670.
Ist es Introspektion, was mich lehrt, ob ich's mit einem
echten Sehen zu tun habe, oder doch mit einem
Deuten?
Zuerst einmal muß ich mir klar darüber werden, was
ich denn ein Deuten nennen würde; woran sich erkennen läßt, ob etwas
ein Deuten oder ein Sehen sei.
(Einer Deutung entsprechend sehen.) |
671.
Ich möchte sagen: “Ich sehe die Figur als das
Spiegelbild eines F” sei nur eine indirekte
Beschreibung meiner Erfahrung.
Es gebe eine direkte; nämlich: Ich sehe die Figur
so (wobei ich für mich auf meinen Gesichtseindruck
deute).
Woher hier diese Versuchung? –
Es gibt da ein wichtiges Faktum, nämlich dies, daß wir bereit sind,
eine Anzahl verschiedener Beschreibungen unsres Gesichtseindrucks gelten
zu lassen; z.B.: “Die Figur
schaut jetzt nach rechts, jetzt nach
links.” |
672.
Denke, wir fragten jemand: Welche Ähnlichkeit besteht
zwischen dieser Figur und einem F?
Nun antwortet Einer “Die Figur ist ein umgekehrtes
F”, ein Andrer “Sie ist ein
F mit zu langen Anstrichen”.
Sollen wir sagen
“Die beiden sehen die Figur
verschieden”? |
673.
Sehe ich die Figur nicht einmal so, einmal anders, auch wenn ich nicht
mit Worten oder durch andere Zeichen reagiere?
Aber “einmal so”, “einmal anders” sind ja Worte, und mit welchem Recht gebrauche ich sie hier? Kann ich dir, oder – 188
– mir selbst, mein Recht erweisen?
(Es sei denn durch eine andere || weitere
Reaktion.)
Aber ich weiß doch, daß es zwei Eindrücke sind, auch wenn ich's nicht sage! Aber wie weiß ich, daß, was ich dann sage, das ist, was ich wußte? |
674.
Das vertraute Gesicht eines Wortes; die Empfindung, es || ein Wort sei gleichsam ein Bild seiner
Bedeutung; es habe seine Bedeutung gleichsam in sich aufgenommen –
es kann eine Sprache geben, der das alles fremd ist. Und
wie drücken sich diese Empfindungen bei uns aus? Darin, wie
wir Worte wählen und schätzen. || – es ist
wichtig, daß wir uns eine Sprache denken können, der das
alles das fremd ist. Die mit ihren Worten kalkuliert || operiert. In der das Wort keine
‘Seele’ hat. |
675.
Die Fälle, in denen wir mit Recht sagen, wir deuten,
was wir sehen, als das und das, sind leicht zu
charakterisieren. || leicht zu
beschreiben. |
676.
Wenn wir deuten, stellen wir eine Vermutung an, sprechen eine Hypothese
aus, die sich nachträglich als falsch erweisen kann.
Sagen wir “Ich sehe diese Figur als ein
F”, so kann das so wenig verifiziert oder falsifiziert
werden, wie der Satz “Ich sehe ein leuchtendes
Rot”. Hier besteht also eine Ähnlichkeit der
Verwendungen des Wortes “sehen” im einen und im
andern Zusammenhang. (Nicht eine Ähnlichkeit, die
Introspektion uns zeigt.) || Sagen wir gibt es dafür, so wie für den Satz “Ich sehe ein leuchtendes Rot”, nicht Verifikation oder Falsifikation. Diese Art Ähnlichkeit ist es, nach der wir ausschauen müssen, um den Gebrauch des Wortes “sehen” in jenem Zusammenhang zu rechtfertigen. Sagt Einer, er erkenne, daß es ein ‘Sehen’ sei, durch Introspektion, so ist die Antwort: “Und wie weiß ich, was du Introspektion nennst? Du erklärst mir ein Geheimnis – 189 – durch ein
anderes.” |
677.
An verschieden Stellen eines Buches, eines Lehrbuchs der Physik
etwa, sehen wir die Illustration .
Im dazugehörigen Text wird einmal von einem
Glaswürfel geredet, einmal von einem Drahtgestell, einmal von
einer umgestülpten offenen Kiste, einmal von drei Brettchen, die ein
räumliches Eck bilden.
Der Text deutet jedesmal die Illustration.
Aber wir können auch sagen, daß wir die Illustration einmal als das eine, einmal als das andere Ding sehen. – Wie merkwürdig nun, daß wir die Worte der Deutung auch zur Beschreibung des unmittelbar Wahrgenommenen verwenden können! Da möchten wir zuerst so antworten: Jene Beschreibung der unmittelbaren Erfahrung mittels einer Deutung ist nur eine indirekte Beschreibung. Die Wahrheit ist || sei die: Wir können die Figur einmal die Deutung A, einmal die Deutung B, einmal die Deutung C geben; und es gibt nun auch drei direkte Erfahrungen – Weisen des Sehens der Figur – A', B', C', so daß A' der Deutung A, B' der Deutung B, C' der Deutung C günstig ist. Daher gebrauchen wir die Deutung A als Beschreibung der ihr günstigen Weise des Sehens. |
678.
Aber was heißt es, die Erfahrung A' sei der Deutung A
günstig?
Welches ist die Erfahrung A'?
Wie identifiziert man sie denn? |
679.
Nehmen wir an, jemand mache die folgende Entdeckung.
Er untersucht die Vorgänge in der Retina der Menschen, die die Figur
einmal als Glaswürfel, einmal als Drahtgestell sehen,
etc. und er findet, daß diese Vorgänge ähnlich
denjenigen sind, welche er beobachtet, wenn das Subjekt einmal
einen Glaswürfel anschaut, einmal ein Drahtgestell
u.s.f..
⇒
|
– 190
–
So eine Entdeckung würde man geneigt sein, als Beweis dafür zu betrachten, daß wir die Figur wirklich jedesmal anders sehen. Aber mit welchem Recht? Wie kann denn das Experiment etwas über die Natur der unmittelbaren Erfahrung aussagen? – Es reiht sie in eine bestimmte Klasse von Phänomenen ein. |
680.
Wie identifiziert man die Erfahrung A'?
Wie kommt es, daß ich überhaupt von dieser Erfahrung weiß?
Wie lehrt man jemand den Ausdruck dieser Erfahrung “Ich sehe die Figur jetzt als Drahtgestell”? Viele haben das Wort “sehen” gelernt und nie einen derartigen Gebrauch von ihm gemacht. Wenn ich nun so einem unsre Figur zeige und ihm sage “Jetzt versuch einmal, sie als Drahtgestell zu sehen!” –muß er mich verstehen? Wie, wenn er sagt: “Meinst du etwas anderes als, ich soll dem Text des Buchs, der von einem Drahtgestell redet, an der Hand der Figur folgen?” Und wenn er mich nun nicht versteht, was kann ich machen? Und wenn er mich versteht, wie äußert sich das? Nicht eben dadurch, daß auch er sagt, er sehe jetzt die Figur als Drahtgestell? |
681.
Es ist also die Neigung, jenen Wortausdruck zu gebrauchen, eine
charakteristische Äußerung des Erlebnisses.
(Und eine Äußerung ist kein
Symptom.) |
682.
Gibt es noch andere Äußerungen dieses Erlebnisses?
Wäre nicht dieser Vorgang denkbar: Ich lege Einem
ein Drahtgestell, einen Glaswürfel, eine Kiste, etc. vor
und frage ihn “Welches dieser Dinge stellt die Figur
dar?”
Er antwortet “Das Drahtgestell”.
|
683.
Sollen wir nun sagen, er habe die Figur als Drahtgestell gesehen,
– obwohl er die Erfahrung, sie einmal als – 191
– das, einmal als etwas andres zu sehen, nicht
hatte? |
684.
Denken wir, es fragte jemand: “Sehen wir alle ein
Druck-F auf die gleiche Weise?”
Nun, man könnte folgenden Versuch machen: Wir zeigen
verschiedenen Leuten ein F und stellen die Frage
“Wohin schaut ein F, nach rechts oder nach
links?”
Oder wir fragen: “Wenn du ein F mit einem Gesicht im Profil vergleichen solltest, wo wäre vorne, wo hinten?” Mancher aber würde diese Fragen vielleicht nicht verstehen. Sie sind analog Fragen der Art: “Welche Farbe hat für dich der Laut a?” oder “Kommt dir a gelb oder weiß vor?” etc. Wenn Einer diese Frage nicht verstünde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn, – könnten wir sagen, er verstehe nicht Deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter “Farbe”, “Laut”, etc.? Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auf jene Fragen ‘mit Verständnis’ oder ‘ohne Verständnis’ reagieren. |
685.
“Sehen wir Alle ein F auf die gleiche
Weise?”
– Das heißt noch gar nichts, solange nicht festgestellt ist,
wie wir erfahren, ‘auf welche Weise’ Einer es
sieht.
Aber wenn ich nun z.B. auch sage
“Für mich schaut ein F nach rechts und ein J
nach links”, – darf ich sagen: wenn immer ich ein
F sehe, schaue es in dieser, oder in irgend einer Richtung?
Welchen Grund hätte ich, so etwas zu sagen?! |
686.
Nehmen wir an, die Frage wäre nie gestellt worden “In
welcher Richtung schaut ein F?” – sondern nur
die: “Wenn du einem F und einem J ein
Aug und eine Nase malen solltest, würde es nach rechts oder nach links
schaun?”
Dies wäre doch auch eine psychologische Frage.
Und in ihr – 192
– wäre von einem ‘so, oder anders,
sehen’ nicht die Rede.
Wohl aber von einer Neigung, das eine, oder andere zu
tun. |
687.
Eine Verwendung des Begriffs ‘in dieser Richtung
schauen’ ist z.B. die: Man sagt
etwa einem Architekten “Mit dieser Verteilung der
Fenster schaut die Fassade
dorthin”.
Ähnlich verwendet man den Ausdruck: “Dieser Arm
unterbricht die Bewegung der Skulptur” oder
“Die Bewegung sollte so verlaufen”
(dabei macht man etwa eine Geste). |
689.
Warum aber sehen wir das nicht sogleich, sondern denken, es müßte hier
einen unmittelbaren Ausdruck geben, und das Phänomen sei nur zu
ungreifbar, nicht recht zu beschreiben, und wir müssen jedenfalls zur
Verständigung mit Andern zur indirekten Darstellung greifen?
Wir sagen uns: Es ist unmöglich, daß wir, ohne in der Phantasie der Figur hinzuzufügen, ein Erlebnis haben, das wesentlich mit Dingen zusammenhängt, die ganz außerhalb der Sphäre der unmittelbaren Wahrnehmung sind. Man könnte z.B. sagen: “Du behauptest, du siehst die Figur als Drahtgestell. Weißt du vielleicht auch, ob es Kupferdraht oder Eisendraht ist? Und warum soll es dann Draht sein? – Das zeigt, daß das Wort “Draht” wirklich nicht unbedingt || wesentlich zur Beschreibung des Erlebnisses gehört. |
690.
Denken wir uns aber nun diese Art von Erklärung: Wenn man
beim Essen die Nase zuhält, verlieren die – 193
– Speisen jeden Geschmack, außer den der Süße,
Bitterkeit, Salzigkeit und Säure.
Also, wollen wir einmal sagen, besteht der besondere
Geschmack, des Brotes z.B., aus diesem
‘Geschmack’ im engern Sinne und dem Aroma, das eben
verloren geht, wenn wir nicht durch die
Nase atmen.
Warum soll es nun beim Sehen von etwas als etwas nicht ähnlich
zugehen.
Etwa so: Das Auge unterscheidet nicht die Figur
als Drahtgestell von der Figur als Kiste,
u.s.w.
Das ist sozusagen das Aroma, welches das Gehirn dem Gesehenen
hinzufügt.
Dagegen unterscheidet auch das Auge verschiedene Aspekte: es
phrasiert quasi das Gesichtsbild; und eine Phrasierung ist
einer Deutung, die andre der andern gemäßer.
(Erfahrungsmäßig gemäßer.)
Denk z.B. an gewisse unwillkürliche Deutungen, die wir der einen oder andern Stelle eines Musikstücks geben. Wir sagen: diese Deutung drängt sich uns auf. (Das ist doch ein Erlebnis.) Und die Deutung kann aus gewissen rein musikalischen Beziehungen erklärt werden. – Wohl, aber wir wollen ja nicht erklären, sondern beschreiben. |
691.
Sieh das Dreieck so, daß c die Basis und C die
Spitze ist; und jetzt so, daß b die Basis und
B die Spitze ist. –
Was tust du? –
Vor allem: – Weißt du, was du tust?
Nein.
“Nun, vielleicht ist es der Blick, der erst auf der ‘Basis’ haftet, dann zur ‘Spitze’ geht.” Aber kannst du sagen, daß in einem anderen Zusammenhang der Blick nicht ganz ebenso wandern könnte, ohne daß du das Dreieck in dieser Weise gesehen hast? Mach auch diesen Versuch. Sieh das Dreieck so, daß es ) || (wie eine Pfeilspitze) einmal in der Richtung A, einmal in der Richtung B zeigt. |
692.
Von wem sagt man, er sehe das Dreieck als Pfeil, der – 194 – nach rechts zeigt?
Von dem, der es einfach als einen solchen Pfeil zu gebrauchen
gelernt und es immer so gebraucht hat?
Nein.
Daß heißt natürlich nicht, man sage von so einem, er sehe es
anders, oder wir wüßten nicht, wie er
es sehe.
Es ist hier von einem so oder anders
sehen noch nicht die Rede. –
Wie ist es aber in einem Fall, in welchem ich den Andern korrigiere und
sage “Was dort steht, ist nicht ein Pfeil, der nach rechts
zeigt, sondern einer, der nach oben zeigt”, und nun setze ich
ihm eine praktische Folge dieser Deutung auseinander.
Er sagt nun: “Ich habe das Dreieck immer als Pfeil
nach rechts aufgefaßt.”
– Ist hier von einem Sehen die Rede?
Nein; denn es kann ja heißen “Ich bin, wenn ich diesem
Zeichen begegnet bin, ihm immer so
gefolgt.”
Wer das sagt, müßte die Frage “Aber hast du es als Pfeil
nach rechts gesehen?” gar nicht
verstehen. |
693.
Wir sagen von dem, er sehe das Dreieck einmal so, einmal so,
der dies von sich aussagt, der diese Worte mit dem Zeichen des
Verständnisses ausspricht, oder hört; aber auch von dem, der etwa sagt
“Jetzt zeigt das Dreieck in dieser Richtung, früher
hat es in der andern gezeigt”, und der nun auf die Frage, ob das
Dreieck seine Form oder Lage geändert habe, antwortet: so sei
es nicht.
U.s.w. |
694.
Betrachten wir den Fall des Bildes der
gegen einander
rotierenden Räder.
Erstens kann ich die Bewegung im Bild wieder als eine
oder die andere sehen.
Zweitens kann ich sie auch für die eine oder die andere
halten. |
695.
Das etwas seltsame Phänomen des so oder anders Sehens
erscheint doch erst, wenn Einer erkennt, daß das Gesichtsbild in
einem Sinne gleichbleibt, und etwas
anderes, was man “Auffassung” nennen möchte,
sich ändern kann. || wechseln
kann.
Halte ich ¤ – 195
– das Bild für dies oder das, sagen
wir für zwei gegen einander
laufende Räder, so ist doch damit von der Teilung des Eindrucks in
Gesichtsbild und Auffassung noch keine Rede. –
Soll ich also sagen, die Trennung ist das Phänomen, das mich
interessiert?
Oder fragen wir so: Welche Reaktion interessiert mich? Die, welche zeigt, daß Einer eine Schale für eine Schale hält (also auch die, daß er eine Schale für etwas anderes hält)? Oder die, daß er einen Wechsel beobachtet und zugleich doch || auch, daß sich am Gesichtsbild nichts geändert hat? |
696.
Es ist auch möglich, daß ich sage: “Ich habe das
immer für eine Schale gehalten; jetzt sehe ich, daß es keine
ist” – ohne daß ich mir eines Wechsels des
‘Aspekts’ bewußt bin.
Ich meine einfach: ich sehe jetzt etwas anderes, habe jetzt einen
anderen Gesichtseindruck.
Nehmen wir an, Einer zeigte mir etwas und fragt, was das sei. Ich sage “Es ist ein Würfel”. Darauf er: “Also so siehst du es.” – Müßte ich diese Worte anders verstehen als so: “Also dafür hältst du es”? |
698.
“Ich sehe diese Figur als räumliches Eck”
– Warum || : warum nimmst du es nicht
einfach als wahr hin, – wenn er nämlich Deutsch kann und glaubwürdig
ist? –
Ich zweifle nicht daran, daß es die Wahrheit ist.
Aber, was er sagte, ist ein zeitlicher
Satz. || ist ein Satz mit einer
Zeitbestimmung
Nicht einer über das Wesen dieses Phänomens; sondern, der sagt:
das habe stattgefunden. – 196 – |
699.
Die Äußerung des Erlebnisses ist: “Ich sehe das
jetzt als Pyramide; jetzt als Quadrat mit den
Diagonalen.”
– Was ist nun das ‘das’, welches ich einmal so,
einmal so sehe?
Ist es die Zeichnung?
Und wie weiß ich, daß es beidemale
dieselbe Zeichnung ist?
Weiß ich es nur, oder sehe ich's auch? –
Wie wäre es, wenn nachgewiesen würde, die Zeichnung habe sich immer ein
wenig geändert, wenn man sie als etwas anderes sieht; oder das
Gesichtsbild sei dann ein wenig anders.
Es sehe, z.B., dann eine Linie und ein weniges
stärker, oder dünner aus, als früher. |
700.
Soll ich sagen, die verschiedenen Aspekte der Figur seien
Assoziationen?
Und was hilft es mir? |
701.
Es scheint sich hier etwas am Gesichtsbild der Figur zu ändern; und
ändert sich doch wieder nichts.
Und ich kann nicht sagen “Es fällt mir immer wieder eine
neue Deutung ein”.
Ja, es ist wohl das, aber sie verkörpert sich auch gleich im
Gesehenen.
Es fällt mir immer wieder ein neuer Aspekt der Zeichnung ein – die
ich gleichbleiben sehe.
Es ist, als ob ihr immer wieder ein neues Kleid angezogen würde, und
als ob doch jedes Kleid wieder gleich sei dem andern.
Man könnte auch sagen: “Ich deute die Figur nicht nur, sondern ich ziehe ihr auch die Deutung an.” – 197
– |
702.
Ich sage mir: “Was ist das?
Was sagt nur diese Phrase?
Was drückt sie nur
aus?”
– Es ist mir, als
müßte es noch ein viel
klareres Verstehen von ihr geben, als das, was ich
habe.
Und dieses Verstehen würde dadurch erreicht,
daß man eine Menge über
die Umgebung der Phrase sagt.
So als wollte man eine ausdrucksvolle Geste in einer Zeremonie
verstehen.
Und zur Erklärung
müßte ich die
Zeremonie gleichsam analysieren.
Z.B. sie abändern und zeigen,
wie das die Rolle jener Geste beeinflussen
würde. |
703.
Ich könnte auch sagen: Mir ist, als
müßte es zu diesem
musikalischen Ausdruck Parallelen auf anderen Gebieten
geben. |
704.
Die Frage ist eigentlich: Sind diese
Töne nicht der beste Ausdruck
für das, was hier
ausgedrückt ist?
Wohl.
Aber das heißt nicht, daß sie
nicht durch ein Bearbeiten ihrer Umgebung zu
erklären sind. |
705.
Ist es ein Widerspruch, wenn ich sage: “Dies ist
schön und dies ist nicht
schön” (wobei ich auf verschiedene
Gegenstände zeige)?
Und soll man sagen, es sei kein Widerspruch, weil die beiden
Wörter “dies” verschiedenes
bedeuten?
Nein; die beiden “dies” haben die
gleiche Bedeutung. “heute” hat heute
die gleiche Bedeutung, wie es gestern hatte, “hier” die
gleiche Bedeutung hier und dort.
Es ist hier nicht wie im Satz “Herr Weiß
wurde weiß”.
“Dies ist schön und dies ist nicht schön” ist ein Widerspruch, aber er hat eine Verwendung. |
706.
Das Grundübel der
Russellschen Logik
sowie auch der meinen in der
L. Ph. Abh. ist,
daß, was ein Satz ist, mit ein paar
gemeinplätzigen Beispielen illustriert, und dann
als allgemein verstanden vorausgesetzt wird. – 198 – |
707.
Aber ist es nicht klar, daß die beiden
“dies” verschiedene Bedeutungen haben, da ich sie
doch durch verschiedene Eigennamen ersetzen kann? –
Ersetzen?
“Dies” heißt ja nicht einmal
A, das andere Mal B. –
Freilich nicht allein; aber zusammen mit der zeigenden
Gebärde. –
Wohl; aber das sagt nur, daß ein Zeichen,
bestehend aus dem Wort “dies” und einer
Gebärde, eine andere Bedeutung hat, als ein
Zeichen, bestehend aus “dies” und einer anderen
Gebärde.
Aber das ist ja bloße Wortklauberei: Du sagst
ja also, daß Dein Satz “Dies ist
schön und dies ist nicht
schön” kein
vollständiger Satz ist, weil zu den Worten hier
noch Gebärden gehören. –
Aber warum ist es dann kein vollständiger
Satz?
Es ist ein Satz einer andern Art als etwa “Die Sonne
geht auf”, die Art seiner Verwendung ist sehr
verschieden.
Aber solche Verschiedenheiten gibt es eben in
Hülle und Fülle im Reich der
Sätze. |
708.
“A. Schweitzer ist kein Schweizer.”
Wenn ich das sage, meine ich das erste S. als Eigenname,
das zweite als Gattungsname.
So geht Verschiedenes in meinem Geiste vor, wenn ich die
beiden Wörter
“S.”
ausspreche? –
Das Wort funktioniert im Satz beide Male in verschiedener
Weise.
Das hieße, das Wort mit einem Maschinenteil
vergleichen und den Satz mit der || einer Maschine.
Ganz unzutreffend.
Eher könnte man sagen: die Sprache ist die
Maschine, der Satz der Maschinenteil.
Das wäre dann etwa so:
Diese Kurbel hat zwei Löcher von gleicher
Größe.
Mit dem einen sitzt sie auf der Welle, in dem anderen steckt der
Kurbelzapfen. |
709.
Versuche, das erste
“S.” als
Gattungsnamen, das zweite als Eigennamen zu meinen!
Wie machst Du den Versuch? – 199 – |
710.
“Der Begriff S. ist kein
S.”
Ist das Unsinn?
Nun, ich weiß nicht, was jemand, der das sagt,
damit sagen will: d.h. wie er diesen Satz
verwenden will || zu verwenden beachbsichtigt.
Ich kann mir manche naheliegende Verwendung für ihn
ausdenken. –
“Aber du kannst ihn eben nicht so verwenden, oder
auch nur so denken, daß mit den Worten
“der Begriff S.” und mit dem zweiten
“S.” das Gleiche gemeint ist,
was Du gewöhnlich mit diesen
Worten meinst.” || was Du sonst immer, also
für gewöhnlich mit diesen Worten
meinst.”
Hier steckt der Irrtum. Man denkt hier, als schwebte einem dieser Vergleich vor: Die Worte im Satz passen zusammen, d.h. man kann die sinnlose Wortfolge hinschreiben, aber die Bedeutung jedes Worts ist ein unsichtbarer Körper, und diese Bedeutungskörper passen nicht zusammen. ((“Das Meinen gibt dem Satz eine weitere Dimension.”)) |
711.
Daher die Idee, man kann den Satz nicht denken; denn im Gedanken
müßte ich nun die Bedeutungen
der Worte zu einem Sinn zusammenstellen, und das geht
nicht. (jigsaw puzzle). |
712.
Aber ist der Widerspruch nicht durch das Gesetz vom Widerspruch
verboten? –
“~ (p ∙ ~
p)” verbietet jedenfalls nichts.
Es ist eine Tautologie.
Verbieten wir aber einen Widerspruch, so
schließen wir Widerspruchsformen aus unserer
Sprache aus.
Wir beseitigen diese Formen. |
713.
Man kann denken: “Wie
merkwürdig, daß die
eine Bedeutung des Wortes “empfinden”
(und der anderen psychologischen Verben) zusammengesetzt ist
aus den heterogenen Bestandteilen, den Bedeutungen der
ersten und der dritten
Person.” || der Bedeutung der ersten Person
und der dritten Person. – 200
–
Aber was kann verschiedener sein, als das Profil und das en face eines Gesichts; und doch sind die Begriffe unserer Sprache so gebildet, daß das eine nur als Variation des anderen erscheint. Und es ist natürlich leicht, Gründe dieser Begriffsbildung aufzuzeigen. || Und es ist natürlich leicht, diese Begriffsbildung aus Naturtatsachen zu begründen. || Und es ist natürlich leicht, diese Begriffsbildung zu begründen. (Heterogene: der Pfeifenkopf und das Pfeifenrohr.) |
714.
Wenn die Begriffsbildung sich aus Naturtatsachen
(psychologischen und physikalischen)
begründen
läßt, ist dann die
Beschreibung unserer Begriffsbildungen nicht eigentlich eine
verkappte Naturwissenschaft; sollten wir uns dann nicht,
statt für die Grammatik, für das
interessieren, was sie in der Natur
rechtfertigt? || , was ihr in der Natur zu
Grunde liegt.
Uns interessiert allerdings auch die Entsprechung unserer Grammatik und allgemeiner (selten ausgesprochener) Naturtatsachen || unserer Begriffsbildung mit allgemeinen (selten ausgesprochenen) Naturtatsachen. Aber unser Interesse fällt nun nicht auf diese möglichen Ursachen zurück. Wir betreiben keine Naturwissenschaft: unser Ziel ist nicht, etwas vorher zu sagen. Ja wir betreiben auch nicht Naturgeschichte, da wir naturgeschichtliche Tatsachen für andere Zwecke auch erdichten. || Auch nicht Naturgeschichte: denn wir erdichten für unsere Zwecke naturgeschichtliche Tatsachen. |
715.
Es interessiert uns etwa, festzustellen, daß in
unserer Umgebung gewisse Formen nicht an gewisse Farben gebunden
sind.
Daß wir z.B. nicht
grün immer in Verbindung mit der Kreisform, rot mit
der Quadratform sehen.
Stellt man sich eine Welt vor, in der Formen und Farben immer in
solcher Weise mit einander
verknüpft sind || verbunden
wären, so
fände man ein Begriffssystem
verständlich, in welchen – 201
– die grundlegende Einteilung – Form und Farbe
– nicht bestünden.
Noch einige Beispiele: Es ist z.B. wichtig, daß wir gewohnt sind, mit Stift, Feder, oder dergleichen zu zeichnen, und daß daher die Elemente unserer Darstellung Striche und Punkte (im Sinne von “Pünktchen”) sind. Hätten die Menschen nicht gezeichnet, sondern immer gemalt (spielte also der Begriff der Kontur der Formen keine große Rolle), gebe es ein gebräuchliches Wort, sagen wir “Linie”, bei dem niemand an Strich, also an etwas sehr dünnes dächte, sondern immer nur an die Grenze zweier Farben, und dächte man bei “Punkt” nie an etwas winziges, sondern nur an den Schnitt zweier Farbgrenzen, so wäre vielleicht manche Entwicklung der Geometrie unterblieben. Sähen wir eine unserer primären Farben, sagen wir rot, nur äußerst selten, nur in winzigen Ausmaßen, könnten wir Malfarben nicht herstellen, käme rot nur in bestimmten Verbindungen mit andern Farben vor, etwa nur an der Spitzen der Blätter gewisser Bäume die sich im Herbst nach und nach aus grün in rot verwandeln, so wäre nichts natürlicher als Rot ein degeneriertes Grün zu nennen. Denke an die Umstände, unter denen uns Weiß und Schwarz als Farben und anderseits als das Fehlen einer Farbe erscheinen. Denke es ließen sich alle Farben wegwaschen und der Grund wäre dann immer weiß, und es gäbe keine weiße Malfarbe. Es ist uns leichter ein reines Rot, Grün, etc. aus dem Gedächtnis zu reproduzieren und wiederzuerkennen, als einen Ton von Braunrot etwa. |
716.
Ich sage aber nicht: Wären die
Naturtatsachen anders, so hätten wir andere
Begriffe.
Dies ist eine Hypothese.
Ich habe für sie keine Verwendung und sie
interessiert mich nicht. – 202
–
Ich sage nur: Wenn Du glaubst, unsere Begriffe seien die richtigen, die intelligenten Menschen gemäßen, wer andere hätte, sähe eben etwas nicht ein was wir einsehen, dann stelle Dir gewisse allgemeine Naturtatsachen anders vor, als sie sind, und andere Begriffsbildungen als die unseren werden Dir natürlich scheinen. |
717.
‘Natürlich’, nicht
‘notwendig’.
Ist denn alles was wir tuen
zweckmäßig?
Ist alles, was nicht || gewiß
nicht
zweckmäßig genannt werden kann,
zweckwidrig?! |
718.
Das vertraute Gesicht eines Wortes; die Empfindung, ein Wort sei so
gleichsam ein Bild seiner Bedeutung; es habe seine Bedeutung gleichsam in
sich aufgenommen – es kann eine Sprache geben, der das alles
fremd ist. Und wie drücken sich diese
Empfindungen bei uns aus? Darin, wie wir Worte
wählen und schätzen.
((Goethe
über Personennamen.
If-Feeling.)) || es ist
wichtig, daß wir uns eine Sprache denken
können, der alles das fremd ist. Die mit
ihren Worten kalkuliert, in der das Wort keine Seele
hat. |
719.
Die Fälle, in denen wir mit Recht sagen, wir
deuten, was wir sehen als das und das, sind leicht zu
charakterisieren || beschreiben. |
720.
Wenn man
erklärt “Ich assoziiere
diesen Gegenstand mit der Figur”, so wird dadurch nichts
deutlicher. |
721.
Wie wird “wollen” wirklich
gebraucht?
Man ist sich in der Philosophie nicht dessen
bewußt, daß man einen ganz
neuen Gebrauch des Wortes für sie erfunden hat,
indem man ihn dem das Wort des
“Wünschen”,
z.B., angeglichen hat.
Es ist interessant, daß man
für die Philosophie eigens Wortverwendungen
konstruiert, indem man Worten, die
– 203 – uns wichtig
erscheinen, einen weiter ausgebauten Gebrauch vindizieren will, als sie
haben.
“Wollen” wird manchmal in der Bedeutung von “Versuchen” verwendet. “Ich wollte aufstehen, war aber zu schwach.” Anderseits will man sagen, daß, wo immer eine willkürliche Bewegung gemacht wird, gewollt werde. Wenn ich also gehe, spreche, esse, etc. etc., so soll ich nun eben das tun wollen. Und hier kann es nun nicht versuchen heißen. Denn wenn ich gehe, so heißt das nicht, ich versuche zu gehen und es gelinge. Vielmehr gehe ich für gewöhnlich, ohne es zu versuchen. Man kann natürlich auch sagen “Ich gehe weil ich gehen will”, wenn das dem gewöhnlichen Fall des Gehens von dem unterscheidet, in welchem ich geschoben werde, oder elektrische Ströme meine Beinmuskeln bewegen. |
722.
Die Philosophie hat sich einen Gebrauch des Wortes zurecht
gelegt, || versucht sich einen Gebrauch des Wortes
zurecht zu legen der gleichsam eine konsequentere
Durchführung gewisser
Züge des gewöhnlichen Gebrauchs
darstellt. |
723.
“Das Wort ‘x’ hat zwei
Bedeutungen” heißt: es hat zwei
Arten der Verwendung.
Soll ich sagen: “Wenn Du die Verwendung dieses Wortes
in unserer Sprache beschreibst, wirst Du sehen,
daß es zwei Verwendungen und nicht nur
eine hat”? |
724.
Könnten wir uns nicht denken,
daß Leute erklärten,
das Wort “Bank” habe immer dieselbe
Bedeutung.
Eine Bank sei immer so etwas:
Daß sie aber das Wort dennoch auch für ein Geldinstitut verwenden || verwendeten; davon aber sagen, weil es eine Bank sei, so sei es eben doch etwas von der Art unserer Abbildung. |
725.
Haben die Worte “gehen” und “ging” die
gleiche Bedeutung? – 204
–
Haben die Worte “gehen” und “gehst” die gleiche Bedeutung? Hat das Wort “go” in “I go” und in “you go” die gleiche Bedeutung? |
726.
Soll ich sagen: “Zu zwei verschiedenen Bedeutungen
gehören zwei verschiedene
Erklärungen der Bedeutung”? |
727.
Denk Dir in einer Sprache eine Gruppe von
Sätzen von je drei Zeichen.
Die Sätze beschreiben die Arbeit, die ein
bestimmter Mensch ausführt.
Das erste Zeichen (von links nach rechts) ist der Name des
Menschen, das zweite bezeichnet eine Tätigkeit
(wie sägen, bohren, feilen) das dritte
bezeichnet das Werkstück.
So ein Satz könnte nun lauten “a a a”. Wenn nämlich “a” der Name einer Person, eines Werkstücks und einer Tätigkeit ist. |
728.
Was heißt es nun: “Das Zeichen
‘a’ hat eine andere Bedeutung in
‘x a y’ und in ‘a x
y’”?
Man könnte auch sagen, es habe verschiedene
Bedeutung je nach seiner Stelle.
(Wie eine Ziffer im Dezimalsystem.)
Denk Dir das Schachspiel mit lauter gleichgestalteten Steinen gespielt. Man müßte sich dann immer erinnern, wo ein bestimmter Stein am Anfang des Spiels gestanden hatte. Und man könnte sagen: “Dieser Stein und jener haben verschiedene Bedeutungen”; ich kann mit dem einen nicht so ziehen wie mit dem andern. Ebenso entnehme ich dem “a” an der ersten Stelle, das von diesem Menschen (ich zeige etwa auf ihn) die Rede ist, das || dem “a” an der zweiten Stelle, daß er diese Arbeit macht; etc. Das “a” könnte etwa in drei Tabellen stehen, die es gewissen Bildern, die seine Bedeutung erklären, zuordnen. Und ich würde dann zur Deutung des Satzes je nach der Stellung des “a” in einer anderen Tabelle nachsehen. |
729.
Was heißt es: “untersuchen ob
‘f(f)’ Sinn hat, wenn
‘f’ an beiden Stellen die gleiche Bedeutung
hat”? – 205 – |
730.
Man sucht, hat noch nicht gefunden, aber man
weiß, was man sucht. –
Aber es kann auch sein, daß man suchend um sich schaut und nicht sagen
kann, was man sucht; endlich ergreift man etwas und sagt
“Das wollte ich haben”.
Man kann das “suchen” nennen “ohne zu
wissen, was man sucht”. |
731.
Man könnte von “funktionalen
Zuständen” reden.
(Z.B.: Ich bin heute sehr
reizbar.
Wenn man mir heute das und das sagt, reagiere ich immer so und
so.
Dem entgegengesetzt: Ich habe den ganzen Tag
Kopfschmerzen.) |
732.
Wie ist man je dazu gekommen, einHYie “ich glaube
.... ” zu gebrauchen?
Ist man etwa plötzlich auf ein
Phänomen, das des Glaubens, aufmerksam
geworden? || Wurde man etwa auf ein
Phänomen, das des Glaubens,
aufmerksam? |
733.
Hatte man sich beobachtet und fand so dies
Phänomen? |
734.
Hatte man sich selbst und die andern Menschen beobachtet und fand so
die Erscheinung des Glaubens? |
735.
Es könnte in der Sprache eines Stammes ein
Pronomen geben, wie wir es nicht besitzen, und
wofür wir keine praktische Verwendung haben, ein
Pronomen, das sich auf das Satzzeichen ‘bezieht’, worin
es steht.
Ich will es so schreiben:
.
Der Satz
“
bin 10 Zentimeter lang”
wird also auf seine Wahrheit geprüft, indem man
das Satzzeichen mißt.
Der Satz
“
enthalte vier Wörter”
z.B. ist wahr, der Satz
“
enthalte nicht vier Wörter” auch.
“ich bin falsch” entspricht dem Paradox
vom kretischen
Lügner. –
Die Frage ist: Wozu verwenden die Leute dies
Fürwort?
Nun, der Satz
“
bin 10 cm. lang”
könnte als Maßstab dienen; der
Satz
“bin schön geschrieben” als Paradigma
der schönen Schrift.
Was uns interessiert ist:
Wie wird das Wort
“”
in einem Sprachspiel verwendet. Denn
paradox ist der Satz nur, wenn wir von seiner Verwendung
absehen. So könnte ich mir denken, daß
der Satz
“
bin falsch” in der Kinderstube verwendet wird. Wenn
Kinder ihn lesen, fangen sie an zu schließen:
– 206 –
“Wenn das falsch ist, so ist so ist es wahr, also ist es
falsch, etc. etc.”.
Die Menschen haben vielleicht gefunden, daß dies
Schließen eine zuträgliche
Übung für Kinder ist. || Was uns interessiert ist: Wie wird
dieses Fürwort in einem Sprachspiel
verwendet. Es ist
möglich, obwohl nicht ganz leicht, sich ein
Sprachspiel mit diesem Wort
auszumalen. Ein Satz wie
“
enthalte vier Wörter”
könnte z.B. als Paradigma der
Zahl 4 dienen, und in anderem Sinne auch der Satz
“
enthalte nicht vier Wörter”.
Paradox ist ein Satz nur, wenn wir von seiner Verwendung
absehen. |
736.
Wie würden sich Menschen, die ein Dreieck
nicht, wie wir einmal so, einmal so sehen
könnten, von uns unterscheiden? –
Wenn wir zu einem Stamm kämen, der diese
Erlebnisse nicht hat, wie würden wir es
merken?
Wie würden wir es merken, wenn die Leute Tiefe nicht sehen könnten? Wenn sie also so wären, wie Berkeley glaubte, daß wir seien. |
738.
“Der Ausdruck ähnlich dem
Gefühl” – die bittere Speise
ähnlich dem bittern Gram.
“Zum Verwechseln ähnlich” –
wie wäre es wenn sie nicht nur
ähnlich, sondern gleich
wären? |
739.
“Gram und Sorge sind ähnliche
Gefühle”: ist das eine
Erfahrungstatsache? |
740.
Soll ich sagen: “Ein Hase kann ausschauen wie eine
Ente”?
Wäre es denkbar, daß jemand, der einen Hasen, aber keine Ente kennt, sagte: “Ich kann die Zeichnung als Hasen sehen und auch noch anders, obwohl ich für den zweiten – 207
– Aspekt kein Wort
habe”?
Später lernt er eine Ente kennen und sagt:
“Als das habe ich damals die Zeichnung
gesehen!”
– Warum ist das nicht möglich? |
741.
Oder denk, jemand sagte “Dieser Hase hat einen
selbstgefälligen Ausdruck”. –
Wenn nun Einer von einem selbstgefälligen
Ausdruck nicht wüßte, –
könnte ihm da etwas
auffallen, und er
später, wenn er
Selbstgefälligkeit kennen gelernt hat, sagen, ihr Ausdruck sei
es gewesen, der ihm damals aufgefallen war? |
742.
Das treffende Wort.
Wie wird es gefunden?
Beschreibe es || das!
Als Gegensatz dazu: Ich finde die richtige Bezeichnung
für eine Kurve, nachdem ich bestimmte Messungen an
ihr vorgenommen habe. |
743.
Ich sehe, daß das Wort treffend ist, noch ehe ich
weiß, und auch wenn ich niemals
weiß, warum es treffend ist.
|
744.
Ich würde den nicht verstehen, der
sagte: er hätte das Bild als das eines Hasen
gesehen, dies aber nicht sagen können, da
er damals von der Existenz eines solchen Wesens nichts
gewußt habe. |
745.
Soll ich also sagen: “Der Bildhase und die
Bildente schauen ganz gleich aus”?! –
Dagegen sträubt sich etwas. –
Aber kann ich denn nicht sagen: Sie schauen ganz gleich aus,
nämlich so – – und nun mache ich die
doppeldeutige Zeichnung? (der Müller mahlt,
der Maler malt auch).
Wenn ich aber nun Gründe gegen diese
Ausdrucksweise angeben wollte, – was
müßte ich sagen?
Daß man das Bild jedesmal anders sieht, wenn es einmal eine Ente und
einmal eine Hase ist – oder, daß bei der Ente das der
Schnabel ist, was beim Hasen die Ohren sind, etc.?
|
746.
Denk Dir das doppeldeutige Bild in einer Bildergeschichte
verwendet: Dann ist es, z.B., nicht
möglich, daß ein anderes Tier der Ente begegnet
und sie für einen Hasen hält;
aber das wäre möglich, daß Einer
die Ente im Profil im Halbdunkel für einen Hasen
hält. – 208 – |
747.
“Ich kann so wenig zugleich
dem || den Hasen und
die Ente sehen, wie zugleich die Worte ‘Weiche
Wotan weiche!’ in ihren
zwei || beiden Bedeutungen meinen.”
– Aber das wäre nicht richtig; wohl aber,
daß es uns nicht natürlich ist, diese Worte
auszusprechen um Wotan zu sagen, er solle weichen, und ihm
dabei mitzuteilen, daß wir weiche Eier vorziehen.
Und doch könnte man sich eine solche
Verwendung von Worten vorstellen. |
748.
Die Fakten der menschlichen Naturgeschichte, die auf
unser Problem Licht werfen, sind uns schwer zu finden, denn
unsere Sprache || Rede geht an
ihnen vorbei,– sie ist mit andern Dingen
beschäftigt.
(So sagen wir Einem “Geh ins
Geschäft und kauf ....”
–nicht: “Setz den linken
Fuß von den rechten Fuß
etc. etc., dann leg Geld auf den
Schalter, etc. etc.) |
749.
Glaube ich nicht an einen inneren Zustand des Sehens und der Andere
sagt “Ich sehe ....”, so glaube ich, daß er nicht
Deutsch kann, oder lügt. |
750.
Was hat der gesagt, der behauptet, wer die Zeichnung einmal als Hasen
und einmal als Ente sieht, habe ganz verschiedene visuelle
Erlebnisse?
Die Neigung, das zu sagen, wird sehr groß, wenn
man z.B. einen Strich in der Zeichnung macht, der
etwa dem Mund des Hasen betont, und dann sieht, wie dieser Strich nun
eine ganz andere Rolle im Entenbild spielt. –
– Oder denk an das Sehen des Gesichtsausdrucks des
Hasen, der im andern Bild gänzlich
verschwindet.
Ich sehe z.B. zuerst ein hochmütiges Gesicht und dann sehe ich kein hochmütiges Gesicht. Und was tut der, der zugibt, daß ich jedesmal etwas ganz verschiedenes sehe? |
751.
“Wie weiß ich, daß ich
über diesen Gesichtsausdruck
lächle?” |
752.
Ich habe || sehe einen ganz bestimmten Gesichtsausdruck,
den ich den des Hasen nenne, und einen ganz andern den ich – 209 – den der Ente
nenne.”
Laß mich ihn einmal bloß
A und den andern B nennen: Wie
könnte ich nun, ohne auf einen Hasen und eine Ente
Bezug zu nehmen, Einem die Bedeutung von A und
B erklären?
Es wäre z.B. so möglich: Ich sagte ihm “A” und ahme dabei mit meinem Gesicht das Gesicht eines Hasen nach, etc. |
753.
“‘Das sehen’
heißt nicht: so reagieren, –
denn ich kann sehen, ohne zu reagieren.”
Natürlich.
Denn weder heißt “ich
sehe”: ich reagiere, noch “er
sieht”: er reagiert, noch “ich
sah”: ich reagierte, etc.
Und wenn ich auch immer, wenn ich sehe, sagte ich sehe”, so würden diese Worte doch nicht sagen: “ich sage ‘ich sehe’”. |
754.
Ich deute auf einen bestimmten Fleck des Bildes und sage “das
ist das Auge des Hasen oder der Ente”.
Wie kann denn etwas in dieser Zeichnung ein Auge
sein? |
755.
“Kann man Tiefe wirklich sehen?”
– “Warum soll man nicht Tiefe sehen
können, wenn man Farben und Formen
sieht?!
Daß das Netzhautbild zweidimensional ist ist kein Grund
für das Gegenteil.”
– – Gewiß nicht; aber die Antwort trifft das
Problem nicht.
Das Problem entsteht dadurch, daß die
Beschreibung des Gesehenen, das, was wir die “Beschreibung des
Gesehenen” nennen, von anderer Art ist, wenn ich einmal Farbe
und Form, etwa durch ein Transparent, beschreibe, einmal die
Tiefendimension durch eine Gebärde, oder eine
Seitenansicht darstelle. |
756.
Eine Bemerkung, daß die Anordnung in der Tiefendimension eine
Eigenschaft des ‘Gesehenen’ ist, wie jede andere, hilft
nicht. |
757.
Was heißt es, daß die Höhlung
des Zahns die der Zahnarzt untersucht, sich dem Patienten viel
größer
anfühlt, als sie ist, || .
Ich zeige z.B. mit den Fingern und sage, ich
hätte geglaubt, sie sei so
groß.
Wonach – 210
– bemesse ich die Distanz der Finger?
– Bemesse ich sie überhaupt?
Kann man sagen: “Ich weiß
zuerst, wie groß mir die
Höhlung vorkommt, dann zeige ich es mit den
Fingern”?
Nun, in manchen Fällen könnte
man es sagen; wenn ich mir z.B. denke, die
Höhlung sei 5 mm weit und dies
Einem durch ein Zeigen der Entfernung erkläre. –
Wie, wenn man mich fragte:”
Wußtest Du, ehe Du's zeigtest, wie
groß Dir der Durchmesser
vorkam?”
– Da könnte ich antworten:
“Ja.
Denn hättest Du mich früher
gefragt, so hätte ich Dir auch diese Antwort
gegeben.”
– Etwas wissen ist eben nicht: einen Gedanken
denken. || – Wissen ist eben nicht
Denken. |
757.
Wenn ich sage, was ich weiß, – wie sage ich
das, was ich weiß || wußte? |
758.
Was ist die Beschreibung dessen, was ich sehe?
(Das heißt nicht nur: Mit welchen
Worten soll || kann ich das beschreiben, was ich
sehe? – sondern auch: “Wie schaut das
aus: eine Beschreibung dessen, was ich sehe?
Was soll ich so nennen?”) |
759.
Das eigentümliche
Gefühl, welches uns das Wiederkehren eines Refrains
gibt.
Ich möchte eine Geste machen.
Aber die Geste ist eigentlich garnicht
charakteristisch für gerade das Wiederkehren eines
Refrains.
Vielleicht könnte ich ein Wort
finden, das die Situation besser charakterisiert; aber es
würde auch nicht erklären, warum
der Refrain mir wie ein Witz vorkommt, warum seine Wiederkehr ein
Lachen, oder Grinsen, bei mir hervorruft.
Wenn ich zu der Musik tanzen könnte, so
könnte ich am allerbesten
ausdrücken, gerade wie mich der Refrain
berührt.
Ja, einen besseren Ausdruck könnte es
gewiß nicht geben.
Ich könnte z.B. vor den Refrain die Worte “wie gesagt” setzen. Und das wäre gewiß treffend; aber es erklärt nicht, warum der Refrain mir einen stark komischen Eindruck macht. Denn ich lache doch nicht immer, wenn ein “wie gesagt” am Platz ist. – 211 – |
760.
Der ‘Inhalt’ der Erfahrung, des Erlebnisses:
– Ich weiß, wie
Zahnschmerzen sind, ich kenne Zahnschmerzen, I
know what it's like to see red, green, blue, yellow, I know
what it's like to feel sorrow, hope, fear, joy, affection, to
wish to do something, to remember having done something to intend doing
something, to see a drawing alternately as the head of a rabbit and of a
duck, to take a word in one meaning and not in
another, etc.
Ich weiß, wie es ist, wenn es Laut
a grau zu sehen und den Laut ü
dunkelviolett. –
Ich weiß auch, was es heißt,
sich diese Erlebnisse vorführen.
Wenn ich sie mir vorführe, so
führe ich mir nicht Arten des Benehmens, oder
Situationen vor. – –
So weiß ich also, was es
heißt, sich diese Erlebnisse
vorführen?
Und was heißt es?
Wie kann ich's einem Andern, oder mir selbst,
erklären? |
761.
Der Begriff ‘Wort’ in der Linguistik.
Wie gebraucht man “dasselbe Wort”?
‘“habe” und “hatte” sind dasselbe Wort.’ ‘Er sagte zweimal dasselbe Wort, einmal laut, einmal leise.’ ‘Sind “Bank” (“die Banken”) und “Bank” (“die Bänke”) das gleiche Wort?’ ‘Sie sind etymologisch das gleiche Wort.’ ‘Ist es beide Male das gleiche Wort “habe”, wenn man sagt “ich habe ein Haus” und “ich habe ein Haus gebaut”?’ |
762.
Betrachtung: Ein Stamm, den wir unterjocht haben, den
wir etwa zu einem Sklavenstamm machen wollen.
Das Benehmen, Verhalten, dieser Leute ist uns eben deshalb
interessant.
Wir wollen es beschreiben, verschiedene
Aspekte dieses Benehmens beschreiben.
Wir betrachten und beobachten z.B.
Schmerzbenehmen, Freudebenehmen, etc.
Zu ihrem Benehmen gehört auch der Gebrauch einer
Sprache.
Und überhaupt auch solches Benehmen, welches erlernt
ist, nicht minder, als das, welches nicht erlernt ist, wie das
Schreien eines Kindes.
Ja, sie haben nicht nur eine Sprache, sondern auch, in ihr,
psychologische Ausdrucksformen. – – 212
–
Frage Dich: Wie werden diese den Kindern dieses Stammes
beigebracht? –
Ich nehme nun an, daß die Leute Ausdrücke besitzen wie die folgenden: “Ich habe schwarzes Haar”, “Er hat schwarzes Haar”, “Ich habe Geld”, “Er hat Geld”, “Ich habe eine Wunde”, “Er hat eine Wunde”. Und nun benützen sie diese grammatische Konstruktion in psychologischen Aussagen. |
763.
“Als ich ‘Bank’ hörte,
schwebte mir die Bedeutung Geldbank vor.”
Es ist, als wäre ein Keim der Bedeutung erlebt,
und dann interpretiert worden.
Nun, ist das ein Erlebnis?
Man könnte geradezu sagen: “Ich hatte ein Erlebnis, das der Keim zu dieser Verwendung war”. Das könnte die uns natürliche Ausdrucksweise sein. |
764.
Vorlieb nehmen ist auch etwas, was man lernen kann. || Vorlieb nehmen ist auch eine Denkbewegung, die man
lernen kann. |
765– || .
Ein Stamm, den wir versklaven wollen.
Die Regierung und die Wissenschaftler geben aus, daß die Leute
dieses Stammes keine Seelen haben; man
könnte || könne sich also ohne Skrupel zu jedem beliebigen Zweck
gebrauchen.
Natürlich interessiert uns dennoch ihre Sprache;
denn wir müssen ihnen ja z.B.
Befehle geben und Berichte von ihnen erhalten.
Auch wollen wir wissen, was sie unter einander sprechen, da dies mit ihrem
übrigen Verhalten
zusammenhängt.
Aber auch, was bei ihnen unsern
‘psychologischen
Äußerungen’
entspricht, muß uns interessieren, denn wir
wollen sie arbeitsfähig erhalten, darum sind uns
ihre Äußerungen des Schmerzes,
des Unwohlseins, er Depression, der Lebenslust, etc.
etc. von Wichtigkeit.
Ja, wir haben auch gefunden, daß man diese Leute mit gutem Erfolg als
Versuchsobjekte in physiologischen und
psychologischen Laboratorien verwenden kann, da ihre Reaktionen
– auch die Sprachreaktionen – ganz die der seelenbegabten
– 213 – Menschen
sind.
Ich nehme an, man habe auch gefunden, daß man diesen
Automaten, durch eine Methode, die sehr ähnlich
unserm ‘Unterricht’ ist, unsere Sprache statt der
ihrigen beibringen kann. |
766.
Diese Wesen lernen nun z.B. rechnen, schriftlich
oder mündlich rechnen.
Wir bringen sie aber, irgendwie, dahin, daß sie uns das Ergebnis einer
Multiplikation sagen können, nachdem sie, ohne zu
schreiben oder zu sprechen, eine Weile stille gesessen sind.
Dabei liegt das Bild nahe, der Prozeß des
Rechnens sei gleichsam untergetaucht und gehe nun unter dem
Wasserspiegel || Spiegel des
Wassers vor sich. (Denke an den Sinn, in
welchem Wasser aus H und O
‘besteht’.) || Wenn man dabei die Art und Weise betrachtet, wie sie
dies ‘Kopfrechnen’ lernen und die Erscheinungen die es
umgeben, so liegt das Bild nahe, der
Prozeß des Rechnens sei gleichsam untergetaucht und
gehe nun unter dem Wasserspiegel || Spiegel des Wassers vor sich.
(Denke an den Sinn, in welchem Wasser aus
H und O
‘besteht’.)
Wir müssen natürlich für verschiedene Zwecke einen Befehl haben der Art: “Rechne dies im Kopf!”; eine Frage “Hast Du es gerechnet?”; ja auch “Wie weit bist Du gekommen?”. Eine Aussage des Automaten “Ich habe .... gerechnet”; etc. etc. Kurz: alles, was wir, unter uns, über das Kopfrechnen sagen, hat auch Interesse für uns, wenn sie's sagen. Und was für's Kopfrechnen gilt, gilt auch für andere Formen des Denkens. – – Äußert etwa jemand bei uns die Meinung, diese Wesen müßten doch irgendeine Art von Seele haben, in der dies und jenes vor sich ginge, so lachen wir ihn aus. || Äußert etwa jemand bei uns die Ansicht, in diesen Wesen müßte doch dabei etwas vorgehen, und zwar etwas seelisches, so wird darüber wie über einen dummen Aberglauben gelacht. Und wenn es gar vorkommt, daß die Sklaven spontan den Ausdruck bilden, in ihnen sei dies oder jenes vorgegangen, so kommt uns das besonders komisch vor. |
767.
Wir spielen auch mit
diesem || diesen
Wesen das Spiel “Denk Dir eine Zahl! –
Multiplizier sie mit 5! – .....” –
Beweist das, daß doch etwas in ihnen
vorgegangen ist? – – 214 – |
768.
Und nun beobachten wir ein Phänomen, – das wir
als den Ausdruck des Erlebnisses interpretieren
könnten; eine Figur einmal als das, einmal als
jenes sehen.
Wir zeigen ihnen nun z.B. ein
Fixierbild.
Sie finden die Lösung; und dann sagen sie etwas,
zeigen auf etwas, zeichnen etwas, etc., und wir
können ihnen unsern Ausdruck beibringen
“Ich sehe das Bild nun immer so”.
Oder sie haben unsere Sprache und den
gewöhnlichen Gebrauch des Wortes
“sehen” gelernt und bilden jene Form nun
spontan. |
769.
Welches Interesse, welche Wichtigkeit hat dieses
Phänomen, diese Reaktion?
Sie mag ganz unwichtig, ganz uninteressant sein, oder auch wichtig
und interessant.
Manche Leute assoziieren mit unsern
Vokalen gewisse Farben; Manche
können die Frage beantworten, welche Wochentage
fett und welche mager sind.
Diese Erfahrungen spielen in unserm Leben eine sehr untergeordnete
Rolle; ich kann mir aber leicht Umstände
ausdenken, in denen, was uns unwichtig ist,
große Wichtigkeit erhielte. |
770.
Die Sklaven sagen auch: “Als ich das Wort
‘Bank’ hörte, bedeutete es
für mich .....”.
Frage: Auf dem Hintergrund welcher
Sprachtechnik sagen sie das?
Denn darauf kommt alles an.
Was hätten wir sie gelehrt, welche
Benützung des Wortes
“bedeuten”?
Und was, wenn überhaupt
irgendetwas, entnehmen wir ihrer
Äußerung?
Denn wenn wir garnichts mit ihr anfangen
können, so könnte sie uns als
Kuriosität interessieren.
Denken wir uns nur Menschen, die keine Träume
kennen, und die unsere Traumerzählungen
hören.
Denk Dir, Einer von uns käme zu diesem
nicht-träumenden Stamm und lernte nach und nach
sich mit den Leuten verständigen. –
Vielleicht denkst Du, sie würden nun das Wort
“träumen” nie verstehen.
Aber sie fänden bald eine Verwendung
dafür. || Aber sie
würden bald eine Verwendung
dafür finden.
Und die Ärzte des Stammes
könnten sich sehr wohl für
unser Träumen interessieren und wichtige
Schlüsse aus den
Träumen des Fremden ziehen. –
– Auch kann man nicht sagen, daß für diese
Leute das Verbum “träumen” nichts
anderes – 215
– bedeuten könnte, als:
einen Traum erzählen.
Denn der Fremde würde ja beide
Ausdrücke gebrauchen:
“träumen” und “einen
Traum erzählen”, und die Leute unseres
Stammes dürften nicht “ich
träumte ....” mit “ich
erzählte den Traum .....”
verwechseln. |
771.
Wir fragen uns: “Was interessiert uns an
den psychologischen
Äußerungen der
Menschen?”
– Sieh's nicht als so
selbstverständlich an, daß uns diese Wortreaktionen
interessieren. |
772.
Warum interessiert uns die chemische Formel einer || dieser Substanz?
“Nun, natürlich weil uns ihre
Zusammensetzung interessiert.”
– Hier haben wir einen ähnlichen Fall.
Die Antwort hätte auch sein
können: “Weil uns eben ihre
innere Natur interessiert.” |
773.
“Du wirst doch nicht leugnen, daß Rost und Wasser
und Zucker eine innere Natur haben!”
“Wenn man's nicht schon
wüßte, so
hätte es doch die Wissenschaft unwiderleglich
gezeigt.” |
774.
Ist nun das Hören oder Denken eines Worts in der
über der Bedeutung eine echte
Erfahrung? –
Wie ist das zu beurteilen? –
– Was spricht dagegen?
Nun, daß man keinen Inhalt dieser Erfahrung entdecken
kann.
Es ist, als äußerte man eine
Erfahrung, könne sich dann aber nicht
besinnen, was die Erfahrung eigentlich war.
Als könnte man sich zwar manchmal auf eine
Erfahrung besinnen, die mit der, die wir suchen, gleichzeitig ist, aber
was wir zu sehen kriegen ist nur (wie)
ein Gewand, und wo das Bekleidete sein sollte, sehen wir eine
Leere. || Als könne man
sich zwar oft einer Erfahrung entsinnen, die mit der, welche wir
suchen, gleichzeitig war; aber die wir zu fassen kriegen, ist wie ein
Kleid, und was sie bekleidete ist uns
entschlüpft. || … und
statt des Bekleideten sehen wir eine
Leere.
Und dann ist man geneigt zu sagen: “Du
darfst eben nicht nach einem andern Inhalt
ausschauen.”
Der Inhalt der Erfahrung ist eben nur durch den spezifischen
Ausdruck – 216
– (der Erfahrung) zu
beschreiben.
Aber auch das befriedigt nicht.
Denn warum fühlen wir dennoch, daß eben
kein Inhalt da ist?
Und ist es so nur mit der Erfahrung des Meinens? Nicht auch, z.B., mit der des Erinnerns? Wenn man mich fragt, was ich in den letzten zwei Stunden getan habe, so antwortete ich geradewegs und lese die Antwort nicht von Einer Erfahrung ab. Und doch sagt man, ich habe mich erinnert, und dies sei ein seelischer Vorgang. || … so antworte ich auf die Frage geradezu und doch sagt man, ich habe mich erinnert, und dies sei ein seelischer Vorgang. |
775.
Es könnte einem fast Wunder nehmen, daß man die Frage “Was hast
Du heute morgen getan” beantworten kann – ohne
historische Spuren meiner Tätigkeit aufzusuchen,
oder dergleichen.
Ja, ich antworte, und wüßte
nicht einmal, daß dies nur durch einen besonderen seelischen Vorgang, das
Erinnern, möglich ist, wenn es mir nicht gesagt
würde. |
776.
Aber es gibt natürlich ein “Ich
glaube mich daran zu erinnern”, ob nun richtig oder
falsch, – und hier kommt das
Subjektive des Psychologischen zum
Vorschein. |
777.
Sage ich nun, das Erlebnis des Erinnerns und das
Erlebnis der Schmerzen, z.B., sind von
verschiedener Art, so ist das irreleitend, da man bei
“Erlebnissen verschiedener Art” vielleicht an eine
Verschiedenheit wie der eines Schmerzes, eines Kitzels, und eines
Gefühls der Übligkeit
denkt.
Während die Verschiedenheit, von der wir
reden, eher vergleichbar ist der der Zahlen 1 und
i. |
778.
Woher nimmt man nun den Begriff des ‘Inhalts’
eines Erlebnisses || einer
Erfahrung.
Nun, der Inhalt des Erlebnisses ist das private Objekt, das
Sinnesdatum, der ‘Gegenstand’, den ich unmittelbar
mit dem geistigen Auge, Ohr, etc. etc.
erfasse.
Das innere Bild. –
Aber wo hat man diesen Begriff nötig?
|
779.
Warum, wenn ich meine subjektive Erinnerung mitteile, bin ich nicht
geneigt, zu sagen, ich hätte den Inhalt meines
Erlebnisses
geschrieben || beschrieben?
– 217 – |
780.
Ja, wenn ich sage “Erinnerungen an jene Tage tauchten in mir
auf”, so scheint es anders.
Da bin ich geneigt von einem Inhalt der Erfahrung zu reden, und denke
mit etwas wie Worte und Bilder, die vor meiner Seele
auftauchen. |
781.
Ich kann Einem zeigen, wie ein bestimmter Schmerz, ein Jucken, ein
Bremseln, etc. ist, indem das
Gefühl bei ihm hervorrufe und seine Reaktion, die
Beschreibung, die er davon gibt, etc.
beobachte.
Aber kann ich so etwas im Fall des Erinnerungserlebnisses tun? –
So nämlich, daß er nun sagen kann:
“Ja, jetzt weiß ich, wie es ist
‘sich an etwas erinnern’.”
Ja ich kann ihm natürlich beibringen, was wir
“sich an etwas erinnern” nennen; || :
ich kann ihn den Gebrauch dieser Worte lehren.
Aber kann er dann sagen: “Ja, jetzt hab
ich's erfahren, wie das ist!”
((“Ja, jetzt weiß ich was Gruseln
ist!”))
Wenn er es sagte, so würden wir uns
wundern, und denken: Was mag er nur
fühlen? Denn wir
fühlen nichts besonderes || und denken
“was mag er nur erfahren
haben?! || ” – denn wir erfahren
nichts besonderes. |
782.
Wenn Einer sagt “Jetzt weiß ich, was
Bremseln ist”, so wissen wir, daß
er's weiß, durch den ‘Ausdruck der
Empfindung’: er zuckt zusammen, bringt
einen bestimmten Laut hervor, sagt, was wir auch in diesem Fall sage,
findet die gleiche Beschreibung treffend, wie wir.
|
783.
Und so könnte man auch wirklich von einem
Gefühl “Lang, lang ist's
her!” sprechen, und diese Worte sind ein Ausdruck der
Empfindung, aber nicht die: “ich erinnere mich daran, ihn
oft begegnet zu haben”. |
784.
“Wenn sie vergeht, dann war es nicht die rechte
Liebe.”
Warum war sie es dann nicht?
Ist es unsere Erfahrung, daß nur dieses Gefühl
und nicht jenes von Dauer ist?
Oder gebrauchen wir ein Bild: wir prüfen
die Liebe auf ihre innere Beschaffenheit, die das
unmittelbare Gefühl nicht offenbart.
Aber dieses Bild ist uns wichtig.
Die Liebe, also das Wichtige, ist nicht ein
Gefühl, sondern etwas tieferes, das nur in dem
Gefühl sich
äußert.
Wir haben das Wort “Liebe” und geben diesen Titel nun dem Wichtigsten. (Wie wir den Titel “Philosophie” einer bestimmten geistigen Tätigkeit verleihen.) – 218 – |
785.
Wir verleihen Wörter, wie wir,
bereits vorhandene, Titel verleihen. |
786.
“Ein neugeborenes Kind hat keine
Zähne.”
– “Eine Gans hat keine
Zähne.”
– “Eine Rose hat keine
Zähne.”
Das Letztere ist doch offenbar wahr!
Sicherer sogar, als daß eine Gans keine hat.
Und doch ist es nicht so klar.
Denn wo sollte eine Rose Zähne haben?
Die Gans hat keine in ihrem
Kiefer.
Und sie hat natürlich auch keine in den
Flügeln, aber das meint niemand, der sagt, sie habe
keine Zähne.
Ja wie, wenn man sagte: Die Kuh kaut Gras mit ihren
Zähnen und
düngt dann die Rose damit,
also hat die Rose Zähne im Mund eines Tiers.
Das ist darum nicht absurd, weil man von vornherein
garnicht
wüßte, wo man nach
Zähnen bei der Rose zu suchen hat.
((Dies hängt irgendwie mit dem Problem
zusammen, daß der Satz “Die Erde hat mehr als 100.000
Jahre existiert” einen klareren Sinn hat als
der “die Erde hat in den letzten 5 Minuten
existiert”.
Denn, wer dies sagte, den würde ich
fragen: “Auf welche Beobachtungen
beziehst Du Dich?
Was für Beobachtungen
würden Deinem Satz
entgegenstehen?”
Während ich wohl
weiß, zu welchem Gedankenkreis, zu
welchen Beobachtungen der erste Satz
gehört.)) |
787.
“Siehst Du, so ist das, wenn man sich an etwas
erinnert.”
So?
Wie? –
– Kann man sich denken, daß Einer sagte:
“Ich werde diese Erfahrung (nämlich
das Erinnern) nie vergessen!”? |
785.
Ist die Erinnerung eine Erfahrung?
Was erfahre ich?
Und ist es eine Erfahrung, wenn das Wort “Bank” das
eine, oder andere für mich bedeutet?
Wieder: Was erfahre ich? – Man ist geneigt zu antworten: Ich habe das und das vor mir gesehen, mir vorgestellt. So sag ich es also nur – daß das Wort dies für mich bedeutet hat – und es ist nichts geschehen? Es waren bloße Worte? – Bloße Worte nicht; und man kann auch sagen, daß etwas geschehen ist, was ihnen entsprach – aber man kann, daß es nicht bloße Worte waren, nicht damit erklären, daß etwas vor sich ging was ihnen entsprach. – 219
–
Denn die beiden Ausdrücke bedeuten einfach
dasselbe. |
786.
Das
Gefühl, man sei schon früher
einmal in eben derselben Situation gewesen.
Ich habe dieses Gefühl nie gehabt.
Wenn ich einen guten Bekannten sehe, so ist mir sein Gesicht wohl bekannt; es ist mir viel vertrauter, als wenn es mir bloß ‘bekannt vorkommt’. Aber worin besteht die Wohlvertrautheit? Habe ich, während ich ihn sehe die ganze Zeit das Gefühl der Wohlvertrautheit? Und warum will man das nicht sagen? Man möchte sagen: “Ich habe gar kein besonderes Gefühl der Vertrautheit, kein Gefühl, das meiner Vertrautheit mit ihm entspricht.” Wenn ich sage, er sei mir äußerst wohl bekannt, da ich ihn unzählige Male gesehen und mit ihm gesprochen habe, so solle das kein Gefühl beschreiben. Und worin liegt es, daß dies kein Gefühl beschreibt? – Wenn etwa Einer behauptete, er habe so ein Gefühl die ganze Zeit, während er den ihm wohlvertrauten Gegenstand sieht – oder wenn er sagt, er glaube, er habe so ein Gefühl, . || – soll ich einfach sagen, ich glaube es || glaubte ihm nicht? – Oder soll ich sagen ich wisse nicht, was das für ein Gefühl sei? Ich sehe einen guten Bekannten, und jemand fragt mich, ob mir sein Gesicht bekannt vorkommt. Ich werde sagen: nein. Das Gesicht sei das eines Menschen, den ich tausendmal gesehen habe. “Und da hast du nicht das Erlebnis der Bekanntheit – wenn Du es sogar bei einem Dir kaum bekannten Gesicht hast?!” Wie zeigt es sich, daß ich kein Gefühl ausdrücke, wenn ich sage: freilich sei mir das Gesicht bekannt, ja so wohlbekannt wie nur möglich? |
787.
Warum ist es lächerlich, hier von einem
fortwährendem
Gefühl der Wohlvertrautheit zu reden? –
“Nun, weil Du keines
spürst.”
Aber ist das die Antwort? |
788.
Ein Gefühl der Wohlvertrautheit, das
wäre so etwas ähnliches, wie
ein Gefühl des Wohlbehagens.
Warum scheint es richtig, hier von einem Gefühl
zu reden, und nicht dort? –
Da fällt mir der besondere Ausdruck des Wohlbehagens
ein.
Das Schnurren der Katze etwa. – 220 – |
789.
Und kann ich mir nicht auch einen Fall vorstellen, in dem ich sagen
würde, es hat Einer ein
ständiges Gefühl der
Wohlvertrautheit mit einem Objekt || eines
Objekts?
Denke, es geht Einer in dem Zimmer umher worin er lange nicht war,
und freut sich der Wohlvertrautheit aller
Gegenstände. || und
genießt die Wohlvertrautheit aller der alten
Gegenstände.
Könnte man hier nicht von einem
Gefühl der Wohlvertrautheit reden?
Und warum? –
Erkenne ich in mir dieses
Gefühl?
Finde ich darum daß es hier Sinn hat von dem
Gefühl zu reden? |
790.
Ich denke mir, daß alle seine Handlungen einen vertrauten Ton
haben. –
Aber wie werde ich das wissen? –
Nun dadurch, daß er mir es sagt.
Er muß also gewisse Worte gebrauchen,
z.B. sagen “Alles
fühlt sich so vertraut an”, oder einen
anderen, spezifischen || primitiveren, Ausdruck des
Gefühls von sich geben. |
791.
Gefühl der Unwirklichkeit
der Umgebung.
Dies Gefühl habe ich einmal gehabt, und
Viele haben es vor dem Ausbruch von
Geisteskrankheiten.
Alles scheint irgendwie nicht real; aber nicht, als
sähe man die Dinge unklar, oder
verschwommen; es sieht alles ganz so aus wie
gewöhnlich.
Und wie weiß ich, daß ein Andrer
gefühlt hat, was ich
gefühlt habe?
Weil er die gleichen Worte gebraucht, die auch ich treffend
finde.
Aber warum wähle ich gerade das Wort “Unwirklichkeit” zum Ausdruck? Wegen seines Klangs doch nicht. (Ein Wort mit sehr ähnlichem Klang aber anderer Bedeutung würde es nicht tun.) Ich wähle es wegen seiner Bedeutung. Aber ich habe doch nicht gelernt, dies Wort in der Bedeutung eines Gefühls zu gebrauchen! Nein; aber ich habe es in einer bestimmten Bedeutung gelernt und nun verwende ich es spontan so. Man könnte sagen – obwohl das irreführen kann –: Wenn ich das Wort in seiner gewöhnlichen Bedeutung gelernt habe, so wähle ich sie nun zum Gleichnis für mein Gefühl || Erlebnis. Aber es handelt sich hier natürlich nicht um ein Gleichnis, um einen Vergleich des Gefühls mit etwas anderem. |
792.
Die Tatsache ist einfach, daß ich ein Wort, in einer
– 221
– den Träger einer
bestimmten || anderen Technik, als
Gefühlsausdruck gebrauche.
In einer neuen Art gebrauche.
Und worin besteht diese neue Art der Verwendung?
Nun, eines ist, daß ich sage: ich habe ein
‘Gefühl der Unwirklichkeit’ –
nachdem ich nämlich die Verwendung des Worts
“Gefühl” auf die
gewöhnliche Weise gelernt habe.
Auch: das Gefühl ist ein Zustand.
|
793.
Zorn.
“Ich hasse ....” ist offenbar der Ausdruck des
Hasses, “Ich bin zornig” selten der Ausdruck des
Zorns.
Ist Zorn ein Gefühl?
Und warum ist es keins? –
Vor allem: Was tut Einer, wenn er zornig ist?
Wie benimmt er sich?
Mit andern Worten: Wann sagt man, Einer sei zornig?
Nun und in solchen Fällen lernt er den Ausdruck
gebrauchen: “Ich bin zornig”.
Ist es der Ausdruck eines Gefühls? –
Und warum sollte es der Ausdruck eines
Gefühls, oder von Gefühlen,
sein? |
794.
So ist also der Zorn kein Erlebnis? –
Ist es eins, wenn ich, sagen wir, meine Faust balle, oder einen Satz
ausspreche, oder niederschreibe? |
795.
Nimm die verschiedenen psychologischen
Phänomene: Denken, Schmerz, Zorn, Freude,
Wunsch, Furcht, Absicht, Erinnerung, etc. – und
vergleich das Benehmen, das jedem entspricht, || . –
Aber was gehört hier zum Benehmen?
Nur das Spiel des Gesichtsausdrucks und die
Gebärden? oder auch die Umgebung, sozusagen
der Anlaß dieses Ausdrucks?
Und wenn man nun auch die Umgebung einbezieht, – wie ist dann das
Verhalten beim Zorn und beim Erinnern, z.B.,
zu vergleichen? |
796.
Ist das nicht, als sagte man: “Vergleiche
verschiedene Zustände des Wassers” –
und meint damit seine Temperatur, die Geschwindigkeit, mit der es
fließt, die Farbe etc.?
|
797.
Zu dem Benehmen der Menschen gehört
natürlich nicht nur, was sie tun, ohne je ein
Benehmen gelernt haben, sondern auch, was sie tun (also
z.B. sagen) nachdem sie eine
Abrichtung erhalten haben.
Und dies Benehmen hat seine Wichtigkeit im Bezug auf die besondere
Abrichtung. –
Hat z.B. Einer gelernt – die Worte
“ich freue mich” zu verwenden, wie ein Anderer die
– 222 – Worte
“ich fürchte mich”, so werden wir
hier aus dem gleichen Benehmen ungleiche Schlüsse
ziehen. |
798.
“Aber kann er sich nicht fürchten, auch
wenn er's nie
äußert?”
– Was bedeutet dieses “kann”?
Soll es heißen: “Kommt es
vor, daß Einer sich fürchtet, ohne es je zu
sagen?” –
Nein.
Eher: “Hat es Sinn, z.B. diese
Frage zu stellen?”
Oder: hat es Sinn, wenn uns ein Novellist
erzählt, jemand habe sich
gefürchtet, es aber nie
geäußert?
Nun, es hat Sinn.
Aber welchen?
Ich meine: – Wo und wie wird so ein Satz
verwendet?
Wenn ich frage “Welchen Sinn hat es?”
– so will ich nicht, daß mir mit einem Bild, oder einer Reihe von
Bildern geantwortet wird – sondern mit der Beschreibung von
Situationen. |
799.
“Aber Depression ist doch ein
Gefühl; Du willst doch nicht sagen,
daß Du bedrückt bist und es nicht
spürst?
Und wo spürst du es?”
Da kommt es drauf an, was man
“spüren” nennt.
Richte ich meine Aufmerksamkeit || meinen
Blick auf meine
Körpergefühle, so merke ich
einen sehr leichten Kopfschmerz, ein leichtes Unbehagen in der
Magengegend; vielleicht eine gewisse
Müdigkeit.
Aber meine ich das, wenn ich sage, ich sei schwer
bedrückt? –
Und doch sage ich wieder: “Ich
fühle ein Gewicht auf meiner Seele
lasten”.
“Nun, ich kann es nicht anders
ausdrücken!”
– Aber wie merkwürdig, daß ich es so sage
und nicht anders ausdrücken kann! |
800.
Meine Schwierigkeit ist ganz ähnlich der eines
Menschen, der einen neuen Kalkül erfindet (die
Differentialrechnung etwa) und einen Symbolismus sucht. |
801.
Die Depression ist kein
Körpergefühl: Denn
wir lernen den Ausdruck “ich
fühle mich bedrückt”
nicht unter den Umständen, die ein
bestimmtes Körpergefühl
kennzeichnen. |
802.
“Aber die Bedrückung, der Zorn, ist doch
ein bestimmtes Gefühl!”
– Was für ein Satz ist das?
Wo wird er verwendet? |
803.
Die Unsicherheit: ob ein Mensch wirklich dies
Gefühl hat, oder sich nur so stellt.
Aber natürlich ist es auch unsicher, ob er sich
nicht nur so stellt, als verstelle er sich.
Nur ist diese Verstellung seltener und hat nicht so leicht
verständliche Gründe. –
Worin besteht aber diese Unsicherheit?
Bin ich wirklich immer im Ungewissen darüber, ob
Einer wirklich – 223
– zornig, traurig, froh etc.
etc. ist?
Nein.
So wenig, wie darüber, daß ich ein Schreibbuch
vor mir und eine Feder in der Hand habe, oder
darüber, daß das Buch fallen wird,
wenn ich es auslasse, oder darüber, daß ich mich
nicht verrechnet habe wenn ich sage 25 × 25 sei 125.
Aber das ist wahr: Ich kann nicht Kriterien angeben, die
das Vorhandensein der Empfindung außer Zweifel
setzen; und das heißt: es gibt solche
Kriterien nicht. –
Was ist das aber für
eine Tatsache?
Ist es eine psychologische, die
Empfindungen betreffend?
Man wird sagen wollen, es liege im Wesen der Empfindung, oder des
Ausdrucks der Empfindung.
Ich könnte sagen: es ist eine
Eigentümlichkeit unseres Sprachspiels. –
Aber wenn das auch wahr ist, so übergeht es doch
eine Hauptsache: In gewissen
Fällen bin ich in Unsicherheit
darüber, ob der Andere Schmerzen hat oder nicht, ich
ruhe z.B. nicht sicher in meinem Mitleid mit ihm,
und keine
Äußerung kann diese Unsicherheit
beheben. –
Ich sage dann etwa: “Er
könnte sich ja doch auch jetzt
verstellen”.
Aber warum soll es notwendig sein, daß er sich verstellt; denn
Verstellung ist ja nur ein ganz spezieller Fall davon,
daß Einer Schmerz äußert und
nicht fühlt.
Ein bestimmtes Gift könnte ihn in einen Zustand
versetzen, in welchem er ‘als Automat
handelt’, sich nicht verstellt, aber nichts
fühlt, obgleich er Gefühle
äußert.
Ich denke mir etwa, dies Gift bewirke es, daß
er einige Zeit nach einer wirklichen Krankheit alle Handlungen seiner
Krankheitszeit genau, der Reihe nach, wiederholt,
während die objektive Krankheit, die
Schmerzursachen z.B.,
aufgehört haben zu existieren.
Wir haben dann mit ihm so wenig Mitleid, wie mit Einem unter
Narkose.
Wir sagen, er wiederhole alle
Äußerungen des Schmerzes
etc. rein automatisch, verstelle sich dabei
natürlich nicht. |
804.
“Ich kann nie wissen, was in ihm vorgeht;
er weiß es immer.”
Ja, wenn man philosophisch denkt, möchte man das
sagen.
Aber welcher Sachlage entspricht diese Aussage? || Aber
welcher Sachlage entspricht so eine Aussage || Behauptung?
Wir hören täglich, daß der
Eine vom Andern sagt, er habe Schmerzen, sei traurig, lustig,
etc., ohne die Spur des Zweifels; und
verhältnismäßig
selten, daß man nicht wisse, was in ihm vorgeht.
So ist es also nicht so schlimm mit der
Ungewißheit.
Und es kommt auch vor, daß man sagt: “Ich
weiß, daß Du damals so
gefühlt hast, auch wenn Du's jetzt
nicht wahr haben willst.”
– 224
– |
805.
Das Bild “Er weiß es,
– ich
weiß es nicht” ist eins, das die || unsere Unwissenheit in einem besonders
irritierenden Licht erscheinen
läßt.
Es ist ähnlich, wie wenn man einen Gegenstand in
verschiedenen Laden sucht, und sich dabei sagt,
Gott wisse die ganze Zeit, wo er
wirklich ist, und daß wir ganz vergebens diese Lade durchsuchen.
|
806.
“Jeder Mensch weiß, daß er Schmerzen
hat” – und weiß er auch ganz genau,
wie stark seine Schmerzen sind? |
807.
Die Unsicherheit der Aussage “Er hat
Schmerzen” könnte man eine
konstitutionelle nennen. |
808.
Das Kind, das sprechen lernt, lernt den Gebrauch der Worte
“Schmerzen haben” und lernt auch, daß man
Schmerzen heucheln kann. || und lernt
auch Schmerzen heucheln.
Dies gehört zu dem Sprachspiel, daß es
lernt.
Oder auch: Es lernt nicht nur den Gebrauch von “Er hat Schmerzen”, sondern auch von “Ich glaube, er hat Schmerzen”. (Aber natürlich nicht von “Ich glaube, ich habe Schmerzen”.) |
809.
“Er kann auch Schmerzen heucheln” – das
heißt doch: er kann sich benehmen, als
hätte er sie; ohne sie zu haben.
Gewiß; und so ein Satz unterstreicht
natürlich ein bestimmtes Bild; aber wird dadurch
die Verwendung von “Er hat Schmerzen”
beeinflußt || geändert?
|
810.
Wie aber, wenn Einer sagen würde:
“Schmerzen haben und Schmerzen heucheln sind von
einander sehr verschiedene
Zustände der Seele || Seelenzustände, die den
gleichen Ausdruck im Benehmen haben
können”? |
811.
So hat also geheuchelter Schmerz und wahrer Schmerz den gleichen
Ausdruck?
Und wie unterscheidet man sie also?
Wie weiß ich, daß das Kind,
welchem ich den Gebrauch des Wortes
“Schmerz” lehre, mich nicht mißversteht und also immer das “Schmerz” nennt, was ich
“geheuchelter Schmerz” nenne? |
812.
Angenommen, es erklärt Einer das Lehren des
Gebrauchs des Wortes “Schmerz” in dieser Weise:
Wenn das Kind sich – 225
– bei bestimmten Anlässen so
und so benimmt, denke ich, es fühle, was ich in
solchen Fällen fühle; und wenn
ich mich darin nicht irre, so assoziiert das Kind das Wort
mit seinem Gefühl und gebraucht das Wort, wenn das
Gefühl wieder auftritt. –
Diese Erklärung ist wohl richtig; aber was erklärt sie? Oder: Welche Art der Unwissenheit behebt sie? – Sie sagt uns z.B., daß der Mensch dies Wort nicht mit einem Benehmen, oder einem ‘Anlaß’ assoziiert. Wer also nicht wüßte, ob das Wort “Schmerz” ein Gefühl oder ein Benehmen bezeichnet, den würde die Erklärung belehren. Sie sagt auch, daß das Wort nicht einmal für das eine, einmal für das andere Gefühl verwendet wird, – wie es ja auch sein könnte. |
813.
Die Erklärung sagt, daß ich das Wort
falsch gebrauche, wenn ich es später
für ein anderes
Gefühl gebrauche.
Eine ganze Wolke von Philosophie kondensiert zu einem
Tröpfchen symbolischer
Praxis. |
814.
Warum sollten die Worte “Ich glaube, er hat
Schmerzen” nicht bloßer Wahnsinn
sein?
Etwa als sagte Einer “Ich glaube meine
Zähne sind in seinem Mund”. |
815.
Ein Stamm: Die Leute verstellen sich oft, liegen
auf einem Weg anscheinend krank und in Schmerzen; kommt man ihnen zu
Hilfe, so fallen sie den Helfenden an.
Für dies Verhalten hat der Stamm ein bestimmtes
Wort. |
816.
Statt “Es ist unsicher, ob er Schmerzen hat”
könnte man auch sagen: “Sei
gegen seine Schmerzäußerungen
mißtrauisch!”
– Und wie macht man das? |
817.
Glauben, daß der Andere Schmerzen hat, zweifeln, ob er sie hat, sind so
viele natürliche Arten des Verhaltens zu den andern
Menschen; und unsere Sprache ist nur ein Hilfsmittel und ein weiterer
Ausbau dieses Verhaltens.
Ich meine: unser Sprachspiel ist ein Ausbau des primitiveren
Benehmens.
(Denn unser Sprachspiel ist Benehmen.)
|
818.
“Ich bin nicht sicher, ob er Schmerzen hat.”
– Wenn sich nun Einer immer, wenn er dies sagt, mit einer Nadel
stäche, um die Bedeutung des Wortes Schmerz lebhaft
vor der Seele zu – 226
– haben und zu wissen,
worüber er beim Andern im Zweifel
ist!
Wäre nun der Sinn seiner Aussage gesichert,
dadurch daß er sich Schmerz
zufügt || Schmerz
fühlt,
während er sie macht?
Er wüßte doch jetzt,
was er beim Andern bezweifelt! –
Aber wie wird er, was er nun fühlt, beim Andern
bezweifeln?
Wie wird er den Zweifel an sein Gefühl
anknüpfen?
Ja, was ist der Weg von seinem Schmerz zum Andern?
Ja, kann er wirklich den Schmerz des Andern besser bezweifeln, wenn er
selbst dabei Schmerz fühlt?
Muß ich, um Zweifeln zu
können, ob Einer eine Kuh hat, selbst
eine haben? |
819.
Er hat also den wahren Schmerz; und der Besitz
dessen ||
dieses ist es, was er beim Andern
bezweifelt. –
Aber wie macht er das nur? –
Es ist, als sagte ich Einem: “Hier hast Du einen
Sessel; siehst Du ihn?
Und nun übersetze ihn ins
Französische!”. |
820.
Er hat also den wahren || echten
Schmerz – und nun weiß er, was er beim Andern
bezweifeln soll.
Er hat den Gegenstand vor sich; und es ist kein
‘Benehmen’, oder dergleichen.
(Aber jetzt!)
Zum Bezweifeln, ob der Andere jetzt Schmerz
fühlt, muß ich
den Begriff des Schmerzes haben; nicht
Schmerzen.
Und es ist wohl wahr, daß man mir diesen Begriff mitteilen
könnte, indem man mir Schmerz
zufügt. |
821.
Es wäre eben so unrichtig, den Begriff des
Verstehens der Bedeutung durch ein Erlebnis der
Bedeutung zu erklären, wie den der Wirklichkeit und
Unwirklichkeit durch das Erlebnis der Unwirklichkeit; oder den
Begriff der Gegenwart eines Menschen durch
das Gefühl einer Gegenwart.
Ebensogut
könnte man, was Schach ist, durch ein
Schachgefühl erklären
wollen. |
822.
“Aber man kann doch die Figur als Pfeil und als
Vogelfuß sehen, auch wenn man es nie jemandem
mitteilt.”
Und das wieder heißt: es hat
Sinn, zu sagen: jemand sähe die
Figur einmal so, einmal so, ohne es je jemandem mitzuteilen. –
Ich will nicht sagen, es habe keinen Sinn, aber der
Sinn ist nicht so ohne weiteres klar. –
Ich weiß z.B., daß Leute
von einem Gefühl der Unwirklichkeit reden,
sie sagen es scheine ihnen alles unwirklich; und nun sagt man: es
könnte den Menschen alles unwirklich vorkommen,
auch wenn sie's nie jemand mitgeteilt
hätten.
Wie weiß man so ohne weiteres, daß es Sinn hat zu
– 227 – sagen “es
kommt diesem Menschen vielleicht alles unwirklich vor, obwohl er nie
davon spricht”.
Ich habe hier natürlich mit Absicht ein sehr
seltenes Erlebnis gewählt.
Denn weil es nicht eins von den
alltäglichen Erlebnissen ist, sieht
man schärfer auf den Gebrauch der Worte. –
Ich möchte sagen: Es hat mit knapper
Not Sinn, auszurufen “Es ist alles
unwirklich!” – und schon weiß
man, daß auch jene andere Aussage Sinn hat! –
Oder auch so: Es sagt mir Einer
“Mir erscheint alles
unwirklich”.
Ich weiß kaum, was das heißt
– und doch weiß ich schon, daß
es Sinn hätte, zu sagen, etc.
etc.
Nun, das liegt natürlich daran, daß er ein
Erlebnis mit dem Satz beschreibt; d.h., daß es eine
psychologische Aussage ist. |
823.
D.h.: wenn Einer einen Seelenzustand
äußert, so kann er ihn auch
gehabt haben, ohne ihn zu
äußern.
Das ist eine Rede.
Aber was ist der Zweck eines Satzes, der sagt, N. habe
vielleicht das Erlebnis E. gehabt, aber es nie
geäußert?
Nun, eine Anwendung des Satzes kann man sich jedenfalls denken.
Angenommen z.B. man fände eine
Spur des Erlebnisses im Gehirn und sagt nun, es zeige sich, er habe vor
seinem Tode noch das und das gedacht, oder gesehen,
etc.
Man könnte eine solche Anwendung
für künstlich und weithergeholt
halten; es ist aber wichtig, daß sie
möglich ist. |
824.
Wenn es eine Versuchung gibt, die Differentialrechnung als
Kalkül mit unendlich kleinen
Größen anzusehen, so ist es
begreiflich, daß in einem andern Fall eine analoge || ähnliche
Versuchung noch viel mächtiger sein kann, – wenn
sie nämlich von unsern Sprachformen rundherum genährt wird; und man kann
sich denken, daß sie unwiderstehlich wird. |
825.
“Ich habe Zahnschmerzen gehabt” – wenn ich das
sage, so erinnere ich mich nicht an mein
Benehmen, sondern an meinen Schmerz.
Und wie geschieht das?
Es schwebt einem wohl ein mattes Bild des Schmerzes vor? –
Ist es also, als hätte man sehr
schwache Schmerzen?
“Nein; es ist eine andere Art von Bild; etwas
Spezifisches.”
Ist es also so, als hätte Einer nie ein gemaltes
Bild gesehen, sondern immer nur Büsten, und man
sagte ihm “Nein, ein Gemälde ist
ganz anders als eine Büste, es ist
eine ganz andere Art von Bild.”
Es wäre etwa möglich, daß man
es weit schwieriger – 228
– fände einem Blinden
begreiflich zu machen, was ein Gemälde, als was
eine Büste ist. |
826.
Aber das Wort “spezifisch” (oder ein analoges),
das man hier gern verwenden möchte, hilft
nicht.
Es ist so wenig ein Auskunftsmittel, wie das Wort
“undefinierbar”, wenn Einer sagt, die Eigenschaft
“gut” sei undefinierbar.
Was wir wissen, übersehen wollen, ist der Gebrauch des Wortes “gut”, und ebenso der des Wortes “erinnern”. Denn man kann nicht sagen: “Du kennst doch das spezifische Erinnerungsbild”. Ich kenne es nicht. – Ich kann freilich sagen: “Ich kann Herrn N. nicht beschreiben, aber ich kenne ihn”; aber das heißt, daß ich ihn wiedererkenne, nicht, daß ich ihn wieder zu erkennen glaube. |
827.
Daß es Sinn hat, zu sagen, Einer habe ein Gefühl
gehabt, ohne es je mitzuteilen, hängt damit
zusammen, daß es Sinn hat, zu sagen: “Ich habe
damals das gefühlt; ich erinnere mich
daran”.
Den Zusammenhang könnte man so erklären: Man wird doch nicht sagen: “Wenn ich nie gesagt hätte, daß ich damals Schmerzen hatte, so hätte ich auch keine gehabt”. |
828.
“Ich weiß doch, was es
heißt ‘Er hat
Schmerzen’.”
Heißt das, daß ich mir's
vorstellen kann?
Und worin läge die Wichtigkeit des
Vorstellens?
Daß ich zur Erklärung dieses Satzes jederzeit zur Erinnerung an meine eigenen Schmerzen, oder dazu übergehen kann, in mir jetzt Schmerzen hervorzurufen, etc., ist allerdings wichtig. |
829.
Wie lernt Einer, ein Stück Zucker
“Zucker” benennen?
Wie, der Aufforderung “Gib mir ein
Stück Zucker” folgen?
Wie, die Worte “Bitte um ein Stück
Zucker” – also den Ausdruck des
Wunsches?!
Wie, den Befehl “Wirf!” verstehen;
und wie den Ausdruck der Absicht
“Ich werde jetzt werfen”?
Wohl, – die Erwachsenen mögen es
dem Kind vormachen, das Wort aussprechen und
gleich darauf werfen, – aber nun
muß das Kind das nachmachen.
(“Aber das ist doch nur der Ausdruck der Absicht, wenn das
Kind wirklich die Absicht im Geiste hat.”
– Aber wann sagt man denn, dies sei der Fall?)
– 229 –
Und wie lernt es, den Ausdruck gebrauchen “Ich war damals im Begriffe zu werfen”? Und wie weiß man, daß es damals wirklich in jenem Seelenzustand war, den ich “im Begriffe sein ....” nenne? Nachdem ihm die und die Sprachspiele beigebracht wurden, gebraucht es bei den und den Anlässen die Worte, die die Erwachsenen in solchen Fällen ausgesprochen haben, oder es gebraucht eine primitivere || spontane Ausdrucksweise, die die wesentlichen Beziehungen auf das früher Gelernte enthält, und die Erwachsenen ersetzen die primitivere durch die regelrechte Ausdrucksweise. |
830.
Das Neue (Spontane,
‘Spezifische’) ist ein Sprachspiel.
|
831.
“Aber hat es denn alle diese Erscheinungen – des
Schmerzes, des Wunsches, der Absicht, der Erinnerung,
usf. – nicht gegeben, ehe es eine Sprache
gab?”
– Welches ist die Erscheinung des
Schmerzes? –
“Was ist ein Tisch?” –
“Nun das
z.B.!”
Und das ist freilich eine Erklärung; aber was sie
lehrt ist die Technik des Gebrauchs des Wortes
“Tisch”.
Und nun ist die Frage: Welche Erklärung
entspricht ihr im Falle einer ‘Erscheinung’ des
Seelenlebens?
Nun es gibt hier keine Erklärung, die man ohne
weiteres als die homologe anerkennen kann. |
832– || .
Man kann fragen: Schwebt mir denn immer, wenn ich ein Wort
verstehe, etwas bei dem Wort vor?!
(Ähnlich ist:
“Findet stets, wenn ich einen wohlbekannten Gegenstand
ansehe || ein wohlbekanntes Wort
höre, ein Wiedererkennen
statt?”) |
833– || .
Es gibt aber das Phänomen, daß ein
außer jedem Zusammenhang
gehörtes Wort – z.B. –
für ein flüchtigen Augenblick
die eine, gleich darauf aber die andere Bedeutung hat; daß, wenn man das
Wort ein paarmal nacheinander ausspricht, es
jede ‘Bedeutung’ verliert; und dergleichen.
Und hier handelt sich's um ein
Vorschweben. |
834.
Was würden wir vom Menschen sagen, die die Worte
“Ich sehe diese Figur jetzt als ...., jetzt als
....? || ” nicht
verstünden?
Würde ihnen ein wichtiger Sinn fehlen; ist es
ähnlich, als wären sie blind;
oder farbenblind“ || ; oder ohne absolutes
Gehör? – 230 – |
835.
Nun, es ist leicht sich Menschen zu denken, die Zeichnungen || Figuren nicht so und so
‘phrasieren’
können; aber würden
sie nicht dennoch eine Zeichnung einmal für
das, einmal für etwas anderes
halten?
Oder soll ich annehmen, daß sie in diesem Falle nicht sagen
würden, das Gesichtsbild sei sich in einem
wesentlichen Sinne gleich geblieben?
Würden sie also, wenn ihnen die schematische
Darstellung eines Würfels einmal so, einmal so
erscheint, glauben, die Striche hätten ihre Lage
verändert? |
836. Denk Dir jemanden, der eine Zeichnung, oder Photographie ungerne sähe, weil er sagt, daß ein farbloser Mensch häßlich sei. Oder es könnte jemand finden, daß winzige Menschen, Häuser, etc., wie sie auf Bildern sind, unheimlich oder lächerlich, etc. seien. Dies wäre gewiß ein sehr seltsames Verhalten. (‘Du sollst Dir kein Bild machen.’) Denk an unsere Reaktion gegen eine gute Photographie, gegen den Gesichtsausdruck der Photographie. Es könnte Menschen geben, die in einer Photographie höchstens eine Art von Diagramm sähen, wie wir etwa eine Landkarte betrachten; wir können daraus verschiedenes über die Landschaft entnehmen, aber nicht, z.B., die Landschaft beim Ansehen der Karte bewundern, oder ausrufen “Welche herrliche Aussicht!” Der ‘Gestaltblinde’ muß abnorm in dieser Art sein. |
837.
Wie kann das Ausbleiben eines Erlebnisses beim
Hören des Wortes das Rechnen mit
Worten hindern, oder beeinflussen? |
838.
Denk Dir Leute, die nur laut denken und nur zeichnend
vorstellen.
Oder vielleicht wäre es richtiger, zu
sagen: die dort zeichnen, wo wir uns etwas vorstellen.
Der Fall, wo ich mir meinen Freund N vorstelle
entspricht dann nicht dem, daß der Andere ihn zeichnet; sondern
er muß ihn zeichnen und dazu sagen, oder schreiben,
daß das sein Freund N ist. –
Wenn er aber zwei Freunde hat, die einander ähnlich
sind und den gleichen Namen haben? und ich frage ihn
“Welchen hast Du gemeint; den gescheiten, oder den
dummen?”
– Darauf könnte er nicht antworten.
Wohl aber auf die Frage “Welchen von ihnen stellt das
vor?”
– In diesem Falle ist die Antwort – 231
– einfach eine weitere
Benützung des Bildes, nicht die Aussage
über ein Erlebnis. |
839.
Vergleiche James' Idee,
der Gedanke sei schon bei Beginn des Satzes fertig, mit der der
Blitzesschnelligkeit des Gedankens und dem Begriff der
Absicht, das und das zu sagen.
Der Gedanke sei schon am Anfang des Satzes fertig (und warum nicht
zu Anfang des hervorgehenden?)
heißt dasselbe wie: Wenn
Einer nach dem ersten Wort unterbrochen wird und Du fragst ihn
dann || später “Was
wolltest Du damals sagen”, so kann er – wenigstens oft
– die Frage beantworten.
Aber auch hier sagt James etwas, was
wie eine psychologische Aussage klingt und keine ist.
Denn, ob der Gedanke schon zu Anfang des Satzes fertig war, das
müßte doch durch die Erfahrung
der einzelnen Menschen bewiesen || gezeigt
werden. |
840.
Nun können wir aber auch oft die Frage
nicht beantworten, was wir damals hatten sagen wollen.
Aber in diesem Falle sagen wir, wir hätten es
vergessen.
Wäre es nun denkbar, daß Leute in solchen
Fällen antworteten: “Ich habe
nur diese Worte gesagt; wie soll ich wissen, was danach
gekommen wäre?” – |
841.
Wer sagt “Als ich das Wort hörte,
bedeutete es für mich ....”, bezieht
sich damit auf einen Zeitpunkt und auf eine
Verwendung des Worts. || Technik.
––
Das Merkwürdige daran ist
natürlich die Beziehung auf den
Zeitpunkt.
Die würde der ‘Bedeutungsblinde’ verlieren. |
842.
Und wer sagt “Ich wollte damals fortsetzen:
....” – der bezieht sich auf einen
Zeitpunkt und auf eine Handlung.
|
843.
Wenn ich von den wesentlichen
Bezügen der
Äußerung rede, so geschieht es,
weil dadurch die uns wesentlichen
besondern Ausdrücke unserer Sprache in
den Hintergrund treten.
Und der Äußerung wesentlich
sind die Bezüge, wenn sie uns veranlassen
würden, einen uns im übrigen
ungewohnten Ausdruck in den gebräuchlichen zu
übersetzen. – 232 – |
844.
Wie, wenn nun Einer nie sagte “Ich wollte damals dies
tun” und man ihn auch nicht lehren könnte, so
einen Ausdruck zu gebrauchen?
Es ist doch klar, daß Einer viel denken kann, ohne das zu
denken.
Er kann ein großes Gebiet der Sprache
beherrschen, ohne dies zu beherrschen.
Ich meine nun: er erinnert sich an seine
Äußerungen, auch etwa daran, das
und das zu sich selbst gesagt zu haben.
Er wird also z.B. sagen “Ich sagte
zu mir selbst ‘ich will dorthin gehen’”, auch
vielleicht “Ich stellte mir das Haus vor und ging den
Weg, der dazu führt”.
Das Charakteristische ist hier, daß er seine Intentionen in der Form
von Gedanken oder Bildern hat und sie daher immer ersetzbar
wären durch das Aussprechen eines Satzes, oder
Sehen eines Bildes.
Die ‘Blitzesschnelle’ des Gedankens fehlt ihm. –
– Soll das aber nun heißen, daß er sich oft
wie ein Automat bewegt; etwa auf der Straße geht
und Einkäufe macht; wenn man ihn aber trifft und
fragt “Wohin gehst Du?” – daß er
einen dann anstarrt, als wäre er im Schlaf
gegangen? –
Er wird auch nicht antworten “Ich
weiß nicht”.
Oder wird ihm, oder uns, sein Handeln planlos vorkommen?
Ich sehe nicht ein, warum!
Wenn ich etwa zum Bäcker gehe, so sage ich mir vielleicht “Ich brauche Brot” und gehe den gewohnten Weg. Fragt man ihn “Wohin gehst Du?”, so will ich annehmen, er antwortet mit dem Ausdruck der Absicht, so wie wir. – Wird er aber auch sagen “Als ich vom Hause wegging, wollte ich zum Bäcker gehen, jetzt aber ....”? Nein; aber sollen wir sagen, daß er deshalb gleichsam schlafwandelnd sich auf den Weg gemacht hat? |
845.
Ist es aber nicht sonderbar, daß wir solchen Menschen dann
nicht begegnen, bei der großen
Varietät der Menschen?
Oder finden sich diese Leute eben unter den Geistesschwachen; und es
wird nur nicht genügend beobachtet, welcher
Sprachspiele diese fähig sind und welcher
nicht? |
846.
Plato sagte, das Denken sei ein
Gespräch.
Wäre es wirklich ein
Gespräch, so könnte man nur die
Worte des Gesprächs berichten und die
äußern
Umstände, unter denen es
geführt wurde, aber nicht auch die
Meinung, die diese Worte damals für den Sprecher
hatten.
Sagte Einer zu sich selbst (oder laut)
“Ich hoffe bald den N zu sehen.”, so
hätte es keinen Sinn zu fragen:
“Und welchen Menschen dieses Namens – 233 – hast Du damals
gemeint?”
Er hat eben nur diese Worte gesagt.
Aber könnte ich mir nicht denken, daß er nun dennoch auf bestimmte Weise fortsetzen will, so daß ich ihn fragen kann “Und meinst Du nun jemand mit diesem Namen, und wen?” Und angenommen, er könnte nun für gewöhnlich fortsetzen, seine Worte erklären, – worin läge der Unterschied zwischen ihm und uns? – Er könnte jeden Gedanken wörtlich berichten. Wenn er also sagte “Ich habe gerade an N gedacht” und wir ihn fragten “Wie hast Du an ihn gedacht?”, so kann er das immer beantworten, es sei denn, er sagt, er habe es vergessen. |
847.
Jemand, der mir sagt “N hat mir geschrieben”, kann
ich doch fragen “Welchen N meinst
Du?” – und muß er, um mir
antworten zu können, sich auf ein Erlebnis beziehen
beim Aussprechen des Namens? –
Und wenn er nun bloß den Namen N
ausspräche – vielleicht als Einleitung zu einer
Aussage über N –, kann ich ihn nicht
ebenso fragen “Wen meinst Du?” und er
ebenso antworten? |
848.
Man spricht ja wirklich oft bloß den Namen
eines Menschen aus, etwa in einem Seufzer.
Und der Andere fragt nun “Wen hast Du
gemeint?”
Und wie wird nun unser Bedeutungsblinder handeln? Wird er nicht so seufzen; oder nichts auf die Frage antworten können; oder antworten “Ich meine … ”, statt “Ich habe … gemeint”? |
849.
Stellen Dir einen Deiner Bekannten vor?
Nun sag, wer es war! –
Manchmal kommt das Bild zuerst und der Name
später.
Aber heißt das, daß ich den Namen nach der
Ähnlichkeit des Bilds errate? –
Und wenn nun der Name erst später folgt, soll ich
sagen, die Vorstellung des Bekannten war schon mit dem Bild da, oder sie
war erst mit dem Namen komplett?
Ich habe ja auf den Namen nicht aus der
Ähnlichkeit des Bildes geschlossen; und eben darum
kann ich sagen, die Vorstellung wäre schon mit dem
Bild da gewesen. – 234 – |
850.
“Ich muß zur Bank gehen und Geld
holen.”
– Wie hast Du diesen Satz verstanden?
Muß diese Frage etwas anderes
heißen als: “Wie
würdest Du diesen Satz
erklären, welche Handlung auf ihn
erwarten, etc.?
Wenn der Satz unter verschiedenen Umständen
ausgesprochen wird, so daß das Wort “Bank”
einmal offenbar das, einmal etwas anderes bedeutet, –
muß da etwas besonderes beim
Hören des Satzes vorgehen, damit Du ihn
verstehst?
Werden hier nicht alle Erlebnisse des Verstehens vom
Gebrauch, von der Praxis des
Sprachspiele zugedeckt?
Und das heißt nur: Solche Erlebnisse
interessieren uns hier garnicht. |
851.
Wenn ich den Milchmann kommen sehe, hole ich meinen Krug
und gehe ihm entgegen.
Erlebe ich ein Beabsichtigen?
Nicht daß ich wußte.
(So wenig vielleicht, wie ich versuche zu gehen, um zu
gehen.)
Wenn ich aber aufgehalten und gefragt würde
“Wohin wolltest Du mit dem Krug?”,
würde ich meine Absicht
aussprechen. |
852.
Wenn ich nun z.B. sage “Ich bin
aufgestanden, um zum Milchwagen zu gehen”, – soll man das
die Beschreibung eines Erlebnisses des Beabsichtigens
nennen?
Und warum ist das irreleitend?
Darum, weil es hier keinen ‘Ausdruck’ eines
Erlebnisses gab? |
853.
Wenn ich aber sage “Ich bin aufgestanden, um ....,
dann aber besann ich mich und ....” – wo liegt hier das
Erlebnis, und wann geschah es?
War das Erlebnis nur das ‘sich besinnen’,
‘sich anders entscheiden’? |
854.
Ich nehme den Milchkrug, gehe ein paar Schritte, dann sehe ich, daß er
nicht rein ist, sage “Nein!” und gehe zur
Wasserleitung.
Dann beschreibe ich, was vorging, und nenne meine
Absichten.
Hatte ich sie nun nicht?
Freilich!
Aber nochmals: ist es nicht irreführend,
sie “Erlebnisse” zu nennen? wenn man
nämlich, was ich zu mir selbst sagte, mir
vorstellte, etc. auch so nennt!
(Es wäre eben auch
irreführend, die Absicht ein
“Gefühl” zu
nennen.) – 235 – |
855.
Und es fragt sich nun, ob, aus dem selben
Grunde, es nicht gänzlich
irreführend war, von
‘Gestaltblindheit’ oder
‘Bedeutungsblindheit’ zu reden (so also redete man von
‘Willensblindheit’, wenn Einer sich passiv
verhält).
Denn blind ist eben der, der eine Empfindung nicht
hat.
(Den Schwachsinnigen – z.B. –
kann man nicht mit dem Blinden vergleichen.)
|
857.
“Ich zweifle nicht, daß das oft
geschieht” – Wenn Du das in einem
Gespräch sagst, kannst Du wirklich glauben, daß Du
beim Reden zwischen den Bedeutungen der Wörter
‘daß’ und ‘das’
unterscheidest? |
858.
Gegen die Fiktion von Menschen die
nur laut denken können,
könnte man diesen Einwand machen wollen:
Angenommen, so einer sagte “Als ich vom Hause
wegging, sagte ich mir ‘ich muß zum
Bäcker gehen’” –
könnte man ihn denn nicht fragen:
“Hast Du aber diese Worte wirklich
gemeint?
Du konntest sie ja auch als Sprachübung, oder als
Zitat oder zum Spaß, oder um jemand
irrezuführen gesagt haben.”
. || –
Das ist wahr.
Aber lag also, welches er tat, in dem Erlebnis, das die Worte
begleitete?
Was spricht für so eine
Behauptung?
Wohl, daß der Gefragte antworten kann “Ich habe den Satz
so gemeint”, ohne dies aus
äußern
Umständen zu
schließen. |
859.
Man will freilich sagen, wer sich daran erinnert, diese Worte
gemeint zu haben, erinnere sich an das Erlebnis einer
gewissen Tiefe, einer Resonanz.
(Hätte er's nicht gemeint, so
hätte er diese Resonanz nicht
gehabt.)
Aber ist das nicht bloß eine
Täuschung (ähnlich der,
wenn Einer glaubt, er spüre das Denken im
Kopf)?
Man macht sich ein Bild der
Vorgänge mittels ungeeigneter
Begriffe.
(Vergl. James.) |
860.
Mach diesen Versuch: Sag Dir ein mehrdeutiges
Wort (“sondern”).
Wenn Du es nun z.B. als Verbum erlebst, so
versuch, dies Erlebnis festzuhalten, daß es andauert. –
– 236 –
Sagst Du das Wort öfter vor Dich hin,
so verliert es seine Bedeutung für Dich; und nun
frag Dich, ob, wenn Du's im gewöhnlichen
Sprechen als Verbum gebrauchst, das Wort sich nicht vielleicht so
anfühlt, wie wenn es beim
öftern Wiederholen seine Bedeutung verloren
hat. –
Aus der Erinnerung kannst Du gewiß nicht das
Gegenteil bezeugen.
Sondern man findet nur, daß es a priori nicht anders sein
könne. |
861.
Es ist ganz gleichgültig, ob man sagt, man
projiziere erst später die
Deutung von “sondern” in das Erlebnis
während des Aussprechens.
Denn es ist hier zwischen Projizieren und
Beschreiben kein Unterschied. |
862.
Man kann eine Zeichnung für einen wirklichen
Würfel halten; aber auch, im selben Sinne, ein
Dreieck für liegend oder stehend? –
“Als ich näher kam, sah ich, daß es nur
eine Zeichnung war.”
Aber nicht: “Als ich genauer hinblickte, sah ich,
daß dies die Grundlinie und dies die Spitze
war.” |
863.
Meine Worte, “Als Du zu reden anfingst, dachte ich, Du
meintest … ” knüpfen an den Anfang
seiner Rede an und an eine Vorstellung, die ich dabei hatte. –
Und es ist natürlich
möglich, daß jemand so etwas nie
tut.
Ich nehme aber an, er könne am Ende die Frage
“Von welchem N habe ich geredet?”
beantworten.
Und es ist natürlich möglich,
daß er sie anders beantwortet hätte, wenn ich die
Frage schon nach den ersten Worten meiner
Erzählung gestellt
hätte.
Soll er also die Frage nicht verstehen: Hast Du gleich im
Anfang gewußt, von wem ich
redete?”
– Und wenn er nun so eine Frage nicht versteht, werden wir ihn
nicht einfach für etwas geistesschwach
halten?
Ich meine: werden wir nicht einfach annehmen, daß sein Denken
nicht recht deutlich sei, oder daß er sich an das, was er
damals dachte, – wenn er überhaupt etwas
dachte, nicht mehr erinnere?
Das heißt, wir werden hier
für gewöhnlich ein anderes Bild
gebrauchen, als das, welches ich vorschlage. |
864.
Aber es ist wahr: wir haben bei Geistesschwachen oft das
Gefühl, als redeten sie mehr automatisch als
wir.
Und wenn Einer das wäre, was wir
‘bedeutungsblind’ nannten, so
würden wir uns vorstellen, er
müsse einen weniger lebendigen – 237 – Eindruck machen als wir, mehr
‘wie ein Automat’ handeln.
(Man sagt auch: “Weiß
Gott, was in seinen Geist
vorgeht!” und denkt an etwas Undeutliches,
Unordentliches.) |
865.
Es könnte sein, daß Menschen, wenn man ihnen ein
isoliertes Wort sagt, gleich irgend einen
Satz mit diesem Wort bildeten, und daß andere es nicht
täten; daß jenes ein Zeichen von Intelligenz,
dieses von Stumpfheit wäre. |
866.
Was läßt sich gegen den
Ausdruck “spezifische psychologische Erscheinung”,
oder “unreduzierbares Phänomen”
vorbringen?
Sie sind irreführend; aber woher sind sie
genommen?
Man will sagen: “Wer
süß, bitter, rot,
grün, Töne und Schmerzen
nicht kennte, dem kann man, was diese Worte
heißen || bedeuten, nicht
begreiflich machen”.
Wer dagegen noch keinen sauren Apfel gegessen hat, dem kann man,
was gemeint ist, erklären.
Rot ist eben dies, und bitter
dies, und Schmerz dies.
Aber wenn man das sagt, muß man nun wirklich
demonstrieren || vorführen, was diese
Worte meinen; d.h. etwas rotes zeigen, etwas
bitteres kosten, oder kosten lassen, sich oder dem Andern Schmerz
zufügen, etc.
Nicht denken, man könne privat in sich auf
den Schmerz zeigen.
Wie wird man aber dann, was “vorstellen”,
“erinnern”, “beabsichtigen”,
“glauben” heißt,
vorführen?
Der Ausdruck “spezifische psychologische
Erscheinung” entspricht aber dem der privaten
hinweisenden Definition. |
867.
Ist das (am Ende) eine Täuschung,
wenn ich glaubte, die Worte des Andern hätten
damals diesen Sinn für mich gehabt?
Freilich nicht!
So wenig, wie es eine Täuschung ist zu glauben,
daß man vor dem Aufwachen etwas geträumt
habe! |
868.
Als ich den Fall eines ‘Bedeutungsblinden’ annahm,
war es, weil das Erleben der Bedeutung im Gebrauch der
Sprache keine Wichtigkeit zu haben scheint.
Weil es also scheint, als könne dem
Bedeutungsblinden nicht viel verloren
gehen.
Damit aber ist in Konflikt, daß wir manch. || mal
äußern, in einer Mitteilung habe
ein Wort für uns eines bedeutet, bis
wir gesehen hätten, es bedeute etwas
anderes.
Erstens aber fühlen wir in diesem Falle nicht,
– 238 – das
Erleben der Bedeutung habe beim Hören des
Wortes stattgefunden.
Zweitens könnte man hier eher von einem
Erleben des Sinnes des Satzes reden, als von dem einer
Wortbedeutung. |
869.
Das Bild, das man etwa mit dem Aussprechen des Satzes “die
Bank ist weit weg” verbindet, ist nun eine Illustration zu
ihm und nicht zu einem seiner Worte. |
870.
Wenn Einer fest darauf bestünde, er erlebe meist
gar nichts, wenn er einen Befehl, eine Mitteilung,
usw. hört || höre und verstehe,
mindestens nichts, was für ihn den Sinn der Worte
bestimme, – könnte dieser nicht
doch, in irgend einer Form, sagen, die ersten
Worte des Satzes hätte er so
aufgefaßt und später seine
Auffassung geändert? –
Aber zu welchem Zweck würde er das
sagen??
Es könnte eine bestimmte Reaktion
seinerseits erklären.
Er hörte z.B., N sei
gestorben, und glaubte, sein Freund N sei gemeint, || ; dann
kommt er drauf, daß es nicht so ist.
Er schaut erst bestürzt; dann erleichtert. –
Und, was so eine Erklärung für
ein Interesse haben kann, ist leicht zu sehen. |
871.
Was soll ich nun sagen: – daß der Bedeutungsblinde nicht
im Stande ist, so zu reagieren? oder daß
er bloß nicht behauptet, er
hätte damals die Bedeutung
erlebt, – daß er also nur ein besonderes Bild nicht
gebraucht? |
872.
Ist der Bedeutungsblinde also der, der nicht sagt:
“Der ganze Gedankengang stand mit einem Schlag
vor mir”?
Ist damit aber gesagt, daß er nicht sagen kann “Jetzt
hab ich's!” – |
873.
“Es war dort kein Baum und kein Strauch” – wie
funktioniert dieser Satz?
Nun, “Baum” steht für ein Ding,
das so ausschaut.
Gewiß ja: so schaut ein Baum aus; aber ist
die Idee der Vertretung des Dings durch das Wort wirklich so leicht zu
verstehen?
Wenn ich einen Garten plane, so kann ich einen Baum dort durch einen
Pflock vertreten lassen.
Wo der Pflock jetzt steht, wird später der Baum
gesetzt werden. – – 239
–
Man könnte aber doch sagen, das Wort
“Baum” im Satz verträte dort
das Bild eines Baums (und als solches kann
natürlich auch ein Baum verwendet
werden).
Den an die Stelle des Wortes “Baum”
könnte man in einer Bildersprache das Bild setzen,
und das Wort “Baum” wird in jedem Fall durch die
hinweisende Definition mit dem Bild verbunden.
Dann ist es also die hinweisende Definition, die bestimmt, was das
Wort ‘vertritt’.
Und nun wende dies auf das Wort “Schmerz”,
z.B., an. –
Aber vertritt nicht auf einem Plan das Zeichen ein
Haus?
Doch nur insofern, als ein Haus auch als Zeichen dienen
könnte!
Aber das Zeichen vertritt doch nicht das Haus
wofür es steht. –
“Nun, es entspricht ihm.”
– Wenn ich also mit dem Plan in der Hand gehe und komme zu diesem
Haus, zeige ich auf die Stelle im Plan und sage
“Das ist ein Haus”. –
“Das Zeichen vertritt das Haus”
hieße: “weil ich das Haus nicht
selbst in den Plan setzen kann, setze ich statt seiner dies
Zeichen.”
Aber was täte denn das Haus selbst im
Plan!
Eine Vertretung ist etwas Vorläufiges, aber wenn das
Zeichen dem Haus entspricht, so ist hier nichts
Vorläufiges; es wird, ja, wenn wir zum Haus
kommen, nicht durch das Haus ersetzt.
Und da das Zeichen nie durch seinen Träger
ersetzt wird, könnte man fragen: Wie
kann denn ein Tintenstrich ein Haus ersetzen?
Nein: der Pflock ersetzt den Baum, das Bild kann den Menschen ersetzen, wenn man lieber ihn sähe, aber mit dem Bild vorlieb nehmen muß; aber schon das Zeichen auf der Landkarte ersetzt nicht den Gegenstand, den es bedeutet. |
874.
Fühle ich, während ich
schreibe, etwas in der Hand, oder im Handgelenk?
Im allgemeinen nicht.
Würde es sich aber nicht doch anders
anfühlen, wenn meine Hand
anästhesiert wäre?
Ja.
Und ist das nun ein Beweis dafür, daß ich
dennoch etwas spüre, wenn ich
normalerweise die Hand bewege?
Ich glaube: nein. |
875.
“Ich schenke Dir mein volles
Vertrauen.”
Wenn, der das sagt, nach dem Wort “Dir” aussetzt, bin
ich vielleicht im Stande fortzusetzen; die
Situation ergibt, was er sagen will.
Aber wenn er nun zu meiner Überraschung
fortsetzt “eine goldene Uhr” und ich sage
“Ich war auf etwas anderes
gefaßt” – – 240
– heißt das: ich habe
während seiner ersten Worte etwas erlebt, was man
diese || jene Auffassung der Worte
nennen kann??
Ich glaube, das kann man nicht sagen. |
876.
Oder denk Dir dieses Gespräch: Er:
“Ich schenke Dir –”
Ich: “Ich
weiß.
Aber in diesem Fall vertraust Du mir doch
nicht.”
– Ich habe ihn unterbrochen, weil ich wußte,
was er sagen wollte.
Aber habe ich mir die Fortsetzung notwendigerweise in Gedanken
ergänzt?
(Ergänze ich eine Skizze in der
Vorstellung?) |
877.
“I found myself going ....”
“saying ....” etc.
Diese Beschreibung trifft nicht immer zu, wenn ich etwas sage, einen Weg mache, etc. |
878.
Introspektion kann nie zu einer Definition
führen.
Sie kann nur zu einer psychologischen Aussage über
den führen, der introspiziert.
Sagt z.B. Einer: “Ich glaube
beim Hören eines Wortes, das ich
verstehe, immer etwas zu fühlen, was ich nicht
fühle, wenn ich das Wort nicht verstehe”
– so ist das eine Aussage über
seine besondern Erlebnisse.
Ein Anderer erlebt vielleicht etwas ganz anderes; und wenn Beide
das Wort “verstehen” richtig gebrauchen, so liegt in
diesem Gebrauch das Wesen des Verstehens, und nicht in dem, was sie
über ihre Erfahrungen sagen
können. |
879.
Wie müßte man denn den nennen,
der den Begriff ‘Gott’
nicht verstehen kann, nicht sehen, wie ein
vernünftiger Mensch dies Wort im Ernst gebrauchen
kann?
Sollen wir denn sagen, er leide an einer
Blindheit? |
880.
Man versteht plötzlich, wiederholt
plötzlich ein Wort, das der Andere gesagt
hat.
Er sagt mir “Es ist sieben Uhr”; ich reagiere
zuerst nicht; plötzlich rufe ich
“Sieben Uhr!
Da bin ich ja schon zu spät ....”
Es kam mir erst zum
Bewußtsein, was er gesagt hatte.
Aber was geschah nun, als ich die Worte “Sieben
Uhr” wiederholte?
Darauf kann ich nichts antworten, was von Interesse
wäre.
Nur wieder: Ich hätte
erst begriffen, was er gesagt hat, und dergleichen; und das bringt uns
nicht weiter.
Auf diesem “Nur wieder” – 241
– beruht natürlich das
Reden || die Idee von einem
‘spezifischen Vorgang’.
(Der Zerstreute, der auf den Befehl
“Rechtsum!” linksum macht .....)
|
881.
Geschieht etwas, wenn ich das Wort verstehe, das
und das intendiere? Geschieht nichts? –
Aber in wie fern ist, was geschieht,
interessant?! || Geschieht etwas, wenn ich dies Wort verstehe, wenn
ich das und das beabsichtige – – geschieht nichts?
Nicht darum handelt es sich; sondern darum: warum soll mich,
was in Dir geschieht, interessieren? (Seine Seele mag
sieden, oder frieren, rot oder blau werden: was
kümmert mich das?)
|
882.
Ein Schwachsinniger wird gewiß nicht
sagen: “Als Du zu reden anfingst, dachte ich, Du
meintest ....” –
Nun wird man fragen: Ist das, weil er immer gleich richtig
versteht?
Oder weil er sich nie korrigiert?
Oder geht in ihm vor, was auch in mir vorgeht, und er kann es nur
nicht ausdrücken? |
883.
“Als Du zu reden anfingst dachte ich, Du wolltest ....
Darum habe ich auch die Bewegung gemacht ....”
Man erklärt also, was man tat, mit dem Gedanken,
den man damals hatte.
Denke ich mir nun diese Erklärung wirklich erst im
Nachhinein aus?
Habe ich nicht wirklich diese Bewegung gemacht, weil ich
dachte …? –
– Was ist das für eine Frage?
Das “weil” bezieht sich ja nicht auf eine
Ursache. || ist ja nicht
ursächlich. |
884.
“Ich werde Dir erklären, warum ich
aufgestanden bin; ich dachte nämlich, Du meintest
....” –
Ja, jetzt versteh ich's! –
Aber worin liegt die Wichtigkeit dieses
Verstehens?
Nun, z.B.: Wäre
die Erklärung eine andere gewesen, so
müßte ich nun anders mit
Worten, oder Handlungen reagieren.
Sein Gedanke ist in so fern wie eine Handlung, oder ein
Vorgang in seinem Körper.
Der Bericht über seinen Gedanken, wie der
über solche Vorgänge. –
– Welches Interesse haben die Worte “Ich dachte
zuerst, Du meintest ....”? || –
Oft gar keins.
Man kann sagen, sie enthüllen uns seine
Gedankenwelt.
Aber wozu das?
Warum ist diese Enthüllung nicht
leeres Gerede, oder bloße
Phantasterei? – 242 – |
885.
Man könnte (natürlich)
den Bericht über so eine Auffassung den Bericht
über eine Tendenz nennen.
(James).
Aber hier darf man nicht das Erlebnis einer Tendenz
unter dem Bild eines nicht ganz fertigen Erlebnisses sehen!
Als gäben die Erlebnisse ein farbiges Bild, und
gewisse Farben darauf wären in ihrer vollen
Stärke aufgetragen, andere nur angedeutet,
d.h. viel zarter hingesetzt.
An sich aber ist eine zarte Farbe nicht die Andeutung einer stärkeren. |
886.
Ein Ereignis läßt
eine Spur im Gedächtnis: das denkt man sich
manchmal, als bestünde es darin, daß es im
Nervensystem eine Spur, einen Eindruck, eine Folge
hinterläßt.
So als könnte man sagen: auch die Nerven haben
ein Gedächtnis.
Aber wenn sich nun jemand an ein Ereignis erinnert, so
müßte er es nun aus diesem
Eindruck, dieser Spur,
erschließen.
Was immer das Ereignis im Organismus
zurückläßt,
es ist nicht die Erinnerung.
Der Organismus mit einer Diktaphonrolle verglichen; der Eindruck, die Spur, ist die Veränderung die die Stimme auf der Rolle zurückläßt. Kann man sagen, das Diktaphon (oder die Rolle) erinnere sich wieder des Gesprochenen, wenn es das Aufgenommene wiedergibt? |
887.
Das Gefühl der
Abhängigkeit.
Wie kann man fühlen, man sei
abhängig?
Wie kann man fühlen:
‘Es hängt nicht von mir
ab’.
Aber was ist das überhaupt
für ein seltsamer Ausdruck eines
Gefühls! || Aber
welch || welch ein seltsamer Ausdruck eines
Gefühls!
Aber wenn man z.B. jeden Morgen zuerst
Schwierigkeiten hätte, gewisse Bewegungen zu
machen, den Arm zu heben, u. dergl., und warten
müßte, bis die
Lähmung vergeht, und das brauchte manchmal lange,
manchmal kurze Zeit, und man könnte es nicht
vorhersehen und kein Mittel einnehmen, es zu beschleunigen, –
würde uns das nicht eben ein
Bewußtsein der Abhängigkeit
geben?
Ist es nicht das Ausbleiben des
Regelmäßigen || der
Regelmäßigkeit,
oder die lebhafte Vorstellung davon,
was dem Bewußtsein zu Grunde liegt?
Es ist doch das Bewußtsein: “Es müßte nicht so gehen!” Wenn ich von dem Sessel aufstehe, sage ich mir für gewöhnlich nicht “Also ich kann aufstehen.” Ich sage es vielleicht nach – 243
– einer Krankheit.
Wer es sich aber für
gewöhnlich sagte, oder wer danach sagte
“Also es ist diesmal
gegangen”, von dem könnte man sagen, er
habe eine besondere Einstellung zum Leben. |
888.
Warum sagt man “Er weiß, was er
meint”?
Woher weiß man, daß er's
weiß?
Wenn er es weiß, ich aber nicht weiß, was er meint, – wie wäre es, wenn ich's wüßte? Ja, wenn ich's wüßte und er nicht? Wie müßte sich Einer benehmen, damit wir sagen würden: “Er weiß, was der Andere erlebt”? Muß es aber einen Fall geben, den wir, konsequenterweise, so beschreiben würden? Es ist nicht einmal klar, daß irgend. || eine Erscheinung mit den Worten beschrieben werden müßte || sollte “A hat Schmerzen im Körper des B”. D.h.: man kann zwar sagen “Wäre das nicht eine folgerechte Anwendung dieses Ausdrucks?” || dieser Ausdrucksweise!” aber ich mag, oder mag nicht geneigt sein, sie folgerecht zu nennen. |
889.
Erinnere Dich besonders des Ausdrucks in der
Traumerzählung: “Und ich
wußte, daß ....”
Man könnte denken: Es ist doch
merkwürdig, daß man
träumen kann, man habe
gewußt.
Man sagt auch: “und ich wußte im
Traum, daß …” |
890.
Nicht alles, was ich tue, tue ich mit einer Absicht.
(Ich pfeife vor mich hin, etc.
etc.)
Wenn ich aber jetzt aufstünde und aus dem
Haus vorträte, dann wieder
zurück käme, und auf die
Frage “Warum hast Du das getan” antwortete
“Aus gar keinem besonderen
Grund, || ”, oder “Nur so –”, so fände man das seltsam und jemand,
der oft so etwas täte ohne besondere Absicht,
würde sehr von der Norm
abweichen.
Müßte er das sein was man
“geistesschwach” nennt? |
891.
Denke Dir nun Einen, von dem man sagen würde:
er könne sich nie an eine Absicht erinnern,
außer dadurch, daß er sich an die
Äußerung einer Absicht
erinnert.
Einer könnte, was wir normalerweise ‘mit bestimmter Absicht’ tun, ohne eine solche tun, es erwiese sich aber dennoch nützlich. Und wir würden vielleicht in so einem Falle sagen, er habe mit unbewußter Absicht gehandelt. – 244
–
Er steigt z.B. plötzlich auf
einen Stuhl und dann wieder herunter.
Auf die Frage “warum” hat er keine Antwort; dann aber
berichtet er, er habe vom Stuhl aus das und das bemerkt, daß es scheint,
als wäre er, um dies zu beobachten
hinaufgestiegen.
Könnte nun ein ‘Bedeutungsblinder’ sich nicht ähnlich verhalten? |
892.
“Als ich sagte ‘Er ist ein Esel’, meinte
ich....”
Was für eine Verbindung haben jene Laute mit
diesem Menschen? –
Gefragt, “Wen meinst Du?”, werde ich seinen
Namen nennen, ihn beschreiben, seine Photographie zeigen,
etc.
Ist sonst noch eine Verbindung da? Eine, die insbesondere zur Zeit des Aussprechens bestand?
Aber während des ganzen Satzes, oder nur
während ich “er” sagte?
Keine Antwort! |
893.
Das Erlebnis während jener Worte, || – möchte ich sagen –
wächst natürlich zu dieser
Erklärung heran. |
894.
Aber es ist doch so: Ich werde manchmal, im
Gespräch etwa, sagen “Er ist ein
Esel”, und wenn man mich fragte
“Hättest Du etwas anderes
während dieser Worte erlebt wenn wir vom N
statt von M geredet hätten” werde ich
zugeben müssen, dies müsse
nicht der Fall sein.
Anderseits aber scheint es mir manchmal, als
hätte ich während des
Aussprechens ein Erlebnis, das unzweideutig ihm
angehört.
Die Erlebnisse beim Sprechen scheinen eindeutig ihm verbunden zu sein. |
895.
“Freilich dachte ich an ihn: Ich hab ihn vor
mir gesehen!” – aber nicht nach
seinem Bild erkannt. |
896.
Ich sage plötzlich “Er ist ein
Esel”.
A: “Wen hast Du gemeint?”
Ich: “Den N”.
A: “Hast Du an ihn gedacht,
während Du den Satz sagtest, oder erst, als
Du die Erklärung gabst?”
– Ich könnte nun antworten, daß meine Worte das
Ende eines längeren Gedankenzuges gewesen
seien.
Ich hätte schon die ganze Zeit
an N gedacht.
Und könnte ich nun sagen: die Worte selbst
seien durch kein besonderes Erlebnis an ihn – 245
– geknüpft gewesen, wohl aber
der ganze Gedankengang?
Ich hätte also mit jenen Worten wohl auch jemand
andern meinen können, und auf wen sie sich bezogen
lag in dem, was ihnen vorausging.
Muß ich aber, um sagen zu können ich hätte von ihm geredet, ihn gemeint, an ihn gedacht, – mich wirklich an ein Erlebnis erinnern können, das unbedingt mit ihm zusammenhängt? Könnte es mir also nicht vielleicht immer so vorkommen, als wäre während meiner Worte nichts geschehen, das sich nur auf ihn deuten ließe || läßt? Ich denke mir also, ich sei mir immer bewußt, daß meine Vorstellungsbilder vieldeutig sind. Dabei aber – so nehme ich an – sage ich dennoch “Ich habe den … gemeint”. Aber ist dies nicht eine widersprechende Annahme? Nein; so verhält es sich ja wirklich. Ich sage “Ich habe den … gemeint”: so setze ich fort. |
897.
Ich sprach zu meinem Nachbarn über ihren Doktor;
dabei schwebte mir ein Bild dieses Menschen vor – ich hatte ihn
aber nie gesehen, kannte nur seinen Namen, und machte mir vielleicht nach
diesem ein Bild von ihm.
Wie kann nun dieses Bild charakteristisch dafür
sein, daß ich von ihm rede? –
Und doch kam es mir so vor, bis ich mich daran erinnerte, daß ich
garnicht weiß, wie dieser
Mann ausschaut.
Sein Bild repräsentiert ihn
für mich also um kein Haar besser, als
sein Name. |
898.
Wenn ich das Vorschweben der Bedeutung mit einem Traum
vergleiche, so ist also unser Reden für
gewöhnlich traumlos.
Der ‘Bedeutungsblinde’ wäre also einer, der immer traumlos reden würde. |
899.
Und man kann wirklich fragen: Was gehen mich seine
Träume an?
Warum muß mich interessieren, was er
träumt und ob er träumt,
während er zu mir spricht, oder mich
hört? –
Das heißt natürlich nicht, daß
diese Träume mich nie interessieren
können.
Aber warum sollen || sollten sie
das Wichtigste im sprachlichen Verkehr sein?
– 246 – |
900.
Die Verwendung des Begriffs ‘Traum’ hier ist
nützlich; aber nur, wenn man sieht, daß sie noch
einen Fehler in sich birgt. |
901.
“Ich habe die ganze Zeit gedacht, Du
redetest von ....” –
Wie war das nur? –
– Doch nicht anders, als wenn er wirklich von diesem Menschen
geredet hätte.
Daß ich später darauf komme, ihn falsch
verstanden zu haben, ändert doch nichts an dem, was
beim Verstehen geschah. –
Ist also der Satz “Ich glaubte damals, Du meintest ....” der Bericht eines ‘Traumes’, so heißt das, daß ich immer ‘träume’ wenn ich einen Satz verstehe. |
902.
Man sagt auch: “Ich habe angenommen, Du redest von
....” und das klingt schon weniger wie der Bericht eines
Erlebnisses. |
903.
“Ich dachte, Du redetest vom .... und habe mich gewundert,
daß Du von ihm sagst ....” –
Dieses Wundern ist wieder in einem ähnlichen
Fall: Auch hier wieder das Gefühl, als
hätte man mit dem Aussprechen dieses
Gedankens das rudimentäre Erlebnis
erst ergänzt. |
904.
Nun, es ist aber doch wahr!
Denn manchmal, wenn ich sage “Ich
dachte …” kann ich berichten, daß ich mir damals
eben diese Worte laut oder im Stillen gesagt hatte; oder
daß ich damals nicht diese, aber andere Worte gebraucht habe, wovon
die gegenwärtigen eine
sinngemäße Wiedergabe
sind.
Das kommt doch manchmal vor!
Im Gegensatz dazu aber ist der Fall, in welchem mein
gegenwärtiger Ausdruck nicht die
Wiedergabe von etwas ist.
Denn ‘Wiedergabe’ ist er nur, wenn er es nach
Regeln der Abbildung ist. || nur, wenn es
Regeln der Abbildung gibt. |
905.
Wer nicht im Stande
wäre, zu sagen das Wort
“sondern” könne ein Zeitwort und
ein Bindewort sein, oder Sätze zu bilden in denen
es das eine oder das andere ist, der könnte
einfache Schulübungen nicht
bewältigen.
Aber das wird von einem Schüler
nicht verlangt; das Wort außerhalb einem
Zusammenhang so und so aufzufassen, oder zu berichten, wie er's
aufgefaßt hat. – 247 – |
906.
Ich möchte sagen: das
Gespräch, die Anwendung und Ausdeutung der Worte
fließt dahin, und nur im Fluß
hat das Wort seine Bedeutung.
“Er ist abgereist.”
– “Warum?”
Was meintest Du, als Du das Wort “Warum”
aussprachst?
Woran dachtest Du? |
907.
“Ich dachte, Du meintest den” –
Nun, das heißt nicht dasselbe, wie
“Ich denke, Du hast den gemeint”.
Laß Dich den Vergleich mit einem andern Gebrauch
der Vergangenheit nicht irre machen || verwirren! |
908.
Wir spielen dieses Spiel: Es sind Bilder da und Worte
werden ausgesprochen und wir müssen auf das Bild
zeigen, das dem Wort entspricht.
Unter den Worten sind auch mehrdeutige.
Mir fällt bei dem Wort .... erst
eine Bedeutung ein und ich zeige auf ein Bild,
später erst eine andere und ich zeige auf ein
anderes.
Wird der Bedeutungsblinde dies tun
können?
Freilich. –
Aber wie ist es damit?
Ein Wort wird genannt, mir fällt eine seiner
Bedeutungen ein.
Ich sage sie nicht, suche aber nach dem Bild.
Ehe ich es gefunden habe, fällt mir noch eine
Bedeutung des Worts ein; ich sage: “Mir ist
gerade eine zweite Bedeutung eingefallen.”
Und dann erkläre ich: “Erst
ist mir diese Bedeutung eingefallen, nachher
die.”
Kann das der Bedeutungsblinde? –
Kann er nicht sagen, er wisse die Bedeutung des Worts, sage sie aber
nicht?
Oder kann er nicht sagen, sie sei ihm jetzt
eingefallen er sage sie aber nicht? –
Mir kommt vor, beides könne er sagen.
Dann aber doch auch: “Als Du das Wort sagtest,
fiel mir diese Bedeutung ein.”
Und warum nun nicht: “Als ich das
Wort sagte meinte ich's zuerst in dieser
Bedeutung”? |
909.
Es ist, als hätte das Wort, das ich verstehe, ein
bestimmtes leichtes Aroma, das dem Verständnis
entspricht.
Als unterschieden sich zwei mir wohlbekannte Wörter
nicht bloß durch ihren Klang,
oder ihr Ansehen, sondern, auch wenn ich mir nichts bei ihnen
vorstelle, noch durch eine
Atmosphäre. –
Aber erinnere Dich daran, wie die Namen berühmter
Dichter und Komponisten eine eigene Bedeutung in sich aufgesogen zu haben
scheinen.
So daß man also sagen kann: – 248
– die Namen
“Beethoven”
und “Mozart” klingen nicht nur verschieden, sondern es
begleitet sie auch ein anderer Charakter.
Wenn Du aber nun diesen Charakter näher
beschreiben solltest, – würdest Du
ihre Bilder zeigen, oder ihre Musik?
Und nun wieder der Bedeutungsblinde: Er würde nicht empfinden, daß die Namen sich beim Hören oder Ansehen durch ein unwägbares Etwas unterscheiden. Und was hätte er nun dadurch verloren? – Und doch, wenn er einen Namen hört, kann ihm erst ein Träger und später ein anderer einfallen. – |
910.
Ich sagte, die Worte “Jetzt kann
ich's!” drücken kein
Erlebnis aus.
Nun, so wenig, wie die: “Jetzt werde ich den Arm
heben”. –
– Warum aber drücken sie kein Erlebnis, kein
Gefühl, aus? –
Wie werden sie denn gebraucht?
Beide, z.B., als Einleitung zu einer
Handlung.
Die Tatsache, daß eine Aussage auf einen Zeitpunkt Bezug nimmt, in
welchem aber nichts in der Außenwelt geschieht, was
sie meint, wovon sie spricht, zeigt uns nicht, daß sie von einem Erlebnis
sprach. |
911.
Denk an das ‘Aufzeigen’ der
Schüler, wenn sie eine Antwort wissen.
Muß einer sich die Antwort im Stillen vorgesagt
haben, um mit Sinn aufzeigen zu können?
Und was muß in ihm dazu vorgegangen
sein? –
Nichts.
Aber es ist wichtig, daß er für
gewöhnlich eine Antwort
gab, wenn er aufgezeigt hat; und
das ist das Kriterium dafür, daß er das Aufzeigen
versteht. |
912.
“Die Worte ‘die Rose ist rot’ sind sinnlos,
wenn das Wort ‘ist’ die Bedeutung vom ‘ist
gleich’ hat.”
Wir haben die Idee, daß der Wer versuchte, die
Worte “die Rose ist rot” mit diesen Bedeutungen der
Worte auszusprechen beim Denken
steckenbleiben
müßte.
(Wie auch, daß man einen Widerspruch nicht denken kann, weil der
Gedanke einem sozusagen zerbricht.)
Man möchte sagen: “Du kannst diese Worte nicht so meinen und noch einen Sinn mit dem Ganzen verbinden.” |
913.
Könnte man sagen, die Bedeutungsblindheit
würde sich darin
äußern, daß man diesem Menschen
nicht mit Erfolg sagen kann: “Du
mußt das Wort als ....
hören, dann wirst Du den Satz richtig
sprechen”.
Das ist die Anweisung die man einem beim Spielen
eines Musikstücks gibt.
“Spiel das als ob es die Antwort
wäre”– und man macht etwa eine
Gebärde dazu. – 249
–
Aber wie übersetzt Einer nun diese
Gebärde in das Spiel?
Wenn er mich versteht, spielt er es nun meinem Wunsch
gemäßer.
Aber könntest Du so eine Anweisung nicht auch mit Hilfe von “stärker”, “schwächer”, “schneller”, “langsamer”, geben? Nein; ich könnte es nicht. Denn wenn er nun auch diesen Ton stärker, jenen leiser spielt, so weiß ich's nicht einmal. So kann ich ihm auch sagen “Mach ein verschmitztes Gesicht” und wüßte, wenn er eins gemacht hat, ohne die geometrischen Veränderungen des Gesichts vorher, oder nachher, beschreiben zu können. |
914.
Wenn man fragt “Ist das Erleben einer Bedeutung
analog dem Erleben eines Vorstellungsbildes”, so meint
man: ist der Unterschied nicht einfach der eines andern
Inhalts?
Nun, welcher ist der Inhalt des Vorstellungserlebnisses?
“Es ist dieser” – aber dabei
muß ich auf ein Bild, oder eine Beschreibung
zeigen. –
“Man erlebt hier und dort”
(möchte man sagen).
“Nur etwas Anderes.
Ein anderer Inhalt wird dem Bewußtsein dargeboten
– steht vor ihm.”
Und das ist natürlich ein sehr
irreführendes Bild.
Denn es ist die Illustration zu einer Redewendung und sie
erklärt nichts.
Ebenso könnte man, um den
chemischen Symbolismus einer Strukturformel zu
erklären, Bilder entwerfen in denen die Elemente
als Menschen dargestellt wären, die sich die
Hände reichen.
(Illustrationen der Alchemisten). |
915.
Wenn jemand sagt, er habe das Vorstellungsbild von einer
goldglänzenden Kugel gehabt, so werden wir das
verstehen, aber nicht, wenn er sagt, diese Kugel
sei innen hohl gewesen. Im Traum aber
könnte man eine Kugel sehen und
wissen, sie sei hohl. ||
aber nicht, wenn er sagt er habe eine
goldglänzende, hohle Kugel vor sich
gesehen. |
916.
Die Weisung “Wie aus weiter Ferne” bei
Schumann.
Muß Jeder eine solche Weisung
verstehen?
Jeder, z.B., der die Weisung
“Nicht zu geschwind”
verstünde?
Ist nicht die Fähigkeit, die dem
Bedeutungsblinden abgehen soll, von dieser Art? |
917.
Kann man das Verstehen einer Bedeutung festhalten, so wie
ein Vorstellungsbild?
Wenn mir also plötzlich eine Bedeutung des Worts
einfällt, – kann sie mir auch vor der Seele
stehen bleiben? – 250 – |
918.
“Der ganze Plan stand mir mit einem Schlage von der Seele und
blieb so eine Minute lang stehen.”
Da möchte man meinen, daß, was stehen
blieb, nicht dasselbe sein
könne, wie das, was aufblitzte.
(Wie man einen Diphthong nicht dehnen kann.) |
919.
Geschah nämlich dies, daß ich sagte
“Jetzt hab ich's!” (also das
Aufzucken), so kann man freilich nicht davon reden,
daß das stehen bleibt. |
920.
“Ja, ich weiß das Wort.
Es liegt mir auf der Zunge. –”
Hier drängt sich einem die Idee von dem Spalt
(gap) auf, von dem
James spricht, in welchem nur dieses
Wort hineinpaßt usw. –
Man erlebt irgendwie schon das Wort, obwohl es
noch nicht da ist. –
– Man erlebt ein wachsendes Wort. –
Und ich könnte natürlich auch
sagen, ich erlebte eine wachsende Bedeutung, oder wachsende
Erklärung der Bedeutung. –
Seltsam ist es nur, daß wir nicht sagen wollen, es sei etwas da
gewesen, was dann zu dieser Erklärung
herangewachsen ist.
Denn wenn Du ‘aufzeigst’, sagst Du, Du wissest es
schon. –
Wohl, aber Du könntest auch sagen
“Jetzt kann ich's sagen” und ob sich das
Können zu einem Sagen
auswächst, das weißt Du
nicht.
Und wie, wenn man nun sagte: “Das Sagen ist dann
die Frucht dieses Könnens, wenn es
aus diesem Können gewachsen ist.”
|
921.
Als ich es sagen wollte, sagen konnte, hab
ich es ja nicht gesagt. |
922.
Natürlich ist auch an der
Erklärung, die Bedeutung oder ihre
Erklärung sei aus einem gewissen Keim gewachsen,
etwas nicht in Ordnung.
Tatsächlich nehmen wir auch so ein Wachsen nicht
wahr; oder doch nur in ganz seltenen
Fällen.
Und diese Erklärung entspringt eben aus der
Tendenz, zu erklären, statt
bloß zu beschreiben. |
923.
Das bloße Beschreiben ist so schwer,
weil man glaubt, zum Verständnis || Verstehen der Tatsachen diese
ergänzen zu
müssen.
Es ist, als sähe man eine Leinwand mit
verstreuten Farbflecken, und sagte: so wie sie da sind, sind sie
unverständlich; sinnvoll werden sie erst, wenn
man sie sich zu einer Gestalt ergänzt. –
– – Während ich sagen will: Hier
ist das Ganze.
(Wenn Du es ergänzt,
verfälscht Du es.) – 251 – |
924.
Freilich ist mir die Bedeutung damals
eingefallen!
Nicht zu der Zeit, da ich es berichte, noch in der
Zwischenzeit.
Das ist es eben, was man so nennt: das ist eben der Gebrauch der Worte “Mir ist die Bedeutung eingefallen”. (“in this so called twentieth century”). |
925.
“Die || Eine Bedeutung ist doch nicht etwas,
was man erleben kann!”
– Warum nicht? –
Die Bedeutung ist kein Sinneseindruck.
Aber was sind Sinneseindrücke?
So etwas, wie ein Geruch, ein Geschmack, ein Schmerz, ein Klang,
etc. etc..
Aber was ist ‘so etwas wie’ alle diese
Dinge?
Was ist ihnen gemeinsam?
Diese Frage ist natürlich nicht dadurch zu
beantworten, daß man sich in diese Sinneseindrücke
vertieft.
Man könnte aber so fragen:
“Unter was für
Umständen würden wir
sagen, jemand habe eine Art von
Sinneseindrücken, die uns
fehlen?”
– Wir sagen z.B. von Tieren, sie
hätten ein Organ, womit sie das und das wahrnehmen,
und so ein Sinnesorgan muß nicht einem der unsern
ähnlichen sein. |
926.
Könnte man sich eine Sinneswahrnehmung
denken, durch welche wir die Form eines soliden
Körpers erfaßten, die
ganze Form, nicht nur das, was sich von einem
Standpunkt aus sehen ließe?
So ein Mensch würde z.B.
im Stande sein, einen Körper
in Ton zu modellieren, ohne um ihn herumzugehen, oder zu
greifen. |
927.
Ist es die Vielfältigkeit der
möglichen Erklärungen einer
Bedeutung, die am Grunde davon ist, daß man eine Bedeutung nicht
‘im gleichen Sinne’ erlebt, wie ein
Gesichtsbild? |
928.
Was macht meine Vorstellung von ihm zu einer Vorstellung von
ihm? –
Was macht sein Portrait zu seinem
Portrait?
Die Intention des Malers?
Und heißt das: sein Seelenzustand? –
Und was macht eine Photographie zu seinem
Bildnis?
Die Absicht des Photographen?
Und angenommen ein Maler hätte die Absicht
den N nach dem Gedächtnis zu
zeichnen, aber geleitet von Kräften im
Unbewußten, zeichnet er ein
ausgezeichnetes Bildnis des M, – würden wir
es nun ein schlechtes Bildnis des N nennen?
Und denk Dir Leute, die zum Zeichnen von Bildnissen abgerichtet
wären, und ‘mechanisch’
– – den vor ihnen
sitzenden Menschen abzeichnen.
(Menschliche Lesemaschinen).
Und nun, was macht meine Vorstellung von ihm zu meiner Vorstellung von ihm? – Nichts von dem, was für das Portrait gilt, gilt von der Vorstellung. Die Frage macht einen Fehler. |
929.
Wem die Bedeutung einfiel, und wer sie nicht wieder
vergaß, kann nun das Wort in dieser Weise anwenden.
Wem die Bedeutung einfiel, der weiß sie nun, und der Einfall war einfach der Anfang des Wissens. Hier ist keine Analogie mit dem Erleben eines Vorstellungsbildes |
930.
Wie ist aber, wenn ich zu mir selbst sage, ich
möchte dies (wobei ich
etwa auf eine bestimmte Figur schaue) so und so
(‘x’) nennen?
Ich kann mir die hinweisende Definition
“Das heißt
‘x’” auch laut vorsagen.
Aber ich muß sie doch auch selber
verstehen!
Ich muß also wissen, wie, welcher
Technik gemäß, ich das
Zeichen || Wort “x” zu
gebrauchen gedenke. –
Fragt man mich etwa “Weißt Du
auch, wie Du das Wort gebrauchen wirst?”, so
werde ich antworten: ja. |
931.
Wie aber, wenn die Religion lehrt, die Seele
könne bestehen, wenn der Leib zerfallen
ist?
Verstehe ich, was sie lehrt?
Freilich versteh ich's – – ich kann mir dabei manches
vorstellen.
(Man hat ja auch Bilder von diesen Dingen gemalt.
Und warum sollte so ein Bild nur die unvollkommene Wiedergabe des
ausgesprochenen Gedankens sein?
Warum soll es nicht den gleichen Dienst tun, wie
das, was wir sagen || wie unsere
Sätze?)
Und auf den Dienst kommt es an. |
932.
Aber bist Du kein Pragmatiker?
Nein.
Denn ich sage nicht, der Satz sei wahr, der
nützlich ist.
Der Nutzen, d.h. Gebrauch, gibt dem Satz seinen besondern Sinn, das Sprachspiel gibt ihm ihn. Und insofern, als eine Regel oft so gegeben wird, daß sie sich nützlich erweist, und mathematische Sätze ihrem Wesen nach mit Regeln verwandt sind, spiegelt sich in mathematischen Wahrheiten Nützlichkeit. – 253 – |
933.
Der seelenvolle Gesichtsausdruck.
Man muß sich daran erinnern, || eigens daran erinnern, daß man ein
Gesicht mit seelenvollem Ausdruck malen kann
um zu glauben, daß es bloß Farben und Formen
sind, die so wirken. || , daß es wirklich Farben und
Formen sind, die diesen Eindruck
machen./
Es ist nicht zu glauben, daß es die bloßen Augen
– Augapfel, Lider, Wimpern, etc. – eines
Menschen sind, in deren Anblick man sich verlieren kann, in die man mit
Staunen und Entzücken sehen kann.
Und doch wirken eben die Augen eines Menschen so.
“Woraus Du sehen kannst .....” |
934.
Glaube ich an eine Seele im
Andern, wenn ich mit Staunen und
Entzücken in seine Augen schaue? |
935.
Der Satz “wenn p, so q”, wie
z.B. “wenn er kommt, wird er mir etwas
mitbringen”, ist nicht der gleiche wie “p ⊂
q”.
Denn der Satz “Wenn … , so … ”
läßt den Konjunktiv
zu, der Satz “p ⊂ q” nicht. –
Wer Einem auf den Satz “Wenn er kommt,
....” antwortet “Das ist nicht wahr”,
der will nicht sagen: “Er kommt, und wird nichts mitbringen”, sondern: “Er mag
kommen und nichts mitbringen”.
Aus “p ⊂ q” folgt nicht “Wenn p, so klein q”; denn ich kann sehr wohl den ersten Satz behaupten (ich weiß z.B., daß p & q der Fall ist( || ) und den zweiten Satz leugnen. |
936.
Soll ich nun sagen, der Satz “Wenn … , so
… ” sei entweder wahr, oder falsch, oder
unentschieden?
(Das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten gelte also
nicht?) |
937.
Man gibt auch auf die Aussage “Wenn er kommt, wird er
etwas mitbringen” die Antwort “Nicht
unbedingt.” –
Auch: “Das folgt nicht.” –
Man kann auch sagen: “Dieser Zusammenhang besteht
nicht.” – –
Russell sagte, wenn man
behauptet “Wenn … , so … ”, so meine
man für gewöhnlich nicht die
materielle sondern die formale Implikation; aber auch das ist nicht
richtig.
“Wenn … , so … ”
läßt sich nicht in
Ausdrücken der
Russellschen Logik
wiedergeben. |
938.
Man kann sehr wohl sagen, der Satz “Wenn … , so
… ” sei entweder wahr, oder er sei falsch, oder
unentschieden. –
Aber bei welcher Gelegenheit wird man das sagen?
Ich denke: als Einleitung zu einer weiteren
Auseinandersetzung. – 254
–
Man bespricht die Sache unter diesen drei Gesichtspunkten (headings).
Ich teile das Feld der Möglichkeiten in drei
Teile.
Man wird nun vielleicht sagen: ein Satz teile es in zwei Teile. Aber warum? Es sei denn, das gehöre zur Definition eines Satzes. Warum soll ich nicht auch etwas einen Satz nennen, was eine Dreiteilung macht? |
939.
Nimm nun eine Zweiteilung: Ich sage:
“Entweder er kommt, oder er kommt nicht. –
Im ersten Falle .... Im
zweiten....” || ‒ ‒ ‒
“Kommt er, so .... Kommt er nicht, so
....”
Kann ich nun diese Betrachtungsart nicht auf
den Satz “Wenn .... und .... sich treffen, wird es
zu einer Explosion kommen” nicht anwenden?
Hat Einer z.B. diese Behauptung gemacht, –
kann ich nicht erwidern: “Entweder Du
hast darin recht, oder nicht: Ist es, wie Du sagst, dann
.... ist es nicht so, dann ....”? |
940.
Das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten sagt nicht, wie
seine Form vorspiegelt: Es gibt nur die beiden
Möglichkeiten Ja und Nein, und keine
Dritte.
Sondern: “Ja” und
“Nein” teilen das Feld der
Möglichkeiten in zwei Teile. –
Und das muß natürlich nicht
so sein.
(“Hast Du aufgehört, Deine Frau zu
schlagen?”) |
941.
‘Der Wunsch ist ein Verhalten des Geistes, der Seele, zu einem
Gegenstand.’
‘Der Wunsch ist ein Seelenzustand, der sich auf einen
Gegenstand bezieht.’
Um sich das begreiflicher zu machen, denkt man etwa an die
Sehnsucht und daran, daß der Gegenstand unserer Sehnsucht vor unsern
Augen ist und wir ihn sehnend betrachten.
Steht er nicht vor uns, so vertritt ihn etwa sein Bild, und ist kein
Bild da, dann eine Vorstellung.
Und der Wunsch ist also ein Verhalten der Seele zu einer
Vorstellung.
Aber man denkt eigentlich immer an ein Verhalten des
Körpers zu einem Gegenstand.
Das Verhalten der Seele zur Vorstellung ist ganz das, was man
auf einem Bild zur Darstellung bringen
könnte: Die Seele des Menschen, wie sie
sich mit verlangender Gebärde zu dem Bild (dem
wirklichen Bild) eines Gegenstands hinneigt. |
942.
Und man könnte auf diese Weise freilich auch
darstellen, wie ein Mensch in seiner Miene dem Wunsch keinerlei
Ausdruck gibt, und doch seine Seele nach ihm verlangt.
– 255 – |
943.
“Der Satz ‘Wenn er nur
käme!’ kann mit unserer Sehnsucht
geladen sein.”
– Womit war er da geladen?
Es ist, als ob ihm ein Gewicht von unserm Geiste aufgeladen
würde.
Ja, alles das möchte ich sagen.
Und ist es denn gleichgültig, daß ich das sagen
will? |
944.
Ist es denn gleichgültig, daß ich das sagen
will?
Ist es nicht wichtig?
Ist es nicht wichtig, daß mir die Hoffnung in der Brust
lebt?
Ist das nicht ein Bild irgendeines wichtigen menschlichen
Verhaltens?
Warum glaubt ein Mensch, ein Gedanke komme ihm in den Kopf? –
Oder richtiger: Er glaubt es nicht; er erlebt
es.
Denn er greift sich etwa dabei an den Kopf,
schließt die Augen, um im Kopf mit sich allein zu
sein.
Lehnt den Kopf zurück und macht eine Handbewegung
zum Zeichen, daß nichts den Vorgang im Kopfe stören
soll. –
Nun, sind das nicht wichtige Arten des Verhaltens? |
945.
Und wenn sich uns das Bild vom Gedanken im Kopf
aufdrängen kann, warum dann nicht
noch viel mehr || warum dann nicht viel mehr
noch das, vom Gedanken in der
Seele. || , wie dann nicht noch viel mehr das,
vom Gedanken in der Seele.
|
946.
Welches bessere Bild des Glaubens könnte es geben,
als der Mensch, der mit dem Ausdruck des Glaubens sagt “ich
glaube ....”? |
947.
Der Mensch ist das beste Bild der menschlichen Seele. |
948.
Es ist natürlich wichtig, daß man das Verlangen
nach einem Apfel leicht bildlich darstellen kann, ohne dem
Verlangenden Worte in den Mund zu legen, – daß sich aber die
Überzeugung, daß etwas so und so sei, nicht so
darstellen läßt.
Wichtig, weil es den Unterschied, den Wesensunterschied, zwischen den psychologischen || seelischen Erscheinungen zeigt, und die Art und Weise, wie er zu beschreiben ist. |
949.
Warum sagte ich “Wesensunterschied”?
Ist es ein Unterschied, wie zwischen Kohlenstoff, Gravitation,
Lichtgeschwindigkeit und ultravioletten Strahlen?
Welches alles
‘﹖Gegenstände’﹖
sind, von denen die Naturwissenschaft handelt. – – 256 – |
950.
Denke, wir reden von Erscheinungen beim Sprechen
der Menschen.
Es könnte uns interessieren: die
Geschwindigkeit des Sprechens, der Wechsel der Intonation, die
Gebärden, die Länge oder
Kürze der Sätze,
etc. etc. –
Wenn man nun von einem Menschen sagt, er habe ein Seelenleben: er
denke, wünsche, fürchte,
glaube, zweifle, habe Vorstellungen, sei traurig, lustig
etc., – ist das analog dem: er
ißt, trinkt, spricht schreibt,
läuft, – oder analog dem: er bewegt sich
bald schnell, bald langsam, bald auf ein Ziel zu, bald ohne Ziel, bald
stetig, bald ruckweise? |
951.
Denk an das, was man den Charakter einer Linie nennen kann, und daran,
was alles eine Beschreibung ihres Charakters genannt werden
muß || heißen
muß.
Was kann man alles fragen, wenn man sich für den
Charakter einer Linie interessiert? |
952.
Denk Dir, wir beobachteten die Bewegung eines Punktes, etwa eines
schwarzen Punktes auf einer weißen
Papierfläche.
Alle möglichen Schlüsse
könnten aus dem Charakter dieser Bewegung
gezogen werden || Bewegung folgen.
Aber was können wir alles
beobachten? –
Ob der Punkt sich gleichförmig, oder
ungleichförmig bewegt; ob sich seine
Geschwindigkeit periodisch ändert; ob sie sich
stetig oder sprungweise ändert; ob der Punkt
eine geschlossene Linie beschreibt; wie nahe sie einem Kreis kommt; ob
der Punkt eine Wellenlinie beschreibt und welches ihre Amplitude und
Wellenlänge ist; und
unzähliges andere.
Und jedes dieser Fakten könnte uns das
allein interessierende sein.
Es könnte uns z.B. alles an
dieser Bewegung gleichgültig sein,
außer die Zahl der Ecken der Bahn in einer
bestimmten Zeit.
Und das heißt, wenn uns nun nicht nur
eine Eigenschaft dieser Bewegung interessiert, sondern
viele, eine jede von ihnen uns einen besondern, von allen andern
gänzlich verschiedenen Aufschluß
geben kann.
Und so ist es mit dem Benehmen der Menschen, mit den verschiedenen
Charakteristiken dieses Benehmens, die wir beobachten. |
953.
So handelt die Psychologie (etwa) vom Benehmen, nicht
von den Seelenzuständen des Menschen?
Wer einen psychologischen Versuch
macht, – was wird der berichten? –
Was das Subjekt sagt, was es tut, was ihm in der Vergangenheit
– 257 – geschehen ist und
wie es darauf reagiert hat. –
Und nicht: was das Subjekt denkt, was es sieht,
fühlt, glaubt, empfindet?
– – Wer ein Gemälde beschreibt, beschreibt der
die Anordnung der Pinselstriche auf der Leinwand – und
nicht, was der Betrachter sieht?
Aber wie ist es nun damit: Der Beobachter im Experiment wird manchmal sagen: “Das Subjekt sagte “Ich empfinde ....”, und ich hatte den Eindruck, dies sei wahr.” – Oder man sagt: “Das Subjekt schien müde” || schien ermüdet zu sein” Ist das nun eine Aussage über sein Benehmen? Man möchte vielleicht sagen: Freilich, was soll es denn sein? – – Man kann auch berichten: “Das Subjekt sagte ‘ich bin müde’” – aber für die Auswertung dieser Worte wird es sich darum handeln, ob sie glaubwürdig sind, ob sie einem andern nachgesprochen, wurden, ob sie eine Übersetzung aus dem Französischen waren, etc. Denke nun daran: Ich erzähle “Er machte einen verstimmten Eindruck”. Man fragt mich: “Was war es, daß Dir diesen Eindruck gemacht hat?”, || . Ich sage “Ich weiß es nicht.” – Kann man nun sagen, ich habe sein Benehmen beschrieben?? Kann man denn nicht sagen, ich hätte sein Gesicht beschrieben, wenn ich sage “Er machte ein trauriges Gesicht”? Auch wenn ich nicht angeben kann welche räumlichen Veränderungen im Gesicht diesen Eindruck machten? Man wird vielleicht erwidern: “Hättest Du genauer zugesehen, so könntest Du die charakteristischen Farben – und Ortsveränderungen beschreiben.” Aber wer sagt das, daß ich, oder irgend Einer es könnte? |
954.
Noch einmal: Wenn ich berichte “Er war
verstimmt”, berichte ich Benehmen, oder einen
Seelenzustand?
(Wenn ich sage “Der Himmel sieht drohend
aus”, rede ich von der Gegenwart, oder der
Zukunft?)
Beides; aber nicht nebeneinander; sondern in einem
Sinne eines, in einem andern das andere.
Was aber heißt das?
(Ist das nicht Mythologie?
Nein.) |
955.
Es ist hier ganz wie mit dem Reden über
physikalische Gegenstände und
Sinneseindrücke.
Wir haben hier zwei Sprachspiele, und ihre Beziehungen
zueinander sind kompliziert.
Will man diese Beziehungen in einfacher Weise beschreiben, so
– 258 – geht man
fehl. |
956.
Denke, ich beschreibe ein psychologisches Experiment: den
Apparat, die Fragen des Experimentators, die Antworten und Handlungen des
Subjekts.
Und dann sage ich: das alles sei eine Szene in dem
und dem Theaterstück.
Nun hat sich alles geändert.
Man wird also sagen: Wenn in einem Buch
über Psychologie dieses Experiment in gleicher Weise
beschrieben wäre, so
würde eben die Beschreibung des Benehmens des
Subjekts als Ausdruck des Seelenzustandes verstanden, weil man
voraussetzt, das Subjekt rede die Wahrheit, halte uns nicht
zum Besten, habe die Antworten nicht auswendig gelernt. –
Wir machen also eine Voraussetzung? |
957.
Die Krankenschwester sagt dem Arzt “Er
stöhnt” – einmal will sie sagen
“Er hat starke Schmerzen”; einmal “Er
stöhnt – obwohl ihm nichts
fehlt”; einmal “Er stöhnt; ob
er aber Schmerzen hat, oder bloß diesen Laut
von sich gibt, weiß ich nicht.”
Wir machen eine Voraussetzung? – Wir benützen die Aussage jedesmal anders. |
958.
“Freilich berichtet der Psychologe die Worte, das Benehmen
des Subjekts, aber doch nur als Zeichen seelischer
Vorgänge.”
– Das ist richtig.
Wenn die Worte und das Benehmen, z.B.
eingelernt sind, so interessieren sie den Psychologen nicht.
Und doch ist der Ausdruck “als Zeichen seelischer
Vorgänge” irreführend,
weil wir gewöhnt sind, von der Gesichtsfarbe
als Zeichen des Fiebers zu reden.
Und jede schlechte Analogie wird nun mit einer weiteren schlechten
erklärt, sodaß wir den
Unstimmigkeiten nur endlich durch die
Ermüdung erlöst werden. || so daß wir diese Unstimmigkeiten nur endlich aus
Ermüdung auf sich beruhen
lassen. |
959.
Denk dir, man sagte: jedes uns wohlbekannte Wort habe schon einen
Dunstkreis, einen ‘Hof’ schwach angedeuteter
Verwendungen um sich.
So, als hätte man auf einem
Gemälde die Hauptfiguren umgeben mit zarten,
nebelhaften Bildern von Vorgängen, an denen
diese Figuren einen Anteil haben. –
Nun, machen wir nur Ernst mit dieser Annahme! –
Da zeigt es sich, daß sie die Intention nicht zu
erklären vermag. – 259
–
Wenn es nämlich so ist, daß die Möglichkeiten der Verwendung eines Ausdrucks uns beim Hören oder Sprechen in Halbtönen vorschweben, – wenn es so ist, so gilt das also für uns. Aber wir verständigen uns mit Andern, ohne sie je gefragt zu haben, ob auch sie diese Erlebnisse haben. |
960.
Und wie ist es nun mit dem fortwährenden Werden
und Vergehen im Bereich unseres
Bewußtseins?
Nun, wie ist es: ist das eine Erfahrung, oder kann man
sich's anders garnicht
vorstellen?
Hier ist eine Unklarheit. |
961.
Ich kenne mich in einem Zimmer aus: d.h., ich
kann, ohne einen Augenblick nachsinnen zu
müssen, die Tür finden, sie
öffnen und schließen, jedes
Möbelstück gebrauchen,
ich muß den Tisch, die Bücher,
die Laden nicht suchen und nicht nachdenken, was man mit ihnen machen
kann.
Daß ich mich auskenne wird sich in der Freiheit
zeigen mit welcher ich mich im Zimmer bewege.
Es wird sich auch in einer Abwesenheit des Staunens und
Zweifelns äußern.
Was soll ich nun auf die Frage antworten: ob dies
Mich-in-diesem-Zimmer-auskennen
ein Zustand meiner Seele sei? |
962.
Ich bin im Stande, auf die Frage
“Wozu dient ein Thermometer”
sogleich und ohne jede Schwierigkeit mit einer langen Reihe
von Sätzen zu antworten.
Und ebenso kann ich der Aufforderung folgen:
“Erkläre die Anwendung des
Wortes ‘Buch’”. |
963.
Man kann das Sich-Auskennen
ein Erlebnis nennen, und auch wieder nicht. |
964.
Die Verwendung gewisser Wörter dem Satzrhythmus
zuliebe.
Dieser könnte uns viel
wichtiger sein, als er uns tatsächlich ist.
|
965.
“Was für eine Art von Erlebnis
ist....?”
Man wird nicht fragen “Wie ist es, wenn
Du's hast?” – denn darauf
könnte der Eine so, der Andere so antworten.
Man wird sie nicht nach einer Beschreibung des Erlebnisses fragen
sondern zusehen, wie die Menschen das Wort handhaben, das das
Erlebnis bezeichnet. || sondern zusehen, wie und bei
welchen Gelegenheiten die Menschen das Erlebnis
erwähnen, von ihm reden, ohne es
beschreiben zu wollen. – 260 – |
966.
Ich sage das Wort “Baum”, dann sag ich ein
Unsinnwort.
Sie fühlen sich verschieden an.
In wie fern? –
Mir werden zwei
Gegenstände gezeigt:
der eine ist ein Buch, der andere ein mir unbekanntes Ding von
sonderbarer Form.
Ich sage: sie schauen nicht bloß
verschieden aus, sondern ich habe auch ein anderes
Gefühl bei ihnen || ihrem
Anblick.
Das eine Ding ‘verstehe’ ich, das andere verstehe
ich nicht.
“Ja, aber es ist nicht nur der Unterschied zwischen
Wohlbekanntheit und Fremdheit.”
Nun, ist nicht auch ein Unterschied zwischen Arten der Wohlbekanntheit
und Fremdheit?
Ein fremder Mensch tritt in mein Zimmer, aber es ist ein
Mensch, das sehe ich sofort.
Etwas Vermummtes tritt in mein Zimmer, ich
weiß nicht, ist es Mensch oder Tier.
Ich sehe einen mir unbekannten Gegenstand auf meinem Tisch, einen
gewöhnlichen Feldstein, aber ich habe ihn nie auf
meinem Tisch gesehen.
Ich sehe einen Stein am Weg; ich bin nicht erstaunt, obgleich ich mich
nicht erinnere, gerade ihn schon gesehen zu haben.
Ich sehe ein seltsam geformtes Objekt von mir unbekanntem Zweck auf
meinem Tisch und bin nicht
überrascht: es ist schon immer dort gelegen,
ich habe nie gewußt was es ist und mich
nie dafür interessiert, es ist mir
wohlvertraut. |
967.
“Nun, hast Du das Wort ‘Baum’ nicht verstanden,
wie Du's gehört hast? –
– Dann ist eben etwas in Dir vorgegangen!”
– Und zwar was? –
Daß ich's verstand. –
Die Frage ist nur: Soll ich vom Verstehen sagen, es sei in
mir vorgegangen?
Dagegen wehrt sich etwas; und das kann nur bedeuten, daß wir durch
diesen Ausdruck das Verstehen mit andern Erscheinungen
zusammenstellen und einen Unterschied verwischen, den wir betonen
wollen.
Aber welchen Unterschied? –
In welchen Fällen weigern wir uns
denn nicht, zu sagen: es sei etwas
beim Hören des Worts in uns vorgegangen?
|
968.
Was müßten wir denn Einem
sagen, der uns mitteilte, bei ihm sei das Verstehen ein innerer
Vorgang? – –
Was würden wir ihm erwidern, wenn er sagte bei
ihm sei Schachspielenkönnen ein
innerer Vorgang? –
Etwa, daß nichts, was in ihm vorgeht, uns
interessiert, wenn wir wissen wollen ob er Schach spielen kann.
Und wenn er nun darauf antwortet, es interessiere uns eben doch, was in
ihm vorgehe, nämlich: ob er Schach
spielen könne – so könnten
– 26o1 – wir
ihm nun widersprechen, indem wir ihn an die
Kriterien erinnerten, || indem wir ihm
jetzt die Kriterien
zeigen, die uns seine Fähigkeit
beweisen würden || die uns
für seine Fähigkeit
maßgebend
wären. |
969.
Um Dich in einer Umgebung auszukennen,
mußt Du nicht nur den richtigen Weg von einer
Ortschaft zur andern kennen, sondern auch wissen, wohin Du gerietest,
wenn Du diese falsche Wendung nähmst.
Dies zeigt, wie ähnlich unsere Betrachtungen
Wanderungen in einer Landschaft sind zum Zweck des Anlegens einer
Karte.
Und es ist nicht unmöglich, daß eine solche
für die Gebiete, die wir begehen, einmal
angelegt werden wird. |
970.
Angenommen, Du hast eine besondere Erfahrung beim Verstehen, wie kannst
Du wissen, daß es die ist, die wir “verstehen”
nennen? –
Nun, wie weißt denn Du, daß die Erfahrung, die Du
hast, die ist, die wir “Schmerz” nennen? –
Das ist etwas anderes – – ich weiß es, weil mein
spontanes Benehmen in gewissen Situationen das ist, was man den
Ausdruck des Schmerzes nennt. |
971.
Wenn man das Wort “Schmerz” gebrauchen lernt, so
geschieht es nicht dadurch, daß man errät
für welchen der inneren
Vorgänge, beim Hinfallen z.B.,
dies Wort gebraucht wird.
Es könnte ja dann auch das Problem entstehen: welcher meiner Empfindungen wegen ich schreie, wenn ich mich verletze. Und dabei denke ich mir, daß man nach innen zeigt und sich fragt: “Ist es nun diese Empfindung, oder diese?” |
972.
“Gleichgültig, ob ich der Empfindung den
richtigen Namen beigelegt habe, – ich habe ihr
eben einen Namen beigelegt!”
– Aber wie legt man denn etwas, z.B. einer
Empfindung, einen Namen bei?
Kann man in sich einer Empfindung einen Namen
beilegen?
Was geschieht da; und was ist das Resultat dieser Handlung?
((Vergl. Bemerkung über
das Anhängen einer Namenstafel.))
Wenn man im Geiste eine Tür
zuschließt, ist sie dann zugeschlossen?
Und welche Konsequenz hat es?
Kann dann, im Geiste, niemand – 262
– herein? |
973.
“Wie weißt denn Du, daß die Erfahrung, die
Du hast, dasjenige ist, was wir ‘Schmerz’
nennen?”
– Die Erfahrung, die ich habe?
Welche?
Wie spezifiziere ich sie: für
mich, und (für) einen
Andern. |
974.
Denke, wir könnten lernen, was man eine
Empfindung, etwa einen ‘Schmerz’, nennt, und dann
lehrte man uns, diese Empfindung
auszudrücken.
Was für eine Verbindung
müßte diese
Tätigkeit mit der Empfindung haben, um ihr
‘Ausdruck’ heißen zu
können?! |
975.
Denke, Einer wüßte, erriete,
daß ein Kind Empfindungen hätte, aber
keinen || keinerlei Ausdruck
für sie.
Und nun wollte er das Kind den Ausdruck für
die Empfindungen lehren. || Und nun wollte er das
Kind lehren, die Empfindungen
auszudrücken.
Wie muß er eine Handlung mit
einer Empfindung verbinden, damit sie ihr Ausdruck
wird¤? |
976.
Kann er das Kind lehren: “Siehst Du, so
drückt man etwas aus – das ist
z.B. ein Ausdruck von dem – und
nun drück Deinen Schmerz aus!”
|
977.
“Verstehen” wird eben nicht so gebraucht, wie ein
Empfindungswort. |
978.
Das verwirrende Bild ist dies: daß wir eine
Substanz beobachten, – ihre Veränderungen,
Zustände, Bewegungen; gleich
Einem || wie Einer, der die
Veränderungen und Bewegungen in einem Schmelzofen
beobachtet.
Während wir das Verhalten und Benehmen der
Menschen beobachten und vergleichen.
|
979.
Das primitive Schmerzbenehmen ist ein Empfindungsbenehmen; es wird
ersetzt durch einen sprachlichen Ausdruck.
“Das Wort ‘Schmerz’ bezeichnet eine
Empfindung” heißt so viel wie:
“‘Ich habe
Schmerzen’ ist eine
Empfindungsäußerung.”
|
979.
Formen des Benehmens || Verhaltens
können inkommensurabel || unvergleichbar
sein.
Und das Wort “Benehmen”, wie ich es gebrauche, ist
überhaupt irreführend, denn
es schließt in seiner Bedeutung auch die
äußern
Umstände – des Benehmens in engern Sinne –
ein. – 263
–
Kann ich denn von einem Benehmen des Zorns, z.B., und von einem andern der Hoffnung reden? (Es ist leicht, sich einen Orang Utan zornig vorzustellen – aber hoffend? Und warum ist es so?) |
981.
Wenn mir jemand sagt “Ich sehe jetzt diesen
Punkt als Spitze des Dreiecks”, so verstehe ich ihn.
Aber was mache ich mit diesem
Verständnis?
Nun, ich kann ihm, z.B., sagen:
“Kommt Dir das Dreieck jetzt vor, als
wäre es umgefallen, als
stünde es normalerweise auf der Grundlinie
a?
Oder erscheint es Dir jetzt als Berg mit B als Spitze?
Oder als Keil?
Oder als ‘schiefe Ebene’?
Oder als Kegel?”
Du kannst nun fragen “Worin besteht es: die Figur so sehen?” – und sozusagen Hypothesen über das machen, was dabei vorgeht. Z.B., Augenbewegungen, oder Vorstellungen, mit denen man das Gesehene supplementiert – man stellt sich etwa einen Körper vor, der auf der schiefen Ebene herunter. || gleitet – etc. Alles das kann geschehen, muß aber nicht geschehen; und wenn mir jemand mitteilt, er sehe das Dreieck als Keil, z.B., so sagt er mir nicht, wie sich seine Augen bewegt haben, etc. – Nein; nicht, was da geschieht, ist die Frage, sondern: wie man jene Aussage verwenden kann. Wozu mir z.B. das Verstehen der Mitteilung verhilft. Eine Anwendung wäre die: Man kann Einem sagen “Schau das Dreieck als Keil an; dann wirst Du Dich über– || … nicht mehr wundern.” Und sagt darauf vielleicht: “Ja, so kommt es mir natürlicher vor.” – Ich habe ihn also durch meine Erklärung beruhigt; oder ihm dazu verholfen, daß er nun eine Aufgabe schneller lösen kann. |
982.
Die Ähnlichkeit eines Gesichts mit einem andern
sehen, die Analogie einer mathematischen Form mit einer andern, eine
menschliche Gestalt in den Linien eines Fixierbildes, eine Raumform in
einer schematischen Zeichnung, “pas” in
“ne .... pas” in der Bedeutung von
“Schritt” hören oder
aussprechen .... alle diese
Erscheinungen sind irgendwie ähnlich, aber doch
auch wieder sehr verschieden.
(Eine Gesichtswahrnehmung, eine
Gehörwahrnehmung, eine Geruchswahrnehmung, eine
Bewegungswahrnehmung.) – 264 – |
983.
In allen jenen Fällen kann man sagen, man
erlebe einen Vergleich.
Denn der Ausdruck des Erlebnisses ist, daß wir zu einem Vergleich
geneigt sind.
Zu einer Paraphrase.
Es ist ein Erlebnis, dessen Ausdruck ein Vergleich ist. Aber worum ein ‘Erlebnis’? Nun, unser Ausdruck ist ein Erlebnisausdruck. – Weil wir sagen “ich sehe es als … ”, “ich höre es als …”, || ? Nein; obwohl diese Ausdrucksweise damit zusammenhängt. Sie ist aber berechtigt, weil das Sprachspiel den Ausdruck zu dem eines Erlebnisses macht. || weil im Sprachspiel der Ausdruck als der eines Erlebnisses gebraucht wird. |
984.
Ein Erlebnis, das sich in einem Vergleich
äußert. –
Um z.B. “Je ne sais
pas” auf die bewußte Art zu
hören muß Einer andere
Ausdrücke, wie “not a
thing”, kennen.
Der Ausdruck des Erlebnisses durch den Vergleich ist eben der Ausdruck, der unmittelbare Ausdruck. Ja, das Phänomen, das wir beobachten und das uns interessiert. |
985.
Wenn nun Einer “pas” nicht so
hören, erleben, könnte, wenn
er nicht verstünde was wir meinen, wenn wir von
einem ‘so-hören’ reden,
– würde der uns auch nicht verstehen, wenn wir
ihm erklären, daß
“pas” auch in der Verneinung so viel
wie “Schritt” geheißen habe, und
wenn wir sagten es sei analog dem Wort
“bißchen”,
“bit”, “thing”
etc.?
Aber was sieht der ein, der einsieht, der Gebrauch des Wortes …
sei dem des Wortes … analog? |
986.
Nun, wozu zeige ich Einem so eine Analogie?
Was erwarte ich mir davon, || ?
Welche Wirkung hat es? –
Es scheint doch eine Erklärung zu sein.
Es ist eine Art der
Erklärung.
Man sagt ja auch: “Ja, jetzt versteh ich den
Gebrauch dieses Wortes.”
Man sagt aber auch: “Ich
weiß was Du meinst, aber ich kann es nicht so
hören.” |
987.
“So, wie wir auch heute noch ...., so haben diese Leute
....”
Wir können diesen Gebrauch im Lichte jenes betrachten. Dies kann, z.B., als heuristisches Prinzip dienen. – 265 – |
988.
Jedes Wort – möchte man sagen – kann zwar
in verschiedenen Zusammenhängen verschiedenen
Charakter haben, aber es hat doch immer einen Charakter
– ein Gesicht.
Es schaut uns doch an. –
– Man könnte sich ja wirklich denken jedes
Wort sei ein kleines Gesicht, das Schriftzeichen könnte ein
Gesicht sein.
Und man könnte sich auch denken, daß der ganze
Satz eine Art Gruppenbild wäre, so daß der Blick
der Gesichter eine Beziehung zwischen ihnen
hervorbrächte und das Ganze also eine
sinnvolle Gruppe wäre || gäbe– || .
Aber worin besteht die Erfahrung, daß eine Gruppe sinnvoll
ist?
Und wäre es zum Verwenden des Satzes notwendig,
daß man ihn so als sinnvoll empfindet? |
989.
Ist es denn auch gewiß, daß ein Jeder, der unsere
Sprache versteht, geneigt wäre, zu sagen, jedes Wort
habe ein Gesicht?
Und, || – das Wichtigste – welcher
allgemeinen Tendenz in uns entspricht es, diese
Neigung zu haben? || – zu welcher allgemeinen
Tendenz in uns gehört diese
Neigung? |
990.
Erstens ist klar, daß die Tendenz, das Wort als etwas intimes,
seelenvolles, zu betrachten, nicht immer da ist, oder im gleichen
Maße da ist.
Das Gegenteil des seelenvollen aber ist das maschinenhafte.
Wer einen Robot darstellen will, – wie weicht sein Benehmen von
unserm gewöhnlichen ab?
Dadurch, z.B., daß unsere
gewöhnlichen Bewegungen sich nicht,
auch nur annähernd, mittels geometrischer Begriffe
beschreiben lassen. |
991.
Würde man z.B. von
Sätzen in Telegrammstil auch den Eindruck
des Gruppenbildes erhalten? |
992.
Der Gefangene hat eine Nummer als Namen.
Von ihr würde niemand sagen, was
Goethe von
Personennamen sagt. |
993.
Man hat die Idee, es sei der Sinn des Satzes, zusammengesetzt aus
den Bedeutungen seiner Wörter.
(Gruppenbild).
Wie ist z.B. der Sinn
“Ich habe ihn noch immer nicht gesehen” aus den
Bedeutungen der Wörter zusammengesetzt?
|
994.
Auch das Wort “habe” hat ein Gesicht; denn das Wort
“die Habe” hat jedenfalls ein anderes
Gesicht.
Es fühlt sich anders an; also
mußte sich “habe” auch irgendwie
– 266 –
anfühlen. –
Aber muß sich “Habe”
anders ‘anfühlen’ als
“habe”?
Wie, wenn jemand mich versicherte, ihm
fühlten sich diese beiden
Wörter ganz gleich an?
Er sagt z.B.: Ja, das Bindewort und
das Zeitwort “sondern”, die
fühlen sich verschieden an; aber nicht
“Habe” und “habe”.
Dürften wir ihm das nicht glauben?
Was wie eine ganz selbstverständliche Äußerung erschien, die an das Verstehen der Worte gebunden ist, (das) erscheint hier im Licht einer rein persönlichen Äußerung || eines rein persönlichen Gefühlsausdrucks. Nicht anders, als sagte Einer, die Vokale a und e haben für ihn dieselbe Farbe. Kann ich dem nun sagen: “Du spielst unser Spiel nicht”? |
995.
Wird hier von dem Feinfühligen angenommen,
er fühle in allen
Zusammenhängen die beiden Wörter
“sondern” verschieden?
Nein.
Nur wenn man sie, experimentell, || zum
Versuch, ausspricht, erwartet man
das, || . || Nur wenn man sie, nicht
zu ihrem gewöhnlichen Zweck, im Experiment
ausspricht, erwartet man das. |
996.
Denk Dir Menschen, die mit
‘äußerst
komplizierten’ Zahlzeichen rechnen.
Diese stellen sich aber dar als Figuren, welche entstehen, wenn man
unsere Zahlzeichen aufeinander schreibt.
Sie schreiben z.B.
bis zur
fünften Stelle so: Wer ihnen
zusähe, fände es schwer, zu
erraten, was sie tun.
Und sie könnten es vielleicht selbst nicht
erklären.
Es kann ja dieses Zahlzeichen, in etwas anderer Schrift
geschrieben, seine Erscheinung
(für uns) zur
Unkenntlichkeit ändern.
Und was die Leute täten, erschiene uns rein
intuitiv. |
997.
Ich sage also: man schätzt das psychologische
Interesse der Wenn-Empfindung falsch
ein, wenn man sie als selbstverständliches
Korrelat der Bedeutung des Wortes ansieht; sie muß
viel mehr in einem anderen Zusammenhang gesehen
werden, im Zusammenhang der speziellen
Umstände unter welchen sie auftritt. || in dem, der besonderen Umstände,
unter welchen sie
auftritt. |
998.
Sag: “Es ist schwer, die beiden Dinge zu
sondern” und sprich das letzte Wort mit dem
Gefühl des Bindeworts aus!
Üb Dich etwa darin im
gewöhnlichen Sprechen || im
Gespräch, ein Wort mit doppelter
Bedeutung mit dem unpassenden Gefühl – 267 – auszusprechen!
(Wenn es nicht mit einem unpassenden Ausdruck der Stimme verbunden
ist, so schadet es Verständigung nicht.)
|
999.
Jetzt sag Dir: das Bindewort “sondern” sei
eigentlich dasselbe wie das Zeitwort (so wie weg = Weg und trotz
= Trotz) und sprich den Satz “Es ist nicht besser,
sondern schlechter geworden” mit “sondern” in
der Bedeutung des Zeitworts aus! |
1000.
Bist Du auch sicher, daß es ein
Wenn-Gefühl gibt?
Nicht vielleicht mehrere?
Hast Du versucht, das Wort in sehr verschiedenen
Zusammenhängen auszusprechen?
(Wenn es z.B. den
Hauptton des Satzes trägt, und
wenn ihn das nächste Wort
trägt.) |
1001.
Hat Einer die Wenn-Empfindung je, wenn er das Wort
“wenn” nicht ausspricht?
Es wäre doch jedenfalls
merkwürdig, wenn nur diese
Ursache die Empfindung hervorrufen sollte.
Hat sich James einmal gefragt, ob,
und wo, man sie sonst noch hat? –
Und so ist es überhaupt mit der
‘Atmosphäre’ eines Worts:
– warum sieht man es als so
selbstverständlich an, daß nur
dies Wort diese Atmosphäre
hat || trägt? |
1002.
Der Namenszug Goethes
mutet mich goethisch an.
Insofern ist er wie ein Gesicht, denn vom Gesicht
Goethes
könnte ich dasselbe sagen.
Es ist wie eine Spiegelung. Gehört dieses Phänomen zu dem: “ich wäre schon einmal in derselben Situation”? Oder ‘identifiziere’ ich die Unterschrift mit der Person, indem ich, z.B., die Unterschrift des geliebten Menschen anzuschauen liebe, oder die Unterschrift des Bewunderten eingerahmt auf meinen Schreibtisch stelle? (Magie, die mit Bildern, Haaren, etc. getrieben wird.) |
1003.
Die vom Ding unlösliche || untrennbare
Atmosphäre, – sie ist also keine
Atmosphäre.
Was mit einander innig assoziiert ist, assoziiert wurde, das scheint zusammen zu passen . Aber wie scheint es das? wie äußert sich's, daß es zu passen scheint? Etwa so: Wir können uns nicht denken, daß der Mann, der so geheißen – 268 – so ausgeschaut,
sich so unterschrieben hat, nicht diese Werke, sondern etwa
ganz andere (die eines andern großen
Mannes) hervorgebracht hat? ||
der so geheißen, so ausgeschaut, der diese
Schriftzüge hatte, nicht
diese Werke, sondern etwa ganz andere
(die eines andern großen Mannes)
hervorgebracht hat?
Wir können uns das nicht denken? Versuchen wir's denn? – |
1004.
Es könnte so sein: Denk
Dir, ein Maler wollte ein Bild entwerfen:
“Beethoven beim
Schreiben der neunten Symphonie”.
Ich könnte mir leicht
vorstellen, was etwa auf so einem Bild zu sehen
wäre.
Aber wie, wenn Einer darstellen wollte, wie
Goethe ausgesehen
hätte beim Schreiben der neunten
Symphonie?
Da wüßte ich mir nichts
vorzustellen, was nicht höchst
unpassend und lächerlich
wäre. |
1005.
Schau ein altbekanntes || wohlbekanntes
Möbelstück, am alten Platz,
in Deinem Zimmer an!
“Es ist ein Teil eines Organismus”
möchtest Du sagen.
Oder: “Nimm es heraus, und es ist
gar nicht mehr
dasselbe” || garnicht mehr das, was es
war” und
dergleichen.
Und natürlich denkt man da an keine
kausale Abhängigkeit eines
Teils von den übrigen. || eines
der Teile....
Eher ist es so: ich
könnte diesem Ding einen Namen geben und von ihm
etwa aussagen, daß es von seiner Stelle gerückt
ist, einen Fleck hat, staubig ist, etc.; wollte ich
es aber ganz aus seinem jetzigen Zusammenhang nehmen,
so würde ich sagen, es habe
aufgehört zu existieren, und ein
anderes sei an seine Stelle getreten. |
1006.
Ja, man könnte auch so
fühlen: “Es
gehört alles zu allem.”
(Interne und Externe Relation.)
Verrücke ein Stück und es
ist nicht mehr, was es war.
Dieser Tisch ist dieser Tisch nur in dieser Umgebung.
Alles gehört zu allem.
Hier haben wir die untrennbare
Atmosphäre || Umgebung.
Und was sagt, der das sagt?
Was für eine Darstellungsweise
schlägt er vor? –
Ist es nicht die des gemalten Bildes?
– Wenn z.B. der Tisch sich verschoben hat,
malst Du ein neues Bild vom Tisch mit seiner
Umgebung. |
1007.
“Ein ganz bestimmter Ausdruck” – dazu
gehört auch, daß, wenn man das
Kleinste an dem Gesicht ändert,
sich sogleich der Ausdruck ändert.
– 270 – |
1008.
Sein Name scheint auf seine Werke zu passen. –
Wie scheint er zu passen?
Nun, ich äußere mich etwa
so, || . –
Aber ist das alles? –
Es ist, als bildete der Name mit diesen Werken ein Ganzes || ein solides Ganze.
Sehen wir ihn, so kommen uns die Werke in den Sinn, und denken wir
an die Werke, so der Name.
Wir sprechen den Namen mit Ehrfurcht
aus– || .
Der Name wird zu einer Geste; zu einer architektonischen Form. |
1009.
Wer das nicht verstünde || versteht, den würden
wir etwa als ‘prosaisch’ bezeichnen wollen.
Und ist das, was der ‘Bedeutungsblinde’
wäre? |
1010.
Jede andere Zusammenstellung würde uns unrichtig
erscheinen.
Durch unsere Gewohnheit werden diese Formen zu einem Paradigma; sie
erhalten sozusagen Gesetzeskraft (‘die Macht der
Gewohnheit’?) |
1011.
Wer die Worte “das Zeichen als Pfeil
sehen” nicht verstehen und gebrauchen lernen kann,
den nenne ich “bedeutungsblind”.
Es wird keinen Sinn haben, ihm zu sagen “Du mußt versuchen, es als Pfeil zu sehen” und man wird ihm so nicht helfen können. |
1012.
Wie ist es aber mit so einem Ausdruck:
“Als Du es sagtest, verstand ich es in meinem
Herzen”?
Dabei deutet man auch auf's Herz.
Und meint man diese Gebärde etwa
nicht?!
Freilich meint man sie.
Oder ist man sich bewußt,
nur ein Bild zu gebrauchen?
Gewiß nicht! |
1013.
Wenn das Kind sprechen lernt, wann entwickelt es da das
‘Bedeutungsgefühl’?
Interessiert man sich dafür, wenn man es
sprechen lehrt, wenn man seine Fortschritte im Sprechen
beobachtet? || Interessieren sich die Leute
dafür, wenn sie es sprechen lehren, seine
Fortschritte im Sprechen beobachten?
|
1014.
Man kann auch, wenn man ein Tier beobachtet, z.B.
einen Affen, der einen Gegenstand untersucht und
zerpflückt, sagen: “Man sieht,
es geht etwas in ihm vor.”
Wie merkwürdig ist das!
Aber nicht merkwürdiger, als daß wir sagen:
– 270 – die Liebe, die
Überzeugung sei in unserem Herzen! |
1015.
Wann und womit fängt es also an, daß der Mensch
Bedeutungsgefühle
äußert?
In welchem Spielen wird es sich zeigen? |
1016.
Ist nicht die Neigung, einen
Bedeutungskörper zu
denken ähnlich der, einen Ort des Denkens zu
denken?
Müßte jeder
Mensch die Neigung haben, zu sagen, er denke im Kopf? –
Es wird ihm dieser Ausdruck als Kind beigebracht.
(“Das Wort Kopfrechnen”)
Aber daraus entwickelt sich jedenfalls die
Neigung (oder aus ihr entstand
der Ausdruck).
Jedenfalls, || – die Neigung ist dann
vorhanden.
Und so auch die, von einem Bedeutungskörper zu
reden ) || (oder
dergl.), wie immer sie
entstanden ist. |
1017.
Reden wir nun auch von einem
‘Gefühl’ des
Denkens im Kopf?
Wäre dies nicht ähnlich, wie
das
‘Bedeutungsgefühl’?
Auch: Kann der nicht denken, der dies Gefühl nicht hätte? Ja; wer philosophiert oder psychologiert wird vielleicht sagen: “Ich fühle, ich denke im Kopf”. Aber was das nun heißt, das wird er nicht sagen können. Er wird nämlich nicht sagen können, was das nun für ein Gefühl ist; sondern einfach den Ausdruck gebrauchen: er ‘fühle’; als sagte er nämlich “Ich fühle diesen Stich hier”. Er ist sich also nicht bewußt, daß hier noch zu untersuchen ist, was sein Ausdruck “ich fühle” hier bedeutet, d.h., welche Konsequenzen wir aus dieser Äußerung ziehen dürfen. Ob z.B. die, die wir aus der Äußerung “Ich fühle den Stich hier” ziehen würden. |
1018.
Man könnte nämlich auch
sagen: “Ich fühle
das Steigen der Preise im Kopf”.
Und ist das Unsinn?
In welches Kapitel der Psychologie aber gehörte
dieses Gefühl?
Nicht in das von den Sinnesempfindungen, – es sei denn, Einer
sagte “Wenn ich diesen Schmerz im Kopf
spüre, steigen immer die Preise”.
|
1019.
Könnte nicht Einer sagen:
“Ich habe ein Gefühl des Ortes
beim Denken || “Mein Denken hat einen Ort, denn
ich kann z.B. ....
Ich kann z.B. den Gedanken ....einmal im Kopf
und einmal im Herzen denken.”
– Und würde das zeigen, daß ein
271 Gedanke einen Ort hat?
Ich meine: würde es das Erlebnis des Denkens näher
beschreiben?
Nicht viel mehr ein neues Erlebnis?
“Ich möchte sagen: ‘ich habe im Kopf gedacht’”. |
1020.
Man kann den Befehl befolgen “Denk an gar
nichts!”, “make your mind a
blank!” |
1021.
So wie man die Redensart “im Kopf”, in Verbindung mit
dem Denken, gelernt hat, so auch die: “das Wort hat diese
(‘eine’) Bedeutung”, und alle Phrasen,
die damit verwandt sind.
Auch die Ausdrucksweise:
“diese beiden Wörter klingen nur gleich, haben aber sonst nichts
mit einander zu tun” und viele
ähnliche.
Und das Bedeutungserlebnis folgt eigentlich genau diesen
Redewendungen.
(Die doch auch eine gänzlich andere Form haben könnten das
französische “vouloir dire”
z.B.) |
1022.
Ist also das Bedeutungserlebnis nur eine Einbildung?
Nun, wenn es auch eine Einbildung ist, so ist das Erlebnis dieser
Einbildung dadurch nicht weniger
interessant. |
1023.
Es ist übrigens merkwürdig || auffallend, daß das
Wort “Association” in meinen
Betrachtungen || Bemerkungen eine so
geringe Rolle spielt– || .
Ich glaube, daß dieses Wort in
äußerst vager, verschwommener
Weise verwendet wird, und für ganz
unähnliche Erscheinungen. |
1024.
Über einen feinen ästhetischen Unterschied
läßt sich eine Menge || vieles sagen – das ist sehr
wichtig || wesentlich.
272
D.h., die erste
Äußerung ist freilich
bloß “Dies Wort
paßt, dies nicht”, oder
dergleichen; aber nun können noch alle
weit verzweigten Zusammenhänge erörtert werden, die jedes dieser
Wörter schlägt.
Das heißt, es ist eben nicht mit
jenem ersten Urteil abgetan, sondern es ist das Feld jedes
Wortes, worauf's ankommt. |
1025.
Warum soll denn das Bedeutungserlebnis wichtig sein?!
Er sagt das Wort, sagt, er habe es jetzt in dieser Bedeutung gesagt;
dann in jener.
Ich sage das gleiche.
Mit dem gewöhnlichen und wichtigen Gebrauch des
Ausdrucks “Ich habe mit dem Wort das
gemeint” hat das offenbar nichts zu tun.
Was ist also das Merkwürdige?
Daß wir so etwas sagen?
Das ist natürlich interessant.
Aber das Interesse liegt hier nicht auf dem Begriff der
‘Bedeutung’ eines Wortes, sondern auf der Reihe
ähnlicher || analoger psychologischer
Erscheinungen, die, im Allgemeinen, mit Wortbedeutung nichts zu tun
haben. |
1026.
Es sagt jemand, etwa im Sprachunterricht, “Reden wir über
das Wort ‘Weiche’”.
Ich frage: “Meinst Du das Zeitwort,
das Eigenschaftswort, oder das Hauptwort?”
– Er: “Ich meine das
Hauptwort.”
– Muß er da, oder muß
ich, ein Bedeutungserlebnis gehabt haben?
Nein.
Aber, daß uns Vorstellungen bei diesem Gespräch
vorgeschwebt haben, ist wahrscheinlich.
Sie würden etwa die Rolle spielen, wie ein Kritzeln während des
Sprechens.
Wer etwa gewöhnt wäre, beim Gespräch auf einem Papier zu
kritzeln, der würde vielleicht einmal eine Weiche zeichnen, einmal ein
Ei, einmal das Wort “Weiche!” 273 schreiben.
Und wenn von einer Weiche die Rede wäre und er zeichnete dabei ein Ei, so könnte ihn das vom Gespräch abziehen; zeichnet er aber Schienen, so bliebe er bei der Sache. |
1027.
Inwiefern kann man ‘kritzeln’ mit dem Spiel der
Vorstellungen vergleichen? –
Denk Dir Menschen, die von Kind auf bei allen Gelegenheiten, wo wir
sagen würden, sie stellen sich etwas vor, Zeichnungen ausführen.
Gibt man ihnen dann einen Stift in die Hand, so zeichnen sie mit
großer Geschwindigkeit.
Aber tut denn der gewöhnliche Mensch nicht etwas ganz Ähnliches? Er zeichnet zwar nicht, aber ‘beschreibt seine Vorstellung’, d.h., statt zu zeichnen, spricht er. Oder er gebraucht Gebärden, um z.B. einen Menschen, den er sich vorstellt, darzustellen! Muß ich denn annehmen, daß er diese Beschreibung, diese Gebärden von etwas abliest?! Was spricht dafür? – Nun, er sagt etwa “Ich sehe ihn vor mir!” und dann stellt er ihn dar. Aber hätte ich ihn, statt diesen Ausdruck zu sagen gelehrt “Jetzt weiß ich, wie er aussieht”, oder “Jetzt kann ich sagen, wie er aussieht”, oder “Jetzt werde ich Dir sagen, wie er aussieht”, – so wäre das gefährliche Bild eliminiert. (Tennis ohne Ball.) |
1028.
Um in die Tiefe zu steigen, braucht man nicht weit zu reisen;
ja, Du brauchst dazu nicht Deine nächste und gewöhnliche
Umgebung verlassen. 274 |
1029.
Wie finde ich das ‘richtige’ Wort? Es
ist allerdings, als vergliche ich Worte nach feinen
Geschmacksunterschieden. Dies ist zu sehr
...., dies zu sehr … ; || – das ist das Richtige. || Wie finde ich das ‘richtige’
Wort? Wie wähle ich unter den Worten? Es ist
allerdings, als vergliche ich sie nach feinen Unterschieden des
Geschmacks || Aromas.
Aber ich muß nicht immer beurteilen, erklären, warum dies oder dies Wort nicht stimmt. Es stimmt einfach noch nicht. Ich suche eben weiter, bin nicht befriedigt. Endlich komme ich zur Ruhe, bin befriedigt. So schaut eben das Suchen aus; und so das Finden. |
1030.
“Ich entwickle was in ihm steckt.”
– Wie weiß ich, daß
das in ihm war? –
So ist es nicht.
Man kann auch nicht fragen: “Wie
weiß ich, daß ich das
wirklich geträumt habe?”
– Es steckt in ihm, weil ich sage,
daß es in ihm steckt.
Oder besser: weil ich geneigt bin, zu sagen.... –
Und was ist das für ein seltsames Erlebnis: geneigt sein, zu
sagen ....?
Gar keins. |
1031.
Wenn ich aber gestorben wäre, noch ehe ich das Alles entwickeln
konnte, – wäre es dann nicht in meinem Erlebnis
enthalten gewesen? –
Die Antwort “Nein” auf diese Frage ist falsch;
die Antwort “Ja” muß es auch
sein.
“Nein” würde heißen: Wenn Einer einen Traum nicht erzählt, ist es falsch zu sagen, er habe ihn gehabt. Es wäre unrichtig zu sagen: “Ich weiß nicht, ob er geträumt hat; er hat nichts darüber 275 gesagt.”
“Ja” würde heißen: Er mag wohl geträumt haben, auch wenn er es nicht berichtet. Aber das soll doch keine psychologische Aussage sein! Also, eine logische. |
1032.
“Kann einer nicht träumen, und es doch
niemandem mitteilen?” –
Gewiß: er kann ja träumen und es
jemandem mitteilen. |
1033.
Wir lesen in einer Erzählung, jemand habe einen Traum gehabt und ihn
niemandem mitgeteilt.
Wir fragen nicht, wie der Autor das erfahren konnte. –
Verstehen wir es nicht, wenn
Strachey Vermutungen darüber
anstellt, was die Königin Victoria knapp vor ihrem Tode vor sich gesehen haben
mag?
Freilich – aber verstanden Leute nicht auch die
Frage, wie viele Seelen auf einer Nadelspitze Platz hätten?
D.h.: die Frage, ob man das
nicht versteht, hilft uns hier nicht; wir müssen fragen,
was wir mit einem solchen Satz anfangen können. –
Daß wir den Satz verwenden, ist klar;
wie wir ihn verwenden, ist die Frage. |
1034.
Daß wir den Satz verwenden, sagt uns noch nichts,
weil wir die gewaltigen Verschiedenheiten der Verwendung
erkennen.
Wir sehen also das Problem im Wie.
|
1035.
Nun noch einmal: – Menschen teilen uns nach dem Erwachen
eine Erzählung mit; wir lehren sie darauf den Ausdruck
“Mir hat geträumt....” und nun folgt die
Erzählung, || .
Ich frage sie dann 276 manchmal: “Hast Du heute
nacht etwas geträumt?” und erhalte
manchmal eine bejahende, manchmal eine verneinende Antwort, manchmal eine
Traumerzählung, manchmal keine.
Das ist das Sprachspiel.
(Ich habe jetzt angenommen, daß ich selbst nicht
träume.
Aber ich habe ja auch keine
Gefühle || kein Gefühl einer unsichtbaren Gegenwart und Andere
haben es, und ich kann sie über ihre Erfahrungen
befragen.)
Muß ich nun in diesem Falle eine Annahme darüber machen, ob diese Leute ihr Gedächtnis getäuscht hat oder nicht; ob sie wirklich während des Schlafs diese Bilder vor sich gesehen haben oder ob es ihnen nach dem Erwachen so vorkommt? Und welchen Sinn hat diese Frage? – Und welches Interesse?! Fragen wir uns das je, wenn uns Einer einen Traum erzählt und wenn nicht, – ist es, weil wir sicher sind, sein Gedächtnis werde ihn nicht getäuscht haben? (Und angenommen, er wäre ein Mensch mit ganz besonders schlechtem Gedächtnis!) |
1036.
Und heißt das nun, es sei unsinnig, je
die Frage zu stellen: ob in der Nacht wirklich der
Traum vor sich gegangen sei, oder ob der Traum wirklich ein
Gedächtnisphänomen des Erwachten sei?
Es kommt darauf an was wir damit meinen,
d.h.: welche Verwendung wir von
dieser Frage machen.
Denn machen wir uns dies Bild vom Traum:
daß vor des Schlafenden Seele ein Bild schwebt
(wie es etwa auf einem Gemälde dargestellt wäre), dann hat es
natürlich Sinn, diese Frage zu stellen.
Man fragt damit, || : Ist
es so, oder so – – und jedem
“so” entspricht ein anderes Bild. 277 |
1038.
Zurück zu dem Sprachspiel von der Traumerzählung: Einer sagt mir
einmal “Was ich heute nacht geträumt
habe, werde ich niemandem
erzählen.”
Nun, hat das Sinn?
Warum nicht?!
Soll ich, nach dem, was ich über
den Ursprung des Sprachspiels mitgeteilt habe, sagen, es habe keinen Sinn –
da ja das ursprüngliche Phänomen eben die
Traum-Erzählung
war?
Durchaus nicht! |
1039.
Eine Eisenbahnstation mit allen ihren Einrichtungen,
Telegraphenstangen und Telegraphendraht, bedeutet für uns ein
weitverzweigtes Verkehrssystem.
Aber auf dem Mars findet sich dieses Gebäude mit allem Drum und
Dran, auch mit einem Stück Geleise, und bedeutet dort
nichts dergleichen. |
1040.
“Es scheint, der Geist kann dem Wort Bedeutung geben”
– ist das nicht, als sagte ich; “Es scheint,
daß in Benzol die C-Atome an den Ecken
eines Sechsecks liegen”?
Das ist doch kein Schein; es ist ein
Bild. |
1041.
Ich will freilich nicht eine Definition des Worts
“Traum” geben, aber doch etwas tun, was dem ähnlich
ist: den Gebrauch des Wortes beschreiben.
Meine Frage lautet also ungefähr so: “Wenn ich
zu einem fremden Stamm mit mir unbekannter 278 Sprache käme, und die Leute hätten einen
Ausdruck, der unserm “ich träume”, “er
träumt”, etc. entspricht, – wie fände ich
heraus, daß es so ist; wie
wüßte ich, welche Ausdrücke ihrer Sprache ich in
diese Ausdrücke der unsern übersetzen soll?
Denn dies Herausfinden ist ja eben ähnlich dem, heraus zu finden, welches ihrer Worte ich in unser Wort “Tisch” übersetzen soll. Ich frage mich da freilich nicht “Wie nennen sie dies?” – Indem ich auf etwas zeige, || . Obwohl ich auch das fragen könnte und dabei etwa auch eine symbolische Darstellung des Traumes, oder eines Träumenden deuten könnte. |
1042.
Auch das ist zu sagen: daß das Kind nicht
unbedingt so den Gebrauch des Worts
“träumen” lernen muß,
daß es zuerst bloß eine
Begebenheit beim Erwachen berichtet und wir ihm dann die Worte
“Mir hat geträumt” beibringen.
Es ist ja auch so möglich, daß das Kind den
Erwachsenen sagen hört, er habe geträumt und nun von sich das Gleiche
sage und einen Traum erzählt.
Ich sage nicht: daß das Kind
errät, was der Erwachsene meint;
genug: es gebraucht eines Tages das Wort und gebraucht es unter den
Umständen, unter denen wir's gebrauchen. |
1043.
Die Frage ist also eigentlich nicht: “wie lernt er die
Verwendung des Worts” – sondern “Wie zeigt
sich's, daß er es verwendet, wie
wir? |
1044.
“Ewiges Düstre steigt herunter” – kann man
sagen: “Nun, 279 es scheint, als ob es
herunterstiege”?
Haben wir denn eine
Halluzination von etwas Düstrem
etc.? –
Was macht also diese Worte
treffend? –
“Wir verstehen sie.”
Wir sagen, z.B.: “Ja, ich
weiß genau, wie das ist” und nun können wir
unsere Gefühle und unser Benehmen beschreiben. |
1045.
“Wenn Du vom Traum, vom Denken, von der Empfindung redest,
– scheinen nicht alle diese Dinge das Geheimnisvolle zu
verlieren, was ihr wesentliches Merkmal zu sein
scheint?”
Warum soll der Traum geheimnisvoller sein als der Tisch.
Warum sollen sie nicht beide gleich geheimnisvoll sein?
|
1046.
“Das Phänomen, als Pfeil, oder anders zu sehen, ist
doch ein wahrhaftes visuelles Phänomen; auch wenn es nicht so
greifbar || handgreiflich ist wie das
der Form und Farbe”.
Wie sollte es kein visuelles Phänomen sein?! –
Wer, der davon spricht (außer wenn er
Philosophie oder Psychologie treibt), zweifelt
daran?
Fragen wir nicht einen Menschen danach und erzählen ihm davon, wie
von jedem andern Gesichtsphänomen?
Ich will sagen: Reden wir davon etwa mehr zaghaft, mit dem
Verdacht, was wir sagen, habe vielleicht keinen klaren Sinn?
Gewiß nicht.
Aber nun sind dennoch Unterschiede vorhanden.
Die, welche wir durch den Ausdruck “weniger
handgreiflich” andeuten.
Nur ist es so: Wenn ich Einem zwei Substanzen vorlege, so kann ich sagen: “Fühl diese hier an! Findest Du nicht auch, daß sie sich weicher angreift?” Und bejaht er es, so sage ich etwa: “Ja, das fühle ich auch. Es ist also ein Unterschied 280 zwischen ihnen”
(D.h.: ich habe es mir nicht
bloß eingebildet.)
– Anders ist es aber mit den psychologischen
Phänomenen.
Wenn ich sage: “Dies ist weniger handgreiflich als
jenes” – nämlich als zeitloser Satz
– so beruht dies nicht auf einem
Consensus der Urteile,
nicht darauf, daß wir Alle das auch
fühlen (wenn wir das Erlebnis
‘betrachten’). |
1047.
Steckt das Phänomen nicht in
die falsche Lade.
In ihr schaut es geisterhaft, ungreifbar, befremdend
aus.
Richtig betrachtet, kommt uns seine
‘Ungreifbarkeit’ so wenig zum
Bewußtsein, wie die der Zeit, wenn wir
hören: “Es ist Zeit zum
Mittagessen.”
(Die Beunruhigung der schlechtsitzenden Einteilung.) |
1048.
“Dieser Kaffee hat garkeinen Geschmack”.
“Dies Gesicht hat gar
keinen Ausdruck.”
– Der Gegensatz dazu ist “Es hat einen ganz
bestimmten Ausdruck” (obwohl ich nicht sagen
könnte, welchen).
An einen starken Ausdruck könnte
sich z.B. gleich eine Geschichte
knüpfen.
Oder das Suchen nach einer Geschichte.
Wenn man vom rätselhaften
Lächeln der Mona Lisa spricht, so
heißt das doch wohl, daß man
sich fragt: In welcher Situation, in welcher Geschichte,
könnte man so
lächeln?
Und es wäre also denkbar, daß jemand eine
Lösung fände, daß er eine
Geschichte erzählte, und wir uns sagten:
“Ja, das ist der Ausdruck, den
dieser Charakter hier angenommen
hätte”. |
1049.
Sich an ein bestimmtes
kinästhetisches Gefühl
erinnern – sich an das Gesichtsbild einer Bewegung erinnern. –
Mach die gleiche Bewegung mit dem rechten und dem linken Daumen, und
urteile, ob die
kinästhetischen Empfindungen dieselben
sind! –
Hast Du ein Erinnerungsbild der
kinästhetischen
Empfindung beim Gehen? –
Wenn Du müde bist, oder Schmerzen hast,
Muskelschmerzen, oder ein Brennen der Haut, –
sind die Empfindungen beim Bewegen des Gliedes die gleichen, wie in
einem andern Zustand?
Aber bist Du dann manchmal im Zweifel, ob Du jetzt
wirklich das Bein gehoben hast, weil das Gefühl so
ganz anders ist?
– Lokalisierst Du wirklich die Empfindungen bei der Bewegung
in den Gelenken? || Empfindest Du die Bewegung
wirklich in den Gelenken? –281– |
1050.
Du hörst manchmal Einen sagen “Ich
stell mir seine Haltung lebhaft vor”, oder “seine
Stimme” – – aber jemals: “Ich stelle
mir die Empfindung || kinästhetischen
Empfindung bei dieser Handbewegung lebhaft
vor”?!
Und warum nicht?
Stellt man sich's vor und sagt's nur nicht? |
1052.
Was sollen wir antworten, wenn uns jemand entgegnet:
“Wenn Du einem Menschen bei einer Bewegung die Hand
(z.B.) führst, so
zeigst Du ihm eben damit ein bestimmtes
kinästhetisches
Gefühl, welches er dann reproduziert, wenn er die
Bewegung nun auf Befehl wiederholt”?
Und kann man sagen, daß er wohl von dem Gesichtsbild der Bewegung in
dieser Weise geleitet werden
könne– || , aber nicht von einem
kinästhetischen
Bild? |
1053.
Wie wichtig ist es, daß es eine bildliche Darstellung der
visuellen Bewegung gibt und nichts ihr entsprechendes
für die
‘kinästhetische Bewegung’?
“Mach eine Bewegung, die so ausschaut!” – “Mach eine Bewegung, die diesen Klang erzeugt!” – Mach eine Bewegung, die dieses kinästhetische Gefühl erzeugt!” Das kinästhetische Gefühl richtig kopieren, würde in diesem Fall heißen, die Bewegung dem Augenschein nach richtig wiederholen. |
1054.
Denk Dir die Bewegung sehr schmerzhaft, so daß der
Schmerz jede andere leise Empfindung an dieser Stelle
übertäubte.
|
1055.
Mach eine Bewegung (etwa wie beim Klavierspielen) mit den
Fingern; wiederhole sie, aber mit geringerem Ausschlag.
Erinnerst Du dich, welche der beiden Gefühle Du
gestern bei der ersten Bewegung hattest?
Man sagt etwa: “Nein, diese Bewegung hat gestern etwas anders ausgesehen” – aber auch: Die Bewegung ist nicht ganz die gleiche – ich hatte nicht genau dieses kinästhetische Gefühl”? |
1056.
Denn wir haben natürlich
Bewegungsgefühle und wir
können sie auch reproduzieren.
Besonders, wenn wir eine Bewegung unter den gleichen
Umständen, nach nur kurzen Pausen,
wiederholen.
Man lokalisiert auch die Empfindungen, aber
beinahe nie in den Gelenken, zumeist in der Haut.
(Blase die Backen auf! wo tust Du's,
und wo spürst Du's?) –282– |
1057.
Man könnte das Wachstum der Analyse wirklich mit
dem Wachsen eines Keims vergleichen.
Und in diesem Falle zu sagen “Es steckte schon
alles in der Empfindung”, oder “es wuchs aus ihr
als || wie aus einem Keim heraus”, kommt
auf's selbe hinaus.
Wieviel ist nun (wahr) daran, daß man zwar eine Armbewegung
(z.B.) manchmal nach einem Gesichtsbild
reproduziert, aber nicht nach einem kinästhetischen
Bild? |
1058.
Lenkt man den Arm wirklich manchmal nach einer
Gesichtsvorstellung?
Ich kann nur sagen: Wenn ich nicht
sähe, daß
mein Arm sich bewegt hat, nachdem ich, bei abgewandtem
Gesicht, überzeugt war, ihn bewegt zu haben,
wäre ich verwirrt und würde
wohl meinen Augen trauen.
Das Sehen kann mich jedenfalls lehren, ob ich die intendierte
Bewegung genau ausgeführt habe,
z.B., die Stellung erreicht habe, die ich erreichen
wollte; das Gefühl konnte das
nicht.
Ich fühle wohl, daß ich mich bewege, kann auch
ungefähr nach dem Gefühl
urteilen, wie, – aber ich
weiß einfach welche Bewegung ich
gemacht habe, ohne daß man von einem Sinnesdatum der
Bewegung reden könnte, von einem unmittelbaren
innern Bild der Bewegung.
Und wenn ich sage “Ich
weiß einfach ....”, so
heißt hier “wissen” so etwas wie
“sagen können” und ist nicht etwa
wieder eine Art inneres Abbild. |
1059.
“Um sagen zu können, das
Gefühl lehre mich, wo jetzt mein Arm steht, oder
wie weit ich ihn bewege, müßte
man Gefühle und Bewegungen einander zugeordnet
haben.
Man müßte sagen
können: ‘Wenn ich das
Gefühl .... habe, dann steht mein Arm
erfahrungsgemäß
dort’.
Oder auch: Man
müßte ein Kriterium der
Identität der Gefühle haben noch
außer denjenigen der
ausgeführten Bewegung.”
Aber ist diese Bedingung, wenn sie überhaupt Sinn
hat, für das Sehen
erfüllt?
Nun, man kann ein Gesichtsbild, z.B., zeichnerisch
darstellen.
Aber Einem, oder sich selbst, das Gefühl geben, das
für's Beugen des Arms um
30˚ charakteristisch sein soll, ohne eben den Arm zu
beugen, das kann man nicht.
Beuge den Arm ein wenig! Was spürst Du? – Eine Spannung, oder dergleichen, hier und dort, und hauptsächlich das Reiben meines Ärmels. – Tu's noch einmal! War das Gefühl das Gleiche? Ungefähr. Ungefähr an den gleichen Stellen || in der gleichen Gegend. Begleitet dieses –283– Gefühl
immer diese Bewegung, kannst Du's sagen?
Nein.
Und doch paßt mir an diesem Argument etwas noch
nicht. |
1060.
Denk Dir, gewisse Bewegungen erzeugten Töne und man
sagte nun, wir erkennen, wie weit wir den Arm bewegt haben, am Ton der
erklingt.
Das wäre doch möglich.
(Spielen einer Skale am Klavier.)
Aber was für Voraussetzungen
müssen dazu erfüllt
sein?
Es würde z.B. dazu nicht
genügen, daß Töne die
Bewegungen begleiten; auch nicht, daß sie oft
für ähnliche Bewegungen
ähnlich sind.
Es wäre auch nicht genügend,
zu sagen: der Ton müßsse eben
doch für gleiche Bewegungen eine
gleiche Qualität haben, da er das einzige Sinnesdatum
sei, woran wir die Größe der
Bewegung erkennen können. |
1061.
Aber gibt es für
Bewegungsgefühle und dergleichen nicht doch eine
Art private hinweisende Definition?
Ich beuge z.B. einen Finger, und merke mir die
Empfindung.
Jemand sagt mir nun “Ich werde in Deinem Finger auf die
und die Weise, aber ohne daß er sich bewegt, gewisse
Empfindungen hervorrufen, sag mir, wenn es die
ist, die Du jetzt beim Beugen des Fingers hast.”
Könnte ich nun nicht, für
meinen eigenen Gebrauch, diese Empfindung “E”
nennen, als Kriterium der Identität mein
Gedächtnis gebrauchen und nun sagen
“Ja, das ist wieder E”
etc.? |
1062.
Es wäre dann auch denkbar, daß ich die Empfindung
wiedererkennte, und daß sie aufträte
ohne die Begleitung der
Überzeugung: die Bewegung habe statt
gefunden – ohne den
Bewegungssinn. |
1063.
Ich kann gewiß, z.B., mein
Knie mehrere Male hintereinander heben und sagen, ich habe jedes
Mal die gleiche Empfindung dabei gehabt:
Nicht, als hätte ich diese Empfindung
immer, wenn ich das Knie hebe, noch auch, als
könne ich die Bewegung an der Empfindung || durch das Gefühl
erkennen, sondern bloß: Ich habe in
dieser Reihe von Kniebewegungen drei mal die gleiche, durch die Bewegung
hervorgerufene, Empfindung gehabt.
Gleich sein heißt natürlich hier dasselbe, wie gleich scheinen. –284– |
1064.
“Ich habe drei mal die gleiche Empfindung
gehabt” das beschreibt einen Vorgang in meiner privaten
Welt.
Aber wie weiß der Andere was ich meine?
Was ich in so einem Falle als “gleich”
bezeichne?
Er verläßt sich darauf, daß
ich das Wort hier so wie immer gebrauche?
Aber was ist in diesem Falle der, dem
gewöhnlichen, analoge
Gebrauch?
Nein, diese Schwierigkeit ist nicht eine
Künstelei; er weiß
wirklich nicht, kann nicht wissen, was in diesem Falle
gleiche Gegenstände sind. |
1065.
Das Beispiel von der Motorwalze mit dem Motor in der Walze ist wirklich
noch viel besser und tiefer, als ich erklärt
habe.
Denn, als mir jemand die Konstruktion vorlegte, sah ich wohl gleich,
daß sie nicht funktionieren konnte, da man ja die Walze
von außen her rollen konnte, auch wenn der
‘Motor’ nicht in Tätigkeit war;
aber das sah ich nicht, daß es eine starre
Konstruktion und überhaupt keine Maschine war.
Und hier ist nun eine enge Analogie mit dem Fall der privaten
hinweisenden Definition.
Denn auch da gibt es, sozusagen, einen direkten und einen
indirekten Weg, die Unmöglichkeit einzusehen.
|
1066.
Ich benannte diese Bewegungsempfindung mit
“E”.
Für den Andern ist sie nun die, welche ich bei
dieser Bewegung gehabt habe.
Aber für mich, || ?
bedeutet “E” nun etwas anderes? –
Nun, für mich bedeutet es diese
Empfindung. –
Aber welche ist dies? denn ich habe vor einer Minute auf meine
Empfindung gezeigt, – wie kann ich jetzt
wieder auf sie zeigen? || wie
zeige ich jetzt wieder auf
sie? |
1067.
Aber nimm doch den Fall an, Einer machte eine Reihe von
Armbewegungen und sagte dabei: “Die Empfindung die ich
jetzt im Bein habe, nenne ich
‘E1’”
u.s.f.
Später bei verschiedenen
Anlässen sagt er: “Jetzt habe ich
E3”.
U.s.f. –
Solche Äußerungen
könnten wichtig sein; wenn wir
z.B. gewisse physiologische Korrelate zu den
Empfindungen beobachten und so aus seinen
Äußerungen
Schlüsse ziehen könnten || können. |
1068.
Wenn das wahr ist, daß wir die Art und
Größe der Bewegung eines
Glieds nicht durch das || nach dem
Gefühl beurteilen, – wie
würde sich ein Mensch von uns unterscheiden, bei
dem es doch der Fall wäre? || bei dem das der Fall
wäre?
Nun, das ließe sich leicht
vorstellen, daß Einer etwa bei verschiedenen –285– Bewegungen verschieden starke,
oder verschiedenartige, Schmerzempfindungen
hätte || Schmerzen
empfände.
Er würde also etwa sagen:
“Dieses Stechen empfinde ich, wenn ich den Arm um circa
90˚ beuge.” |
1069.
Denk Dir Einen, der mit der Wünschelrute, und zwar
nach dem Zug, den sie ausübt, die Tiefe einer
Quelle bestimmen kann.
Er hat das so gelernt: Er ist
über Quellen verschiedener Tiefe gegangen und hat
sich den Zug gemerkt.
(Dies hätte man etwa an einer
Federwaage feststellen können.)
Er hat den Zug mit der Tiefe assoziiert und
schließt nun vom Zug auf die Tiefe.
Das könnte so geschehen, daß er den Zug etwa
in kg – angibt und dann auf die Tiefe
übergeht, vielleicht sogar nach einer
Tabelle.
Es kann aber auch sein, daß er kein anderes Maß des Zuges kennt, als
die Tiefe der Quelle.
Nach einigem Üben kann er die Tiefe richtig
ansagen.
Übt
man auf die Rute, etwa durch Gewichte einen Zug aus, so wird er nun auch
sagen “Das zieht, wie eine so und so tiefe
Quelle” || , wie Wasser in der und der
Tiefe”. |
1070.
Es könnte nun aber doch sein, daß er zwar im Stande wäre, die
Tiefe einer Quelle den Zug der Rute richtig anzugeben,
nicht aber, den Zug der Rute richtig
abzuschätzen.
Ich meine das so: Es könnte sein, daß
Wasser in verschiedenen Tiefen unter verschiedenen
Umständen gleich stark zieht; und dieser
Rutengänger sagt nun z.B.:
“Diese Quelle ist tiefer als die vorige, sie zieht
schwächer” – und er hat recht: die
Quelle liegt wirklich tiefer, aber der Zug, gemessen mit der
Federwaage, war der gleiche und er hatte sich
ihn nicht richtig gemerkt. – –
Soll ich nun in diesem Falle sagen, er beurteile die Tiefe nach dem
Zug? |
1071.
Er wird vielleicht sagen: “Dieser Zug ist der einer
Quelle in der Tiefe....”, indem er diesen Zug gleichsam
studiert – wie man ein Gewicht auf der Hand
abwägt.
Vielleicht aber sagt er “Den Zug kann ich
nicht beurteilen – das Wasser ist in der Tiefe …”
In diesem (letzteren) Fall wird man nicht sagen, er beurteile die
Tiefe nach dem Zug.
(Wenigstens nicht
‘bewußt’). |
1072.
Angenommen nun es sagte Einer er beurteile, wie weit er seinen Arm
gebogen habe, an der Stärke einer Druckempfindung
im Ellbogen.
Das heißt doch: Wenn sie eine gewisse
Stärke –286– erreicht, so erkennt er daran,
daß der Arm bis zu dem Grad gebogen ist.
Oder was soll es sonst heißen: er beurteile
den Grad der Beugung nach dem der Druckempfindung? |
1073.
Ich will sagen: Wie weiß Einer, daß er
etwas nach diesem
Gefühl beurteilt? –
Ist es dazu genug, daß er beim Schätzen seine
Aufmerksamkeit auf das Gefühl richtet?
|
1074.
Wenn Du nun sagst, es ist dafür notwendig, daß
Einer angeben könne: “Wenn der
Druck so stark ist, dann ist mein Arm um
90˚ gebeugt” – dann muß
sich das ‘so’ der
Stärke angeben lassen.
Andernfalls heißt, daß man die Beugung
nach der Druckempfindung beurteilt, höchstens, daß
man die Beugung nicht beurteilen kann, wenn man
keine (oder nur eine ungemein schwache)
Druckempfindung spürt.
(Also etwa, wenn man anästhesiert
ist.) |
1075.
Es gibt also verschiedene Fälle.
Es kann Einer sagen, er beurteile die Beugung nach der
Druck- oder Schmerzempfindung, und dabei
sozusagen auf diese Empfindung hinhorchen; aber im
übrigen den Grad
der Empfindung in keiner Weise angeben können. –
Oder es kann zwei unabhängige Angaben des Grades
der Empfindung und der Beugung geben. |
1076.
“Wenn ich den Druck so stark
spüre, dann ....” –
Hat denn das keinen Sinn?
Es könnte sogar jemand sagen, er habe eine ganze
Skala von Druckempfindungen.
Ich kann mir das wohl denken.
Nur wäre das so wenig eine wirkliche
Skala, wie das Bild eines Thermometers ein Thermometer ist.
Obwohl es doch in mancher Beziehung
große Ähnlichkeit mit ihm
hat. |
1077.
Ich gebe die Regeln eines Spiels.
Der Andere macht, diesen Regeln ganz entsprechend, einer Zug, dessen
Möglichkeit ich nicht vorausgesehen hatte, und der
das Spiel stört, so wie ich's
nämlich wollte.
Ich muß nun sagen: “Ich habe
schlechte Regeln gegeben”; ich muß meine
Regeln ändern, oder vielleicht
ergänzen.
So habe ich also schon zum Voraus ein Bild des Spiels? In gewissem Sinne: ja! Es war doch z.B. möglich, daß ich nicht voraussah, daß eine quadratische Gleichung nicht reelle Lösungen haben muß. Die Regel führt mich also zu etwas, wovon ich sage: “dieses Bild hatte ich nicht erwartet; ich stellte mir eine Lösung immer –287– so vor:
....” |
1078.
Wie wäre es, wenn man sagte:
“Nicht jedes System von Regeln bestimmt einen
Kalkül”.
Als Beispiel gäbe man die Division durch
0.
Denken wir uns nämlich eine
Arithmetik, in der sie erlaubt
wäre und daher bewiesen werden
könnte, jede Zahl sei gleich der andern.
|
1079.
Wenn Kinder Eisenbahn spielen, – soll ich sagen, ein Kind, das die
Lokomotive nachahmt, werde von einem Andern als Lokomotive
gesehen?
Es wird im Spiel als Lokomotive
aufgefaßt.
Denk Dir, ich hätte einen Erwachsenen die Form gezeigt, und gefragt “Woran erinnert sie Dich”, und er hätte geantwortet “An eine Lokomotive” – heißt das, er hat sie als Lokomotive gesehen? Ich nehme nämlich das als das typische Spiel des “Etwas als Etwas sehen” an, wenn jemand sagt “Jetzt sehe ich es als dies, jetzt als das”. Wenn er also verschiedene Aspekte kennt und zwar unabhängig von irgend einer Verwendung des Angeschauten. Ich möchte also so sagen: ich sehe keine Verwendung des Bilds als Zeichen dafür an, daß es so, oder so gesehen wird. |
1080.
Verstünde ein Kind, was es
heißt, den Tisch ‘als Tisch’
sehen?
Es lernt: “Dies ist ein Tisch, dies eine
Bank” etc., und es beherrscht vollkommen ein
Sprachspiel, ohne eine Andeutung davon, daß es sich dabei
um einen Aspekt handelt. |
1081.
“Ja, ein Kind analysiert eben nicht, was es
tut.”
– Nochmals: von einer Analyse dessen, was geschieht, ist
hier nicht die Rede.
Bloß von einer Analyse – und dieses Wort ist
sehr irreführend – unserer Begriffe.
Und unsere Begriffe sind komplizierter als die des Kindes; insofern
nämlich, als unsere Worte eine kompliziertere
Verwendung haben als die seinen. |
1082.
“Ich sehe es aber doch so, auch
während ich's nicht
ausdrücke.”
Das würde heißen, was ich sehe
ändert sich nicht, wenn ich's
ausdrücke.
Wenn man fragte: “Hat der
Körper dies Gewicht nur so
lange er gewogen wird?” – so
hieße das:
“Ändert sich sein Gewicht, wenn wir ihn
auf die Waage –288– legen?”
Und das ist es natürlich garnicht, was wir fragen möchten. |
1083.
Erst durch das Phänomen des Wechsels des
Aspekts scheint der Aspekt vom übrigen
Sehen abgelöst zu werden.
Es ist, als könnte man nach der Erfahrung des
Aspektwechsels sagen: “Es gab also da einen
Aspekt!” |
1084.
Wenn man den Anstrich eines Dings abkratzt, kann man
sagen “Es war also da ein Anstrich” – –
Wenn aber die Farbe eines Körpers wechselt,
– kann ich sagen “Er hatte also eine
Farbe!” – als wäre
mir dies erst jetzt aufgefallen?
Kann man das sagen: Es kam mir erst zum Bewußtsein, daß das Ding eine Farbe hatte, als sich die Farbe änderte? |
1085.
Denk nicht, daß es etwas Seltsames ist, daß Du ein Bild
an der Wand räumlich
siehst.
Es ist – möchte ich sagen – so
gewöhnlich wie es
scheint.
(Und dies könnte ich zu vielem
sagen). |
1086.
Denk Dir, die Dinge in unserer Umgebung – Tisch,
Bücher, Stühle
etc., – änderten || wechselten periodisch sprungweise ihre Farben; ihre
Formen blieben gleich.
Könnte man da sagen, daß wir uns so erst der
Farbe, als eines besondern Bestandteils unseres Seherlebnisses,
bewußt würden? || so erst der Farbe und Form als besonderer Bestandteile
unseres Seherlebnisses, bewußt
würden? |
1087.
Wenn ich Feld- und Gartenblumen miteinander
vergleiche, so kann ich mir des Unterschieds des Charakters
bewußt werden; aber das sagt nicht, daß ich
auch schon früher außer der
Blume ihren Charakter wahrgenommen habe, oder
daß ich sie doch in irgendeinen Charakter habe wahrnehmen
müssen. |
1088.
Muß ich denn wissen,
daß ich mit zwei Augen sehe?
Gewiß nicht.
Habe ich etwa zwei
Gesichtseindrücke beim
gewöhnlichen Sehen, so daß ich merke, mein
dreidimensionaler Gesichtseindruck setzt sich aus zwei
Gesichtsbildern zusammen?
Gewiß nicht. –
Ich kann also die Dreidimensionalität
nicht vom Sehen trennen.
|
1089.
Wenn ich Einen frage “In welcher Richtung schaut
für Dich ein ‘F’ und in
welcher ein ‘I’?” und er
antwortet, ein F schaue für ihn immer nach
rechts, ein I nach links –289– – so
heißt das natürlich nicht, daß
er beim Anblick eines F immer eine Empfindung der Richtung
hat.
Das wird klarer, wenn man so fragt:
“Wo würdest Du einen F ein Aug
und eine Nase malen?”
– Wenn man aber nun sagte: “So schaut es also
für Dich nur so lange in
dieser Richtung, als Du dies denkst, oder sagst” – ist das
nicht, als fragte man: “Würdest
Du dem F die Nase dann dorthin malen, wenn Du sie
malst?” – |
1090.
Sehe ich ein Gesicht immer ‘als
Gesicht’?
Ich habe hier Bücher vor mir: Sehe ich
sie die ganze Zeit ‘als
Bücher’?
Ich meine: Sehe ich sie die ganze Zeit als
Bücher, wenn ich sie nicht gerade als etwas anderes
sehe?
Oder sehe ich oft, oder für
gewöhnlich, nur Farben und Formen, ohne besondern
Aspekt? (offenbar nein!)
Wir sagen Einem: “Wenn das die
Grundlinie ist, so ist das die Spitze und das
die Höhe.”
Oder er muß die Frage beantworten:
“Welches ist die Höhe des Dreiecks,
wenn dies die Grundlinie
ist?”
Aber wir dringen nicht drauf, daß er das Dreieck so
und so sehe. –
Man sagt wohl manchmal “Denk es Dir
umgelegt!” (oder dergleichen) und man
könnte auch sagen “Sieh es
umgelegt” und diese Bemerkung könnte
helfen; so nämlich, wie auch eine zeichnerische
Ergänzung des Bildes helfen
könnte, die diesen Aspekt nahe legte. |
1091.
Kann ich z.B. sagen: ich sehe den Sessel als
Gegenstand, als Einheit?
So wie ich sage, ich sehe jetzt das schwarze Kreuz auf
weißem Grund, jetzt aber das
weiße Kreuz auf schwarzem?
Wenn man mich fragt “Was hast Du da vor Dir?” Werde ich freilich antworten “Einen Sessel”, werde ihn also als Einheit behandeln. Aber kann man nun sagen, ich sähe ihn als Einheit? Und kann ich die Kreuzfigur anschauen, ohne sie so oder so zu sehen? |
1092.
Wenn ich Einen frage “Was siehst Du vor
Dir?” und er sagt “Was ich vor mir habe,
sieht so aus”, und nun zeichnet er die Kreuzfigur,
– muß er sie in irgend einem Aspekt gesehen haben?
Hat er sie nicht gesehen, wenn er sie nur zeichnerisch beschreiben
kann? |
1093.
Kann ein Kind Dir mitteilen, es sehe dreidimensional?
–290–
Und denk Dir, es würde Dir sagen “Ich sehe alles eben”, – was würde Dir das sagen? Es könnte ja alles eben sehen, und durch eine Intuition wissen, daß es nicht eben ist, und sich dementsprechend benehmen! |
1094.
Wenn das Kind dieses Bild für das und das
hält und ich folgere nun
“Also sieht es das Bild
so” – was für eine
Folgerung ziehe ich?
Was sagt mir diese Folgerung?
Man würde etwa sagen, ich
schließe auf die Art des Sinnesdatums, oder
Gesichtsbilds; so, als lautete der Schluß:
“Also ist das Bild in seinem Geiste
so”; und nun
müßte man es etwa plastisch
darstellen. |
1095.
Ist es denn so: “Ich habe das Zeichen
‘’ immer als ein Sigma gelesen; nun sagt mir
Einer, es könnte auch ein umgelegtes M
sein, und ich kann es jetzt auch so sehen; –
daher habe ich es also früher immer als
Sigma
gesehen”?
Ich habe also, hieße das, nicht nur die Figur
gesehen und sie so gelesen, sondern ich habe sie auch als
das gesehen! |
1096.
“Aber wie konnte ich wissen, daß ich so reagiert
hätte wenn Du mich gefragt
hättest?”
– Wie?
Es gibt kein Wie.
Aber es gibt Anzeichen dafür, daß ich darin recht
habe, es zu sagen. |
1097.
Ich will beschreiben, was ich sehe; ich fertige dazu ein Transparent
an.
Aber nun fragt man mich noch “Ist dies
vorn und dies hinten?”
Also beschreibe ich durch Worte, oder durch ein Modell, was ich vorn,
was hinten sehe.
Und nun fragt man mich noch “Und siehst Du
diesen Punkt als Spitze des Dreiecks?” und
ich muß auch das noch beantworten. –
Aber muß ich darauf eine Antwort haben? –
Nimm an, obwohl es nicht wahr ist, daß die Blickrichtung den Aspekt
bestimmt.
Und in einem Fall ist meine Blickrichtung || mein Blick
stets auf den gleichen
Punkt des Bilds gerichtet, in einem andern Fall bewegt er sich
regelmäßig nach einem einfachen
Gesetz, in einem dritten wandert er regellos über
das Objekt hin und her.
Wenn wir nun statt einer Beschreibung des Aspekts die der
Blickrichtung setzen, wäre es keine Beschreibung,
zu sagen, die Blickrichtung sei regellos, oder unbestimmt?
Und das könnte sogar der
gewöhnliche Fall sein. –
Auf die Frage also “Sahst Du diesen –291– Punkt als Spitze des
Dreiecks?” kann die Antwort sein “Ich kann
keinen bestimmten Aspekt nennen”, oder etwa “Ich hab
es jedenfalls nicht so gesehen”. |
1098.
Was tat || leistete übrigens die
Hypothese von der Wichtigkeit der Blickrichtung für
uns? –
Sie lieferte uns ein Bild von bestimmter
Mannigfaltigkeit. |
1099.
Eigentlich aber ist so eine Theorie die Konstruktion eines
psychologischen Modells einer psychologischen
Erscheinung.
Und daher eines psychologischen Modells.
Die Theorie sagt eigentlich: “Es könnte so sein: ....” Und der Nutzen der Theorie ist, daß sie einen Begriff illustriert. Sie kann ihn aber besser und schlechter illustrieren; mehr, oder weniger zutreffend. Die Theorie ist also sozusagen eine Notation für diese psychologische Erscheinung. || für diese Art der psychologischen Erscheinung. |
2000.
Wenn wir also die ‘Erklärung fallen
lassen’ – wenn wir sagen, daß uns ja
schließlich die
Erklärung
gleichgültig ist – so bleibt eine
grammatische Feststellung übrig.
Sie betrifft den Gebrauch der Aussage “Ich sehe nun einen
bestimmten Gesichtsausdruck im Bild.” |
2001.
Weist das Thema auf nichts außer
sich?
Oh ja!
Das heißt aber: – Der Eindruck,
den es mir macht, hängt mit Dingen
in seiner Umgebung zusammen – z.B. mit der
Existenz unserer Sprache und ihrer Intonation, das
heißt aber, mit dem ganzen Feld unserer
Sprachspiele.
Wenn ich z.B. sage: Es ist, als ob hier ein Schluß gezogen würde, oder, als ob hier etwas bekräftigt würde, oder, als ob dies eine Antwort auf das Frühere wäre, – so setzt mein Verständnis eben die Vertrautheit mit Schlüssen, Bekräftigungen, Antworten, voraus. |
2002.
Ein Thema hat nicht weniger einen Gesichtsausdruck, als ein
Gesicht. |
2003.
“Die Wiederholung ist
notwendig”.
In wiefern ist sie notwendig?
Nun, singe es, so wirst Du sehen, daß ihm erst die Wiederholung seine
große Kraft gibt. –
Ist es uns denn nicht, als
müsse hier eine Vorlage
für das Thema in der Wirklichkeit existieren,
und das Thema käme ihr nur dann nahe, –292–
entspräche ihr nur, wenn dieser Teil wiederholt
würde?
Oder soll ich die Dummheit sagen: “Es klingt eben
schöner mit der Wiederholung”?
Und doch ist da eben kein Paradigma
außerhalb des Themas.
Und doch ist auch wieder ein Paradigma
außerhalb des Themas:
nämlich der Rhythmus unserer Sprache, unseres
Denkens und Empfindens.
Und das Thema ist auch wieder ein neuer Teil unserer
Sprache, es wird in sie einverleibt; wir lernen eine neue
Gebärde. |
2004.
Das Thema ist in Wechselwirkung mit der Sprache.
|
2005.
“Eine ganze Welt des Schmerzes liegt in diesen
Worten.”
Wie kann sie in ihnen liegen? –
Sie hängt mit ihnen
zusammen.
Die Worte sind wie die Eichel aus der ein Eichbaum wachsen
kann.
Aber wo ist das Gesetz niedergelegt, wonach aus der Eichel der Baum wächst? Nun, das Bild ist durch die Erfahrung unserem Denken einverleibt. || Die Erfahrung hat das Bild unserem Denken einverleibt. |
2006.
“Wo spürst Du den
Kummer?”
– In der Seele. –
– Und wenn ich hier einen Ort angeben
müßte,
würde ich in die Magengegend zeigen.
Bei der Liebe auf die Brust und bei einem Einfall auf den Kopf.
|
2007.
“Wo spürst Du den
Kummer?”
– In der Seele. –
– Was heißt das nur? –
– Was für Konsequenzen ziehen wir aus dieser
Ortsbestimmung? || Ortsangabe?
Eine ist, daß wir nicht von einem
körperlichen Ort des Kummers reden.
Aber wir deuten doch auf unsern Leib, als
wäre der Kummer in ihm.
Ist das, weil wir ein körperliches Unbehagen
spüren?
Ich weiß die Ursache nicht.
Aber warum soll ich annehmen, sie sei ein leibliches
Unbehagen? |
2008.
Denk Dir folgende Frage: Kann man sich einen Schmerz, etwa
von der Qualität des rheumatischen Schmerzes, denken,
aber ohne Örtlichkeit?
Kann man sich ihn vorstellen?
Wenn Du anfängst, darüber nachzudenken, so siehst Du wie sehr Du das Wissen um den Ort des Schmerzes in ein Merkmal des Gefühlten verwandeln möchtest, in ein Merkmal eines Sinnesdatums, des privaten Objekts, das vor meiner Seele steht. –293– |
2009.
Ich sage, dem Kummervollen scheine die ganze Welt
grau. –
Aber was vor seiner Seele stünde,
wäre dann nicht Kummer, sondern eine graue Welt;
gleichsam die Ursache des Kummers. |
2010.
Etwas als Farbverschiedenheit – und anderseits als Schatten bei
gleicher Farbe wahrnehmen.
Ich frage “Hast Du die Farbe des Tisches vor Dir
wahrgenommen, den Du die ganze Zeit anschaust?”
Er sagt “Ja”.
Aber er hätte den Tisch als
“Braun” beschrieben, und hat nicht bemerkt, daß sich in
seiner glänzenden Platte der
grüne Vorhang spiegelt. –
Hat er nun nicht den grünen Gesichtseindruck
gehabt?
“Ist die Wand vor Dir gleichmäßig gelb?” – “Ja”. Aber sie ist teils beschattet und schaut beinahe grau aus. Was sah nun der, der die Wand anschaute? Soll ich sagen, eine gleichmäßig gelbe Fläche, die freilich unregelmäßig beschattet ist? Oder: gelbe und graue Flecken? |
2011.
Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß wir uns so gut
wie nie der Undeutlichkeit der Peripherie unseres Gesichtsfeldes
bewußt sind || werden.
Wenn Leute z.B. vom Gesichtsbild reden, denken
sie zumeist nicht daran; und wenn man von einer Darstellung
des Gesichtseindrucks durch ein Bild redet, so sieht man hierin keine
Schwierigkeit.
Das ist sehr wichtig. |
2012.
“Was ich wahrnehme, ist dies
–” und nun folgt eine Form der
Beschreibung.
Dies könnte man auch so
erklären: Denken wir uns eine direkte
Übertragung des
Erlebnisses!
– Aber was ist nun unser Kriterium dafür, daß
das Erlebnis wirklich übertragen wurde?
“Nun, er hat einfach dasselbe, was ich habe.”
– Aber wie ‘hat’ er
es? |
2013.
Denk an die Mannigfaltigkeit der physikalischen
Experimente.
Wir messen z.B. die Temperatur; aber nur in einer
bestimmten allgemeinen Technik ist dieses Experiment eine
Messung der Temperatur. –
Interessierte uns also die Mannigfaltigkeit der
(physikalischen) Messungen, ich meine der Messungsarten, so
interessierte uns die Mannigfaltigkeit der Methoden,
der Begriffe. |
2014.
Wie kannst Du den Kummer betrachten?
Indem Du kummervoll bist?
Indem Du Dich durch nichts von Deinem Kummer ablenken
läßt? || durch nichts in Deinem –294– Kummer zerstreuen
läßt?
Beobachtest Du also das Gefühl, indem Du es
hast?
Und wenn Du jede Ablenkung fern hältst, –
beobachtest Du dann eben diesen Zustand? oder den
andern, in dem Du vor der Beobachtung warst.
Beobachtest Du also Dein Beobachten? |
2015.
Denk, jemand fragte “Was wird alles in der Physik
gemessen?”
Nun könnte man
aufzählen: Längen, Zeiten,
Lichtstärken, Gewichte, etc.
Aber könnte man nicht sagen: Du erfährst mehr, wenn Du fragst “Wie wird gemessen?”, statt “Was wird gemessen?” Tut man dies, mißt man so, so mißt man die Temperatur, – tut man jenes, mißt man so: eine Stromstärke. |
2016.
Aber besteht nicht der Kummer aus allerlei
Gefühlen?
Ist er nicht ein Konglomerat von
Gefühlen?
Könnte man also sagen, er besteht aus den
Gefühlen A, B, C, etc. –
wie Granit aus Feldspat, Glimmer und Quartz? –
So sage ich also von dem, er sei kummervoll, der die
Gefühle.... hat?
Und wie weiß ich, daß er sie hat?
Teilt er sie uns mit? |
2017.
Der Kummer ist doch ein seelisches Erlebnis.
Man sagt, man erlebe Kummer, Freude,
Enttäuschung.
Und dann scheinen diese Erlebnisse wirklich zusammengesetzt
und über den ganzen Körper
verteilt.
Das Hochaufatmen der Freude, das Lachen, Jubeln, die Gedanken an das Glück, – ist nicht das Erleben alles dessen die Freude? Weiß ich also, daß er sich freut, weil er mir mitteilt, er fühle sein Lachen, fühle und höre sein Jubeln, etc., – oder weil er lacht und jubelt? Sage ich || ich “Ich bin glücklich”, weil ich alles das fühle? |
2018.
Die Worte “Ich bin
glücklich” sind ein
Freude-Benehmen. |
2019.
Und wie kommt es, daß ich – wie James sagt – eine
Freude-Empfindung habe, wenn ich
bloß ein freudiges Gesicht mache; eine
Gramempfindung, wenn ein grämliches?
Daß ich also diese Empfindungen hervorrufen kann, indem ich ihren
äußern Ausdruck
nachahme?
Zeigt das, daß die Muskelempfindungen der Gram, oder ein Teil des Grams
sind? –295– |
1120.
Denk, Einer sagte: “Heb Deinen Arm, und Du wirst
fühlen, daß Du Deiner Arm hebst”.
Ist das ein Satz der Erfahrung?
Und ist es einer, wenn man sagt “Mach ein trauriges
Gesicht und Du wirst Dich traurig
fühlen”?
Oder wollte es heißen: “Fühle, daß Du ein trauriges Gesicht machst und Du wirst Traurigkeit fühlen”? und ist das ein Pleonasmus? |
1121.
Denk, ich sage: “Ja, es ist
wahr: wenn ich ein freundlicheres Gesicht mache,
fühle ich mich gleich besser”. –
Ist das, weil die Gefühle im Gesicht angenehmer
sind? oder weil es Folgen hat, dies Gesicht zu machen?
(man sagt “Kopf hoch!”) |
1122.
Sagt man: “Ich fühle mich jetzt
viel besser: das Gefühl in den
Gesichtsmuskeln und um die Mundwinkel herum ist gut”?
Und warum klingt das lächerlich,
außer etwa wenn man früher
Schmerzen in diesen Teilen hatte? |
1123.
Vergleicht man auf die gleiche Weise mein Gefühl in
den Mundwinkeln und seines – und meinen
Gemütszustand und seinen?
Wie vergleiche ich z.B. meine Druckempfindungen mit den seinen? Wie lerne ich sie vergleichen? Wie vergleiche ich unsere kinästhetischen Empfindungen, wie setze ich sie zueinander in Beziehung? Und wie die Gefühle der Trauer, Freude, etc.? |
1124.
Nun zugegeben – obwohl es höchst zweifelhaft
ist – daß das Muskelgefühl des
Lächelns ein Bestandteil des
Glücksgefühls ist; –
aber wo sind die übrigen || anderen Komponenten? –
Nun, in der Brust, im Bauch, etc.! –
Aber fühlst Du sie wirklich, oder
schließt Du nur, sie
müssen dort sein?
Bist Du Dir wirklich dieser lokalisierten Gefühle
bewußt? –
Und wenn nicht, – warum sollen sie dann
überhaupt da sein?
Warum sollst Du sie meinen, wenn Du sagst, Du
fühlst Dich glücklich?
|
1125.
Was erst durch einen Akt des Schauens
festgestellt werden müßte,
das hast Du jedenfalls nicht gemeint.
So wird eben “Trauer”, “Freude”, etc. nicht verwendet. |
1126.
Warum klingt es seltsam: “Er
fühlte für eine Sekunde
tiefen Kummer”?
Weil das so selten vorkommt?
Und wie, wenn –296– wir uns Leute
dächten, die dieses Erlebnis oft haben?
Oder solche die oft stundenlang abwechselnd für
eine Sekunde schweren Kummer und inniges Glück
empfinden. |
1127.
“Fühlst Du nicht jetzt den
Kummer....” – ist das, als fragte man:
“Spielst Du nicht jetzt
Schach?”
Eigentlich aber war die Frage eine persönliche
und zeitliche, keine philosophische. |
1128.
“‘Ich hoffe....’ – die Beschreibung meines
Seelenzustands”: Das klingt, als schaute ich
meine Seele an || als betrachtete ich meine
Seele und
beschriebe sie (wie man eine Landschaft
beschreibt).
Wenn ich nun sage: “Ich hoffe immer wieder, er
werde noch zu mir kommen” – ist das ein
Hoffnungsbenehmen?
Ist es nicht ebensowenig ein Hoffnungsbenehmen, wie die Worte:
“Ich hoffte damals, er werde kommen”? –
Soll ich also nicht sagen, es gebe zwei Arten des
Präsens vom “hoffen”?
Die eine, gleichsam, der Ausruf, die andere der
Bericht? |
1129.
Aber wenn ich nun jemandem sage “Ich hoffe sehr, er wird
zu unserer Versammlung kommen” – fragt er mich:
“Was war das: ein Bericht, oder ein
Ausruf?”
– Versteht er mich nicht, wenn er das nicht
weiß?
Und doch ist es eines, zu sagen “Ich hoffe, er wird
kommen” und ein anderes, zu sagen: “Ich
verliere die Hoffnung nicht, daß er kommen wird”.
Oder denke an diesen Ausdruck: “Ich hoffe und bete, daß er kommen möge.” |
1130.
“Ich hoffe, er wird kommen” –
könnte man sagen – bedeutet manchmal so
viel wie der Ausruf “Er wird
kommen!”, in hoffnungsvollem Ton gesprochen.
Aber von diesem Ausruf muß es kein
Perfektum geben.
Könnte man sich nicht eine Sprache denken, in der
es wohl ein Äquivalent dieses Ausrufs der Hoffnung
gibt, aber nicht die übrigen Formen des
Verbums?
In der die Menschen, wenn sie doch von der vergangenen Hoffnung reden
wollen, sich selbst zitieren; etwa sagen: “Ich sagte
‘Er wird gewiß
kommen!’” |
1131.
Man könnte sagen: Die
Aussage sagt etwas über den Geisteszustand, aus der
ich auf den Geisteszustand schließen
kann.
(Das klingt dümmer, als es ist.)
Wenn es so ist, dann sagt der Ausdruck des Wunsches
“Gib mir diesen Apfel!!” etwas
über meinen Geisteszustand.
Und ist dieser Satz also eine –297– Beschreibung dieses
Zustands?
Das wird man nicht sagen wollen. (“off with
his head!”) |
1132.
Ist der Ruf “Hilfe!” eine Beschreibung meines
Geisteszustands?
Und ist er nicht der Ausdruck eines Wunsches?
Ist er es nicht so sehr, wie irgend
einer? |
1133.
Ich sage zu mir selbst: “Ich hoffe und hoffe immer
noch, obwohl....” –dabei schüttle ich
gleichsam über mich selbst den Kopf.
Das heißt etwas ganz anderes als einfach
“Ich hoffe ....!”
(Der Unterschied im Englischen zwischen “I am
hoping” und “I
hope”.) |
1134.
Und was beobachtet, der die eigene Hoffnung beobachtet?
Was würde er berichten?
Verschiedenes.
“Ich hoffte täglich, .... Ich
stellte mir vor .... Ich sagte mir jeden Tag .... Ich
seufzte..... Ich ging jeden Tag diesen Weg, in der Hoffnung
....” |
1135.
Das Wort “beobachten” ist hier schlecht
angebracht.
Ich versuche mich an dies und das zu erinnern. |
1136.
Wer sich seiner Hoffnung erinnert, erinnert sich
übrigens deshalb nicht an ein Benehmen, auch nicht
notwendigerweise an Gedanken.
Er sagt – er weiß – er habe damals
gehofft. |
1137.
Der Satz “Ich wünsche Wein zu
trinken” hat ungefähr den gleichen Sinn
wie “Wein her!”
Niemand wird dies eine Beschreibung nennen;
Ich kann daraus aber entnehmen, daß, der es sagt,
darauf erpicht ist, Wein zu trinken, daß er jeden Augenblick zu
Tätlichkeiten übergehen kann,
wenn man ihm seinen Wunsch verweigert – und dies wird man einen
Schluß auf seinen Seelenzustand nennen.
|
1138.
Ist “Ich glaube....” eine Beschreibung meines
Seelenzustands??
– Nun, was ist eine solche Beschreibung?
Etwa: “Ich bin traurig”,
“Ich bin guter Stimmung”, vielleicht
“Ich habe Schmerzen”. |
1139.
Es wäre verhängnisvoll das
Moore'sche
Paradox für etwas zu halten, was nur im Bereich des
Seelischen vorkommen kann. –298– |
1140.
Ich will zuerst sagen, daß man mit der Behauptung “Es
wird regnen” dem Glauben daran ebenso
ausdrückt, wie den Wunsch, Wein zu kriegen, mit den
Worten “Wein her!”
Man könnte auch so sagen:
“¤Ich glaube, p” heißt
ungefähr dasselbe wie “P”;
und daß im ersten Satz das Verbum “glaube” und das
Pronomen “Ich” stehen, darf uns nicht
irren.
Wir sehen daraus nur klar, daß die Grammatik von “Ich
glaube” sehr verschieden ist von der von “Ich
schreibe”.
Aber wenn ich das sage, sage ich damit nicht, daß hier nicht auch große Ähnlichkeiten bestehen können; und ich sage nicht, welcher Art die Verschiedenheiten sind. ((reelle und imaginäre Einheit.)) Bedenk nämlich, daß es sich um Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten von Begriffen, nicht von den Phänomenen handelt. |
1141.
Man kann das Seltsame sagen: “Ich glaube, es wird
regnen” heißt etwas
Ähnliches, wie “Es wird
regnen”, aber “Ich glaubte damals, es werde
regnen” nicht etwas Ähnliches wie
“Es hat damals geregnet”.
Aber was heißt das nun, der erste Satz habe ungefähr den gleichen Sinn wie der zweite? Heißt es, die beiden brächten in meinem Geist den gleichen Gedanken hervor? (das gleiche Gefühl?) – |
1142.
“Ich will so denken, und nicht
so”.
Und ‘so’ und
‘das’ sind, so seltsam das klingen mag,
nicht scharf voneinander geschieden. |
1143.
Wie Du das Wort “Gott”
verwendest, zeigt nicht, wen Du meinst, sondern was Du
meinst. |
1145.
Was heißt es “Ich glaube,
p” sage ungefähr dasselbe, wie
“P”?
Wenn Einer den ersten und zweiten Satz sagt, reagieren wir
ungefähr in der gleichen Weise; wenn ich den ersten
Satz sage und Einer verstünde die Worte
“Ich glaube” nicht, würde
ich den Satz in der zweiten Form wiederholen,
usf.
Wie ich auch “Ich wünsche, daß Du
dort hingehst” mit “Geh dort
hin!” erklären
würde. –299– |
1146.
Moores Paradox kann man so aussprechen:
“Ich glaube p” sagt
ungefähr dasselbe wie “P”;
aber “Angenommen, ich glaube p … ”
sagt nicht ungefähr dasselbe wie
“Angenommen p ....”
Kann man die Annahme, ich wünsche etwas, verstehen, ehe man die Äußerung des Wunsches versteht? – Das Kind lernt zuerst, den Wunsch äußern, und später erst, annehmen, es wünsche das und das. |
1147.
“Angenommen, ich habe Schmerzen....”– das ist keine
Schmerzäußerung und also kein
Schmerzbenehmen.
Das Kind, das das Wort “Schmerz” als Ausruf lernt, das dann anfängt von einem vergangenen Schmerz zu erzählen, – es kann eines schönen Tages erzählen “Wenn ich Schmerzen habe, kommt der Arzt”. Hat nun in diesem Prozeß des Lernens das Wort “Schmerz” seine Bedeutung geändert? Es hat seine Verwendung geändert; aber man muß sich sehr hüten davor, diesen Wechsel zu deuten als einen Wechsel des Gegenstands, der nun dem Wort entspricht. |
1148.
Denk Dir, “Ich glaube....” durch eine Malerei
dargestellt.
Wie könnte ich mir das vorstellen?
Das Bild würde etwa mich zeigen und irgendein
Bild in meinem Kopf.
Es kommt nicht darauf an, welchen Symbolismus es verwendet.
Das Bild dessen, was ich glaube,
z.B., daß es regnet – wird darin
vorkommen.
Meine Seele wird vielleicht dieses Bild ergreifen,
festhalten, und dergleichen. –
Und nun nehmen wir an, dieses Bild würde als die
Behauptung “Es regnet”
verwendet.
Nun, darin ist noch nichts Seltsames.
Soll ich sagen, es sei nun viel an dem Bild
überflüssig?
Das möchte ich nicht sagen.
|
1149.
“Im Grunde genommen beschreibe ich mit diesen Worten den
eigenen Geisteszustand, – aber diese Beschreibung ist hier indirekt
eine Behauptung des geglaubten Tatbestandes
selbst.”
– – Wie ich, unter Umständen, eine Photographie
beschreibe, um so die Gegenstände || das zu
beschreiben, wovon die Photographie eine Aufnahme ist. –300– |
1150.
Aber wenn diese Analogie Stich hielte,
müßte ich noch sagen
können, daß diese Photographie (der Eindruck auf
meinem Geist)
verläßlich ist.
Ich müßte also sagen
können: “Ich
glaube, daß es regnet, und mein Glaube ist
verläßlich, also verlasse ich
mich auf ihn.”
So, als wäre mein Glaube eine Art
Sinneseindruck. |
1151.
Sagst Du etwa: “Ich glaube es, und da ich
zuverlässig bin, wird es auch || wohl
so sein”?
Das wäre, als sagte man: “Ich
glaube es – also glaub ich's.” |
1152.
Wie man durch die gleiche Tätigkeit bald die
Länge des Tisches messen, bald den
Maßstab nachprüfen, bald den
Messenden auf seine Genauigkeit beim Messen prüfen
kann, so kann eine Behauptung mir dazu dienen, mich
über ihren Inhalt zu informieren, oder
über den Charakter, oder den Seelenzustand des
Behauptenden. |
1153.
Man könnte wohl sagen: “Er
kommt, aber ich kann es noch immer nicht glauben!”
– “Er kommt!
Ich kann's nicht glauben!” |
1154.
Denk Dir einen Ausrufer in einer Station, der
plangemäß einen Zug
ankündigt, aber – vielleicht ohne
Grund überzeugt ist, daß er nicht
eintreffen wird.
Er könnte ankündigen:
“Der Zug № .... wird um
..... Uhr einfahren.
Ich persönlich glaube es nicht.”
|
1155.
Wie wäre es, wenn ein Soldat
militärische Meldungen machte, die auf
Grund der Beobachtungen berechtigt
wären; er fügt ihnen aber
bei, er glaube, sie seien unrichtig. –
Fragen wir uns nicht, was im Geiste dessen, der so spricht, vor sich
gehen kann, sondern, ob Andere etwas mit dieser Meldung
anfangen können, und was. |
1156.
Die Meldung ist ein Sprachspiel mit diesen Worten.
Es würde Verwirrung erzeugen, wenn wir
sagten: Die Worte der Meldung, der gemeldete Satz habe einen
bestimmten Sinn, und das Melden, die ‘Behauptung’,
füge diesem noch einen hinzu.
So, als ob der Satz, von einem Grammophon ausgesprochen,
der reinen Logik angehörte, als ob er hier den rein
logischen Sinn hätte, als ob wir hier den
Gegenstand vor uns hätten, den Logiker in die Hand
nehmen und betrachten, – während der
–301– behauptete,
gemeldete Satz das Ding im Handel ist, || .
Wie man sagen kann: der Botaniker betrachtet eine Rose als
Pflanze, nicht als Schmuck des Kleides, oder Zimmers oder als
zarte Aufmerksamkeit.
Der Satz, will ich sagen, hat keinen Sinn
außerhalb des Sprachspiels.
Das hängt damit zusammen, daß
er nicht eine Art Name ist.
So daß man sagen könnte:
“‘Ich glaube … ’ – das ist
so” wobei man (in sich etwa) auf das deutet,
was dem Satz seine Bedeutung gibt. |
1157.
Ist es eine Tautologie, zu melden: “Die Reiter werden
sofort eintreffen; und ich glaube es”? |
1158.
Das Paradox ist dies: Die Annahme kann man so
ausdrücken: “Angenommen, es ginge
das in mir und das
außerhalb mir vor” – – die
Behauptung aber, es gehe das in mir vor,
sagt: es gehe das außerhalb mir
vor.
In der Annahme sind die beiden Sätze
über das Innere und das
Äußere ganz
unabhängig, in der Behauptung aber nicht.
|
1159.
Liegt nun das im Wesen des Begriffs “glauben”?
Gewiß. |
1160.
Denk Dir, Einer sagte “Ich wünsche”,
– will aber nicht, daß mein Wunsch
befriedigt werde. –
(Lessing:
“Wenn Gott in seiner Rechten
....”)
Kann man also Gott bitten, den Wunsch zu
geben, und ihn nicht zu
erfüllen? |
1161.
Da scheint es ja also, als wäre die Behauptung
“Ich glaube …” nicht die
Behauptung dessen, was die Annahme “ich glaube”
annimmt! |
1162.
Sieh's nicht als
selbstverständlich an, sondern als etwas sehr
Bemerkenswertes, daß die Verben
“glauben”, “hoffen”,
“wünschen”, “beabsichtigen”
u.s.w., alle die
grammatischen Formen aufweisen, die “essen”,
“reden”, “schneiden” auch haben.
|
1163.
Denk, ich wäre das Zwitterwesen, das aussprechen könnte
“Ich glaube nicht, daß es
regnet; und es regnet”. –
Aber wozu dienen nun diese Worte?
Welche Verwendung denke ich mir von ihnen 302 gemacht?
“Er kommt.
Ich¤ persönlich glaube es nicht, aber
laß dich das nicht beirren.”
– “Er kommt, verlaß Dich
drauf.
Ich glaube es nicht; aber laß dich
das nicht beirren.”
Das klingt, als ob zwei Personen aus mir sprächen; oder als ob eine
Instanz in mir dem Andern die Mitteilung machte, er komme, und diese
Instanz wünscht, der Andere solle dementsprechend handeln, – während
eine andere Instanz im gewissen Sinne mein eigenes
Verhalten ankündigt.
Es ist so, als sagte man: “Ich
weiß, daß diese
Handlungsweise falsch ist, weiß aber,
daß ich so handeln
werde.” || “Ich
weiß, daß das ganz falsch ist,
kann aber nicht anders handeln.”
“Er kommt, aber ich glaube es nicht”, kann also in einem Sprachspiel vorkommen. Oder besser: “Es läßt sich ein Sprachspiel ausdenken, worin diese Worte uns nicht absurd vorkämen.” |
1164.
Ein Voltmeter, statt die Spannung durch Zeiger und
Zifferblatt anzuzeigen, könnte sie mit Hilfe einer
Grammophonplatte aussprechen.
Das Instrument sagt etwa, wenn man einen Knopf drückt (es
befragt) “Die Spannung beträgt ....”
Könnte es nun auch Sinn haben, das Voltmeter sagen zu lassen:
“Ich glaube, die Spannung beträgt
....”?
– So einen Fall kann man sich schon denken.
Soll ich nun sagen, das Instrument sage etwas über sich selbst aus, – oder über die Spannung? Soll ich sagen,¤ das Instrument sage immer etwas über sich selbst aus? Und wenn es z.B. eine höhere Ablesung der Spannung wiederholen kann: es habe geglaubt, die Spannung sei .... gewesen? |
1165.
Oder sagen wir's so: Soll ich sagen, ein Voltmeter
zeigt etwas über sich selbst an, oder die Spannung?
Kann ich nicht beides sagen?
Nämlich jedes unter verschiedenen Umständen? 303 |
1166.
Haben “Hilfe!” und “Ich brauche
Hilfe” verschiedenen Sinn; ist es nur eine Rohheit unserer
Auffassung, daß wir sie als
gleichbedeutend betrachten?
Heißt es immer, etwas zu sagen:
“Genau genommen war, was ich meinte, nicht
“Hilfe!”, sondern ‘Ich wünsche
Hilfe’”.
Der schlimmste Feind unseres Verständnisses ist hier die Idee, das
Bild, eines ‘Sinnes’ dessen was wir reden, in unserm
Geiste. |
1167.
Die Behauptung “Er wird kommen” spielt nicht auf
den Behauptenden an.
Aber auch nicht auf die Worte der Behauptung, während “‘er wird kommen’ ist ein wahrer Satz” auf die
Worte anspielt und den gleichen Sinn hat wie der Satz, der dies nicht
tut. |
1168.
Könnte man von dem Sinn der Worte “daß er
kommen wird” reden?
Denn diese Worte sind recht eigentlich die
Frege'sche
‘Annahme’.
Nun, könnte ich Einem nicht erklären, was dieser Wortausdruck
bedeutet?
Doch wohl, in dem ich ihm erkläre, oder
zeige, wie er verwendet wird. |
1169.
Die Schwierigkeit wird unüberwindlich, wenn Du denkst, der Satz
“Ich glaube ....” sage etwas über den Zustand
meiner Seele aus.
Wäre es so, so müßte man das
Mooresche Paradox reproduzieren können, wenn man statt über den
Zustand der eigenen Seele, etwas über den Zustand des Gehirns etwa
aussagte.
Der Witz ist aber eben,
daß keine Behauptung über den Zustand meines
Gehirns (oder wessen immer) der Behauptung, die ich
glaube, || – “Er wird
kommen” z.B.– gleichkommt.
|
1170.
Fassen wir aber nun dennoch die Behauptung
Er glaubt p) als
Aussage über seinen Zustand
auf, aus der jedenfalls hervorgeht, wie er sich unter gegebenen
Umständen verhalten wird!
Gibt es denn nun zu so einer Aussage keine erste Person des
Präsens?
Kann ich denn also nicht von 304 mir selbst aussagen, ich sei jetzt in einem
Zustand, in welchem die und die sprachlichen, und anderen, Reaktionen
wahrscheinlich sind?
Ähnlich ist es jedenfalls, wenn
ich sage, “Ich bin jetzt sehr irritabel.”
Ähnlich könnte ich auch sagen
“Ich glaube jetzt jede schlimme Nachricht sehr
leicht.” |
1171.
Würde nun ein Satz, welcher aussagt, ich – oder mein Gehirn –
sei jetzt in einem so gearteten Zustand, daß ich
auf die Frage “Wird er kommen” mit
“Ja” antworte, und die und die anderen Reaktionen
aufweise﹖, – würde so ein Satz der Behauptung gleichkommen “Er wird
kommen”? Man könnte hier fragen: “Wie denkst Du Dir denn, daß ich über diesen meinen Zustand unterrichtet bin? – Durch Erfahrung etwa? Will ich also, aus der Erfahrung, voraussagen, ich werde jetzt so eine Frage immer so beantworten, etc.?” Ist es so und mache ich in diesem Sinne die Aussage “ich glaube, er wird kommen” und füge hinzu “und er wird nicht kommen”, so ist das nur insofern ein Widerspruch wie etwa dies einer ist: “Ich kann kein viersilbiges Wort aussprechen”, oder dies: “Ich kann keinen einzigen deutschen Satz sagen.” Wenn dies letztere eine Art Widerspruch ist, so ist es doch nicht die Annahme: “Angenommen ich könnte keinen einzigen deutschen Satz sagen”. |
1172.
Daß er das und das glaubt, ergibt
sich für uns aus der Beobachtung seiner Person, aber die Aussage
“Ich glaube ....” macht er nicht auf
Grund der Selbstbeobachtung.
Und darum kann “Ich glaube
p” äquivalent sein der Behauptung von
“p”.
Darum auch die Frage “Ist es so?”
Dem Satz “Ich möchte wissen, ob es
so ist.” |
1173.
“Dies Gesicht hat einen ganz bestimmten Charakter
–” heißt eigentlich: es
ließe sich viel darüber sagen.
305
Wann sagt man dies?
Was berechtigt einen dazu?
Ist es eine bestimmte Erfahrung?
Weiß man schon, was man sagen wird; hat man
sich's schon im Stillen vorgesagt?
Ist die Situation nicht ähnlich wie die: “Jetzt
weiß ich weiter!” |
1174.
Wir kennen Alle den Vorgang des momentanen Wechsels des
Aspekts; – aber wie, wenn man nun fragte:
Hat
A den Aspekt a nun fortwährend vor Augen – wenn nämlich
kein Aspektwechsel eingetreten
ist?
Kann der Aspekt nicht, so zu sagen, frischer oder
unbestimmter || welker werden?
– Und wie seltsam, daß ich das
frage! |
1175.
Es gibt so etwas, wie ein Aufflackern des Aspekts.
So, wie man etwas mit intensiverem und weniger intensiven Ausdruck
spielen kann.
Mit stärkerer Betonung des Rhythmus und der Struktur,
oder weniger starkem. |
1176.
Das als eine Variante von dem sehen,
hören.
Da ist also der Moment, wo ich beim Anblick von A an B
denke, wo dieses Sehen, so zu sagen, akut ist, und dann die Zeit, in der es
chronisch ist. |
1177.
Das psychologische || seelische
Phänomen nicht erklären, sondern
hinnehmen, ist das schwere. – |
1178.
“F” als Variation verschiedener
Figuren, || .
Wenn ich mir denke, daß in meinem Geist das
Paradigma, als dessen Variante ich das Objekt sehe,
irgendwie beim Sehen gegenwärtig ist, dann könnte es (doch) bald
deutlicher, bald undeutlicher gegenwärtig || da sein, und
es könnte auch ganz verschwinden. 306. |
1179.
Denk dir zwei Leute: der eine hat in der Jugend das
“F” so gelernt , – der Andere, wie
wir .
Wenn nun die Beiden das Wort
“Figur” lesen, – muß ich sagen,
habe ich Grund zu sagen, sie sähen Jeder das
“F” anders?
Offenbar nein.
Und könnte es nicht doch sein,
daß der Eine von ihnen, wenn er
hört, wie der Andere diesen Buchstaben schreiben und
lesen gelernt hat, sagt: “So hab ich
ihn nie angesehen, sondern immer so”?
Und ferner wird es wohl Situationen geben, in denen ich, was einer dieser Leute tut, oder sagt, so erklären werde: “Er betrachtet nämlich diesen Buchstaben als Variante von ....” |
1180.
Das ist sicher, daß man sagen
kann: “Ich habe das noch nie so
gesehen”.
Hier ist das “nie” unzweifelhaft. –
Sagst Du aber “Ich habe das immer so
gesehen”, so ist dies “immer” nicht
gleichermaßen sicher.
Und daran ist natürlich garnichts Merkwürdiges, wenn
man statt “gesehen”
“aufgefaßt” sagt. |
1182.
Es ist, als wäre in meinem Geist ein Paradigma,
eine Vorlage gegenwärtig, wenn ich das
Zeichen || den Schriftzug
sehe.
Aber was für eine Vorlage?? wie sieht
sie aus?
Doch nicht eben, wie das Zeichen selbst!
– Also wie das Zeichen, so gesehen?
– Aber wie gesehen?
Wie soll ich den Aspekt notieren?
Nun, wie notieren wir ihn denn; wie verständigen
wir uns über ihn?
Ich sage etwa: “Das Zeichen, wie ich's
sehe, schaut nach rechts”.
Ich könnte sogar von einer Art
visuellem Schwerpunkt reden, – sagen: Der
Schwerpunkt des Zeichens befindet sich hier.
Kann ich erklären, was ich damit meine?
Nein. –
Aber diese meine Reaktion kann ich mit Reaktionen Anderer
vergleichen. |
1183.
Bin ich mir stets der Verschwommenheit der Ränder
meines Gesichtsfelds bewußt?
Soll ich sagen: “Fast nie”, oder
“Nie”? |
1184.
In einem andern Gedankenraum – möchte man sagen
– schaut das Ding anders aus. |
1185.
Man könnte sich in der Musik eine Variation auf ein
Thema denken, die, etwa ein wenig anders phrasiert, als eine ganz
andere Art der Variation des Thema
aufgefaßt werden kann.
(Im Rhythmus gibt es solche Mehrdeutigkeiten.)
Ja, was ich meine, findet sich wahrscheinlich
überhaupt immer, wenn eine
Wiederholung das Thema in ganz anderem Licht erscheinen
läßt. 308. |
1186.
Kein Aspekt, der nicht (auch) Auffassung ist. |
1187.
Angenommen Einer sagte mir: “Es hat sich jetzt etwas
an dem Bild verändert – ich
kann's nicht anders ausdrücken –
obwohl die Form die gleiche ist wie früher.
Ich kann nur sagen: früher war es eine
Art , jetzt ist es eine Art ”.
Wenn er das sagte, könnte ich
nicht doch bezweifeln, daß er die
Figur immer, ununterbrochen, so
gesehen und sie nicht nur nie anders
aufgefaßt hat? || ,
könnte ich nicht doch
mißtrauisch sein und bezweifeln,
daß er die
Figur immer, ununterbrochen, so
gesehen und sie nicht nur nie anders
aufgefaßt hat? |
1188.
Denk Dir, das Kind, wenn es den Buchstaben “R”
gelernt hat, sagte uns: “Ich sehe es immer als ein
‘R’”.
Was könnte uns das mitteilen??
– Ja, auch wenn es uns sagte, “Ich sehe es immer
als er ein ‘P’ mit einer schiefen
Stütze”, würde uns
das nur sagen: so faßt das Kind es auf, so
erklärt es sich den Buchstaben, und
dergleichen.
Erst wenn es vom Wechseln des Aspekts spräche,
würden wir sagen, nun sei es jenes
Phänomen … |
1189.
Sagt Einer “Ich sehe es immer
so”, so muß er das
“So” angeben.
Angenommen, er täte das, indem er den Strichen
der Figur einer bestimmten Reihenfolge, oder in einem bestimmten
Rhythmus nachführe.
Das wäre
ähnlich, als sagte er uns:
“Ich folge der Figur mit den Augen immer
so”.
Und da könnte es
natürlich sein, daß ihn sein
Gedächtnis
täuscht. 309. |
1190.
Sagt er “Ich sehe (jetzt) die Figur
so” und fährt ihr in
bestimmter Weise nach, – so
müßte das
nicht sowohl eine Beschreibung sein, als, sozusagen, dies Sehen
selbst.
Sagt er aber “Ich habe sie immer so gesehen”, so heißt das, er habe sie nie anders gesehen, und da mag er sich täuschen. |
1191.
Nein, das Paradigma schwebte mir nicht ständig
vor – – aber wenn ich den Wechsel des Aspekts beschreibe, dann
beschreibe ich ihn mittels der Paradigmen. || dann
geschieht das mit Hilfe der Paradigmen. || Nein, das Paradigma schwebte mir nicht ständig vor; ich wollte nichts Derartiges sagen – – aber wenn ich den Wechsel des Aspekts beschreibe, dann beschreibe ich ihn mittels der Paradigmen. |
1192.
“Ich habe es immer so gesehen” –
damit will man eigentlich sagen:
“Ich habe es immer so
aufgefaßt, und dieser Wechsel des
Aspekts hat nie stattgefunden.” |
1193.
“Ich habe es nie so gesehen, sondern immer
so.”
Nur ist daraus allein noch kein Satz.
Das Feld fehlt ihm noch. |
1194.
“Ich habe es immer mit diesem Gesicht
gesehen”.
Aber Du mußt noch sagen, mit
welchem.
Und sowie Du das dazu sagst, ist es nicht mehr
als hättest Du's immer
getan.
“Ich habe diesen Buchstaben immer mit einem grämlichen Gesicht gesehen”. Da kann man fragen: “Bist Du sicher, daß es 310. immer
war?”
D.h.: ist Dir die
Grämlichkeit immer
aufgefallen? |
1195.
Und wie ist es mit dem ‘Auffallen’?
Findet das in einem Moment statt, oder dauert es an? |
1196.
“Wenn ich ihn ansehe, sehe ich immer das Gesicht seines
Vaters.”
Immer?
– Aber doch nicht nur auf Augenblicke!
Dieser Aspekt kann andauern. |
1197.
Denk Dir, man sagte: “Ich sehe es jetzt immer in
diesem Zusammenhang.” – |
1198.
Absolutes und relatives Gehör:
Hier ist etwas Ähnliches: Ich
höre den Übergang von einem Ton
zum andern.
Aber nach kurzer Zeit kann ich einen Ton nicht mehr als den
höheren oder tieferen jener beiden
erkennen.
Und es müßte
auch keinen Sinn haben, von einem solchen
“Erkennen” zu reden; wenn es
nämlich kein Kriterium des richtigen
Erkennens gäbe. |
1199.
Es ist beinahe, als ob das ‘Sehen des Zeichens in
diesem Zusammenhang’ ein Nachhallen eines
Gedankens wäre. |
1200.
Von einem wirklichen oder gemalten Gesicht zu sagen “Ich
habe es immer als Gesicht gesehen”,
wäre seltsam; aber nicht: “Es
war für mich immer ein Gesicht, und ich habe es nie
als 310. etwas anderes
gesehen.” |
1202.
Wenn Einer sagt: “Ich rede von einem visuellen
Phänomen, in welchem sich wirklich das
Gesichtsbild, nämlich seine Organisation
ändert, obwohl Formen und Farben die gleichen
bleiben” – dann kann ich ihm antworten:
“Ich weiß, wovon Du
redest; ich möchte auch das sagen, was Du
sagst.” –
Ich sage also nicht: “Ja, das
Phänomen, wovon wir beide reden, ist wirklich ein
Wechsel der Organisation ....”, sondern “Ja,
dies Reden von dem Wechsel der Organisation, etc. ist die
Äußerung des Erlebnisses,
das auch ich meine. || wovon auch
ich rede. |
1203.
“Die Organisation des Gesichtsbilds ändert
sich.” –
“Ja, das möchte ich auch
sagen.”
Das ist analog dem, wenn Einer sagte, “Alles um mich kommt mir unwirklich vor” – und ein Anderer erwidert: “Ja, ich kenne dieses Phänomen. Ganz so möchte ich es || ich's auch ausdrücken.” |
1204.
“Die Organisation des Gesichtsbilds ändert
sich” hat eben nicht die gleiche Art der Anwendung, wie:
“Die Organisation dieses312.
Vereins ändert sich”.
Hier kann ich beschreiben, wie das ist,
wenn sich die Organisation unseres Vereins
ändert. |
1205.
“Es ist mir nie aufgefallen, daß man die
Figur so sehen kann”: folgt daraus,
daß es mir aufgefallen ist, oder
daß ich wußte,
daß man sie so sehen konnte, wie ich sie
immer gesehen habe? |
1206.
Ich höre einen Ton – höre
ich also nicht, wie laut er ist? – –
Ist es richtig, zu sagen: wenn ich den Ton
höre, müsse ich mir des
Grades seiner Lautheit bewußt sein? –
Anders ist es, wenn seine Stärke sich
ändert. |
1207.
Es würde auf dem ersten Blick
so erscheinen: Jemand kommt darauf, daß man ein
F auch als T mit einem Anhängsel sehen
kann; er sagt “Jetzt sehe ich's als T,
etc., jetzt wieder als
F.”
Daraus scheint zu folgen, daß er's das zweite
Mal so sieht, wie er es vor seiner Entdeckung
immer gesehen hat. –
Daß also, wenn es Sinn hatte zu sagen,
“Jetzt sehe ich's wieder als
F”, es auch Sinn gehabt hätte
vor dem Wechsel des Aspekts zu sagen “Ich
sehe den Buchstaben F immer als F”. |
1208.
Wenn ich einen Satz in einem und demselben Tonfall
gehört hätte
(und oft gehört
hätte), wäre es
richtig, zu sagen, ich müsse
mir natürlich des Tonfalls
bewußt gewesen sein?
Wenn das eben dasselbe heißt wie, ich habe ihn in
diesem Tonfall gehört und spreche ihn auch immer in
diesen Tonfall nach, – dann bin ich mir des Tonfalls
bewußt.
Ich muß aber nicht wissen, daß es so etwas gibt, wie einen
‘Tonfall’, der Tonfall braucht mir nie
aufgefallen zu sein, – 313
– ich brauche auf ihn gelauscht zu
haben.
Der Begriff Tonfall mag mir ganz unbekannt sein. Die ‘Trennung’ des Tonfalls vom Satz braucht sich für mich nicht vollzogen zu haben. Ich habe also kein Sprachspiel mit dem Wort “Tonfall” gelernt. |
1209.
Wenn das Kind die Buchstaben lernt, lernt es ja nicht, sie
so und nicht anders sehen.
Soll ich nun sagen, der Mensch komme später beim
Wechsel des Aspekts drauf, daß er einen Buchstaben,
z.B. ein R, immer in der gleichen Weise
gesehen habe? –
Nun, so könnte es sein, ist aber
nicht so.
Nein, das sagen wir nicht.
Sogar, wenn Einer so etwas sagte wie, für ihn
habe der Buchstabe … immer das und das Gesicht gehabt,
würde er zugeben, daß er in vielen
Fällen beim Anblick des Buchstabens nicht an ein
Gesicht ‘gedacht’ habe. |
1210.
Soll ich nun sagen: eine ‘Art des Sehens’
assoziiere sich für uns mit einem
Buchstaben?
Gewiß nicht; außer es
heißt etwas ähnliches
wie: ein Gesicht assoziiere sich mit einem Buchstaben.
|
1211.
Denk an den Begriff “Schreibweise”.
Man kann sagen “Das ist eine interessante Schreibweise
des Buchstaben … ” – aber versteht also jeder, was
“Schreibweise” heißt, der einen
Buchstaben schreiben gelernt hat?
Ich meine: Kann Einer die Schreibweise des
S beachten, der garnicht
weiß, daß es verschiedene Schreibweisen eines
Buchstaben gibt? –
Oder spiele ich hier nur mit Worten?
Du darfst nur nicht einen zu engen Begriff des ‘Erlebens’ haben. Frag Dich etwa: Kann der eine Aussprache als vulgär empfinden, der etwa nie andere Beispiele vor sich hatte? |
1212.
“Diese Schrift ist mir unsympathisch.”
Kann dem, der gerade lesen und schreiben lernt, eine Schrift
‘unsympathisch’ sein? –
Sie kann ihn vielleicht in irgend einem Sinne
abstoßen.
Nur von dem hat es Sinn zu sagen, eine Schrift sei
ihm unsympathisch, der sich bereits allerlei Gedanken
über – 314
– eine Schrift machen kann.
|
1213.
Wäre es denkbar, daß über zwei
identischen Abschnitten eines Musikstücks
Anweisungen stünden, die uns aufforderten, es beim
ersten Mal so, beim zweiten
Mal so zu hören,
ohne daß dies auf den Vortrag irgendeinen Einfluß
ausüben sollte.
Es wäre etwa das
Musikstück für eine Spieluhr
ges– –ichen Abschnitte
wären in der gleichen Stärke
und dem gleichen Tempo zu spielen – nur
jedesmal anders
aufzufassen.
Nun, wenn auch ein Komponist so eine Anweisung noch nie geschrieben hat, könnte nicht ein Kritiker sie schrieben? Wäre so eine Anweisung nicht vergleichbar mit einer Überschrift der Programmusik (“Tanz der Landleute”)? |
1214.
Nur freilich, wenn ich Einem
“Höre es so”, so
muß er nun sagen
können: “Ja, jetzt versteh
ich's; jetzt hat es wirklich Sinn!”
(Etwas muß einschnappen.) |
1215.
Welchen Begriff von der Gleichheit,
Identität, haben wir?
Du kennst die Verwendungen des Wortes “gleich”, wenn
es sich in gleiche Farben, gleiche Klänge, gleiche
Formen, gleiche Längen, gleiche
Gefühle handelt, und Du entscheidest, ob nun
der und der Fall in diese Familie aufgenommen werden soll, oder
nicht || entscheidest, ob man nun hier auch noch von
‘Identität’ reden soll, oder
nicht. |
1216.
Was ist an der Idee abstoßend, daß wir den
Gebrauch eines Wortes studieren, Fehler in der
Beschreibung dieses Gebrauch's aufzeigen,
usw.? || Was ist es,
was an der Idee abstößt, wir studierten
den Gebrauch eines Wortes, zeigten Fehler in der
Beschreibung dieses Gebrauchs auf
usw.
Vor allem fragt man sich: Wie könnte
das uns so wichtig sein?
Es kommt drauf an, ob man ‘falsche Beschreibung’
die nennt, die nicht mit dem sanktionierten
Sprachgebrauch übereinstimmt, – oder die, die
nicht mit der Praxis des Beschreibenden
übereinstimmt.
Nur im zweiten Fall entsteht ein philosophischer
Konflikt. |
1217.
Weniger abstoßend ist die Idee: wir
machen uns, vom Denken z.B., ein falsches
Bild.
Denn hier sagt man sich: wir haben es doch mindestens mit dem
Denken, nicht mit dem Worte
“denken”, zu tun. – 315 –
Also, wir machen uns vom Denken ein falsches Bild. – Aber wovon machen wir uns ein falsches Bild; wie weiß ich, z.B., daß du Dir von dem ein falsches Bild machst, wovon auch ich mir ein falsches Bild mache? Nehmen wir an, unser Bild des Denkens wäre ein Mensch, der den Kopf in die Hand stützt und zu sich selber redet. Unsere Frage ist nicht “Ist das ein richtiges Bild?” sondern: “Wie wird dies Bild als Bild des Denkens verwendet?” Nicht: “Wir haben uns ein falsches Bild gemacht” – sondern: “Wir kennen uns im Gebrauch unseres Bildes, oder unserer Bilder, nicht aus”! Und also nicht im Gebrauch unseres || des Wortes. |
1218.
Wohl, – aber dies Wort ist doch nur insofern interessant, als es
tatsächlich für uns einen ganz
bestimmten Gebrauch besitzt, also sich bereits auf eine
gewisse Erscheinung bezieht! –
Das ist wahr.
Und das heißt: wir haben es nicht mit einer
Verbesserung der grammatischen
Konventionen zu tun. –
Aber was heißt das: “Wir
wissen Alle, auf welche Erscheinung sich das Wort
‘denken’ bezieht”?
Heißt es nicht eben: wir
können Alle das Sprachspiel mit dem Wort
“denken” spielen?
Nur erzeugt es Unklarheit, das Denken eine ‘Erscheinung’ zu nennen;
und weitere Unklarheit, zu sagen “wir machen uns von
dieser Erscheinung ein falsches
Bild”.
(“Einen falschen Begriff”
könnte man schon eher sagen.) |
1219.
Haben wir es mit dem Gebrauch des Wortes
“fünf” zu tun, so haben wir es,
in gewissem Sinne, mit dem zu tun was dem Worte
‘entspricht’; nur ist diese Ausdrucksweise
primitiv, setzt eine primitive Auffassung vom Gebrauch eines
Wortes voraus. |
1220.
Ein ‘Sprachspiel’: Man
läßt Einen ein Aroma,
z.B. das des Kaffee's nach
einer Zeichnung wählen.
Man sagt ihm: “Kaffee riecht so:
” und nun befiehlt man ihm diejenige
Flüssigkeit zu bringen, die so riecht. –
Ich nehme nun an, er brächte wirklich die
richtige.
Ich hätte also ein Mittel, durch etwas
Zeichenartiges einem Menschen Befehle zu
erteilen.
((Zusammenhang mit dem Wesen der Regel, der Technik, der
Mathematik, – der reellen Zahlen z.B.))
Dies hängt auch damit zusammen:
(“Die Henne ‘ruft’ die
Küchlein zu
sich.”) – 316 – |
1221.
“Man kann das Aroma des Kaffee's nicht
beschreiben.”
Aber könnte man sich nicht denken, daß
man's könnte?
Und was muß man sich dazu
vorstellen?
Wer sagt “Man kann das Aroma nicht beschreiben”, den kann man fragen: “Womit willst Du's beschreiben? Mit Hilfe welcher Elemente?” |
1222.
Wir sind auf die Aufgabe garnicht
gefaßt, den Gebrauch des Wortes
“Denken”, z.B., zu
beschreiben.
(Und warum sollten wir's sein?
Wozu ist so eine Beschreibung nütze?)
Und die naive Vorstellung, die man sich von ihm macht, entspricht garnicht der Wirklichkeit. Wir erwarten uns eine glatte, regelmäßige Kontur, und kriegen eine zerfetzte || zerlumpte zu sehen. Hier könnte man wirklich sagen, wir hätten uns ein falsches Bild gemacht. Es ist das beinahe, als gäbe es ein Substantiv, sagen wir “Riese”, mit Hilfe dessen man all das ausdrückt, was wir mit dem Adjektiv “groß” sagen. Das Bild, das uns beim Worte “Riese” in den Sinn käme, wäre das eines Riesen. Und nun sollte man unsere seltsame Verwendung des Wortes “groß”, mit diesem Bild vor unsern Augen, beschreiben. |
1223.
Macaulay sagt, die Dichtkunst
sei eine “nachahmende Kunst” und
gerät natürlich sogleich in die
größten Schwierigkeiten mit diesem
Begriff.
Er will beschreiben; aber jedes Bild, das sich ihm darbietet, ist
unzutreffend || stimmt
nicht, so offenbar richtig es auch auf den
ersten Blick scheint; und so seltsam es auch scheint, daß man
nicht sollte beschreiben können, was man so genau
kennt || versteht.
Hier sagt man sich: “Es muß eben so sein! – auch wenn ich nicht gleich alle Einwände beiseite schieben kann.” |
1224.
Es wäre doch sehr wohl denkbar, daß Einer sich genau
in einer Stadt auskennt, d.h., von jedem Ort der
Stadt zu jedem andern mit Sicherheit den
kürzesten Weg fände, – und
dennoch ganz außer Stande
wäre, einen Plan der Stadt zu
zeichnen.
Daß er, sobald er es versucht, nur
gänzlich Falsches
hervorbringt.
(Unser Begriff vom ‘Instinkt’.) – 317 – |
1225.
Vor allem fehlt dem, der die Beschreibung versucht, nun jedes
System.
Die Systeme, die ihm in den Sinn kommen, sind
unzureichend; und er scheint plötzlich sich in einer
Wildnis zu befinden, statt in dem wohlangelegten
Garten, den er so gut kannte.
Es kommen ihm wohl Regeln in den Sinn, aber die Wirklichkeit zeigt nichts als Ausnahmen. |
1226.
Und die Regeln des Vordergrunds machen es uns
unmöglich, die Regeln im Hintergrund zu
erkennen. || sehen.
Denn, wenn wir ihm mit dem Vordergrund zusammenhalten, sehen wir
nur widerliche Ausnahmen, also
Unregelmäßigkeit.
|
1227.
Sagen wir, es denke jeder, der sinnvoll spricht?
Z.B. der Bauende im Sprachspiel
№ 2?
Könnten wir uns nicht das Bauen und Rufen der
Wörter, etc., in einer Umgebung
denken, in der wir es mit einem Denken nicht in Zusammenhang
brächten?
Denn “denken” ist verwandt mit “überlegen”. |
1228.
“Eine Multiplikation mechanisch
ausführen” (ob nun auf dem Papier oder
im Kopfe) sagen wir wohl – – aber “sich etwas
mechanisch überlegen” das
enthält für uns einen
Widerspruch. |
1229.
Der Ausdruck, das Benehmen, des Überlegens.
Wovon sagen wir: Es überlege sich
etwas?
Vom Menschen, manchmal vom Tier.
(Nicht vom Baum, oder vom Stein.)
Ein Zeichen des Überlegens ist ein
Zögern im Handeln.
(Köhler.)
(Nicht jedes Zögern.)
|
1230.
Denke vom ‘Überlegen’ an das
‘Versuchen’.
An das ‘Untersuchen’, an den Ausdruck des Staunens;
des Mißlingens und Gelingens. |
1231.
Was muß der Mensch nicht alles tun, damit wir
sagen, er denke! || alles tun
können, damit wir sagen, er
denke! |
1232.
Er kann nicht wissen, ob ich denke, aber ich
weiß es.
Was weiß ich?
Daß das, was ich jetzt tue, denken ist?
Und womit vergleich ich's, um das zu wissen?
Und kann ich mich darin nicht irren?
Also bleibt nur übrig: ich wisse, daß ich
tue, was ich tue. – – 318 – |
1233.
Aber es hat doch Sinn, zu sagen “Er
weiß nicht, was ich dachte, denn ich habe es ihm
nicht gesagt”!
Ist ein Gedanke auch dann ‘privat’, wenn ich ihn laut im Selbstgespr äußere, wenn mich niemand hört? “Meine Gedanken kenne nur ich allein.” Das heißt doch ungefähr: “Ich kann sie beschreiben, ausdrücken, wenn ich will.” |
1234.
“Meine Gedanken kenne nur ich allein.” –
Woher weißt Du das?
Erfahrung hat es Dich nicht gelehrt. –
Was teilst Du uns dadurch mit? –
Du mußt Dich schlecht
ausdrücken.
“Nicht doch! Ich denke mir jetzt etwas; sag mir, was es ist!” So war es also doch ein Erfahrungssatz? Nein; denn sagte ich Dir, was Du Dir denkst, so hätte ich's doch nur erraten. Ob ich's richtig erraten habe, wie läßt sich das entscheiden? Durch Dein Wort, und gewisse Umstände: Also vergleiche ich dieses Sprachspiel mit einem andern, bei welchem die Mittel der Entscheidung (Verifikation) anders aussehen. |
1235.
“Ich kann hier nicht....” –
Wo kann ich denn?
In einem andern Spiel.
(Ich kann hier – im Tennis nämlich –
den Ball nicht durch's Tor
schießen.) |
1236.
Aber ist nicht ein Zusammenhang zwischen dem grammatischen
‘privat sein’ der Gedanken und der Tatsache, daß wir im
allgemeinen die Gedanken des Andern nicht erraten
können, ehe er sie ausspricht.
Es gibt doch ein Gedankenerraten in dem Sinne, daß Einer mir
sagt: “Ich weiß, was Du
jetzt gedacht hast” (oder “woran Du
jetzt gedacht hast”) und ich zugeben
muß, er habe meine Gedanken richtig
erraten.
Und dies kommt doch tatsächlich sehr selten
vor.
Ich sitze oft, ohne zu reden, mehrere Minuten lang in meiner Klasse,
und Gedanken gehen mir durch den Kopf; aber keiner meiner
Hörer könnte wohl erraten,
was ich bei mir gedacht habe.
Es wäre aber doch auch
möglich, daß sie Einer erriete und aufschriebe, so
als hätte ich sie ausgesprochen.
Und zeigte er mir das Geschriebene, so müßte
ich sagen “Ja, ganz das habe ich mir gedacht.”
–
Und hier wäre z.B. die
Frage unentscheidbar: ob ich mich auch nicht irre; ob ich wirklich
das gedacht hatte, oder nur, von seiner Niederschrift
beeinflußt, mir nun fest
einbilde, gerade – 319
– dies gedacht zu haben.
Und das Wort “unentscheidbar” gehört zur Beschreibung des Sprachspiels. |
1237.
Und wäre nicht auch dies
denkbar: Ich sage Einem “Du
hast Dir jetzt gedacht ....” –
Er verneint es.
Aber ich bleibe fest bei meiner Behauptung, und endlich sagt er:
“Ich glaube, Du hast recht; ich werde mir das gedacht
haben; mein Gedächtnis wird mich
täuschen.”
Und denke nun, daß dies ein ganz gewöhnliches Vorkommnis wäre! |
1238.
“Gedanken und Gefühle sind privat”
heißt ungefähr das gleiche
wie “Es gibt Verstellung”, oder “Man
kann seine Gedanken und Gefühle
verschweigen || verbergen; ja
lügen und sich
verstellen”.
Und es ist die Frage, was dieses “Es gibt” und
“Man kann” bedeutet. |
1239.
Unter welchen Umständen, bei welchen
Anlässen, sagt man denn:
“Meine Gedanken kenne nur ich”? –
Wenn man auch hätte sagen
könnte: “Meine Gedanken werde ich
Dir nicht sagen”, oder “Meine Gedanken halte ich
geheim”, oder “Meine Gedanken
könnt Ihr nicht erraten”. |
1240.
Wovon sagt man denn, man kenne es? und in wiefern kenne ich meine Gedanken?
Sagt man nicht von dem, man kenne es, was man richtig beschreiben kann? Und kann man das von den eigenen Gedanken sagen? Wenn Einer die Worte die “Beschreibung” des Gedankens nennen will, statt den “Ausdruck” des Gedankens, frage er sich, wie man einen Tisch beschreiben lernt. Und das heißt nur: er sehe zu, wie man die Beschreibung eines Tisches, und wie man die Beschreibung der Gedanken als richtig oder falsch beurteilt; er möge also diese Sprachspiele in allen ihren Situationen ins Auge fassen. |
1241.
“Die Tatsache ist doch, daß der Mensch nur seine eigenen
Gedanken kennt.”
(“Die Tatsache ist doch, daß von meinem eigenen Denken nur
ich weiß.”)
“Und auch ich nicht” könnte man sagen. – 320 – |
1242.
“Dem Menschen hat es die Natur gegeben, daß er im Geheimen
denken kann.”
Denk Dir man sagt: “Die Natur hat es dem Menschen
gegeben, daß er hörbar, aber auch
unhörbar, in seinem Geiste, reden
kann.”
Er kann also, heißt das, dasselbe auf zwei Arten
tun.
(Als könnte er sichtbar verdauen und
unsichtbar verdauen.)
Nur ist beim Reden im Geiste das Reden besser verborgen, als ein
Vorgang im Innern des Körpers sein kann. –
Wie wäre es aber, wenn ich redete und
alle Andern taub wären?
Wäre da mein Reden nicht ebensogut
verborgen?
“Im tiefsten Geheimnis des Geistes geht etwas || es vor sich.” |
1243.
Wer mir sagt, was er gedacht hat, – hat mir der
wirklich gesagt: was er gedacht hat?
Mußte nicht das eigentliche geistige
Ereignis unbeschrieben
bleiben? || Mußte nicht
der Vorgang im Geiste unbeschrieben bleiben?
– –
War nicht er das Geheime, – wovon ich
in der Rede dem Andern nur ein Bild gebe? |
1244.
Wenn ich Einem sage, was
ich denke, – kenne ich da meinen Gedanken besser, als
meine Worte ihn darstellen?
Ist es, als kennte ich einen
Körper und zeigte dem Andern nur
eine Photographie? |
1245.
“Dem Menschen ist es gegeben in voller
Abgeschlossenheit mit sich selbst zu reden; in einer
Absonderung, die weit vollkommener ist, als die eines
Einsiedlers.”
Wie weiß ich, daß
dem N. dies gegeben ist? –
Weil er's sagt und zuverlässig
ist? –
Und doch sagen wir: “Ich wüßte gerne, was er jetzt bei sich denkt”; ganz so, wie wir sagen könnten: “Ich wüßte gerne, was er jetzt in sein Notizbuch schreibt”. Ja, man könnte eben das sagen und es, sozusagen, als selbstverständlich ansehen, daß er bei sich das denkt, was er ins Notizbuch einträgt. |
1246.
Würden nun Leute, die
regelmäßig – etwa
durch Beobachten des Kehlkopfs eines Menschen – seine Gedanken
‘lesen’ könnten, –
würden die auch von der
gänzlichen Einsamkeit des Geistes mit sich
selbst zu sprechen geneigt sein? –
Oder: Wären auch sie geneigt, das
Bild von der ‘gänzlichen
Angeschlossenheit’ zu gebrauchen?
– 321 – |
1247.
“Ich möchte wissen, worauf er
sinnt!”
Aber nun stell Dir diese – scheinbare irrelevante –
Frage: “Was ist daran
überhaupt
Interessantes, || “Warum
interessiert mich
überhaupt,
was ‘in ihm’, in seinem Geiste, vorgeht – angenommen,
daß etwas vorgeht?”
(Hol's der Teufel, was in ihm vorgeht!) |
1248.
Der Vergleich des Denkens mit einem Vorgang in der Verborgenheit
ist, in der Philosophie, irreführend.
So irreführend etwa, wie der Vergleich des Suchens nach dem treffenden Ausdruck mit den Bemühungen dessen, der eine nur ihm sichtbare Linie genau nachzeichnen will. |
1249.
Was uns verwirrt, ist, daß die Gedanken des Andern zu kennen, von
einer Seite besehen, logisch
unmöglich, und von einer andern gesehen,
psychologisch und physiologisch unmöglich
ist. |
1250.
Ist es nun richtig, zu sagen: daß diese beiden
‘Unmöglichkeiten’
so miteinander zusammenhängen, daß die
psychologische Unmöglichkeit (hier)
das Bild liefert das uns (dann) zum Abzeichnen des Begriffs
‘denken’ wird? |
1251.
Man kann nicht sagen: das Schreiben in's
Notizbuch, oder das monologische Sprechen,
sei dem Stummen Denken
‘ähnlich’;
wohl aber kann der eine Vorgang den andern (das Rechnen im Kopf das
schriftliche Rechnen, z.B.)
für gewisse Zwecke ersetzen.
|
1252.
Könnte es Leute geben, die beim Denken immer zu
sich selbst murmeln, deren Denken also für
Andere zugänglich ist? –
“Ja, aber wir könnten doch nicht wissen, ob
sie nicht, außerdem, stumm bei sich selber
denken!” –
Könnte es denn aber nicht sein, daß dies anzunehmen, ebenso sinnlos
wäre, wie anzunehmen, die Haare dieser Leute
dächten, oder ein Stein
dächte?
Müßten wir, heißt das, wenn dies so wäre, auch nur auf den Gedanken kommen, Einer dächte, hätte Gedanken, in seinem Geist verborgen? |
1253.
“Ich weiß nicht, was Du Dir denkst.
Sag, was Du Dir denkst!” –
Das heißt etwa:
“Rede!” 322. |
1254.
Ist es also irreführend, von der Seele des Menschen,
oder von seinem Geist zu reden?
So wenig, daß es ganz
verständlich ist, wenn ich sage:
“Meine Seele ist müde, nicht
bloß mein Verstand.”
Aber sagst Du nicht doch, daß alles, was man
durch das Wort “Seele” ausdrücken
kann, irgendwie auch durch Worte für
Körperliches sich ausdrücken
läßt?
Ich sage es nicht.
Aber wenn es auch so wäre, – was
würde es besagen?
Die Worte, so wie auch das, worauf wir bei ihrer
Erklärung weisen, sind ja nur die Instrumente,
und nun kommt's auf ihren Gebrauch an. |
1255.
Unsere Kenntnis vieler || verschiedener
Sprachen läßt uns die Philosophie, die in den
Formen einer jeden niedergelegt sind, nicht recht ernst nehmen.
Dabei sind wir aber blind dafür,
daß wir (selbst) starke Vorurteile
für, wie gegen, gewisse Ausdrucksformen haben;
daß eben auch diese
Übereinanderlagerung mehrerer Sprachen
für uns ein
bestimmtes || besonderes Bild
ergibt.
Daß [?-]wir, sozusagen, nicht
beliebig die eine Form durch eine andere
überdecken[-?]. |
1256.
Du mußt bedenken, daß es ein
Sprachspiel geben kann, ‘eine Reihe von Ziffern
fortsetzen’, in dem keine Regel, kein Regelausdruck je
gegeben wird, sondern das Lernen nur durch Beispiele
geschieht.
So daß die Idee eine Rechtfertigung durch
ein Bild, das uns zwingt, so vorzugehen,
diesen Leuten 323. ganz fremd
wäre. || So
daß die Idee, jeder Schritt sei durch ein
Etwas – eine Art Vorbild – in unserm Geiste zu
rechtfertigen, diesen Leuten gänzlich fremd
wäre. |
1257.
Beispiel von den Namen, die nur in Begleitung ihrer
Träger Bedeutung haben, d.h.
nur so verwendet werden.
Sie dienen also nur zur Vermeidung des steten Zeigens.
Das Beispiel, das mir immer wieder vorschwebt, ist die Bezeichnung von
Linien, Punkten, Winkeln, in geometrischen Figuren, mit A, B,
C, … a, b, … etc. |
1258.
Beim Lesen: Sehen des Wortbilds: “Ich
habe das Wort flüchtig gesehen” – das
ist ein besonderes Erlebnis, läßt sich nicht
durch einen Film darstellen. |
1259.
Denk Dir eine Geisteskrankheit, in welcher man Namen nur in Anwesenheit
ihrer Träger gebrauchen und verstehen
kann. |
1260.
Es könnte von Zeichen ein Gebrauch gemacht werden
solcher Art, daß die Zeichen nutzlos werden
(daß man sie vielleicht vernichtete), sobald
der Träger aufhörte zu
existieren.
In diesem Sprachspiel müßte sozusagen der Name den Gegenstand an einer Schnur haben; und hört der Gegenstand auf zu existieren, so kann man den Namen, der mit ihm zusammen gearbeitet hat, wegwerfen. |
1261.
“Ich beabsichtige dorthin zu gehen”:
Beschreibung 324. eines Seelenzustands, oder
Äußerung? –
Wenn man sich ein Modell der Seele vorstellt, so
könnte der Satz eine Beschreibung des Modells im
gegenwärtigen Zustand sein.
Der Mensch schaut seine Seele an und sagt: ......
Ist es ein gutes, oder ein schlechtes Modell? – wie
wäre das zu entscheiden?
Die Frage ist: Wie würde
es als Zeichen verwendet? |
1262.
“Ich beabsichtige ....” könnte
man als Aussage verwenden: “Ich tue
etwas, was dieser Absicht gemäß
ist” z.B.: ich
packe für die Reise, bereite mich so oder so, durch
Überlegungen oder Handlungen, auf die Reise
vor.
So könnte man ein Verbum
verwenden.
Etwa entsprechend dem Ausdruck “Ich handle in der
Absicht ....” |
1263.
Beschreibung meiner Seelenzustände: des
Wechsels von Furcht und Hoffnung z.B.
“Am Vormittag war ich voller Hoffnung, dann ...”
Jeder würde das eine Beschreibung
nennen, || .
Aber es ist charakteristisch
dafür, daß dieser Beschreibung
parallel eine meines Benehmens gehen
könnte. |
1264.
Vergleiche den Ausdruck der Furcht und Hoffnung mit dem des
‘Glaubens’, das und das werde geschehen. –
Man nennt darum auch Hoffnung und Furcht
“Gemütsbewegungen”, den Glauben
(oder das Glauben) aber nicht. 325. |
1265.
Wenn ich sage: “Die Absicht, es zu tun, wurde von
Stunde zu Stunde stärker” – dies wird
man Beschreibung nennen.
Aber dann doch auch dies: “Ich
beabsichtigte die ganze Zeit ...”
Vergleiche nun “Ich glaubte die ganze Zeit an's Gravitationsgesetz” mit “Ich glaubte die ganze Zeit, ein leises Flüstern zu hören”. Im ersten Fall ist “Glauben” ähnlich verwendet, wie “Wissen”. (‘Hätte man mich gefragt, so hätte ich gesagt ....’). Im zweiten Fall haben wir eine Tätigkeit, ein Vermuten, Lauschen, Zweifeln, etc. Und bezeichnet auch “glauben” nicht diese Tätigkeit, so ist es doch sie, die uns sagen läßt, wir beschrieben hier einen Seelenzustand oder eine seelische Tätigkeit. – Wir könnten das auch so sagen: Wir machen uns ein Bild des Menschen, der die ganze Zeit glaubt, ein leises Geräusch zu hören. Aber nicht eines des Menschen, der an die Richtigkeit des Gravitationsgesetzes glaubt. |
1266.
Ich beabsichtige (könnte man sagen)
heißt nicht: “Ich bin dabei,
zu beabsichtigen”, oder “Ich bin beim
Beabsichtigen” (wie man sagt, ich bin beim
Zeitunglesen).
Wohl aber: “Ich bin dabei, meine Reise zu
planen” etc.
Wir haben kein einzelnes Verbum, könnten es aber haben (und vielleicht existiert es wirklich in einer wenig bekannten Sprache), das ausdrückt; “handeln mit der Absicht, das und das zu tun” || “in der und der Absicht handeln und denken”. 326. |
1267.
“Ich beabsichtige ....” ist nie eine
Beschreibung, aber unter gewissen Umständen
läßt sich eine Beschreibung daraus
entnehmen. |
1268.
Zu sich selbst reden.
“Was geschieht da?”
Falsche Frage!
Nicht nur kann man nicht sagen, was geschieht – auch nicht:
man wisse nicht, was geschieht – auch nicht, man wisse nur das und
das darüber!
Aber auch das ist falsch zu sagen: Es ist eben ein spezifischer
Vorgang, der sich mit || durch nichts beschreiben
läßt, als eben mit diesen Worten. –
Die Begriffe ‘Beschreibung’ und
‘Bericht’.
Man sagt: Einer berichtet, er habe zu sich selbst
gesagt .....
In wie fern ist das zu vergleichen dem
‘Bericht’, er habe z.B. gesagt
....?
Vergegenwärtigen wir uns, daß
Beschreiben ein sehr spezielles
Sprachspiel ist. –
Wir müssen diese harte Unterlage unserer Begriffe
umgraben. |
1269.
Begriffe können einen Unfug
erleichtern, oder erschweren; begünstigen, oder
hemmen. |
1270.
Es ist ganz richtig: man kann sich nicht eine
Erklärung vom ‘rot’, oder
‘Farbe’ vorstellen.
Aber nicht, weil das Erlebte etwas Spezifisches ist, sondern weil das
Sprachspiel es ist. |
1271.
“Man kann einem Menschen nicht erklären,
was Rot ist.” –
Wenn man es nun dennoch könnte,
– ist es dann nicht, was wir “rot”
nennen? 327.
Denken wir uns Menschen, die eine Zwischenfarbe, von Rot und Gelb z.B., durch eine Art binären Dezimalbruch so ausdrücken: R,LLRL u. dergl., wo auf der rechten Seite z.B. Gelb steht, auf der linken Rot. – Diese Leute lernen schon im Kindergarten, Farbtöne in dieser Weise beschreiben, nach solchen Beschreibungen Farben auswählen, zu mischen, etc. Sie verhielten sich zu uns ungefähr, wie Leute mit absolutem Gehör zu Leuten, denen dies fehlt. Sie könnten tun, was wir nicht können. |
1272.
Und hier möchte man sagen: “Ist
das denn aber auch vorstellbar?
Ja, das Benehmen wohl! aber auch der innere
Vorgang, das Farberlebnis?”
Und was man auf so eine Frage sagen soll, ist schwer zu sehen.
Hätten die, die kein absolutes
Gehör haben, vermuten können, es
müsse || werde
auch Leute mit absolutem Gehör
geben? || Wenn uns Leute mit absolutem
Gehör noch nicht begegnet wären,
würde uns die Existenz solcher Leute doch sehr
wahrscheinlich vorkommen? |
1273.
Wenn Einer sagte “Rot ist zusammengesetzt” – so
könnten wir nicht erraten, worauf er damit
anspielt, was er mit diesem Satz wird anfangen wollen.
Sagt er aber: “Dieser Sessel ist
zusammengesetzt”, so mögen wir zwar
nicht gleich wissen, von welcher Zusammensetzung er spricht,
können aber gleich an
mehr als einen Sinn für seine
Aussage denken.
Was für eine Art von Faktum ist nun dies, worauf ich aufmerksam 328. machte?
Jedenfalls ist es ein wichtiges Faktum. – Uns ist keine Technik geläufig, auf die dieser Satz anspielen könnte. |
1274.
Wir beschreiben hier ein Sprachspiel, welches wir nicht lernen
können. |
1275.
“Dann muß etwas ganz anderes in ihm
vorgehen, etwas, was wir nicht kennen.” –
Das zeigt uns,
wonach wir bestimmen, ob ‘im Andern’ etwas anderes als,
oder dasselbe wie, in uns stattfindet.
Das zeigt uns, wonach wir die inneren
Vorgänge beurteilen. |
1276.
“Rot ist nicht zusammengesetzt” – und was ist
Rot?! –
Da möchten wir einfach auf etwas Rotes zeigen; und
wir vergessen, daß, wenn jene Aussage einen
Sinn haben soll, uns mehr gegeben sein
muß, als die hinweisende Definition.
Wir verstehen noch garnicht, was der Sinn
eines Satzes von der Form “X ist nicht
zusammengesetzt” ist, wenn für X ein
Wort gesetzt wird, welches den Gebrauch unserer
Farbwörter hat. |
1277.
Es ist Tatsache: “Rot” wird einem
nicht durch Worte ohne Bezug auf ein Farbmuster
erklärt.
Sollte das nicht wichtig sein? |
1278.
“Wie könnte man Rot Einem
erklären wollen, da es doch ein bestimmter
Sinneseindruck ist, und nur der ihn kennt, der ihn hat 329. (oder gehabt hat) –
und erklären nur heißen
kann: ihn im Andern erzeugen!”
– |
1279.
“Wer absolutes Gehör hat,
muß ein anderes Tonerlebnis haben, als
ich.” –
Und Jeder, der absolutes Gehör hat, das
gleiche?
Und wenn das nicht, – warum muß
es ein anderes sein, als das meine? |
1280.
Denk Dir, um Einem ‘Rot’ zu
erklären, zeigen wir ihm ein etwas
Rötliches Schwarzbraun, und
sagen: “Diese Farbe besteht aus Gelb (wir zeigen
reines Gelb), Schwarz (wir zeigen es) und noch einer Farbe, die
“rot” heißt.
Darauf sei er nun imstande, aus einer Anzahl von Farbmustern das reine
Rot auszuwählen. |
1281.
Und merke wohl: man zeigt nicht auf Rot, sondern etwas
Rotes.
d.h. natürlich: der
Begriff ‘Rot’ ist durch's Zeigen
nicht bestimmt, und es ist nicht nur möglich
“Rot” nun als Namen einer Form,
z.B. zu deuten, sondern auch als Begriffswort, das
einem Farbwort viel
näher steht. |
1282.
Die Verwendung || Verwendung eines Wortes ist
nicht: etwas zu bezeichnen. |
1283.
Kannst Du Dir vorstellen, was der
rot-grün Blinde sieht?
Kannst Du das Bild des Zimmers malen, wie er es sieht? |
1284.
“Wer alles nur grau, schwarz und weiß
sähe, dem müßte etwas
330. gegeben
werden, damit er wüßte, was Rot,
Grün, etc. ist.”
Und was müßte ihm gegeben werden?
Nun, die Farben.
Also z.B. dies, und
dies, und dies.
(Denk Dir, z.B., daß
farbige Vorbilder in sein Gehirn eingeführt werden
müßten, zu den bloß
grauen und schwarzen.)
Aber müßte das geschehen als Mittel zum Zweck
des künftigen Handelns?
Oder schließt eben dies Handeln diese Vorbilder
ein?
Will ich sagen: “Es müßte
ihm etwas gegeben werden, denn es ist klar, er
könnte sonst nicht
....” – oder: Sein sehendes Benehmen
enthält neue Bestandteile?
Auch: was würden wir eine “Erklärung¤ des Sehens” nennen? Soll man sagen: Nun, Du weißt doch sonst, was “Erklärung” heißt; verwende diesen Begriff also auch hier! |
1285.
Kann ich sagen: “Schau es an! so wirst Du
sehen, daß es sich nicht
erklären läßt.”
–
Oder: “Trinke die Farbe Rot ein, so wirst Du
sehen, daß nicht durch etwas anderes darzustellen
ist!” – –
Und wenn der Andere nun mir beistimmt, zeigt es, daß
er dasselbe eingetrunken hat, wie ich? –
Und was bedeutet nun unsere Geneigtheit, dies zu sagen?
Rot erscheint uns isoliert dazustehen.
Warum?
Was ist dieser Schein, diese Geneigtheit
wert? |
1286.
Denke an den Satz “Rot ist keine Mischfarbe” und an
seine Funktion.
Das Sprachspiel mit den Farben ist eben durch das charakterisiert, was wir tun können und was wir nicht tun können. 331. |
1287.
Rot ist etwas Spezifisches; aber das sehen wir nicht, wenn wir etwas
Rotes anschauen.
Sondern (wir sehen) die
Phänomene, die wir durch das
Sprachspiel mit dem Wort “rot”
abgrenzen. |
1288.
“Rot ist etwas Spezifisches”, das
müßte soviel heißen
wie: “Das ist etwas Spezifisches” –
wobei man auf etwas Rotes deutet.
Aber damit das verständlich
wäre, mußte man schon unsern
Begriff ‘rot’, den Gebrauch jenes Musters,
meinen. |
1289.
Wenn Du Dich über diese Dinge wunderst, wundere Dich
erst über etwas anderes!
Nämlich darüber, was denn
Beschreibung und Bericht überhaupt leisten.
Konzentrierst Du darauf Dein Verwundern, so werden jene andern Probleme
verblassen || schrumpfen.
|
1290.
Primäre Farben.
Wenn bei anderen Menschen Farben, die wir Mischfarben nennen, die Rolle
unserer primären Farben spielten, würden wir sagen,
ihre primären Farben seien
z.B. dieses Orange, dieses Blaurot, dieses
Blaugrün, etc.?
Heißt also der Satz “Rot ist eine
primäre Farbe” soviel
wie: Rot spielt bei uns die und die Rolle; wir reagieren auf Rot,
Gelb etc. so und so? –
Man denkt meistens nicht so: d.h.,
“Rot ist eine reine Farbe” ist ein Satz
über das ‘Wesen’ von Rot, die
Zeit tritt in ihn nicht ein; man kann sich nicht denken,
daß diese Farbe
nicht einfach sein könnte.
332. |
1291.
Der Farbenkreis: Die gleichen Abstände
der primären Farben sind
willkürlich.
Ja, die Übergänge
würden uns vielleicht einen
gleichförmigeren Eindruck machen, wenn,
z.B., der Punkt des reinen Blau dem des reinen
Grün näher
wäre, als dem des reinen Rot.
Es wäre sehr merkwürdig, wenn
die Gleichheit der Abstände in der Natur
der Dinge läge. |
1292.
“Ein rötliches Grün
gibt es nicht” ist den Sätzen verwandt,
die wir als Axiome in der Mathematik gebrauchen. |
1293.
Die Menschen zählen und rechnen:
Beschreibe, was sie da tun!
Sollen in dieser Beschreibung auch Sätze vorkommen,
wie der: “Er verstand nun, wie er die
Reihe fortzusetzen hatte” – oder: “Er
ist nun imstande, jede beliebige Multiplikation
aufzuführen”?
Und ist der Satz zuzulassen: “Er sah
nun im Geist die ganze Zahlenreihe vor sich”?
Solche Sätze können in der Beschreibung vorkommen; aber können wir nicht verlangen, daß ihr Gebrauch uns erklärt werde; damit uns keine falschen, oder irrelevanten Vorstellungen unterlaufen? Es ist hier die Frage, für wen wir die Beschreibung geben. Von wem sagen wir, er sei imstande, beliebige Multiplikationen auszuführen? Wie kommt man überhaupt zu diesem || dem Begriff? Und für wen, unter welchen Umständen, wird diese Beschreibung wichtig sein? 333. I333 |
1294.
‘Rot ein degeneriertes
grün.’
Wenn man ein Blatt von grün ins rote spielen
sieht, sagt man, das grün sei
kränklich und im Roten ganz
degeneriert.
Man schneidet etwa, wenn man die rote Farbe sieht, immer ein
Gesicht.
Konnte man nun nicht Rot erklären als die äußerste Degeneration von grün? |
1295.
Man kann niemandem erklären, was Rot
ist!” –
Wie kommt man überhaupt auf die Idee; bei welchem
Anlaß sagt man das? |
1296.
“Farben sind etwas Spezifisches.
Durch nichts anderes zu
erklären.”
Wie gebraucht man dieses Instrument? –
Beschreibe das Spiel mit Farben!
Das Benennen von Farben, das Vergleichen von Farben, das
Erzeugen von Farben, den Zusammenhang zwischen Farbe und Licht und
Beleuchtung, den Zusammenhang der Farbe mit dem Auge, der
Töne mit dem Ohr, und unzähliges
andere.
Wird sich hier nicht das ‘Spezifische’ der Farbe
zeigen?
Wie zeigt man Einem eine Farbe; und wie einen Ton? |
1297.
Wenn wir in Gedanken zu uns selber reden: “Es
geschieht etwas; das ist sicher.”
Aber der Nutzen dieser Worte ist uns in
Wirklichkeit ebenso unklar, wie der
besondern || speziellen
psychologischen Sätze, die wir
erklären wollen. |
1298.
Statt des Unzerlegbaren, Spezifischen, Undefinierbaren:
die Tatsache, daß wir so und so handeln, z.B.,
gewisse Handlungen strafen, den Tatbestand so und so
feststellen, Befehle geben, Berichte erstatten, Farben
beschreiben, uns für die
Gefühle der Andern interessieren.
Das hinzunehmende, gegebene – könnte man
sagen – seien Tatsachen des Lebens. || seien
Lebensformen. |
1299.
Wir beurteilen das Motiv einer Tat nach dem, was
der Mensch, der sie verübt hat, uns sagt, nach dem
Bericht von Augenzeugen, nach der Vorgeschichte.
So beurteilen wir die Motive eines Menschen.
Aber das scheint uns nicht
auffallend, || Aber das
fällt uns nicht sehr auf, daß es
so etwas wie die ‘Beurteilung der Motive’ gibt.
Daß dies ein ganz eigentümliches Sprachspiel ist
– daß der Tisch und der Stein keine Motive
haben.
Daß es zwar auch die Frage gibt: “Ist das eine
zuverlässige Art, die Motive eines Menschen zu
beurteilen?” – 334. 2 aber
uns schon bekannt sein muß, was denn
überhaupt die “Beurteilung von
Motiven” heißt.
Es muß schon eine Technik geben, an die wir hier
denken, damit wir von einer Abänderung dieser
Technik reden können, die wir als
zuverlässigere Beurteilung eines
Motivs bezeichnen. |
1300.
Man beurteilt die Länge eines Stabes, und man kann
eine Methode suchen und finden, um sie genauer, richtiger, zu
beurteilen.
Also – sagst Du – ist, was wir hier beurteilen
von der Methode des Beurteilens unabhängig,
man kann, was Länge ist, nicht mit
Hilfe der Methode der Längenbestimmung
erklären.
Aber wer so denkt, macht einen Fehler.
Was für einen Fehler? –
Wie seltsam wäre es, zu sagen:
“Die Höhe des
Himalaya hängt davon
ab, wie man ihn ersteigt.”
“Die Länge immer genauer
messen”, das möchte man damit vergleichen,
näher und näher an ein Objekt
heranzukommen.
Aber es ist eben nicht in allen Fällen klar, was
es heiße “näher und
näher an die Länge des Stabes
herankommen”.
Und man kann nicht sagen: “Du
weißt doch, was die Länge eines
Stabes ist; und Du weißt, was ‘sie
bestimmen’ heißt; darum
weißt Du, was es heißt
‘die Länge immer genauer
bestimmen’.”
Was es heißt, eine genauere Bestimmung der Länge des Stabes zu suchen, ist unter gewissen Umständen klar, und unter gewissen Umständen nicht klar und bedarf einer neuen Bestimmung. Was “die Länge bestimmen” heißt, lernt man nicht dadurch, daß man lernt was die Länge ist und was bestimmen ist; sondern die Bedeutung des Wortes Länge lernt man u.a. dadurch, daß man lernt, was Längenbestimmung ist. ‘Die Längenbestimmung Verfeinern’ ist eine neue Technik, die unserem Längenbegriff modifiziert. |
1301.
Wenn man einfache Sprachspiele beschreibt zur Illustration, sagen wir,
dessen was wir das ‘Motiv’ einer
Handlung nennen, dann werden einem immer wieder verwickeltere
Fälle vorgehalten, um zu zeigen, daß unsere Theorie
den Tatsachen noch nicht entspricht.
Während verwickeltere Fälle
eben verwickeltere Fälle sind.
Handelte es sich nämlich um eine Theorie, so
könnte man allerdings sagen: Es
nützt nichts diese speziellen
Fälle zu betrachten, sie geben keine
Erklärung gerade der wichtigsten
Fälle.
Die einfachen Sprachspiele dagegen spielen eine ganz andere
Rolle.
Sie sind Pole einer Beschreibung, nicht der
Grundstock einer Theorie. 335. 3 |
1302.
“Wie kommt es, daß es uns || mir scheint, daß
dieser Farbeindruck, den ich jetzt habe, von mir als das Spezifische,
Unzerlegbare erkannt wird?” – –
Frage stattdessen, wie es kommt, daß wir dies sagen wollen.
Und die Antwort darauf ist nicht schwer zu
finden.
Und es ist ja auch eine seltsame Frage: warum es uns so
‘scheine’, als ....
Denn schon in diesem Ausdruck liegt ein
Mißverständnis. |
1303.
Denke, Du solltest beschreiben, wie Menschen das
Zählen (im Dezimalsystem
z.B.) lernen.
Du beschreibst, was der Lehrer sagt und tut, und wie der
Schüler darauf reagiert || und wie
der Schüler sich daraufhin
verhält.
In dem, was der Lehrer sagt und tut, werden sich
z.B. Worte und Gebärden finden,
die den Schüler zum Fortsetzen einer Reihe
aufmuntern sollen; auch Worte wie “Er kann jetzt
zählen”.
Soll nun die Beschreibung, die ich von dem Vorgang des Lehrens und
Lernens gebe, außer den Worten des Lehrers auch
mein eigenes Urteil enthalten: der Schüler
könne jetzt zählen, oder:
der Schüler habe nun das System der Zahlworte
verstanden?
Wenn ich so ein Urteil nicht in die Beschreibung aufnehme, – ist
sie dann unvollständig?
Und wenn ich es aufnehme, gehe ich über die
bloße Beschreibung hinaus? –
Kann ich mich jener Urteile enthalten mit der
Begründung: “Das
ist alles was geschieht!” |
1304.
Muß ich nicht vielmehr
fragen: “Was tut die Beschreibung
überhaupt? wozu dient sie?”
–
Was eine vollständige und
eine unvollständige Beschreibung ist, wissen wir
allerdings in anderem Zusammenhang.
Frage Dich: Wie verwendet man die
Ausdrücke
“vollständige” und
“unvollständige
Beschreibung”?
Eine Rede vollständig (oder unvollständig) wiedergeben. Gehört dazu auch die Wiedergabe des Tonfalls, des Minenspiels, der Echtheit oder Unechtheit der Gefühle, der Absichten des Redners, der Anstrengung des Redens? Ob das oder jenes für uns zur vollständigen Beschreibung gehört, wird vom Zweck der Beschreibung abhängen, davon, was der Empfänger mit der Beschreibung anfängt. |
1305.
Der Ausdruck “Das ist alles, was
geschieht” grenzt ab, was wir
“geschehen” nennen. 336. 4 |
1306.
Mein Urteil “Der
Schüler kann jetzt
zählen” gebe ich zu gewissen Zwecken
ab.
Man gibt ihm daraufhin etwa eine Anstellung.
Sagst Du “So ist also dies Urteil kein Teil der
Beschreibung des Lernens, sondern eine Vorhersage” – so
antworte ich: “Du kannst es so oder so
auffassen”. || Sagst Du “So
gehört also dies Urteil nicht zur
Beschreibung des Lernens, sondern ist eine
Vorhersage” – so
....
Du kannst sagen, Du beschriebest den Zustand des
Schülers. – |
1307.
Denk Dir Rot als den Gipfel aller Farben angesehen.
Die besondere Rolle des Dreiklangs in unserer Musik.
Unser Unverständnis für
die alten Kirchentonarten. |
1308.
Unter welchen Umständen würde
man sagen, diese Menschen fassen alle Farben als Gerade
einer Eigenschaft auf? |
1309.
Kannst Du Dir denken, daß wir Blau und Rot immer als die beiden
äußersten Pole einer
Veränderung von Violett
ansähen?
Man könnte dann Rot ein ganz hohes
Violett und Blau ein ganz tiefes
Violett nennen. |
1310.
Oder denk Dir eine Welt, in welcher Farben beinahe immer in
regenbogenartigen Übergängen
vorkämen.
So daß man etwas eine grüne
Fläche, wenn sie ausnahmsweise einmal vorkommt als
Modifikation eines Regenbogens
auffaßt || ansieht. |
1311.
Kann ich denn aber nun sagen, daß wenn dies die
Tatsachen wären, die Menschen diese
Begriffe hätten?
Doch gewiß nicht.
Wohl aber dies: Denke nicht, daß unsere Begriffe die einzig
möglichen, oder vernünftigen
sind; wenn Du Dir ganz andere Tatsachen, als die, die uns
ständig umgeben, vorstellst, so werden
Dir andere Begriffe als die unsern
natürlich erscheinen. |
1312.
Glaub doch nicht, daß Du den Begriff der Farbe in Dir
hältst, weil Du auf ein färbiges
Objekt schaust, wie immer Du schaust.
(So wenig, wie Du den Begriff der negativen Zahl besitzt, dadurch, daß Du Schulden hast.) |
1313.
Angenommen, wir kennten ein Volk, welches eine
gänzlich andere Form der Farbaussagen
hätte, als die unsere: wir nehmen
dann meistens an, daß es ein Leichtes ist, diese Leute 337. 5 unsere
Ausdrucksform || Ausdrucksweise zu
lehren.
Und daß, wenn sie beide Ausdrucksformen beherrschen, sie deren
Unterschied als unwesentlich anerkennen werden.
(Das Geschlecht unserer Hauptworte).
Ist das so?
Muß es so sein?
Denken wir uns, Leute hätten für zwei Abschattungen von Blau zwei verschiedene einfache Namen, und für sie wären die Farben sehr verschieden, die es für uns nicht sind. Wie würde sich das äußern? Und denken wir uns auch das Umgekehrte: daß für ein Volk Rot und Blau nur ‘dem Grade nach’ verschieden wären, nicht ‘gänzlich verschiedene Farben’. Und was wären hierfür die Kriterien? Wir sagen, in der Tonleiter kehre nach je 7 Tönen der gleiche Ton wieder. Was heißt es: “Wir empfinden ihn als den gleichen”? Ist, daß wir ihn den gleichen nennen, nur ein sprachlicher Zufall? |
1314.
Den Schwachsinnigen stellt man sich unter dem Bild des
Degenerierten, wesentlich Unvollständigen, gleichsam
Zerlumpten vor.
Also unter dem der Unordnung, statt der primitiveren Ordnung
(welches eine weit produktivere Anschauungsart
wäre). |
1315.
Zählen, Rechnen, etc., in einem
abgeschlossenen System, so wie eine Melodie abgeschlossen ist.
Die Leute zählen etwa mit Hilfe der
Töne einer besonderen Melodie; am Ende der Melodie
kommt die Zahlenreihe zu einem Ende. –
Soll ich sagen: Es gibt
natürlich noch weitere Zahlen, nur erkennen diese
Leute sie nicht?
Oder soll ich sagen: Es gibt noch ein anderes
Zählen – das, was wir tun –
und das kennen (tun) jene Leute nicht. |
1316.
Der Begriff des Erlebnisses: Ähnlich dem
des Geschehens, des Vorgangs, des Zustands, des Etwas, der Tatsache, der
Beschreibung und des Berichts.
Hier meinen wir, stehen wir auf dem harten Urgrund,
und tiefer als alle || der tiefer liegt als alle
speziellen Methoden und Sprachspiele.
Aber diese höchst allgemeinen
Wörter haben eben auch eine
höchst verschwommene
Bedeutung.
Sie beziehen sich in der Tat auf eine Unmenge spezieller
Fälle, aber das macht sie nicht
härter sondern es macht sie eher
flüchtiger. 338. 6 |
1317.
Das Rechnen im Kopf || Kopfrechnen ist
vielleicht der einzige Fall, in welchem von der Vorstellung ein
regelmäßiger Gebrauch im Alltagsleben gemacht
wird.
Darum hat es besonderes Interesse.
“Aber ich weiß, daß etwas in mir vorgegangen ist!” Und was? War es nicht, daß Du im Kopf gerechnet hast? – So ist also das Kopfrechnen doch etwas Spezifisches! Überlege Dir erst: Wie gebraucht man überhaupt die Beschreibung “Er rechnet im Kopf”, “Ich rechne im Kopf”. Die Schwierigkeit, auf die man stößt ist eine Vagheit in den Kriterien für das Stattfinden des geistigen Vorgangs. Ließe sich die beseitigen? |
1318.
Kann man sich das Kopfrechnen vorstellen? |
1319.
Man kann wahrnehmbar rechnen und im Kopf rechnen:
Könnte man im Kopf auch etwas
tun, was man wahrnehmbar nicht tun kann,
wofür es kein wahrnehmbares
Äquivalent gibt?
Wie wäre es, wenn Leute für das Kopfrechnen eine Bezeichnung hätten, die es nicht unter die Tätigkeiten einreihte und schon erst recht nicht unter die des Rechnens? Sie bezeichnen es etwa als ein Können. Ich nehme an, sie gebrauchen radikal von dem unsern verschiedene Bilder. |
1320.
Wenn aber nun Einer sagte: “So ist alles, was
geschieht, doch, daß er so und so reagiert, sich
benimmt” – so ist hier wieder ein großes
Mißverständnis.
Denn hat also der, welcher erzählte
“Ich habe die Multiplikation ohne zu schreiben,
etc., in irgend einem Sinn
gerechnet” – hat dieser Unsinn
geredet, oder etwas Falsches berichtet?
Es ist eine andere Sprachverwendung, als die der Beschreibung eines
Benehmens.
Aber man könnte allerdings fragen:
Worin besteht die Wichtigkeit dieser neuen
Sprachverwendung?
Worin besteht z.B. die, der
Äußerung der Intention? – 339. 7 |
1321.
“Wie, wenn Einer Vorstellungsbilder hätte
von der Intensität, Deutlichkeit, von
Nachbildern z.B.; wären das
Vorstellungen, oder wären es Halluzinationen,
– auch wenn er sich der Unwirklichkeit des Gesehenen voll
bewußt ist?”
Vor allem: Wie weiß ich, daß er
Bilder von dieser Deutlichkeit sieht?
Er sagt es etwa.
Ein Unterschied wäre der, daß seine Bilder von
ihm ‘unabhängig’ sind.
Was heißt das? –
Er könnte sie nicht durch Gedanken
verscheuchen.
Stelle ich mir z.B. den Tod meines Freundes vor,
so kann man mir sagen “Denk nicht daran, denk an etwas
anderes”; aber das würde man mir nicht
sagen, wenn ich das Ereignis z.B. im Film vor mir
sähe.
Und so würde ich dem, der mir in dem angenommenen
Fall sagte, denk nicht daran, antworten: “Ich mag
daran denken oder nicht, – ich sehe
es.” |
1322.
Nimm den Gebrauch des englischen “this”,
“that”, “these”,
“those”, “will”,
“shall”: Regeln für den
Gebrauch dieser Wörter zu geben,
wäre schwer.
Es ist aber möglich ihn zu
verstehen, sodaß Du dann geneigt
wärst, zu sagen: “Wenn man
einmal das richtige Gefühl
für den Sinn dieser
Wörter hat, dann kann man sie auch
anwenden.”
Man könnte also auch diesen
Wörtern eine eigentümliche
Bedeutung in der englischen Sprache zuschreiben.
Wir sehen in dem Gebrauch des Wortes eine
Physiognomie. || Ihr
Gebrauch wird sozusagen als eine Physiognomie
gesehen || empfunden. |
1323.
Kopfrechnen auf
Befehl.
Laß Dich durch die Kombination bekannter
Wörter nicht hindern || verhindern,
das Sprachspiel von Grund auf zu untersuchen.
Bedenke, daß man Einem das Kopfrechnen lehrt, indem man ihm befiehlt zu rechnen! Aber müßte das sein? Könnte es nicht sein, daß ich ihm, um ihn zum Kopfrechnen zu bringen, nicht sagen dürfte “Rechne!”, sondern vielleicht: “Tu etwas anderes, aber finde das Resultat”. Oder: “Schließ den Mund und die Augen und rühr Dich nicht, und Du wirst die Antwort lernen.” 340.
8
Ich will doch sagen, daß man das Kopfrechnen nicht aus dem
Gesichtspunkt des Rechnens betrachten
muß, obwohl es wesentlich mit dem
Rechnen zusammenhängt.
Ja auch nicht unter dem Gesichtspunkt des ‘Tuns’. Denn Tun ist etwa, was man Einem vormacht. |
1324.
Ich will sagen: Es ist nicht notwendig, Reaktionen, die von
den unsern verschieden sind, und daher vielleicht anderen
Begriffsbildungen günstig sind, als Folgen,
unser Äußerungen, ihrer
Natur nach verschiedener (innerer) Vorgänge zu
deuten.
Es ist nicht notwendig, zu sagen: Hier handelt es sich um verschiedene innere Vorgänge. |
1325.
Wir haben einerseits seine Fähigkeit, ohne
wahrnehmbares Rechnen Stufen der Rechnung mitzuteilen – anderseits
die Äußerungen, die er zu machen geneigt ist;
wie etwa die: “Ich
habe in meinem Inneren gerechnet”.
Die Erscheinungen der ersten Art
könnten uns zu einer
bildhaften Beschreibung
bringen”.
Es ist, als rechnete er irgendwie und irgendwo, und teilte uns Stufen
dieser Rechnung mit”.
Das, was er zu sagen geneigt ist, können wir als
Ausdrucksweise unserer Sprache annehmen, oder auch nicht.
Wir könnten ihm z.B.
sagen: “Du rechnest doch nicht ‘in Deinem
Innern’!
Du rechnest uneigentlich.”
Und nun sagt er in Zukunft dies. |
1326.
“Aber ich weiß doch, daß ich
wirklich rechne – wenn auch nicht
für den Andern wahrnehmbar!”
Dies könnte man als typische
Äußerung eines geistig
Zurückgebliebenen
auffassen. |
1327.
Aber wenn wir so mit dem innern Vorgang
aufräumen, – bleibt nun nur noch der
äußere? –
Es bleibt nicht das Sprachspiel der
Beschreibung des äußern Vorgangs allein, sondern
auch das, welches von der || seiner
Äußerung ausgeht.
Wie immer auch unsere Ausdrucksweise lautet; wie immer
z.B. sie die Beziehung zum
‘äußern’ Rechnen
macht. 341. 9 |
1328.
Wenn Dir plötzlich ein Thema, eine Wendung, etwas
sagt, so brauchst Du Dir's nicht erklären
zu können.
Es ist Dir plötzlich auch diese
Geste zugänglich. |
1329.
Vergleich vom körperlichen
Vorgängen in
Zuständen, wie Verdauung, Atmung,
etc., mit geistigen, wie Denken,
Fühlen, Wollen etc.
Was ich betonen will, ist gerade die Unvergleichbarkeit.
Eher, möchte ich sagen, wären
die vergleichbaren
Körperzustände:
Geschwindigkeit der Atmung,
Unregelmäßigkeit des Herzschlags,
Zuverlässigkeit der Verdauung,
und dergleichen.
Und freilich könnte man sagen, daß diese alle
das Verhalten des Körpers
charakterisieren. |
1330.
Denk Dir einen Stamm von Leuten, die nicht sagen “er
hat Schmerzen”, “wir haben Schmerzen”,
“in ihm geht das Gleiche vor wie in
mir”, “diese Leute haben das gleiche seelische
Erlebnis” etc.; sondern man redet wohl von einer
Seele und von Vorgängen in der Seele, sagt aber,
man wisse absolut nichts darüber, ob zwei Leute,
von denen wir etwa sagen, sie hätten
Schmerzen, wirklich dasselbe haben, oder etwas ganz anderes; und man
sagt daher bei ihnen, die Menschen haben etwas Unbekanntes und nun
folgt in ihrer Ausdrucksweise eine Bestimmung, die unserem
“sie haben Schmerzen” gleichkommt.
Diese Leute werden dann auch nicht sagen: “Wenn
ich glaube, jemand hat || habe Schmerzen, so
glaube ich, es gehe in ihm etwas bestimmtes vor”, und
dergleichen.
Muß man es aber überhaupt so ansehen, daß das Schmerzsignal und die Beschreibung des Schmerzbenehmens eine begriffliche Einheit geben || bilden? Ich will fragen: “Wo liegt hier das Begriffliche und wo das Phänomenale?” Muß die Sprache eine Schmerzäußerung enthalten? Denken wir uns Leute mit einer Fingersprache. Oder Leute, die nur schreiben, nicht sprechen. Müßten die den Begriff ‘Schmerz’ besitzen? 342. 10 |
1331.
Ist es aber leichter, sich vorzustellen, daß Leute unsern Begriff des
Schmerzes nicht haben, als dies, daß sie den Begriff des
physikalischen Körpers nicht haben? |
1332.
Es ist eine wichtige Tatsache, daß wir annehmen, es sei immer
möglich, Menschen, die eine andere Sprache als die
unsere besitzen, unsere zu lehren.
Darum sagen wir, ihre Begriffe seien die gleichen, wie unsere.
|
1333.
“Du beginnst einen Satz, an dessen letztem Ende das Verbum
steht; Du wirst mir doch nicht sagen, daß Du den Satz zu sprechen
anfingst, ohne eine Ahnung davon, was das Verbum sein
werde!” –
Und worin besteht die Ahnung?
Und wenn nun Einer wirklich keine Ahnung davon
hätte und doch fließend Deutsch
spräche!
Wie wird man erfahren, ob er diese Ahnung hatte? |
1334.
Inwiefern untersuchen wir den Gebrauch von
Wörtern? –
Beurteilen wir ihn nicht auch?
Sagen wir nicht auch, dieser Zug sei wesentlich, jener
unwesentlich? |
1335.
Man kann das Messen mit dem Meterstab beschreiben; wie kann man es
begründen?
Ist der Begriff ‘Schmerz’ ein Instrument, das der Mensch gemacht hat; und wozu dient es? |
1336.
Ja – wie kann man Einem befehlen, die und die Worte
so zu meinen?
Es sei denn, daß man ihm befiehlt, sie so zu verwenden. –
|
1337.
Denke, Du müßtest eine
Entscheidung treffen und zwar, indem Du auf einen von einer Anzahl von
Knöpfen drückst.
Die Entscheidung, die Du damit triffst, ist durch ein Wort
gekennzeichnet, das auf dem Knopf steht.
Es ist dann natürlich
gänzlich gleichgültig, was Du
beim Anblick dieses Worts erlebst.
Ist das Wort
z.B. “weiche”, so kannst Du es
als Adjektiv, Substantiv, oder Verbum meinen, die Entscheidung wird
dadurch nicht geändert.
Und ebenso, wenn Du das Wort als Entscheidung 343.
aussprichst.
Es teilt doch jedenfalls dem Andern dasselbe mit, der auf die
Entscheidung wartet. |
1338.
Wie ist es aber, wenn die Entscheidung zweier Deutungen
fähig ist, und der sie hört,
gibt ihr nun eine von ihnen?
Er kann das entweder durch sein Handeln tun, oder, sozusagen, in
Gedanken.
Wäre aber auf die Entscheidung nicht gleich zu
handeln, so könnte er sie auch
hören und vorläufig
gar nicht deuten.
Anderseits aber könnte er auf eine
Frage mit einer Deutung antworten.
Dies wäre eine
vorläufige Reaktion. |
1339.
Es ist eben möglich, die Worte einer bestimmten
Situation gemäß und also in der
und der Bedeutung auszusprechen, und dabei doch eine andere Bedeutung zu
denken.
So daß die Worte für mich
also, dem Andern unbewußt, eine eigene
Bedeutung haben. |
1340.
Gefragt, werde ich vielleicht diese Bedeutung
erklären, und die Erklärung
hatte mir doch nicht vorgeschwebt.
Was hatte also mein Geisteszustand, als ich das doppelsinnige Wort
aussprach, mit den Worten der Erklärung zu
tun?
Inwiefern können diese Worte ihm
entsprechen?
Es gibt hier offenbar nicht ein Passen der
Erklärung zur
Erscheinung. |
1341.
Man kann auch einen Ausdruck, während man ihn
ausspricht, 344. auf eine Weise meinen und gleich
darauf retrospektiv auf eine andere. |
1342.
Es ist uns, als gehörten zu dem Wort
in seinen zwei Bedeutungen verschiedene Illustrationen; und man
könne dem Wort nun wohl eine aus den beiden
zusammengesetzte Illustration geben, dann sei es aber eben nicht eine
der beiden dem Worte gemäßen,
oder gewohnten.
Das heißt aber natürlich nicht, daß immer, wenn man von dem Wort Verwendung macht, eine der beiden Illustrationen anwesend sein muß, sondern nur, daß, wenn wir das Wort illustrieren, eine der beiden und nicht beide Bilder zu ihm gehören. |
1343.
‘Hättest Du mich gefragt, so
hätte ich Dir die
Antwort gegeben.’
Das bezeichnet einen Zustand; aber nicht eine
‘Begleitung’ meiner Worte. |
1344.
Denke Dir, Leute hätten die Gewohnheit,
während des Sprechens zu kritzeln;
warum sollte, was sie auf diese Weise
während des Redens hervorbringen, weniger
interessant sein, als begleitende Vorgänge in
ihrem Geist, und warum soll das Interesse an diesen von
anderer Art sein?
Warum scheint einer dieser Vorgänge den Worten das ihnen eigene Leben zu geben? 345. |
1345.
Je nachdem er das Wort so oder so gemeint hat,
hat er die eine, oder andere Absicht ausgesprochen.
Die eine oder andere Absicht gehabt.
Und mehr kann man doch über die Wichtigkeit
dieses Meinens nicht sagen.
Und da scheint es wieder, daß es weniger wichtig ist, was beim Aussprechen des einzelnen Worts (“Bank” z.B.), als was beim, und vor dem, ganzen Satz vor sich gegangen ist. Gleichsam, wie das Gemüt den ganzen Satz illustriert hat, nicht notwendigerweise das eine Wort. Und doch, so müssen wir uns gleich gestehen, muß auch die Illustration nicht wichtig sein. Warum soll denn soviel auf sie ankommen? Und wie kann sie dem Satz ein bestimmtes Leben geben, wenn die Sprache es ihm nicht gibt? Warum || Wie soll sie eindeutiger sein, als die Wortsprache? |
1346.
Nun, das ist das Entscheidende, daß ich nicht nur
nach dem Zusammenhang die Bedeutung beurteilen kann, sondern
daß man nach ihr fragen kann und der Antwortende
die Bedeutung nicht aus dem Zusammenhang entnimmt. || nach dem Zusammenhang feststellt.
|
1347.
Ist es denn eine Selbstverständlichkeit,
daß, wer die Sprache gebrauchen kann, imstande ist
die Wörter, die er versteht, deren Verwendung
er versteht, zu erklären?
Wir würden freilich sehr erstaunt sein, wenn jemand
zwar das Wort “Bank” versteht, aber auf die Frage
“was ist eine Bank” uns nicht antworten
könnte. 346.
Ist es nicht eines, den Satz zu verstehen “Gehen wir ein bißchen an die Sonne” – und ein anderes, das Wort “Sonne” erklären zu können? – Aber muß der, der diesen Satz versteht, nicht wissen, wie die Sonne ausschaut? So wie er, welcher den Satz “Ich habe keine Schmerzen” versteht, z.B. wissen muß, wie man sich Schmerzen zufügen kann, und wie sich Einer, der Schmerzen hat, benimmt, etc. – |
1348.
Ferner: wenn es möglich ist, dem
doppeldeutigen Wort durch öfteres Wiederholen
jede ‘Bedeutung’ zu nehmen, warum sollten
nicht manche Menschen, die es ohne Zusammenhang aussprechen, dies
für gewöhnlich ohne ein
Gefühl einer Bedeutung tun?
Oder warum sollten die Menschen so ein Wort nicht mit einer Art
Zitternder Bedeutung aussprechen, wo kein Zusammenhang sie
festhält || hält? |
1349.
“Was tust Du aber, wenn Du dem Befehl folgst ‘Sag
.... und meine damit ....’?” –
Du tust nicht etwas Anderes.
Aber auch nicht: etwas Spezifisches. |
1350.
Jedenfalls ist das kein Sprachspiel, das man sehr viel
lernt: ein Wort, isoliert, in der und der Bedeutung
aussprechen.
Die Grundlage ist offenbar, daß Einer sagt, er
kann das Wort .... aussprechen und dabei eine oder die andere
seiner Bedeutungen meinen.
Das geht leicht, wenn das Wort zwei Bedeutungen hat; aber kannst Du
auch das Wort “Apfel” aussprechen und Tisch damit
meinen? 347.
– Ich könnte doch eine Geheimsprache benützen, in der es diese Bedeutung hat. |
1351.
“Gib ihm diesen Befehl und mein' damit
.....!”
“Sag ihm das und mein' damit
.....!”
Das wäre ein merkwürdiger
Befehl, den man für
gewöhnlich nicht gibt.
Oder ich sage Einem “Richte diese Botschaft
aus” – und frage ihn nachher “Hast Du sie
auch so und so gemeint?”. |
1352.
Aber ist dann die Vergangenheitsform der Frage gerechtfertigt?
Doch; denn ich setze eine Änderung der Gesinnung
einem Gleichbleiben entgegen.
Ich will wirklich nicht nur wissen, was er jetzt meint, sondern auch,
was er gemeint hat. –
Man könnte etwa fragen “Was meinst
Du? und hast Du Deine Gesinnung
geändert?”
Wenn auf diese Frage Nein zur Antwort kommt, dann hat er, was die
Erklärung angibt, auch früher
gemeint.
Ich will sagen: Die Kriterien für das Geschehen in der Vergangenheit sind hier andere, als etwa für das Auftauchen eines Bildes. |
1353.
Wie soll ich also dieses psychologische Phänomen
beschreiben?
Daß man ein Wort auf Befehl so und so meinen
kann? daß man sich einbildet, es so oder so
zu meinen?
Soll ich sagen, daß das Wort
“meinen” hier in einem anderen Sinne gebraucht wird;
daß man eigentlich ein anderes Wort gebrauchen
sollte?
Soll ich so ein Wort in Vorschlag bringen? –
Oder ist das gerade 348. das || unser Phänomen,
daß wir hier das Wort “meinen”
gebrauchen, welches wir für einen anderen Zweck
gelernt haben? |
1354.
Ist es ein sehr primitives Sprachspiel, in dem man sagt:
“Bei diesem Wort ist mir ....
eingefallen”? |
1355.
Statt “Ich habe das mit dem Wort
gemeint” könnte man auch sagen
“Das Wort stand für
....”.
Und wie konnte denn das Wort, als ich es aussprach,
für dies, und nicht
für jenes, stehen?!
Und doch hat es gerade diesen
Anschein.
Ist also das gleichsam eine optische Täuschung? (So, als spiegelte das Wort den Gegenstand, den die Erklärung ihm zuordnet.) Und wenn das eine optische Täuschung ist, was verlieren Leute, die diese Täuschung nicht kennen? Sie sollten sehr wenig verlieren. |
1356.
Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch,
daß wir mit einer Erklärung und
der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als
erklärten wir die Bedeutung eines Worts
für praktische Zwecke. |
1357.
Die Intention mag sich ändern und zugleich auch ein
Erlebnisinhalt, aber die Intention war kein Erlebnis. |
1358.
Einer der Grundsätze des Beobachtens
müßte doch sein, daß ich
das Phänomen, das ich beobachte, durch meine
Beobachtung 349. nicht
störe.
D.h., meine Beobachtung muß
brauchbar sein, anzuwenden auf die Fälle, in
denen nicht beobachtet
wird. || wurde
|
1359.
Also entspricht diesem Aufzucken “Jetzt
weiß ich's!” kein
besonderes Erlebnis?
Nein. –
Denk Dir den, der immer auffährt
“Jetzt hab ich's!”
wenn er nichts hatte; – was sollen wir von ihm sagen?
Welches Erlebnis hatte er?
Nicht der besondere ‘Erlebnisinhalt’ beim Aufzucken
gibt ihm sein besonderes Interesse, und wenn Einer sagt, er habe in
diesem Augenblick alles verstanden, so ist das nicht die Beschreibung
eines Erlebnisinhalts. –
Aber warum nicht? –
Ich will unterscheiden zwischen einer Aussage, die “Ich
habe die Formel in diesem Augenblick vor mir gesehen” und einer, wie “Ich habe in diesem Augenblick die
Methode erfaßt”.
Aber nicht, als wollte ich sagen – “weil
man eine Methode nicht in einem Augenblick erfassen
kann”.
Man kann es wohl, es geschieht sehr oft. –
Ich will sagen: “‘Jetzt verstehe
ich's’ ist ein Signal, nicht eine
Beschreibung”.
Und was ist damit getan, daß ich
dies sage?
Nun, die Aufmerksamkeit wird damit auf den Ursprung so eines
Signals gerichtet; die Frage “Wie lernt Einer die Worte
‘Jetzt verstehe ich's’ und wie,
z.B., die der Beschreibung einer
Vorstellung?” tritt in den
Vordergrund || ” || tritt
hervor.
Denn das Wort “Signal” weist auf einen Vorgang hin,
der signalisiert wird. |
1360.
Es ist freilich die Unbestreitbarkeit, die das Bild
begünstigt: es wäre
hier etwas beschrieben, was nur wir sehen und 350. nicht der Andere sieht, was also
uns nahe und immer zugänglich,
für den Andern aber verborgen ist, also
etwas, was in uns selbst liegt und wir durch Schauen in uns
selbst gewahr werden.
Und die Psychologie ist nun die Lehre von diesem Innern. |
1361.
Wenn ich also sagen will, daß unsere
‘Äußerungen’, mit denen es die
Psychologie zu tun hat, durchaus nicht alle Beschreibungen von
Erlebnisinhalten seien, so muß ich sagen,
daß, was man Beschreibungen von Erlebnisinhalten
nennt, nur eine kleine Gruppe jener
‘unbestreitbaren’ Äußerungen
sind.
Aber durch welche grammatischen Züge
ist diese Gruppe charakterisiert? |
1362.
Ein Erlebnisinhalt, das ist das, was ein Bild wiedergeben kann; ein
Bild in seiner subjektiven Bedeutung, wenn es
besagt:
“Das sehe ich, – was
immer der Gegenstand sein mag, der diesen Eindruck
hervorbringt.”
Denn der Erlebnisinhalt ist der private Gegenstand. –
Aber wie kann dann der Schmerz einen solchen Inhalt bilden? –
Eher noch die Temperaturempfindung.
Und der Gehörsinn ist dem Gesicht noch
näher verwandt;– aber auch schon ganz
verschieden. |
1363.
Es ist uns förmlich, als hätte
der Schmerz einen Körper, als
wäre er ein Ding, ein Körper mit
Form und Farbe.
Warum?
Hat er die Form des schmerzenden
Körperteils?
Man möchte z.B. sagen:
“Ich könnte den Schmerz
beschreiben, wenn ich nur die nötigen
Worte und Elementarbedeutungen dazu
hätte.”
Man 351.
fühlt: es fehlt einem nur die notwendige
Nomenklatur.
(James.)
Als könnte man die Empfindung sogar malen, wenn nur
der Andere diese
Ausdrucksweise || Sprache verstünde. –
Und man kann den Schmerz ja wirklich räumlich und
zeitlich beschreiben. |
1364.
Wäre die Schmerzäußerung
nur ein Schreien und dessen Stärke
abhängig nur von dem vorrätigen
Atem, aber nicht von der Verletzung, –
wären wir dann auch geneigt, den Schmerz als etwas
Beobachtetes aufzufassen? |
1365.
Warum denkst Du, daß des
Andern Schmerz ähnlich ist, wie
seine Gesichtsempfindung? –
Oder so: Warum gruppieren wir Gesicht,
Gehör und Tastempfindung
zusammen?
Weil wir durch sie ‘die Außenwelt
kennen lernen’?
Der Schmerz könnte ja als eine Art Tastempfindung
aufgefaßt werden. |
1366.
Wie ist es aber mit meiner Idee, daß wir die
Stellungen und die Bewegungen unserer Glieder nicht wirklich nach den
Gefühlen beurteilen, die diese Bewegungen uns
geben?
Und warum sollten wir die
Oberflächenbeschaffenheit der
Körper so beurteilen, wenn man das von unseren
Bewegungen nicht sagen kann? –
Was ist überhaupt das Kriterium
dafür, daß unser
Gefühl uns dies lehrt?
|
1367.
Wie beurteilt man, ob die Müdigkeit
(z.B.) ein unklar lokalisiertes
Körpergefühl ist?
352. |
1368.
Man möchte sagen “Ich glaube
… ” kann nicht eigentlich das
Präsens vom “Ich glaubte”
sein.
Oder: man müßte ein Verbum so
gebrauchen können, daß sein
Präteritum den Sinn von “ich
glaubte” hat, sein Präsens aber einen
andern¤ Sinn, als unser “ich
glaube”.
Oder auch so: Es müßte ein Verbum
geben, dessen dritte Person in der Gegenwart den Sinn “er
glaubt” hat, dessen erste Person aber einen andern als
“ich glaube”.
Aber soll es dann auch ein Verbum geben, dessen erste Person sagt “ich glaube”, dessen dritte aber nicht das, was wir mit “er glaubt” meinen? Die dritte Person müßte also auch unbestreitbar sein? |
1369.
Wie, wenn Einer sagte: “Ich
weiß, es wird nicht regnen, aber ich
glaube, es werde regnen”? |
1370.
Was ist den Sinneserlebnissen gemeinsam? –
Die Antwort, daß sie uns die
Außenwelt kennen lehren, ist eine falsche und eine
richtige.
Sie ist richtig, sofern sie auf ein logisches
Kriterium deuten soll || deutet.
|
1371.
Ließe sich ein “Ich habe
gelogen” denken, das ich aus der Beobachtung meines || des eigenen Benehmens erschließe?
Nur dann, wenn auch der Andere nicht das
Geständnis “Ich habe
gelogen” machen kann.
Beschreibt “Ich habe nicht gelogen” ein Erlebnis, oder “Ich habe dieser Aussage im guten Glauben gemacht”? – Du mußt daran 353. denken,
daß ich seinen guten Glauben nicht nur aus dem und
jenem Benehmen erschließe, sondern auch sein Wort
dafür annehme, welches er nicht
auf Selbstbeobachtung stützt. |
1372.
Wie kommt es, daß ich aus meiner Aussage || meiner eigenen Aussage “Es
wird regnen” nicht entnehmen kann, daß ich
dies glaube?
Kann ich denn gar keine interessanten Schlüsse
daraus ziehen, daß ich dies
gesagt habe?
Sagt der Andere es, so schließe
ich etwa, er werde einen Schirm mitnehmen.
Warum nicht in meinem eigenen Fall?
Natürlich, die Versuchung ist hier, zu sagen: Im eigenen Falle brauche ich diesen Schluß nicht aus meinen Worten zu ziehen, weil ich ihn aus meinem Seelenzustand, aus meinem Glauben selbst ziehen kann. |
1373.
Warum schließe ich nie von meinen Worten auf meine
wahrscheinlichen Handlungen?
Aus demselben Grunde, aus welchem ich nicht von meinem Gesichtsausdruck
auf mein wahrscheinliches Benehmen
schließe. –
Denn nicht das ist das Interessante, daß ich
nicht aus meinem Ausdruck der Gemütsbewegung auf
meine Gemütsbewegung
schließe, sondern, daß ich aus
jenem Ausdruck auch nicht auf mein späteres
Verhalten schließe, wie dies doch die Andern tun,
die mich beobachten. |
1374.
Wer philosophiert, macht oft zu einem Wortausdruck die falsche,
unpassende, Geste. 354. |
1375.
Wenn Einer mich auf der Straße trifft und fragt
“Wohin gehst Du?” und ich antworte
“Ich weiß es nicht”, so nimmt
er an, ich habe keine bestimmte Absicht; nicht, ich wisse
nicht, ob ich meine Absicht werde ausführen
können.
(Hebel.) |
1376.
Mein Über-Ich könnte von
meinem Ich sagen: “Es regnet, und das
Ich glaubt es” und
könnte fortfahren: “Ich wird
also wahrscheinlich einen Schirm mitnehmen”.
Und wie geht nun das Spiel weiter? |
1377.
Betrachte auch die Aussage: “Ich werde wahrscheinlich
....” – wo das, was folgt, eine
willkürliche, keine
unwillkürliche Handlung ist. |
1378.
Man sagt etwa: “Die Überzeugung
fühlt man, man
schließt auf sie nicht aus den eigenen Worten, oder
ihrem Tonfall.
Aber was heißt es: man fühle die Überzeugung? Wahr ist: Man schließt nicht aus den eigenen Worten auf die eigene Überzeugung; oder auf die Handlungen, die dieser entspringen. |
1379.
Auf die Frage “Warum schließe ich
nicht aus meinen Reden auf meine wahrscheinlichen Handlungen”
könnte man sagen, es ist hier so, wie ich als
Beamter in einem Ministerium auf die wahrscheinlichen
Entschlüsse desselben nicht aus den
offiziellen
Äußerungen
schließe, da mir ja der Ursprung, die 355. Genesis dieser
Äußerungen und der
Entschlüsse bekannt ist. –
Zu vergleichen wäre dieser Fall dem,
daß ich Selbstgespräche
führe, vielleicht sogar schriftlich, die mich zu
meinen lauten Äußerungen im
Gespräch mit Andern führen; und
nun sage ich: ich werde doch auf mein
künftiges Verhalten nicht aus diesen
Äußerungen
schließen, sondern
aus den viel verläßlicheren Dokumenten meines
Innenlebens. |
1380.
Ich weiß doch, wenn ich zornig bin, ich brauche es
doch nicht aus meinem Benehmen lernen. –
Aber schließe ich aus meinem Zorn auf eine
wahrscheinliche Handlung?
Man könnte das, glaube ich, auch so sagen:
Ich verhalte mich zu meinen
Handlungen nicht beobachtend. |
1381.
Wenn ich Einem sage “Ich weiß,
daß Du so handeln wirst”,
so ist das beste Mittel, um diese Vorhersage wahr zu machen, das, den
Andern zu der Handlung zu
überreden. |
1382.
Wenn ich Einem sage “Du wirst jetzt Deine Hand
heben”, so kann diese Voraussage Grund genug
dafür sein, daß sie nicht in
Erfüllung geht; es sei denn, sie sei ein Befehl und
der Andere respektiere ihn. |
1383.
“Es regnet und ich glaube, daß es
regnet.” –
Zum Wetter gewendet sage ich, daß es regnet;
dann, zu mir selbst gewendet, daß ich dies
glaube. –
Aber was tue ich denn, wenn ich mich zu 356. mir wende, was beobachte
ich?
Denk Dir, ich sage “Es regnet und ich glaube,
daß es bald aufhören
wird”– wende ich mich denn beim zweiten Teil der Aussage zu
mir selbst? – ja, wenn ich herausfinden will, ob
er das glaubt, dann muß ich mich zu
ihm wenden, ihn beobachten.
Und wenn ich, was ich glaube, durch Beobachtung erfahren wollte,
müßte ich meine Handlungen
beobachten, ganz wie im anderen Fall die seinen.
Warum nun beobachte ich sie nicht? Sind sie für mich nicht interessant? Sie sind es scheinbar nicht. Ich frage einen Andern, der mich beobachtet hat, fast nie, ob er den Eindruck hat, ich glaube das und das: nämlich um auf diese Weise auf meine Handlungen in der Zukunft schließen zu können. Warum sollte denn ein wirklich guter Beobachter aus meinen Reden und Handlungen nicht mein Verhalten richtiger voraussagen können, als ich es vermag? Aber vielleicht werde ich nur dann so handeln, wie er's voraussieht, wenn er's mir nicht voraussagt. |
1384.
Wenn ich sage “Ich erinnere mich, ich glaubte
....”, so frag Dich nicht “An welche
Tatsache, an welchen Vorgang hat er sich erinnert?”
(das wurde schon festgestellt) – sondern frag:
“Was ist der Zweck dieser Rede, wie wird sie
verwendet?” |
1385.
Der Gesichtssinn, der Gehörsinn, der Tastsinn
können auslassen, so daß
ich blind, taub, etc. bin; aber was
entspräche dem im Bereich der Intention?
Und wie benähme sich ein Mensch ohne Vorstellung? Oder einer, der nicht traurig und lustig sein kann? 357. |
1386.
“Die Hoffnung ist auf die Zukunft gerichtet” – aber
gibt es ein Gefühl, das mit dem der Hoffnung
identisch, aber auf die Gegenwart oder Vergangenheit gerichtet
ist?
Sozusagen dieselbe seelische Bewegung, aber mit einem andern
Gegenstand?
Frage Dich: was wäre hier als das Kriterium
der Gleichheit der Seelenbewegungen anzusehen?
Damit verbunden: “Ist das Aufschrecken
‘Jetzt kann ich's’ ein besonderes,
spezifisches, Aufschrecken?” |
1387.
Auch wenn ich zugäbe, daß ich
mehr von meinem eigenen Glauben weiß, als von dem
des Andern, so müßte ich dann doch sagen,
daß ich eben das von mir wissen kann,
was ich vom Andern weiß, wenn auch noch viel
mehr. –
So müßte ich also, wenn es auch
überflüssig
wäre || ist, ein Verbum
auf mich so anwenden können, wie das Wort
“glauben” auf den Andern.
Was hindert mich daran? |
1388.
Der Begriff der Welt des Bewußtseins.
Wir bevölkern einen Raum mit
Eindrücken. |
1389.
“Die ideale Uhr würde
einfach immer auf die Zeit ‘jetzt’
zeigen.”
Hängt auch mit der Sprache zusammen, die nur
meine Eindrücke im
gegenwärtigen Augenblick beschreibt.
Verwandt der Uraussage, die nur ein
unartikulierter Laut ist.
(Driesch.)
Der ideale Name, der das Wort “dieses” ist.
358. |
1390.
Ich möchte von einem Stammbaum der psychologischen
Begriffe reden.
(Ist hier eine Ähnlichkeit mit einem Stammbaum
der verschiedenen Zahlbegriffe?) |
1391.
Die Schwierigkeit des Verzichtens auf jede Theorie: Man
muß das und das, was so offenbar
unvollständig erscheint, als etwas
Vollständiges auffassen. |
1392.
Die Angst borgt die Bilder der Furcht.
“I have the feeling of impending
doom.” |
1393.
Was ist aber der Inhalt, der Bewußtseinsinhalt der
Angst?
Die Frage ist falsch gestellt. |
1394.
“Ein Bild (Vorstellungsbild, Erinnerungsbild) der
Sehnsucht”.
Man denkt, man habe schon alles damit getan, daß man
von einem ‘Bild’ redet; denn die Sehnsucht ist eben ein
Bewußtseinsinhalt, und dessen Bild ist etwas, was
ihm (sehr) ähnlich ist, wenn auch
undeutlicher als das Original.
Und man könnte ja wohl von Einem, der die Sehnsucht auf dem Theater spielt, sagen, er erlebe, oder habe, ein Bild der Sehnsucht: nämlich nicht als Erklärung seines Handelns, sondern zu seiner Beschreibung. |
1395.
Würde ich aber nicht doch sagen,
daß der Schauspieler etwas der wirklichen
Sehnsucht Ähnliches erlebt?
Ist eben nicht doch 359. etwas an dem, was
James sagt:
daß die Gemütsbewegung aus
den Gefühlen des Körpers
besteht, und daher, wenigstens teilweise, durch
willkürliche Bewegungen reproduziert
werden kann? |
1396.
Ist, die Mundwinkel hinunterziehen, so unangenehm, so traurig, und sie
hinaufziehen, so angenehm?
Was ist es, was so schrecklich an der Furcht ist?
Das Zittern, der schnelle Atem, das
Gefühl in den Gesichtsmuskeln? –
Wenn Du sagst: “Diese Furcht, diese
Ungewißheit ist schrecklich!” –
könntest Du fortsetzen: “Wenn
nur dieses Gefühl im Magen nicht
wäre!”? |
1397
Der Ausdruck “Diese Angst ist schrecklich!”
ist ähnlich einem Aufstöhnen,
einem Schrei.
Gefragt “Warum schreist Du?” –
würden wir aber nicht auf den Magen, die Brust,
etc. zeigen, wie im Falle des Schmerzes; sondern
vielleicht auf das, was die Angst hervorruft. || was uns Angst macht.
|
1398.
Wenn die Angst furchtbar ist, und wenn ich in ihr mir meiner Atmung
bewußt bin und einer Spannung in meinen
Gesichtsmuskeln, – sagt das, daß diese
Gefühle mir furchtbar sind?
Könnten sie nicht sogar eine Linderung
bedeuten? |
1399.
Vergleiche Furcht und Angst mit Sorge. |
1400.
Und was ist das für eine
Beschreibung: “Ewiges Düstere
steigt herunter ....”? 360.
So könnte man einen Schmerz beschreiben; ja sogar malen. |
1401.
Ist nicht der ‘Inhalt’ das, womit man den
Empfindungsraum bevölkert?
Das, was in Raum und Zeit sich wandelt, vorgeht.
Wenn man etwa zu sich selbst spricht, so wären es
die vorgestellten Laute (und etwa Gefühle im
Kehlkopf, oder dergleichen). |
1403.
Inwiefern ist mir die Lüge
bewußt, während ich
lüge?
Nur insofern, als sie mir nicht
später erst zum
Bewußtsein kommt, und ich doch
später weiß,
daß ich gelogen habe.
Das
Sich-der-Lüge-bewußt-sein
ist ein Können.
Dem widerspricht nicht, daß es charakteristische
Gefühle des Lügens
gibt. |
1404.
Das Wissen wird eben nicht in Worte
übersetzt, wenn es sich
äußert.
Die Worte sind keine Übersetzung eines Andern,
das || welches vor ihnen da war.
|
1405.
Man sagt “Ich merke an seinem Ton,
daß er nicht glaubt, was er spricht”, oder
ich nehme es an, weil er sich im allgemeinen als
unzuverlässig erwiesen hat.
Wie kann ich das auf mich anwenden?
Kann ich z.B. aus meinem Ton
schließen, daß ich
wahrscheinlich nicht meinen Worten gemäß handeln
werde?
(Und doch tut's der Andere.)
Oder kann ich es aus meiner früheren 361.
Unzuverlässigkeit
schließen?
Das Letztere schon eher.
Aber ich beurteile den Ton meiner Stimme garnicht, wie den des Andern.
Ja, wenn ich mich später, etwa in
einem Sprechfilm, sehen könnte,
würde ich vielleicht sagen “Ich traue
mir nicht recht.” |
1406.
Vor allem aber: ich scheine doch einen Ersatz
für alle solche Konjekturen zu haben, einen,
der sicherer ist als sie.
Ich weiß doch,
daß ich nicht glaube, was ich sage, und das gibt
mir doch den besten Grund – möchte ich sagen
– zur Annahme, daß ich nicht meinen Worten
gemäß handeln werde.
Ja; ich habe eben eine Absicht meine Handlungen
betreffend. |
1407.
“Ich weiß doch, daß
ich lüge!
Was brauche ich aus meinem Ton, etc.,
Schlüsse zu ziehen?” –
Aber so ist es nicht.
Denn die Frage ist; Kann ich aus jenem ‘Wissen’
die gleichen Schlüsse, auf die Zukunft
z.B., ziehen, kann ich von ihm die gleiche
Anwendung machen, wie von den beobachteten
Zeichen? |
1408.
Und ist denn die Absicht immer ganz klar?
Ich sage z.B. “Es wird
schon werden” – halb, weil ich es
glaube, halb, weil ich den Andern
trösten will. |
1409.
Hintergedanken.
“Ich kenne die meinen, vermute die
seinen.”
Aber welches Interesse, welche
Wichtigkeit, haben seine Hintergedanken für
mich?
(Nun, überlege es Dir.)
Und das ‘Wissen’ meiner Hintergedanken spielt nun
wirklich dieselbe Rolle für mich, wie
die Vermutung der seinen für ihn.
362. |
1410.
‘Nach sich selbst urteilen.’
Das gibt's natürlich.
Und ich schließe auch manchmal,
daß der Andere Schmerzen hat, weil er sich so
benimmt, wie ich in diesem Falle. |
1411.
Man könnte sagen: Sage ich Dir meine
Hintergedanken, so teile ich Dir gerade das mit, was Du vermutest, wenn
Du die Hintergedanken vermutest.
D.h.: wenn Du die Hintergedanken,
sozusagen, als aktives Prinzip vermutest, und ich
äußere sie, so kannst Du meine
Äußerung unmittelbar zur Beschreibung jenes
Agens gebrauchen.
Meine Äußerung erklärt
gerade das, was er erklären will. |
1412.
“Wozu soll ich denn aus meinen eigenen Worten auf mein
Verhalten schließen, wenn ich ohnehin
weiß, was ich glaube?”
Und wie äußert sich's,
daß ich weiß, was ich
glaube?
Äußert es sich nicht dahin:
daß ich eben von meinen Worten nicht auf
mein Verhalten schließe?
Das ist die Tatsache.
|
1413.
Warum schließe ich nicht aus meinem Ton darauf,
daß ich nicht wirklich von dem
überzeugt bin, was ich sage? oder auf all
das, worauf man aus diesem Letzteren schließt? –
Und antwortet man “Weil ich meine
Überzeugung kenne” – so
ist die Frage “Wie zeigt sich das?”
Soll ich nun sagen: “Darin,
daß ich nicht || nicht
daran zweifele, was sie ist”? |
1414.
Die Kenntnis des Metrums.
Wer das Metrum kennt, hört es
anders. 363. |
1415.
Es gibt sorgenvolle Gedanken, aber nicht zahnschmerzvolle. |
1416.
Ich pfeife jetzt einen Ton, aber auch jetzt eine Melodie. |
1417.
Wir sagen nicht: “Ich sehe
wütend aus; ich hoffe nur, ich werde keine
Gewalttat begehen.”
Die Frage ist aber nicht: “Wie kommt
das?” |
1418.
Die Psychologie des Urteils.
Denn auch das Urteil hat seine Psychologie.
Es ist wichtig, daß man sich denken kann, daß jedes Urteil mit dem Worte “Ich” beginnt. “Ich urteile, daß ....” So ist also jedes Urteil eines über den Urteilenden? Insofern nicht, als ich nicht will, daß die Hauptkonsequenzen über mich gezogen werden, sondern über den Gegenstand des Urteils. Sage ich “Es regnet”, so will ich im allgemeinen nicht, daß man antworte “Also so scheint es Dir.” “Wir reden vom Wetter”, könnte ich sagen, “nicht von mir.” |
1419.
“Warum aber ist die Verwendung des Zeitworts
‘glauben’, seine Grammatik, in so seltsamer Weise
zusammengesetzt || zusammengefügt?”
Nun, sie ist nicht seltsam zusammengesetzt. Seltsam nur, wenn man sie mit der des Wortes “essen” etwa vergleicht. |
1420.
“Was er wohl jetzt tun wird” sage ich, indem ich ihm
zusehe. 364.
Betrachte ich mich || Sehe ich mir auch
zu, und sage “Was ich wohl jetzt tun
werde”? |
1421.
Denke, ich bewegte mich in einem Zimmer, und hätte
einen Lichtschirm vor meinen Augen, auf dem || welchem ich mich sehe, wie ein Beobachter mich sehen
würde.
Ich schaue, während ich mich in dem Zimmer
bewege, stets nur auf den Schirm und
beobachte auf ihm mein Tun. –
Was wäre nun der Unterschied zwischen
den beiden Fällen: a) Ich
werde durch das, was ich auf dem Lichtschirm sehe, gelenkt, wie durch
das normale Sehen meiner Umgebung – – b) Ich
bewege mich unwillkürlich und
beobachte mich wie einen Fremden.
Aber fühle ich meine Bewegungen nicht? – Aber geschieht mir dies Gefühl nicht, wie jeder andere Sinneseindruck? |
1422.
Nun gut: das kinästhetische ist ein
anderes, ein besonderes Gefühl. –
Aber so ist Geruch, Gehör, etc.
–
Warum macht das einen solchen Unterschied?
“Innervationsgefühl” – das drückt aus, was man sagen möchte: Daß es wie ein Impuls ist. Aber ein Gefühl wie ein Impuls?! Was ist denn ein Impuls? Ein physikalisches Bild. Das Bild eines Stoßes. |
1423.
Was ist der Unterschied zwischen diesen Beiden: Einer
Linie unwillkürlich folgend – – Einer
Linie mit Absicht folgend. 365.
Was ist der Unterschied zwischen diesen Beiden: Eine
Linie mit Bedacht und großer Aufmerksamkeit
nachziehen – – Aufmerksam beobachten, wie meine Hand einer
Linie folgt. |
1424.
Gewisse Unterschiede sind leicht anzugeben.
Einer liegt im Voraussehen dessen, was die Hand tun wird.
|
1425.
Ist “Ich tue mein
Möglichstes” die
Äußerung eines Erlebnisses? –
Ein Unterschied: Man sagt “Tue
dein Möglichstes!” |
1426.
Sagt man: “Gib Dir dieses
Muskelgefühl!”?
Und warum nicht? –
“Dieses”? –
Welches? – –
Aber kann ich mir nicht ein bestimmtes
Muskelgefühl geben, indem ich eben meinen Arm
bewege? –
Versuch's!
Beweg Deinen Arm, – und frag Dich, welches
Gefühl Du Dir hervorgerufen hast.
Sagte mir Einer “Beug Deinen Arm und ruf Dir das charakteristische Gefühl hervor” und ich beuge meinen Arm, so müßte ich ihn nun fragen: “Welches hast Du gemeint? Eine leichte Spannung im Bizeps, oder ein Gefühl in der Haut an der Innenseite des Ellenbogengelenks?” Ja, ich könnte, wenn mir Einer eine Bewegung befiehlt, sie machen, und dann die Empfindungen, das sie hervorbringt, und ihren besonderen Ort beschreiben (der beinahe nie das Gelenk wäre). Und ich müßte oft auch sagen, ich habe nichts empfunden. Nur darf man das nicht mit der Aussage verwechseln, es sei gewesen, als wäre mein Glied || Arm gefühllos. 366. |
1427.
Liest Du die Seite willkürlich?
Und worin besteht hier der Akt? –
Es kann Einer auf Befehl lesen, und zu lesen
aufhören.
Man kann sich auch auf Befehl etwas vorstellen.
Sich z.B. in der Vorstellung ein Gedicht
aufsagen, eine Rechnung machen.
Fühlst Du's, beim
Vorstellen, ob Du Dir etwas willkürlich oder
unwillkürlich vorstellst?
Man kann sich auf Befehl Gedanken hervorrufen, Vorstellungen hervorrufen, – aber auch, und das ist etwas anderes, auf Befehl etwas denken, sich etwas vorstellen. |
1428.
Vorstellungen, könnte man sagen, sind
willkürlich, Nachbilder
unwillkürlich. |
1429.
Unwillkürlich ist,
z.B. die Bewegung, die man nicht hindern
kann; oder die, von der man nichts weiß; oder, die
geschieht, wenn man seine Muskeln geflissentlich
schlaff
läßt, um die Bewegung nicht zu
beeinflussen. |
1430.
Frage ich mich, wenn ich, z.B., den Andern essen
sehe, ob er es willkürlich oder
unwillkürlich tut?
Man sagt vielleicht, ich nehme eben an, daß es
willkürlich geschieht.
Was nehme ich an; daß er es
fühlt?
Und auf bestimmte Weise fühlt? |
1431.
Wie weiß ich, ob das Kind
willkürlich oder nicht
willkürlich ißt, trinkt,
geht, etc.?
Frage ich es, was es fühlt?
Nein; essen, wie Jeder ißt,
ist willkürlich. 367. |
1432.
Wenn Einer uns nun sagte, er esse
unwillkürlich, – welche Evidenz
würde mich dies glauben machen? |
1433.
Wenn ich, um mein Aug zu
schützen, die Hand plötzlich
hebe, – ist die Bewegung willkürlich?
– und fühle ich sie anders, als
eine willkürliche? |
1434.
Der Begriff der ‘Anstrengung’.
Fühlst Du die Anstrengung?
Freilich fühlst Du sie.
Aber machst Du sie nicht auch? –
Was sind die Zeichen der Anstrengung?
Ich hebe ein schweres Gewicht mit großer
Anstrengung.
Meine Muskeln sind gespannt, mein Gesicht zusammengekniffen, mein Atem
angehalten – – aber tue ich das; geschieht es mir
nicht bloß?
Wie wär's, wenn es mir nun
geschähe?
Wie unterschiede sich der Fall von dem des Wollens?
Würde ich etwa anders reden?
Würde ich sagen: “Ich
weiß nicht, was mit mir geschieht: meine Muskeln
sind gespannt, mein Gesicht etc.
etc.”?
Und sagte ich: “Nun, so entspann Deine
Muskeln”, so würde er antworten
“Ich kann nicht”.
Aber wie, wenn mir Einer sagte: “Ich fühle, daß ich tun muß, was immer ich tue”, und daß er sich dabei benimmt, wie jeder Andere? |
1435.
Ist nicht, zu sagen, das kinästhetische
Gefühl zeige mir die gemachte Bewegung an, analog
der Ansicht, ein Merkmal des Schmerzes zeige mir seinen Ort an?
368. |
1436.
Wenn Einer den Schmerz durch ein Farbenbild darstellen
wollte, – würde er in das Bild ein
vokales Zeichen || Merkmal
aufnehmen?
Und weshalb nicht? |
1437.
Ist nicht die Empfindung das Maß der
Anstrengung?
D.h.: Wenn ich sage
“Ich ziehe jetzt stärker”,
merke ich das am Grad der Empfindung?
Und was ist dagegen zu sagen?
Man sagt Einem “Streng Dich mehr an!”
– nicht, damit er mehr empfindet, sondern mehr leistet.
|
1438.
Warum fühlt man, man könne
eine Tastempfindung (ihren Inhalt) beschreiben, malen, nicht aber
eine Bewegungs- oder
Positionsempfindung? |
1439.
Kannst Du z.B. sagen, Deine Positionsempfindung sei
schwach oder stark?
Und Deine Empfindungen bei der Bewegung eines Gliedes können zwar stärker oder schwächer (oder abwesend) sein, aber das ist keine Wahrnehmung der Bewegung. |
1440.
Bewegungsempfindungen, – das sind Empfindungen,
die durch Bewegungen hervorgerufen werden –
können z.B. Schmerzen
sein.
Wie weiß man, daß es nicht diese Bewegungsempfindungen sind, die uns lehren, wie wir uns bewegen? Was wäre ein Zeichen dafür, daß es so ist? 369. |
1441.
Ist es nicht eine wichtige Tatsache, daß das Theater
uns Farben und Töne vorführt,
aber nicht Tastempfindungen?
Man könnte sich etwa die Verwendung von
Gerüchen und von Temperaturempfindungen
vorstellen, aber nicht die von Tastempfindungen.
|
1442.
Einer, der mit augenscheinlicher Aufmerksamkeit || Sorgfalt eine Nadel
einfädelt und uns sagt, er tue es
unwillkürlich.
Wie könnte er diese Aussage rechtfertigen?
|
1443.
Was man wissen kann, davon kann man überzeugt
sein, – und das kann man auch vermuten.
(Grammatische Bemerkung.) |
1444.
Willkürlich sind gewisse Bewegungen mit ihrer
normalen Umgebung von Absicht, Lernen,
Versuchen, Handeln.
Bewegungen, von denen es Sinn hat, zu sagen, sie seien manchmal
willkürlich, manchmal
unwillkürlich, sind Bewegungen in einer speziellen
Umgebung. |
1445.
Eine Kategorie psychologischer Erscheinungen (Tatsachen)
wären die
‘Keime’.
Aber dies Wort kann ebenso leicht der Ausdruck eines
Mißverständnisses sein, wie das
Wort “Tendenzerlebnis”
(James.).
Das Wort
“Brettspiel-Zug”
charakterisiert auch nicht eine Art der Bewegung.
|
1446.
Übersetzen von einer Sprache in die andere ist eine
mathematische Aufgabe und das Übersetzen eines
lyrischen Gedichts z.B. in eine fremde Sprache ist
ganz analog einem mathematischen 370. Problem.
Denn man kann wohl das Problem stellen “Wie ist dieser
Witz (z.B.) durch einen Witz in der andern
Sprache zu übersetzen,”
d.h. zu ersetzen; und das Problem
kann || kann auch
gelöst sein; aber eine Methode, ein System, zu seiner
Lösung gab es nicht. |
1447.
Du weißt, daß Du
lügst; Du weißt es, wenn Du
lügst.
Eine innere Stimme, ein Gefühl, sagt es
mir?
Könnte dies Gefühl mich
nicht täuschen? || irreleiten?
Sagt es mir immer eine Stimme? Und wann spricht sie? Die ganze Zeit? – Und wie weiß ich, daß ich ihr trauen kann? |
1448.
Eine Lüge hat eine besondere Umgebung.
Es gibt da vor allem ein Motiv.
Eine Veranlassung. |
1449.
Das Bewußtsein des Lügens ist
von der Kategorie des Bewußtseins der
Absicht. |
1450.
Vergiß nicht: Gesicht,
Gehör, Geruch, Geschmack, etc.,
sind Empfindungen nur, weil diesen Begriffen etwas
gemeinsam ist – – wie man Bohrer,
Meißel, Axt, Knallgasgebläse,
zusammennehmen könnte, weil ihnen
gewisse Funktionen gemeinsam sind. |
1451.
“Der Schmerz, der Ton, der Geschmack, Geruch, hat eine
bestimmte Farbe.”
Was heißt das?
(Qualität.
Eigenschaftswort.)
Eine Farbe kann grünlich sein, oder bläulich – es gibt 371. ein Gemisch von Farben; und so
auch ein Gemisch von Gerüchen,
Klängen, Geschmäcken;
qualitative Zwischenstufen.
Wie unterscheidet man qualitative von quantitativen Zwischenstufen,
ich meine, von Stufen der
‘Intensität’!?
Noch auszuhalten – nicht mehr auszuhalten, das sind z.B. Grade der Intensität. Denke, jemand fragte: “Wie kann ich wissen, was, was ich als verschiedene Grade, der Lautheit z.B., empfinde, der Andere nicht als verschiedene Qualitäten, vergleichbar verschiedenen Farben, empfindet?” – Vergleiche die Reaktion zu einer || auf eine Änderung der Stärke mit der zu einer || auf eine Änderung der Qualität. |
1452.
Ich fühle meinen Arm und, seltsamerweise,
möchte ich nun sagen: ich
fühle ihn im Raum in bestimmter Lage; als
wäre nämlich das
Körpergefühl in einem Raum in
der Form des Arms verteilt, so
daß ich, um es darzustellen, den Arm,
etwa in Gips, in seiner richtigen Lage darstellen
müßte. |
1453.
Denk Dir, eine Bleistiftspitze würde an irgendeiner
Stelle mit meiner Haut in Berührung gebracht, so
kann ich sagen, ich fühle, wo sie ist.
Aber fühl' ich, wo ich
sie fühle?
“Wie weißt Du, daß
die Spitze jetzt Deinen Schenkel
berührt?” –
“Ich fühle es”.
Dadurch, daß ich die Berührung
fühle, weiß ich ihren Ort;
aber soll ich darum von einem Ortsgefühl
reden?
Und wenn es kein Ortsgefühl gibt, warum soll
es || muß es ein
Gefühl der Lage geben? 372. |
1454.
Ja, es ist seltsam.
Mein Unterarm liegt jetzt horizontal und ich
möchte sagen, daß ich das
fühle; aber nicht so,
als hätte ich ein
Gefühl, das immer mit dieser Lage zusammengeht
(als fühlte man etwa Blutleere, oder Plethora)
– sondern, als wäre eben das
‘Körpergefühl’
des Arms horizontal angeordnet oder verteilt, wie etwa
ein Dunst oder Staubteilchen an der Oberfläche
meines Armes so im Raume verteilt sind.
Es ist also nicht wirklich, als fühlte ich die
Lage meines Arms, sondern als fühlte ich meinen
Arm, und das Gefühl
hätte die und die Lage.
D.h. aber nur: ich
weiß einfach, wie er liegt
– ohne es zu wissen, weil ....
Wie ich auch weiß, wo ich den Schmerz empfinde
– es aber nicht weiß, weil
.... |
1455.
Betrachte: – “Es ist nicht wahr,
daß ich immer das Falsche glaube.
Z.B. es regnet jetzt, und ich glaube
es.”
Man könnte von ihm sagen: Er spricht wie zwei Menschen. |
1456.
Warum habe ich Zweifel über seine Absicht, aber
nicht über die meine?
Inwiefern kenne ich unzweifelhaft meine Absicht?
Was ist, sozusagen, der Nutzen davon, daß ich meine
Absicht weiß?
Was nämlich ist der Nutzen, die Funktion, der
Absichtsäußerung?
Wann, nämlich, ist es eine
Absichtsäußerung?
Doch, wenn die Tat ihr folgt, wenn sie eine Vorhersage ist.
Ich mache die Vorhersage, dieselbe, die der Andere aus der
Beobachtung meines Verhaltens macht,
ohne diese Beobachtung. 373. |
1457.
Wenn es sich um ein ‘Gefühl der
Unwirklichkeit’ handelt, sind wir geneigt, zu sagen:
“Alles, was ich weiß, ist,
daß Menschen oft unter gewissen
Umständen sagen, sie fühlten, es
sei alles um sie ‘unwirklich’.
Wir wissen natürlich auch, wie der Gebrauch
dieses Wortes im übrigen konditioniert wurde, || auch, welchen Gebrauch dieses Worts die Leute gelernt
hatten, und noch einiges über ihre
anderweitigen Äußerungen.
Mehr wissen wir nicht.” –
Warum reden wir nicht auch so, wenn es sich um die
Äußerung der Lust, der
Überzeugung, der Willkürlichkeit
und Unwillkürlichkeit von Bewegungen
handelt? |
1458.
Was sollte ich Einem antworten, der mir sagt, er
fühle die Lage und Bewegung seiner Glieder,
ihm sage ein Gefühl
ihre Stellung und Bewegung? || , der mir versichert,
ihn lehre ein Gefühl
die Stellung und Bewegung seiner Glieder?
Soll ich sagen, er lüge, oder er irre sich, oder
soll ich ihm glauben?
Ich möchte ihn fragen, wie ihn ein
Gefühl diese Lage, z.B.,
lehrt.
Oder besser: wie er weiß,
daß sein Gefühl
ihn das lehre. |
1459.
(Man sagt das
Gewöhnliche, – mit der
falschen Gebärde.) |
1460.
Erinnere Dich hier wieder an das
Gefühl ohne Rechtfertigung und, dem Anscheine
nach, ohne Grund eine gewisse Ortschaft
müsse in der Richtung liegen.
Würde uns dies Gefühl
374. nicht zumeist
täuschen, so würde man hier von
einem gefühlsmäßigen
Wissen reden.
Und die Quellen dieses Gefühls lassen sich nur
vermuten, oder erfahrungsmäßig
feststellen. |
1461.
Das Allerwichtigste ist hier,
daß man sich eines Unterschieds, der ein
kategorischer ist, bewußt sein kann, ohne sagen zu
können, worin der Unterschied besteht. || Das wichtigste ist hier dies: es besteht ein
Unterschied; man merkt den Unterschied, ‘der ein kategorischer
ist’ – ohne sagen zu können, worin er
besteht.
Das ist der Fall, in dem man gewöhnlich sagt, man
erkenne den Unterschied eben durch Introspektion. |
1462.
Und doch klingt es zuviel wie ein Appell an die Introspektion, wollte
ich sagen, “Prüfe dich doch – ob
Du wirklich die Lage Deiner Glieder nach Gefühlen
in ihnen bestimmst!” –
Und es wäre auch falsch, denn die Frage ist eben:
Wie würde sich das zeigen, wenn Einer es
täte?
Denn wenn er nach einer Selbstprüfung
mir versicherte, es sei so, oder es sei nicht so,
– wie weiß ich, ob ich ihm trauen darf; ich
meine, ob er mich auch richtig verstanden hat.
Oder auch: Wie prüfe ich, ob ich ihn
verstehe? |
1463.
Es sagt mir Einer: “Ich
weiß nicht, wie ich meine Finger bewege, aber
ich weiß, wenn ich sie spreize durch das
Gefühl in meinen
Schwimmhäuten.”
Hier müßte man fragen: Kannst
Du also den Befehl “Spreiz Deine
Finger” mit geschlossenen Augen nicht ohne weiteres
ausführen? 375. |
1464.
Wir fühlen unsere Bewegungen.
Ja, wir fühlen sie wirklich; die
Empfindung ist nicht ähnlich einer
Geschmacksempfindung, oder einer Hitzeempfindung, sondern einer
Tastempfindung: der
Empfindung, wenn Haut und Muskeln gedrückt,
gezogen, verschoben werden. |
1465.
Wie kann ich bei meinen Bewegungen die Leitung des
Bewegungsgefühls brauchen? denn wie kann
ich, ehe die Bewegung angefangen hat, aus all
den Muskeln die aussuchen, die mir das richtige
Bewegungsgefühl geben werden? –
Wenn es ein Problem ist “Wie
weiß ich, wenn ich die Bewegung nicht sehe,
daß sie, und wie weit sie, stattgefunden
hat?” – warum ist es dann kein Problem:
“Wie weiß ich
überhaupt, wie die, sagen wir, befohlene Bewegung
einzuleiten ist?
(Russell machte
darüber einmal eine falsche Bemerkung.)
|
1466.
Ich kann z.B. sagen, daß ich
jetzt weiß, daß mein Finger
gebogen ist, daß ich aber keinerlei
Gefühl in ihm habe; jedenfalls aber keines, das
ich besonders mit dieser Stellung assoziiere.
Wenn man mich also fragte: “Spürst Du
irgend etwas, wovon Du sagen willst, Du würdest
es in der gestreckten Lage¤ nicht
fühlen; oder geht Dir ein
Gefühl ab || oder ist ein
Gefühl jetzt abwesend, welches
in der andern Lage vorhanden wäre?”
– so müßte ich mit Nein
antworten. |
1467.
“Ist Vergnügen eine
Empfindung?”
(Ivor Armstrong
Richards).
Das heißt also etwa: Ist
Vergnügen so etwas, wie ein Ton, oder ein
Geruch? 376.
– Aber ist ein Ton so etwas wie ein Geruch?
Inwiefern? |
1468.
Wer fragt, ob Vergnügen eine Empfindung ist,
unterscheidet wahrscheinlich nicht zwischen Grund und Ursache, denn sonst
fiele ihm auf, daß man, an etwas
Vergnügen hat, was nicht
heißt, daß dies Etwas eine
Empfindung in uns verursacht. |
1469.
Aber Vergnügen geht doch jedenfalls mit einem
Gesichtsausdruck zusammen, und den sehen wir zwar nicht an uns
selbst, aber spüren ihn doch.
Und versuch einmal über etwas sehr Trauriges nachzudenken mit dem Gesichtsausdruck strahlender Freude! |
1470.
Es ist ja möglich, daß die
Drüsen des Traurigen anders
sezernieren, als die des
Fröhlichen; auch,
daß diese Sekretion die, oder eine, Ursache der
Trauer ist.
Aber folgt daraus, daß die Trauer eine durch
diese Sekretion hervorgerufene Empfindung
ist? |
1471.
Aber der Gedanke ist hier: “Du
fühlst doch die Trauer – – also
mußt Du sie irgendwo
fühlen; sonst wäre sie eine
Chimäre.”
Aber wenn Du das || so denken willst, rufe Dir nur die
Verschiedenheit von Sehen und Schmerz ins
Gedächtnis.
Ich fühle den Schmerz in der Hand – – und die
Farbe im Auge?
So wie wir hier ein Schema verwenden wollen, statt
bloß das wirklich Gemeinsame zu notieren,
sehen wir alles falsch vereinfacht.377.
|| notieren, machen
wir uns ein falsch vereinfachtes Bild unserer Begriffswelt. Es
ist so, als sagten wir, alle Pflanzen im Garten
hätten Blüten, alle
Blütenblätter
– Früchte –
Samen. |
1472.
Ein Geruch kann höchst angenehm sein.
Ist das Angenehme an ihm nur eine Empfindung?
Dann würde also die Empfindung der Annehmlichkeit
den Geruch begleiten.
Wie aber würde sie sich auf ihn
beziehen?
Freilich, der Ausdruck der Annehmlichkeit ist seiner Art
nach ähnlich dem Ausdruck einer Empfindung,
insbesondere des Schmerzes.
Aber Freude hat keinen Ort; es gibt freudige
Gedanken, aber nicht zahnschmerzliche.
Aber – möchte man sagen – ob Freude eine Empfindung sei, oder was sie sei, muß man doch merken, wenn man sie hat! – (Und warum besonders, wenn man sie hat, und nicht, wenn man sie nicht hat?) Merkst Du auch das Wesen der Eins, wenn Du einen Apfel ißt, und das Wesen der Null, wenn Du keinen ißt? |
1473.
Willkürlichkeit hängt
mit Absichtlichkeit zusammen.
Und daher auch mit Entschluß.
Man entschließt sich nicht zu einem Herzkrampf
und hat ihn nun. |
1474.
Man ruft sich ein Niesen, oder einen Hustenanfall hervor, aber nicht
eine willkürliche Bewegung.
Und der Wille ruft das Niesen nicht hervor und auch nicht das
Gehen. 378. |
1475.
Empfindung, das ist das, was man für
unmittelbar gegeben und konkret hält, was man nur
anzuschauen braucht, um es zu erkennen; das, was wirklich da ist.
(Die Sache, nicht ihr Abgesandter.) |
1476.
“Ich weiß, ob ich meiner
Überzeugung gemäß, oder ihr
entgegen rede.”
So ist die Überzeugung das Wichtige.
Im Hintergrund meiner
Äußerungen || Reden.
Welches starke Bild.
Man könnte Überzeugung und
Rede malen. (“aus der tiefsten
Brust”).
Und doch, wie wenig zeigt dieses
Bild! |
1477.
“Der Geruch ist herrlich!”
Ist ein Zweifel darüber,
daß der Geruch es ist, der herrlich ist?
So ist es eine Eigenschaft des Geruches? – Warum nicht? Es ist eine Eigenschaft der Zehn durch Zwei teilbar zu sein, und auch, die Zahl meiner Finger zu sein. Es könnte aber eine Sprache geben, in der die Leute nur die Augen schließen und sagen “Oh, dieser Geruch!” und es keinen Subjekt-Prädikat-Satz gibt, der dem äquivalent ist. || der dem Ausruf äquivalent ist. Das ist eben eine ‘spezifische’ Reaktion. |
1478.
Ist das, wovon er sagt, er habe es, und wovon ich sage, ich habe es,
ohne daß wir dies aus irgendeiner Beobachtung
erschließen, – ist es dasselbe, wie das,
was wir aus der Beobachtung des Benehmens des Andern und aus seiner
Überzeugungsäußerung
entnehmen? 3779. |
1479.
Kann man sagen: Ich
schließe, daß er
handeln wird, wie er zu handeln
beabsichtigt? |
1480.
Ich schließe auf die Folgen seiner
Überzeugung aus dem Ausdruck seiner
Überzeugung; aber nicht auf die Folgen meiner
Überzeugung aus ihrem Ausdruck. |
1481.
Denk Dir einen Beobachter, der, gleichsam automatisch, seine
Beobachtungen ausspricht.
Ja, er hört sich reden, nimmt aber sozusagen
keine Notiz davon.
Er sieht, daß der Feind herannaht und meldet es,
beschreibt es, aber wie eine Maschine.
Wie wäre das?
Nun, er handelt nicht seiner Beobachtung
gemäß.
Man könnte von ihm sagen, er spreche aus, was er
sieht, aber er glaube es nicht.
Es dringe, sozusagen, in ihn nicht
ein. |
1482.
Warum schließe ich aus meinen eigenen Worten nicht
auf einen Zustand, aus dem Worte und Handlungen
entspringen?
Ich schließe, vor allem, aus meinen Worten
nicht auf meine wahrscheinlichen Handlungen. |
1483.
Gefragt “Wirst Du so handeln?”–
überlege ich mir
Gründe und
Gegengründe. |
1484.
Aber bedenke: “Ich nehme doch manchmal des Andern
Wort, – so müßte ich doch zum mindesten
manchmal auch das meine dafür nehmen,
daß ich der und der Überzeugung
bin.
Wenn ich aber, 380. quasi automatisch, meine
Beobachtung berichte, so hat dieser Bericht mit meiner
Überzeugung garnichts zu
tun.
Wohl aber könnte ich mir, oder meinem
beobachtenden Ich, ebenso vertrauen, wie das ein
Anderer tut.
Ich könnte also sagen: “Ich
sage ‘es regnet’, da wird es wohl so
sein”.
Oder: “Der Beobachter in mir sagt ‘es
regnet’, und ich bin geneigt, ihm zu glauben.”
–
Ist es denn nicht so – oder ähnlich –
wenn ein Mensch sagt, Gott habe zu ihm,
oder durch seinen Mund, gesprochen? |
1485.
Die wichtige Einsicht ist, daß es ein
Sprachspiel gibt, in welchem ich, automatisch, eine
Mitteilung mache, die von den Andern ganz so behandelt
werden kann, wie eine nicht automatische – – nur
daß hier von einem
‘Lügen’ nicht die Rede sein
wird || kann – eine Mitteilung, die ich
selbst wie die eines Dritten empfangen kann.
Die ‘automatische’
Aussage, Meldung, etc., könnte man
auch ein ‘Orakel’ nennen. –
Das heißt aber freilich, daß
sich das Orakel nicht der Worte “ich
glaube … ” bedienen
dürfte. |
1486.
Wo steht denn in der Logik, daß eine Behauptung
nicht im Trance gemacht werden darf?! |
1487.
“Schaue ich hinaus, so sehe ich, daß es
regnet; schaue ich in mich, so sehe ich, daß
ich's nicht glaube || daß
ich's glaube.”
Und was soll man nun mit dieser Mitteilung anfangen? –381– |
1488.
“Angenommen, es regnet und ich glaube es nicht” –
wenn ich das, was diese Annahme annimmt, behaupte, – so spaltet
sich, sozusagen, meine Persönlichkeit.
“Dann spaltet sich meine Persönlichkeit” heißt: Dann spiele ich nicht mehr das gewöhnliche Sprachspiel, sondern ein anderes. |
1489.
Die Worte ‘Es regnet’ sind in seine Seele
geschrieben” – dies soll so viel
heißen wie (d.h. ersetzbar
sein durch) “Er glaubt, daß es
regnet”.
“Die Worte ‘Es regnet’ sind in meine
Seele geschrieben” – heißt etwa soviel
wie: “Ich kann mich von dem Glauben nicht befreien,
daß ....”, “Die Idee hat von mir Besitz
ergriffen, daß ....”.
Bedenke nämlich, daß die Worte “Ich glaube, es regnet” und “Es dürfte regnen” das gleiche sagen können: insofern nämlich, als es in gewissen Zusammenhängen keinen Unterschied macht, welchen der beiden Sätze wir verwenden. (Und befreie Dich von der Idee, daß den Einen ein anderer geistiger Vorgang begleitet, als den anderen!) Die beiden Sätze können das Gleiche sagen, obwohl dem ersten ein “Ich glaube....” und “Er glaubt....” etc. entspricht, dem zweiten nicht. Der erste ist eben mit einem andern Begriff gebildet. D.h.: um zu sagen, daß es vielleicht regnet, brauchen wir den Begriff “glauben” nicht, obschon wir ihn dazu verwenden können. Der Begriff, ein Satz sei Einem ‘in die Seele geschrieben’ ist nun ein dritter Begriff, der sich in der Anwendung zum Teil mit den andern deckt, zum Teil nicht. Ich will sagen, daß man zur Bildung der Aussage “Es dürfte … ” den ‘seltsamen’ Begriff ‘glauben’ nicht braucht, obwohl man ihn dazu gebrauchen kann. |
1490.
Bedenke auch: ‘Es dürfte regnen
und es regnet’ heiß nichts, und ebenso
‘Es dürfte regnen und es regnet
nicht’.
Dagegen kann man sagen ‘Es scheint zu regnen und es
regnet’ und auch ‘Es scheint....und es
regnet nicht’.
Und ‘Es scheint zu regnen’ kann den gleichen
Sinn haben, wie ‘Es dürfte
regnen’. –382– |
1491.
“Wie weiß ich, ich sei im Glauben;
....?
Schaue ich in mich?”
Ja, nützt es mir
irgendetwas, wenn ich mich
beobachte?
Nun, ich könnte mich etwa fragen:
“Um wieviel würde ich in diesem
Falle wetten?” |
1492.
Verstellung.
Schmerzen heucheln.
Es besteht nicht einfach darin, daß man die
Äußerung des Schmerzes von sich gibt, ohne
Schmerzen zu haben.
Es muß ein Motiv des Heuchelns
da sein, also eine Situation, die nicht einfach || ganz
einfach zu beschreiben ist.
Sich krank und schwach stellen, um den Helfenden dann zu
überfallen. –
“Aber es ist doch da ein innerer
Unterschied!”
Natürlich; nur ist
“innerer” hier eine gefährliche
Metapher. –
Aber der ‘Beweis’, daß ein innerer Unterschied vorliegt,
ist ja, daß ich gestehen kann, ich habe geheuchelt.
Ich gestehe eine Absicht.
‘Folgt’ daraus, daß die Absicht etwas
Inneres war? |
1493.
Das ‘wirklich Unendliche’ ist ein
‘bloßes Wort’.
Besser wäre, zu sagen: dieser Ausdruck
schafft vorläufig bloß ein
Bild, – das noch in der Luft hängt; dessen
Anwendung Du uns noch schuldig bist. |
1494.
Eine unendlich lange Kugelreihe, ein unendlich langer
Stab.
Denk Dir, davon sei in einer Art Märchen die
Rede.
Welche Anwendung könnte man, wenn auch nur
fiktiv, von diesem Begriff machen?
Die Frage sei jetzt nicht: Kann es so etwas geben?
Sondern: Was stellen wir uns vor?
Laß also Deiner Einbildung wirklich die
Zügel
schießen!
Du kannst es jetzt haben, wie Du willst.
Du brauchst nur zu sagen, wie Du's willst.
Mach also nur ein Wortbild; illustrier es, wie Du willst –
durch Zeichnungen, durch Vergleiche, etc.!
Du kannst also, gleichsam, eine Werkzeichnung anfertigen.
Und nun ist noch die Frage, wie nach ihr gearbeitet werden
kann. |
1495.
“Wie aber kann der menschliche
Geist || Verstand der Wirklichkeit
voranfliegen, und selbst das Unverifizierbare –383–
denken?” –
Warum sollen wir nicht das Unverifizierbare
reden?
Wir machten es ja selbst unverifizierbar.
Es wird ein falscher Schein erzeugt? Und wie kann es auch nur so scheinen? Willst Du denn nicht sagen, daß dies So auch nicht einmal eine Beschreibung ist? Nun, dann ist es also kein falscher Schein, sondern vielmehr einer, der uns der Orientierung beraubt. So daß wir eben fragen: Wie ist es möglich? |
1496.
So wie das Wort ausgesprochen war, wünschte ich,
ich hätte es nicht gesagt. –
Wie bezog sich mein Wunsch auf das ausgesprochene Wort?
Ich fühlte, daß das Wort unpassend war, sobald ich es ausgesprochen hatte. Aber die Zeichen, an die ich mich erinnere, waren nur wie leise Andeutungen. Kleinigkeiten, aus denen ich die Absicht, den Wunsch, etc., etwa hätte erraten können. Es gibt Schamanlässe – Situationen – und Schambenehmen. Sowie es Erwartungsanlässe und Erwartungsbenehmen gibt. |
1497.
Wenn eine Katze vor dem Mauseloch lauert – nehme ich an, sie denke
an die Maus?
Wenn ein Räuber auf sein Opfer wartet, – gehört dazu, daß er an diesen Menschen denkt? Muß er sich dabei dies und jenes überlegen? Vergleiche den, der dies zum ersten Mal tut, mit Einem, der es schon unzählige Male getan hat! (lesen) |
1498.
Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet:
die Absicht durch Worte, oder andere Zeichen, laut, oder in Gedanken,
aussprechen.
Dies Zeitwort wäre nicht gleichbedeutend unserem
“beabsichtigen”.
Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet: Einer Absicht gemäß handeln; und dieses wäre auch nicht gleichbedeutend mit “beabsichtigen”. Wieder ein anderes könnte bedeuten: über eine Absicht brüten: oder, sie im Kopfe hin und her wälzen. –384– |
1499.
Wenn ich meinen Kaffee bereite, so beabsichtige ich, ihn zu
trinken.
Wenn ich ihn nun ohne diese Absicht bereitete –
müßte da eine Begleitung dieser Handlung
fehlen?
Geht während des normalen Tuns
irgendetwas vor sich, was es als Tun in
dieser Absicht charakterisiert?
Wenn man mich aber fragte, ob ich ihn zu trinken beabsichtige, und ich
antwortete “ja freilich!” –
würde ich etwas über
meinen gegenwärtigen Zustand aussprechen?
So reagiere ich in diesem Falle; und das läßt sich aus meiner Reaktion entnehmen. |
1500.
Man kann einen Glauben, Wunsch, eine Furcht, Hoffnung, Zuneigung einen
Zustand des Menschen nennen; wir können auf diesen
Zustand bei unserm Betragen gegen diesen Menschen rechnen, aus seinem
Zustand auf seine Reaktionen schließen.
Und sagt Einer “Ich war all diese Zeit im Glauben ....”, “Ich hegte Zeit meines Lebens den Wunsch ....”, etc., so berichtet er von einem Zustand, einer Einstellung. – Sagt er aber “Ich glaube, er kommt” (oder einfach “Da kommt er”) oder “Ich wünsche, daß Du kommst” (oder einfach “Bitte komm!”) dann handelt er, spricht er, jenem Zustand gemäß, berichtet nicht, er befinde sich in ihm. Aber wenn das richtig wäre, dann sollte es doch eine gegenwärtige Form jener Berichte geben, also einerseits, z.B., die Äußerung “Ich glaube ....”, anderseits einen Bericht “Ich bin im Glauben ....” Und Ähnliches für den Wunsch, die Absicht, Furcht, etc. |
1501.
Jemand könnte erzählen:
“Ich erinnere mich meines Zustands in jenen Jahren sehr
genau; wenn immer man mich fragte...., antwortete ich....;
das war meine Einstellung.” |
1502.
Es gibt eine Ekelreaktion, in mir und im Andern, es gibt auch
Ekelgefühle.
Und darin gleichen sich Ekel, Furcht, Zuneigung,
u.a.; aber nicht Hoffnung, Glaube,
u.a. –385– |
1503.
Gram wiederholt sich unablässig
dem traurigen Gedanken.
Ein Gedanke kann traurig, ekelerregend, entzückend
sein, etc.; wie aber zeigt der Ausdruck, daß es dieser
Gedanke ist, auf den wir so reagieren?
Wie wehrt man einen Gedanken ab? |
1504.
Soll ich den ganzen Bereich des
Psychologischen den des
‘Erlebens’ nennen?
Also etwa alle psychologischen Verben
‘Erlebnisverben’.
(‘Erlebnisbegriffe’) Ihr
Charakteristikum ist dies, daß ihre dritte Person auf
Grund von Beobachtungen ausgesprochen wird, nicht aber
die erste.
Jene Beobachtung ist Beobachtung des Benehmens.
Eine Unterklasse der Erlebnisbegriffe sind die
‘Erfahrungsbegriffe’.
‘Erfahrungen’ haben Dauer, einen Verlauf; sie
können gleichförmig, oder
ungleichförmig verlaufen.
Sie haben Intensität.
Sie sind nicht Charaktere von Gedanken.
Vorstellung ist Erfahrung.
Eine Unterklasse der ‘Erfahrungen’ sind die
‘Eindrücke’.
Eindrücke haben
räumliche und zeitliche Beziehungen
zueinander.
Es gibt Mischeindrücke.
Z.B. Gemische von Gerüchen,
Farben, Klängen.
‘Gemütsbewegungen’ sind
‘Erlebnisse’, aber sind nicht
‘Erfahrungen’.
(Beispiele: Trauer, Freude, Gram,
Entzücken.)
Und man könnte
unterscheiden ‘gerichtete
Gemütsbewegungen’ und
‘ungerichtete
Gemütsbewegungen’.
Die Gemütsbewegung hat Dauer; sie hat keinen Ort;
sie hat charakteristische Erfahrungen und Gedanken; sie hat einen
charakteristischen mimischen Ausdruck.
Denken ist Reden unter bestimmten Umständen, und
anderes, was ihm entspricht.
Gemütsbewegungen
färben Gedanken.
Eine Unterklasse der ‘Erlebnisse’ sind die Formen der
‘Überzeugung’.
(Glauben, Gewißheit, Zweifel,
etc.)
Ihr Ausdruck ist ein Ausdruck von Gedanken.
Sie sind nicht ‘Färbungen’ von
Gedanken.
Die gerichteten Gemütsbewegungen
könnte man auch
“Stellungnahmen” nennen.
Auch Überraschung und Schreck sind
Stellungnahmen, und auch Bewunderung,
Genuß. |
1505.
Wohin gehört aber Erinnerung und wohin
Aufmerksamkeit?
Man kann sich in einem Augenblick einer Situation, oder
Begebenheit erinnern.
Insofern ist also –386– der Begriff des Erinnerns
ähnlich dem des augenblicklichen Verstehens,
sich Entschließens. |
1506.
Mein Benehmen ist eben manchmal Gegenstand meiner Beobachtung aber doch
selten.
Und das hängt damit zusammen, daß ich mein
Benehmen beabsichtige.
Selbst wenn der Schauspieler im Spiegel seine eigenen Minen beobachtet,
oder der Musiker genau auf jeden Ton seines Spiels merkt und ihn
beurteilt, so geschieht es doch, um seine Handlung danach zu
richten || lenken. |
1507.
Was heißt es z.B., daß
Selbstbeobachtung mein Handeln, meine Bewegungen, unsicher
macht?
Ich kann mich nicht unbeobachtet beobachten. Und ich beobachte mich nicht zu dem gleichen Zweck, wie den Andern. |
1508.
Wenn ein Kind im Zorn mit den Füßen stampft und
heult, – wer würde sagen, es
täte dies
unwillkürlich?
Und warum?
Warum nimmt man an, es täte dies
nicht unwillkürlich?
Was sind die Zeichen des
willkürlichen Handelns?
Gibt es solche Zeichen? –
Was sind denn die Zeichen der unwillkürlichen
Bewegung?
Sie folgt Befehlen nicht, wie die
willkürliche Handlung.
Es gibt ein “Komm her!”,
“Geh dort hin!”, “Mach
diese Armbewegung!”; aber nicht
“Laß Dein Herz schnell
gehen!” |
1509.
Es gibt ein bestimmtes Zusammenspiel von Bewegungen, Worten, Minen, wie
den Äußerungen des Unwillens, oder der
Bereitschaft, die die willkürlichen Bewegungen des
normalen Menschen charakterisieren.
Wenn man das Kind ruft, so kommt es nicht automatisch: Es
gibt da, z.B. die Gebärde
“Ich will nicht!”
Oder das freudige Kommen, den Entschluß zu kommen,
das Fortlaufen mit dem Zeichen der Furcht, die Wirkungen des Zuredens,
alle die Reaktionen des Spiels, die Zeichen des
Überlegens und seine Wirkungen. |
1510.
Eine Melodie ging mir durch den Kopf.
War es willkürlich, oder
unwillkürlich?
Eine Antwort wäre: Ich
hätte es auch –387– lassen
können, sie mir innerlich vorzusingen.
Und wie weiß ich das?
Nun, weil ich mich für
gewöhnlich unterbrechen kann, wenn ich
will. |
1511.
Wie könnte ich mir beweisen, daß ich meinen Arm
willkürlich bewegen kann?
Etwa, indem ich mir sage “Ich werde ihn jetzt
bewegen” und er sich nun bewegt?
Oder soll ich sagen “Einfach, indem ich ihn
bewege”?
Aber wie weiß ich, daß ich's getan habe
und er sich nicht nur durch Zufall bewegt hat?
Fühle ich's am Ende doch?
Und wie, wenn mich meine Erinnerung an frühere
Gefühle täuschte, und es also
garnicht die richtigen
maßgebenden Gefühle
waren?!
(Und welches sind die richtigen?)
Und wie weiß denn der Andere, ob ich den
Arm willkürlich bewegt
habe?
Ich werde ihm vielleicht sagen “Befiehl mir, welche
Bewegung Du willst, und ich werde sie machen, um Dich zu
überzeugen”. –
Und was fühlst Du denn in Deinem
Arm?
“Nun, das Gewöhnliche.”
Es ist nichts Ungewöhnliches an den
Gefühlen, der Arm ist z.B.
nicht gefühllos (wie wenn er
‘eingeschlafen’ wäre).
|
1512.
Eine Bewegung meines Körpers, von der ich nicht
weiß, daß sie stattfindet, oder stattgefunden hat,
wird man unwillkürlich nennen. –
Wie ist es aber, wenn ich bloß
versuche ein Gewicht zu heben, eine Bewegung also nicht
stattfindet?
Wie wäre es, wenn Einer sich
unwillkürlich anstrengte ein
Gewicht zu heben?
Unter welchen Umständen würde
man dies Verhalten
‘unwillkürlich’ nennen?
|
1513.
Kann nicht die Ruhe ebenso willkürlich sein, wie
Bewegung?
Kann das Unterlassen der Bewegung nicht willkürlich
sein?
Welch besseres Argument gegen ein
Innervationsgefühl? |
1514.
“Dieser Blick war nicht beabsichtigt”
heißt manchmal: “Ich
wußte nicht, daß ich so geschaut habe”, oder
“Ich wollte nichts damit sagen”. –388– |
1515.
Es sollte uns nicht so selbstverständlich vorkommen,
daß uns das Gedächtnis den vergangenen innern
Vorgang ebenso zeigt, wie den vergangenen
äußern. |
1516.
Vorstellung ist willkürlich, Erinnerung
unwillkürlich, sich etwas ins
Gedächtnis rufen aber
willkürlich. |
1517.
Was für ein merkwürdiger
Begriff ‘versuchen’, ‘trachten’ ist;
was man alles ‘zu tun trachten’ kann!
(Sich erinnern, ein Gewicht heben, aufmerken, an nichts
denken.)
Aber dann könnte man auch sagen: Was
für ein merkwürdiger Begriff
‘tun’ ist!
Welches sind die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen
‘Reden’ und ‘Denken’, zwischen
‘Reden’ und ‘zu sich selbst
reden’.
(Vergleiche die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den
Zahlenarten.) |
1518.
Man zieht ganz andere Schlüsse aus der
unwillkürlichen Bewegung, als aus der
willkürlichen: das
charakterisiert die
willkürliche Bewegung. |
1519.
Aber wie weiß ich, daß diese Bewegung
willkürlich war? –
Ich weiß es nicht, ich
äußere es. |
1520.
“Ich ziehe so stark, als ich kann.”
Wie weiß ich das?
Sagt es mir mein Muskelgefühl?
Die Worte sind ein Signal; und sie haben eine
Funktion.
Aber erlebe ich denn nichts? Erlebe ich denn nicht etwas? etwas || etwas Spezifisches? Ein spezifisches Gefühl der Anstrengung und des Nicht-weiter-könnens, des Anlangens an der Grenze? Freilich, aber diese Ausdrücke sagen nicht mehr, als “Ich ziehe so stark, als ich kann.” |
1521.
Es ist aber doch wichtig, daß es alle diese Paraphrasen gibt!
Daß man die Sorge mit den Worten beschreiben kann
“Ewiges Düstere steigt
herunter”.
Ich habe vielleicht die Wichtigkeit dieses Paraphrasierens nie
genügend betont.
Man stellt die Freude dar durch ein lichtumflossenes –389– Gesicht, durch
Strahlen, die von ihm ausgehen.
Natürlich heißt das nicht,
daß Freude und Licht einander ähnlich
sind; aber wir assoziieren –
gleichgültig warum – die Freude
mit dem Licht.
Es könnte ja sein, daß diese
Assoziation dem Kind, wenn es sprechen lernt, beigebracht wird, daß sie
nicht natürlicher ist, als der Klang
der Wörter selbst – – genug, daß sie
besteht.
(“Beethoven” und
Beethoven's Werke.) |
1522.
Die Trauer dem bleigrauen Himmel
ähnlich?!
Und wie kann man das herausfinden?
Indem man dem Trauernden und den Himmel betrachtet?
Oder sagt es der Trauernde?
Und ist es dann nur für seine
Trauer wahr, oder für die Trauer eines
Jeden? |
1523.
Wenn aber nun Einer sagt, seine Trauer gleiche einer
grauen Wolke, – soll ich es glauben, oder nicht? –
Man könnte ihn fragen, ob sich die beiden
in etwas gleichen, in einer bestimmten Hinsicht.
(Wie z.B. zwei Gesichter; oder wie ein
plötzlicher starker Schmerz
Einem || einem
Aufflammen.)
Man kann Beziehungen – interne Beziehungen und
Zusammenhänge – dessen angeben,
was man bei verschiedenen Eindrücken
‘Intensitäten’ nennt.
|
1524.
‘a ist zwischen b und c, und dem b
näher als dem c’ dies ist eine
charakteristische Relation zwischen Empfindungen gleicher Art.
D.h., es gibt z.B. ein
Sprachspiel mit dem Befehl “Erzeuge eine Empfindung
zwischen dieser und dieser, und der ersten
näher als der zweiten!”
Und auch: “Nenne zwei
Empfindungen, zwischen welchen diese
liegt”. |
1525.
Und da ist es wichtig, daß man z.B. bei
Grau “Schwarz und
Weiß” zur Antwort kriegen
wird; bei Violett “Blau und Rot”, bei
Rosa “Rot und Weiß”,
etc.; aber nicht bei
Olivengrün “Rot und
Grün”. |
1526.
Woran erkennt man, daß der Ausdruck der Freude nicht der –390– Ausdruck eines
Körperschmerzes ist?
(Eine wichtige Frage.) |
1527.
Woher weiß man, daß der Ausdruck des Genusses nicht
der einer Empfindung ist? |
1528.
Eine Figur als dies oder als jenes
ansprechen.
Sprichst Du die Figur immer, während Du sie
siehst, als dies oder das an?
Freilich: gefragt, was diese Figur vorstellt,
würde ich immer sagen: “Einen
Hasen”; aber ich bin mir dessen so wenig
ständig bewußt, wie dessen, daß
dies hier ein wirklicher Tisch ist.
Denn spreche ich ein Bild immer als das Bild dieses
Gegenstandes an, dann auch jeden Gegenstand als Ding dieses bestimmten
Gebrauches, etc. |
1529.
Wenn Einer zum ersten Mal merkt, daß
das Bild doppeldeutig ist, könnte er etwa mit dem
Ausruf reagieren: “Ah, ein Hase!”
etc.; aber er würde doch wenn er nun
das Bild dauernd in einem Aspekt sieht nicht ununterbrochen ausrufen
wollen “Ah, ein …!” |
1530.
Ich will sagen, daß der natürliche, primitive,
Ausdruck des Erlebnisses des Aspekts so ein Ausruf
wäre, es könnte auch ein
Aufleuchten der Augen sein.
(Es fällt mir etwas auf!) |
1531.
Wenn ich sage, ich sehe diese Figur dauernd rot, so
heißt das, daß die Beschreibung, sie sei rot –
die Beschreibung in Worten oder durch ein Bild – dauernd, ohne
Änderung, richtig ist; im Gegensatz also zu
dem Falle in welchem sich die Figur
ändert. –
Die Versuchung ist ja eben, den Aspekt mit den Worten zu beschreiben
“Ich sehe es so” ohne auf etwas zu
zeigen.
Und wenn man ein Gesicht mit seiner Blickrichtung als Pfeil
beschreibt, so will || möchte man
sagen: “Ich sehe dies: und nicht
dies:”. |
1533.
Talk of hallucination! –
Was könnte es seltsameres geben, als
daß uns der Punkt, das Auge, Richtung zu haben
scheint! |
1536.
Es ist doch, als sähe man das Bild: einmal,
zusammen mit einer Gruppe von Bildern, ein
andermal mit einer andern.
Was heißt hier: “Es ist als
sähe man”?
Dies heißt etwas Ähnliches
wie: dieser Vorgang könnte den
tatsächlichen vertreten,
hätte die rechte
‘Multiplizität’. |
1537.
Es ist – im Gegensatz zu
Köhler – gerade eine Bedeutung,
die || was ich sehe. |
1538.
Man könnte sagen, man erlebe die
Bereitschaft zu einer bestimmten Gruppe von
Gedanken.
(Den Keim zu ihnen.) |
1539.
Es ist, als käme das Bild in einer Lage (oder in
einer andern) zur Ruhe.
Als könnte es in der Tat
fluktuieren, und dann mit bestimmten
Akzenten zur Ruhe kommen.
Man sagt: “Ich sehe es jetzt (oder, meistens) als das.” Es ist uns wirklich, als wären nun die Striche zu dieser und nicht einer || der andern Form zusammengeschlossen. Oder als wären sie in diese und nicht in die andere Hohlform gefallen. Und doch muß es sich uns nur darum handeln, den tatsächlichen Ausdruck unseres Erlebnisses, den ich ja mit allen diesen Bildern nur paraphrasiere, zu beschreiben; zu sagen, was das Wesentliche dieses Ausdrucks ist. –392– |
1540.
Könnte einer die Figur so, oder
so sehen, der nicht von ihr zu
Erklärungen etc. fortschreiten
könnte?
Könnte sie also jemand so und
so sehen, der nicht wüßte, wie
Tierköpfe ausschauen, was ein Auge ist,
etc.?
Und damit meine ich natürlich nicht:
“Wäre ein solcher im Stande, das zu tun, würde es ihm
gelingen?”
Sondern: “Bedarf es dazu nicht dieser
Begriffe?” |
1541.
Ich sehe das Bild eines Pferdes: ich weiß
nicht nur, es sei ein Pferd, sondern auch, daß das Pferd
läuft || laufe.
Ich kann also nicht nur das Bild räumlich
verstehen, sondern ich weiß auch,
was das Pferd jetzt im Begriffe ist zu tun, || .
Denk Dir, Einer sähe ein Bild einer
Reiterattacke, wüßte aber nicht,
daß die Pferde nicht in ihren diversen Stellungen stehen
bleiben!
Es handelt sich mir aber nicht um eine Erklärung dieses Verstehens, etwa dadurch, daß man behauptet, der Betrachtende mache kleine Laufbewegungen, oder fühle Laufinnervationen. Welchen Grund hat man zu Annahmen dieser Art, außer den, es ‘müsse’ so sein? |
1542.
Wie aber, wenn man sagt “Man sieht dieses
gemalte Pferd laufen!” –
Damit will ich doch nicht nur sagen “Ich
weiß, daß dies ein laufendes Pferd
vorstellt”.
Man will damit etwas anderes sagen.
Denk Dir, jemand reagierte auf so ein Bild mit
einer Handbewegung und dem Ausrufe
“Hui!”. Sagt das nicht
ungefähr dasselbe wie: er
sähe das Pferd laufen? || Mit dem Ausrufe “Hui!”
und einer schweifenden Handbewegung.
Er könnte auch ausrufen
“Es läuft!” und das
wäre nicht die Feststellung, es laufe, noch die, es
scheine zu laufen.
So wie man sagt: “Sieh, wie er
läuft!” – nicht, um den Andern
eine Mitteilung zu machen, sondern es ist eine Reaktion,
in der sich die Leute finden. || ,
sondern als Ausruf, in dem ich und der Andere einander
finden. 393. |
1543.
Verstehen ist ähnlich dem Weiterwissen, also einem
Können: aber “Ich
verstehe”, so wie “Ich weiß
weiter”, ist eine
Äußerung, ein
Signal. |
1544.
Ich kann ein Wort adjektivisch, oder substantivisch erleben.
Weiß ich, ob Jeder, ob
Viele, mit denen ich rede, diese Erlebnisse haben?
Wäre es wichtig, um zu wissen, was sie
meinen? |
1545.
Es war mir nicht aufgefallen, daß in beiden Bildern
die gleiche Kontur vorkam, denn ich hatte sie in einem Bild
so aufgefaßt, im andern
so.
Erst auf dem Umweg einer Überlegung sah ich ein,
daß es die gleiche Kontur war. –
Ist das ein Beweis: ich
hätte jedes Mal etwas
Anderes gesehen? –
Es ist wichtig, daß die beiden Aspekte mit
einander
unverträglich sind.
|
1546.
Ist denn der Gesichtsausdruck etwas
Optisches?
Ich könnte mir ein Bild denken, dessen
Ausdruck doppeldeutig wäre.
Und daß ich etwa deshalb in einer
anderen Umgebung nicht wiedererkennen
würde. || wiedererkennte.
Ich sage dann etwa: “Ach ja, das sind dieselben
Linien; aber sie sehen hier ganz anders
aus.”
Und ich sehe ja wirklich, daß das Bild und das Bild das gleiche ist. || Und daß das Bild und das Bild das gleiche ist, sehe ich ja wirklich. Ich erkenne es nicht nur, sagen wir, durch Messung! 394. |
1547.
Ich sehe, sagst Du, zwei verschiedene Gesichtsobjekte,
die nur etwas miteinander gemeinsam haben.
Denn Du betonst damit nur gewisse Analogien auf Kosten anderer.
Aber dieses Betonen muß nun noch grammatisch
gerechtfertigt werden. |
1548.
Wie ist es möglich, daß das
Auge, dieser Punkt, in einer Richtung
blickt? –
“Sieh, wie er blickt!”
(Und dabei ‘blickt’ man selbst.)
Aber man sagt und tut das nicht in einem fort,
während man das Bild betrachtet.
Und was ist nun dieses “Sieh, wie er
blickt!” – ist es der Ausdruck einer
Empfindung? |
1550.
“Jetzt weiß ich weiter” – ich
sehe, daß das eine Stirn ist und
das ein Schnabel.
Die || Diese Linie ist stirnhaft,
dieser Punkt augenhaft.
Aber wie kann der Gesichtseindruck einer Linie stirnhaft
sein?
Und was ist es, das mich sagen läßt, der
Gesichtseindruck selber sei es, der diese Eigenschaft
hat? –
Nun, daß es kein Gedanke, keine Deutung ist,
daß es dauerhaft, wie der
Gesichtseindruck. || Nun, daß
es nicht ein Deuten ist; daß es
dauerhaft, wie der Gesichtseindruck. 395. |
1551.
Versuchen wir zu beschreiben, daß Menschen Absichten
haben!
Wie sähe so eine Beschreibung aus?
Für wen wäre
es eine Beschreibung?
Frage Dich dies: Welchem Zweck soll sie dienen?
|
1552.
Man kann sehr ‘deutlich’ zu sich selber in der
Vorstellung reden, wenn man dabei die Information der Rede durch Summen
(bei geschlossenen Lippen) wiedergibt.
Auch Kehlkopfbewegungen helfen.
Aber das Merkwürdige ist ja eben,
daß man die Rede dann in der Vorstellung
hört, und nicht
bloß, sozusagen ihr Skelett, im
Kehlkopf fühlt. |
1553.
Es ist dem ‘Vorstellen’ wesentlich,
daß zu seiner Äußerung
die Begriffe der Sinneswahrnehmung verwendet
werden.
(Der Satz “Ich höre und ich
höre nicht ....”
könnte als Ausdruck der
Gehörsvorstellung gebraucht werden.
Eine Verwendung für die Form dieses
Spruchs || des Widerspruchs.)
Ein Hauptmerkmal, das Vorstellung vom Sinneseindruck und von der
Halluzination unterscheidet, ist dies,
daß der Vorstellende sich zur Vorstellung nicht
beobachtend verhält, also dies,
daß die Vorstellung willkürlich
ist. |
1554.
Stelle Dir ein Gespräch vor, dessen einer Partner Du
selbst bist, so zwar, daß Du selbst in der
Vorstellung redest.
Was Du selbst sprichst, wirst Du wahrscheinlich in Deinem
Körper (Kehlkopf, Brust)
spüren.
Das aber beschreibt nur, definiert nicht, die
Tätigkeit des Redens in der Vorstellung.
396. |
1555.
Das Gefühl des Unheimlichen.
Wie zeigt es sich?
Die Dauer so eines
‘Gefühls’.
Wie, z.B., sieht eine Unterbrechung des
Gefühls aus?
Wäre es, z.B.,
möglich, abwechselnd eine Sekunde es zu haben,
und wieder nicht zu haben?
Ist nicht unter seinen Merkmalen auch eine
charakteristische Art des Verlaufs (Beginns und
Endes), die es z.B. von einer
Sinneswahrnehmung unterscheidet? |
1556.
Das Sprechen der Musik.
Vergiß nicht, daß ein
Gedicht, wenn auch in der Sprache der Mitteilung
abgefaßt, nicht im Sprachspiel der Mitteilung
verwendet wird.
Könnte man sich nicht denken, daß Einer, der Musik nie gekannt hat und zu uns kommt und jemand einen nachdenklichen Chopin spielen hört, daß der überzeugt wäre, dies sei eine Sprache und man wolle ihm nur den Sinn geheimhalten. In der Wortsprache ist ein starkes musikalisches Element. (Ein Seufzer, der Tonfall der Frage, der Verkündigung, der Sehnsucht, alle die unzähligen Gesten des Tonfalls.) |
1557.
“Man suche nichts hinter den Phänomenen; sie selbst
sind die Lehre.”
(Goethe.) |
1558.
Ich beobachte sein Gesicht genau.
Warum?
Was lehrt es mich?
Ob er traurig, oder fröhlich,
z.B.
Aber warum interessiert mich das?
Nun, wenn ich seine Stimmung kennen lerne, so
ist es, wie wenn ich den Zustand eines Körpers
(seine Temperatur, z.B.) kennen
lernte; ich kann mancherlei
Schlüsse daraus ziehen.
Und darum 397. beobachte ich im gleichen Fall
mein eigenes Gesicht nicht.
Beobachtete ich mich, so wäre mein Gesicht
nicht mehr ein verläßlicher Index; und ich
könnte auch, wenn es dies || das
für einen Andern
wäre, keine Schlüsse aus ihm
ziehen. |
1559.
Sich eines Gedankens schämen.
Schämt man sich dessen, daß
man den und den Satz zu sich selbst in der Vorstellung gesprochen
hat?
Die Sprache hat eben eine vielfache Wurzel; sie hat Wurzeln, nicht eine. Wurzel. |
1560.
“Der Gedanke stand in diesem Augenblick vor meiner
Seele.” –
Und wie? –
“Ich hatte dieses Bild.” –
So war das Bild der Gedanke?
Nein; denn hätte ich Einem
bloß das Bild mitgeteilt, so
hätte er nicht den Gedanken erhalten. |
1561.
Das Bild war der Schlüssel.
Oder es erschien doch als
Schlüssel. |
1562.
Wie unterscheiden sich Gesichtseindrücke von
Gehörseindrücken? –
Soll ich antworten: “Das läßt
sich nicht sagen; aber wer sieht und hört,
weiß, daß sie
total verschieden sind”?
Könnte man sich denken, daß
bei einem Menschen ein bestimmter Gesichtseindruck derselbe
wäre, wie ein bestimmter
Gehörseindruck? so daß er
diesen einen Eindruck durchs Auge und durch's Ohr
erhalten könnte?
Würde dieser etwa auf ein Bild zeigen und einen
Ton am Klavier anschlagen und uns sagen, 398. diese beiden seien
identisch?
Und würden wir ihm das glauben?
Und warum nicht?
Würden wir ihm glauben, daß
die ‘Affektion der Seele’ in beiden
Fällen dieselbe sei?
Und wenn wir's glaubten, wie könnten
wir das Faktum verwenden? |
1563.
Der Stammbaum der psychologischen Phänomene:
Nicht Exaktheit strebe ich an, sondern
Übersichtlichkeit. |
1564.
Was das Bündel der
‘Sinneseindrücke’
zusammenhält, sind ihre Relationen zu
einander.
Das, was ‘rot’ ist, ist auch
‘süß
’ und ‘hart’
und ‘kalt’, und ‘klingt’, wenn man es
anschlägt.
In dem Sprachspiel mit diesen Wörtern
heißt es ursprünglich nicht
“Dies scheint rot”, sondern
“Dies ist rot” (hart,
etc.).
Unsere Übereinstimmung ist dem Sprachspiel
wesentlich.
Anders ist es aber mit “angenehm”,
“unangenehm”,
“schön”,
“häßlich”.
Schmerz ist in mancher Weise analog den übrigen Sinneseindrücken, in mancher Weise verschieden. Es gibt einen Gesichtsausdruck, Ausrufe, Gebärden des Schmerzes (wie der Freude), Zeichen der Ablehnung, einen Empfang, der für den Schmerz, aber nicht einen, der für die rote Farbe charakteristisch ist || der für die Empfindung Rot charakteristisch ist. Bitterkeit ist darin dem Schmerz verwandt. Man könnte sich einen Druck ohne Sinnesorgan denken. Es könnte Einer hören, und so ziemlich alle Sprachspiele mit den Wörtern für Gehörseindrücke lernen, ohne Ohren zu haben, und ohne daß man weiß ‘womit’ er hört. Daß man mit den Ohren 399. hört,
zeigt sich ja verhältnismäßig
sehr selten.
Ja es könnte sein, daß
Einer hört, wie wir Alle, und man erst
später darauf kommt, daß
seine Ohren taub sind.
Der Inhalt der Erlebnisse. Man möchte sagen “So sehe ich Rot”, “So höre ich den Ton, den Du anschlägst”, “So fühle ich Vergnügen”, “So empfinde ich Trauer”, oder auch “Das empfindet man, wenn man traurig ist; das, wenn man sich freut”, etc. Man möchte eine Welt, analog der physikalischen, mit diesen So und Das bevölkern. Das hat aber nur dort﹖ Sinn, wo﹖ es ein Bild des Erlebten gibt, worauf man bei diesen Aussagen zeigen kann. |
1565.
Wenn nur Einer einmal eine
Körperbewegung gemacht
hätte, – könnte die Frage
sein, ob sie willkürlich oder
unwillkürlich war? |
1566.
“Wenn ich mich anstrenge, tue ich doch etwas, habe
doch nicht bloß eine Empfindung.”
Und so ist es auch; denn man befiehlt Einem:
“Streng Dich an!” und er
kann die Absicht äußern “Ich
werde mich jetzt anstrengen”.
Und wenn er sagt “Ich kann nicht mehr!”
– so heißt das nicht “Ich kann das
Gefühl in meinen Gliedern – den Schmerz,
z.B., – nicht länger
ertragen”. –
Anderseits aber leidet man unter der Anstrengung, wie
unter Schmerzen.
“Ich bin gänzlich
erschöpft” – wer das sagte, sich aber
so frisch bewegte, wie je, den würde man nicht
verstehen. 400. |
1567.
Der Aspekt ist dem Willen unterworfen.
Ich kann etwas nicht rot sehen, wenn es mir blau erscheint, und es hat
keinen Sinn, zu sagen “Sieh dies
rot”, wohl aber “Sieh dies als ....”.
Und daß der Aspekt (wenigstens bis zu einem
gewissen Grade) willkürlich ist, scheint ihm
wesentlich zu sein, wie auch der Vorstellung,
daß sie es ist.
Ich meine: die Willkürlichkeit scheint mir
(aber warum?) nicht nur eine Zutat zu sein; als sagte
man “Diese Bewegung läßt
sich, erfahrungsgemäß, auch so
hervorbringen”.
D.h.: Es ist wesentlich,
daß man sagen kann “Sieh es jetzt
so an!” und “Stell Dir vor
....!”
Denn das hängt damit zusammen,
daß uns der Aspekt nichts über
die ‘äußere Welt
lehrt’.
Man kann die Worte “rot” und “blau”
lehren, indem man sagt “Dies ist rot und nicht
blau”; aber man kann Einem nicht die Bedeutung
von “Figur” und “Grund”
lehren, indem man auf eine doppeldeutige Figur
zeigt. |
1568.
Wir lernen nicht Vorstellungen kennen und
später erst, sie mit unserm Willen zu
lenken.
Und natürlich ist es
überhaupt ganz falsch zu sagen || denken, wir lenkten sie,
sozusagen, mittels
unseres Willens.
Als regierte der Wille sie, wie Befehle Menschen
regieren könnten.
Als wäre also der Wille ein
Einfluß, eine Kraft, oder auch: eine
primäre Handlung, die dann die
Ursache der wahrnehmbaren äußeren Handlungen
ist. |
1569.
Ist es richtig, zu sagen: was eine Handlung zu einer
willkürlichen macht, sind die psychischen
Erscheinungen, in denen sie eingebettet liegt?
(Die psychologische Umgebung.) 401.
Sind, z.B., meine normalen Gehbewegungen “willkürlich” in einem nicht-potentiellen Sinn? |
1570.
Ein Kind stampft mit den Füßen im Zorn: ist
es nicht willkürlich?
Und weiß ich irgendetwas von seinen Bewegungsempfindungen, wenn es dies
tut?
Im Zorn stampfen ist willkürlich.
Kommen, wenn man gerufen wird, in der
gewöhnlichen Umgebung, ist
willkürlich.
Unwillkürliches Gehen, Spazierengehen, Essen,
Sprechen, Singen wäre (ein) Gehen, Essen,
Sprechen, etc. in einer abnormalen Umgebung.
Z.B.,
bewußtlos: wenn man im
übrigen handelt, wie in der Narkose; oder wenn die
Bewegung vor sich geht, und man weiß nichts
von ihr, sobald man die Augen schließt; oder wenn
man die Bewegung nicht einstellen kann, so sehr man sich auch
bemüht; etc.
|
1571.
Keine Annahme scheint mir natürlicher, als
daß dem Assoziieren, oder Denken, kein
Prozeß im Gehirn zugeordnet ist; so
daß es also unmöglich
wäre, aus Gehirnprozessen Denkprozesse
abzulesen.
Ich meine das so: Wenn ich rede, oder schreibe, so geht,
nehme ich an, ein meinem gesprochenen oder geschriebenen
Gedanken zugeordnetes System von Impulsen von meinem Gehirn aus.
Aber warum sollte das System sich weiter in zentraler
Richtung fortsetzen?
Warum soll nicht, sozusagen, diese Ordnung aus dem Chaos
entspringen?
Der Fall wäre ähnlich
dem– daß sich gewisse
Pflanzenarten durch Samen vermehrten, so daß ein
Same immer dieselbe Pflanzenart erzeugt, von der er erzeugt wurde, –
daß aber nichts in dem Samen der
Pflanze, die aus ihm wird, 402. entspricht; so
daß es unmöglich ist, aus den
Eigenschaften, oder der Struktur des Samens auf die der Pflanze, die aus
ihm wird, zu schließen, –
daß man dies nur aus seiner
Geschichte tun kann.
So könnte also auch aus etwas ganz
Amorphem ein Organismus, sozusagen ursachelos, werden; und es ist kein
Grund, warum sich dies nicht mit unserem Gedanken, also mit unserem Reden
oder Schreiben etc. wirklich so verhalten
sollte. |
1572.
Es ist also wohl möglich, daß
gewisse psychologische Phänomene physiologisch
nicht untersucht werden können, weil
ihnen physiologisch nichts entspricht. |
1573.
Ich habe diesen Mann vor Jahren gesehen; nun sehe ich ihn wieder,
erkenne ihn, erinnere mich seines Namens.
Und warum muß es nun für
dies Erinnern eine Ursache in meinem Nervensystem geben?
Warum muß irgendetwas,
was immer, in irgendeiner Form dort aufgespeichert worden
sein?
Warum muß er eine Spur hinterlassen
haben?
Warum soll es keine psychologische
Gesetzmäßigkeit geben, der
keine physiologische entspricht?
Wenn das unsere Begriffe von der Kausalität
umstößt, dann ist es Zeit,
daß sie umgestoßen
werden. |
1574.
Das Vorurteil für den psycho-physischen
Parallelismus ist auch eine Frucht der primitiven
Auffassung der Grammatik. Denn, wenn man
Kausalität zwischen psychologischen Erscheinungen
zuläßt, die nicht physiologisch vermittelt
ist, so denkt man damit das Eingeständnis
eines nebelhaften Seelenwesens zu machen. || , so
403. meint man, damit ein
Zugestehen, es existiere eine Seele neben
dem Körper, ein geisterhaftes
Seelenwesen. || Das Vorurteil zugunsten des psycho-physischen Parallelismus ist eine Frucht primitiver Auffassungen || primitiven Denkens der Grammatik. Denn wenn man Kausalität zwischen psychologischen Erscheinungen zuläßt, die nicht physiologisch vermittelt ist, so meint man damit die Existenz einer Seele neben dem Körper einzugestehen. |
1575.
Muß das Verbum “ich glaube” eine
Vergangenheitsform haben?
Nun, wenn wir statt “Ich glaube, er kommt” immer
sagten “Er dürfte kommen”
(oder dergleichen), aber dennoch sagten “Ich habe
geglaubt ....” – so hätte das Verbum
“glauben” keine Gegenwart.
Es ist charakteristisch für die Art und Weise,
wie wir gewohnt sind, die Sprache zu betrachten,
daß wir glauben, es müsse am
Ende doch Gleichförmigkeit,
Symmetrie, bestehen; statt, umgekehrt, dafür zu
halten, sie könne nicht
bestehen. |
1576.
Denk Dir diese Erscheinung: Wenn ich will,
daß jemand sich einen Text merkt, den ich ihm
vorspreche, so daß er ihn mir
später wiederholen kann, muß ich
ihm ein Papier und einen Bleistift geben; und
während ich spreche, schreibt er Striche, Zeichen
auf das Papier; soll er später den Text
reproduzieren, so folgt er jenen Strichen mit den Augen und sagt den Text
her.
Ich nehme aber an, seine Aufzeichnung sei keine Schrift,
sie hänge nicht durch Regeln mit den Worten des Textes
zusammen; –404– und doch kann er ohne diese
Aufzeichnung den Text nicht reproduzieren; und wird an ihr etwas
verändert || geändert,
wird sie zum Teil zerstört, so bleibt er beim
‘Lesen’ stecken, oder spricht den Text unsicher, oder
unzuverlässig, oder kann die
Worte überhaupt nicht finden. –
Das ließe sich doch denken! –
Was ich die ‘Aufzeichnung’ nannte,
wäre dann keine Wiedergabe des
Textes, nicht eine Übersetzung sozusagen in
einen anderen Symbolismus.
Der Text wäre nicht in der Aufzeichnung
niedergelegt.
Und warum sollte er in unserm Nervensystem
niedergelegt sein? |
1576.
Warum soll nicht ein Naturgesetz einen Anfangs- und
einen Endzustand eines Systems verbinden, den Zustand
zwischen beiden aber übergehen?
(Nur denke man nicht an Wirkung!) |
1577.
Was man eine Änderung im Denken || in den
Begriffen nennt, ist natürlich nicht nur eine
Änderung im Reden, sondern auch eine im Tun.
|
1578.
Die Terminologie sieht man, die Technik ihrer Anwendung sieht
man nicht. |
1579.
Man sagt “Er scheint furchtbare Schmerzen zu
haben”, auch wenn man keinerlei Zweifel
hat, daß der Schein nicht trügt.
Warum sagt man nun nicht “Ich scheine furchtbare Schmerzen
zu haben”, denn dies müßte zu mindestens
auch Sinn haben?
Bei einer Theaterprobe könnte ich das sagen; und
ebenso “Ich scheine die Absicht zu haben
....”, etc. etc.
Jeder wird sagen; || :
“Natürlich sage ich das nicht; weil ich
weiß, ob ich Schmerzen
habe.”
Es interessiert mich für
gewöhnlich nicht, ob ich Schmerzen zu haben
scheine; denn die Schlüsse, die ich aus diesem
Eindruck beim Andern ziehe, ziehe ich für mich
selbst nicht.
Ich sage nicht: “Ich stöhne
furchtbar, ich muß zum Arzt gehen”; wohl
aber “Er stöhnt furchtbar, er
muß ....”. |
1580.
Wenn dies keinen Sinn hat: “Ich
weiß, daß ich Schmerzen habe” – noch
dies: “Ich fühle meine
Schmerzen”, – dann hat es –405– auch keinen Sinn zu
sagen: “Ich kümmere mich nicht um
mein eigenes Stöhnen, weil ich
weiß, daß ich Schmerzen habe”
– oder “weil ich meine Schmerzen
fühle.”
Wohl aber ist es wahr: “Ich kümmere mich nicht um mein Stöhnen.” |
1581.
Ich schließe aus der Beobachtung seines Benehmens,
daß er zum Arzt muß; aber ich ziehe diesen
Schluß für mich
nicht aus der Beobachtung meines Benehmens.
Oder viel mehr: ich tue
auch dies manchmal, aber nicht in analogen
Fällen. |
1582.
Es hilft hier, wenn man bedenkt, daß es ein primitives
Verhalten || eine primitive Reaktion
ist, die schmerzende Stelle des Andern zu pflegen, zu
behandeln, und nicht nur die eigene – also auf des Andern
Schmerzbenehmen zu achten, wie auch, auf das eigene Schmerzbenehmen
nicht zu achten. |
1583.
Was aber will hier das Wort “primitiv” sagen?
Doch wohl, daß die Verhaltungsweise
vorsprachlich ist: daß ein Sprachspiel
auf ihr beruht, daß sie das Prototyp einer Denkweise ist
und nicht das Ergebnis des Denkens. |
1584.
“Falsch aufgezäumt” kann man von
einer Erklärung sagen, wie dieser: wir
pflegten den Andern, weil wir nach Analogie des eigenen Falles glaubten,
auch er habe ein Schmerzerlebnis. –
Statt zu sagen: Lerne also aus diesem besondern Kapitel
unseres Betragens – aus diesem Sprachspiel – welche
Funktion in ihm “Analogie” und
“Glauben” haben. |
1585.
“Wie kommt es, daß ich den Baum aufrecht sehe, auch wenn ich
meinen Kopf zur Seite neige, und also das Netzhautbild das eines
schiefstehenden Baums ist?”
Wie kommt es also, daß ich den Baum auch unter diesen
Umständen als einen aufrechten
anspreche? –
“Nun, ich bin mir der Neigung meines Kopfes
bewußt, und bringe also die
nötige Korrektur an der Auffassung meiner
Gesichtseindrücke an.” –
Aber heißt das nicht,
Primäres mit Sekundärem
verwechseln?
Denk Dir, wir wüßten gar
–406– nichts
von der innern Beschaffenheit des Auges, –
würde dies Problem überhaupt
auftauchen? || , –
könnte sich diese Frage
überhaupt erheben?
Wir bringen ja hier, in Wahrheit keine Korrekturen an, dies
ist ja bloß eine
Erklärung.
Wohl – – aber da nun die Struktur des Auges einmal bekannt ist, – wie kommt es, daß wir so handeln, so reagieren? Aber muß es hier ein physiologische Erklärung geben? Wie, wenn wir sie auf sich beruhen lassen würden || ließen? – Aber so würdest Du doch nicht sprechen, wenn Du das Verhalten einer Maschine prüftest! – Nun, wer sagt, daß in diesem Sinne das Lebewesen, der tierische Leib, eine Maschine ist? – |
1586.
Man kann eine Veränderung eines Gesichts merken und
mit den Worten beschreiben, das Gesicht habe einen
härteren Ausdruck angenommen, – und
doch nicht im Stande sein, die
Änderung || sie mit
räumlichen Begriffen zu beschreiben.
Dies ist ungeheuer wichtig. –
Vielleicht sagt nun jemand: wer das tut, beschreibe eben nicht
die Veränderung des Gesichts, sondern nur der
Wirkung auf ihn selbst; aber warum sollte dann eine
Beschreibung durch Form- und Farbbegriffe nicht
auch dies sein? |
1587.
Man kann auch sagen “Er machte dieses
Gesicht”, oder “Sein Gesicht
veränderte sich so”, indem
man's nachmacht, – und ist wieder nicht im Stande, die Veränderung anders zu
beschreiben.
((Es gibt eben viel mehr Sprachspiele, als
Carnap und Andere
sich träumen lassen.)) |
1588.
Das Bewußtsein, daß ...., kann mich in der
Arbeit stören; das Wissen nicht. |
1589.
Wie weiß ich, daß ein Hund etwas dauernd
hört, dauernd einen Gesichtseindruck
empfängt, Freude, Furcht, Schmerz
empfindet?
Was weiß ich von den ‘Erlebnisinhalten’ eines Hundes? –407– |
1590.
Sind die Farben wirklich Geschwister?
Sind sie nur der Farbe nach verschieden, nicht auch der Art
nach?
Sind Gesicht, Gehör, Geschmack
wirklich Geschwister?
Suche nicht nur nach Ähnlichkeiten um einen Begriff zu rechtfertigen, sondern auch nach Zusammenhängen. Der Vater überträgt seinen Namen auf den Sohn, auch wenn dieser ihm ganz unähnlich ist. |
1591.
Vergleiche einen furchtbaren Schreck und einen
plötzlichen heftigen Schmerz.
Es ist die Schmerzempfindung, die furchtbar ist, – aber ist es die
Schreckempfindung?
Wenn jemand in meiner Gegenwart hinstürzt,
– ist das nur die Ursache einer höchst
unangenehmen augenblicklichen Empfindung in mir?
Und wie läßt sich diese Frage
beantworten?
Klagt der, der den schrecklichen Vorfall berichtet,
über die Empfindungen, das Stocken
des Atems, etc.?
Wenn man Einem über den Schreck hinweghelfen will,
– behandelt man den Körper?
Beruhigt man den Erschrockenen nicht viel mehr über das Ereignis, die Veranlassung? |
1592.
Wer im Studierzimmer sich die Trauer vormacht, der wird sich allerdings
leicht der Spannungen in seinem Gesicht bewußt
werden.
Aber trauere wirklich, oder folge einer traurigen Handlung im Film, und
frag Dich, ob Du Dir Deines Gesichts bewußt
warst. |
1593.
Ein Zusammenhang zwischen den Stimmungen in
Sinneseindrücken ist, daß wir die Stimmungsbegriffe
zur Beschreibung von Sinneseindrücken und
Vorstellungen benützen.
Wir sagen von einem Thema, einer Landschaft, sie seien traurig,
fröhlich, etc.
Aber viel wichtiger ist es natürlich, daß wir das
menschliche Gesicht, die Handlung, das Benehmen, durch alle
Stimmungsbegriffe beschreiben. |
1594.
Das Bewußtsein in der Andern Gesicht.
Schau ins Gesicht des Andern und sieh das
Bewußtsein in ihm und einen bestimmten
Bewußtseinston.
Du siehst auf ihm, in ihm, Freude,
Gleichgültigkeit, Interesse,
Rührung, Dumpfheit, usf.
Das Licht im –408– Gesicht des Andern.
Schaust Du in Dich, um den Grimm in seinem Gesicht zu erkennen? Er ist dort so deutlich, wie in Deiner eigenen Brust. (Und was will man nun sagen? Daß das Gesicht des Andern mich zur Nachahmung anregt, und daß ich also kleine Bewegungen und Muskelspannungen im eigenen empfinde, und die Summe dieser meine? Unsinn. Unsinn, – denn Du machst Annahmen, statt bloß zu beschreiben. Wem hier Erklärungen im Kopfe spuken, der vernachlässigt es, sich auf die wichtigsten Tatsachen zu besinnen.) |
1595.
Das Wissen, die Meinung || das Glauben haben keinen
Gesichtsausdruck.
Es gibt wohl einen Ton, eine Gebärde der
Überzeugung, aber nur, wenn etwas in diesem Ton,
mit dieser Gebärde, gesagt wird. |
1596.
“Das Bewußtsein ist so deutlich in seinem
Gesicht und Benehmen, wie in mir selbst.” |
1597.
Was hieße es, mich darin irren, daß er eine Seele,
Bewußtsein, habe? und was
hieße es, daß ich mich irre und selbst keines
habe?
Was hieße es, zu sagen “Ich bin
nicht bei Bewußtsein.”
– –
Aber weiß ich nicht doch, daß
Bewußtsein in mir ist? –
So weiß ich's also, und doch hat die
Aussage, es sei so, keinen Zweck?
Und wie merkwürdig, daß man lernen kann, sich in dieser Sache mit andern Leuten zu verständigen! |
1598.
Einer kann sich bewußtlos stellen; aber auch
bewußt? |
1599.
Wie wäre es, wenn mir jemand allen Ernstes sagte, er
wisse wirklich nicht, ob er träume oder
wache? –
Kann es diese Situation geben: Einer sagt “Ich glaube, ich träume jetzt”; wirklich wacht er bald darauf || danach auf, erinnert sich an jene Äußerung im Traum und sagt “So hatte ich wirklich || also recht!” – – Diese Erzählung kann doch nur heißen: Einer habe geträumt, er hätte gesagt, er träume. –409–
Denke, ein Bewußtloser sagte (etwa in der Narkose) “Ich bin im Bewußtsein” – würden wir sagen “Er muß es wissen”? Und wenn Einer im Schlaf spräche “Ich schlafe”, – würden wir sagen “Er hat ganz recht”? Spricht Einer die Unwahrheit, der mir sagt: “Ich bin nicht bei Bewußtsein”? (Und die Wahrheit, wenn er's bewußtlos sagt? Und wie, wenn ein Papagei sagte “Ich verstehe kein Wort”, oder ein Grammophon “Ich bin bloß eine Maschine”?) |
1600.
Denke, in einem Tagtraum ließe ich mich sprechen
“Ich phantasiere bloß”,
wäre das wahr?
Denke, ich schreibe so eine Phantasie, oder
Erzählung, einen phantasierten
Dialog, und in ihm sage ich “Ich phantasiere”
– – aber, wenn ich es aufschreibe, – wie zeigt sich's
daß diese Worte Worte der Phantasie sind und daß ich nicht aus der
Phantasie herausgetreten bin?
Wäre es nicht wirklich möglich, daß der Träumende, sozusagen aus dem Traum heraustretend, im Schlaf spräche “Ich träume”? Es wäre wohl denkbar, daß so ein Sprachspiel existierte. Dies hängt mit dem Problem des ‘Meinens’ zusammen. Denn ich kann im Dialog schreiben “Ich bin gesund” und es nicht meinen, obwohl es wahr ist. Die Worte gehören zu diesem und nicht zu jenem Sprachspiel. |
1601.
‘Wahr’ und ‘Falsch’ im
Traum.
Ich träume, daß es regnet und daß ich sage
“Es regnet” – – anderseits: Ich
träume, daß ich sage “Ich
träume”. |
1602.
Hat das Verbum || Wort
“träumen” eine
Gegenwartsform?
Wie lernt diese der Mensch gebrauchen? |
1603.
Ein Sprachspiel analog einem Fragment eines andern.
Ein Raum in begrenzte Stücke eines Raums
projiziert. |
1604.
Angenommen, ich hätte eine Erfahrung,
ähnlich einem Erwachen,
befände mich dann in einer ganz andern Umgebung,
mit –410– Leuten, die
mir versichern, ich habe
geschlafen.
Angenommen ferner, ich bliebe dabei, ich habe nicht
geträumt, sondern auf irgendeine Weise
außer
meinem schlafenden
Körper || außerhalb meines
schlafenden Körpers gelebt.
Welche Funktion hat diese Behauptung? |
1605.
“‘Ich habe Bewußtsein’,
das ist eine Aussage, an der kein Zweifel möglich
ist.”
Warum soll das nicht das Gleiche sagen wie dies:
“‘Ich habe
Bewußtsein’ ist kein
Satz”?
Man könnte auch so sagen: Was schadet es, daß Einer sagt, “Ich habe Bewußtsein” sei eine Aussage, die keinen Zweifel zulasse? Wie komme ich mit ihm in Widerspruch? Nimm an, jemand sagte mir dies, – warum soll ich mich nicht gewöhnen, ihm nichts darauf zu antworten, statt etwa einen Streit anzufangen? Warum soll ich seine Worte nicht behandeln, wie sein Pfeifen oder Summen? |
1606.
“Nichts ist so gewiß, wie, daß mir
Bewußtsein eignet.”
Warum soll ich es dann nicht auf sich beruhen
lassen?
Diese Gewißheit wie eine
große Kraft, deren Angriffspunkt sich nicht bewegt,
die also keine Arbeit leistet. |
1607.
Einer wirft im Würfelspiel etwa 5, dann 4 und sagt
“Hätte ich
bloß statt der 5 eine 4 geworfen, so
hätte ich gewonnen”!
Die Bedingtheit ist nicht physikalisch, sondern nur mathematisch, denn
man könnte antworten:
“Hättest Du zu erst 4
geworfen, – wer weiß, was
Du danach geworfen hättest!” |
1608.
Sagst Du nun “Die Verwendung des Konjunktivs
beruht auf dem Glauben an ein Naturgesetz” – so
kann man entgegnen: “Sie
beruht nicht auf diesem Glauben; sie und dieser Glaube
stehen auf gleicher Stufe.” |
1609.
Das Schicksal steht im Gegensatz zum Naturgesetz.
Das Naturgesetz will man ergründen, und
verwenden, das Schicksal nicht. –411– |
1610.
Der Begriff des ‘Fragments’.
Es ist nicht leicht, die Verwendung dieses Worts auch nur
beiläufig zu beschreiben. |
1611.
Wenn wir den Gebrauch eines Wortes beschreiben wollen, – ist es
nicht ähnlich, wie wenn man ein Gesicht
porträtieren will?
Ich sehe es deutlich; der Ausdruck dieser Züge ist
mir wohl bekannt; und sollte ich's malen, ich
wüßte nicht, wo anfangen.
Und mache ich wirklich ein Bild, so ist es
gänzlich
unzulänglich. || inadäquat.–
Hätte ich eine Beschreibung vor mir, ich
würde sie erkennen; vielleicht auch Fehler in ihr
merken.
Aber, daß ich das kann, sagt nicht, daß ich die Beschreibung selber
hätte geben können.
|
1612.
Zwei Gegenstände
‘gehören zusammen’.
Man lehrt ein Kind, Dinge ‘ordnen’, man begleitet die
Tätigkeit mit den Worten “Diese
gehören zusammen”.
Das Kind lernt diesen Ausdruck auch.
Es könnte die Dinge auch mit Hilfe
dieser Worte und gewisser Gebärden ordnen.
Die Worte können aber auch
bloße Begleitung des Tuns
sein.
Ein Sprachspiel.
Denk Dir ein solches Spiel ohne Worte, aber mit der Begleitung einer zu den Handlungen passenden Musik gespielt || einer die Handlungen illustrierenden Musik gespielt. |
1613.
“Leg es hier hin” – wobei ich mit dem
Finger den Platz bezeichne – – dies ist eine absolute
Ortsangabe.
Und, wer sagt, der Raum sei absolut, möchte als
Argument dafür
sagen || vorbringen:
“Es gibt doch einen Ort:
Hier.” |
1614.
Das ‘Erleben der
Ähnlichkeit’.
Denke an das Sprachspiel:
“Ähnlichkeiten erkennen”, oder
“Ähnlichkeiten angeben”, oder
“Dinge nach ihrer Ähnlichkeit
ordnen”.
Wo ist hier das besondere Erlebnis? der besondere
Erlebnisinhalt, nach dem man fahndet? –412– |
1615.
Die Dauer der Empfindung.
Vergleiche die Dauer einer Tonempfindung mit der Dauer der
Tastempfindung, die Dich lehrt, daß Du eine Kugel
in der Hand hältst; und mit dem
“Gefühl” das Dich
lehrt, daß Deine Knie gebogen sind.
Und hier haben wir wieder einen Grund, warum wir von der Empfindung der
Positur sagen möchten, sie habe keinen
Inhalt. |
1616.
Philosophische Untersuchungen: begriffliche Untersuchungen.
Das Wesentliche der Metaphysik: daß ihr der Unterschied zwischen
sachlichen und begrifflichen Untersuchungen nicht klar ist.
Die metaphysische Frage immer dem Anscheine nach eine sachliche,
obschon das Problem ein Begriffliches ist. |
1617.
Was aber tut eine begriffliche Untersuchung?
Ist sie eine der Naturgeschichte der menschlichen Begriffe? –
Nun, Naturgeschichte beschreibt, sagen wir, Pflanzen und
Tiere.
Aber könnte es nicht sein, daß Pflanzen in
allen Einzelheiten beschrieben worden wären, und
nun erst jemand daherkäme, der
Analogien in ihrem Baue sieht, die man
früher nicht gesehen hatte?
Daß er also eine neue Ordnung in diesen Beschreibungen
herstellt.
Er sagt z.B.: “Vergleiche
nicht diesen Teil mit diesem; sondern vielmehr mit
jenem!; || ” (Goethe wollte so etwas tun.) und dabei
spricht er nicht notwendigerweise von Abstammung; dennoch
aber könnte die neue Anordnung auch der
wissenschaftlichen Untersuchung eine neue Richtung
geben.
Er sagt “Sieh es so an!”
– und das kann nun verschiedenerlei Vorteile und Folgen
haben. || verschiedenerlei
Folgen haben. |
1618.
Warum zählen wir?
Hat es sich als praktisch erwiesen?
Haben wir unsere Begriffe, z.B. die psychologischen,
weil es vorteilhaft ist? – || weil es sich
als vorteilhaft erwiesen hat? –
Und doch haben wir gewisse Begriffe eben deswegen, haben
sie deswegen eingeführt. –413– |
1619. ¤
Man sollte nicht glauben, es sei eine Vereinfachung, das Sehen mit
einem Auge in Betracht zu ziehen, statt des Sehens mit beiden Augen; wenn
man nämlich darüber klar ist,
daß man das Sehen nicht in den Augen
spürt.
Die Idee des visuellen Gegenstands ist viel schwerer
für das zweiäugige Sehen
durchzuführen.
Denn was ist das zweiäugige
‘Gesichtsbild’?
‘Das Portrait dessen, was man wirklich sieht’ ‘des visuellen Eindrucks selbst’. |
1620.
Es kommt einem vor: Wenn ich nur die rechten Farben und
Dinge zur Verfügung hätte,
könnte ich genau darstellen, was ich
sehe.
Und so ist es ja bis zu einem Punkt wirklich.
Und jener Bericht dessen, was ich vor mir habe, und die Beschreibung dessen,
was ich sehe, haben die gleiche Form. –
Aber sie lassen z.B. ganz das Wandern
des Blicks aus.
Aber auch z.B. das Lesen einer Schrift im
Gesichtsfeld und jedem Aspekt des Gesehenen. |
1621.
Ist nun, was Du anschaust, eine große Tafel, oder
ebene Wand mit einer Figur darauf, so wird als eine genaue
Beschreibung ein Bild dieser Figur gelten
können.
Ist die Figur z.B. F, was kann man mehr
wollen, als daß sie genau abgezeichnet wird; und doch gibt es noch eine
ganz andere Beschreibung, die in dem Abzeichnen nicht
steckt.
So auch, wenn die Figur ein Gesicht ist. |
1622.
Was in einem Sinne eine geringe Ungenauigkeit der
Beschreibung ist, ist in einem andern Sinne eine
große. |
1623.
Aktiv und Passiv.
Kann man es befehlen, oder nicht?
Dies scheint vielleicht eine weithergeholte Unterscheidung, ist es aber
nicht.
Es ist ähnlich wie: “Kann man
sich (logische Möglichkeit)
dazu entschließen, oder nicht?”
–
Und das heißt: Wie ist es von
Gedanken, Gefühlen,
etc.﹖ umgeben? |
1624.
Wie würde eine menschliche Gesellschaft von
lauter tauben Menschen aussehen?
Wie, eine Gesellschaft von ‘Geistesschwachen’?
–414–
Wichtige Frage!
Wie, also, eine Gesellschaft, die viele unserer
gewöhnlichen Sprachspiele nie spielte?
|
1625.
Sich einer Gleichheit von Farben in einem Bild
bewußt sein, oder dessen, daß diese
Farbe dunkler ist als jene.
Bin ich mir beim Hören dieses Stücks die ganze Zeit bewußt, daß es von .... ist? Wann ist man sich einer Tatsache bewußt? |
1626.
Liebe ist kein Gefühl.
Liebe wird erprobt, Schmerzen nicht. |
1627.
Ich sehe etwas in verschiedenen
Zusammenhängen.
(Ist dies dem Vorstellen nicht verwandter als dem Sehen?) |
1628.
Es ist, als hätte man an das Gesehene einen Begriff
herangebracht, den man nun mitsieht.
Der zwar selbst kaum sichtbar ist, aber doch einen ordnenden
Schleier über die
Gegenstände breitet. |
1629.
“Was siehst Du?”
(Sprachspiel) – –
“Was siehst Du wirklich?”
|
1630.
Stellen wir uns das Sehen rätselhaft vor!
ohne jederlei physiologische
Erklärung. – |
1631.
Auf die Frage “Was siehst Du?” kommen
verschiedenerlei Beschreibungen zur Antwort. –
Wenn Einer nun sagt: “Ich sehe doch den Aspekt,
die Organisation, ebenso gut wie Formen und
Farben” – was soll es heißen?
Daß man das alles zum ‘Sehen’ rechnet?
oder, daß hier doch die größte
Ähnlichkeit besteht? –
Und was kann ich dazu sagen?
Ich kann Ähnlichkeiten und
Unähnlichkeiten aufzeigen. |
1632.
Könnte man es nicht für
Wahnsinn halten, wenn ein Mensch eine Zeichnung als
Portrait des N.N. erkennt und
ausruft “Das ist Herr
N.N.!” –
“Er muß verrückt
sein”, sagt man von ihm, –415– “Er sieht ein
Stück Papier mit schwarzen Strichen darauf und
hält das für einen
Menschen!; || ” |
1633.
Das ‘Sehen der Figur als
....’ hat etwas Okkultes, etwas
Unbegreifliches.
Man möchte sagen: “Es hat sich
etwas geändert und es hat sich nichts
geändert.” – –
Aber versuche es nicht zu erklären!
Betrachte lieber das übrige Sehen auch als
okkult. |
1634.
Der Ausdruck jener Erfahrung ist und bleibt:
“Ich sehe es als Berg”, “Ich sehe
es als Keil”, “Ich sehe es mit dieser Basis und
dieser Spitze, aber umgefallen”, etc.
Und die Wörter “Berg”,
“Keil”, “Basis”,
“umgefallen”, sind ja auch nur Striche, oder Laute
– mit einer Verwendung. |
1635.
Denk an eine Darstellung eines Gesichts von vorn und im Profil zugleich
wie in manchen modernen Bildern.
Eine Darstellung in die eine Bewegung, eine
Änderung, ein Schweifen des Blicks miteinbezogen
ist.
Stellt so ein Bild das, was man sieht, nicht eigentlich
dar? |
1636.
“Ich verzeihe Dir.”
Kann man sagen “Ich bin damit
beschäftigt, Dir zu
verzeihen”?
Nein.
Aber das heißt nicht, daß es nicht einen Vorgang
gibt, den man auch “verzeihen” nennen
könnte – aber nicht so nennt – ich meine,
das Austragen des innern Streites der zum Verzeihen
führen kann. |
1637.
Ich möchte sagen: Es gibt Aspekte, die
hauptsächlich von Gedanken und
Assoziationen bestimmt sind, und andere, die ‘rein
optisch’ sind, und automatisch eintreten und wechseln, beinahe
wie Nachbilder. |
1639.
Ich kann auf den Verlauf meiner Schmerzen achten; aber nicht ebenso auf
den meines Glaubens, oder Wissens. |
1640.
Das Beobachten der Dauer kann ununterbrochen, oder unterbrochen
sein.
Wie beobachtest Du Dein Wissen, Deine Meinungen? und andererseits, ein Nachbild, einen Schmerz? Gibt es ein ununterbrochenes Beobachten meiner Fähigkeit, die Multiplikation .... auszuführen? |
1641.
⇒((Zu
Nr. 1638))
Das könnte man daraus
erklären, daß der Aspekt mit
der Augenbewegung zusammenhängt. |
1642.
Analogie zum Gegensatz von ‘Wert’ und
‘Grenzwert’ einer Funktion.
((wichtig)) |
1643.
Daß der Aspekt dem Willen untersteht, ist nicht
eine, sein Wesen selbst nicht berührende,
Tatsache.
Denn wie wäre es, wenn wir Dinge
willkürlich rot oder grün sehen
könnten?
Wie würde man dann die
Wörter “rot” und
“grün” anwenden lernen?
Es gäbe dann vor allem nicht einen ‘roten
Gegenstand’, höchstens einen, den man
leichter rot als grün sieht. |
1644.
Ist nicht, was
Köhler sagt, ungefähr:
“Man könnte etwas nicht
für das oder das halten, wenn man es
nicht als das oder das sehen
könnte”?
Beginnt ein Kind damit, etwas so oder so zu sehen, ehe es lernt, es
für das oder das zu halten?
Lernt es zuerst die Frage beantworten “Wie siehst Du
das?” und dann 417. erst “Was
ist das?” – |
1645.
Kann man sagen, es muß imstande sein, den Sessel
visuell als Ganzes || Ding aufzufassen, um ihn als Ding
erkennen zu können? –
Fasse ich jenen Sessel visuell als Ding auf, und welche
meiner Reaktionen zeigen das?
Welche Reaktionen eines Menschen zeigen, daß er
etwas als Ding erkennt, und welche, daß er etwas als
ein Ganzes, dinglich, sieht? |
1646.
Man könnte es sich so vorstellen: Man
prüft, in welcher Weise ein Kind ebene Figuren
abbildet, wenn man es keine Abbildungsart gelehrt hat, und wenn es
räumliche Gegenstände noch
nie gesehen hat. |
1647.
Ich lerne beschreiben, was ich sehe; und da lerne ich alle
möglichen Sprachspiele. – |
1648.
Nicht “Wie kann ich, was ich sehe,
beschreiben?” – sondern: “Was
nennt man ‘Beschreibung des
Gesehenen’?”
Und die Antwort auf diese Frage ist: Sehr Verschiedenes.” |
1649.
Köhler sagt, nur sehr wenige Menschen sähen
von selbst die Ziffer 4 in der Zeichnung und das ist
gewiß wahr.
Wie unterschiede sich nun ein Mensch von den normalen Menschen, der in
seiner Beschreibung ebener Figuren, oder wenn er sie kopiert, darin
radikal von der Norm abweicht, daß er beim Kopieren
und Beschreiben andere ‘Einheiten’
verwendet?
D.h., wie wird 418. sich dieser auch noch in anderen
Dingen von den normalen Menschen unterscheiden? |
1650.
Ein Mensch könnte hohe zeichnerische Begabung haben,
ich meine die Begabung, Gegenstände, ein Zimmer
z.B., sehr genau abzuzeichnen, und
könnte dabei doch immer wieder kleine Fehler gegen
den Sinn machen; so daß man sagen
könnte “Er
faßt einen Gegenstand nicht als Gegenstand
auf”.
Er würde z.B. nie einen
Fehler machen, wie den des Malers
Klecksel, der zwei Augen im
Profil malt.
Sein Wissen würde ihn
verführen. |
1651.
Der verführerische Begriff ist:
“die vollständige
Beschreibung dessen, was man sieht”. |
1652.
Eliminiere Dir immer das private Objekt, indem Du annimmst:
Es ändere sich
fortwährend; Du merkst es aber nicht, weil
Dich Dein Gedächtnis
fortwährend täuscht.
|
1653.
“Wer etwas sieht, sieht irgendetwas
Bestimmtes” – aber das heißt eben
nichts.
Es ist, als wollte man sagen: Wenn auch keine Darstellung dem Gesichtseindruck gleicht, so gleicht er doch sich selber. |
1654.
Es könnte doch Einer auf die Frage
“Was siehst Du hier?” die Figur richtig
nachzeichnen, auf die Frage aber “Siehst Du eine
4” mit Nein antworten, obwohl er sie doch selbst beim
Nachzeichnen gebildet hat. 419. |
1655.
Was teile ich dem mit, dem ich die Mitteilung mache, ich sehe das
Ornament jetzt so? (Seltsame Frage.)
–
Das heißt doch: “In welchem
Sprachspiele findet dieser Satz Verwendung?” –
“Was fangen wir mit diesem Satz an?” |
1656.
Nehmen wir an, gewisse Aspekte wären durch die
Augenbewegung erklärbar: Dann
möchte man sagen, diese wären
rein optischer Natur; und es müßte also
für sie eine Beschreibung geben, die sich nicht der
Analogien aus anderen Gebieten bedienen
müßte.
Dann müßte man also den Befehl
“Sieh dies als ....!” durch den
ersetzen können:
“Laß den Blick so und so
wandern”, oder einen ähnlichen.
|
1657.
Aber es ist eben nicht wahr, daß eine Erfahrung, die
nachweisbar mit der Augenbewegung
zusammenhängt, von ihr erzeugt werden kann, darum
durch eine Folge von Gesichtsbildern beschrieben werden kann.
(Etwa so wenig, wie der, welcher sich einen Ton vorstellt, sich eine Folge von Luftstößen vorstellt.) |
1658.
Halte die Zeichnung eines Gesichts verkehrt und Du kannst
den Ausdruck des Gesichts nicht erkennen.
Vielleicht kannst Du auch sehen, daß es lacht,
aber doch nicht genau, wie es lacht.
Du könntest das Lachen nicht nachahmen, oder
seinen Charakter genauer beschreiben.
Und doch kann das umgekehrte Bild den Gegenstand höchst genau darstellen. 420. |
1659.
Man muß da bedenken, daß das
So-Sehen eine
ähnliche Wirkung haben kann wie
ein Verändern des Gesehenen,
z.B. durch ein Setzen von Klammern, ein
Unterstreichen, Zusammenfassen auf die oder jene Art,
etc., und daß das
So-Sehen in dieser Weise wieder
mit dem Vorstellen Ähnlichkeit hat.
Niemand wird doch leugnen, daß ein Unterstreichen, ein Setzen von Klammern, dem Erkennen einer Ähnlichkeit günstig sein kann. |
1660.
Es ist doch klar, daß nur der, welcher das
doppeldeutige Bild als Hasen sieht, den Gesichtsausdruck des Hasen wird
nachahmen können.
Sieht er das Bild also auf diese Weise, so wird ihm dies
ermöglichen eine gewisse
Ähnlichkeit zu beurteilen. |
1661.
Man wird auch gewisse Dimensionen nur dann richtig
schätzen, wenn man das Bild auf diese
Weise sieht. |
1662.
Bedenke, daß man sagen kann: “Du
mußt diese Melodie so
hören, und dann auch entsprechend
spielen.” |
1663.
Könnte es nicht Menschen geben, die nicht im Kopf
rechnen und nicht leise lesen lernen können, dabei
aber sonst intelligente Menschen wären und in
keinem Sinne ‘schwachsinnig’? |
1664.
Es ist kein Zweifel, daß man einen Aspekt oft durch
eine Augenbewegung, durch eine Bewegung des Blicks, hervorruft.
421. |
1665.
Aber wie seltsam! möchte man sagen –
wenn man eine Art der Zusammensetzung entdecken kann, – wie ist es
möglich, sie auch zu sehen!
– –
Wie ist es möglich, mit einem Schlage zu wissen,
was man sagen will?
Ist dies nicht ebenso merkwürdig? |
1666.
Ist denn die Erscheinung des Aspekts seltsamer, als meine Erinnerung an
eine bestimmte wirkliche Person, von der ich ein Erinnerungsbild
habe?
Ja, es ist sogar eine Ähnlichkeit
zwischen beiden.
Denn man fragt sich auch hier: Wie ist es
möglich,
daß ich von ihm ein
Vorstellungsbild habe und es keinen Zweifel daran gibt,
daß es sein Bild sei? |
1667.
Die Philosophie löst ein Problem oft nur, indem sie
sagt; || : Hier ist so wenig eine
Schwierigkeit, wie da.
Nur also, indem sie ein Problem heraufbeschwört, wo früher keines war. Sie sagt: “Ist es nicht ebenso merkwürdig, daß ....” und läßt es dabei || damit bewenden. |
1668.
Wie befolgt man den Befehl “Stell Dir Herrn N
vor!”?
Wie weiß man, daß der
Befehl befolgt wurde?
Wie weiß Einer, daß er ihn
befolgt hat?
Wozu ist der Zustand der Vorstellung hier
nütze? –
Ich will sagen, es verhalte sich ähnlich beim
Sehen eines Aspekts. |
1670.
Denk Dir ein Dreieck im Film um den Punkt schwingend dargestellt
und dann stehen bleibend.
Und nun könnte es sein, als wirke diese zeitliche
Umgebung noch im Bild des zur Ruhe gekommenen Dreiecks.
“Hängend” möchte ich sagen. Aber entspricht dem nichts? Doch gewiß! Aber das heißt nur, daß ich nicht lüge, und daß der Ausdruck des Aspekts eine Verwendung hat. “Welche Anwendung?!” mußt Du Dich immer fragen. |
1671.
Man könnte die Schachbrettzeichnung
als Werkzeichnung betrachten, nach welcher
Stücke herzustellen sind, die das Schachbrett
ergeben.
Man kann diese Zeichnung nun auf verschiedene Weise verwenden; und
man kann sie auch auf verschiedene Weise, solchen Verwendungen
entsprechend, sehen. |
1672.
Denke, man erklärte das so,
daß der Aspekt durch verschiedene, dem
visuellen Bild superponierte Vorstellungen und Erinnerungen
entstehe.
Natürlich interessiert mich diese
Erklärung nicht als
Erklärung, sondern als logische
Möglichkeit, also begrifflich
(mathematisch). |
1673.
“Das Grüne, was ich dort sehe, ist
blatthaft.
Diese Dinge dort augenhaft.”
(Welche Dinge sind es?) 423.
|
1674.
Es scheint hier das Objekt des Sehens zu sein, was nicht Objekt des
Sehens sein || werden kann.
Als sagte man, man sehe Töne.
(Aber man sagt ja wirklich, man sehe einen Vokal gelb, oder
braun.) |
1675.
Wie könnte denn Assoziation ein
Dauerzustand sein?
Wie könnte ich denn fünf
Minuten lang diese Art von Gegenstand mit diesen Linien
assoziieren? |
1676.
Was überzeugt mich denn, daß
der Andere ein gewöhnliches Bild dreidimensional
sieht? –
Daß er's sagt?
Unsinn – –
Wie weiß ich denn, was er mit
dieser Versicherung meint?
Nun, daß er sich darin auskennt; die Ausdrücke auf das Bild verwendet, die er auf den Raum anwendet; sich vor einem Landschaftsbild benimmt, wie vor einer Landschaft, etc. etc. |
1677.
Ich kann von ihm nie wissen, ob er wirklich sieht.
Nun, dann kann ich's von mir natürlich
auch nicht wissen.
Denn wie weiß ich, daß ich
jetzt das Gleiche so nenne, wie früher, und
daß ich das Gleiche “gleich”
nenne? |
1678.
Nun, wie sieht es alles in der dritten Person aus?
Und was für die dritte Person gilt, gilt dann, so
seltsam das scheinen mag, auch für die
erste. |
1679.
Denk Dir eine physiologische Erklärung
dafür, daß ich
eines (A) als Variation des
andern (B)
sehe.
Es könnte sich 424. zeigen,
daß, wenn ich A als B sehe, auf meiner
Retina gewisse Vorgänge stattfinden, die sich sonst
zeigen, wenn ich wirklich B sehe.
Und dies könnte nun manches in meinem Benehmen
erklären.
Man könnte z.B. sagen,
daß ich mich darum beim Anblick von A
benehme, als sähe ich B, wie ich's
gewöhnlich nicht tue, wenn ich A nicht als
B sehe.
Aber diese Erklärung meines Benehmens ist
für uns
überflüssig.
Ich nehme das Benehmen eben so hin, wie einen Vorgang auf der Retina,
oder im Gehirn.
Ich will sagen: Die physiologische Erklärung ist zuerst scheinbar eine Hilfe, zeigt sich aber dann gleich als bloßer Katalysator der Gedanken. Ich führe sie nur ein, um sie gleich wieder loszuwerden. |
1680.
Denk nur ja nicht, Du wüßtest im
Vorhinein, was “Zustand des
Sehens” || Bewußtseinszustand” in diesem
Falle bedeutet!
Laß Dich die Bedeutung durch
den Gebrauch || vom Gebrauch
lehren. |
1681.
Hätte ich mir das Phänomen der
Vorstellung erklären
können, wenn mir gesagt
worden wäre: es
sähe Einer mit offenen Augen etwas, was
nicht vor ihm ist, und zugleich doch || auch, was vor ihm ist,
und es wären die beiden Gesichtsobjekte einander nicht
im Wege?! |
1682.
Und es wäre nun natürlich ganz
falsch, zu sagen: “Und doch geschieht das
Seltsame” oder “das Unglaubliche”.
Vielmehr ist eben, was geschieht, nicht seltsam und nur
falsch als Seltsames gesehen. 425. |
1683.
Die alte Ansicht von der Rolle der Anschauung in der
Mathematik.
Ist diese Anschauung eben das Sehen der Komplexe in verschiedenen
Aspekten? |
1684.
Muß man unter den Aspekten nicht rein optische von
andern unterscheiden?
Daß sie untereinander || von einander sehr verschieden sind, ist klar: Es tritt z.B. in ihre Beschreibung manchmal die Tiefendimension ein, manchmal nicht; manchmal ist der Aspekt eine bestimmte ‘Gruppierung’, wenn man aber Striche als Gesicht sieht, so hat man sie nicht nur visuell zu einer Gruppe zusammengefaßt; man kann die schematische Zeichnung eines Würfels als offene Kiste, oder als soliden Körper sehen, auf der Seite liegend, oder stehend; die Figur kann nicht nur auf zwei, sondern auf sehr viele verschiedene Arten gesehen werden. |
1685.
Man hängt Bilder, Photographien auf von
Landschaften, Innenräumen, Menschen, und
betrachtet sie nicht, wie Werkzeichnungen.
Man liebt, sie anzusehen, wie die Gegenstände
selbst; man lächelt die Photographie an wie
den Menschen, den sie zeigt.
Wir lernen nicht, eine Photographie verstehen, wie eine Blaupause. –
Es wäre freilich möglich,
daß wir eine Abbildungsart erst mit
Mühe verstehen lernen müssen,
um sie später als natürliches
Bild gebrauchen zu können.
Dies mühsame Lernen wäre
später nur noch Geschichte, und das
Bild würden wir nun ebenso betrachten, wie jetzt
unsere Photographie.
426. |
1686.
Es könnte doch auch Menschen geben, die
Photographie || Photographieren
nicht, wie wir, verstünden,
sähen; die zwar verstünden,
daß auf diese Weise ein Mensch dargestellt werden
kann, die seine Formen auch
ungefähr nach einer
Photographie beurteilen könnten, die aber das Bild
doch nicht als Bild sähen.
Wie würde sich das
äußern?
Was würden wir als Äußerung
dessen betrachten??
Das ist vielleicht nicht leicht zu sagen.
Diese Leute hätten vielleicht nicht Freude an Photographien wie wir. Sie würden nicht sagen “Schau, wie er lächelt!” und dergleichen; sie würden eine Person oft nicht gleich nach dem Bild erkennen; müßten die Photographie lesen lernen und lesen; sie hätten Schwierigkeiten, zwei gute Aufnahmen desselben Gesichts als Bilder etwas verschiedener Stellungen zu erkennen. |
1687.
Wenn mir Einer sagte, er habe die Figur eine halbe Stunde lang ohne
Unterbrechung als umgekehrtes F gesehen, so
müßte ich annehmen, er habe
fortwährend an diese Interpretation
gedacht, sich damit
beschäftigt. |
1688.
Es ist, als wäre der Aspekt etwas, was nur
aufleuchtet, aber nicht stehen
bleibt; und doch
muß dies eine begriffliche
Bemerkung sein, keine psychologische. |
1689.
Beim Umschnappen des Aspekts erlebt man die zweite Phase in akuter
Weise (entsprechend etwa dem Ausruf “Ach,
es ist ein ....!” und hier
beschäftigt man sich ja mit dem
Aspekt.
Im 427. chronischen Sinne ist
er nur die Art und Weise, wie wir die Figur wieder und wieder
behandeln. |
1690.
‘Ding’ und ‘Hintergrund’ sind
visuelle Begriffe, wie rot und rund – will
Köhler sagen.
Die Beschreibung des
Gesehenen schließt die Angabe,
was Ding und was Hintergrund ist, nicht weniger ein, als die Angabe der
Farbe und der Form.
Und die Beschreibung ist ebenso unvollständig,
wenn nicht gesagt wird, was Ding, was Grund ist, wie sie es ist, wenn
Farbe oder Form nicht angegeben wurden.
Ich sehe das eine ebenso unmittelbar, wie das andere – will
er || man sagen.
Und was ist dagegen einzuwenden?
Zuerst: wie sich das erkennen läßt, –
ob durch Introspektion, und ob Alle darin
übereinstimmen müssen.
Denn es handelt sich offenbar um die Beschreibung des
subjektiv Gesehenen.
Aber wie lernt man nur, das Subjektive durch Worte
wiedergeben?
Und was können uns diese Worte bedeuten?
Denk, statt um Worte handelte sich's um zeichnerische Wiedergabe; und den Wörtern “dinglich” und dergleichen entspräche in dieser Wiedergabe die Reihenfolge, Ordnung, in der wir die Zeichnung anfertigen. (Ich nehme an, wir könnten außerordentlich rasch zeichnen.) Und nun sagte jemand: “Zur Darstellung des Gesehenen gehört die Reihenfolge ebenso, wie Farben und Formen.” – Was hieße das? Man kann wohl sagen: Es gibt Gründe, zum zeichnerischen Beschreiben des Gesehenen nicht nur das gezeichnete Bild, sondern auch die Phrasierung beim Zeichnen zu rechnen. Es gehörten diese Reaktionen des Beschreibenden irgendwie zusammen. In gewisser Beziehung 428.
gehören sie zusammen, in anderer nicht. |
1691.
Denkt man an Ströme in der Netzhaut (oder
dergleichen), so möchte man sagen:
“Also ist der Aspekt so gut
‘gesehen’, wie Form und Farbe.”
Aber wie konnte uns denn so eine Hypothese zu dieser
Überzeugung helfen?
Nun, sie kommt der Tendenz entgegen, hier zu sagen, wir
sähen zwei verschiedene Gebilde.
Aber diese Tendenz, wenn sie zu begründen ist,
muß ihren Grund woanders haben. |
1692.
Der Ausdruck des Aspekts ist der Ausdruck einer Auffassung (also
einer Behandlungsweise, einer Technik); aber gebraucht als
Beschreibung eines Zustands. |
1693.
Wenn es scheint, es wäre
für eine solche logische Form kein Platz,
so mußt Du sie in einer andern Dimension
aufsuchen. Wenn hier kein Platz ist, so ist er eben in einer
andern Dimension. || Wenn es scheint, es
wäre für so eine Form
zwischen den andern Formen doch kein Platz, so mußt
Du sie in einer andern Dimension
aufsuchen. |
1694.
In diesem Sinne ist auch auf der Zahlenlinie nicht
für imaginäre Zahlen
Platz.
Und das heißt doch: Die Anwendung eines
imaginären Zahlbegriffs ist
grundverschieden von der einer Anzahl
etwa; || von der des Begriffs der Anzahl
etwa; verschiedener, als die mathematischen Operationen
allein es offenbaren.
Man muß also, um Platz für
sie zu gewinnen, zu ihrer Anwendung hinuntersteigen und dann finden sie
einen sozusagen ungeahnt verschiedenen
429. Platz. |
1695.
Wenn diese Konstellation für mich stets und
ständig ein Gesicht ist, dann habe ich damit
keinen Aspekt bezeichnet.
Denn das hieße,
daß ich ihr immer als Gesicht
begegne, sie als Gesicht behandle;
während das Eigentümliche des
Aspekts ist, daß ich etwas in ein Bild
hineinsehe.
So daß man sagen
könnte; || : ich sehe etwas,
was garnicht da ist, was nicht in der Figur
liegt, so daß es mich
überrascht, daß ich's
sehen kann, || (mindestens, wenn ich
später darüber
reflektiere). |
1696.
Wenn das Sehen eines Aspekts einem Gedanken entspricht, dann kann es
nur in einer Welt || in einem
Reich von Gedanken ein Aspekt
sein. |
1697. ¤
Wenn ich einen Aspekt beschreibe, so setzt die Beschreibung Begriffe
voraus, die nicht zur Beschreibung der Figur selbst
gehören. |
1698. ¤
Ist es nicht merkwürdig, daß
man bei der Beschreibung eines Gesichtseindrucks so ungemein selten das
Wandern des Blicks in die Beschreibung einbezieht?!
Es wird so gut wie nie einbezogen, wenn der Gegenstand klein,
z.B. ein Gesicht ist; obgleich doch auch da der
Blick fortwährend in Bewegung ist. |
1699.
Der Aspekt kann plötzlich wechseln und es folgt dem
Wechsel dann ein neues Betrachten.
Man ist sich, z.B., des Gesichtsausdrucks
–430–
betrachtet ihn. |
1700.
Ich kann z.B. eine Photographie anschauen und mich
mit dem Ausdruck des Gesichts beschäftigen, ihn mir
sozusagen zu Gemüt führen,
ohne mir, oder einem Andern, dabei etwas zu sagen.
Ich lasse die Augen der Photographie zu mir sprechen. Ich sehe das Bild vielleicht zum ersten Mal, als wirkliches Gesicht. ‘Gehe auf den Ausdruck ein’. Frage nicht “Was geht dabei vor?”, sondern “Was tut man mit dieser Äußerung?” |
1701.
Wir werden uns des Aspekts nur im
Wechsel bewußt.
Wie wenn sich Einer nur des Wechselns der Tonart
bewußt ist, aber kein absolutes
Gehör hat. |
1702.
Wenn man das Mittelmeer auf der Karte bei anderer
Kolorierung nicht erkennt, so zeigt das nicht, daß hier
wirklich ein anderer visueller Gegenstand
vorliegt.
(Köhler's Beispiel)
Es könnte das höchstens
einen plausiblen || guten Grund für
eine bestimmte Ausdrucksweise
abgeben. || Das könnte
höchstens einen guten Grund für
die und die Ausdrucksweise
abgeben.
Es ist eben nicht das Gleiche, zu sagen
“Das zeigt, daß hier wirklich zweierlei gesehen
wird” – und “Unter diesen
Umständen wäre es besser von
‘zwei verschiedenen
Gesichtsobjekten’ zu reden”. |
1703.
Daß man einen Aspekt durch Gedanken hervorrufen kann,
ist äußerst wichtig, obwohl es das Hauptproblem
nicht löst.
Ja, es ist, als wäre der Aspekt ein unartikulierter Fortklang des || eines Gedankens. |
1704.
Ich höre zwei Leute reden, verstehe nicht, was sie
sagen, höre aber das Wort
“Bank”.
Nun nehme ich an, sie sprächen von Geld.
(Das kann sich als richtig oder unrichtig herausstellen.)
Habe ich damit das Wort “Bank” in der
Bedeutung
gehört?
–431–
Anderseits: Es spricht Einer in einer Art Spiel
doppeldeutige Wörter ohne Zusammenhang; ich
höre “Bank” und
höre es in jener Bedeutung.
Es ist beinahe, als wäre dies letztere ein
wertloses Überbleibsel des ersten
Vorgangs. |
1705.
Warum soll nicht die
überwältigende
Neigung, ein gewisses Wort in unserer
Äußerung zu gebrauchen, bestehen?
Und warum sollte dies Wort nicht dennoch
irreführend sein, wenn wir
über unser Erlebnis nachdenken?
Ich meine: Warum sollen wir nicht “sehen” sagen wollen, obwohl der Vergleich mit dem Sehen in mancher Weise nicht stimmt. Warum sollen wir nicht von einer Analogie beeindruckt sein, zum Nachteil aller || von allen Verschiedenheiten. Aber darum kann man sich auch nicht auf die Worte der Äußerung berufen, || . Die physiologische Betrachtung verwirrt hier nur. Weil sie von dem logischen, begrifflichen Problem ablenkt. |
1706.
Die Verwirrung in der Psychologie ist nicht damit zu
erklären, daß sie eine “junge
Wissenschaft” ist.
Ihr Zustand ist mit dem der Physik, z.B., in
ihrer Frühzeit garnicht zu
vergleichen.
Eher mit dem gewisser Zweige der Mathematik.
(Mengenlehre).
Es besteht da nämlich einerseits eine
gewisse experimentelle Methode, anderseits
Begriffsverwirrung || Es besteht da
nämlich eine gewisse experimentelle Methode,
und zugleich Begriffsverwirrung, so wie in manchen
Teilen der Mathematik Begriffsverwirrung und Beweismethoden.
Während man aber in der Mathematik
ziemlich sicher sein kann, daß ein Beweis von Wichtigkeit sein
wird, auch wenn er noch nicht recht verstanden || gedeutet
ist, ist man in der Psychologie der Fruchtbarkeit der Experimente
durchaus nicht sicher.
Vielmehr besteht || bestehen in ihr
Problematisches, – und Experimente, die man
für die Methode der Lösung
der Probleme ansieht, auch wenn sie an dem, was uns beunruhigt, ganz
vorbeigehen. |
1707.
Man könnte dazu verführt
werden zu glauben, es gäbe eine bestimmte Art und
Weise, wie man Jahreszahlen ausspricht, einen bestimmten
Tonfall oder dergleichen.
Denn eine Zahl, etwa –432– eine Hausnummer, wie 1854 kann
für mich etwas Jahreszahlhaftes an sich
haben.
Man könnte glauben, unser Erlebnis sei das einer
bestimmten Einstellung des Geistes, die ihn für eine
bestimmte Tätigkeit bereit macht; zu
vergleichen also der Stellung des
Körpers vor dem Sprung.
Hier ist ein sehr verlockender Irrtum.
Es ist Erfahrungstatsache, daß diese Stellung
eine häufige, oder
zweckmäßige Vorbereitung für
diese Tätigkeit ist.
Wir aber haben nicht gelernt, daß dies Gefühl,
diese Erfahrung, eine zweckdienliche Vorbereitung der und der Anwendung
der Figur, Zahl, etc. ist.
Ausdrücke wie “Es ist, als
zitterte in dem Erlebnis bereits die künftige
Verwendung”, “Es ist, als innervierten wir schon
die Muskeln zu dieser
bestimmten Tätigkeit”,
etc. etc. sind nur paraphrasierte
Äußerungen des
Erlebnisses.
(Als sagte man “Die Liebe zu …
glüht mir im Herzen.”) –
Hier haben wir übrigens eine Andeutung des
Ursprungs der Innervationsempfindung, die das
Bewußtsein des Willensakts ausmachen
soll. |
1708.
Ich sage beim Erkennen eines Menschen: “Jetzt seh
ich's – es sind dieselben Züge, nur
....” – und es folgt eine Beschreibung der
tatsächlichen
Veränderungen. –
Denk Dir, ich sagte “Das Gesicht ist runder, als es
war” – soll ich sagen, es ist eine
Eigentümlichkeit des Gesichtsbildes, des
Gesichtseindrucks, die mir das zeigt?
Freilich, man wird sagen: “Nein; hier kommt ein
Gesichtsbild in eine Erinnerung zusammen.”
Aber wie kommen diese zusammen?
Ja – es ist als ob hier zwei Bilder verglichen
würden.
Aber es werden nicht zwei Bilder verglichen; und
würden sie's, so
müßte man noch immer eines als das des
früheren Gesichts anerkennen. |
1709.
Ich kann doch sagen: Ich sehe, daß diese Figur in jener
enthalten ist, kann sie aber nicht darin sehen.
Diese Beschreibung paßt wohl
für diese Figur, aber doch kann ich die Figur nicht
der Beschreibung gemäuß sehen.
–433–
Und “sehen” heißt hier auch nicht “auf einen || mit einem Schlag erkennen”. Denn es könnte wohl sein, daß jemand nicht im Stande wäre, auf den ersten Blick die eine Figur in der andern zu sehen, daß er dies aber könnte, nachdem er das Enthaltensein, sozusagen stückweise, erkannt hätte. |
1710.
Teile ich ihm mittels der beiden Bilder mit, die eine Figur sei in der
andern enthalten, oder, ich erkenne, daß es so sei, so teile ich ihm
damit nicht mit, ich sehe die eine in der andern.
Worin liegt der Unterschied der beiden Mitteilungen?
(Ihr Wortausdruck muß sich nicht
unterscheiden.) |
1711.
Ich kann die Figur nicht als Vereinigung von und
sehen, die zusammengeschoben sind, daß sie sich halb
überdecken, so daß das mittlere || schwarze Feld gleichsam doppelt
gilt. || Feld ein oberes und ein unteres
darstellt.
Wenn nun Einer sagte, er
könnte || könne die Figur so sehen,
könnte ich es || dies nicht
verstehen?
Könnte ich es glauben?
Sollte ich sagen, dies sei möglich – auch
wenn mir derlei noch nie vorgekommen ist?
Müßte ich sagen “Du meinst eben mit
‘so-sehen’ etwas anderes als ich”? –
Und wenn ich es annähme, was wüßte ich
nun, was könnte ich damit anfangen?
(Eine physiologische Verwendung ist natürlich
wieder vorstellbar.) |
1712.
Hierher gehört die Frage
“Was würde mir Einer mitteilen, der
sagte, er könne ein
regelmäßiges 50-Eck als solches
sehen”?
Wie würde man seine Aussage
prüfen?
Was als Prüfung gelten lassen?
Mir scheint, es könnte nun sein, daß man gar nichts als Bestätigung dieser Aussage annehmen würde. |
1713.
“Für mich ist es jetzt dieses
Ornament.”
Das “dieses” muß
erklärt werden durch Hinweis auf
eine Klasse von Ornamenten.
Man kann etwa sagen “Es sind weiße
Bänder auf etwas Schwarzem”.
Ja – anders ist es nicht zu erklären.
Obgleich man sagen möchte:
“Es muß doch einen einfacheren Ausdruck
für –434– das geben, was ich
sehe!”
Und vielleicht gibt es ihn auch.
Denn von allem könnte man den Ausdruck
“hervortreten”
benützen.
Man kann sagen “Diese Teile treten
hervor”.
Und nun kann man sich ja eine primitive Reaktion eines Menschen denken,
der dies nicht durch Worte ausdrückt, sondern etwa
auf die “hervortretenden” Teile mit dem Finger
und einer besondern Gebärde deutet.
Aber dieser primitive Ausdruck wäre damit noch nicht
äquivalent dem Wortausdruck
“Weißes || weißes
Bandornament”. |
1714.
Es wäre aber auch das
möglich, || : daß eine
große Menge von Ausdrücken,
Begriffen für jemand in diesem Fall ganz
gleichbedeutend wären.
Und sollte man in diesem Fall sagen, der
beschreibende Aspekt sei rein optisch?
|
1715.
Es ist aber die Frage: warum die primitive Reaktion des Deutens
mit dem Finger ein Ausdruck des So-Sehens
genannt werden soll.
Ohne weiteres wird man sie doch so nicht nennen
können.
Nur wenn sie sich mit andern Ausdrücken
vereinigt. |
1716.
Denke, es drückte Einer das
So-Sehen immer durch eine Erinnerung
aus!
Er sagte z.B., jetzt erinnere ihn die
Figur an dies jetzt an jenes, was er einmal gesehen habe.
Was könnte ich mit
dieser Mitteilung anfangen?
Kann mich etwas eine halbe Stunde lang an diesen Gegenstand erinnern? Es sei denn, daß ich mich mit dieser Erinnerung beschäftige. |
1717.
Wenn es sich nun so verhält, daß es ein
Bedeutungserlebnis zwar gibt, dies aber etwas
Nebensächliches ist, – wie
kann es dann so sehr wichtig scheinen?
Kommt das daher, daß dies
Phänomen einer
gewissen primitiven Deutung unserer Grammatik
(Sprachlogik) entgegenkommt?
So wie man sich oft vorstellt || Aus dem
gleichen Grunde, wie man sich oft
vorstellt, es
müsse die Erinnerung an ein Ereignis
ein inneres Bild sein, und wie ja so ein Bild manchmal wirklich
existiert. –435– |
1718.
Wie verschwommen auch mein Gesichtsbild sein mag, so
muß es doch eine bestimmte
Verschwommenheit haben, so muß es doch ein
bestimmtes Gesichtsbild sein.
Das heißt wohl, es muß
einer genau passenden Beschreibung fähig sein,
wobei eben die Beschreibung die gleiche Vagheit haben
müsse, wie das Beschriebene. –
Aber nun wirf einen Blick auf das Bild und gib
eine in diesem Sinne passende Beschreibung!
Diese Beschreibung sollte eigentlich ein Bild, eine
Zeichnung sein!
Aber hier handelt sich's eben nicht um eine verschwommene
Kopie eines verschwommenen Bildes.
Was wir sehen, ist in ganz anderm Sinne unklar.
Und ich glaube, die Lust, von einem privaten Gesichtsobjekt zu
reden, könnte einem vergehen, wenn man
öfter an dies
Bild || Gesichtsbild
dächte.
Die Abbildungsweise, die sonst möglich ist, ist eben hier nicht möglich. |
1719.
Wenn ich sage “Er hat sich im Park auf die Bank
gesetzt”, so ist es freilich schwierig, dabei an
eine Geldbank zu denken, sich eine vorzustellen; aber das
beweist nicht, daß man sich sonst eine andere Bank
vorgestellt hätte.
Es könnte uns z.B. leicht fallen, während des Redens gewisse Bilder zu zeichnen, die der Rede entsprechen, und sehr schwer, dabei Bilder zu zeichnen, die der Absicht, oder dem Zusammenhang der Rede zuwider sind. Aber das würde nicht beweisen, daß wir beim Reden immer zeichnen. |
1720.
Wenn ich jetzt beim Überlegen dieser Frage allein
den Satz ausspreche “Du mußt das Geld in
die Bank legen” und ihn so und so meine, –
heißt das, daß in mir beim Aussprechen des Satzes
das Gleiche vorgeht, wie wenn ich den Satz bei einer
wirklichen Gelegenheit jemand in dieser Bedeutung sage?
Was könnte so eine Annahme
rechtfertigen??
Höchstens, daß ich danach sage
“Ich habe das Wort … jetzt in der Bedeutung
… gemeint”.
Und hier handelt sich's doch um eine Art optischer
Täuschung!
Denn, was mich im praktischen Gebrauche zu dieser Feststellung
berechtigt, ist ja nicht ein das Sprechen –436– begleitender Vorgang.
Wenn auch Vorgänge das Sprechen begleiten
können, die auf diese Bedeutung hinweisen.
(Die Richtung des Blicks z.B.) |
1721.
Die Schwierigkeit ist, sich unter den Begriffen der
‘psychologischen Erscheinungen’
auszukennen.
Sich unter ihnen zu bewegen, ohne immer wieder gegen ein Hindernis anzurennen. D.h., man muß die Verwandtschaften und Unterschiede der Begriffe beherrschen. Wie Einer den Übergang von jeder Tonart in jede beherrscht, von der einen in die andere moduliert. || Wie man den Übergang von jeder Tonart in jede andere beherrscht, .... |
1722.
“Ich habe jetzt das Wort … in der Bedeutung …
ausgesprochen” – Wie weißt
Du, daß Du's getan hast?
Wie, wenn Du Dich geirrt hast || hättest?
Wie hast Du denn gelernt, es in der Bedeutung auszusprechen?
Wer sagt “Ich habe jetzt das Wort in der Bedeutung isoliert gesprochen”, der spielt ein gänzlich anderes Sprachspiel, als der, welcher mir mitteilt, er habe mit dem Wort in jenem Bericht, oder Befehl, das gemeint. Und nun ist es also wesentlich, oder unwesentlich, daß er auch im ersten Falle das Wort “meinen” gebraucht. Ist es wesentlich, dann ist dies erste Sprachspiel sozusagen eine Spiegelung des zweiten. Etwa, wie die Schachpartie auf der Bühne eine Spiegelung einer wirklichen Schachpartie genannt werden könnte. |
1723.
Schach in der Vorstellung mit dem Andern
spielen: Beide Spieler spielen in der
Vorstellung und stimmen miteinander darin überein,
dieser habe gewonnen, dieser verloren.
Sie können dann Beide aus dem
Gedächtnis die Partie
übereinstimmend reproduzieren, sie
aufschreiben, erzählen. –
Denke Tennis so gespielt.
Es wäre möglich.
Nur natürlich keine Übung
für die Muskeln.
(Obwohl sich auch das denken ließe.)
–437–
Wichtig ist, daß man auch beim ‘Tennis in der
Vorstellung’ wird sagen können
“Es ist mir gelungen, den Ball
....”. |
1724.
Ich könnte doch von einer
Schachpartie träumen, der Traum hat
mir aber vielleicht nur einen Zug des Spiels gezeigt.
Dennoch hätte ich
geträumt: ich habe eine Schachpartie
gespielt.
Man wird dann sagen “Du hast sie nicht wirklich gespielt, Du
hast es geträumt”.
Warum sollte man nicht auch sagen “Du hast das Wort nicht
wirklich so gemeint, Du hast es nur
geträumt”? |
1725.
Vor Gericht, z.B. könnte
es sich darum fragen || könnte die
Frage erörtert werden, wie
Einer ein Wort gemeint habe, und es kann
auch aus gewissen Tatsachen geschlossen werden, er habe es
so gemeint.
Es ist eine Frage der Absicht
könnte aber auch jenes andere
geträumte meinen diese Wichtigkeit
haben? |
1726.
Aber wie ist es: Wenn ich ein Gedicht, oder ausdrucksvolle
Prosa lese, besonders wenn ich sie laut lese, so geht doch beim Lesen
etwas vor, was nicht vorgeht, wenn ich die Sätze
nur ihrer || der Information wegen
lese. || überfliege.
Ich kann doch,
z.B., einen
Satz mehr, oder weniger eindringlich lesen.
Ich bemühe mich den Ton genau zu treffen.
Dabei sehe ich oft ein Bild, gleichsam eine Illustration, vor
mir.
Ja ich kann auch einem Wort einen Ton
verleihen, der seine Bedeutung, beinahe als
wäre das Wort ein Bild, hervortreten
läßt. || heraushebt.
Man könnte sich selbst eine Schreibweise denken,
in der gewisse Wörter durch bildliche Zeichen
ersetzt und so hervorgehoben werden.
Ja dies geschieht manchmal, wenn wir ein Wort unterstreichen, oder es
im Satz förmlich || gleichsam auf ein
Postament stellen.
((“.... there lay a something
....”)) |
1727.
Wenn ich beim ausdrucksvollen Lesen dies Wort ausspreche, so
ist es sozusagen mit seiner Bedeutung
gefüllt. || angefüllt.
Und nun könnte man fragen: “Wie
kann –438– das sein?”
|
1728.
“Wie kann das sein, wenn Bedeutung das ist, was Du
glaubst?”
Der Gebrauch eines Wortes kann das Wort nicht begleiten, oder
anfüllen.
Und nun kann ich antworten: Mein Ausdruck war bildlich
gebraucht. –
Aber das Bild drängte sich mir
auf.
Ich will sagen: Das Wort war
von seiner Bedeutung erfüllt.
Wie ich dazu komme, das sagen zu wollen, ließe
sich vielleicht erklären.
Warum aber soll ich dann nicht auch ‘sagen wollen’: ich habe das Wort (isoliert) in dieser Bedeutung ausgesprochen? |
1729.
Warum soll mich eine bestimmte Technik der Verwendung der Worte
“Bedeutung”, “meinen” und anderer nicht
dazu führen, diese Worte sozusagen in einem
bildlichen, uneigentlichen Sinne zu
gebrauchen?
(So wie ich sage, der Laut e ist gelb.)
Ich meine aber nicht; es sei ein Irrtum, || – ich habe das Wort nicht wirklich in dieser
Bedeutung ausgesprochen, sondern mir's nur eingebildet.
Nicht so ist es. || ein
Irrtum: ich habe mir nur eingebildet, das Wort in
dieser Bedeutung auszusprechen. Nicht so ist
es.
Ich bilde mir ja auch nicht bloß ein, es werde
im “Nathan” Schach gespielt. |
1730.
Das Denken in den Begriffen physiologischer Vorgänge
ist für die Klarstellung der begrifflichen
Probleme in der Psychologie
höchst gefährlich.
Das Denken in physiologischen Hypothesen spiegelt uns manchmal falsche
Schwierigkeiten, manchmal falsche Lösungen
vor.
Die beste Kur dagegen ist der Gedanke daß ich garnicht weiß, ob die Menschen, die ich kenne,
wirklich ein Nervensystem haben. |
1731.
Der Fall der ‘erlebten Bedeutung’ ist
verwandt dem des Sehens einer Figur als dies, oder
jenes.
Wir müssen diese begriffliche Verwandtschaft
beschreiben; daß eigentlich –439– beide Male
das Gleiche vorliege, sagen wir nicht. |
1732.
“Wenn Du Dein F so schreibst , meinst Du es
als ‘verschobenes’ F, oder als
Spiegel-F? –
Willst Du, daß es nach rechts, oder daß es nach links
schaue? –
Die zweite Frage bezieht sich offenbar nicht auf einen
Vorgang, der das Schreiben
begleitet.
Bei der ersten Frage
könnte man an so einen Vorgang
denken. |
1733.
“Ich sehe, daß das Kind den Hund anrühren
will, sich aber nicht recht traut.”
Wie kann ich das sehen? –
Ist diese Beschreibung des Gesehenen auf gleicher Stufe mit einer
Beschreibung sich bewegender Formen und Farben?
Liegt ein Deuten || Deuten vor?
Nun, bedenke, daß Du ja auch einen Menschen nachmachen
kannst, der etwas angreifen möchte, sich aber nicht
traut!
Und was Du nachmachst ist doch ein Benehmen.
Aber Du wirst dies Benehmen charakteristisch vielleicht
nur in einem weiteren Zusammenhang nachahmen
können. |
1734.
Man wird auch sagen können: Was diese
Beschreibung sagt, wird sich irgendwie in der Bewegung und dem
übrigen Benehmen des Kindes, aber auch in der
räumlichen und zeitlichen Umgebung
ausdrücken. || sagt,
drückt sich irgendwie in der Bewegung und dem
übrigen Benehmen des Kindes, in dieser
räumlichen und zeitlichen Umgebung,
aus. |
1735.
Soll ich nun aber sagen, daß ich die Furchtsamkeit in diesem Benehmen
– oder den Gesichtsausdruck – eigentlich
‘sehe’?
Warum nicht?
Aber damit ist ja der Unterschied zweier Begriffe des Wahrgenommenen
nicht geleugnet.
Ein Bild des Gesichts könnte die
Gesichtszüge sehr genau, den Ausdruck aber nicht
richtig wiedergeben; es könnte aber auch der
Ausdruck ähnlich sein und die
Züge nicht gut getroffen.
“Ähnlicher Ausdruck”
faßt Gesichter ganz anders zusammen,
als “ähnliche Anatomie”.
440. |
1736.
Die Frage ist natürlich nicht:
“Ist es richtig, zu sagen ‘ich sehe
sein schlaues Blinzeln’?”
Was sollte daran richtig oder falsch sein, außer
der Gebrauch der deutschen Sprache?
Wir werden auch nicht sagen: “Der naive Mensch hat
ganz recht, wenn er sagt, er sähe den
Gesichtsausdruck”! |
1737.
Anderseits möchte man aber sagen: Wir
können doch den Ausdruck, die
Schüchternheit des Benehmens, etc.
nicht in demselben Sinne ‘sehen’, wie die
Bewegung, die Formen und Farben.
Was ist nun daran?
(Physiologisch ist die Frage natürlich nicht
zu beantworten.)
Nun, man sagt eben von der Bewegung und auch von der Freude des Hundes,
man sähe sie.
Schließt man die Augen, so kann man weder das
eine noch das andere sehen.
Sagt man aber von dem, er habe alles gesehen, was zu
sehen ist, der die Bewegung des Hundes auf irgendeine Weise
genau im Bilde wiedergeben könnte, dann
müßte der die Freude des Hundes
nicht erkennen.
Ist also die ideale Darstellung des Gesehenen die photographisch
(metrisch) genaue Wiedergabe im Bild, dann
könnte man sagen wollen: “Ich
sehe die Bewegung, und merke irgendwie die
Freude.”
Aber bedenke doch, in welcher Bedeutung wir das Wort “sehen” gebrauchen lernen. Wir sagen doch gewiß, wir sehen diesen Menschen, diese Blume, während unser Gesichtsbild – die Farben und Formen – sich stetig und zwischen den weitesten Grenzen ändern. Nun, so gebrauchen wir eben das Wort “sehen”. (Glaub nicht, Du kannst einen bessern Gebrauch dafür finden, – einen phänomenologischen!) 441. |
1738.
Lerne ich nun die Bedeutung des Wortes
“traurig” – auf's Gesicht angewendet
– ganz so, wie die Bedeutung von “rund” oder
“rot”?
Nein, nicht ganz so, aber doch ähnlich.
(Ich reagiere ja auch anders auf die Traurigkeit des
Gesichts, als auf die Röte.) |
1739.
Schau eine Photographie an; frag Dich,
ob Du nur die Verteilung von dunklern und hellern Flecken, oder auch
den Gesichtsausdruck siehst!
Frag Dich, was Du siehst: Wie wäre
es leichter darzustellen: durch eine Beschreibung jener
Verteilung von Flecken, oder durch die Beschreibung eines
menschlichen Kopfes; und wenn Du nun vom Gesicht sagst, es
lächle, – ist es leichter, die
entsprechende Lage und Form der Gesichtsteile zu
beschreiben, oder selbst zu lächeln? |
1740.
“Was ich sehe, kann nicht der Ausdruck sein, weil
das Erkennen des Ausdrucks von meinem Wissen, meiner Kenntnis des
menschlichen Benehmens im allgemeinen,
abhängt.”
Aber ist dies nicht bloß eine geschichtliche
Feststellung? |
1741.
“Ist es hier, als nähme ich eine
‘vierte Dimension’ wahr?
Nun, ja und nein.
Seltsam ist es aber eben nicht.
Woraus Du lernen sollst, daß das nicht seltsam
ist, was einem beim Philosophieren so vorkommt.
Wir nehmen an: das Wort .... müßte
doch eigentlich so gebraucht werden (dieser
Gebrauch fällt uns als Prototyp ein) und dann
finden wir den normalen Gebrauch höchst seltsam.” 442. |
1742.
“Was ich eigentlich sehe, muß
doch das sein, was in mir durch Einwirkung des Objekts
zustandekommt.” –
Das, was in mir zustandekommt, ist dann so etwas wie ein Abbild, etwas,
was man selbst wieder anschauen, vor sich haben
könnte.
Beinahe so etwas wie eine Materialisation.
Und diese Materialisation ist etwas Räumliches und muß sich ganz in räumlichen Begriffen beschreiben lassen. Sie kann dann zwar lächeln, aber der Begriff der Freundlichkeit gehört nicht zu ihrer Darstellung, sondern ist dieser Darstellung fremd (wenn er ihr auch dienen kann). |
1743.
Wer z.B. imstande wäre,
diese
Photographie || dieses Bildnis genau zu kopieren, – sollte
ich von dem nicht sagen, er sähe
alles, was ich sehe?
Und er müßte den Kopf garnicht als Kopf, oder als etwas Räumliches
ansprechen; und wenn auch das, so brauchte ihm der Ausdruck nichts zu
sagen.
Und wenn dieser nun zu mir spricht, – sollte ich sagen, ich sehe
mehr, als der Andere?
Ich könnte es sagen. |
1744.
Aber ein Maler kann doch ein Auge malen, daß er
starrt; so muß also sein || das
Starren sich durch die Verteilung der Farbe auf der
Fläche beschreiben lassen.
Aber wer es malt, muß diese Verteilung nicht
beschreiben können. |
1745.
Verstehen eines Musikstücks – Verstehen eines
Satzes.
Man sagt, ich verstehe eine Redeweise nicht wie ein Einheimischer, wenn ich zwar ihren Sinn kenne, aber, z.B., nicht weiß, was für 443. eine Klasse von Leuten sie
verwenden würde.
Man sagt in so einem Falle, ich kenne die genaue Schattierung der
Bedeutung nicht.
Wenn man aber nun dächte, man
empfände beim Aussprechen des Wortes etwas
anderes, wenn man diese Schattierung kennt, so wäre
dies wieder unrichtig.
Aber ich kann z.B.
unzählige
Übergänge machen, die der Andere
nicht machen kann. |
1746.
Man möchte doch sagen: “Das
Seelenleben des Menschen läßt sich
garnicht beschreiben; es ist so ungemein
kompliziert und voll von kaum greifbaren Erlebnissen.
Es gleicht großenteils einem Brauen farbiger
Nebel, in dem jede Form nur Durchgang zu anderen Formen, zu anderen
Durchgängen ist. –
Ja, nimm nur das visuelle Erlebnis!
Dein Blick wandert beinahe
unaufhörlich: wie
könntest Du es beschreiben?” –
Und doch beschreibe ich's! –
“Aber das ist nur eine ganz rohe Beschreibung, sie
beschreibt Dein Erlebnis eigentlich nur in den
gröbsten Zügen.”
–
Aber ist dies eben nicht, was ich Beschreibung meines Erlebnisses
nenne?
Wie komme ich denn zum Begriff einer Art Beschreibung, die ich
unmöglich || nie geben kann?
|
1747.
Denk, Du blickst auf strömendes
Wasser.
Das Bild der Oberfläche
ändert sich fortwährend.
Lichte und Dunkelheiten tauchen überall
auf und verschwinden.
Was würde ich eine ‘genaue
Beschreibung’ dieses
Gesichtsbildes || Bildes
nennen?
Ich würde nichts so nennen.
Sagt Einer, es läßt sich nicht beschreiben,
so kann man antworten: Du weißt nicht, was
eine Beschreibung zu nennen wäre.
Denn die genaueste Photographie z.B., 444.
würdest || könntest Du nicht als genaue
Darstellung Deines Erlebnisses anerkennen.
Genauigkeit gibt es in diesem Sprachspiel nicht.
(Nämlich so, wie ein Rössel
nicht im Damespiel.) |
1748.
Die Beschreibung des Erlebnisses beschreibt nicht einen
Gegenstand.
Sie kann sich der Beschreibung eines Gegenstands bedienen.
Und dieser Gegenstand ist manchmal der, welchen man anschaut, manchmal
(Photographie) nicht.
Der Eindruck – möchte ich sagen – sei kein Gegenstand. |
1749.
Wir lernen Gegenstände beschreiben, und dadurch, in
anderm Sinne, unsere Empfindungen. |
1750.
Ich schaue in das Okular eines Instruments und zeichne, oder male ein
Bild dessen, was ich sehe.
Wer es ansieht, kann sagen: “Also so
schaut es aus” – aber auch “Also
so erscheint es Dir”.
Ich konnte das Bild einer Beschreibung des angeschauten, aber auch eine Beschreibung meines Gesichtseindrucks nennen. |
1751.
“Der Eindruck ist verschwommen”– ‘also ist
der Gegenstand in meinem Bewußtsein
verschwommen’. |
1752.
Den Eindruck kann man nicht betrachten, darum ist er kein
Gegenstand.
(Grammatisch.)
Denn man betrachtet den Gegenstand nicht, um ihn zu
ändern.
(Das ist eigentlich, was Leute damit meinen:
die Gegenstände existierten
‘unabhängig von uns’.)
445. |
1753.
“Der Sessel ist der gleiche, ob ich ihn betrachte oder
nicht” – das müßte
nicht wahr sein.
Menschen werden oft verlegen, wenn man sie anschaut.
“Der Sessel fährt fort zu existieren, ob
ich ihn anschaue oder nicht.”
Das könnte ein Erfahrungssatz, oder es
könnte grammatisch aufzufassen sein.
Man kann aber auch einfach an dem begrifflichen Unterschied zwischen
Sinneseindruck und Objekt dabei denken. |
1754.
Deutsche
Hauptwörter in kleinem Druck bei gewissen modernen
Dichtern.
Ein deutsches Hauptwort in kleinem Druck sieht fremdartig aus, man
muß es aufmerksam lesen, um es zu erkennen.
Es soll uns neu vorkommen, als hätten
wir es jetzt zum ersten Mal gesehen. –
Was aber interessiert mich daran?
Dies, daß der Eindruck zuerst nicht
genau || genauer beschrieben werden kann, als
durch Worte wie “seltsam”,
“ungewohnt”.
Später erst folgen
sozusagen Analysen des Eindrucks.
(Die Reaktion des Zurückschreckens vor dem
seltsam geschriebenen Wort.) |
1755.
Wir lehren Einen die Bedeutung des Wortes
“unheimlich”, indem wir es mit einem gewissen Benehmen
in gewissen Situationen in Zusammenhang bringen (aber nicht: das
Benehmen so nennen).
Er sagt nun in solchen Situationen, es sei ihm unheimlich; und
einmal auch, das Wort “ghost” habe etwas
Unheimliches. –
Inwiefern war das Wort “unheimlich” von Haus aus
die Bezeichnung eines
Gefühls?
Wenn Einer davor zurückscheut, in ein dunkles
Zimmer zu gehen, warum soll ich dies und Ähnliches
die Äußerung eines Gefühls
nennen?
Denn “Gefühl”
läßt uns ja doch an Empfindung und Sinneseindruck
denken, und 446. dies wieder sind die
Gegenstände, die unsere Seele unmittelbar vor sich
hat.
((Ich will hier einen logischen Schritt machen, der mir sehr
schwer fällt.)) |
1756.
“Was weiß ich von den
Gefühlen des Andern, und was
weiß ich von den
Meinen?” heißt,
daß die Erfahrung, als Gegenstand
aufgefaßt, aus der Betrachtung herausfiele.
|
1757.
Kann denn etwas merkwürdiger sein,
als daß der Rhythmus des
Satzes für sein
genaues || genaueres
Verständnis von Wichtigkeit sein soll!
|
1758.
Es ist, als teilte uns der etwas mit, der den Satz als Mitteilung
ausspricht, aber auch der Satz als bloßes
Beispiel. |
1759.
Es ist ja klar, daß die Beschreibungen der
Eindrücke || Empfindungen
die Form der Beschreibung
‘äußerer’
Gegenstände haben – mit gewissen
Abweichungen.
(Einer gewissen Vagheit,
z.B.)
Oder auch: Soweit die Beschreibung des Eindrucks der Beschreibung eines Gegenstandes gleichsieht, ist sie eine Beschreibung eines Gegenstands der Wahrnehmung. (Darum sollte die Betrachtung des zweiäugigen Sehens den einigermaßen beunruhigen, der vom visuellen Gegenstand redet.) |
1760.
“Das Denken ist ein rätselhafter Vorgang,
von dessen vollem
Verständnis wir noch weit entfernt
sind.”
Und nun stellt man Experimente an.
Offenbar, ohne sich bewußt zu 447. sein,
worin das Rätselhafte des
Denkens für uns liegt.
Die experimentelle Methode tut etwas; daß sie das Problem nicht löst, schiebt man darauf, daß sie noch in ihren Anfängen liegt. Es ist, als wollte man durch chemische Experimente feststellen, was Materie, und was Geist ist. |
1761.
Wer den Gesichtseindruck beschreibt,
beschreibt die Ränder des Gesichtsfelds
nicht.
Ist dies eine Unvollkommenheit unserer Beschreibungen?
Schließe ich das linke Auge und drehe dann die Augen, soweit ich nur kann nach rechts, so sehe ich ‘aus dem Augenwinkel’ noch einen Gegenstand aufglänzen. Ja, ich könnte eine beiläufige Beschreibung von diesem Eindruck geben. Ich könnte auch eine Zeichnung von ihm herstellen, und sie würde vielleicht Dunkelheiten und einen dunkeln, verlaufenden Rand zeigen: aber richtig verstehen, verwenden könnte nur der dies Bild, der weiß, in welcher Situation es zu verwenden ist. D.h.: er könnte nun auch ein Auge schließen, soweit wie möglich nach rechts schauen, und sagen, auch er sehe es so, oder in dieser oder jener Weise abweichend. || und sagen, auch er habe diesen Eindruck, oder: der Seine weiche von meinem Bild in dieser oder jener Weise ab. |
1762.
Daß wir mit gewissen Begriffen
rechnen, mit andern nicht, zeigt nur, wie verschiedener Art
die Begriffswerkzeuge sind (wie wenig Grund wir haben, hier ja
Einförmigkeit anzunehmen.) 448. |
1763.
Turing's
‘Maschinen’.
Diese Maschinen sind ja die Menschen,
welche kalkulieren.
Und man könnte, was er sagt, auch in Form von
Spielen ausdrücken.
Und zwar wären die interessanten Spiele solche,
bei denen man gewissen Regeln gemäß zu unsinnigen
Anweisungen gelangt.
Ich denke an Spiele ähnlich dem
“Wettrennspiel”.
Man erhielte etwa den Befehl “Setze auf die gleiche Art
fort”, wenn dies keinen Sinn ergibt, etwa, weil man in einen
Zirkel gerät; denn jener Befehl hat eben nur an
gewissen Stellen Sinn.
(Watson.) |
1764.
Eine Variante des
Cantor'schen Diagonalbeweises: N = F (k,n) sei die Form der Gesetze für die Entwicklung von Dezimalbrüchen. N ist die n-te Dezimalstelle der k-ten Entwicklung. Das Gesetz der Diagonale ist dann: N = F (n,n) = Definition F'(n). Zu beweisen ist, daß F'n nicht eine der Regeln F(k,n) sein kann. Angenommen, es sei die 100ste. Dann lautet die Regel zur Bildung
aber die Regel zur Bildung der 100sten Stelle von F'(n) wird || lautet F(100,100); d.h., sie sagt uns nur, daß die 100ste Stelle sich selber gleich sein soll, ist also für n = 100 keine Regel. Die Spielregel lautet “Tu das Gleiche, wie ....!” – und im besondern Fall wird sie nun “Tu das Gleiche, wie das, was Du tust!” 449. |
1765.
Der Begriff des ‘Ordnens’ der Rationalzahlen
z.B. und der
‘Unmöglichkeit’ die Irrationalzahlen
so zu ordnen.
Vergleiche das mit dem, was man ‘Ordnen’ von Ziffern
nennt.
Gleichermaßen der Unterschied zwischen dem
‘Zuordnen’ einer Ziffer (oder Nuss) zu einer andern und dem ‘Zuordnen’ aller ganzer Zahlen zu
den geraden Zahlen; etc.
Überall Begriffsverschiebungen. |
1766.
Die Beschreibung des subjektiv Gesehenen ist nahe oder entfernt
verwandt der Beschreibung eines
Objekts || Gegenstands, aber
funktioniert nicht als Beschreibung eines Gegenstands.
Wie vergleicht man Gesichtsempfindungen?
Wie vergleiche ich meine mit des Andern Gesichtsempfindungen?
|
1767. Das menschliche Auge sehen wir nicht als Empfänger || Empfangsorgan, es scheint nicht etwas einzulassen, sondern auszusenden. Das Ohr empfängt; das Auge blickt. (Es wirft Blicke, es blitzt, strahlt, leuchtet.) Mit dem Auge kann man schrecken, nicht mit dem Ohr, der Nase. Wenn Du das Aug siehst, so siehst Du etwas von ihm ausgehen. Du siehst den Blick des Auges. |
1768. “Wenn Du nur von Deinen physiologischen Vorurteilen wegkommst, wirst Du garnichts daran finden, daß das Blicken des Auges auch gesehen werden kann.” Ich sage ja auch, ich sehe den Blick, den Du dem Andern zuwirfst. Und wollte man mich verbessern und sagen, ich sähe ihn eigentlich nicht, so hielte ich das für eine Dummheit. Anderseits habe ich mit meiner Redeweise nicht etwas zugegeben 450. , und ich
widerspreche dem, der mir sagt, ich sähe den Blick
‘geradeso’ wie den Gestalt und Farbe des Auges.
Denn das ‘naive Sprechen’, d.h. unsere naive, normale, Ausdrucksweise, enthält ja keine Theorie des Sehens – zeigt Dir keine Theorie, sondern nur einen Begriff des Sehens. |
1769.
Und wenn Einer sagt “Ich sehe eigentlich nicht das
Blicken, sondern nur Formen und Farben”, – widerspricht der
der naiven Ausdrucksweise?
Sagt er, der war im Unrecht, der sagte, er habe meinen Blick
wohl gesehen, gesehen, daß dieses
Menschen Augen starren, ins Leere blicken,
etc.?
Doch gewiß nicht.
Was wollte also der Purist tun?
Will er sagen, es sei richtiger, hier ein anderes Wort statt des Wortes “sehen” zu gebrauchen? Ich glaube, er will nur auf eine Scheide zwischen Begriffen aufmerksam machen. Wie stellt denn das Wort “sehen” die Wahrnehmungen zusammen? Ich meine: es kann sie zusammennehmen als Wahrnehmungen mit dem Auge; denn wir spüren ja das Sehen nicht im Auge. Aber eigentlich scheint der, der auf der Richtigkeit unserer normalen Ausdrucksweise besteht, zu sagen: daß im Gesichtseindruck das alles enthalten sei; daß das subjektive Auge sowohl Form als Farbe, als Bewegung, als Ausdruck und Blick (Richtung nach außen) habe. Daß man den Blick, sozusagen, nicht woanders spürt. Aber das heißt nicht: ‘woanders als in den Augen’, sondern: woanders als im Gesichtsbild. Aber wie wäre es denn, wenn's anders wäre? Etwa so, daß ich sagte: –451–
“Ich sehe in diesem Auge
die und die Formen, Farben, Bewegungen, – das
heißt, es blickt jetzt freundlich”, als
zöge ich also einen
Schluß. –
Man könnte also sagen: Der Ort des
wahrgenommenen﹖
Blickes ist das subjektive Auge, das Gesichtsbild des
Auges, selber. |
1770.
Vor allem kann ich mir sehr wohl jemand denken, der zwar ein
Gesicht höchst genau sieht, es
z.B. genau portraitieren kann,
aber seinen lächelnden Ausdruck
nicht als Lächeln erkennt.
Zu sagen, sein Sehen sei mangelhaft, fände ich
absurd.
Und zu sagen, daß sein subjektiver Gesichtsgegenstand eben nicht
lächle, obwohl er alle Farben und Formen des meinen
hat, ebenso absurd. |
1771.
D.h.: wir ziehen hier eine begriffliche Grenze
(und sie hat mit physiologischen Meinungen nichts zu tun).
|
1772.
Der Glanz, oder die Spiegelung: Wenn ein Kind malt, so wird
es diese nie malen.
Ja es ist beinahe verblüffend, daß sie
durch die gewöhnlichen
Öl- oder Wasserfarben
dargestellt werden können. |
1773.
Wer sieht, daß jemand die Hand ausstreckt, um etwas zu
berühren, sich aber davor scheut, der sieht
doch, in einem gewissen Sinne, dasselbe wie Einer, der die Bewegung
der Hand in allen Einzelheiten nachahmen, oder durch Zeichnungen
darstellen kann, sie aber nicht so zu deuten vermag. |
1774.
Wenn jemand sagt: Die Form, die Farbe, die
Organisation, der Ausdruck, sind doch alle, offenbar,
(für jeden Unvoreingenommenen)
Eigenschaften, Züge, des subjektiv Gesehenen, des
unmittelbaren Gesichtsobjekts, – so verrät ihn
hier das Wort “offenbar”“ || .
“Offenbar” ist es darum,
weil's Jeder zugibt; und er gibt es nur durch den
Sprachgebrauch zu. Man begründet also
hier einen Satz durch ein
Bild. || Wenn Einer sagt: Die Form, die Farbe, die Organisation, der Ausdruck, sind doch alle, offenbar, Eigenschaften des unmittelbar Gesehenen (meines Gesichtsobjekts), – –452– so
stützt er seine Meinung auf ein Bild. –
Denn, wenn Einer ‘zugibt’, alles dies sei eine
Eigenschaft seines unmittelbaren Gesichtsobjekts, – was teilt er uns
mit? Wenn er z.B. zu einem Andern sagt
“Es geht mir auch so”, was kann ich nun daraus
schließen? (Wie, wenn diese
volle Übereinstimmung auf einem
Mißverständnis
beruhte?) |
1775.
Jenes Bild ist ja nur eine Illustration zur Methodologie unserer Sprache. Wenn wir wirklich Alle geneigt sind, dies Bild treffend zu finden, so hat dies || das etwa psychologisches Interesse, ersetzt aber eine begriffliche Untersuchung nicht. |
1776.
“Methodologie” kann man zweierlei
nennen: Eine Beschreibung der
Tätigkeiten, die man, z.B.,
“Messen” nennt, einen Zweig der menschlichen
Naturgeschichte, der uns die Begriffe des Messens, der Genauigkeit,
etc. in ihren Varianten
verständlich machen wird; oder aber einen Zweig der
angewandten Physik, die Lehre davon, wie man am besten (genauesten,
bequemsten, etc.) das und das unter den und den
Umständen mißt. |
1777.
Ich sage ihm “Ändere Deine
Einstellung so: ....” – er tut es; und nun hat
sich etwas in ihm geändert.
‘Etwas’?
Seine Einstellung hat sich geändert; und diese
Änderung kann man nun beschreiben.
Die Einstellung ‘etwas in ihm’ zu nennen, ist
irreführend.
Es ist, als könnten wir nun dunkel ein Etwas
sehen, oder fühlen, was sich
geändert hat und “die
Einstellung” genannt wird.
Während alles klar zutage liegt, – die Worte
“eine neue Einstellung” aber eben nicht eine Empfindung
bezeichnen. |
1778.
Wie sieht die Beschreibung einer ‘Einstellung’
aus?
Man sagt z.B.: “Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines –453– ....
an!”
“Denk Dir das weg! Wär's Dir auch ohne dieses .... unangenehm?” Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild – wie durch Blinzeln, oder Weghalten eines Details. Dieses “Absehen von … ” spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes. |
1779.
Nun wohl, – und das sind gute Gründe
dafür, zu sagen, wir hätten
durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck
geändert.
D.h., es sind (dies) gute
Gründe, den Begriff
‘Gesichtseindruck’ so zu begrenzen.
|
1780.
Das Wort “Organisation” verträgt
sich sehr gut mit dem Begriff
‘Zusammengehörigkeit’.
Es scheint hier eine Reihe einfacher Modifikationen des
Gesichtseindrucks zu geben, die alle eigentlich
‘optisch’ sind.
Man kann aber eben in verschiedenen Aspekten
noch ganz andere Dinge tun, als Teile trennen und zusammennehmen, oder
unterdrücken und hervorheben. |
1781.
Ich kann doch etwas bestimmtes eine bestimmte
Eigentümlichkeit des Vorgangs des
Kopierens einer Zeichnung “zusammenfassen”
nennen.
Ich kann dann sagen, Einer fasse bei der zeichnerischen Wiedergabe
– oder bei der Beschreibung, die Figur so zusammen,
organisiere sie so.
(Freilich hätte es damit in manchen
Fällen Schwierigkeiten; z.B. im
Fall Hase-Ente.) |
1782.
Man sage || sagt nun: Ich kann Striche beim
Kopieren zusammennehmen, aber auch bloß durch die
Aufmerksamkeit.
Ähnlich, wie ich im Kopfe, so wie auf dem
Papier, rechnen kann. |
1783.
Kann die Gestaltpsychologie die verschiedenen Organisationen, die sich
ins unorganisierte Gesichtsbild einführen lassen,
klassifizieren; kann sie die möglichen
Arten der Modifikationen, die die
Gestaltungsfähigkeit unseres Nervensystems
hervorrufen kann, ein für alle mal
angeben?
Wenn ich den Punkt als Auge sehe, das in dieser Richtung
schaut, – in welches System –454– von Modifikationen
paßt dieser Aspekt?
(System von Formen und Farben.) |
1784.
Es ist z.B. irreführend,
glaube ich, wenn
Köhler die spontanen Aspekte der Figur damit
beschreibt: die Striche, die in einem Aspekt zum gleichen Arm
gehören, gehören nun zu
verschiedenen Armen.
Das klingt, als handelte es sich hier wieder um
ein Zusammennehmen dieser Radien.
Während doch die Radien, die
früher zusammengehörten, auch
jetzt zusammengehören; nur umgrenzen sie einmal
einen ‘Arm’ einmal einen Zwischenraum.
|
1785.
Ja, Du kannst wohl sagen: Zur Beschreibung dessen, was Du
siehst, Deines Gesichtseindrucks, gehört nicht
bloß, was die Kopie zeigt, sondern auch die Angabe
z.B., Du sähest
dies ‘solid’, das andere ‘als
Zwischenraum’.
Es kommt eben hier darauf an, was wir wissen wollen, wenn
wir Einen fragen, was er sieht. |
1786.
“Aber ich kann doch offenbar im Sehen Elemente
(Striche z.B.)
zusammennehmen!”
Aber warum nennt man es “zusammennehmen”?
Warum braucht man hier ein Wort – wesentlich
– das schon eine andere Bedeutung hat?
(Es ist hier natürlich wie im Fall des Wortes
“Kopfrechnen”.) |
1787.
Wenn ich Jemandem sage: “Nimm diese Striche (oder
anderes) zusammen!” was wird er tun?
Nun, Verschiedenes, je nach den Umständen.
Vielleicht soll er sie zu zwei und zwei zählen,
oder in eine Lade legen, oder anblicken, etc. |
1788.
Ist denn die Zeichnung selber, die Du ansiehst, organisiert?
Und wenn Du sie so und so ‘organisiert’ siehst, siehst
Du da mehr, als vorhanden ist? |
1789.
“Organisiere diese Dinge!” –
Was heißt das?
Etwa: “ordne sie”.
Es könnte heißen: bring
Ordnung in sie, – oder auch: lern Dich unter ihnen auskennen,
lerne sie beschreiben; –455– lerne sie durch ein System,
durch eine Regel, beschreiben. |
1790.
Die Frage ist wieder: Was teile ich Einem durch die Worte
mit “Ich nehme jetzt die Striche mit dem Blick
so
zusammen”? || “Jetzt nehme
ich die Striche ....”
Man kann auch so fragen || Man kann diese Frage
auch so stellen: Zu welchem Zweck sage ich
Einem “Nimm diese Striche mit dem Blick so
zusammen!” –
Es ist hier wieder eine Ähnlichkeit mit der
Aufforderung “Stell Dir das
vor!” |
1791.
Jedem Denken || Denker kleben die Eierschalen seines
Ursprungs an.
Man kennt es Dir an, im Kampf womit Du aufgewachsen bist. Welche Anschauungen die Deinen bezeugt; von welchen Du Dich dann hast losmachen müssen. |
1793.
Es ist vielleicht wichtig, zu bedenken, daß ich eine Figur heute so
sehen, auffassen, kann, morgen anders, und kein
‘Umschnappen’ stattgefunden
haben muß.
Ich könnte z.B. eine
Illustration in einem Buch heute so auffassen und
gebrauchen, morgen der gleichen Illustration auf einer
späteren Seite begegnen wo sie
anders aufzufassen ist, ohne daß ich merke, daß es wieder die gleiche
Figur ist. |
1794.
Könnte Einer seine
Zuverlässigkeit dartun, indem er sagte:
“Es ist wahr; und sieh, ich glaube es!”
|
1795.
Könnte man sagen: es spiegelt sich eine
Auffassung, eine Technik, im Erleben?
Was doch nur heißt: Wir verwenden den
Ausdruck, den wir für eine Technik gelernt haben, in
einem Erlebnisausdruck (nicht: als
Bezeichnung eines Erlebnisses). |
1796.
Warum soll denn eine Sprechweise nicht für ein
Erlebnis verantwortlich sein? –456– |
1797.
Hätte es einen Sinn, einen Komponisten
zu fragen, ob man eine Figur so oder so
hören soll, wenn das nicht auch
heißt, ob man sie auf diese, oder jene Weise
spielen
soll? |
1798.
Erinnerung: “Ich sehe uns noch an jenem Tisch
sitzen”. –
Aber habe ich wirklich das gleiche Gesichtsbild– oder eines von
denen, welche ich damals hatte?
Sehe ich auch gewiß den Tisch und meinen Freund
vom gleichen Gesichtspunkt wie damals, also mich selbst nicht?
– –
Mein Erinnerungsbild ist nicht Evidenz jener vergangenen Situation;
wie eine Photographie es wäre, die, damals
aufgenommen, mir jetzt bezeugt, daß es damals so war.
Das Erinnerungsbild und die Erinnerungsworte stehen auf
gleicher Stufe. |
1799.
Warum sollte man nicht sich selbst widersprechende
Sätze ausschließen:
nicht, weil sie sich selbst widersprechen, sondern weil sie nutzlos
sind?
Oder so: Darum, weil sie sich selbst widersprechen, braucht man sie ja nicht wie etwas Unreines scheuen; man schließe sie aus, weil sie zu nichts zu brauchen sind. |
1800.
Du mußt mit der
Vorstellung Ernst machen, daß es ja wirklich in
einer Sprache ein Wort geben könnte, welches
Schmerzbenehmen, und nicht Schmerz, bezeichnet.
|
1801.
Er fragt “Was hast Du mit dem Wort
gemeint?” –
Ich beantworte die Frage und setze hinzu:
“Hättest Du mich
früher gefragt, so hätte ich
das gleiche geantwortet; meine Antwort war nicht eine
Deutung, die mir jetzt eingefallen ist.”
So war sie mir schon früher
eingefallen?
Nein. –
Und wie konnte ich dann sagen:
“Hättest Du mich
früher gefragt, so hätte ich
.... ”?
Woraus schloß ich das || es?
Aus garnichts.
Was teile ich ihm mit, wenn ich diesen Konditional
ausspreche?
Etwas, was manchmal von Wichtigkeit sein kann. –457– |
1802.
Er weiß z.B. jetzt, daß keine
Sinnesänderung in mir vorgegangen ist.
Es macht auch einen Unterschied, ob ich antworte, ich
hätte die Worte ‘nur so vor mich hin
gesagt’, ohne etwas mit ihnen zu meinen; oder, ich habe den und
den mit ihnen gemeint.
Es hängt manches davon ab.
Es ist auch nicht gleichgültig ob jemand mir sagt “Ich liebe sie”, weil ihm die Worte eines Gedichts im Kopf herumgehen, oder ob er's sagt, mir seine Liebe zu gestehen. |
1803.
Ist es aber nicht sonderbar, daß es so eine Reaktion so ein
Geständnis der Intention
gibt, || ?
Ist es nicht ein höchst
merkwürdiges Sprachinstrument?
Was ist eigentlich merkwürdig daran?
Nun, – es ist schwer vorstellbar, wie der Mensch diesen
Wortgebrauch lernt.
Er ist gar so subtil. |
1804.
Aber ist er wirklich subtiler, als der der Worte “Ich
habe mir ihn vorgestellt”, z.B.?
Ja, merkwürdig, sonderbar, ist jede solche
Sprachverwendung, wenn man nur auf die Betrachtung der Beschreibungen
physikalischer Gegenstände eingestellt ist.
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