutet, ohne den Beweis zu vermuten (nehme ich an) und nun beweist der Beweis gerade die Allgemeinheit die ich vermutete!?

   
     Was heißt das: Jedes Dreieck hat eine Basis und eine Spitze, man kann also in jedem Dreieck durch die Spitze eine Parallele zur Basis ziehen u.s.w.? Hier ist die Allgemeinheit der Grammatik.

   
     In irgend einem Sinn liegt die Allgemeinheit einer Regel erst in der Anwendung. Oder vielmehr, in ihrer Anwendbarkeit. In der Möglichkeit ihrer Anwendung, denn jede einzelne Anwendung ist nicht-allgemein.

   
     Ja, wir sprechen vom Kreis, seinem Durchmesser, etc. etc. wie von einem Begriff, dessen Eigenschaften wir beschreiben, gleichgültig, welche Gegenstände unter diesen Begriff fallen. – Dabei ist aber ‘Kreis’ gar kein Prädikat im ursprünglichen Sinne. Und überhaupt ist die Geometrie der Ort, wo die Begriffe der verschiedensten Gebiete miteinander vermischt werden.
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     Die Allgemeinheit der Geometrie scheint immer wieder die zu sein, daß von einem Begriff die Rede ist und wir uns nicht um die Gegenstände kümmern || man sich nicht um die Gegenstände kümmert, die unter diesen Begriff fallen. Aber so kann es natürlich nicht sein, sondern wir folgen hier – wie so oft – einer falschen Analogie.

   
     Welcher Art ist eine allgemeine Anweisung zu einer gewissen euklidischen Konstruktion? Sie hat ihre Wirkung, erfüllt ihren Zweck, erst wenn man sie anwendet, und dann stellt sie sich einem gleichsam zur Verfügung, indem die Variablen in ihr nun Werte annehmen.

   
     Man könnte so fragen: Ist etwa ein allgemeiner geometrischer Satz unendlich komplex, da unendlich viele spezielle Anwendungen || Fälle aus ihm folgen? – Nun, er ist es offenbar nicht.
     Ich möchte immer sagen: die Allgemeinheit der Geometrie ist nur dadurch möglich, daß sie nicht aus Sätzen besteht.

   
     Man kann ein Brotmesser nicht allgemein nennen, weil sich kleine und große Stücke damit schneiden lassen.

   
     “Wenn du eine Strecke halbieren willst, so nimm sie in den Zirkel, etc.” Und nun zeichnet man eine Figur, in der dies alles an einer Strecke wirklich vollzogen ist und nimmt an, daß der Andere es nun danach an jeder beliebigen Strecke wird vollziehen können. Die Regel setzt natürlich die unendliche Möglichkeit des Raumes voraus, aber nicht “eine unendliche Anzahl” von Möglichkeiten.

   
     Stellen wir uns einen Menschen vor, der so eine allgemeine Vorschrift
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benützt. Er schaut auf die Vorschrift, dann auf sein Papier: Ich soll die Strecke in den Zirkel nehmen, – jetzt einen Kreis schlagen, – etc., etc. Aber in der Vorschrift steht ja garnichts von dieser Strecke. Aber so faßt der sie auf, der sie anwendet.

   
     Der Vorschrift zur Halbierung entspricht eine Vorrichtung zur Halbierung und in dieser wäre ein Teil etwa ein verstellbarer Schlitten der sich der zu teilenden Strecke anpassen würde. Hier hätten wir das Analogon zur Allgemeinheit des Brotmessers.

   
     Kann man etwa die Zeichnung als eine Stellung eines beweglichen Mechanismus auffassen, der sozusagen die eigentliche Beweiskonstruktion wäre? (Man denkt es ist etwa in A eine Kurbel und AB und AC als elastische Schnüre.)
     (Kann man von einem dehnbaren Beweis reden?)

   
     Könnte man sagen: die Figur kann durch bestimmte Arten von Zerrspiegeln betrachtet werden und behält, durch sie gesehen, ihre beweisende Kraft. Sie wird von vorn herein so verstanden, daß sie durch alle diese Zerrspiegel betrachtet werden kann. Nur das allen diesen Bildern Gemeinsame, welches sie verkörpert, ist das eigentliche Symbol.

   
     Man könnte nun freilich – fälschlich – die Figur als den Begriff und ihre verschiedenen Bilder als die unter ihn fallenden Gegenstände auffassen.

   
     Der Beweis kann nichts prophezeien. D.h. er kann nichts Wirkliches prophezeien.

   
     (Wir erkennen oft im verzerrtesten Schatten die Figur, die ihn wirft.)
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     Die Figur ist ein Zeichen, und nicht das Bezeichnete oder ein ungenaues Bild des Bezeichneten.

   
     (Es ist schwer, in der Philosophie nicht zu übertreiben.)

   
     Wir könnten sehr wohl die Kardinalzahlen kennen, aber nicht die Null und hätten kein Mittel sie zu finden; ihr entspräche keine Lücke in unserem System, sondern wir hätten ein anderes System.

   
     Worin besteht die Allgemeinheit eines geometrischen Beweises? Die Allgemeine Wirkung einer Figur? die in den Raum ausstrahlt. Dies Sehen, daß es garnicht die spezielle Figur ist, auf die es ankommt.

   
     Man könnte glauben, daß sich die Allgemeingültigkeit der Figur durch Sätze rechtfertigen läßt, wie: Jedes solche Dreieck muß doch gleiche Seiten haben, weil es die Radien in einem Kreis sind und darum müssen bei jedem diese Winkel gleich sein etc., etc. Aber das ist wirklich keine Rechtfertigung. Denn was bedeuten hier Worte wie “jedes”, etc.? Wir haben es hier nur scheinbar mit logischen Schlüssen zu tun.
     (Dann folgt immer wieder der Gedanke – den ich freilich nie für eine Lösung, sondern immer nur für einen Schein gehalten habe – daß der Beweis da garnicht von einem Zentriwinkel, einem Kreis, etc. handelt, sondern von Kreisförmigkeit, dem Begriff Zentriwinkel, etc.. Freilich ist auch an diesem Schein etwas Wahres.)

   
     (Ich würde sagen, die Alchimisten haben nicht die Goldmacherkunst gesucht.)

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     (Die fragliche Allgemeinheit tritt, natürlich, schon in die Definition des Kreises als Ort aller Punkte etc. ein.)

   
     Es muß sich da natürlich um die Definition einer Variablen handeln, für die ein gewisses Gebiet von Werten bestimmt wird, aber freilich nicht als Klasse von Werten. – Wenn ich also die vermeintliche Schlußkette mit dem Satz anfinge “alle Radien eines Kreises sind gleich lang”, so wäre das schon falsch, d.h. ein unsinniger Anfang.
     Wenn ich den Kreis etwa durch die Gleichung r = konstant definiere, so muß die unendliche Möglichkeit der r nach der Lage des Radius natürlich in der Bedeutung dieser Definition beschlossen liegen; aber nicht in Form einer Klasse möglicher Werte, sondern, wenn es sich um eine zahlenmäßige Geometrie handelt, durch das Gesetz der Bildung rationaler Zahlen, und, soweit es sich um eine Gesichtsgeometrie handelt, durch die jedem Radius anhaftende unendliche sichtbare Möglichkeit.

   
     Ich sagte früher einmal, man könnte sich eine Euklidische Demonstration auch an einer bewegten Figur ausgeführt denken. Es ist aber nicht wesentlich, daß sie bewegt, sondern daß sie beweglich ist. (d.h. variabel).
     D.h. ich muß in ihr den Repräsentanten der unendlichen räumlichen Möglichkeit sehen.

   
     Wenn ich einen mathematischen Satz und einen Beweis für ihn kenne, und später lerne ich noch einen weiteren Beweis dieses Satzes kennen, so habe ich damit ein neues System kennen gelernt.

   
     Angenommen, jemand untersuchte gerade Zahlen auf das Stimmen des Goldbach'schen Satzes hin. Er würde nun die Vermutung aussprechen – und die
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läßt sich aussprechen – daß, wenn er mit dieser Untersuchung fortfährt, er solange er lebt keinen widersprechenden Fall antreffen werde. Angenommen, es werde nun ein Beweis des Satzes gefunden, – beweist der dann auch die Vermutung des Mannes? Wie ist das möglich?

   
     Kann man antworten: Alles, was der Beweis des Goldbach'schen Satzes prophezeien wird, ist, daß dies Resultat richtig sein wird, nicht, daß es herauskommen || sich ergeben wird. (Aber das erste ‘wird’ ist hier unsinnig, denn die Verben in der Mathematik haben keine Zukunft.)

   
     Es sagt mir jemand: “ich habe Ausdrücke von der Form (a + b) + c + || und a + (b + c) ausgerechnet und gefunden, daß sie dasselbe ergeben¤” und ich antworte: “das wirst du immer finden, wenn du nämlich richtig rechnest.” Dieser Nachsatz aber nimmt der Antwort jeden Charakter einer Vorhersage.

   
     Kann jemand glauben, daß 25 × 25 = 625 ist? Was heißt es, das zu glauben¤?

   
     Könnte man sagen, daß die arithmetischen oder geometrischen Probleme immer so ausschauen, oder fälschlich so aufgefaßt werden können, als bezögen sie sich auf Gegenstände im Raum, während sie sich auf den Raum selbst beziehen?

   
     So glaubt man, das Problem der 3-Teilung des Winkels beziehe sich auf die tatsächliche 3-Teilung eines bestimmten Winkels, oder gar aller Winkel. Während es kein Problem ist, und das, was man als Lösung des Problems anspricht, eine Demonstration des Raumes ist.

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     Ist es nicht so: Glauben, daß der Goldbach'sche Satz immer ad inf. – stimmen wird, ist unsinnig; glauben, daß er 10,000 mal stimmen wird ist auf der selben Stufe wie, glauben, daß er einmal stimmen wird, und das ist auf derselben Stufe, wie zu glauben, daß 25 × 25 625 ergeben wird.

   
     So seltsam es klingt, so ist es möglich, die Primzahl bis – sagen wir – zur 7 zu kennen und daher ein endliches System von Primzahlen zu besitzen. Das was wir die Erkenntnis nennen, daß es unendlich viele Primzahlen gibt, ist in Wahrheit die Erkenntnis eines neuen, und mit dem anderen gleichberechtigten, Systems.

   
     (Was ich auch immer schreibe, es sind Fragmente, aber der Verstehende wird daraus ein geschlossenes Weltbild entnehmen || ersehen.)

   
     Glauben, daß 25 × 25 = 625 ist, kann man nur insofern, als man auch glauben kann, daß 25 × 25 = 620 ist. Und es ist natürlich unmöglich, sich von diesem Sachverhalt – oder von jenem – ein Bild zu machen.

   
     Wenn wilde Völker ein Zahlensystem haben, in dem auf 5 ein Ausdruck analog unserem “viele” folgt und sie beim Angeben einer Zahl zuerst auf Finger einer Hand, dann auf ihre Haare zeigen, so haben diese Leute ein ebenso komplettes Zahlensystem wie wir.

   
     Zu fragen, ob es denkbar wäre, daß andere Leute einen Raum hätten, der mit den Wänden dieses Zimmers aufhört, ist darum Unsinn, weil diese und jede solche Frage schon eine bestimmte räumliche Auffassung der Wand enthält.

   
     Ich kann diese Fragen in keiner Sprache stellen, weil jede schon
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eine bestimmte räumliche Auffassung voraussetzt.

   
     Der Bereich einer Variablen muß durch die Grammatik bestimmt sein. D.h., er muß völlig durch die Zeichen und Zeichenregeln bestimmt sein. Mag man auch noch so viel über die Anwendung des Zeichensystems offen lassen, es muß in sich abgeschlossen sein.

   
     Man könnte sagen, der Bereich der Allgemeinheit muß insofern bestimmt sein, als man in jedem Einzelfalle muß entscheiden können, ob er ein solcher Fall ist oder nicht. Aber das heißt nicht, daß ich dann durch eine besondere Disposition meiner Seele oder besondere äußere Umstände im Stande sein muß, die Entscheidung zu treffen, sondern das Vermögen von dem wir hier reden, ist eine logische Möglichkeit.
     Es muß jetzt, wenn ich den allgemeinen Satz ausspreche, klar sein, was als besonderer Fall dieser Allgemeinheit zu gelten hat, der Raum der Allgemeinheit muß gesehen werden.

   
     Die Allgemeinheit, die man meint, ist oft eine, die der Unbestimmtheit der Art der Schachfiguren entspricht. Wenn man die Regeln des Schachspiels angibt, so ist garnicht gesagt mit welcher Art von Figuren das Spiel ausgeführt wird und die allerverschiedensten Arten sind hier denkbar, von den hölzernen Figuren auf einem Brett zu den geschriebenen Zeichen auf dem Papier. Und es ist wichtig einzusehen, daß keine von beiden die Primären sind. Denn das Schachspiel hätte ebensogut gleich in den geschriebenen Zeichen erfunden werden können.

   
     Welcher Art ist die Entdeckung, daß non-p & non-p = non-p, daß non-p ein Sonderfall von non-p & non-q ist? Gibt es nicht in demselben Sinne eine
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Entdeckung, daß non-non-p = p, etc. ist? Ich finde einen “Zusammenhang” heraus.

   
     Scheffers Entdeckung ist natürlich nicht die der Definition non-p & non-q = pq. Diese Definition hätte Russell sehr wohl haben können, ohne doch damit das Scheffer'sche System zu besitzen, und andererseits hätte Scheffer auch ohne diese Definition sein System begründen können. Sein System ist ganz in dem Zeichen “non-p & non-p” für “non-p” und “non-(non-p & non-q) & non-(non-p & non-q) ” für “pq” enthalten und “pq” gestattet natürlich nur eine Abkürzung. Ja, man kann sagen, daß einer sehr wohl hätte das Zeichen “non-(non-p & non-q) & non-(non-p & non-q) ” für “pq” kennen können, ohne das System pq .. pq in ihm zu erkennen. Ja, es scheint daher, so absurd es klingt, daß man die Definition pq .. pq = pq kennen könnte, ohne darauf zu kommen, daß man in dem “|” und “.|.” die gleiche Operation vor sich hat.

   
     Raum nenne ich das, dessen man beim Suchen gewiß sein kann.

   
     Machen wir die Sache noch klarer durch die Annahme der beiden Frege'schen Urzeichen “non” und “ & , so bleibt hier die Entdeckung bestehen, wenn auch die Definitionen geschrieben werden non-p & non-p = non-p und non-(non-p & non-p) & non(non-q & non-q) = p & q . Hier hat sich an den Urzeichen scheinbar garnichts geändert.

   
     Man könnte sich jemand vorstellen, dem diese Definitionen gezeigt
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würden und der fragte “was ist denn damit gewonnen”; weil er das neue System in ihnen nicht sähe.
     Man könnte sich auch denken, daß jemand die ganze Frege'sche oder Russell'sche Logik schon in diesem System hingeschrieben hätte und doch, wie Frege, “non” und “ & ” seine Urzeichen nennte, weil er das andere System in seinen Sätzen nicht sähe.

   
     Käme dann einer und gäbe die Definition non- p & non- q = pq, so hätte er freilich nur eine an sich unwesentliche Abkürzung eingeführt, aber sie wäre der Ausdruck einer Entdeckung in dem Sinne, daß sie einen bestimmten neuen Aspekt betont. (Russell hat richtig darauf hingewiesen, daß die Bedeutung von Definitionen oft auf diesem Betonen beruht.)

   
     (Beinahe wie die Namengebung Mrs. John Robinson ein bestimmtes Verhältnis von Mann und Frau betont.)

   
     Es ist ein Unterschied, ob man auf die Dampfmaschine als die Maschine katexochen schaut (wie man es einmal getan hat), oder als eine Maschine – unter vielen andern. – Und man sieht ein anderes System, wenn man 12 Striche nur als das System III III III III betrachten kann (also kennt) oder dieses System als eine von den vielen möglichen sieht.

   
     Die Mathematik “abrunden” kann man so wenig, wie man sagen kann ¤ “runden wir die vier primären Farben auf fünf oder zehn ab”, oder “runden wir die acht Töne einer Oktave auf zehn ab”.
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     Ich gebrauche das Wort “Raum” als Möglichkeit der Bewegung.

   
     Ich habe einmal in der Diskussion gesagt, zwei Zeichensysteme seien derselbe Raum, wenn sie ineinander übersetzbar seien. Aber wie ist es etwa mit zwei Systemen von Tautologien, wovon das eine in der Fregeschen Art mit “non” und “ & ”, das andere im System non-x & non-y hingeschrieben ist. Diese beiden sind freilich in einander übersetzbar, aber erst, wenn man in dem ersten das zweite sieht.
     Man könnte das vielleicht auf die Lösung jeder algebraischen Aufgabe anwenden. Z.B. die Art und Weise der Lösung einer Gleichung x² + ax + b = 0 ist in ihr schon zu sehen – man könnte sich alle Transformationen in sie hineinprojiziert denken. – Aber das heißt, die Lösung ist in ihr zu sehen; – wenn man sie in ihr sieht, dann sieht man aber etwas anderes, als wenn man die Lösung nicht in ihr sieht.

   
     Man könnte meine Meinung auch in den Worten ausdrücken: Man kann keine Verbindung von Teilen der Mathematik oder Logik herausfinden, die schon vorhanden war, ohne daß man es wußte. Sondern, kannte man die Verbindung noch nicht, so war sie nicht vorhanden. Und das System, in dem sie vorhanden ist, ist ein neues System.

   
     Man könnte so sagen: Wenn ich etwas suche – ich meine, den Nordpol, oder ein Haus in London – so kann ich das, was ich suche vollständig beschreiben, ehe ich es gefunden habe (oder gefunden habe, daß es nicht da ist) und diese Beschreibung wird in jedem Fall logisch einwandfrei sein. Während ich im Fall des “Suchens” in der Mathematik
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wo es nicht in einem System geschieht, das was ich suche, nicht beschreiben kann, oder nur scheinbar; denn, könnte ich es in allen Einzelheiten beschreiben, so hätte ich es eben schon, und ehe es vollständig beschrieben ist, kann ich nicht sicher sein, ob das was ich suche logisch einwandfrei ist, sich also überhaupt beschreiben läßt; d.h. diese unvollkommene Beschreibung läßt gerade das aus, was notwendig wäre, damit etwas gesucht werden könnte. Sie ist also nur eine Scheinbeschreibung des “Gesuchten”.
     Irregeführt wird man hier leicht durch die Rechtmäßigkeit einer unvollkommenen Beschreibung im Falle des Suchens eines wirklichen Gegenstandes, und hier spielt wieder eine Unklarheit über die Begriffe ‘Beschreibung’ und ‘Gegenstand’ hinein. Wenn man sagt, ich gehe auf den Nordpol und erwarte mir dort eine Flagge zu finden, so hieße das in der Russell'schen Auffassung: ich erwarte mir Etwas (ein X) zu finden, das eine Flagge – etwa von dieser und dieser Farbe und Größe – ist. Und es scheint dann, als bezöge sich die Erwartung (das Suchen) auch hier nur auf eine Beschreibung || indirekte Kenntnis und nicht auf den Gegenstand selbst, den ich erst dann direkt || eigentlich kenne (knowledge by acquaintance), wenn ich ihn vor mir habe (während ich früher || vorher nur indirekt mit ihm bekannt bin). Aber das ist Unsinn. Was immer ich dort wahrnehmen kann – soweit es eine Bestätigung meiner Erwartung ist – kann ich auch schon vorher beschreiben. Und “beschreiben” heißt hier nicht, etwas darüber aussagen, sondern es aussprechen, d.h. || . D.h.: Was ich suche, muß ich vollständig beschreiben können.

   
     Die Frage ist: Kann man sagen, daß die Mathematik heute gleichsam ausgezackt – oder ausgefranst – ist und daß man sie deshalb wird abrunden können. Ich glaube, man kann das erstere nicht sagen, ebensowenig wie man sagen kann, die Realität sei struppig, weil es 4 Primäre
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Farben, 7 Töne in einer Oktav, 3 Dimensionen im Sehraum etc. gäbe.

   
     Die Lösung der Gleichung x² + ax + b = 0 wird entdeckt, indem man einen bestimmten Aspekt dieser Gleichung findet.

   
     Wenn man die Lösbarkeit beweist, so muß in diesem Beweis irgendwie der Begriff ‘Lösung’ vorhanden sein. (In dem Mechanismus des Beweises muß irgend etwas diesem Begriff entsprechen.) Aber dieser Begriff ist nicht durch eine äußere Beschreibung zu repräsentieren, sondern nur wirklich darzustellen.

   
     Wo der neue Zusammenhang gefunden wurde, dort sah man früher keine Lücke.
     Und wo man doch eine zu sehen glaubte, war man im Irrtum.

   
     (Ich kämpfe immer wieder – ob erfolgreich, das weiß ich nicht – gegen die Tendenz in meinem eigenen Geiste an, in der Philosophie Regeln aufzustellen, (zu konstruieren), Annahmen (Hypothesen) zu machen, statt nur zu sehen, was da ist.)

   
     (Es ist äußerst anstrengend, den Blick anzuspannen und die Physiognomie eines Gedankens in die Ferne, durch einen Nebel, zu sehen.)

   
     Philosophie könnte man auch das nennen, was vor allen neuen Entdeckungen und Erfindungen möglich || da ist.

   
     Das muß sich auch darauf beziehen, daß ich keine Erklärungen der Variablen “Satz” geben kann. Es ist klar, daß dieser logische Begriff,
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diese Variable, von der Ordnung des Begriffs “Realität” oder “Welt” sein muß.

   
     Die Allgemeinheit der Variablen in der Logik ist die Allgemeinheit der Demonstration. Sie besteht darin, ¤ daß die Tatsache, daß p p eine Tautologie ist, an einem beliebigen speziellen || speziellen Fall allgemeingültig demonstriert wird. D.h., aus der Demonstration des besonderen Falles ersehe ich tatsächlich, (wie immer sie gemeint war) alles, was ich in der Logik brauche. D.h., die Demonstration erhält nicht dadurch ihre Allgemeinheit, daß sie so gemeint ist, sondern indem sie tatsächlich allgemein (d.h. allgemein gültig) demonstriert. D.h., die Allgemeinheit besteht hier in der Allgemeinheit der Anwendung. Und diese ist da, sozusagen ob man es will oder nicht, einfach durch die innere Relation des Einzelfalles zum Paradigma. – Man könnte dann sagen, eine Demonstration demonstriert so allgemein, als sie anwendbar ist. D.h., sie demonstriert allgemein durch den Raum in dem sie ist.

   
     Es ist klar, daß die Entdeckung des Scheffer'schen Systems in non-p & non-p = non-p und non (non-p & non-p) & non (non-q & non-q) = p & q der Entdeckung entspricht, daß x² + ax +

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ein Spezialfall von a² + 2ab + b² ist.

   
     Daß etwas so angesehen werden kann, sieht man erst, wenn es so angesehen ist.
     Daß ein Aspekt möglich ist, sieht man erst, wenn er da ist.

   
     Man könnte eine Trigonometrie aufbauen nach dem Modell der elementaren Trigonometrie, aber unabhängig von der Vorstellung der Dreiecke, – die aber nichts von den trigonometrischen Reihen wüßte, sondern nur die
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Multiplizität der elementaren hätte.

   
     Die Dirichlet'sche Auffassung der Funktion ist nur dort möglich, wo sie nicht ein unendliches Gesetz durch eine Liste ausdrücken will, denn eine unendliche Liste gibt es nicht.

   
     Wenn die menschliche Kriegsführung dem Schachspiel ähnlicher wäre, als sie tatsächlich ist, so könnte man versuchen, eine Schlacht auf dem Schachbrett darzustellen und mathematische Probleme, die die Möglichkeiten der Schlacht betreffen, auf dem Schachbrett zu lösen. Freilich nur mathematische Probleme, denn, Experimente über den Vorgang der Schlacht könnte man mit den Schachfiguren nicht vornehmen, da sie sich anders verhalten als || wie die Menschen. Wenn also das Problem gelöst würde, etwa von einer bestimmten Position ausgehend den Anderen in N Zügen matt zu setzen, so wäre das die Lösung eines mathematischen Problems des Krieges. || der Strategie.

   
     Es ist nichts Allgemeines in der Demonstration, sie ist durchaus besonders; aber ihre Anwendungsmöglichkeit ist allgemein. || ihre Anwendungsmöglichkeit ist allgemein.

   
     Die Anwendungsmöglichkeit strahlt durch den Raum und trifft den Körper, den man in diesen Raum bringt. Man könnte die Lichtstrahlen allgemein nennen, weil sie jeden beliebigen Körper beleuchten, der sich ihnen in den Weg stellt. Aber die Lichtquelle allgemein zu nennen, wäre absurd.

   
     Wenn der Grund, etwas zu glauben, nicht eine Verifikation sondern
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eine äußere Beziehung wäre, so müßte man weiter fragen “und warum ist das ein Grund gerade für diesen Glauben”. Und so ginge es weiter. (Z.B. “warum nehmen wir das Gedächtnis als Grund für den Glauben, daß etwas in der Vergangenheit geschehen ist”.)

   
     Die Allgemeinheit der Interpretation einer || der Demonstration besteht darin – und nur darin – daß wir uns für die internen Verhältnisse der Demonstration interessieren und nicht für den physikalischen Vorgang (das Experiment) in ihr.

   
     Die Zahlenart, die man verwendet, wo man sinnvoll unendlich || endlos weiterzählen kann und die man verwendet, wo das nicht möglich ist, sind verschieden.

   
     “Das sind 3 Kreise” kann ich nur sagen, wenn das “das” eine Bedeutung hat, die die 3 Kreise noch nicht präjudiziert.

   
     Die Allgemeinheit einer Demonstration ist der Bereich ihrer Wirkung.

   
     Eine Demonstration demonstriert alles, was sie demonstriert. Ihr Bereich hängt nicht davon ab, wie sie gemeint ist, sondern nur von ihr. Wie ein Scheinwerfer sein Licht so weit schickt, als er es schickt, wieweit immer wir es zu schicken meinen.
     Das ist der Unterschied zwischen der Demonstration und einem Satz. In der Demonstration wird ja nichts gesagt, sondern etwas gezeigt. Und was der Bereich ihrer Anwendung ist, hängt also von ihr und ihrem Raum ab, aber nicht von uns.
     Man könnte nämlich sagen: die Demonstration ist doch garnicht
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allgemein, sondern durchaus besonders. Aber sie demonstriert ja eben etwas und das gilt so allgemein, als es gilt. (Das ist ja das Gute, daß, wo immer auch Anspielungen und Andeutungen etwas gelten mögen, in der Demonstration nur das zählt, was da ist. Sie ist in der Beziehung wie ein Experiment.)
     Es gibt z.B. Euklid die Anweisung zur Halbierung einer Strecke, indem er die Methode (an einem Beispiel) demonstriert. Nun, diese Anweisung gilt, soweit man sie anwenden kann.
     Und könnte man sie in einem Fall nicht anwenden, so nützte es ihr nichts, daß sie für diesen Fall gemeint war.

   
     Die Allgemeinheit der Demonstration ist nur der Raum um diese Demonstration. Die Anwendung auf einen besonderen Fall ist ein neuer Körper in diesem Raum.

   
     Es ist ein Unterschied, ob ein System auf ersten Prinzipien ruht, oder ob es bloß von ihnen ausgehend entwickelt wird. Es ist ein Unterschied, ob es, wie ein Haus, auf seinen untersten Mauern ruht oder ob es, wie etwa ein Himmelskörper, im Raum frei schwebt und wir bloß unten zu bauen angefangen haben, obwohl wir es auch irgendwo anders hätten tun können.

   
     Die Logik und die Mathematik ruht nicht auf Axiomen; so wenig eine Gruppe auf den sie definierenden Elementen und Operationen beruht. Hierin liegt der Fehler, das Einleuchten, die Evidenz, der Grundgesetze als Kriterium der Richtigkeit in der Logik zu betrachten.
     Ein Fundament, das auf nichts steht, ist ein schlechtes Fundament.
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     Es hat Sinn, von zwei Punkten zu sagen, daß sie durch eine Gerade verbunden seien. Aber heißt das “es hat Sinn, von zwei Dingen, die Punkte sind, zu sagen etc.”? –

   
     Wie weiß ich dann, daß ein Zeichen “A” einen Punkt bezeichnet? Etwa indem ich sehe, daß “A” in bestimmter Weise mit anderen Zeichen verknüpft werden darf. Aber wie weiß ich, daß diese anderen Zeichen Gerade bezeichnen etc.? Dadurch, daß sie mit “A” verknüpft werden dürfen? Sie können doch nicht gegenseitig ihre Bedeutung bestimmen. Das grammatische System (Spiel) ist eben autonom und seine Anwendung ist in ihm nicht gegeben. || enthalten.

   
     Die Geometrie anders verstanden, als reine Grammatik, muß angewendet sein und dann muß es wirkliche Punkte und Geraden etc. geben; der Satz, daß eine Gerade zwei Punkte verbindet, muß dann eben einen wirklichen Sinn haben.

   
     Und es heißt der geometrische Satz dann auch nicht “alle Punktpaare sind durch eine Gerade verbunden,” sondern “können durch eine Gerade verbunden werden.” Und hier braucht man dann das Wort “je zwei Punkte || Punkte” und nicht “alle Punktpaare,” und deutet damit den Unterschied von einer anderen Art der Allgemeinheit an.

   
     Die Grammatik kann ihre Regeln nicht auf gut Glück allgemein
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aussprechen (d.h. sie offenlassen).

   
     Denken wir uns ein Damespiel, in dem es erlaubt wäre, ein beliebig großes Brett zu verwenden, ich meine ein Brett mit einer beliebig großen Anzahl von Feldern (also 64, 81, 100, etc.). D.h. natürlich nicht “es ist erlaubt ein Brett mit unendlich vielen Feldern zu verwenden. Wir könnten dieses Spiel nicht gut ein unendliches nennen.

   
     Die Möglichkeit entspricht immer einer Erlaubnis in den grammatischen Spielregeln.
     Dem, was man unendliche Möglichkeit nennt, entspricht etwas, was man eine unendliche Erlaubnis nennen könnte. Und das ist natürlich nicht die Erlaubnis, etwas Unendliches zu tun.

   
     Die unendliche Möglichkeit Namen zu bilden, liegt nicht nur in der unendlichen Möglichkeit von Zeichen der Form x', x'', x''' etc., sondern z.B. auch in der unendlichen Möglichkeit des Raumes, die Figur des Zeichens abzuändern.

   
     Verschiedene Arten von Schachfiguren wie Läufer, Rössel, etc. entsprechen verschiedenen Wortarten.

   

Ich komme hier auf jene Methode der Zeichenerklärung, über die sich Frege so lustig gemacht hat. Man könnte nämlich die Wörter “Rössel”, “Läufer”, etc. dadurch erklären, daß man die Regeln angibt,
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die von diesen Figuren handeln.

   
     Genau dasselbe gilt in jeder Geometrie von den Ausdrücken “Punkt” und “Gerade” etc. Was ein Punkte ist und was eine Gerade, sieht man nur daran, welche Plätze das eine und das andere in dem System von Regeln einnimmt. Denken wir uns etwa ein System von Buchstaben von solcher Art, daß alle erlaubten Zeichen Gruppen von 3 Buchstaben sind, und zwar derart, daß ein Buchstabe, der an einer Außenstelle stehen darf, nicht, in der Mittelstelle stehen darf und umgekehrt. Diese Regel würde zwischen zwei “Wortarten” unterscheiden und wir könnten das dadurch zum Ausdruck bringen, daß wir für die Außenglieder große, für die Innenglieder kleine Buchstaben verwenden. – Andrerseits aber hat die Unterscheidung zweier Wortarten keinerlei Sinn, wenn sie nicht auf die obige Art syntaktisch unterschieden sind, d.h. wenn sie nicht auch ohne die verschiedene Art der Bezeichnung, bloß durch die von ihnen geltenden Regeln, als verschieden zu erkennen wären. (Zwei Rössel könnten einander in keiner Hinsicht ähnlich sehen und wären, wenn man die für sie geltenden Spielregeln kennt, doch als solche gekennzeichnet.) Damit hängt es unmittelbar zusammen, daß das Einführen neuer Gattungsnamen in die Philosophie der Logik uns um kein Haar weiterbringt, solange nicht die syntaktischen Regeln gegeben sind, die den Unterschied machen.

   
     Wenn ich eine Klasse wirklicher Dinge gezählt habe und nun die 1 zu 1-Zuordnung einer anderen Klasse zu ihr sehe, kann ich allerdings schließen, daß auch die andere die zuerst gezählte Anzahl haben wird; aber dies ist eine Hypothese, wie das Resultat der ersten Zählung.
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     Ich kann in der Zuordnung die Zahlengleichheit sehen, aber sie nicht aus ihr schließen.

   
     Es gibt nicht zwei Wortarten, die ich grammatisch (ganz) gleich behandeln kann, die aber doch zwei Wortarten sind. Sondern die Regeln, die von ihnen handeln, machen die Wortarten aus: Dieselben Regeln, dieselbe Wortart. Das hängt damit zusammen, daß, wenn sich ein Zeichen ganz so benimmt wie ein anderes, die beiden dasselbe Zeichen sind.

   
     Die Dirichlet'sche Erklärung der Funktion ist der erste Schritt in der Mengenlehre. Aber die Wahrheit ist eben, daß eine Funktion, die man durch eine Tabelle definiert und eine, die man durch einen unendlichen Prozeß definiert, wesentlich verschiedene Dinge gibt, denn eine unendliche Tabelle, wie eine unendliche Liste, ist ein Unding.

   
     “Ist es denkbar, daß 2 Dinge alle ihre Eigenschaften miteinander gemein haben?” Wenn es nicht denkbar ist, so ist auch das Gegenteil nicht denkbar.

   
      ((1) + 1)
I
2, ((((1) + 1) + 1) + 1)
II
4
a + (b + 1)
III
(a + b) + 1
2 + 2
I
((1) + 1) + ((1) + 1)
III
(((1) + 1) + 1) + 1
II
4 :. 2 + 2 = 4
Dasjenige, was 2 + 2 = 4 bedeutungsvoll macht, das also, was
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macht, daß 2 + 2 = 4 richtig und 2 + 2 = 5 falsch ist und nicht zwei gleichbedeutende || gleichberechtigte Festsetzungen, ist die Beweisbarkeit von 2 + 2 = 4, und nur sie. Daß also ((1) + 1) + ((1) + 1) = (((1) + 1) + 1) + 1 zu dem allgemeinen System a + (b + 1) = (a + b) + 1 gehört.

   
     Ohne diese Beweisbarkeit wäre 2 + 2 = 4 eine willkürliche Zeichenregel und von richtig oder falsch bei ihr nicht die Rede. Die Demonstrabilität macht die Gleichung zu etwas, was sich mit einem Satz vergleichen läßt.

   
     “a + (b + 1) = (a + b) + 1” eine Definition zu nennen, ist eigentlich schon ein Fehler, denn es ist eine Zeichenregel ganz anderer Art als z.B. (1) + 1 = 2.

   
     Man könnte nun fragen: Welche Bedeutung hat 2 + 2 = 4? Ist es nicht eine Zeichenregel? Wenn ja, so ist es willkürlich. Die Antwort ist, daß die Bedeutung von 2 + 2 = 4 nicht in ihm selbst, sondern in seiner Beweisbarkeit, das heißt in seiner Beziehung zu anderen Zeichenregeln liegt, also seiner || der Zugehörigkeit zu einem System. D.h. also, daß jener Beweis (ebenso) interne Beziehungen zwischen 2 und 4 aufzeigt, wie der Beweis, daß pq & p .. q eine Tautologie ist, interne Beziehungen zwischen pq p und q zeigt.

   
     Wenn “a + (b + 1) = (a + b) + 1” die allgemeine Regel ist, dann kann ich 2 + 2 durch 4 ersetzen; das liegt in der logischen Struktur der Welt.

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     Das Wort “Zahl” ist || bedeutet nichts, wenn dahinter nicht die variable Zahlform (ausgedrückt in grammatischen Regeln) steht.

   
     Eine Gleichung gewinnt erst in einem Kalkül mathematische Bedeutung.

   
     So ist “
lim
n → ∞
1
n
= 0
” eine willkürliche Ersetzungsregel, solange der Ausdruck “lim etc.” nicht in einem Limes-Kalkül steht.
     Die Verbindung dieses Kalküls mit den induktiven Eigenschaften von
1
n
, z.B., besteht darin, daß der Kalkül die gleichen Übergänge von Gleichung zu Gleichung erlaubt, die von Induktionsprozeß zu Induktionsprozeß möglich sind.

   
0,000
0,100
0,010
0,110
0,001
0,101
0,011
0,111
etc.
Ich verstehe die Regel dieser Bildung; aber wie kann ich sie in exakte Form fassen. Da ich sie verstehe, so muß sie sich auch in exakte Form fassen lassen.
     Dazu brauche ich die allgemeine Form eines Gliedes und diese Form muß mit der des ersten solchen Gliedes so zugeordnet werden, daß man sieht, wie das erste Glied ein Fall des allgemeinen Gliedes ist. Und es muß auch gezeigt werden, wie der Nachfolger des allgemeinen Gliedes ein allgemeines Glied ist. Aber zu diesem Zeichen muß eine Beschreibung oder Gebrauchsanweisung kommen und die Schwierigkeit ist gerade, die in exakter, d.h. wohl, unzweideutiger Form zu geben.

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     Würde ich alle jene Induktionsregeln nicht verstehen, so könnte ich nicht mit Dezimalen rechnen. Aber sie exakt auszusprechen ist sehr schwer. – Oder es setzt eine komplizierte Technik voraus. Welcher Art diese Technik sein soll, um strengen Anforderungen zu genügen, und ob es hier überhaupt ein “unstreng” gibt, weiß ich nicht. Ich vermute beinahe, daß, wenn man nur die interne Relation der Glieder der Formenreihe sieht, alles in Ordnung ist, und daß es gar keine Methode gibt, einen sozusagen zu zwingen, die interne Relation zu sehen. Vielleicht ist es auch so, daß man sie zuerst in bestimmten Fällen sehen muß und auf dieses Sehen dann die Ausdrücke für andere Formenreihen aufbauen kann.

   
     Der Begriff “irrationale Zahl” ist ein gefährlicher Scheinbegriff.

   
     Ein Schnitt ist ein Prinzip der Teilung in größer und kleiner.

   
     Und zwar braucht die irrationale Zahl eine andere Definition von “größer” und “kleiner” als die rationale. Die ganzen Kunstgriffe bei der Einführung der irrationalen Zahlen sollen dieses Neue verhüllen. D.h. die Einführung der √2 ist die Einführung einer neuen mathematischen Welt und es soll immer so ausschauen, als wäre sie in der früheren doch schon irgendwie enthalten gewesen.

   
     “non-p” schließt einfach p aus. Was dann statt p der Fall ist, folgt aus dem Wesen des Ausgeschlossenen.

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     Zur Frage nach der Existenz der Sinnesdaten. Man sagt, wenn etwas rot scheint, so muß etwas rot gewesen sein; wenn etwas kurze Zeit zu dauern schien || schien, so muß etwas kurze Zeit gedauert haben; etc. Man könnte nämlich fragen: Wenn etwas rot schien, woher wissen wir denn, daß es gerade rot schien. Handelt es sich da um eine erfahrungsmäßige Zuordnung dieses Scheins mit || und dieser Wirklichkeit? Wenn etwas “die Eigenschaft φ zu haben schien”, woher wissen wir, daß es diese Eigenschaft zu haben schien ‒ ‒ ‒. Was für ein Zusammenhang besteht zwischen ‘es scheint so’ und ‘es ist so.
     Vor allem kann der Schein recht haben, oder unrecht. – Er ist auch in einem Sinne erfahrungsgemäß mit der Wirklichkeit verbunden. Man sagt “das scheint Typhus zu sein” und das heißt, diese Symptome sind erfahrungsgemäß mit jenen Erscheinungen verbunden. Wenn ich sage “das scheint rot zu sein” und dann “ja, es ist wirklich rot”, so habe ich für die zweite Entscheidung einen Test angewandt, der unabhängig von der ersten Erscheinung war.
     Wenn etwas rot schien, so war dieser Schein. Und wenn in diesem Schein auch nichts in demselben Sinne rot ist, in dem jenes andere rot ist, wenn der Schein recht hätte, so gab es doch in dem Schein etwas dem Rot-Sein Entsprechendes. – Wenn es scheint, als wäre ein physikalischer Gegenstand braun und rund, so muß darum natürlich nicht etwas im physikalischen Sinne braun und rund sein, aber es ist etwas Entsprechendes der Fall. In wiefern kann man aber von etwas Entsprechendem reden? ‒ ‒ ‒

   
     “Satz” ist so allgemein wie z.B. auch “Ereignis”. Wie kann man “ein Ereignis” von dem abgrenzen, was kein Ereignis ist?
     Ebenso allgemein ist aber auch “Experiment”, das vielleicht auf den ersten Blick spezieller zu sein scheint.

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     Man kann natürlich auch nicht sagen, ‘Satz’ sei dasjenige, wovon man ‘wahr’ und ‘falsch’ aussagen könne, denn das würde nur dann etwas bestimmen, wenn diese Worte in einer bestimmten Weise gemeint sind, das aber können sie nur im Zusammenhang sein. Und eben im Zusammenhang mit einem Satz. Alles, was man machen kann, ist hier, wie in allen diesen Fällen, das grammatische Spiel bestimmen¤, seine Regeln angeben und es dabei bewenden lassen.
     Hier handelt es sich um die Regeln für “”, “non”, etc.

   
     “Da geschah ein Ereignis …”: d.h. || das heißt nicht “ein Ereignis” im Gegensatz zu etwas Anderem.

   
     In der Mengenlehre müßte man das, was Kalkül ist, trennen von dem, was Lehre sein will (und natürlich nicht sein kann). Man muß also die Spielregeln von unwesentlichen Aussagen über die Schachfiguren trennen.

   
     Es ist immer mit Recht höchst verdächtig, wenn Beweise in der Mathematik allgemeiner geführt werden, als es der bekannten Anwendung des Beweises entspricht. Es liegt hier immer der Fehler vor, der in der Mathematik allgemeine Begriffe und besondere Fälle sieht. In der Mengenlehre treffen wir auf Schritt und Tritt diese verdächtige Allgemeinheit.
     Man möchte immer sagen: “Kommen wir zur Sache!”
     Jene allgemeinen Betrachtungen haben stets nur Sinn, wenn man einen bestimmten Anwendungsbereich im Auge hat.
     Es gibt eben in der Mathematik keine Allgemeinheit, deren Anwendung auf spezielle Fälle sich noch nicht voraussehen ließe.
     Man empfindet darum die allgemeinen Betrachtungen der Mengenlehre
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(wenn man sie nicht als Kalkül ansieht) immer als Geschwätz und ist ganz erstaunt, wenn einem eine Anwendung dieser Betrachtungen gezeigt wird. Man empfindet, es geht da etwas nicht ganz mit rechten Dinge zu.

   
     Es mag nach dem Vielen, was ich schon darüber gesagt habe, trivial klingen, wenn ich jetzt sage, daß der Fehler in der mengentheoretischen Betrachtungsweise immer wieder darin liegt, Gesetze und Aufzählungen (Listen) als wesentlich Eins zu betrachten und sie aneinander zu reihen; da, wo das eine nicht ausreicht, das Andere seinen Platz ausfüllt. (So macht es die Dirichlet'sche Auffassung der Funktionen.)

   
     Wendet man meine Betrachtung auf das Cantor'sche Diagonalverfahren an, so ergibt sich:
Eine unendliche Menge von Dezimalbrüchen:
0˙ a
1
1
a
2
1
a
3
1
a
4
1

0˙ a
1
2
a
2
2
a
3
2
a
4
2

0˙ a
1
3
a
2
3
a
3
3
a
4
3

‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒
kann nur ein Gesetz bedeuten, nach dem Gesetze gebildet werden und das heißt eigentlich, eine Funktion von zwei Veränderlichen. F(x,y) ist die allgemeine Form dieser Dezimalbrüche. F(x,n) ist der n-te von ihnen und F(m,n) seine m-te Stelle. Der Dezimalbruch nach der Diagonale genommen ist F(x,x) und verändert lautet er etwa F(x,x) + 1. Und nun zeigt ein Induktionsbeweis, daß F(x,x) + 1 eine andere Entwicklung hat als jedes beliebige F(x,y). Wo aber ist hier das höhere Unendliche? (Oder gar das “eigentlich Unendliche”.)

   
     Die Schwierigkeit liegt auch hier wieder in der Bildung mathematischer Scheinbegriffe. Wenn man z.B. sagt: man kann die Kardinalzahlen ihrer Größe nach in eine Folge ordnen, aber nicht die rationalen Zahlen, so ist darin unbewußt die Voraussetzung enthalten, als hätte
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der Begriff des Ordnens der Größe nach für die rationalen Zahlen doch einen Sinn, und als erwiese sich dieses Ordnen nun beim Versuch als unmöglich (was voraussetzt, daß der Versuch denkbar ist). – So denkt man, ist es möglich zu versuchen die reellen Zahlen (als wäre es ein Begriff wie etwa ‘Äpfel auf diesem Tisch’) in eine Reihe zu ordnen, und es erwiese sich nun als undurchführbar.

   
     Wenn der Mengenkalkül sich in seiner Ausdrucksweise soviel als möglich an die Ausdrucksweise des Kalküls der Kardinalzahlen anlehnt, so ist das wohl in mancher Hinsicht belehrend, weil es auf gewisse formale Ähnlichkeiten hinweist, aber auch irreführend, wenn er gleichsam noch etwas ein Messer nennt, das weder Griff noch Klinge mehr hat. (Lichtenberg).

   
     Dem periodischen Dezimalbruch, der ja ein Gesetz ist, kann man nur nicht-periodische Gesetze entgegenstellen und nicht nicht-periodische Extensionen.

   
     Wie beweist man, daß 2 × 2 nicht 5 ist? ist es ein anderer Beweis als der, daß 2 × 2 = 4 ist? Denn, da der Sinn des mathematischen Satzes in seiner Beweisbarkeit liegt und der Art, wie er zu beweisen ist, so muß sich auch der Sinn des negativen Satzes so finden.

   
     ((Ich sehe undeutlich eine Verbindung zwischen dem Problem des Solipsismus oder Idealismus und dem, der Bezeichnungsweise eines Satzes. Wird etwa das Ich in diesen Fällen durch den Satz ersetzt und das Verhältnis des Ich zur Wirklichkeit durch das Verhältnis von Satz und Wirklichkeit?))

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     Sage ich jemandem “gehe drei Schritte” und er versteht den Befehl, so kann er ihn mir etwa durch eine Zeichnung erklären. Er sagt: Wenn hier der Weg ist und A der Anfang, so willst du, daß ich nach B dann nach C und D kommen soll; oder dergleichen. Und dabei ist es klar, daß er in gewissem Sinne nur einer Sache Ausdruck verliehen hat, die er schon früher – als er den Befehl hörte und verstand – wußte. Er könnte nun so fortfahren und den Befehl noch näher erklären, etwa durch ein ausgeführteres Diagramm und immer würde er doch nur hervorbringen, was ihm schon früher klar war. Er übersetzt nur aus einer Sprache in eine andere. Und wenn er nun endlich den Befehl ausführte, zum Zeichen, daß er ihn verstanden hat – würde er da nicht wieder bloß übersetzen?

   
     Zwischen dem Befehl und seiner Ausführung muß eine Kontinuität bestehen. Die Ausführung muß, sozusagen, nur die Endfläche des Befehls (Befehlskörpers) sein.

   
     Ich denke, um mir das Wesen des Verstehens klar zu machen, immer an eine Figur und eine Projektion, die man von ihr macht. Die Projektionsmethode kann nur durch den Vergleich des Bildes mit der Realität festgehalten sein, die eben da || vorhanden ist.

   
     Aber da scheint es ja, als müsse man den Satz mit der Realität in einem bestimmten Sinne vergleichen – also nicht nur vergleichen. Als müßte also die Realität in gewissen Fällen durch die Vergleichung quasi einen Vorwurf empfinden.
     Wenn sich etwas einem Ziele nähert, so liegt in dem Wort “Ziel” hier das, was ich meine (die Intention.)

35
   
     
Jeder Mensch sieht, daß die obere Strecke größer ist und die untere kleiner; aber er sieht nicht darin, daß die untere Strecke so groß sein oder werden sollte, wie die obere. Und wie kann ein Bild, welcher Art immer, das ausdrücken?

   
     D.h., der Satz (Befehl) wird nicht einfach mit der Wirklichkeit zusammengestellt, sondern er wird in einer bestimmten Tendenz mit ihr verglichen. Aber worin liegt diese Tendenz?

   
     Der Satz, der Befehl, setzt die Wirklichkeit quasi fort, indem er an die Realität anknüpft und eine Veränderung darstellt. Es ist, als hätte man eine Puppe, die meinen Körper in seiner gegenwärtigen Lage vorstellt und mit der nun die Veränderungen vorgenommen werden – in effigie – die meinem Körper zugedacht sind.

   
     Somit wäre das Problem wieder das, welcher Natur die stellvertretende Beziehung ist, wenn man etwa sagt “diese Figur sollst du sein etc. etc.”.

   
     Was heißt es: Ich kann mir vorstellen, daß der Fleck A sich an den Ort B bewegt? Die seltsame Täuschung, der man unterliegt, daß im Satze die Gegenstände das tun, was der Satz sagt, muß sich aufhellen.

   
     Es ist, als ob im Befehl bereits ein Schatten der Ausführung läge. Aber ein Schatten eben dieser Ausführung. Du gehst im Befehl dort und dort hin. – Sonst wäre es aber eben ein
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anderer Befehl.

   
     (Ich weiß, daß ich logisches Gift in mich hineintrinken muß, um es überwinden zu können.
     So sage ich mir jetzt eigentlich immer, daß doch die Tatsache im Befehl, im Satz, schon liegen muß, obwohl ich weiß, daß sie nicht in ihm liegt; aber dieser Schein muß angegangen werden.)

   
     Zu Grunde liegt allen meinen Betrachtungen die Einsicht, daß der Gedanke einen inneren Zusammenhang mit der Welt hat und keinen äußeren. Daß man also das meint, was man sagt. Heißt das aber nicht nur, daß man sich in der Sprache nicht aus der Sprache, oder in den Gedanken, nicht aus den Gedanken, herausbewegen kann?

   
     In der Sprache wird alles ausgetragen.

   
     Wenn man sagt “ich dachte du würdest heute kommen und habe schon Vorbereitungen getroffen”, so stehen diese Vorbereitungen mit dem Gedanken in irgend einer Kontinuität.
     Wenn ich jemanden einen Stuhl hinschiebe, damit er sich setzt, so bilden hier auch der Gedanke und die Handlung eine Kette.

   
     Der Gedanke “daß es sich so verhält” (p) wird durch die Tatsache, daß es sich so verhält (p) wahrgemacht. Daß sich der Zusammenhang zwischen Gedanken und Welt so nicht darstellen läßt (denn diese Darstellung sagt garnichts) muß die Antwort auf meine Probleme sein.
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     Es ist, natürlich, auch nicht so, daß das, was den Gedanken “daß p der Fall ist” verifiziert – befriedigt – eben p genannt wird.
     Wie, wenn man sagen würde: ich habe Lust auf einen Apfel und was immer diese Lust befriedigt, werde ich eben einen Apfel nennen.

   
     Denn ich rede ja jetzt von der Befriedigung des Gedankens (der Erwartung) noch ehe der Gedanke befriedigt ist.

   
     Man könnte nämlich denken, || : wie ist es; der Gedanke und die Tatsache sind verschieden; aber wir nennen den Gedanken: den, daß die Tatsache der Fall ist; oder die Tatsache: die, welche den Gedanken wahr macht. Ist da das eine eine Beschreibung mit Hilfe des Anderen? Wird der Gedanke mittels der Tatsache, die ihn wahr macht beschrieben, also einer äußeren Eigenschaft nach beschrieben, wie wenn ich von jemandem sage, er ist mein Onkel? Oder die Tatsache eben so durch den Gedanken?

   
     Wenn man den Ausdruck “der Gedanke, daß … der Fall ist” als Beschreibung erklärt, so ist damit wieder nichts erklärt, weil es sich fragt: wie ist eine solche Beschreibung möglich, sie setzt selber wieder das Wesen des Gedankens voraus, denn sie enthält den Hinweis auf eine Tatsache, die nicht geschehen ist, also gerade das, was problematisch war.

   
     Meine Ansicht ist, daß der Gedanke wesentlich das ist, was durch den Satz ausgedrückt ist, wobei ‘ausgedrückt’ nicht heißt ‘hervorgerufen’. Ein Schnupfen wird durch ein kaltes Bad hervorgerufen, aber nicht
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durch das kalte Bad ausgedrückt.
     Ich meine, daß || Daß der Gedanke ganz Maß ist, wie der Maßstab; d.h. daß || wie alles am Maßstab unwesentlich ist außer dem Längenmaß.

   
     Der Gedanke ist ein Symbol.

   
     Der gegenwärtige Gedanke enthält alle Realität, die gegenwärtig vorhanden ist. (Und mehr kann er ja nicht haben.)

   
     Es ist sehr merkwürdig, daß in einem Buch über Differentialrechnung in den Erklärungen mengentheoretische Ausdrücke und Symbole vorkommen, die die im Kalkül gänzlich verschwinden. Das erinnert an die ersten Erklärungen in den Lehrbüchern der Physik, in denen vom Kausalitätsgesetz und Ähnlichem die Rede ist, was, wenn wir einmal zur Sache kommen, nicht mehr erwähnt wird.

   
     Das Symbol – ich meine das, was als Symbol gebraucht wird – mit der Wirklichkeit zu vergleichen, ist einfach. Die Schwierigkeit besteht darin, es, mit der symbolisierenden Beziehung zusammen, als Gedanke mit der Wirklichkeit zu vergleichen.

   
     “Ich bin froh darüber, daß du kommst” heißt nicht, ich bin froh, weil Du kommst. In diesem Falle wäre es eine Vermutung, daß ich deshalb so guter Stimmung bin.)

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     Wenn ich sage: die Worte ‘bedeuten’ garnichts, ich will damit nur eine bestimmte Wirkung hervorbringen, so ist aber die Frage: was heißt es eine bestimmte Wirkung hervorbringen; das ist ja eben die Anwendung der Sprache, welche ich nicht verstehe.

   
     Es ist nämlich die Intention, die man erklären will und die kann man nicht mit sich selbst erklären.

   
     “Ein Satz bedeutet, sagt, garnichts; er bewirkt nur etwas; wie z.B. ein Eisenbahnsignal, das man auch durch eine automatische Vorrichtung ersetzen könnte.”

   
     Man kann sich vorstellen, es sei etwas der Fall, was nicht ist: sehr merkwürdig! Denn, daß die Vorstellung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, ist nicht merkwürdig, daß sie sie aber dann repräsentiert, ist merkwürdig.

   
     Der Gedanke ist ein Stück Wirklichkeit. Und wie kann ein Stück Wirklichkeit in einer wesentlichen Ausnahmsstellung sein. Außer in einer Beziehung zu sich selbst. Ebenso, daß man über alles denken könnte, aber über das Denken nicht.

   
     Warum kommt mir mein Gedanken ein so exzeptionelles Stück Wirklichkeit vor? Doch nicht, weil ich ihn “von innen” kenne, das heißt nichts; sondern offenbar, weil ich alles in Gedanken ausmache, und über das Denken auch nur wieder denken könnte.

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     Wenn einer die Lösung des ‘Problems des Lebens’ gefunden zu haben glaubt, und sich sagen wollte, jetzt ist alles ganz leicht, so brauchte er sich zu seiner Widerlegung nur erinnern, daß es eine Zeit gegeben hat, wo diese ‘Lösung’ nicht gefunden war; aber auch zu der Zeit mußte man leben können und im Hinblick auf sie erscheint die gefundene Lösung wie || als ein Zufall. Und so geht es uns in der Logik. Wenn es eine ‘Lösung’ der logischen (philosophischen) Probleme gäbe, so müßten wir uns nur vorhalten, daß sie ja einmal nicht gelöst waren (und auch da mußte man leben und denken können) ‒ ‒ ‒

   
     Es ist ein wesentlicher Unterschied zwischen Sätzen wie “das ist ein Löwe”, “die Sonne ist größer als die Erde”, die alle ein “dieses”, “jetzt”, “hier” enthalten und also an die Realität unmittelbar anknüpfen, und Sätzen wie “Menschen haben zwei Hände” etc. Denn, wenn zufällig keine Menschen in meiner Umgebung wären, wie wollte ich diesen Satz kontrollieren?

   
     Das Wesentliche am Gedanken ist, daß er nicht als Mittel zum Zweck, als ein Instrument, wirkt, das man durch ein anderes ersetzen könnte, sondern als Unvergleichliches, Autonomes. Darum ist eine Gedankenprothese nicht denkbar.
     Aber heißt das etwas? Ich kann ja zwar den Magen durch eine Prothese ersetzen, aber nicht die Magenschmerzen. Und kann man nicht vom Magenschmerz dasselbe sagen, wie vom Gedanken?

   
     Auch die Verneinung enthält eine Art Allgemeinheit.
     Aber freilich muß auch die Bejahung sie enthalten und nur einen anderen Gebrauch von ihr machen.

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     Wenn mir jemand einen komplizierten Befehl durch eine Zeichensprache gibt, – ich verstehe ihn erst nicht, dann plötzlich verstehe ich: “aha || ah, das will er”, was habe ich da erfaßt (got hold of). Etwa die Vorstellung von einer Handlung; aber sie wäre ja auch nur Zeichen, wenn ich sie nicht benützen könnte. Oder, ich habe keine Vorstellung, sondern Zeichen eines Systems, die ich bereits benützen kann.

   
     Man hat nicht den Gedanken, und daneben die Sprache. – Es ist also nicht so, daß man für den Andern die Zeichen, für sich selbst aber einen stummen Gedanken hat.

   
     Der Gedanke ist immer eine Konstruktion.

   
     Die Verneinung muß mit zu der Konstruktion gehören.
Und zwar muß z.B. in jedem Symbolismus non-non-p = p¤ sein.

   
     Man könnte so sagen, am Gedanken ist nichts privat. – Es kann jeder in ihn Einsicht nehmen.

   
     Man hat nicht den Zeichenausdruck und daneben, für sich selbst, den (gleichsam dunkeln) Gedanken. Dann wäre es doch auch zu merkwürdig, daß man den Gedanken durch die Worte sollte wiedergeben können.

   
     D.h.: wenn der Gedanke nicht schon artikuliert wäre, wie könnte der Ausdruck durch die Sprache ihn artikulieren. Der artikulierte Gedanke aber ist in allem Wesentlichen ein Satz.

   
     Non-p schließt p aus; was es dann zuläßt hängt von der Natur des p ab.

42
   
     Nur einen Satz kann man verneinen, – wenn man also ein Zeichen mit den gleichen formellen Regeln, wie das der Verneinung in Verbindung mit Gleichungen verwendet, so wird zwar die Versuchung naheliegen es Verneinung zu nennen, aber von Verneinung im ersten Sinn ist hier keine Rede.

   
     In der Mathematik ist alles Algorithmus, nichts Bedeutung; auch dort, wo es so scheint, weil wir mit Worten über die mathematischen Dinge zu sprechen scheinen. Vielmehr bilden wir dann eben mit diesen Worten einen Algorithmus.

   
     Der einzige Beweis, daß zwei Beweise dasselbe beweisen, ist, daß sie in einander überführbar sind.

   
     Ein Beweis beweist nur was er beweist; d.h. es ist durch keine Auslegung mehr aus ihn herauszukriegen, als was in ihn selbst steht.

   
     Zwei Beweise, die dasselbe beweisen müssen sich ja begegnen. Wie zwei Wege, die zum selben Ort führen. Verfolgen wir sie und sehen zu, wie diese Begegnung geschieht.

   
     Kann man aus der Ungleichung:
1 +
1
2
+
1
3
+
1
4
+ … ≠ (1 +
1
2
+
1
+
1
+ …) × (1 +
1
3
+
1
+ …) eine Zahl n ableiten || konstruieren, die jedenfalls in den Kombinationen der rechten Seite noch fehlt? Der Euler'sche Beweis dafür, daß es “unendlich viele Primzahlen gibt” soll ja doch ein Existenzbeweis sein, und wie ist der ohne Konstruktion möglich?

   
     non 1 +
1
2
+
1
3
+ … = (1 +
1
2
+
1
+ …) × (1 +
1
3
+
1
+ …) das Argument läuft so: Das rechte Produkt ist eine Reihe von Brüchen
1
n
646
¤ in deren Nenner alle Kombinationen 2n3m vorkommen; wären das alle Zahlen, so müßte diese Reihe die gleiche sein, wie die 1 +
1
2
+
1
3
… und dann müßten auch die Summen gleich sein. Die linke ist aber unendlich und die rechte nur eine endliche Zahl
2
1
×
3
2
= 3, also fehlen in der rechten Reihe unendlich viele Brüche, d.h. es gibt in der rechten Reihe Brüche, die in der linken nicht vorkommen. Und nun handelt es sich darum: ist dieses Argument richtig? Wenn es sich hier um endliche Reihen handelte, so wäre alles klar || durchsichtig. Denn dann könnte man aus der Methode der Summation eben herausfinden, welche Glieder der linken Reihe auf die rechte Reihe fehlen. Man könnte nur || nun fragen: wie kommt es, daß die rechte Reihe unendlich gibt, was muß sie außer den Gliedern der linken enthalten, daß es so wird? Ja es frägt sich: hat eine Gleichung, wie die obere 1 +
1
2
+
1
3
+ … = 3 überhaupt einen Sinn? Ich kann ja aus ihr nicht herausfinden, welche Glieder links zu viel sind. Wie wissen wir, daß alle Glieder der rechten auch in der linken Seite vorkommen? Im Fall endlicher Reihen kann ich es erst sagen, wenn ich mich Glied für Glied davon überzeugt habe; – und dann sehe ich zugleich welche übrigbleiben. – Es fehlt uns hier die Verbindung zwischen dem Resultat der Summe und den Gliedern, die einzige, die den Beweis erbringen könnte. – Am klarsten wird alles, wenn man sich die Sache mit einer endlichen Gleichung ausgeführt denkt: 1 +
1
2
¤ +
1
3
+
1
4
+
1
5
+
1
6
≠ (1 +
1
2
) × (1 +
1
3
) = 1 +
1
2
+
1
3
+
1
6
Wir haben hier wieder das Merkwürdige, was man etwa einen Indizienbeweis in der Mathematik nennen könnte – der ewig unerlaubt ist. Oder, einen Beweis durch Symptome. Das Ergebnis der Summation ist ein Symptom dessen (oder wird als eines aufgefaßt), daß rechts Glieder sind, die links fehlen. Die Verbindung des Symptoms, mit dem, was man beweisen || bewiesen haben möchte, ist eine lose. D.h. es ist eine Brücke nicht geschlagen, aber man gibt sich damit zufrieden,
647
daß man das andere Ufer sieht.
     Alle Glieder der rechten Seite kommen in der linken Seite vor, aber die Summe links gibt unendlich und die rechte nur einen endlichen Wert – also müssen … aber in der Mathematik muß garnichts, außer was ist.
     Die Brücke muß geschlagen werden.
     In der Mathematik gibt es kein Symptom, das kann es nur im psychologischen Sinne für den Mathematiker geben.
     Man könnte auch so sagen: Es kann sich in der Mathematik nicht auf etwas schließen lassen, was sich nicht sehen läßt.

   
¤      Das ganze lose Wesen jener Beweisführung beruht wohl auf der Verwechslung der Summe und des Grenzwerts der Summe.
     Das sieht man klar, || : wie weit immer man die rechte Reihe fortsetzt, immer kann man die linke auch so weit bringen, daß sie alle Glieder der rechten einschließt. (Dabei bleibt noch offen, ob die dann auch noch andere || andre Glieder enthält.)

   
¤      Man könnte auch so fragen: Wenn Du nur diesen Beweis hättest, was könntest Du || man nur diesen Beweis hätte, was könnte man nun daraufhin wagen? Wenn wir etwa die Primzahlen bis N gefunden hätten, könnten wir nun daraufhin ins Unendliche auf die Suche nach einer weiteren Primzahl gehen – da uns der Beweis verbürgt, daß wir eine finden werden? Das ist doch Unsinn. – Denn das “wenn wir nur lange genug suchen” heißt garnichts. (Bezieht sich auf Existenzbeweise im Allgemeinen.)

   
¤      Könnte ich auf diesen Beweis hin weitere Primzahlen links hinzufügen? Gewiß nicht, denn ich weiß ja garnicht, wie ich welche finden kann und das heißt:
45
¤ ich habe ja gar keinen Begriff der Primzahl, der Beweis hat mir keinen gegeben. Ich könnte nur beliebige Zahlen (bezw. Reihen) hinzufügen.
     Es frägt sich, ob durch Hinzufügung des Beweises von der eindeutigen Zerlegbarkeit unser Beweis beweiskräftig wird.

   
     (Die Mathematik ist angezogen mit falschen Deutungen.)

   
     (Es muß noch eine Primzahl || solche Zahl kommen”, heißt in der Mathematik nichts. Das hängt unmittelbar damit zusammen, daß es “in der Logik nichts Allgemeineres und Spezielleres gibt”.)

   
     Wenn die Zahlen alle Kombinationen von 2 und 3 wären, so müßte den ergeben, – sie ergibt ihn aber nicht … Was folgt daraus? (Satz des ausgeschlossenen Dritten) Daraus folgt nichts, als daß die Grenzwerte der Summen verschieden sind; also nichts (Neues)). Nun könnte man aber untersuchen, woran das liegt. Dabei wird man vielleicht auf Zahlen stoßen, die durch 2r × 3s nicht darstellbar sind, also auf größere Primzahlen, nie aber wird man sehen, daß keine Anzahl solcher ursprünglicher Zahlen zur Darstellung aller Zahlen genügt.

   
     1 +
1
2
+
1
3
+ … ≠ 1 +
1
2
+
1
+
1
+ …
     Wieviel Glieder der Form
1
2r
ich auch zusammennehmen mag, nie ergibt es mehr als 2, während die ersten vier Glieder der linken Reihe schon mehr als 2 ergeben. (Hierin muß also schon der Beweis liegen.) Und hierin liegt er auch und zugleich die Konstruktion
46
einer Zahl, die keine Potenz von 2 ist, denn die Regel heißt nun: finde den Abschnitt der Reihe, der jedenfalls 2 übertrifft, dieser muß eine Zahl enthalten, die keine Potenz von 2 ist.

   
     (1 +
1
2
+
1
… ) × (1 +
1
3
+
1
… ) … (1 +
1
n
+
1
+ … ) = n.
     Wenn ich nun die Summe 1 +
1
2
+
1
3
+ … so weit ausdehne, bis sie n überschreitet, dann muß dieser Teil ein Glied enthalten, das in der rechten Reihen nicht gefunden werden kann, denn enthielte die rechte Reihe alle diese Glieder, dann müßte sie eine größere und keine kleinere Summe ergeben.

   
     Wie ist es nun, wenn ein Existenzbeweis zeigt, daß eine Zahl der gewünschten Eigenschaft in einem bestimmten Intervall vorkommt, ein anderer aber zeigt, daß sich eine in einem kleineren Intervall finden muß? Beweisen diese beiden nun dasselbe, nämlich die Existenz? Nein.

   
     Die Bedingung unter der ein Teil der Reihe 1 +
1
2
+
1
3
+ …, etwa
1
n
+
1
(n + 1)
+
1
(n + 2)
+ … +
1
(n + r)
, gleich oder größer als 1 wird, ist folgende:
Es soll werden:
1
n
+
1
(n + 1)
+
1
(n + 2)
+ … +
1
(n + r)
1.
Formen wir die linke Seite um in:

Daher: 2nr + 2r ‒ 2n² ‒ 2n + 2n + 2 ‒ n² ‒ nr + n + r = oder grösser 0
nr + 3r ‒ 3n² + 2 + n = oder grösser 0
r = oder grösser
(3n² ‒ (n + 2))
(n + 3)
kleiner als 3n ‒ 1.
47
Also ist eine hinreichende Bedingung dafür, daß
1
n
+
1
(n + 1)
+ … +
1
(n + r)
1, die, daß r 3n ‒ 1. Denke ich mir nun vom Anfang der Reihe 1 +
1
2
+
1
3
+ … solche Abschnitte aneinandergereiht, die gleich oder größer als 1 sind, so reicht der erste dieser Abschnitte von
1 bis 3, der zweite von
4 bis 15, der dritte von
16 bis 63, der m-te bis 4m ‒ 1.
     Die Summe 1 +
1
2
+
1
3
+ … bis zum 4mten Gliede ausgedehnt, überschreitet also gewiß m. Also ist
1 +
1
2
+
1
3
+ …
1
4m
˃ (1 +
1
2
+
1
+ …) ∙ (1 +
1
3
+
1
+ …) … (1 +
1
m
+
1
+ …)
     Also muß unter den ersten 4m ganzen Zahlen mindestens eine sein, die durch keine der ersten m Zahlen teilbar ist.

   
     Ich kann einen Apparat beschreiben, in welchem ein Bolzen in einem Einschnitt eines Rades eingreift, wenn dieses sich in einer bestimmten Stellung befindet. Kann man sagen, der Satz ist so gebaut, daß, wenn die Realität so ist, so schnappt sie ein? Ich müßte also den Gedanken beschreiben können und dann die Realität, die so gebaut ist, daß sie mit ihm übereinstimmt. Aber das heißt doch garnichts

   
     Man kann auch nicht sagen, “daß auch die lebhafteste Vorstellung doch nicht an die Wirklichkeit herankommt”, denn damit wäre es also doch denkbar, daß sie herankäme – wenn es auch nie einträte –.

48
   
     Es ist immer so, als wäre die Erwartung (der Gedanke) ein Maßstab, der die Höhe, auf die es bei ihm einzig ankommt, mit dem zu messenden Objekt gemein hat. Oder, wenn man sagt: beschreibe einen Hohlzylinder und einen Vollzylinder, die genau zusammenpassen. Soweit sie zusammenpassen, haben sie eine Form miteinander gemein. Und die Beschreibung beschreibt also insoweit das Gleiche.

   
     Die Erwartung und die Tatsache, die die Erwartung befriedigt, passen offenbar irgendwie zusammen. Man soll nun eine Erwartung beschreiben, und eine Tatsache, die zusammenpassen, damit man sieht, worin diese Übereinstimmung besteht. Da denkt man sofort an das Passen einer Vollform in eine entsprechende Hohlform. Aber wenn man nun hier die beiden beschreiben will, so sieht man, daß, soweit sie passen, eine Beschreibung für beide gilt.

   
     Es scheint nämlich, als ob das, was zur Erwartung kommt, wenn sie erfüllt wird, nur die Wirklichkeit ist, die zur Möglichkeit tritt, also quasi – etwas Amorphes – ein Koeffizient – und nichts, was nicht schon in der Erwartung vorgebildet gewesen wäre.
     Die Vollform unterscheidet sich ja auch nur durch einen Index, durch etwas Amorphes wiederum, || , von der Hohlform.

   
     ‘Ich erwarte mir, daß er kommt, und er kommt.’ Man möchte sagen: mehr von ihm konnte ja die Erwartung nicht wiedergeben, als was sie dann an (dem Ereignis || ihm) befriedigt hat. Aber das ist natürlich auch nicht richtig. Denn es ist nicht so, als bestünde das Ereignis gleichsam aus Qualitäten, die schon zum Teil schon die Erwartung des Ereignisses hatte, zum Teil noch nicht.
49


   
     Das Merkwürdige ist ja darin ausgedrückt, daß, wenn das der Fleck ist, den ich erwartet habe, er sich nicht von dem unterscheidet, den ich erwartet habe. Wenn man also fragt: “Wie unterscheidet sich denn der Fleck von dem, den du erwartet hast, denn in deiner Erwartung war doch der wirkliche Fleck nicht vorhanden, sonst hättest du ihn nicht mehr erwarten können”, so ist die Antwort dennoch: der Fleck ist der, den ich erwartet habe.

   
     Die Erwartung der Befriedigung der Erwartung, daß p eintreffen wird, ist die Erwartung, daß p eintreffen wird.
     Der Gedanke an den Inhalt des Gedankens p ist der Gedanke p.

   
     Es ist – glaube ich, – wichtig zu erkennen, daß wenn ich etwa glaube, daß jemand zu mir kommen wird, mein Dauerzustand nichts mit dem Betreffenden und den übrigen Elementen des Gedankens zu tun hat, d.h. sie nicht enthält. Das Gleiche gilt aber für Erwartung, Wunsch, etc. etc. Wenn ich jemand erwarte, so denke ich nicht während dieser ganzen Zeit, daß er kommen wird, oder dergleichen. Ja selbst, wenn ich es gerade denke, so ist ja dieser Vorgang kein amorpher, wie etwa der des Schmerzes, sondern besteht nur darin, daß ich etwa jetzt gerade den Satz sage, “er wird kommen”. Man kann nicht amorph sehen, daß etwas der Fall ist, glauben, daß etwas der Fall ist, wünschen, befürchten, denken, etc.

   
     Das Amorphe ist das, was nicht Symbol ist und wofür die Betrachtungen der Kausalitätstheorie || kausalen Theorie der Bedeutung und des Behaviourism gelten.

50
   
     Der Gedanke, soweit man überhaupt von ihm reden kann, muß etwas ganz Hausbackenes sein. (Man pflegt sich ihn als etwas Ätherisches, noch Unerforschtes, zu denken; als handle es sich um Etwas, dessen Außenseite bloß wir kennen, dessen Wesen aber noch unerforscht ist, etwas wie das unseres Gehirns. || unser Gehirn.)

   
     Der Gedanke hat aber nur eine Außenseite und kein Innen. Und ihn analysieren heißt nicht in ihn dringen.

   
     Ein amorpher Gedanke ist so undenkbar, wie ein amorphes Schachspiel.

   
     Das, was den Gedanken für uns zum Gedanken macht, kann nicht etwas Menschliches sein, etwas, das mit dem Bau und Wesen des Menschen zu tun hätte, sondern etwas – rein Logisches – was unabhängig von der Naturgeschichte eines Lebewesens besteht.

   
     Eine Gedankenprothese ist darum nicht möglich, weil der Gedanke für uns nichts Menschliches ist.
     Wir könnten die Rechenmaschine als eine Prothese statt der 10 Finger ansehen, aber die Rechnung ist nichts spezifisch Menschliches und für sie gibt es keinen Ersatz. || keine Prothese.

   
     Wenn mir heute geträumt hat, daß N mich besuche, und N besucht mich nun wirklich, so war darum jene Traumphantasie keine Erwartung, und die Tatsache, daß N mich besuchte keine Erfüllung der || einer Erwartung.
     Es fehlt die Intention. Kann aber die Intention eine externe Relation sein?
     Da die Intention macht, daß dieser Vorgang ein Bild ist, und nun bewahrheitet oder nicht bewahrheitet wird, und da das das eigentliche Wesen der Intention ausmacht, so kann die Intention keine Relation des
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Bildes zu etwas anderem sein.

   
     – Ich kann eben garnicht reden, ohne es schon irgendwie zu meinen. Darum muß sozusagen die Meinung aus der Betrachtung herausfallen. Denn, wenn ich sagen will, wie etwas gemeint ist, so meine ich ja das selbst auch irgendwie.

   
     Aus dem Meinen kann ich nicht heraus, darum kann ich nicht sagen, wie etwas gemeint ist. Dann aber muß eben das Wort ‘Meinen’ sinnlos sein; so muß es sich herausstellen.

   
     Es ist in der Erwartung alles für das Eintreffen des Ereignisses hergerichtet.

   
     Von den Teilstrichen des Maßstabes gelten nur die Punkte, die sie mit dem zu messenden Körper gemein haben.

   
     Es muß alles hergerichtet sein, darin besteht die Eindeutigkeit der Erwartung.
     Oder sie besteht eigentlich darin, daß man von ihr auch nicht reden kann.

   
     In demselben Sinne, in dem er jetzt 1 m hoch ist, wird er später 1,5 m hoch sein.

   
     Die Meinung des Zeichens kann man nur erklären, indem man Zeichen gebraucht, also dem ersten Zeichen weitere hinzufügt. Diese Zeichen kann man wieder nur durch Zeichen erklären etc. Also, soweit das keine Erklärung der Intention ist, gibt's keine (nämlich keine Erklärung, aber auch keine Intention.)

52
   
     Gewiß, wenn man jemandem erklären will, wie etwas gemeint war, so, muß man Worte gebrauchen, – die selbst irgendwie gemeint sind.
     So setzt man zur Landkarte den Maßstab, aber nun ist eben das Ganze Ein Zeichen …

   
     Das Charakteristische am Gedanken, was ihn für uns so einzig macht, ist, daß wir dabei nicht das Gefühl einer Deutung haben.

   
     Ja, es ist offenbar, daß sich die Erwartung eben mit demselben – derselben Wirklichkeit – abgibt, wie die Tatsache, die sie erfüllt, und das ist, was sie uns wirklich macht.

   
     Wir schauen erwartend zu derselben, wirklichen, Tür, zu der die erwartete Person eintreten soll.

   
     (Immer vergißt man, wie einfach und natürlich alles ist.)

   
     (Es beschäftigen uns Fragen verschiedener Art, etwa “wie groß ist das spezifische Gewicht dieses Körpers”, “wird es heute schön bleiben”, “wer wird als nächster zur Tür hereinkommen”, etc.¤ Aber unter unseren Fragen finden sich solche von besonderer Art. Wir haben hier ein anderes Erlebnis. Die Fragen scheinen fundamentaler zu sein als die anderen. Und nun sage ich: wenn wir dieses Erlebnis haben, dann sind wir an der Grenze der Sprache angelangt.)

   
     Man könnte sagen, die Erwartung ist kein Bild, sie bedient sich nur eines Bildes. Ich erwarte etwa, daß meine Uhr jetzt auf 7 zeigen wird und drücke dies durch ein Bild der Zeigerstellung aus. Dieses Bild kann ich nun mit der wirklichen Stellung vergleichen; die Erwartung
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aber nicht. Die ist einfach eingetroffen oder nicht eingetroffen; während man von der Zeichnung nicht sagen kann, sie sei eingetroffen. Denn dazu gehört erst die Deutung der Zeichnung.

   
     Ich habe etwas vorausgesagt, es tritt nun ein, und ich sage nun einfach “es ist eingetroffen” und das beschreibt schon den Tatbestand vollkommen. Er ist also auch jetzt nur so weit beschrieben, als man ihn auch hat beschreiben können, bevor || ehe er eingetreten war.

   
     Wenn ich einfach sagen kann “es ist eingetroffen” so kann ich andererseits nicht beschreiben, wie ein Tatbestand sein muß, um eine bestimmte Erwartung zu befriedigen.

   
     Die Erwartung verhält sich eben zu ihrer Befriedigung nicht wie der Hunger zu seiner Befriedigung. Ich kann sehr wohl den Hunger beschreiben und das, was ihn stillt, und sagen, daß es ihn stillt.

   
     Unterscheidet sich etwa ein vorgestellter Ton von dem gleichen, wirklich gehörten durch die Klangfarbe?!

   
     Die Schwierigkeit ist, zu verstehen, daß die Tatsache in der Erwartung ganz vorgebildet ist.

   
     Es ist, als ob der Gedanke ein Schatten des Ereignisses wäre; aber so, daß dann die Frage, ob dieses Ereignis wirklich dasjenige ist, dessen Schatten wir vor uns haben, unsinnig ist.
     Das heißt, die Relation von Schatten und Tatsache kann keine äußere sein.

   
     Und muß das nicht eine falsche Darstellung sein? Denn, kann es in der Welt der Tatsachen solche geben, die die Schatten der anderen sind? Gewiß nicht. Aber ich sage ja selbst, daß der “Schatten” nicht etwas ist, was auf eine äußere Art mit der Tatsache zusammenhängt, und
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das heißt, daß in diesem Vergleich ein logischer Fehler ist.

   
     Wenn ich sage “b ist nicht so lang wie a”, so scheint das jenen Schatten vorauszusetzen, der Tatsache, daß b so lang wie a ist. Wenn ich aber sage “b ist kleiner als a”, so scheint das diesen Schatten nicht vorauszusetzen und doch sagt es auch, was der erste Satz sagt.

   
     Man könnte also sagen: “b ist so lang wie a” hat Sinn, weil b kürzer als a ist. (Oder: “dieses Buch ist blau” hat Sinn, weil es in Wirklichkeit rot ist.)

   
     (Es ist eine Methode der Philosophie, die in den Wissenschaften nicht erlaubt ist, den günstigsten Fall anzunehmen. Am ähnlichsten ist diese Methode noch der in der Mathematik, einen extremen Fall anzunehmen, in welchem das doch jedenfalls eintrifft. Argument a fortiori.)

   
     Man denke sich, man gebe jemandem den Befehl eine bestimmte Handlung auszuführen, etwa eine Linie mit dem Bleistift nachzuzeichnen. Die Sache wird deutlicher, wenn man sich den Befehl einem unserer Wortsprache Unkundigen mit Zeichen gegeben denkt. Man wird dann die Handlung vormachen und nun ihm den Bleistift geben, etwa seine Hand ein Stück führen (oder dergleichen). Das wird der Befehl sein. Nun wird man freilich sagen: das ist bloß der Ausdruck des Befehls und nicht, was wir eigentlich meinen; was wir meinen ist: … und nun werden wir andere Zeichen für das geben, “was gemeint ist”. – Aber, wenn man nun den Befehl ausführte und auf die Ausführung als nachträgliche Erklärung des Befehls wiese? Oder ist in dem Falle auch die Erfüllung nur ein Zeichen?

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     Wenn man das Beispiel von dem, durch Gebärden mitgeteilten Befehl betrachtet, möchte man einerseits immer sagen, || : Ja, dieses Beispiel ist eben unvollkommen, die Gebärdensprache zu roh, darum kann sie den beabsichtigten Sinn nicht vollständig ausdrücken” – aber tatsächlich ist sie so gut wie jede denkbare andere, und erfüllt ihren Zweck so vollständig, wie es überhaupt denkbar ist.
     (Es ist eine der wichtigsten Einsichten, daß es keine Verbesserung der Logik gibt.)

   
     Es ist sehr trivial, wenn ich sage, daß ich in der Erwartung eines Flecks die Erwartung eines kreisförmigen von der eines elliptischen muß unterscheiden können und es überhaupt soviele Unterschiede in der Erwartung geben muß, wie in den Erfüllungen der Erwartung. (Der Hunger und der Apfel der ihn befriedigt haben nicht die gleiche Multiplizität.)

   
     Worin besteht es “etwas als Bild verwenden”? Wenn ich z.B. einer Vorlage nachzeichne, ist es da dasselbe, ob ich absichtlich oder unabsichtlich etwas der Vorlage Ähnliches zeichne? Und wenn ich mich nun verzeichne, ist damit die Absicht, die Vorlage zu kopieren, aufgehoben? – Und doch kann diese Absicht nur darin bestehen, daß sie mit der ausgeführten Zeichnung ein genaues Bild der Vorlage, oder eigentlich, die Vorlage selbst, ergibt.
     Die Absicht muß die Ausführung zu der || auf die Vorlage ergänzen.
     Aber ist es dann nicht so, daß Beflissenheit oder Widerwille die Ausführung oder Nicht-Ausführung zum Verständnis des Befehls ergänzen müssen?

56
   
Die orthogonale Projektion von s auf b grenzt auf b schon das Stück s' ab. Damit ist freilich nicht gesagt, daß dieses Stück nun auf b eine besondere Farbe hat, also auch durch die Farbe begrenzt ist. Die Projektion des schwarzen Kreises in der oberen Ebene auf die untere begrenzt auf dieser schon einen Kreis; dadurch ist er aber noch kein Farbkreis. (In diesem Satz liegt Richtiges und Falsches.)

   
     Wenn ich nun erwarte, daß auf der unteren Ebene ein Kreis erscheinen wird von dem gesagt wird, daß er die orthogonale Projektion des oberen und von gleicher Farbe ist, so gäbe ich weiter nichts als eine Projektionsmethode. Die Projektionsmethode kann ich von anderen Gebilden kennen. Ich kenne sie aber doch nur so, daß eine Figur die orthogonale Projektion einer anderen ist; aber doch nicht so, daß keine Figur die Projektion einer Figur ist. Ich nehme mir vor, die Erscheinungen auf der unteren Ebene in bestimmter Weise zu beurteilen. Dann muß in diesem Vorsatz schon die Projektion stecken.

   
     Was heißt es, eine Strecke daraufhin untersuchen, ob sie die orthogonale Projektion einer anderen sei?

     Es kann nur heißen, eben die Striche zu ziehen, die man in einem solchen Fall zieht. – Wie ist es aber mit der Untersuchung, ob die untere Farbe die gleiche ist, wie die obere. Oder kann man sagen: auch da stelle ich mich in bestimmter Weise ein, so wie ich etwa Linien ziehe, um feststellen zu können, ob die untere Figur die Projektion der oberen ist. Ich glaube, so ist es.
     Das ist alles ein Einstellen, aber mehr kann ich nun nicht tun.
     Und dieses Einstellen ist nicht das Einstellen auf etwas anderes, d.h. nicht mit Beziehung auf etwas, was noch nicht da ist, sondern es
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ist autonom, sozusagen das Aufrichten eines Maßstabes, was immer geschehen mag.

   
     (Des Rätsels Lösung muß in der Art || Festsetzung über die Art und Weise liegen, wie die Erscheinung dann beschrieben wird, wenn sie kommt.)

   
     Es ist ungemein schwer, den eigentlichen Ort || Punkt der Schwierigkeit mit Worten zu erreichen.

   
Denken wir uns die Einstellung durch einen Zeiger, wie den gelben Zeiger am Aneroidbarometer, und etwa ein solches Barometer und eine Uhr. Auf beiden Zifferblättern stelle ich den freien Zeiger ein, und drücke dadurch die Erwartung aus, daß, wenn der Uhrzeiger bei a' anlangt, der andere auf a stehen wird. (Es ist kein Zweifel, daß das ein vollkommener Ausdruck der Erwartung, des Gedankens, ist.) Bleibt nun die Uhr etwa stehen, so daß ihr Zeiger a' nicht erreicht, dann gilt das Ganze nicht, ebenso, wenn etwa der Zeiger des Barometers plötzlich verschwände. Dann wäre eben kein Zeichen da. Ist es aber da, dann hat das Barometer sozusagen keine andre Wahl, als auf a zu stehen oder nicht auf a zu stehen, und dann ist der Gedanke verifiziert oder er ist falsifiziert worden.

   
     Wo haben wir aber in diesem Satzzeichen Worte, oder etwas, was den Worten entspricht? Es “bedeutet” offenbar a' den Uhrzeiger und a den Barometerzeiger.

   
     Ich bleibe in den Zeichen, bis ich in ihrer Anwendung || Verwendung aus ihnen heraustrete.

   
     Dann weist mein Benehmen, meine Handlung, die logische
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Verwandtschaft mit den Zeichen auf, die ein solches Zeichen mit seiner, Übersetzung aufweist.

   
     Was ich immer sagen will, ist, daß der Gedanke nichts Menschliches ist. Daß er auch nicht ein bestimmtes Gefühl ist, das man eben nur fühlen, aber nicht etwa auch ansehen kann. Man kann z.B. Zahnschmerzen nicht gleichsam herausstellen und ansehen. (Natürlich kann man nicht sagen, die Zahnschmerzen kenne man von innen, indem man sie fühlt und könne sie nicht von außen betrachten. Denn die Zahnschmerzen haben kein Innen und Außen.)

   
     Die heute gewöhnliche Auffassung ist die, daß das Denken – durch den Kopf oder die Seele besorgt – ein Privilegium eben des Kopfes oder der Seele ist (wie etwa die natürliche Verdauung, des Magens). Und das ist sie auch als naturgeschichtlicher Prozeß || Akt betrachtet, wie auch die Verdauung in diesem Sinn dem Magen eigentümlich ist, – aber vom Standpunkt des Chemikers betrachtet ist die Verdauung ein Prozeß, der dem tierischen Magen nicht eignet und ganz unabhängig davon ist, wo er tatsächlich stattfindet. – So hat es der Logiker nicht mit einem spezifisch menschlichen Prozeß zu tun.

   
     Die Logik ist eine Geometrie des Denkens.

   
     Man könnte freilich sagen, daß die Uhr und das Barometer mit den verstellbaren Zeigern nur der Ausdruck eines Gedankens, aber nicht der Gedanke selbst sind; aber dann sind sie doch Teile, Werkzeuge, eines Gedankens, und was immer der Gedanke selbst ist, so ist er ein anderer Vorgang als der, welcher ihn verifiziert und er hat mit diesem Vorgang nur soviel gemein, || kann mit diesem Vorgang nur soviel gemein haben, als jene Vorrichtungen der Uhr und des Barometers haben. – Darum kann – und muß – man in der Logik auch mit dem “Ausdruck” der Gedanken operieren und auf das Andere keine Rücksicht
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nehmen.

   
     Man könnte nur (und zwar in gewissem Sinne mit Recht) sagen, daß jene Uhr und das Barometer noch garnichts von der Erwartung enthalten, daß man dazu ein weiteres Bild brauchte, und zwar eine andere Uhr und ein Barometer, die den Vorgang, den man von den ersten erwartet, sozusagen vormachen. Aber nun brauchte man ein weiteres Paar Uhren etc. um nun die Verbindung jener Uhren und Barometer vorzumachen etc., etc.

   
     Das Gleiche geschieht im Fall der beiden Ebenen, wenn ich hier erwarte, auf der unteren einen Fleck zu sehen, der die senkrechte Projektion des oberen ist. Hier kann ich auch die Projektionsmethode noch darstellen, indem ich etwa einen Glaszylinder zwischen die Ebenen stelle. Dadurch bin ich aber der Erwartung, oder dem Gedanken, nicht näher gekommen.

   
     Der Gedanke ist das, wonach man die Tatsache müßte herstellen können, wie der Befehl das ist, wonach man die Handlung ausführen kann. Nehmen wir an, der Befehl wäre, auf der unteren Ebene einen Kreis wie den oberen hervorzubringen. Inwiefern bestimmt denn der Befehl die Ausführung? Inwieweit kann man, wenn man von der Reaktion des Befehlenden absieht, bloß durch den Vergleich des Befehls mit der Ausführung, erkennen, daß der Befehl richtig ausgeführt wurde.
     Und soweit man es kann, vergleicht man eben zwei verschiedene Vorgänge und kann höchstens aus der verschiedenen Mannigfaltigkeit einen Schluß auf einen begangenen Fehler ziehen; aber in keiner anderen Weise.

   
     Noch einmal: was ist das Kriterium dafür, daß der Befehl richtig ausgeführt wurde? Was ist das Kriterium, nämlich auch für den Befehlenden? Wie kann er wissen, daß der Befehl nicht richtig ausgeführt wurde. Angenommen, er ist von der Ausführung befriedigt und
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sagt nun: “von dieser Befriedigung lasse ich mich aber nicht täuschen, denn ich weiß, daß doch nicht das geschehen ist, was ich wollte”. Er muß sich dann in irgend einem Sinne daran erinnern, wie er den Befehl gemeint hatte ‒ ‒ ‒

   
     Angenommen, die Erwartung bestünde darin, daß man den Fleck, den man erwartet, halluziniert; man braucht aber dazu in irgendeiner Weise eine gewisse Kraft und an dem Kraftaufwand merkt man – er ist sozusagen ein Maß dafür – wie weit der wirkliche Zustand nach von dem erwarteten entfernt ist; bis dann etwa die Erwartung eintrifft und man nun keine Kraft mehr braucht, das Erwartete zu sehen. Das wäre dann etwa so: Ich erwarte mir, daß ein Körper, den ich in der Hand trage, beginnen wird, frei zu schweben und spüre am Gewicht, das ich zu tragen habe, und an der Abnahme dieses Gewichts, den Abstand von der Erfüllung meiner Erwartung. Aber die Kraft, die ich dazu brauche, um die Halluzination aufrecht zu erhalten oder den Körper zu tragen, sind || ist ein Drittes und nicht das reine Maß der Entfernung des wirklichen vom erwarteten Zustand.¤

   
     Wenn er sagt, daß er den Befehl nicht so gemeint hatte, so muß es in seiner Sprache eine Möglichkeit geben, den Vorgang zu beschreiben, der tatsächlich stattgefunden hatte, und im Gegensatz dazu, den Vorgang, den er gewünscht hatte. ‒ ‒ ‒

   
     Ich meine: Wenn er mit der Ausführung des Befehls nicht einverstanden ist, dann muß er sagen können, worin der Fehler liegt. Kann er das aber überhaupt sagen, d.h. mir verständlich machen, so muß er sich in seiner Beschreibung auf die Weise beziehen, wie ich ihn verstehe. Er muß mir eben wieder Zeichen geben. ‒ ‒ ‒

   
     Auf “so hab ich's nicht gemeint” folgt immer die Frage “wie denn? und darauf ist die Antwort weitere || besteht die Antwort in weiteren Zeichen des alten Zeichensystems.

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     Will ich damit nicht sagen: Man kann die Auffassung der Sprache durch Zeichen nicht ändern, sondern nur wieder in der Sprache weiterreden.

   
     Das, was ich meine, muß das sein, was ich sagen kann.

   
     Auf die Frage “was meinst du”, muß zur Antwort kommen: p; und nicht “ich meine das, was ich mit “p” meine”.

   
     Das heißt, die Meinung, soweit sie nicht erklärt werden kann, ist nichts. (Und die Meinung ist der Sinn des Satzes.)

   
     Die Vorstellung von dem erwarteten schwarzen ist auch nur ein Zeichen, denn der erwartete schwarze Fleck ist sie nicht.

   
     Und man kann nicht in der Vorstellung die Vorstellung des schwarzen Flecks mit dem schwarzen Fleck der nicht da ist, vergleichen.

   
     Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgend eines schlichten Unsinns, und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze || das Ende der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung verstehen || erkennen.

   
     Man kann nicht sagen, die Bedeutung des Wortes “rot” hänge davon ab, daß es irgendwo etwas rotes gäbe, wenn ich es auch jetzt nicht vor, mir habe. Denn, wenn ich also keine Evidenz für das Existieren eines solchen roten Gegenstandes habe, dann existiert er (eben) vielleicht nicht und in diesem Falle hat das Wort auch keine Bedeutung. || ist das Wort auch bedeutungslos.

   
     (Was ich mache ist nicht so sehr das Forschen nach der Entdeckung einer neuen Wahrheit, vielmehr Denkübungen, d.h. Übungen, eine bestimmte Denkbewegung zu machen, sowie man Rumpfübungen macht, um endlich eine gewisse schwierige Bewegung ausführen zu können.)

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     Wenn ich dem Satz, dem Ausdruck der Erwartung, ein anderes Bild zuordne als Erklärung seines Sinnes, so kann ich es ihm immer erst zuordnen, bis es da ist. Wenn ich nun sage “ich weiß, was das heißt, ich kann es Dir aufzeichnen”, so bedeutet dieses Vermögen nichts anderes, als daß schon eine Darstellung ‘im Kopf’ vorhanden ist. Denn es würde sich fragen: ist dieses Können so aufzufassen, daß es erst durch die Ausführung bewiesen wird. Dann war das “ich kann” nur eine Vermutung. Oder ist es eine Sicherheit, kann es also auch nicht dadurch widerlegt werden, daß ich verhindert werde, es auszuführen, dann mußte das Vermögen schon die Multiplizität des Ausführens haben und dann heißt es, daß schon ein Bild vorhanden ist und die Attitude dazu, die die Absicht ausmacht, es auf bestimmte Weise wiederzugeben.

     Denn der Wunsch oder Wille etwas zu tun, ist ja von derselben Art wie Erwartung, Glaube, etc.

   
     Im Fall des Wunsches ist es besonders deutlich; denn daß, wenn ich den Arm zu heben wünsche, ich ihn dadurch in keiner Weise gehoben habe, ist klar. Anderseits müssen die Elemente des Gewünschten im Wunsch vorhanden sein, wenn es dieser Wunsch sein soll. Denn, wenn es zweifelhaft ist, ob ein Wunsch in Erfüllung geht, so kann es nicht zweifelhaft sein, welcher Wunsch es ist, d.h. was gewünscht wird.

   
     Das Ja und Nein muß eine Eigentümlichkeit unserer Welt sein, die ich daher nicht als Eigentümlichkeit darstellen kann.
     Wenn ich nämlich sage “…das Ereignis könne nun nur geschehen oder nicht geschehen”, so sage ich ja gar nichts.

   
     “Das soll er sein” (dieses Bild stellt ihn vor) darin liegt das ganze Problem der Darstellung.

   
     Es ist aber doch möglich, eine allgemeine Regel der Übersetzung
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zu geben, ehe die Übersetzung ausgeführt ist. Und diese Regel scheint eine Projektionsmethode darzustellen, d.h. die projizierende Relation zu geben, ehe noch beide Glieder dieser Relation vorhanden sind. Wie ist das möglich?
     In der Kenntnis dieser Projektionsmethode besteht auch das Projizieren-Können, das Aufzeichnen-Können, etc.
     Wie kann man aber jemand eine Projektionsmethode lehren? doch nur, indem man ihm Projektionen zeigt. Und wie ist denn die Anweisung eine Projektion zu machen, wenn man sagt “zieh' die und die Striche etc.”? Hier wird in der Sprache ein Bild gemacht von den Strichen, daher aber auch von dem Projizierten. Wenn man z.B. jemandem durch ein Bild zeigen will, wie er die Strecke a auf b senkrecht projizieren soll, und man zeichnet nun einen Vertreter a' von a und zieht die entsprechenden Striche, so zeichnet man damit auch die Projektion von a' auf b'.

   
     Man könnte, ohne die Sache im Mindesten zu verändern, sich alles sehr vereinfacht denken. Der Befehl, die Erwartung, etc. wäre immer, einen dünnen Strich, den der Befehl (die Erwartung, etc.) zieht, dicker || stärker nachzuziehen. Die Wirklichkeit des dünnen Bildes ist dann die Möglichkeit des dicken Striches.

   
     Wenn ich aber so die Vorstellung, die bei der Erwartung etc. im Spiel ist durch ein wirklich gesehenes Bild ersetzen will, so geschieht etwa folgendes: Ich sollte einen dicken schwarzen Strich ziehen und habe als Bild einen dünnen gezogen. Aber die Vorstellung geht noch weiter und sagt, sie weiß auch schon, daß der Strich dick sein soll. So ziehe ich einen dicken, aber etwas blasseren Strich, aber die Vorstellung sagt, sie weiß auch schon daß er nicht grau sondern schwarz sein soll. || sollte. (Ziehe ich aber den dicken schwarzen Strich, so ist das
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kein Bild mehr.)

   
     Die Vorstellung ist also nicht durch ein gesehenes || wirklich gesehenes Bild ersetzbar. – Oder soll ich sagen, sie ist es nur dort nicht, wo man eben mit der Vorstellung denkt! – Ist es so: das Bild ist das Bild des Gedankens das auf eine bestimmte Art gebraucht wird. – Von dem Bild kann man dann nicht sagen, daß ein andres Bild dem Gedanken (oder “dem, was gemeint ist”) näher kommt.
     D.h.: das auf bestimmte Weise verwendete Bild ist der Gedanke, die Erwartung, ist das, was gemeint ist. Durch ein anderes Bild ersetzen kann man dieses nicht, und das andere wird uns quasi als fremd, außenstehend, erscheinen. – Dieses Bild, das “gedachte”, kann ein “Vorstellungsbild” aber auch ein Schriftbild oder Lautbild sein. Das ist, was geschieht, wenn man jemand fragt “wie meinst du diese Zeichnung” und er sagt “ich meine, daß …” und nun sagt er es mit Worten, und drückt damit, was er meint, für sich selbst besser aus, als durch das andere Bild.

   
     Ich glaube, auf die kausale Theorie der Bedeutung kann man einfach antworten, daß wir, wenn einer einen Stoß erhält und umfällt, das Umfallen nicht die ‘Bedeutung’ des Stoßes nennen.

   
     Die Beschäftigung mit dem Bild erscheint als Spielerei, wenn sie sich nicht mit der uns interessierenden Wirklichkeit befaßt. Wenn ich hoffe, daß er zur Tür hereinkommen wird, so beschäftige ich mich mit dieser Tür, etwa mit dem Boden, auf dem er treten wird. Und das Übrige, was die Phantasie tut, ist nicht Spiel, sondern eine Art Vorbereitung, eine Art Tätigkeit (sozusagen eine Arbeit), die die Form des Bildes in sich trägt. Etwa so (nur nicht unbedingt so explizit) wie wenn ich seinen Weg mit einem Teppich belegen und an einer bestimmten Stelle einen Stuhl herrichten wollte.

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     Das Denken macht Pläne. Es zeichnet Pläne einfacher oder sehr komplizierter Art.
     Nun sagt man aber: das ist doch nicht alles, man will doch etwas mit diesen Plänen, sie bedeuten doch etwas, d.h. sie sind doch mit einer Absicht gezeichnet. Ja, aber hier gibt es zwei Möglichkeiten: entweder diese Absicht ist ein Gefühl oder dergleichen, dann interessiert sie uns nicht, oder aber sie ist Teil der Sache, dann gehört sie zum Bild.
     Die Logik ist immer sachlich.

   
     Wenn der Befehl z.B. darin besteht, einen gewissen Weg zu machen, so kann ich ihn mit Hilfe einer Karte (eines Planes) ausdrücken. Dabei kann der Befehl auch lauten, einen oder den anderen Weg zu gehen und etwa gewisse Wege nicht zu gehen. Das wird dann auch im Bild seinen Ausdruck finden, indem etwa die ausgeschlossenen Wege durchstrichen werden. Der Befehl || Das Bild könnte auch bedeuten, man dürfe überall zwischen den beiden Linien gehen, außer über das schraffierte Feld.

   
     Wenn nun tatsächlich ein Weg zwischen zwei Orten abgesperrt wird und etliche andere offen gelassen werden, ist in diesen Tatsachen schon eine Verneinung und eine Disjunktion enthalten?

   
     Wie ist es aber, wenn ich einen Befehl auf eine bestimmte Weise interpretiere und ihm zuwiderhandle. Worin liegt es, daß meine Handlung nicht meine Interpretation des Befehls ist, sondern ein Entgegenhandeln? Wird dadurch nicht meine frühere Auffassung über den Haufen geworfen?
     Ich kann sagen, wenn der Handelnde es nicht sagte || ausdrückte, so könnte man nie wissen, daß es ein Entgegenhandeln ist. Und wenn er es nun sagt, so verstehen wir es nur durch unsere Interpretation der Verneinung.

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     Man würde glauben, wenn ich dem Befehl so wie ich ihn verstehe, || auffasse, zuwiderhandeln kann, dann muß meine Handlung dem Ausdruck meiner Auffassung unmittelbar widerstreiten. – Oder ist es nur die Interpretation meiner Handlung, die der Interpretation des Befehls (sozusagen auf gleicher Ebene) widerspricht?

   
     Disjunktion, Negation etc. scheinen in der Einstellung zu einem Bild zu liegen. Sie entsprechen || scheint in der Einstellung zu einem Bild zu liegen. Sie entspricht der elektrischen Schaltung, durch die etwa eine Klingel mit Schaltern verbunden ist.

   
     Denken wir uns folgende Einstellungen:
1) Die Glocke läutet nur dann, wenn ich den Zeiger a dem Zeiger b gleichrichte; 2) die Glocke läutet nur dann nicht, wenn ich a dem b gleichrichte; 3) die Glocke läutet nur, wenn a entweder dem b oder auch dem c gleichgerichtet ist; 4) die Glocke läutet in allen anderen Zeigerstellungen von a, außer, wenn er mit b oder c gleichgerichtet ist; 5) die Glocke läutet nur dann, wenn sowohl b als c mit a gleichgerichtet sind; 6) die Glocke läutet nur, wenn b mit a gleichgerichtet, c mit a aber nicht gleichgerichtet ist; etc. Das Glockenzeichen bedeutet Zustimmung (oder auch das Umgekehrte). Man könnte so eine Schaltung auch an dem Modell der erlaubten oder verbotenen Wege anbringen. Dieses Modell wäre dann der Ausdruck eines Befehls. Könnte man es aber mit Recht ein Bild nennen?

   
     Eine Meinung (d.h. ein Sinn), die man nicht erklären kann, interessiert uns nicht, denn, ihr kann man auch nicht zuwiderhandeln.

   
     Wenn die Interpretation ein Bild ist, so sind zwei entgegengesetzte Interpretationen entgegengesetzte Bilder.

   
     In Wahrheit muß aber im Verbot immer das beschrieben werden,
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was verboten ist. Ist eine Bewegung verboten, so muß eben diese Bewegung beschrieben werden, also eben das, was ausgeschlossen werden soll, und die Beschreibung dessen, was zugelassen ist, wird nur dann das Verbot ersetzen (können), wenn diese Beschreibung das Ausgeschlossene mitbeschreibt.

   
     (Immer suche ich nach dem Punkt, an dem man sagen kann “ja, so ist einmal unsere Welt”. – Die Philosophie will das Wesen || Wesentliche der Welt beschreiben, wenn sie aber danach sucht, nach Sätzen sucht, die es beschreiben, so kommt sie im entscheidenden Augenblick nicht zu philosophischen Sätzen, sondern an die Grenze der Sprache.)

   
     (Man muß sich in der Philosophie immer gleichsam dümmer stellen als man ist, um an keiner Schwierigkeit vorbeizugehen.)

   
     Gibt es einen Beweis dafür, daß einer einen Befehl verstanden hat und ihm bewußt entgegenhandelt? – Ich frage jemand “hast du den Befehl verstanden”, er sagt ja, und gibt mir “Proben” seines Verständnisses und handelt nun dem Befehl entgegen. Können nun die Proben nicht so gedeutet werden, daß der Befehl, wie er verstanden auch, befolgt wurde? Schließt man hier nicht nach Amorphem z.B. dem Gesichtsausdruck, welche Deutung zu machen ist?
     (In diesen Fragen ist irgendwo ein Behaviourism am Platz. Vielleicht nur insofern, als man alles von außen betrachtet).

   
     Was ist der Unterschied zwischen: Wünschen, daß etwas geschieht und Wünschen, daß dasselbe nicht geschieht.
     Wollte man es bildlich darstellen, man würde mit dem Bild der Handlung etwas vornehmen, || : es durchstreichen, in bestimmter Weise einrahmen, und dergleichen. Aber das erscheint uns als eine rohe Methode des Ausdrucks; aber – ich glaube – || ich glaube, daß jede wesentlich ebenso sein muß; in der Wortsprache setze ich das Zeichen “nicht”
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in den Satz. Wie gesagt, das scheint ein ungeschickter Behelf und man meint etwa, im Denken geschieht es schon anders. Ich glaube aber, im Denken, Erwarten, Wünschen, geschieht es ganz ebenso. Sonst würde ja auch die Diskrepanz zwischen dem Denken und dem Sprechen – in dem wir ja doch denken – unerträglich sein.

   
     Noch einmal: der Ausdruck der Verneinung, den wir gebrauchen, wenn wir uns irgendeiner Sprache || Schrift bedienen, erscheint uns primitiv; als gäbe es einen richtigeren, der mir nur in den rohen Verhältnissen dieser Sprache nicht zur Verfügung steht.

   
     Dieses Primitive der Ausdrucksform, das uns bei der Verneinung aufgefallen ist, haben wir schon früher begegnet; wenn man nämlich etwa einem Menschen begreiflich machen will, daß er einen gewissen Weg gehn soll, so kann man ihm den Weg aufzeichnen, und hierin mit beliebig weitgehender Genauigkeit verfahren. Die Andeutung jedoch, die ihm verständlich machen soll, daß er den Weg gehen soll, ist wieder von der primitiven Art, die man gerne verbessern möchte.

   
     Was ist der Unterschied zwischen einem unwillkürlichen Kopieren einer Zeichnung – wobei ich etwa den kopierenden Bleistift anschaue und immer wieder draufkomme; daß er sich so bewegt, wie die Linien jener Zeichnung laufen – und einem absichtlichen Kopieren, wobei ich der Zeichnung nachzeichne. Ich lasse hier die Vorlage meine Hand gleichsam führen. – Und wie ist es denn, wenn ich etwa wirklich an der Hand irgendwohin geführt werde? || . Ich gehe dann und richte meine Schritte so ein, daß eine gewisse Spannung in meiner Hand oder meinem Arm nicht entsteht (oder doch immer wieder beseitigt wird). Ist diese Spannung aber ein Bild der Diskrepanz der Bewegungen des Führers und der meinen? Ist es nicht bloß Erfahrungssache, daß eine gewisse Bewegung die Druckempfindung ausschaltet?
     Wie ist es nun mit dem, der sich von einem Befehl leiten
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läßt. Ist nicht das Nachhandeln, oder auch ihn nachgehen, indem man ihn interpretiert, ganz verschieden von dem Vergleichen eines Befehls mit einer fertigen Handlung oder einer fertigen Interpretation?

   
     Ich verleibe beim Denken sozusagen ein Bild meinem Leben ein.

   
     Das Bild, was || welches ich meinem Leben einverleibe, ist das Gedachte || gedachte, jedes andere erscheint uns als außenstehend.

   
     Es könnte gesagt werden: Wie kann ich denn das Ereignis erwarten, es ist ja noch garnicht da?

   
     Und “das habe ich mir erwartet”, heißt wirklich, das habe ich mir erwartet, und nicht, etwas ganz Gleiches (oder ähnliches) habe ich mir erwartet.

   
     Wie kann man darauf vorbereitet sein, daß Etwas geschehen wird? Ich möchte sagen, nur dadurch, daß die Sprache auf jeden Fall vorbereitet ist, da entweder p geschehen wird oder nicht geschehen wird. Das ist eine sachliche, logische, Eigenschaft der Sprache.

   
     Meine ganzen Überlegungen gehen immer dahin, zu zeigen, daß es nichts nützt, sich das Denken als ein Halluzinieren vorzustellen. D.h., daß es überflüssig ist, die Schwierigkeit aber bestehen bleibt. Denn auch die Halluzination, kein Bild, kann die Kluft zwischen dem Bild und der Wirklichkeit überbrücken, und das eine nicht eher als das andere.

   
     Gut, ich sage: wenn ich meine Uhr herausziehe, wird sie mir jetzt entweder dieses Bild der Zeigerstellung bieten, oder nicht. Aber wie kann ich es ausdrücken, daß ich mich für eine dieser Annahmen entscheide?
     Jeder Gedanke ist der Ausdruck eines Gedankens.

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     Man kann eine Lehne auf das Maß eines Körpers einstellen, vorbereiten. Dann liegt in dieser Einstellung zwar das eingestellte Maß, aber in keiner Weise, daß ein bestimmter Körper es hat. Ja vor allem liegt darin keine Annahme darüber, ob der Körper dieses Maß hat, oder nicht hat.

   
     (Es schadet garnichts in der Philosophie Unsinn zu reden, wenn man sich nur tief genug mit dem Unsinn einläßt.)

   
     (Wenn ich vernagelt bin, so bin ich für Viele vernagelt und wenn ich das Tor aufreiße, dann reiß' ich es für viele auf.)

   
     Es ist übrigens merkwürdig, daß wir uns bei dem Gedanken, daß es jetzt 3 Uhr sein dürfte, die Zeigerstellung (meist) gar nicht genau oder überhaupt nicht vorstellen, sondern das Bild in der Sprache gleichsam in einem Werkzeugkasten haben, aus dem wir wissen, das Werkzeug jederzeit herausnehmen und gebrauchen zu können, wenn wir es brauchen sollten. – Dieser Werkzeugkasten scheint mir die Grammatik mit ihren Regeln zu sein.

   
     Kann man sagen: Der Gedanke ist ein Instrument des Handelns?

   
     Es ist so, wie wenn ich mir im Werkzeugkasten der Sprache Werkzeuge zum künftigen Gebrauch herrichtete. Ein Werkzeug ist ja auch das Abbild seines Zwecks.

   
     (Es ist hier ein Schritt nötig, der dem der Relativitätstheorie ähnlich ist.)

   
     Kann man sagen, die Erwartung ist eine vorbereitende, erwartende, Handlung. – Es wirft mir jemand einen Ball, ich strecke die Hände aus und richte sie zum Erfassen des Balls. Aber sagen wir, ich hätte mich verstellt, ich hatte erwartet, daß er nicht werfen würde, wollte aber so tun, als erwartete ich den Wurf. Worin besteht dann mein Erwarten,
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daß er nicht werfen wird, wenn meine Handlung die gegenteilige Erwartung ausdrückt? Diese || Sie müßte doch auch in etwas bestehen, was ich tat. Ich war also doch irgendwie nicht darauf || drauf vorbereitet, daß der Ball kam.

   
     Ich bin darauf vorbereitet, einen roten Fleck zu sehen – diese Vorbereitung ist sozusagen etwas Praktisches, ähnlich, wie wenn ich meine Muskeln zum Halten eines Gewichts vorbereite. (Und ich möchte sagen: ich kann nicht in der Sprache, die der Ausdruck jener Vorbereitung ist, über die Möglichkeiten dieser Vorbereitung hinaus.)

   
     Wenn die Vorbereitung zum Essen eines Apfels darin besteht, daß ich Speichel absondere, so heißt das Erhalten des Apfels in der Sprache der Speicheldrüsen einfach Befriedigung, Rechtfertigung der Speichelabsonderung. Ich will damit sagen, || : in der Sprache der Speicheldrüsen gibt es dann kein ‘rund’ und ‘süß’ und ‘weich’ sondern nur das, was sie von dem Apfel erfassen.

   
     Mein ganzer Gedanke ist immer, daß, wenn einer die Erwartung sehen könnte, er ersehen müßte, was erwartet würde.

   
     Die Vorbereitung ist quasi selbst die Sprache und kann nicht über sich selbst hinaus. (In dem “nicht über sich selbst Hinauskönnen” liegt die Ähnlichkeit meiner Betrachtungen und jener der Relativitätstheorie.)

   
     Wenn ich früher gesagt habe, es kommt darauf an, ob dieses Bild erwartet wird, d.h., ob wir gerade dieses Bild “verwenden” (“benutzen”) so könnte ich jetzt sagen, es kommt darauf an, ob gerade dieses Bild unsere Sprache ist. || zu unserer Sprache gehört.

   
     Die Sprache als Ausdruck der Erwartung ist das Vorbereitete.

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     Die Sprache kann nur sagen: Ich habe früher zur Vorbereitung den Satz “p” verwendet, und verwende zur Beschreibung wieder den Satz “p”.

   
     Das Merkwürdige an diesem Fall ist ja, daß in der Erwartung das Ereignis ganz vorgebildet ist, sodaß, wenn es eintritt, zu der Erwartung nur ja gesagt werden braucht. Daß man sagen kann, das habe ich mir erwartet, und am Wirklichen gar nichts Überraschendes ist. – Und die Erklärung scheint immer zu sein, daß die Sprache von der Wirklichkeit nicht mehr fassen könne || kann, als sie schon in der Erwartung ausdrückt. D.h., daß die Sprache von der Wirklichkeit nicht mehr sieht, als (selbst) versteht, und das hat sie schon in der Erwartung gesagt. Denn die Sprache hat die Erwartung nicht beschrieben, sie hat sie ausgedrückt. Sie hat nicht zuerst die Erwartung beschrieben und dann eine Tatsache, die auf irgendeine Weise zu der Erwartung paßt (wie wenn man einen Tisch beschriebe und dann eine Blumenvase, die zu ihm paßt.) Sondern sie war die Erwartung (denn der Ausdruck des Gedankens ist der Gedanke; der Gedanke ist der Ausdruck des Gedankens) und ist jetzt erfüllt.

   
     Die Sprache hat ja schon in der Erwartung alles gesagt, was sie sagen konnte. Sie hat ja nicht den Zustand einer Einstellung beschrieben, sondern sich eingestellt. Und dann beschreibt sie wieder nicht den Zustand der Erfüllung sondern bejaht ihre Einstellung. || sondern bejaht sich selbst.

   
     Ich hatte mich vor etwas gefürchtet, etwa gefürchtet, es werde ein bestimmter Mensch mir entgegenkommen mit einem bestimmten Gesichtsausdruck. Er || ; er kommt nun; so kann ich Züge wahrnehmen, die meine Furcht nicht vorausgesehen hatte, ferner Züge, die ich mir etwas anders gedacht hatte. Er kommt nicht in dem Anzug, den ich erwartet habe, kommt schneller
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als ich erwartet hatte, sein Gesicht ist etwas milder, als es meiner Erwartung entspräche. – Ich vergleiche also, was mir entgegenkommt, mit dem, was mir in der Erwartung gegeben war. In meiner Erwartung waren nicht alle || alle Details, die die Wirklichkeit hat, und einige waren anders. (So sehr ist die Erwartung ein Bild.)

   
     Ich habe das Gefühl, nur die Stellungnahme zu dem Bild kann es uns zur Wirklichkeit machen, d.h., kann es mit der Wirklichkeit so verbinden, gleichsam wie eine Lasche, die die Überleitung von dem Bild zur Wirklichkeit herstellt, die beiden in der rechten Lage zueinander haltend, dadurch, daß beide für sie das selbe bedeuten.
     Die Furcht verbindet das Bild mit den Schrecken der Wirklichkeit. || mit der Wirklichkeit.

   
     An sich ist nichts eine Vorbereitung auf etwas Anderes.

   
     Das Portrait ist nur ein dem N ähnliches Bild (oder auch das nicht), es hat aber nichts in sich (wenn noch so ähnlich), was es zum Bildnis dieses Menschen, d.h. zum beabsichtigten Bildnis machen würde. (Ja, das Bild was dem Einen täuschend ähnlich ist, kann in Wirklichkeit das schlechte Portrait eines Anderen sein.)
     Als Portrait ist ein Bild gemeint und, wenn es und sein Gegenstand auch gänzlich unabhängig von einem Menschen existieren könnten, als Bildnis gemeint, kann es nur von einem Menschen sein. D.h., für das Bild und seine Ähnlichkeit ist es ganz gleichgültig, ob es jemand gemalt, gesehen, es ähnlich gefunden hat; wenn man es aber ein Portrait nennt, so muß jemand da sein, der es als Portrait meint.
     Das hängt unmittelbar mit dem zusammen, was ich früher über das Nachhandeln || Handeln nach einem Befehl und das Interpretieren eines Zeichens sagte.
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     (Dieses Meinen ist die Stellungnahme, von der ich oben geredet habe.)

   
     Nun kann man doch fragen: “Wie zeigt sich denn das, daß er das Bild als Portrait des N meint?” – “Nun, indem er's sagt.” – “Aber wie zeigt es sich denn, daß er das || das mit dem meint, was er sagt?” – “Gar nicht!”.

   
     Das hängt mit der Frage zusammen: Kann mir die Abweichung eines Bildes von einem Gegenstand unangenehm sein, so daß die unangenehme Empfindung nicht kausal, also erfahrungsgemäß, mit der Abweichung zusammenhängt, sondern die unangenehme Empfindung die Abweichung enthält, sodaß man aus einer Analyse dieser Empfindung ihre Ursache – oder besser, ihre Grundlage – feststellen könnte?
     Oder ist diese Empfindung sozusagen als Zeiger anzusehen, dessen Ausschlag als Maß für die Spannung zwischen Bild und Gegenstand gedeutet wird?

   
     Keine Untersuchung des Bildes kann je ergeben, wessen Portrait es ist (d.h., was es darstellen soll.).

   
     Ich glaube, es verhält sich so: die || Die Frage, wie etwas gemeint ist – das Reden von einer Meinung, einem Sinn – hat nur insofern Sinn, als die Frage beantwortet werden kann. Beantwortet aber kann sie nur ¤ durch die Sprache werden.

   
     Kann ich denn ohne Sprache erwarten? Wenn aber nicht, wie weiß ich was der Satz für mich für einen Sinn hat – wenn diese Frage überhaupt etwas heißt?

   
     Denken, nenne ich das, was sich durch eine Sprache ausdrücken läßt. Dann muß es in diese Sprache aus einer anderen übersetzt werden. Ich will sagen: alles Denken muß dann in Zeichen vorsichgehen.
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     Wenn man aber sagt “wie soll ich wissen, was er meint, ich sehe ja nur seine Zeichen”, so sage ich: “wie soll er || er wissen, was er meint, er hat ja auch nur seine Zeichen”.

   
     Die Sprache || Gesprochenes kann man nur durch die Sprache erklären, darum kann man die Sprache nicht erklären.

   
     Das Ziel der Philosophie ist es, eine Mauer dort zu errichten, wo die Sprache ohnehin aufhört.

   
     Man kann es auch so sagen: wenn man sich immer in einem Sprachsystem ausdrückt und also, was ein Satz meint, nur durch Sätze dieses Systems erklärt, so fällt am Schluß die Meinung ganz aus der Sprache, also aus der Betrachtung, heraus und es bleibt die Sprache das Einzige, was wir betrachten können.

   
     (Wenn man mit jemandem über eine Zeiteinteilung redet, so geschieht, es oft daß man die Uhr zieht, nicht um zu sehen, wieviel Uhr es ist, sondern um sich Bilder || ein Bild der überdachten Einteilung machen zu können.)

   
     Man könnte sagen: auf die Aussage “dieser Satz hat Sinn” kann man nicht wesentlich fragen “welcher?” So wie man ja auch auf den Satz “diese Worte sind ein Satz” nicht fragen kann “welcher?”

   
     Könnte man sagen: Ich deute diesen Satz heißt: ich ziehe ihn in irgendeiner Form nach.
     Ich deute ihn, wenn ich in irgendeiner Form nach ihm handle.

   
     Ich glaube, es war nicht richtig zu sagen “der Satz muß zusammengesetzt sein”, sondern er kann tatsächlich auch unzusammengesetzt
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sein, wenigstens im wörtlichen Sinne; – seine “Zusammensetzung besteht eigentlich darin, daß er ein besonderer Fall einer allgemeinen Regel der Bildung von Zeichen ist. Denn man kann zwar “ambulo” aus der Stammsilbe und der Endung zusammengesetzt ansehen, aber wie wäre es, wenn diese Form bloß durch die Stammsilbe allein gebildet würde?

   
     Wie man von dem Sinn eines Satzes in gewisser Weise nicht reden kann, so auch nicht von dem Ausdruck des Gedankens, Wunsches, Befehls, etc., denn auf die Frage:Welcher || welcher Wunsch ist durch diesen Satz ausgedrückt”, muß nur ein Ausdruck des Wunsches zur Antwort kommen.
     Dasselbe gilt auch von dem Ausdruck “dieser Satz teilt mir etwas (bestimmtes) mit”.

   
     Und hier muß man – glaube ich – sagen, daß die Verneinung, Disjunktion, etc., im Gedanken ebenso “primitiv” ist, wie in unserer Zeichensprache. Wie vermöchte man auch in ihr die Verneinung zu denken, wenn sie wie ein schlecht passendes Kleid der Verneinung wäre. Oder – würde man erwarten – man müßte doch fühlen, wie einen die Ausdrucksform überall drückt (quasi wie ein harter nicht wirklich passender Schuh.)

   
     Gibt es einen Existenzbeweis für Primzahlen, und einen der die Existenz unendlich vieler Primzahlen beweist? Und in welchem Verhältnis stehen diese zueinander?

   
     Durch die Methode des Multiplizierens (etwa im Dezimalsystem, aber gleichgültig in welchem System) ist die Existenz von Produkten, von teilbaren Zahlen bewiesen.

   
     Wenn n und m relativ prim sind und n die größere und
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n = a0m + r0, dann können die Fälle eintreten, daß
m = a1r0 und r0 = 1
oder daß m = a1r0 + r1
und r0 = a2r1 und r1 = 1

oder m = a1r0 + r1
      r0 = a2r1 + r2
      r1 = a3r2 und r2 = 1

oder m = a1r0 + r1
      r0 = a2r1 + r2
      r1 = a3r2 + r3
      r2 = a4r3 und r3 = 1

oder m = a1r0 + r1
      r0 = a2r1 + r2
      r1 = a3r2 + r3
      r2 = a4r3 + r4
      r3 = a5r4
m(0) = a1 also
m(1) = a1a2 + 1


m(2) = a1a2a3 + a1 + a3



m(3) = a1a2a3a4 + a1a2 + a1a4 + a3a4 + 1




m(4) = a1a2a3a4a5 + a1a2a3 + a1a2a5 + a1a4a5 + a3a4a5 + a1 + a3 + a5





      u.s.w.

   
     Fügt man nun n zusammen zu 1n, 2n, 3n etc. so sieht man, daß gegenüber einem Vielfachen von m solange ein Rest bleibt, bis man zu m ∙ n kommt, wo immer der Euklidische Algorithmus endet (d.h. welche der Formeln immer für m anwendbar ist).
     Im ersten Fall z.B. wenn m = a1a2 + 1 :
1n = a0m + a2
2n = 2a0m + 2a2

vn = va0m + va2 der Rest va2 bleibt jedenfalls solange kleiner als m, bis v = a1 wird; dann ist
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a1n = a1a0m + a1a2. Noch immer ist der Rest kleiner als m; aber nun wird (a1 + 1).n = (a1 + 1)a0m + (a1 + 1).a2 = … + a1a2 + a2 = … + a1a2 + 1 + a2 ‒ 1 a2 ‒ 1 ist jedenfalls kleiner als m und der Rest verschwindet nur, wenn a2 = 1 ist. Dann aber ist m = a1 + 1, also der Faktor a1 + 1 = m. Ist aber a2 größer als 1, so geht die Sache weiter und es folgen nun
(a1 + 2).n = … + 2a2 ‒ 1

(a1 + v).n = … + va2 ‒ 1. Dieser Rest ist gewiß kleiner als m, bis
(2a1).n = … + a1a2 ‒ 1 und auch hier noch. Aber
(2a1 + 1).n = … + (a1 + 1)a2 ‒ 1 = a1a2 + a2 ‒ 1 = a1ma2 + 1 + (a2 ‒ 2) und hier geht der Prozeß wieder nur dann auf, wenn a2 = 2, dann aber ist m = 2a1 + 1, also wieder gleich dem Faktor von n. – Ebenso geht es weiter bis
(3a1).n = … + a1a2 ‒ 2 und
(3a1 + 1).n = … + m + (a2 ‒ 3) so lang bis
(a2a1 + 1).n = … + (a2 ‒ a2) = m.n.
Ähnlich geht es, wenn m = a1a2a3 + a3 ist, etc. etc..

   
     Hat man “intuitiv” das Bildungsgesetz einer Reihe, z.B. der Reihe der m verstanden, so daß man also im Stande ist ein beliebiges m(v) zu bilden, so hat man das Bildungsgesetz ganz verstanden, also so gut, wie es etwa irgend eine algebraische Darstellung vermitteln könnte. D.h. man kann es durch eine solche Darstellung nicht mehr besser verstehen. Und diese Darstellung ist daher insofern auch nicht strenger. Obwohl sie natürlich einprägsamer sein kann.

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     Wenn man bedenkt, daß die Gleichung 2 + 2 = 4 ein Beweis des Satzes ist “es gibt gerade Zahlen”, so sieht man wie lose hier das Wort “Beweis” gebraucht ist. Aus der Gleichung 2 + 2 = 4 soll der Satz “es gibt gerade Zahlen” hervorgehen?! – Und was ist der Beweis der Existenz von Primzahlen? – Die Methode der Zerlegung in Primfaktoren. Aber in dieser Methode wird ja überhaupt nicht geredet, auch nicht von “Primzahlen”.

   
     25 + 46 ≠ 78 ist eine richtige Ungleichung. Sie wird bestätigt, wenn man die Summe 25 + 46 = 71 bildet. Man könnte die Ungleichung durch eine induktive Disjunktion darstellen
25 + 46 = 1 .. 25 + 46 = 2 .. ‒ ‒ ‒ .. 25 + 46 = 77 .. 25 + 46 = 79 .. ‒ ‒ ‒

   
     Es ist ein korrekter Beweis für 3 + 4 = 7, wenn einmal die natürliche Ziffernfolge aufgestellt ist:

Denn wenn die natürliche Ziffernfolge fixiert ist und die Art und Weise der Zuordnung, so ist es nur mehr eine arithmetische Angelegenheit, wohin, etwa, die “4” in der unteren Reihe trifft.

   
     Ein Beweis in der Mathematik ist allgemein, wenn er allgemein anwendbar ist. Eine andere Allgemeinheit kann nicht im Namen der Strenge gefordert werden. Jeder Beweis stützt sich auf bestimmte Zeichen, auf eine bestimmte Zeichengebung. Es kann nur die eine Art der Allgemeinheit eleganter erscheinen, als die andere.

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     (Die Eleganz eines mathematischen Beweises kann nur den einen Sinn haben, gewisse Analogien besonders stark zu Tage treten zu lassen, wenn das gerade erwünscht ist, sonst entspringt sie dem Stumpfsinn und hat nur die eine Wirkung, das zu verhüllen, was klar und offenbar sein sollte. Das stumpfsinnige Streben nach Eleganz ist eine Hauptursache, warum die Mathematiker ihre eigenen Operationen nicht verstehen, oder es entspringt die Verständnislosigkeit und jenes Streben einer gemeinsamen Quelle.)

   
     Das, was die Gleichung (oder Ungleichung) vom Satz unterscheidet, ist ihre Beweisbarkeit. Ein Satz läßt sich – in dem Sinne – nicht beweisen, denn wenn gezeigt wird, daß er aus anderen Sätzen folgt, so ist er damit nicht bewiesen. Die Gleichung gilt aber nicht bedingungsweise, wenn gewisse Prämissen wahr sind, und ihre Ableitung aus scheinbaren Prämissen ist darum ganz unwesentlich. Das, woraus sie hervorgeht, sind vielmehr Festsetzungen || Übereinkommen der Zeichensprache, also Bedingungen des Sinns, nicht der Wahrheit.

   
     Nichts ist verhängnisvoller für das philosophische Verständnis, als die Auffassung von Beweis und Erfahrung als zweier verschiedener, also doch vergleichbarer, Verifikationsmethoden.

   
     Eine Ungleichung ist so gut eine syntaktische Regel wie eine Gleichung. Die Analogie der Wahrheitsfunktionen in Verbindung mit Gleichungen mit den Wahrheitsfunktionen der Sätze ist eine vollständige, – d.h. die geltenden Regeln sind in beiden Fällen dieselben – nur daß eben die Gleichungen keine Sätze sind.
     (Wir haben ja in den Wahrheitsfunktionen auf Hypothesen angewendet ein weiteres Beispiel solcher Analogien.)

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     Inwiefern kann man aber das Bild
den Beweis von 3 + 4 = 7 nennen? (da doch aus dem Bild die Formel in keinem Sinne hervorgeht.) Offenbar nur kraft einer allgemeinen Regel, die Gleichungen mit solchen Bildern verknüpft.
     Denn wenn ich die Gleichung 2 + 5 = 9 aufstelle, so kann man sagen “wir werden gleich sehen, ob das so ist”, und nun stellt man den entsprechenden Kalkül an und sieht, ob die Gleichung stimmt (und genau dasselbe gilt natürlich von den Ungleichungen). Aber der entsprechende Kalkül entspricht eben nur auf Grund einer allgemeinen || durch eine allgemeine Regel.

   
     In dem oberen Additionsschema sind die Ziffern Ordnungsziffern. Sie bezeichnen also einfach eine bestimmte Stelle, die soundso vielte Stelle. Man könnte das deutlicher machen durch die Schreibung: .
     Es ist klar, daß man mit diesem Algorithmus auch multiplizieren, subtrahieren und dividieren kann, und daß alles die volle Strenge hat.
     (Übrigens ist ja diese Rechenmethode die des Rechenschiebers.)

   
     Das Wort “Gasthaus” über dem Tor eines Hauses zeigt an, daß dort ein Gasthaus ist. Es muß der besondere Fall einer allgemeinen Regel vorliegen, damit wir das Wort als Mitteilung, also als Satz, verstehen. Das zeigt uns wie weitZusammengesetztheit” ein Charakteristikum des Satzes ist.

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     “2 + 2 ≠ 5” ist eine Zeichenregel und daran sieht man schon, wie hier die Verneinung etwas anderes bedeutet, da doch bei einer Festsetzung jedenfalls von wahr und falsch nicht die Rede ist.
     Ich sagte früher einmal, daß die Verneinung in 2 + 2 ≠ 5 nicht die Bedeutung der Verneinung eines Satzes haben könnte || könne, weil das Verneinte 2 + 2 = 5 doch kein Bild eines nicht bestehenden logischen Sachverhalts sein könne. Aber Bejahung und Verneinung stehen auf einer Stufe, und könnte man 2 + 2 = 4 bejahen, dann kann man es auch verneinen und dann kann man auch 2 + 2 = 5 bejahen. In Wahrheit, glaube ich, ist 2 + 2 = 5 eine Zeichenregel wie jede andere, weder richtig noch falsch; und nur unverträglich mit unserer allgemeinen Regel der Darstellung || Bezeichnung und, wenn diese angenommen ist, nur in diesem Sinne falsch || unrichtig. – Darum ist sie auch kein Bild; – davon, wie es wäre, wenn 2 + 2 = 5 wäre. Das Bild des logischen Sachverhaltes – aber auch nicht das Bild, sondern die Sache selbst – gibt (nur) der Beweis.

   
     Zum Beweis lenken wir die Aufmerksamkeit auf ein Bild, aber der Beweis wird noch nicht verstanden; plötzlich heißt es: “jetzt sehe ich es ein”. Man hat erst jetzt das gesehen, worauf es ankam. (Siehe p|p.|.q|q etc.)

   
     Ist es nicht klar: die Sätze der reinen Mathematik können nur als Zeichenregeln angewendet werden. || können in ihrer Anwendung nur Zeichenregeln sein. (Nur Bedingungen des Sinns.)

   
     Auch 3 + 4 ˂ 9 ist keine Mitteilung – wie etwa, daß eine gewisse Strecke länger ist als 9 Meter (ein Haus höher als 9 m). – Es ist
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nach dem, was wir unter “3”, “4” und “9” verstehen selbstverständlich (d.h. beweisbar). Wir sehen es aber damit immer noch so, wie den Fall des Hauses an, nur daß es sich etwa dort um etwas weniger Selbstverständliches handelt. Aber er ist überhaupt mit dem des Satzes unvergleichbar. – Wenn ich zuerst sagte “es ist selbstverständlich”, so heißt das, es ist hier nicht von einem Satz die Rede, sondern von einer Zeichenregel, die übrigens aus einer allgemeinen Regel folgt.
     Immer wieder drängt es uns zum Vergleich von “3 + 4 kl 9 mit einem Satz “wenn man diese beiden Stäbe aneinanderlegt, so reichen sie noch nicht bis dahinauf”. Und das ist selbst auf den Fall der Strecken a, b, c anzuwenden. Aber dieser Satz über die Strecken a, b, c ist eben nicht der arithmetische. Dieser ist vielmehr entweder der Ausdruck einer bloßen || reinen Willkür, – daß wir das Zeichen “9” in der oberen Reihe erst an eine so späte Stelle gesetzt haben, oder, wenn dies so angenommen ist, selbstverständlich. Wäre “3 + 4 kl 9” nicht eine willkürliche Festsetzung oder die Folge aus einer Festsetzung, so ginge es die Arithmetik nichts an. – Warum man es manchmal gern eine Tautologie nennen möchte (die es in meinem Sinne nicht ist) ist eben, weil man sagen möchte “ja, wenn du das festsetzt, dann ist es ja selbstverständlich”. (Ich schreibe Paraphrasen über logische Erkenntnisse.))

   
     Der arithmetische Satz sagt nämlich nicht, daß man in einer Ziffernreihe durch Anlegen von 123 und 1234 nicht bis zum Zeichen “9” kommt, sondern es steht dafür, daß es in der Reihe
1 2 3 4 5 6 7 8 9 nicht geschieht. Diese Reihe ist im arithmetischen Satz präsupponiert und er ist daher keine Beschreibung von außen
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dieser Reihe. – Man könnte es auch so sagen: Es ist ein Satz: “der Stab a und der Stab b sind aneinandergereiht kürzer, als der Stab c; oder der Stab a ist 3 m lang, b 4 m und c 9 m.” Aber ich kann nicht sagen, daß die Länge des längeren Stabes länger ist als die des kürzeren. || Aber von den Längen kann ich nicht aussagen, daß die Länge des längeren Stabes länger ist als die des kürzeren. || Aber ich kann nicht sagen, daß die Länge 9 m länger ist, als die Längen 4 m + 3 m. || 4 m und 3 m zusammen. – Diese Längen sind etwas, was ich von den Stäben mit Recht oder Unrecht aussage, um zu zeigen, daß sie, die Stäbe, in gewissen Verhältnissen zueinander stehen, aber dazu muß der Sinn dieser Längenangaben schon fixiert sein und kann nicht erst durch einen Satz noch behauptet werden.
     Oder: Die Angabe, daß a 3 m, b 4 m, c 9 m lang ist, ist eben die, durch welche ich zeige, daß c länger ist als a und b zusammen. Ein Satz, der sagte, daß 3 m + 4 m kleiner ist als 9 m, entspräche einem Satz der sagte, daß länger länger ist als kürzer. (oder “groß ˃ klein”.)
     Ein solcher Ausdruck entspräche vielmehr dem, was festzusetzen ist, ehe überhaupt etwas gesagt werden kann.
     “3 + 4 kl 9” gehört eben auch zum “Spiel” und ist eine Stellung der Figuren, die nur mit den allgemeinen Regeln übereinstimmen kann, oder nicht.
     Länger und kürzer sind eine externe Eigenschaft der Stäbe, aber eine interne der Längen. (Sie durch einen Satz auszudrücken hieße etwa, die Bedeutung eines Wortes durch einen Satz, worin das Wort steht, aussprechen zu wollen.)

   
     Angenommen, das Anziehen des Bremshebels bewirkt manchmal das Abbremsen der Maschine und manchmal nicht. So ist daraus allein nicht zu schließen, daß er als Bremshebel gedacht war. Wenn nun
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eine bestimmte Person immer dann, wenn der Hebel nicht als Bremshebel wirkt, ärgerlich würde –. So wäre damit auch nicht das gezeigt, was ich zeigen will. Ja man könnte dann sagen, daß der Hebel einmal die Bremse, einmal den Ärger betätigt. – Wie drückt es sich nämlich aus, daß die Person darüber ärgerlich wird, daß der Hebel die Bremse nicht betätigt hat?
     (Dieses über etwas ärgerlich sein ist nämlich scheinbar von ganz derselben Art, wie: etwas fürchten, etwas wünschen, etwas erwarten, etc.) Das “über etwas ärgerlich sein” verhält sich nämlich zu dem, worüber man ärgerlich ist, nicht wie die Wirkung zur Ursache, also nicht wie Magenschmerzen zu der Speise mit der man sich den Magen verdorben hat. Man kann darüber im Zweifel sein, woran man sich den Magen verdorben hat und die Speise, die etwa die Ursache ist, tritt in die Magenschmerzen nicht als ein Bestandteil dieser Schmerzen ein; dagegen kann man, in einem gewissen Sinne nicht zweifelhaft sein, worüber man sich ärgert, wovor man sich fürchtet, was man glaubt. (Es heißt nicht “ich weiß nicht, – ich glaube heute, aber ich weiß nicht woran!) – Und hier haben wir natürlich das alte Problem, daß nämlich der Gedanke, daß das und das der Fall ist, nicht voraussetzt, daß es der Fall ist. Daß aber andererseits doch etwas von der Tatsache für den Gedanken selbst Voraussetzung sein muß. “Ich kann nicht denken, daß etwas rot ist, wenn rot garnicht existiert”. Die Antwort darauf ist, daß die Gedanken in demselben Raum sein müssen, wie das Zweifelhafte wenn auch an einer andern Stelle; daß die gegenwärtige Realität, auf die der Gedankenmaßstab aufgestellt wird, den Sinn – nicht verbürgt, sondern – ausmacht. Der Sinn kann ebensowenig erst verbürgt werden müssen, wie es nachträglich bewiesen werden kann, daß π nicht rational ist; denn ohne Sinn kein Gedanke. – Darin und nur darin besteht auch die
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(prästabilierte) Harmonie zwischen Welt und Gedanke.
     Die Intention ist nun aber von genau derselben Art wie – z.B. – der Ärger. Und da scheint es irgendwie, als würde man die Intention von außen betrachtet nie als Intention erkennen; als müßte man sie selbst intendieren || meinen, um sie als Meinung zu verstehen. Das hieße aber, sie nicht als Phänomen, nicht als Tatsache, zu betrachten! Das ist natürlich wieder das vorige Problem, denn der Witz ist, daß man es dem Gedanken (als selbständige Tatsache betrachtet) ansehen muß, daß er der Gedanke ist, daß das und das der Fall ist. Kann man es ihm nicht ansehen (so wenig wie den Magenschmerzen woher sie rühren), dann hat er kein logisches Interesse, oder vielmehr, dann gibt es keine Logik. – Das kommt auch darauf hinaus, daß man den Gedanken mit der Realität muß unmittelbar vergleichen können und es nicht erst einer Erfahrung bedürfen kann, daß diesem Gedanken diese Realität entspricht. (Darum unterscheiden sich auch Gedanken nach ihrem Inhalt, aber Magenschmerzen nicht nach dem, was sie hervorgerufen hat.)
     Meine Auffassung scheint unsinnig, wenn man sie so ausdrückt: man soll sehen können, worüber Einer denkt, wenn man ihm den Kopf aufmacht; wie ist denn das möglich, || ? die Gegenstände, über die er denkt, sind ja garnicht in seinem Kopf (ebensowenig wie in seinen Gedanken)!
     Man muß nämlich die Gedanken, Intentionen (etc.) von außen betrachtet als solche verstehen, ohne über die Bedeutung von etwas unterrichtet zu werden. Denn auch die Relation des Bedeutens wird ja dann als ein Phänomen gesehen (und ich kann || darf dann nicht wieder auf eine Bedeutung des Phänomens hinweisen müssen, da ja dieses Bedeuten wieder in den Phänomenen || dem Phänomen mit inbegriffen ist.)

   
     Wenn man den Gedanken betrachtet, so kann also von einem
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Verstehen keine Rede mehr sein, denn, sieht man ihn, so muß man ihn als den Gedanken dieses Inhalts erkennen, es ist nichts zu deuten. – Aber so ist es ja wirklich, wenn wir denken, da wird nicht gedeutet. – Und man könnte sagen: der Denkende sieht den Gedanken tatsächlich von außen an und nicht von innen; alles, was man sieht, sieht man von außen an; d.h. alles was man erlebt, ist Phänomen.

   
     Die Sprache wird verstanden, der Gedanke nicht. (Das Verstehen der Sprache ist das Denken, das Verstehen der Sprache aber wird nicht noch einmal verstanden.) –
   
     Die kausale Erklärung des Bedeutens und Verstehens lautet im Wesentlichen so: einen Befehl verstehen heißt, man würde ihn ausführen, wenn ein gewisser Riegel zurückgezogen. – Es würde jemandem befohlen, einen Arm zu heben, und man sagt: den Befehl verstehen heißt, den Arm zu heben. Das ist klar, wenn auch gegen unseren Sprachgebrauch (wir nennen das “den Befehl befolgen”). Nun sagt man aber: Den Befehl verstehen heißt, entweder den Arm heben, oder, wenn das nicht, etwas bestimmtes Anderes tun – etwa das Bein heben. Nun heißt das aber nicht “verstehen im ersten Sinn, denn der Befehl war nicht “den Arm oder das Bein zu heben”. Der Befehl bezieht sich also (nach wie vor) auf eine Handlung, die nicht geschehen ist. Mit andern Worten, es bleibt der Unterschied bestehen zwischen dem Verstehen und dem Befolgen des Befehls. Und weiter: ein unverstandener Befehl ist gar kein Befehl. – Dieses Verstehen des Befehls kann nicht irgend eine Handlung sein, (etwa den Fuß heben) sondern sie muß das Wesen des Befehls selbst enthalten.