– 186 –
699.
      Überlegen wir uns, was man über ein Phänomen wie dieses sagt: Die Figur einmal als ein F, einmal als das Spiegelbild eines F sehen.
      Ich will fragen: worin besteht es, die Figur einmal so, einmal anders sehen? – Sehe ich wirklich jedesmal etwas anderes; oder deute ich nur, was ich sehe, auf verschiedene Weise? – Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum? Nun, Deuten ist eine Handlung. Es kann z.B. darin bestehen, daß Einer sagt “Das soll ein R F sein”; oder da[s|ß] er's nicht sagt, aber das Zeichen beim Kopieren durch ein F ersetzt; oder sich überlegt: “Was mag das wohl sein? Es wird ein F sein, das dem Schreiber mi[s|ß]glückt ist.” – Sehen ist keine Handlung, sondern ein Zustand. (Grammatische Bemerkung.) Und wenn ich die Figur nie für etwas anderes als ein “F” gehalten, // nie anders als “F” gelesen, // mir nie überlegt habe, was es wohl sein mag, so wird man sagen, ich sehe sie als F; wenn man nämlich weiß, daß sie sich auch anders sehen läßt.
      Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des ‘das als das sehen’ gekommen? Bei welchen Gelegenheiten zeigt er sich, ist für ihn ein Bedürfnis? // Bei welchen Gelegenheiten wird er gebildet, ist für ihn ein Bedarf? // (Sehr häufig, wenn wir über ein Kunstwerk reden.) Dort, z.B., wo es sich um ein Phrasieren durchs Aug oder Ohr handelt. Wir sagen “Du mußt diese Takte als Einleitung hören”, “Du mußt nach dieser Tonart hinhören”, aber auch
– 187 –
“Ich höre das [F|f]ranzösische ‘ne … pas’ als zweiteilige Verneinung, nicht als ‘nicht ein Schritt’” etc. Ist es nun ein wirkliches Sehen oder Hören? Nun: so nennen wir es; mit diesen Worten reagieren ˇwir in bestimmten Situationen. Und auf diese Worte reagieren wir wieder durch bestimmte Handlungen.

 
   
670.
      Ist es Introspektion, was mich lehrt, ob ich's mit einem ächten Sehen zu tun habe, oder doch mit einem Deuten? Zuerst einmal muß ich mir klar w darüber werden, was ich denn ein Deuten nennen würde; woran sich erkennen läßt, ob etwas ein Deuten oder ein Sehen sei.
                    (Einer Deutung entsprechend sehen.)

 
   
671.
      Ich möchte sagen: “Ich sehe die Figur als das Spiegelbild eines F” sei nur eine indirekte Beschreibung meiner Erfahrung. Es gebe eine direkte; nämlich: Ich sehe die Figur so (wobei ich für mich auf meinen Gesichtseindruck deute). Woher hier diese Versuchung? – Es gibt da ein wichtiges Faktum, nämlich dies, daß wir bereit sind, eine Anzahl verschiedener Beschreibungen unsres Gesichtseindrucks gelten zu lassen; z.B.: “Die Figur schaut jetzt nach rechts, jetzt nach links.”

 
   
672.
      Denke, wir fragten jemand: Welche Ähnlichkeit besteht zwischen dieser Figur und einem F? Nun antwortet Einer “Die Figur ist ein umgekehrtes F”, ein Andrer “Sie ist ein Fm F mit zu langen Anstrichen”. Wir würden sagen Sollen wir sagen “Die beiden sehen die Figur verschieden”?

 
   
673.
      Sehe ich die Figur nicht einmal so, einmal anders, auch wenn ich nicht mit Worten oder durch andere Zeichen reagiere?
      Aber “einmal so”, “einmal anders” sind ja Worte, und mit welchem Recht gebrauche ich sie hier? Kann ich dir, oder
– 188 –
mir selbst, mein Recht erweisen? (Es sei denn durch eine
weitere
andere
Reaktion.)
      Aber ich weiß doch, daß es zwei Eindrücke sind, auch wenn ich's nicht sage! Aber wie weiß ich, daß, was ich dann sage, das ist, was ich wußte?

 
   
674.
      Das vertraute Gesicht eines Wortes; die Empfindung, es // ein Wort // sei gleichsam ein Bild seiner Bedeutung; es habe seine Bedeutung gleichsam in sich aufgenommen – es kann eine Sprache geben, der das alles fremd ist. Und wie drücken sich diese Empfindungen bei uns aus? Darin, wie wir Worte wählen und schätzen. // – es ist wichtig, daß wir uns eine Sprache denken können, der ˇdas alles das fremd ist. Die mit ihren Worten
operiert
kalkuliert
. In der das Wort keine ‘Seele’ hat. //

 
   
675.
      Die Fälle, in denen wir mit Recht sagen, wir deuten, was wir sehen, als das und das, sind leicht zu charakterisieren. // leicht zu beschreiben // .

 
   
676.
      Wenn wir deuten, stellen wir eine Vermutung an, sprechen eine Hypothese aus, die sich nachträglich als falsch erweisen kann. Sagen wir “Ich sehe diese Figur als ein F”, so kann das so wenig verifiziert oder falsifiziert werden, wie der Satz “Ich sehe ein leuchtendes Rot”. Hier besteht also eine Ähnlichkeit der Verwendungen des Wortes “sehen” im einen und im andern Zusammenhang. (Nicht eine Ähnlichkeit, die Introspektion uns zeigt.) //
      Sagen wir gibt es dafür, so wie für den Satz “Ich sehe ein leuchtendes Rot”, nicht Verifikation oder Falsifikation. Diese Art Ähnlichkeit ist es, nach der wir ausschauen müssen, um den Gebrauch des Wortes “sehen” in jenem Zusammenhang zu rechtfertigen. Sagt Einer, er erkenne, daß es ein ‘Sehen’ sei, durch Introspektion, so ist die Antwort: “Und wie weiß ich, was du Introspektion nennst? Du erklärst mir ein Geheimnis
– 189 –
durch ein anderes.” //

 
   
677.
      An verschieden Stellen eines Buches, eines Lehrbuchs der Physik etwa, sehen wir die Illustration [i|I]m dazugehörigen Text wird einmal von einem Glaswürfel geredet, einmal von einem Drahtgestell, einmal von einer umgestülpten offenen Kiste, einmal von drei Brettchen, die ein räumliches Eck bilden. Der Text deutet jedesmal die Illustration.
      Aber wir können auch sagen, daß wir die Illustration einmal als das eine, einmal als das andere Ding sehen. – Wie merkwürdig nun, daß wir die Worte der Deutung auch zur Beschreibung des unmittelbar Wahrgenommenen verwenden können!
      Da möchten wir zuerst so antworten: Jene Beschreibung der unmittelbaren Erfahrung mittels einer Deutung ist nur eine indirekte Beschreibung. Die Wahrheit
sei
ist
die: Wir können die Figur einmal die Deutung A, einmal die Deutung B, einmal die Deutung C geben; [U|u]nd es gibt nun auch drei direkte Erfahrungen – Weisen des Sehens der Figur – A', B', C', so daß A' der Deutung A, B' der Deutung B, C' der Deutung C günstig ist. Daher gebrauchen wir die Deutung A als Beschreibung der ihr günstigen Weise des Sehens.

 
   
678.
      Aber was heißt es, die Erfahrung A' sei der Deutung A günstig? Welches ist die Erfahrung A'? Wie identi[g|f]iziert man sie denn?

 
   
679.
      Nehmen wir an, jemand mache die folgende Entdeckung. Er untersucht die Vorgänge in der Retina der Menschen, die die Figur einmal als Glaswürfel, einmal als Drahtgestell sehen, etc. und er findet, daß diese Vorgänge ähnlich denjenigen sind, welche er beobachtet, wenn das Subjekt einmal einen Glaswürfel anschaut, einmal ein Drahtgestell u.s.f..
 
    
   
680.
      Wie identifiziert man die Erfahrung A'? Wie kommt es, daß ich überhaupt von dieser Erfahrung weiß?
      Wie lehrt man jemand den Ausdruck dieser Erfahrung “Ich sehe die Figur jetzt als Drahtgestell”?
      Viele haben das Wort “sehen” gelernt und nie einen derartigen Gebrauch von ihm gemacht.
      Wenn ich nun so einenm unsre Figur zeige und ihm sage “Jetzt versuch einmal, sie als Drahtgestell zu sehen!” –muß er mich verstehen? Wie, wenn er sagt: “Meinst du etwas anderes als, ich soll dem Text des Buchs, der von einem Drahtgestell redet, an der Hand der Figur folgen?” Und wenn er mich nun nicht versteht, was kann ich machen? Und wenn er mich versteht, wie äußert sich das? Nicht eben dadurch, daß auch er sagt, er sehe jetzt die Figur als Drahtgestell?

 
   
681.
      Es ist also die Neigung, jenen Wortausdruck zu gebrauchen, eine charakteristische Äußerung des Erlebnisses. (Und eine Äußerung ist kein Symptom.)

 
   
682.
      Gibt es noch andere Äußerungen dieses Erlebnisses? Wäre nicht dieser Vorgang denkbar: Ich lege Einem ein Drahtgestell, einen Glaswürfel, eine Kiste, etc. vor und frage ihn “Welches dieser Dinge stellt die Figur dar?” Er antwortet “Das Drahtgestell”.

 
   
683.
      Sollen wir nun sagen, er habe die Figur als Drahtgestell gesehen, – obwohl er die Erfahrung, sie einmal als
– 191 –
das, einmal als etwas andres zu sehen, nicht hatte?

 
   
684.
      Denken wir, es fragte jemand: “Sehen wir alle ein Druck-F auf die gleiche Weise?” Nun, man könnte folgenden Versuch machen: Wir zeigen verschiedenen Leuten ein F und stellen die Frage “Wohin schaut ein F, nach rechts oder nach links?”
      Oder wir fragen: “Wenn du ein F mit einem Gesicht im Profil vergleichen solltest, wo wäre vorne, wor hinten?”
      Mancher aber würde diese Fragen vielleicht nicht verstehen. Sie sind analog Fragen der Art: “Welche Farbe hat für dich der Laut a?” oder “Kommt dir a gelb oder weiß vor?” etc.
      Wenn Einer diese Frage nicht verstünde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn, – könnten wir sagen, er verstehe nicht [d|D]eutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter “Farbe”, “Laut”, etc.?
      Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auf jene Fragen ‘mit Verständnis’ oder ‘ohne Verständnis’ reagieren.

 
    
    
    
    
    
    
   
691.
      Sieh das Dreieck so, da[s|ß] c die Basis und C die Spitze ist; und jetzt so, daß [c|b] die Basis und B die Spitze ist. – Was tust du? – Vor allem: – Weißt du, was du tust? Nein.
      “Nun, vielleicht ist es der Blick, der erst auf der ‘Basis’ haftet, dann zur ‘Spitze’ geht.” Aber kannst du sagen, daß in einem anderen Zusammenhang der Blick nicht ganz ebenso wandern könnte, ohne daß du das Dreieck in dieser Weise gesehen hast?
      Mach auch diesen Versuch. Sieh das Dreieck so, daß es [)| (]wie eine Pfeilspitze) einmal in der Richtung A, einmal in der Richtung B zeigt.

 
    
    
   
694.
      Betrachten wir den Fall des Bildes der gegen|einander rotierenden Räder. Erstens kann ich die Bewegung im Bild wieder als eine oder die andere sehen. Zweitens kann ich sie auch für die eine oder die andere halten.

 
    
   
696.
      Es ist auch möglich, daß ich sage: “Ich habe das immer für eine Schale gehalten; jetzt sehe ich, daß es keine ist” – ohne daß ich mir eines Wechsels des ‘Aspekts’ bewußt bin. Ich meine einfach: ich sehe jetzt etwas anderes, habe jetzt einen anderen Gesichtseindruck.
      Nehmen wir an, Einer zeigte mir etwas und fragt, was das sei. Ich sage “Es ist ein Würfel”. Darauf er: “Also so siehst du es.” – Müßte ich dieses Worte anders verstehen als d so: “Also dafür hälst du es”?

 
    
    
    
   
700.
      Soll ich sagen, die verschiedenen Aspekte der Figur seien Assoziationen? Und was hilft es mir?

 
   
701.
      Es scheint sich hier etwas am Gesichtsbild der Figur zu ändern; und ändert sich doch wieder nichts. Und ich kann nicht sagen “Es fällt mir immer wieder eine neue Deutung ein”. Ja, es ist wohl das, aber sie verkörpert sich auch gleich im Gesehenen. Es fällt mir immer wieder ein neuer Aspekt der Zeichnung ein – die ich gleichbleiben sehe. Es ist, als ob ihr immer wieder ein neues Kleid angezogen würde, und als ob doch jedes Kleid wieder gleich sei dem andern.
      Man könnte auch sagen: “Ich deute die Figur nicht nur, sondern ich ziehe ihr auch die Deutung an.”


– 197 –


 
   
702.
      Ich sage mir: “Was ist das? Was sagt nur diese Phrase? Was drueckt s[u|i]e nur aus?” – Es ist mir, als muesste es noch ein viel klareres Verstehen von ihr geben, als das, was ich habe. Und dieses Verstehen wuerde dadurch erreicht, dass man eine Menge ueber d[e|i]e Umgebung der Phrase sagt. So als wollte man eine ausdrucksvolle Geste in einer Zeremonie verstehen. Und zur Erklaerung muesste ich die Zerem[l|o]nie gleichsam analysieren. .B. sie abaendern und zeigen, wie das die Rolle jener Geste beeinflussen wuerde.

 
   
703.
      Ich koennte auch sagen: Mir ist, als muesste es zu diesem musikalischen Ausdruck Parallele auf anderen Gebieten geben.

 
   
704.
      Die Frage ist eigentlich: Sind diese Toene nicht der beste Ausdruck fuer das, was hier ausgedrueckst ist? Wohl. Aber das heisst nicht, dass sie nicht durch ein Bearbeiten ihrer Umgebung zu erklaeren sind.

 
   
705.
      Ist es ein Widerspruch, wenn ich sage: “Dies ist schoen und dies ist nicht schoen” (wobei ich auf verschiedene Gegenstaende zeige)? Und soll man sagen, es sei kein Widerspruch, weil die beiden Woerter “dies” verschiedenes bedeuten? Nein; die beiden “dies” haben die gleiche Bedeutung. “heute” hat heute die gleiche Bedeutung, wie es gestern hatte, “hier” die gleiche Bedeutung hier und dort. Es ist hier nicht wie im Satz “Herr Weiss wurde weiss”.
      “Dies ist schoen und dies ist nicht schoen” ist ein Widerspruch, aber er hat eine Verwendung.

 
   
706.
      Das Grunduebel der Russelschen Logik sowie auch der meinen in der L. Ph. Abh. ist, dass, was ein Satz ist, mit ein paar gemeinplaetzigen Beispielen illustriert, und dann als allgemein verstanden vorausgesetzt wird.
– 198 –


 
   
707.
      Aber ist es nicht klar, dass die beiden “dies” verschiedene Bedeutungen haben, da ich sie doch durch verschiedene Eigennamen ersetzen kann? – Ersetzen? “Dies” heisst ja nicht einmal A, das andere mal B. – Freilich nicht allein; aber zusammen mit der zeigenden Gebaerde. – Wohl; aber das sagt nur, dass ein Zeichen, bestehend aus dem Wort “dies” und einer Gebaerde, eine andere Bedeutung hat, als ein Zeichen, bestehend aus “dies” und einer anderen Gebaerde. Aber das ist ja blosse Wortklauberei: Du sagst ja also, dass Dein Satz “Dies ist schoen und dies ist nicht schoen” kein vollstaendiger Satz ist, weil zu den Worten hier noch Gebaerden gehoeren. – Aber warum ist es dann kein vollstaendiger Satz? Es ist ein Satz einer andern Art als etwa “Die Sonne geht auf”, die Art seiner Verwendung ist sehr verschieden. Aber solche Verschiedenheiten gibt es eben die Huelle und Fuelle im Reich der Saetze.

 
   
708.
      “A. Schweizer ist kein Schweizer.” Wenn ich das sage, meine ich das erste S. als Eigenname, das zweite als Gattungsname. So geht [v|V]erschiedenes in meinem Geiste vor, wenn ich die beiden Woerter “S.” ausspreche? – Das Wort funktioniert im Satz beide Male in verschiedener Weise. Das hiesse, das Wort mit einem Maschinenteil vergleichen und den Satz mit der // einer // Maschine. Ganz unzutreffend. Eher koennte man sagen: die Sprache ist die Maschine, der Satz der Maschinenteil. Das waere dann etwa so: Diese Kurbel hat zwei Loecher von gleicher Groesse. Mit dem einen sitzt sie auf der Welle, in dem anderen steckt der Kurbelzapfen.

 
   
709.
      Versuche, das erste “S.” als Gattungsnamen, das zweite als Eigennamen zu meinen! Wie machst Du den Versuch?
– 199 –


 
   
710.
      “Der Begriff S. ist kein S.” Ist das Unsinn? Nun, ich weiss nicht, was jemand, der das sagt, damit sagen will: d.h. wie er diesen Satz verwenden will // zu verwenden beachbsichtigt. Ich kann mir manche naheliegende Verwendung fuer ihn ausdenken. – “Aber du kannst ihn eben nicht so verwenden, oder auch nur so denken, dass mit den Worten “der Begriff S.” und mit dem zweiten “S.” das Gleiche gemeint ist, was Du gewoehnlich mit diesen Worten meinst.” // was Du sonst immer, also fuer gewoehnlich mit diesen Worten meinst.” //
       Hier steckt der Irrtum. Man denkt hier, als schwebte einem dieser Vergleich vor: Die Worte im Satz passen zusammen, d.h. man kann die sinnlose Wortfolge hinschreiben, aber die Bedeutung jedes Worts ist ein unsichtbarer Koerper, und diese Bedeutungskoerper passen nicht zusammen. ((“Das Meinen gibt dem Satz eine weitere Dimension.”))

 
   
711.
      Daher die Idee, man kann den Satz nicht denken; denn im Gedanken muesste ich nun die Bedeutungen der Worte zu einem Sinn zusammenstellen, und das geht nicht. (jigsaw puzzle).

 
   
712.
      Aber ist der Widerspruch nicht durch das Gesetz vom Widerspruch verboten? – “non (p & non p)” verbietet jedenfalls nichts. Es ist eine Tautologie. Verbieten wir aber einen Widerspruch, so schliessen wir Widerspruchsformen aus unserer Sprache aus. Wir beseitigen diese Formen.

 
   
713.
      Man kann denken: “Wie merkwuerdig, dass die eine Bedeutung des Wortes “empfinden” (und der anderen psychologischen Verben) zusammengesetzt ist aus den heterogenen Bestandteilen, den Bedeutungen der ersten und der dritten Person.” // der Bedeutung der ersten Person und der dritten Person. //
– 200 –

      Aber was kann verschiedener sein, als das Profil und das en face eines Gesichts; und doch sind die Begriffe unserer Sprache so [b|g]ebildet, dass das eine nur als Variation des anderen erscheint. Und es ist natuerlich leicht, Gründe dieser Begriffsbildung aufzuzeigen. // Und es ist natuerlich leicht, diese Begriffsbildung aus Naturtatsachen zu begruenden. // // Und es ist natuerlich leicht, diese Begriffsbildung zu begruenden. // (Heterogene: der Pfeifenkopf und das Pfeifenrohr.)

 
   
714.
      Wenn die Begriffsbildung ˇsich aus Naturtatsachen (psychologischen und physikalischen) begruenden laesst, ist dann die Beschreibung unserer Begriffsbildungen nicht eigentlich eine verkapte Naturwissenschaft; sollten wir uns dann nicht, statt fuer die Grammatik, fuer das interessieren, was sie in der Natur rechtfertigt? // , was ihr in der Natur zu Grunde liegt. //
      Uns interessiert allerdings auch die Entsprechung unserer Grammatik und allgemeiner // unserer Begriffsbildung mit allgemeinen (selten ausgesprochenern) Naturtatsachen. Aber unser Interesse faellt nun nicht auf diese [M|m]oeglichen Ursachen zurueck. Wir betreiben keine Naturwissenschaft: unser Ziel ist nicht, etwas vorher zu sagen. Ja wir betreiben auch nicht Naturgeschichte, da wir naturgeschichtliche Tatsachen fuer andere Zwecke auch erdichten. // Auch nicht Naturgeschichte: denn wir erdichten fuer unsere Zwecke naturgeschichtliche Tatsachen. //

 
   
715.
      Es interessiert uns etwa, festzustellen, dass in unserer Umgebung gewisse Formen nicht an gewisse Farben gebunden sind. Das wir z.B. nicht gruen immer in Verbindung mit der Kreisform, rot mit der Quadratform sehen. Stellt man sich eine Welt vor, in der Formen und Farben immer in solcher Weise mit einander verknuepft sind // verbunden waeren // , so faende man ein Begriffssystem verstaendlich, in welchen
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die grundlegende Einteilung – Form und Farbe – nicht bestuenden.
      Noch einige Beispiele:
Es ist z.B. wichtig, dass wir gewohnt sind, mit Stift, Feder, oder dergleichen zu zeichnen, und dass daher die Elemente unserer Darstellung Striche und Punkte (im Sinne von “Puenktchen”) sind. Haetten die Menschen nicht gezeichnet, sondern immer gemalt (spielte also der Begriff der Kontour der Fo[t|r]men keine grosse Rolle), gebe es ein gebraeuchliches Wort, sagen wir “Linie”, bei dem niemand an Strich, also an etwas sehr duennes daechte, sondern immer nur an die Grenze zweier Farben, und daechte man bei “Punkt” nie an etwas winziges, sondern nur an den Schnitt zweier Farbgrenzen, so waere vielleicht manche Entwicklung der Geometrie unterblieben.
      Saehen wir eine unserer primaeren Farben[m|,] sagen wir rot, nur aeusserst selten, nur in winzigen Ausmassen, koennten wir Malfarben nicht herstellen, kaeme keine rot nur in bestimmten Verbindungen mit andern Farben vor, etwa nur an der Spitzen der Blaetter gewisser Baeume die sich im Herbst nach und nach aus gruen in rot verwandeln, so waere nichts natuerlicher als Rot ein degen[i|e]riertes Gruen zu nennen.
      Denke an die Umstaende, unter denen uns Weiss und Schwarz als Farben und anderseits als das Fehlen einer Farbe erscheinen. Denke es liessen sich alle Farben wegwaschen und der Grund waere dann immer weiss, und es gaebe keine weisse Malfarbe.
      Es ist uns leichter ein reines Rot, Gruen, etc. aus dem Gedaechtnis zu reproduzieren und wiederzuerkennen, als einen Ton von Braunrot etwa.

 
   
716.
      Ich sage aber nicht: Waeren die Naturtatsachen anders, so haetten wir andere Begriffe. Dies ist eine Hypothese. Ich habe fuer sie keine Verwendung und sie interessiert mich nicht.
– 202 –

      Ich sage nur: Wenn Du glaubst, unsere Begriffe seien die richtigen, die intelligenten Menschen gemaessen, wer andere haette, saehe eben etwas nicht ein was wir einsehen, dann stelle Dir gewisse allgemeine Naturtatsachen anders vor, als sie sind, und andere Begriffsbildungen als die unseren werden Dir natuerlich scheinen.

 
   
717.
      ‘Natuerlich’, nicht ‘notwendig’. Ist denn alles was wir tuen zweckmaessig? Ist alles, was nicht // gewiss nicht // zweckmaessig genannt werden kann, zweckwidrig?!

 
   
718.
      Das vertraute Gesicht eines Wortes; die Empfindung, ein Wort sei so gleichsam ein Bild seiner Bedeutung; es habe seine Bedeutung gleichsam in sich aufgenommen – es kann eine Sprache geben, der das alles fremd ist. Und wie druecken sich diese Empfindungen bei uns aus? Darin, wie wir Worte waehlen und schaetzen. ((Goethe ueber Personennamen. If-Feeling.)) // es ist wichtig, dass wir uns eine Sprache denken koennen, der alles das fremd ist. Die mit ihren Worten kalkuliert, in der das Wort keine Seele hat. //

 
   
719.
      Die Faelle, in denen wir mit Recht sagen, wir deuten, was wir sehen als das und das, sind leicht zu charakterisieren // beschreiben // .

 
   
720.
      ((Zu Nummer 701)) Wenn man erklaert “Ich assoziere diesen Gegenstand mit der Figur”, so wird dadurch nichts deutlicher.

 
   
721.
      Wie wird “wollen” wirklich [b|g]e[g|b]raucht? Man ist sich in der Philosophie nicht dessen bewusst, dass man einen ganz neuen Gebrauch des Wortes fuer sie erfunden hat, indem man ihn dem das Wort des “Wuenschen”, z.B., angeglichen hat. Es ist interessant, dass man fuer die Philosophie eigens Wortverwendungen konstruiert, indem man Worten[d|,] die
– 203 –
uns wichtig erscheinen, einen weiter ausgebauten Gebrauch vindizieren will, als sie haben.
      “Wollen” wird manchmal in der Bedeutung von “[v|V]ersuchen” verwendet. “Ich wollte aufstehen, war aber zu schwach.” Anderseits will man sagen, dass, wo immer eine willkuerliche Bewegung gemacht wird, gewollt werde. Wenn ich also gehe, spreche, esse, etc. etc., so soll ich nun eben das tun wollen. Und hier kann es nun nicht versuchen heissen. Denn wenn ich gehe, so heisst das nicht, ich versuche zu gehen und es gelinge. Vielmehr gehe ich fuer gewoehnlich, ohne es zu versuchen. Man kann natuerlich auch sagen “Ich gehe weil ich gehen will”, wenn das dem gewoehnlichen Fall des Gehens von dem unterscheidet, in welchem ich geschoben werde, oder elektrische Stroeme meine Beinmuskeln bewegen.

 
   
722.
      Die Philosophie hat sich einen Gebrauch des Wortes zurecht gelegt, // versucht sich einen Gebrauch des Wortes zurecht zu legen // der gleichsam eine konsequentere Durchfuehrung gewisser Zuege des gewoehnlichen Gebrauchs darstellt.

 
   
723.
      “Das Wort ‘x’ hat zwei Bedeutungen” heisst: es hat zwei Arten der Verwendung. Soll ich sagen: “Wenn Du die Verwendung dieses Wortes in [i|u]nserer Sprache beschreibst, wirst Du sehen, dass es zwei Verwendungen und nicht nur eine hat”?

 
   
724.
      Koennten wir uns nicht denken, dass Leute erklaerten, dass Wort “Bank” habe immer dieselbe Bedeutung. Eine Bank sei immer soetwas:
Da[s|ß] sie aber das Wort dennoch ˇauch fuer ein Geldinstitut verwende[n|ten]; davon aber sagen, weil es eine Bank sei, so sei es eben doch etwas von der Art unserer Abbildung.

 
   
725.
      Haben die Worte “gehen” und “ging” die gleiche Bedeutung?
– 204 –

      Haben die Worte “gehen” und “gehst” die gleiche Bedeutung?
      Hat das Wort “go” in “I go” und in “you go” die gleiche Bedeutung?

 
   
726.
      Soll ich sagen: “Zu zwei verschiedenen Bedeutungen ge[j|h]oeren zwei verschiedene Erklaerungen der Bedeutung”?

 
   
727.
      Denke Dir in einer Sprache eine Gruppe von Saetzen von je drei Zeichen. Die Saetze beschreiben die Arbeit, die ein bestimmter Mensch ausfuehrt. Das erste Zeichen (von links nach rechts) ist der Name des Menschen, das zweite bezeichnet eine Taetigkeit (wie saegen, bohren, feilen) das dritte bezeichnet das Werkstueck.
      So ein Satz koennte nun lauten “a a a”. Wenn naemlich “a” der Name einer Person, eines Werkstuecks und einer Taetigkeit ist.

 
   
728.
      Was heisst es nun: “Das Zeichen ‘a’ hat eine andere Bedeutung in ‘x a y’ und in ‘a x y’”? Man koennte auch sagen, es habe verschiedene Bedeutung je nach seiner Stelle. (Wie eine Ziffer im Dezimalsystem.)
      Denk Dir das Schachspiel mit lauter gleichgestalteten Steinen gespielt. Man muesste sich dann immer erinnern, wo ein bestimmter Stein am Anfang des Spiels gestanden hatte. Und man koennte sagen: “Dieser Stein und jener haben verschiedenen Bedeutungen”; ich kann mit dem einen nicht so ziehen wie mit dem andern. Ebenso entnehme ich dem “a” an der ersten Stelle, das von diesem Menschen (ich zeige etwa auf ihn) die Rede ist,
dem
das
“a” ander der zweiten Stelle, daß er diese Arbeit macht; etc. Das “a” koennte etwa in drei Tabellen stehen, die es gewissen Bildern, die seine Bedeutung erklaeren, zu ordnen. Und ich wuerde dann zur Deutung des Satzes je nach der Stellung des “a” in einer anderen Tabelle nachsehen.

 
   
729.
      Was heisst es: “untersuchen ob ‘f(f)’ Sinn hat, wenn ‘f’ an beiden Stellen die gleiche Bedeutung hat”?
– 205 –


 
   
730.
      Man sucht, hat noch nicht gefunden, aber man weiss, was man sucht. – Aber es kann auch sein, daß man suchend um sich schaut und nicht sagen kann, was man sucht; endlich ergreift man etwas und sagt “Das wollte ich haben”. Man kann das “suchen” nennen “ohne zu wissen, was man sucht”.

 
   
7[1|3]1.
      Man koennte von “funktionalen Zustaenden” reden. (Z.B.: Ich bin heute sehr reizbar. Wenn man mir heute das und das sagt, reagiere ich immer so und so. Dem entgegengesetzt: Ich habe den ganzen Tag Kopfschmerzen.)

 
   
732.
      Wie ist man je dazu gekommen, einHYie “ich glaube .... ” zu gebrauchen? Ist man etwa ploetzlich auf ein Phaenomen, das des Glaubens, aufmerksam geworden? // Wurde man etwa auf ein Phänomen, das des Glaubens, aufmerksam? //

 
   
733.
      Hatte man sich beobachtet und fand so dies Phaenomen?

 
   
734.
      Hatte man sich selbst und die andern Menschen beobachtet und fand so die Erscheinung des Glaubens?

 
   
735.
      Es koennte in der Sprache eines Stammes ein Pronomen geben, wie wir es nicht besitzen, und wofuer wir keine praktische Verwendung haben, ein Pronomen, das sich auf das Satzzeichen ‘bezieht’, worin es steht. Ich will es so schreiben: . Der Satz “ bin 10 centimeter lang” kann wird also auf seine Wahrheit geprueft, indem man das Satzzeichen misst. Der Satz “ enthalte vier Woerter” z.B. ist wahr, der Satz “ enthalte nicht vier Woerter” auch. “ich bin falsch” entspricht dem Paradox des vom kret[t|i]schen Luegner. – Die Frage ist: Wozu verwenden die Leute dies Fuerwort? Nun, der Satz “ bin 10 cm. lang” koennte als Masstab dienen; der Satz “bin schoen geschrieben” als Paradigma der schoenen Schrift. // Was uns interessiert ist: Wie wird das Wort “” in einem Sprachspiel verwendet. Denn paradox ist der Satz nur, wenn wir von seiner Verwendung absehen. So koennte ich mir denken, daß der Satz “ bin falsch” in der Kinderstube verwendet wird. Wenn Kinder ihn lesen, fangen sie an zu schliessen:
– 206 –
“Wenn das falsch ist, so ist so ist es wahr, also ist es falsch, etc. etc.”. Die Menschen haben vielleicht gefunden, daß dies Schliessen eine zutraegliche Uebung fuer Kinder ist. // Was uns interessiert ist: Wie wird dieses Fuerwort in einem Sprachspiel verwendet. Es i[t|s]t moeglich, obwohl nicht ganz leicht, sich ein S[rp|pr]achspiel mit diesem Wort auszumahlen. Ein Satz wie “ enthalte vier Woerter” koennte z.B. als Paradigma der Zahl 4 dienen, und in anderem Sinne auch der Satz “ enthalte nicht vier Woerter”. Paradox ist ein Satz nur, wenn wir von seiner Verwendung absehen.

 
   
736.
      Wie wuerden sich Menschen, die ein Dreieck nicht, wie wir einmal so, einmal so sehen koennten, von uns unterscheiden? – Wenn wir zu einem Stamm kaemen, der diese Erlebnisse nicht hat, wie wuerden wir es merken?
      Wie wuerden wir es merken, wenn die Leute Tiefe nicht sehen koennten? Wenn sie also so waeren, wie Berkeley glaubte, daß wir seien.

 
   
737.
      Wie viele Quadrate gehen in ein Quadrat wenn der Ma[s|ß]stab, in welchem das kleine Quadrat aufzufassen ist nicht bestimmt wurde? Wenn nun Einer daher kaeme und sagte: man kann zwar nicht mit Sicherheit sagen, wie viele hineingehen, aber man kann es immerhin schaetzen!

 
   
738.
      “Der Ausdruck aehnlich dem Gefuehl” – die bittere Speise aehnlich dem bittern Gram. “Zum Verwechseln aehnlich” – wie waere es wenn sie nicht nur aehnlich, sondern gleich waeren?

 
   
7[4|3]9.
      “Gram und Sorge sind aehnliche Gefuehle”: ist das eine Erfahrungstatsache?

 
   
740.
      Soll ich sagen: “Ein Hase kann ausschauen wie eine Ente”?
      Waere es denkbar, daß jemand, der einen Hasen, aber keine Ente kennt, sagte: “Ich kann die Zeichnung als Hasen sehen und auch noch anders, obwohl ich fuer den zweiten
– 207 –
Aspe[c|k]t kein Wort habe”? Spaeter lernt er eine Ente kennen und sagt: “Als das habe ich damals die Zeichnung gesehen!” – Warum ist das nicht moeglich?

 
   
741.
      Oder denk, jemand sagte “Dieser Hase hat einen selbstgefaelligen Ausdruck”. – Wenn nun Einer von einem selbstgefaelligen Ausdruck nicht wuesste, – koennte ihm da etwas au[s|f]fällen, und er spaeter, wenn er Selbstgefaelligkeit kennen gelernt hat, sagen, ihr Ausdruck sei es gewesen, der ihm damals aufgefallen war?

 
   
742.
      Das treffende Wort. Wie wird es gefunden? Beschreibe
das
es
! Als Gegensatz dazu: Ich finde die richtige Bezeichnung fuer eine Kurve, nachdem ich bestimmte Messungen an ihr vorgenommen habe.

 
   
743.
      Ich sehe, daß das Wort treffend ist, noch ehe ich weiss, und auch wenn ich niemals weiss, warum es treffend ist.

 
   
744.
      Ich wuerde den nicht verstehen, der sagte: er haette das Bild als das eines Hasen gesehen, dies ˇaber nicht sagen koennen, da er damals von der Existenz eines solchen Wesens nichts gewusst habe.

 
   
745.
      Soll ich also sagen: “Der Bildhase und die Bildente schauen ganz gleich aus”?! – Dagegen straeubt sich etwas. – Aber kann ich denn nicht sagen: Sie schauen ganz gleich aus, naemlich so – – und nun mache ich die doppeldeutige Zeichnung? (der Mueller mahlt, der Maler malt auch). Wenn ich aber nun Gruende gegen diese Ausdrucksweise angeben wollte, – was muesste ich sagen? Daß man das Bild jedesmal anders sieht, wenn es einmal eine Ente und einmal eine Hase ist – oder, daß bei der Ente das der Schnabel ist, was beim Hasen die Ohren sind, etc.?

 
   
746.
      Denk Dir das doppeldeutige Bild in einer Bildergeschichte verwendet: Dann ist es, z.B., nicht moeglich, daß ein anderes Tier der Ente begegnet und sie fuer einen Hasen haelt; aber das waere moeglich, daß Einer die Ente im Profil im Halbdunkel fuer einen Hasen haelt.
– 208 –


 
   
747.
      “Ich kann so wenig zugleich demˇn Hasen und die Ente sehen, wie zugleich die Worte ‘Weiche Wotan weiche!’ in ihren zwei beiden Bedeutungen meinen.” – Aber das waere nicht richtig; wohl aber, daß es uns nicht natuerlich ist, diese Worte auszusprechen um Wotan zu sagen, er solle weichen, und ihm dabei mitzuteilen, daß wir weiche Eier vorziehen. Und doch koennte man sich eine solche Verwendung von Worten vorstellen.

 
   
748.
      Die Fakten der menschlichen Naturgeschichte, die auf unser Problem Licht werfen, sind uns schwer zu finden, denn unsere Sprache // Rede // geht an ihnen vorbei,– sie ist mit andern Dingen beschaeftigt. (So sagen wir Einem “Geh ins Geschaeft und kauf ....” –nicht: “Setz den linken Fuss von den rechten Fuss etc. etc., dann leg Geld auf den Schalter, etc. etc.)

 
   
749.
      Glaube ich nicht an einen inneren Zustand des Sehens und der Andere sagt “Ich sehe ....”, so glaube ich, daß er nicht Deutsch kann, oder luegt.

 
   
750.
      Was hat der gesagt, der behauptet, wer die Zeichnung einmal als Hasen und einmal als Ente sieht, habe ganz verschiedene visuelle Erlebnisse? Die Neigung, das zu sagen, wird sehr gross, wenn man z.B. einen Strich in der Zeichnung macht, der etwa dem Mund des Hasen betont, und dann sieht, wie dieser Strich nun eine ganz andere Rolle im Entenbild spielt. – – Oder denk an das Sehen des Gesichtsausdrucks des Hasen, der im andern Bild gaenzlich verschwindet.
      Ich sehe z.B. zuerst ein hochmuetiges Gesicht und dann sehe ich kein hochmuetiges Gesicht.
      Und was tut der, der zugibt, daß ich jedesmal etwas ganz verschiedenes sehe?

 
   
751.
      “Wie weiss ich, daß ich ueber diesen Gesichtsausdruck laechle?”

 
   
752.
      Ich
sehe
habe
einen ganz bestimmten Gesichtsausdruck, den ich den des Hasen nenne, und einen ganz andern den ich
– 209 –
den der Ente nenne.” Lass mich ihn einmal bloss A und den andern B nennen: Wie koennte ich nun, ohne auf einen Hasen und eine Ente Bezug zu nehmen, Einem die Bedeutung [f|v]on A und B erklaeren?
      Es waere z.B. so moeglich: Ich sagte ihm “A” und ahme dabei mit meinem Gesicht das Gesicht eines Hasen nach, etc.

 
   
753.
      “‘Das sehen’ heisst nicht: so reagieren, – denn ich kann sehen, ohne zu reagieren.” Natuerlich. Denn weder heisst “ich sehe”: ich reagiere, noch “er sieht”: er reagiert, noch “ich sah”: ich reagierte, etc.
      Und wenn ich auch immer, wenn ich sehe, sagte ich sehe”, so wuerden diese Worte doch nicht sagen: “ich sage ‘ich sehe’”.

 
   
754.
      Ich deute auf einen bestimmten Fleck des Bildes und sage “das ist das Auge des Hasen oder der Ente”. Wie kann denn etwas in dieser Zeichnung ein Auge sein?

 
   
755.
      “Kann man Tiefe wirklich sehen?” – “Warum soll man nicht Tiefe sehen koennen, wenn man Farben und Formen sieht?! Daß das Netzhautbild zweidimensional ist ist kein Grund fuer das Gegenteil.” – – Gewiss nicht; aber die Antwort trifft das Problem nicht. Das Problem entsteht dadurch, dass die Beschreibung des Gesehenen, das, was wir die “Beschreibung des Gesehenen” nennen, von anderer Art ist, wenn ich einmal Farbe und Form, etwa durch ein Transparent, beschreibe, einmal die Tiefendimension durch eine Gebaerde, oder eine Seitenansicht darstelle.

 
   
756.
      Eine Bemerkung, daßs die Anordnung in der Tiefendimension eine Eigenschaft des ‘Gesehenen’ ist, wie jede andere, hilft nicht.

 
   
757.
      Was heisst es, daß die Hoehlung des Zahns die der Zahnarzt untersucht, sich dem Patienten viel groesser anfuehlt, als sie ist[,| .] Ich zeige z.B. mit den Fingern und sage, ich haette geglaubt, sie sei so gross. Wonach
– 210 –
bemesse ich die Distanz der Finger? – Bemesse ich sie ueberhaupt? Kann man sagen: “Ich weiss zuerst, wie gross mir die Hoehlung vorkommt, dann zeige ich es mit den Fingern”? Nun, in manchen Faellen koennte man es sagen; wenn ich mir z.B. denke, die Hoehlung sei 5 mm weit und dies Einem durch ein Zeigen der Entfernung erklaere. – Wie, wenn man mich fragte:” Wusstest Du, ehe Du's zeigtest, wie gross Dir der Durchmesser vorkam?” – Da koennte ich antworten: “Ja. Denn haettest Du mich frueher gefragt, so haette ich Dir auch diese Antwort gegeben.” – Etwas wissen ist eben nicht: einen Gedanken denken. // – Wissen ist eben nicht Denken. //

 
   
757.
      Wenn ich sage, was ich weiss, – wie sage ich das, was ich weiss // wusste // ?

 
   
758.
      Was ist die Beschreibung dessen, was ich sehe? (Das heisst nicht nur: Mit welchen Worten
kann
soll
ich das beschreiben, was ich sehe? – sondern auch: “Wie schaut das aus: eine Beschreibung dessen, was ich sehe? Was soll ich so nennen?”)

 
   
759.
      Das eingentuemliche Gefuehl, welches uns das Wiederkehren eines Refrains gibt. Ich moechte eine Geste machen. Aber die Geste ist eigentlich garnicht charakteristisch fuer gerade das Wiederkehren eines Refrains. Vielleicht koennte ich ein Wort finden, das die Situation besser charakterisier; aber es wuerde auch nicht erklaeren, warum der Refrain mir wie ein Witz vorkommt, warum seine Wiederkehr ein Lachen, oder Grinsen, bei mir hervorruft. Wenn ich zu Der Musik tanzen koennte, so koennte ich am allerbesten ausdruecken, gerade wie mich der Refrain beruehrt. Ja, einen besseren Ausdruck koennte es gewiss nicht geben.
      Ich koennte z.B. vor den Refrain die Worte “wie gesagt” setzen. Und das waere gewiss treffend; aber es erklaert nicht, warum der Refrain mir einen stark komischen Eindruck macht. Denn ich lache doch nicht immer, wenn ein “wie gesagt” am Platze ist.
– 211 –


 
   
760.
      Der ‘Inhalt’ der Erfahrung, des Erlebnisses: – Ich weiss, wie Zahnschmerzen sind, ich kenne Zahnschmerzen, I know what it's like to see red, green, blue, yellow, I know what it's like to feel sorrow, hope, fear, joy, affection, to wish to do something, to remember having done something to intend doing something, to see a drawing alternately as the head of a rabbit and of a duck, to take a word in one meaning and not in another, etc. Ich weiss, wie es ist, wenn es Laut a grau zu sehen und den Laut ü dunkelviolet. – Ich weiss auch, was es heisst, sich diese Erlebnisse vorfuehren. Wenn ich sie mir vorfuehre, so fuehre ich mir nicht Arten des Benehmens, oder Situationen vor. – – So weiss ich also, was es heisst, sich diese Erlebnisse vorfuehren? Und was heisst es? Wie kann ich's einem Andern, oder mir selbst, erklaeren?

 
   
761.
      Der Begriff ‘Wort’ in der Linguistik. Wie gebraucht man “dasselbe Wort”? /
‘“habe” und “hatte” sind dasselbe Wort.’
      ‘Er sagte zweimal dasselbe Wort, einmal laut, [i|e]inmal leise.’
      ‘Sind “Bank” (“die Banken”) und “Bank” (“die Baenke”) das gleiche Wort?’
      ‘Sie sind etomologisch das gleiche Wort.’
      ‘Ist es beidemal das gleiche Wort “habe”, wenn man sagt “ich habe ein Haus” und “ich habe ein Haus gebaut”?’

 
   
762.
      Betrachtung: Ein Stamm, den wir unterjocht haben, den wir etwa zu einem Sklavenstamm machen wollen. Das Benehmen, Verhalten, dieser Leute ist uns eben deshalb interessant. Wir wol[e|l]en es beschreiben, verschiedene Aspekte dieses Benehmens beschreiben. Wir betrachten und beobachten z.B. Schmerzbenehmen, Freudebenehmen, etc. Zu ihrem Benehmen gehoert auch der Gebrauch einer Sprache. Und ueberhaupt auch solches Benehmen, welches erlernt ist, nicht minder, als das, welches nicht erlernt ist, wie das Schreien eines Kindes. Ja, sie haben nicht nur eine Sprache, sondern auch, in ihr, psychologische Ausdrucksformen. –
– 212 –
Frage Dich: Wie werden diese den Kindern dieses Stammes beig[r|e]bracht? –
      Ich nehme nun an, daß die Leute Ausdruecke besitzen wie die folgenden: “Ich habe schwarzes Haar”, “Er hat schwarzes Haar”, “Ich habe Geld”, “Er hat Geld”, “Ich habe eine Wunde”, “Er hat eine Wunde”. Und nun benuetzen sie diese grammatische Konstruktion in psychologischen Aussagen.

 
   
763.
      “Als ich ‘Bank’ hoerte, schwebte mir die Bedeutung Geldbank vor.” Es ist, als waere ein Keim der Bedeutung erlebt, und dann interpretiert worden. Nun, ist das ein Erlebni[ß|s]?
      Man koennte geradezu sagen: “Ich hatte ein Erlebnis, das der Keim zu dieser Verwendung war”. Das koennte die uns natuerliche Ausdrucksweise sein.

 
   
764.
      Vorlieb nehmen ist auch etwas, was man lernen kann. // Vorlieb nehmen ist auch eine Denkbewegung, die man lernen kann. //

 
   
765[| .]
      Ein Stamm, den wir versklaven wollen. Die Regierung und die Wissenschaftler geben aus, daß die Leute dieses Stammes keine Seelen haben; man koennte sich also ohne Skrupel zu jedem beliebigen Zweck gebrauchen. Natuerlich interessiert uns dennoch ihre Sprache; denn wir muessen ihnen ja z.B. Befehle geben und Berichte von ihnen erhalten. Auch wollen wir wissen, was sie unter einander sprechen, da dies mit ihrem uebrigen Verhalten zusammenhaengt. Aber auch, was bei ihnen unsern ‘psychologischen Aeusserungen’ entspricht, muss uns interessieren, denn wir wollen sie arbeitsfaehig erhalten, darum sind uns ihre Aeusserungen des Schmerzes, des Unwohlseins, er Depression, der Lebenslust, etc. etc. von Wichtigkeit. Ja, wir haben auch gefunden, daß man diese Leute mit gutem Erfolg als Versuchsobjekte in phsyiologischen und psychologischen Laboratorien verwenden kann, da ihre Reaktionen – auch die Sprachreaktionen – ganz die der seelenbegabten
– 213 –
Menschen sind. Ich nehme an, man habe auch gefunden, daß man diesen Automaten, durch eine Methode, die sehr aehnlich unserm ‘Unterricht’ ist, unsere Sprache statt der ihrigen beibringen kann.

 
   
766.
      Diese Wesen lernen nun z.B. rechnen, schriftlich oder muendlich rechnen. Wir bringen sie aber, irgendwie, dahin, daß sie uns das Ergebnis einer Multiplikation sagen koennen, nachdem sie, ohne zu schreiben oder zu sprechen, eine Weile stille gesessen sind. Dabei liegt das Bild nahe, der Prozess des Rechnens sei gleichsam untergetaucht und gehe nun unter dem
spiegel
// Spiegel des Wassers //
vor sich. (Denke an den Sinn, in welchem Wasser aus HO H und O ‘besteht’.) // Wenn man dabei die Art und Weise betrachtet, wie sie dies ‘Kopfrechnen’ lernen und die Erscheinungen die es umgeben, so liegt das Bild nahe, … //
      Wir muessen natuerlich fuer verschiedene Zwecke einen Befehl haben der Art: “Rechne dies im Kopf!”; eine Frage “Hast Du es gerechnet?”; ja auch “Wie weit bist Du gekommen?”; Eine Aussage des Automaten “Ich habe .... gerechnet”; etc. etc. Kurz: alles, was wir, unter uns, ueber das Kopfrechnen sagen, hat auch Interesse fuer uns, wenn sie's sagen. Und was fuer's Kopfrechnen gilt, gilt auch fuer andere Formen des Denkens. – – Aeussert etwa jemand bei uns die Meinung, diese Wesen muessten doch irgendeine Art von Seele haben, in der dies und jenes vor sich ginge, so lachen wir ihn aus. // Aeussert etwa jemand bei uns die Ansicht, in diesen Wesen muesste doch dabei etwas vorgehen, und zwar etwas seelisches, so wird darueber wie ueber einen dummen Aberglauben gelacht. Und wenn es gar vorkommt, daß die Sklaven spontan den Ausdruck bilden, in ihnen sei dies oder [h|j]enes vorgegangen, so kommt uns das besonders komisch vor.

 
   
767.
      Wir spielen auch mit diesemn Wesen das Spiel “Denk Dir eine Zahl! – Multiplizier sie mit 5! – .....” – Beweist das, daß doch etwas in ihnen vorgegangen ist? –
– 214 –


 
   
768.
      Und nun beobachten wir ein Phaenomen, – das wir als den Ausdruck des Erlebnisses interpretieren koennten; eine Figur einmal als das, einmal als jenes sehen. Wir zeigen ihnen nun z.B. ein Fixierbild. Sie finden die Loesung; und dann sagen sie etwas, zeigen auf etwas, zeichnen etwas, etc., und wir koennen ihnen unsern Ausdruck beibringen “Ich sehe das Bild nun immer so”. Oder sie haben unsere Sprache und den gewoehnlichen Gebrauch des Wortes “sehen” gelernt und bilden jene Form nun spontan.

 
   
769.
      Welches Interesse, welche Wichtigkeit hat dieses Phaenomen, diese Reaktion? Sie mag ganz unwichtig, ganz uninteressant sein, oder auch wichtig und interessant. Manche Leute assozieren mit unserm Vokalen gewisse Farben; [m|M]anche koennen die Frage beantworten, welche Wochentage fett und welche mager sind. Diese Erfahrungen spielen in unserm Leben eine sehr untergeordnete Rolle; ich kann mir aber leicht Umstaende ausdenken, in denen, was uns unwichtig ist, grosse Wichtigkeit erhielte.

 
   
770.
      Die Sklaeven sagen auch: “Als ich das Wort ‘Bank’ hoerte, bedeutete es fuer mich .....”. Frage: Auf dem Hintergrund welcher Sprachtechnik sagen sie das? Denn darauf kommt alles an. Was haetten wir sie gelehrt, welche Benuetzung des Wortes “bedeuten”? Und was, wenn ueberhaupt irgendetwas, entnehmen wir ihrer Aeusserung? Denn wenn wir garnichts mit ihr anfangen koennen, so koennte sie uns als Kuriositaet interessieren. Denken wir uns nur Menschen, die keine Traeume kennen, und die unsere Traumerzaehlungen hoeren. Denk Dir, Einer von uns kaeme zu diesem nicht-traeumenden Stamm und lernte nach und nach sich mit den Leuten verstaendigen. – Vielleicht denkst Du, sie wuerden nun das Wort “traeumen” nie verstehen. Aber sie faenden bald eine Verwendung dafuer. // Aber sie wuerden bald … finden // . Und die Aerzte des Stammes koennten sich sehr wohl fuer unser Tr[ae|äu]men interessieren und wichtige Schluesse aus de[m|n] Tr[ae|äu]men des Fremden ziehen. – – Auch kann man nicht sagen, daß fuer diese Leute das Verbum “traeumen” nichts anderes
– 215 –
bedeuten koennte, als: einen Traum erzaehlen. Denn der Fremde wuerde ja beide Ausdruecke gebrauchen: “traeumen” und “einen Traum erzaehlen”, und die Leute unseres Stammes duerften nicht “ich traeumte ....” mit “ich erzaehlte den Traum .....” verwechseln.

 
   
771.
      Wir fragen uns: “Was interessiert uns an den psychologischen Aeusserungen der Menschen?” – Sieh's nicht als so selbstverstaendlich an, daß uns diese Wortreaktionen interessieren.

 
   
772.
      Warum interessiert uns die chemische Formel
dieser
einer
Substanz? “Nun, natuerlich weil uns ihre Zusammensetzung interessiert.” – Hier haben wir einen aehnlichen Fall. Die Antwort haette auch sein koennen: “Weil uns eben ihre innere Natur interessiert.”

 
   
773.
      “Du wirst doch nicht leugnen, daß Rost und Wasser und Zucker eine innere Natur haben!” “Wenn man's nicht schon wuesste, so haette es doch die Wissenschaft unwiderleglich gezeigt.”

 
   
774.
      Ist nun das Hoeren oder Denken eines Worts in der ueber der Bedeutung eine echte Erfahrung? – Wie ist das zu beurteilen? – – Was spricht dagegen? Nun, daß man keinen Inhalt dieser Erfahrung entdecken kann. Es ist, als aeusserte man eine Erfahrung, koenne sich dann aber nicht besinnen, was die Erfahrung eigentlich war. Als koennte man sich zwar manchmal auf eine Erfahrung besinnen, die mit der, die wir suchen, gleichzeitig ist, aber was wir zu sehen k[ir|ri]egen ist nur (wie) ein Gewand, und wo das Bekleidete sein sollte, sehen wir eine Leere. // Als koenne man sich zwar oft einer Erfahrung entsinnen, die mit der, welche wir suchen, gleichzeitig war; aber die wir zu fassen kriegen, ist wie ein Kleid, und was sie bekleidete ist uns entschluepft. // … und statt des Bekleideten sehen wir eine Leere. // // Und dann ist man geneigt zu sagen: “Du darf[ts|st] eben nicht nach einem andern Inhalt ausschauen. Der Inhalt der Erfahrung ist eben nur durch den spezifischen Ausdruck
– 216 –
(der Eerfahrung) zu beschreiben. Aber auch das befriedigt nicht. Denn warum fuehlen wir dennoch, daß eben kein Inhalt da ist?
      Und ist es so nur mit der Erfahrung des Meinens? Nicht auch, z.B., mit der des Erinnerns? Wenn man mich fragt, was ich in den letzten zwei Stunden getan habe, so antwortete ich geradewegs und lese die Antwort nicht von Einer Erfahrung ab. Und doch sagt man, ich habe mich erinnert, und dies sei ein seelischer Vorgang. // … so antworte ich auf die Frage geradezu und … //

 
   
775.
      Es koennte einem fast Wunder nehmen, daß man die Frage “Was hast Du heute morgens getan” beantworten kann – ohne historische Spuren meiner Taetigkeit aufzusuchen, oder dergleichen. Ja, ich antworte, und wuesste nicht einmal, daß dies nur durch einen besonderen seelischen Vorgang, das Erinnern, moeglich ist, wenn es mir nicht gesagt wuerde.

 
   
776.
      Aber es gibt natuerlich ein “Ich glaube mich daran zu erinnern”, ob nun richtig oder falsch, – und hier kommt das Subjektive des [p|P]sychologischen zum Vorschein.

 
   
777.
      Sage ich nun, das Erlebniss des Erinnerns und das Erlebniss der Schmerzen, z.B., sind von verschiedener Art, so ist das irreleitend, da man bei “Erlebnissen verschiedener Art” vielleicht an eine Verschiedenheit wie der eines Schmerzes, eines Kitzels, und eines Gefuehls der Uebligkeit denkt. Waehrend die Verschiedenheit, von der wir reden, eher vergleichbar ist der der Zahlen 1 und i.

 
   
778.
      Woher nimmt man nun den Begriff des ‘Inhalts’ eines Erlebnisses // einer Erfahrung // . Nun, der Inhalt des Erlebnisses ist das private Objekt, das Sinnesdatum, der ‘Gegenstand’, den ich unmittelbar mit dem geistigen Auge, Ohr, etc. etc. erfasse. Das innere Bild. – Aber wo hat man diesen Begriff noetig?

 
   
779.
      Warum, wenn ich meine subjektive Erinnerung mitteile, bin ich nicht geneigt, zu sagen, ich haette den Inhalt meines Erlebnisses gbeschrieben?
– 217 –


 
   
780.
      Ja, wenn ich sage “Erinnerungen an jene Tage tauchten in mir auf”, so scheint es anders. Da bin ich geneigt von einem Inhalt der Erfahrung zu reden, und denke mit etwas wie Worte und Bilder, die vor meiner Seele auftauchen.

 
   
781.
      Ich kann Einem zeigen, wie ein bestimmter Schmerz, ein Jucken, ein Bremseln, etc. ist, indem das Gefuehl bei ihm hervorrufe und seine Reaktion, die Beschreibung, die er davon gibt, etc. beobachte. Aber kann ich so etwas im Fall des Erinnerungserlebnisses tun? – So naemlich, daß er nun sagen kann: “Ja, jetzt weiss ich, wie es ist ‘sich an etwas erinnern’.” Ja ich kann ihm natuerlich beibringen, was wir “sich an etwas erinnern” nennen
:
;
ich kann ihn den Gebrauch dieser Worte lehren. Aber kann er dann sagen: “Ja, jetzt hab ich's erfahren, wie das ist!” ((“Ja, jetzt weiss ich was Gruseln ist!”)) Wenn er es sagte, so wuerden wir uns wundern, und denken: Was mag er nur fuehlen? Denn wir fuehlen nichts besonderes // und denken “was mag er nur erfahren haben?[!| ] – denn wir erfahren nichts besonderes. //

 
   
782.
      Wenn Einer sagt “Jetzt weiss ich, was Bremseln ist”, so wissen wir, daß er's weiss, durch den ‘Ausdruck der Empfindung’: er zuckt z[s|u]sammen, bringt einen bestimmten Laut hervor, sagt, was wir auch in diesem Fall sage, findet die gleiche Beschreibung treffend, wie wir.

 
   
783.
      Und so koennte man auch wirklich von einem Gefuehl “Lang, lang ist's her!” sprechen, und diese Worte sind ein Ausdruck der Empfindung, aber nicht die: “ich erinnere mich daran, ihn oft begegnet zu haben”.

 
   
784.
      “Wenn sie vergeht, dann war es nicht die rechte Liebe.” Warum war sie es dann nicht? Ist es unsere Erfahrung, daß nur dieses Gefuehl und nicht jenes von Dauer ist? Oder gebrauchen wir ein Bild: wir pruefen die Liebe auf ihre innere Beschaffenheit, die das unmittelbare Gefuehl nicht offenbart. Aber dieses Bild ist uns wichtig. Die Liebe, also das Wichtige, ist nicht ein Gefuehl, sondern etwas tieferes, das nur in dem Gefuehl sich aeussert.
      Wir haben das Wort “Liebe” und geben diesen Titel nun dem Wichtigsten. (Wie wir den Titel “Philosophie” einer bestimmten geistigen Taetigkeit verleihen.)
– 218 –


 
   
[2|7]85.
      Wir verleihen Woe[t|r]ter, wie wir, bereits vorhandene, Titel verleihen.

 
   
786.
      “Ein neugeborenes Kind hat keine Zaehne.” – “Eine Gans hat keine Zaehne.” – “Eine Rose hat keine Zaehne.” Das Letztere ist doch offenbar wahr! Sicherer sogar, als daß eine Gans keine hat. Und doch ist es nicht so klar. Denn wo sollte eine Rose Zaehne haben? Die Gans hat keine in hrem Kiefern. Und sie hat natuerlich auch keine in den Fluegeln, aber das meint niemand, der sagt, sie habe keine Zaehne. Ja wie, wenn man sagte: Die Kuh kaut Gras mit ihren Zaehnen und duenkt dann die Rose damit, also hat die Rose Zaehne im Mund eines Tiers. Das ist darum nicht absurd, weil man von vornherein garnicht wuesste, wo man nach Zaehnen bei der Rose zu suchen hat. ((Dies haengt irgendwie mit dem Problem zusammen, daß der Satz “Die Erde hat mehr als 100.000 Jahre existiert” einen klareren Sinn hat als die der “die Erde hat in den letzten 5 Minuten existiert”. Denn, wer dies sagte, den wuerde ich fragen: “[a|A]uf welche Beobachtungen beziehst Du Dich? Was fuer Beobachtungen wuerden Deinem Satz entgegenstehen?” Waehrend ich wohl w[ie|ei]ss, zu welchem Gedankenkreis, zu welchen Beobachtungen der erste Satz gehoert.))

 
   
787.
      “Siehst Du, so ist das, wenn man sich an etwas erinnert.” So So? Wie? – – Kann man sich denken, daß [e|E]iner sagte: “Ich werde diese Erfahrung (naemlich das Erinnern) nie vergessen!”?

 
   
785.
      Ist die Erinnerung eine Erfahrung? Was erfahre ich? Und ist es eine Erfahrung, wenn das Wort “Bank” das eine, oder andere fuer mich bedeutet?
      Wieder: Was erfahre ich? – Man ist geneigt zu antworten: Ich habe das und das vor mir gesehen, mir vorgestellt.
      So sag ich es also nur – daß das Wort dies fuer mich bedeutet hat – und es ist nichts geschehen? Es waren blosse Worte? – Blosse Worte nicht; und man kann auch sagen, daß etwas geschehen ist, was ihnen entsprach – aber man kann, daß es nicht blosse Worte waren, nicht damit erklaeren, daß etwas vor sich ging was ihnen entsprach.
– 219 –
Denn die beiden Ausdruecke bedeuten einfach dasselbe.

 
   
786.
      Aber diese Worte waren doch Das Gefuehl, man sei schon frueher einmal in eben derselben Situation gewesen. Ich habe dieses Gefuehl nie gehabt.
      Wenn ich einen guten Bekannten sehe, so ist mir sein Gesicht wohl bekannt; es ist mir viel vertrauter, als wenn es mir bloss ‘bekannt vorkommt’. Aber worin besteht die Wohlvertrautheit? Habe ich, waehrend ich ihn sehe die ganze Zeit das Gefuehl der Wohlvertrautheit? Und warum will man das nicht sagen? Man moechte sagen: “Ich habe garkein besonderes Gefuehl der Vertrautheit, kein Gefuehl, das meiner Vertrautheit mit ihm entspricht.” Wenn ich sage, er sei mir aeusserst wohl bekannt, da ich ihn unzaehlige Male gesehen und mit ihm gesprochen habe, so solle das kein Gefuehl beschreiben. Und worin liegt es, daß dies kein Gefuehl beschreibt? – Wenn etwa Einer behauptete, er habe so ein Gefuehl die ganze Zeit, waehrend er den ih[n|m] wohlvertrauten Gegenstand sieht – oder wenn er sagt, er glaube, er habe so ein Gefuehl, [.| ] soll ich einfach sagen,
glaubte ihm
ich glaube es
nicht? – Oder soll ich sagen ich wisse nicht, was das fuer ein Gefuehl sei?
      Ich sehe einen guten Bekannten, und jemand fragt mich, ob mir sein Gesicht bekannt vorkommt. Ich werde sagen: nein. Das Gesicht sei das eines Menschen, den ich tausendmal gesehen habe. “Und da hast du nicht das Erlebniss der Bekanntheit – wenn Du es sogar bei einem Dir kaum bekannten Gesicht hast?!
      Wie zeigt es sich, daß ich kein Gefuehl ausdruecke, wenn ich sage: freilich sei mir das Gesicht bekannt, ja so wohlbekannt wie nur moeglich?

 
   
787.
      Warum ist es laecherlich, hier von einem [v|f]ortwaehrendem Gefuehl der Wohlvertrautheit zu reden? – “Nun, weil Du keines sp[a|u]erst.” Aber ist das die Antwort?

 
   
788.
      Ein Gefuehl der Wohlvertrautheit, das waere so etwas aehnliches, wie ein Gefuehl des Wohlbehagens. Warum scheint es richtig, hier von einem Gefuehl zu reden, und nicht dort? – Da faellt mir der besondere Ausdruck des Wohlbehagens ein. Das Schnurren der Katze etwa.
– 220 –


 
   
789.
      Und kann ich mir nicht auch einen Fall vorstellen, in dem ich sagen wuerde, es hat Einer ein staendiges Gefuehl der Wohlvertrautheit mit einem Objekt // eines Ob[k|j]ekts // ? Denke, es geht Einer in dem Zimmer umher worin er lange nicht war, und freut sich der Wohlvertrautheit aller Gegenstaende. // und geniesst die Wohlvertrautheit aller der alten Gegenstaende. // Koennte man hier nicht von einem Gefuehl der Wohlvertrautheit reden? Und warm? – Erkenne ich in mir dieses Gefuehl? Finde ich darum daß es hier Sinn hat von dem Gefuehl zu reden?

 
   
790.
      Ich denke mir, daß alle seine Handlungen einen vertrauten Ton haben. – Aber wie werde ich das wissen? – Nun dadurch, daß er mir es sagt. Er muss also gewisse Worte gebrauchen, z.B. sagen “Alles fuehlt sich so vertraut an”, oder einen anderen,
primitivern
spezifischen
, Ausdruck des Gefuehls von sich geben.

 
   
791.
      Gefuehl der Unwirklichkeit. der Umgebung. Dies Gefuehl habe ich einmal gehabt, und Viele [a|h]aben es vor dem Ausbruch von Geisteskrankheiten. Alles scheint irgendwie nicht real; aber nicht, als saehe man die Dinge unklar, oder verschwommen; es sieht alles ganz so aus wie gewoehnlich. Und wie weiss ich, daß ein Andrer gefuehlt hat, was ich gefuehlt habe? Weil er die gleichen Worte gebraucht, die auch ich treffend finde.
      Aber warum waehle ich gerade das Wort “Unwirklichkeit” zum Ausdruck? Wegen seines Klangs doch nicht. (Ein Wort mit sehr aehnlichem Klang aber anderer Bedeutung wuerde es nicht tun.) Ich waehle es wegen seiner Bedeutung. Aber ich habe doch nicht gelernt, dies Wort in der Bedeutung eines Gefuehls zu gebrauchen! Nein; aber ich habe es in einer bestimmten Bedeutung gelernt und nun verwende ich es spontan so. Man koennte sagen – obwohl das irrefuehren kann –: Wenn ich das Wort in seiner gewoehnlichen Bedeutung gelernt habe, so waehle ich sie nun zum Gleichniss fuer mein Gefuehl // Erlebniss // . Aber es handelt sich hier natuerlich nicht um ein Gleichniss, um einen Vergleich des Gefuehls mit etwas anderem.

 
   
792.
      Die Tatsache ist einfach, daß ich ein Wort, in einer be-
– 221 –
den Traeger einer
anderen
bestimmten
Technik, als Gefuehlsausdruck gebrauche. In einer neuen Art gebrauche. Und worin besteht diese neue Art der Verwendung? Nun, eines ist, daß ich sage: ich habe ein ‘Gefuehl der Unwirklichkeit’ – nachdem ich naemlich die Verwendung des Worts “Gefuehl” auf die gewoehnliche Weise gelernt habe. Auch: das Gefuehl ist ein Zustand.

 
   
793.
      Zorn. “Ich hasse ....” ist offenbar der Ausdruck des Hasses, “Ich bin zornig” selten der Ausdruck des Zorns. Ist Zorn ein Gefuehl? Und warum ist es keins? – Vor allem: Was tut Einer, wenn er zornig ist? Wie benimmt er sich? Mit andern Worten: Wann sagt man, Einer sei zornig? Nun und in solchen Faellen lernt er den Ausdruck gebrauchen: “Ich bin zornig”. Ist es der Ausdruck eines Gefuehls? – Und warum sollte es der Ausdruck eines Gefuehls, oder von Gefuehlen, sein?

 
   
794.
      So ist also der Zorn kein Erlebnis? – Ist es eins, wenn ich, sagen wir, meine Faust balle, oder einen Satz ausspreche, oder niederschreibe?

 
   
795.
      Nimm die verschiedenen psychologischen Phaenomene: Denken, Schmerz, Zorn, Freude, Wunsch, Furcht, Absicht, Erinnerung, etc. – und vergleich das Benehmen, das jedem entspricht[,| .] – Aber was gehoert hier zum Benehmen? Nur das Spiel des Gesichtsausdrucks und die Gebaerden? oder auch die Umgebung, sozusagen der Anlass deses Ausdrucks? Und wenn man nun auch die Umgebung einbezieht, – wie ist dann das Verhalten beim Zorn und beim Erinnern, z.B., miteinander zu vergleichen?

 
   
796.
      Ist das nicht, als sagte man: “Vergleiche verschiedene Zustaende des Wassers” – und meint damit seine Temperatur, die Geschwindigkeit, mit der es fliesst, die Farbe etc.?

 
   
797.
      Zu dem Benehmen der Menschen gehoert natuerlich nicht nur, was sie tun, ohne je ein Benehmen gelernt haben, sondern auch, was sie tun (also z.B. sagen) nachdem sie eine Abrichtung erhalten haben. Und dies Benehmen hat seine Wichtigkeit im Bezug auf die besondere Abrichtung. – Hat z.B. Einer gelernt – die Worte “ich freue mich” zu verwenden, wie ein Anderer die
– 222 –
Worte “ich fuerchte mich”, so werden wir hier aus dem gleichen Benehmen ungleiche Schluesse ziehen.

 
   
798.
      “Aber kann er sich nicht fuerchten, auch wenn er's nie aeussert?” – Was bedeutet dieses “kann”? Soll es heissen: “Kommt es vor, daß Einer sich fuerchtet, ohne es je zu sagen?” – Nein. Eher: “Hat es Sinn, z.B. diese Frage zu stellen?” Oder: hat es Sinn, wenn uns ein Novellist erzaehlt, jemand habe sich gefuerchtet, es aber nie geaeussert? Nun, es hat Sinn. Aber welchen? Ich meine: – Wo und wie wird so ein Satz verwendet? Wenn ich frage “Welchen Sinn hat es?” – so will ich nicht, daß mir mit einem Bild, oder einer Reihe von Bildern geantwortet wird – sondern mit der Beschreibung von Situationen.

 
   
799.
      “Aber Depression ist doch ein Gefuehl; Du willst doch nicht sagen, daßn Du bedrueckt bist und es nicht spuerst? Und wo spuerst du es?” Da kommt es drauf an, was man “spueren” nennt. Richte ich meine Aufmerksamkeit // meinen Blick // auf meine Koerpergefuehle, so merke ich einen sehr leichten Kopfschmerz, ein leichtes Unbehagen in der Magengegend; vielleicht eine gewisse Muedigkeit. Aber meine ich das, wenn ich sage, ich sei schwer bedrueckt? – Und doch sage ich wieder: “Ich fuehle ein Gewicht auf meiner Seele lasten”. “Nun, ich kann es nicht anders ausdruecken!” – Aber wie merkwuerdig, daß ich es so sage und nicht anders ausdruecken kann!

 
   
800.
      Meine Schwierigkeit ist ganz aehnlich der eines Menschen, der einen neuen Kalkuel erfindet (die Differentialrechnung etwa) und einen Symbolismus sucht.

 
   
801.
      Die Depression ist kein Koerpergefuehl: Denn wir lernen den Ausdruck “ich fuehle mich bedrueckt” nicht unter den Umstaenden, die ein bestimmtes Koerpergefuehl kennzeichnen.

 
   
802.
      “Aber die Bedrueckung, der Zorn, ist doch ein bestimmtes Gefuehl!” – Was fuer ein Satz ist das? Wo wird er verwendet?

 
   
803.
      Die Unsicherheit: ob ein Mensch wirklich dies Gefuehl hat, oder sich nur so stellt. Aber natuerlich ist es auch unsicher, ob er sich nicht nur so stellt, als verstelle er sich. Nur ist diese Verstellung seltener und hat nicht so leicht verstaendliche Gruende. – Worin besteht aber diese Unsicherheit? Bin ich wirklich immer im Ungewissen darueber, ob Einer wirklich
– 223 –
zornig, traurig, froh etc. etc. ist? Nein. So wenig, wie darueber, daß ich ein Schreibbuch vor mir und eine Feder in der Hand habe, oder darrber, daß das Buch fallen wird, wenn ich es auslasse, oder darueber, daß ich mich nicht verrechnet habe wenn ich sage 25 × 25 sei 125. Aber das ist wahr: Ich kann nicht Kriterien angeben, die das Vorhandensein der Empfindung ausser Zweifel setzen; und das heisst: es gibt solche Kriterien nicht. – Was ist das aber fuer eine Tatsache? Ist es eine psychologische, die Empfii Empfindungen betreffend? Man wird sagen wollen, es liege im Wesen der Empfindung, oder des Ausdrucks der Empfindung. Ich koennte sagen: es ist eine Eigentuemlichkeit unseres Sprachspiels. – Aber wenn das auch wahr ist, so uebergeht es doch eine Hauptsache: In gewissen Faellen bin ich in Unsicherheit darueber, ob der Andere Schmerzen hat oder nicht, ich ruhe z.B. nicht sicher in meinem Mitleid mit ihm, und keine Aeusserung kann diese Unsicherheit beheben. – Ich sage dann etwa: “Er koennte sich ja doch auch jetzt verstellen”. Aber warum soll es notwendig sein, daß er sich verstellt; denn [v|V]erstellung ist ja nur ein ganz spezieller Fall davon, daß Einer Schmerz aeussert und nicht fuehlt. Ein bestimmtes Gift koennte ihn in einen Zustand versetzen, in welchem er ‘als [a|A]utomat handelt’, sich nicht verstellt, aber nichts fuehlt, obgleich er Gefuehle aeussert. Ich denke mir etwa, dies Gift bewirk[t|e] es, daß er einige Zeit nach einer wirklichen Krankheit alle Handlungen seiner Krankheitszeit genau, der Reihe nach, wiederholt, waehrend die objektive Krankheit, die Schmerzursachen z.B., aufgehoert haben zu existieren. Wir haben dann mit ihm so wenig Mitleid, wie mit Einem unter Narkose. Wir sagen, er wiederhole alle Aeusserungen des Schmerzes etc. rein automatisch, verstelle sich dabei natuerlich nicht.

 
   
804.
      “Ich kann nie wissen, was in ihm vorgeht; er weiss es immer.” Ja, wenn man philosophisch denkt, moechte man das sagen. Aber welcher Sachlage entspricht diese Aussage? ¤ Wir hoeren taeglich, daß der Eine vom Andern sagt, er habe Schmerzen, sei traurig, lustig, etc., ohne die Spur des Zweifels; und verhaeltnismaessig selten, daß man nicht wisse, was in ihm vorgeht. So ist es also nicht so schlimm mit der Ungewissheit. Und es kommt auch vor, daß man sagt: “Ich weiss, daß Du damals so gefuehlt hast, auch wenn Du's jetzt nicht wahr haben willst.”
– 224 –
¤ // Aber welcher Sachlage entspricht so eine
Behauptung
Aussage
? //


 
   
805.
      Das Bild “Er weiss es, – ich weiss es nicht” ist eins, das die // unsere // Unwissenheit in einem besonders iritierenden Licht erscheinen laesst. Es ist aehnlich, wie wenn man einen Gegenstand in verschiedenen Laden sucht, und sich dabei sagt, Gott wisse die ganze Zeit, wo er wirklich ist, und daß wir ganz vergebens diese Lade durchsuchen.

 
   
806.
      “Jeder Mensch weiss, daß er Schmerzen hat” – und weiss er auch ganz genau, wie stark seine Schmerzen sind?

 
   
807.
      Die Unsicherheit der Aussage “Er hat Schmerzen” koennte man eine konstitutionelle nennen.

 
   
808.
      Das Kind, das sprechen lernt, lernt den Gebrauch der Worte “Schmerzen haben” und lernt auch, daß man ◇◇◇ Schmerzen heucheln kann. // und lernt auch Schmerzen heucheln. // Dies gehoert zu dem Sprachspiel, daß es lernt.
      Oder auch: Es lernt nicht nur den Gebrauch von “Er hat Schmerzen”, sondern auch von “Ich habe glaube, er hat Schmerzen”. (Aber natuerlich nicht von “Ich glaube, ich habe Schmerzen”.)

 
   
809.
      “Er kann auch Schmerzen heucheln” – das heisst doch: er kann sich benehmen, als haette er sie; ohne sie zu haben. Gewiss; und so ein Satz unterstreicht natuerlich ein bestimmtes Bild; aber wird dadurch die Verwendung von “Er hat Schmerzen” beeinflusst // geaendert // ?

 
   
810.
      Wie aber, wenn Einer sagen wuerde: “Schmerzen haben und Schmerzen heucheln sind von einander sehr verschiedene Zustaende der Seele // Seelenzustaende // , die den gleichen Ausdruck im Benehmen haben koennen”?

 
   
811.
      So hat also geheuchelter Schmerz und wahrer Schmerz den gleichen Ausdruck? Und wie unterscheidet man sie also? Wie weiss ich, daß das Kind, welches ich den Gebrauch des Wortes “Schmerz” lehre, mich nicht mi[ss|ßs]versteht und also immer das “Schmerz” nennt, was ich “geheuchelter Schmerz” nenne?

 
   
812.
      Angenommen, es erklaert Einer das Lehren des Gebrauchs des Wortes “Schmerz” in dieser Weise: Wenn das Kind sich
– 225 –
bei bestimmten Anlaessen so und so benimmt, denke ich, es fuehle, was ich in solchen Faellen fuehle; und enn ich mich darin nicht irre, so assoziert das Kind das Wort mit seinem Gefuehl und gebraucht das Wort, wenn das Gefuehl wieder auftritt. –
      Diese Erklaerung ist wohl richtig; aber was erklaert sie? Oder: Welche Art der Unwissenheit behebt sie? – Sie sagt uns z.B., daß der Mensch dies Wort nicht mit einem Benehmen, oder einem ‘Anlass’ assoziiert. Wer also nicht wuesste, ob das Wort “Schmerz” ein Gefuehl oder ein Benehmen bezeichnet, den wuerde die Erklaerung belehren. Sie sagt auch, daß das Wort nicht einmal fuer das eine, einmal fuer das andere Gefuehl verwendet wird, – wie es ja auch sein koennte.

 
   
813.
      Die Erklaerung sagt, daß ich das Wort falsch gebrauche, wenn ich es spaeter fuer ein anderes Gefuehl gebrauche. Eine ganze Wolke von Philosophie kondensiert zu einem Troepfchen symbolischer Pra[i|x]is.

 
   
814.
      Warum sollten die Worte “Ich glaube, er hat Schmerzen” nicht blosser Wahnsinn sein? Etwa als sagte Einer “Ich glaube meine Zaehne sind in seinem Mund”.

 
   
815.
      Ein Stamm: Die Leute verstellen sich oft, liegen auf einem Weg anscheinend krank und in Schmerzen; kommt man ihnen zu Hilfe, so fallen sie den Helfenden an. Fuer dies Verhalten hat der Stamm ein bestimmtes Wort.

 
   
816.
      Statt “Es ist unsicher, ob er Schmerzen hat” koennte man auch sagen: “Sei gegen seine Schmerzaeusserungen misstrauisch!” – Und wie macht man das?

 
   
817.
      Glauben, daß der Andere Schmerzen hat, zweifeln, ob er sie hat, sind so viele natuerliche Arten des Verhaltens zu den andern Menschen; und unsere Sprache ist nur ein Hilfsmittel und ein weiterer Ausbau dieses Verhaltens. Ich meine: unser Sprachspiel ist ein Ausbau des primitiveren Benehmens. (Denn unser Sprachspiel ist Benehmen.)

 
   
818.
      “Ich bin nicht sicher, ob er Schmerzen hat.” – Wenn sich nun Einer immer, wenn er dies sagt, mit einer Nadel staeche, um die Bedeutung des Wortes Schmerz lebhaft vor der Seele zu
– 226 –
haben und zu wissen, worueber er beim Andern im Zweifel ist! Waere nun der Sinn seiner Aussage gesichert, dadurch daß er sich Schmerz [s|z]ufuegt // Sc[g|h]merz fuehlt // , waehrend er sie macht? Er wuesste doch jetzt, was er beim Andern bezweifelt! – Aber wie wird er, was er nun fuehlt, beim Andern bezweifeln? Wie wird er den Zweifel an sein Gefuehl ankn[ue|ü]pfen? Ja, was ist der Weg von seinem Schmerz zum Andern? Ja, kann er wirklich den Schmerz des Andern besser bezweifeln, wenn er selbst dabei Schmerz fuehlt? Muss ich, um Zweifeln zu koennen, ob Einer eine Kuh hat, selbst eine haben?

 
   
819.
      Er hat also den wahren Schmerz; und der Besitz dessen // dieses dieses // ist es, was er beim Andern bezweifelt. – Aber wie macht er das nur? – Es ist, als sagte ich Einem: “Hier hast Du einen Sessel; siehst Du ihn? Und nun uebersetze ihn ins Franzoesische!”.

 
   
820.
      Er hat also den wahren // echten // Schmerz – und nun weiss er, was er beim Andern bezweifeln soll. Er hat den Gegenstand vor sich; und es ist kein ‘Benehmen’, oder dergleichen. (Aber jetzt!) Zum Bezweifeln, ob der Andere jetzt Schmerz fuehlt, muss ich den Beegriff des Schmerzes haben; nicht Schmerzen. Und es ist wohl wahr, daß man mir diesen Begriff mitteilen koennte, indem man mir Schmerz zufuegt.

 
   
821.
      Es waere eben so unrichtig, den Begriff des Verstehens der Bedeutung durch ein Erlebniß der Bedeutung zu erklaeren, wie den der Wirklichkeit und Unwirklichkeit durch das Erlebnis der Unwirklichkeit; oder den Begriff der Gegenwart eines Mensche[i|n] durch das Gefuehl einer Gegenwart. Eben so gut koennte man, was Schach ist, durch ein Schachgefuehl erklaeren wollen.

 
   
822.
      “Aber man kann doch die Figur als Pfeil und als Vogelfuss sehen, auch wenn man es nie jemandem mitteilt.” Und das wieder heisst: es hat Sinn, zu sagen: jemand saehe die Figur einmal so, einmal so, ohne es je jemandem mitzuteilen. – Ich will nicht sagen, es habe keineen Sinn, aber der Sinn ist nicht so ohne weiteres klar. – Ich weiss z.B., daß Leute von einem Gefuehl der Unwirklichkeit reden, sie sagen es scheine ihnen alles unwirklich; und nun sagt man: es koennte den Menschen alles unwirklich vorkommen, auch wenn sie's nie jemand mitgeteilt haetten. Wie weiss man so ohne weiteres, daß es Sinn hat zu
– 227 –
sagen “es kommt diesem Menschen vielleicht alles unwirklich vor, obwohl er nie davon spricht”. Ich habe hier natuerlich mit Absicht ein sehr seltenes Erlebnis gewaehlt. Denn weil es nicht eins von den al[t|l]taeglichen Erlebnissen ist, sieht man schaerfer auf den Gebrauch der Worte. – Ich moechte sagen: Es hat mit knapper Not Sinn, auszurufen “Es ist alles unwirklich!” – und schon weiss man, daß auch jene andere Aussage Sinn hat! – Oder auch so: Es sagt mir Einer “M[o|i]r sch erscheint alles unwirklich”. Ich weiss kaum, was das heisst – und doch w[ie|ei]ss ich schon, daß es Sinn haette, zu sagen, etc. etc. Nun, das liegt natuerlich daran, daß er ein Erlebnis mit dem Satz beschreibt; d.h., daß es eine psychologische Aussage ist.

 
   
823.
      D.h.: wenn Einer einen Seelenzustand aeussert, so kann er ihn auch gehabt haben, ohne ihn zu aeussern. Das ist eine Rede. Aber was ist der Zweck eines Satzes, der sagt, N. habe vielleicht das Erlebnis E. gehabt, aber es nie geaeussert? Nun, eine Anwendung des Satzes kann man sich jedenfalls denken. Angenommen z.B. man faende eine Spur des Erlebnisses im Gehirn und sagt nun, es zeige sich, er habe vor seinem Tode noch das und das gedacht, oder gesehen, etc. Man koennte eine solche Anwendung fuer kuenstlich und weithergeholt halten; es ist aber wichtig, daßs sie moeglich ist.

 
   
824.
      Wenn es eine Versuchung gibt, die Differentialrechnung als Kalkuel mit unendlich kleinen Groessen anzusehen, so ist es begreiflich, daß in einem andern Fall eine analoge // aehnliche // Versuchung noch viel maechtiger sein kann, – wenn sie naemlich von unsern Sprachformen rund herum genaehrt wird; und man kann sich denken, daß sie unwiderstehlich w[o|i]rd.

 
   
825.
      “Ich habe Zahnschmerzen gehabt” – wenn ich das aga,e sage, so erinnere ich mich nicht an mein Benehmen, sondern an meinen Schmerz. Und wie geschieht das? Es schwebt einem wohl ein mattes Bild des Schmerzes vor? – Ist es also, als haette man sehr schwache Schmerzen? “Nein; es ist eine andere Art von Bild; etwas Spezifisches.” Ist es also so, als haette Einer nie ein gemaltes Bild gesehen, sondern immer nur Buesten, und man sagte ihm “Nein, ein Gemaelde ist ◇◇◇ ganz anders als eine Bueste, es ist eine ganz andere Art von Bild.” Es waere etwa moeglich, daß man es weit schwieriger
– 228 –
faende einem Blinden begreiflich zu machen, was ein Gemaelde, als was eine Bueste ist.

 
   
826.
      Aber das Wort “spezifisch” (oder ein analoges), das man hier gern verwenden moechte, hilft nicht. Es ist so wenig ein Auskunftsmittel, wie das Wort “undefinierbar”, wenn Einer sagt, die Eigenschaft “gut” sei undefinierbar.
      Was wir wissen, ueberse[s|h]en wollen, ist der Gebrauch des Wortes “gut”, und ebenso der des Wortes “erinnern”.
      Denn man kann nicht sagen: “Du kennst doch das spezifische Erinnerungsbild”. Ich kenne es nicht. – Ich kann freilich sagen: “Ich kann Herrn N. nicht beschreiben, aber ich kenne ihn”; aber das heisst, daß ich ihn wiedererkenne, nicht, daß ich ihn wieder zu erkennen glaube.

 
   
827.
      Daß es Sinn hat, zu sagen, Einer habe ein Gefuehl gehabt, ohne es je mitzuteilen, haengt damit zusammen, daß es Sinn hat, zu sagen: “Ich habe damals das gefuehlt; ich erinnere mich daran”.
      Den Zusammenhang koennte man so erklaeren: Man wird doch nicht sagen: “Wenn ich nie gesagt haette, daß ich damals Schmerzen hatte, so haette ich auch keine gehabt”.

 
   
828.
      “Ich weiss doch, was es heisst ‘Er hat Schmerzen’.” Heisst das, daß ich mir's vorstellen kann? Und worin laege die [A|W]ichtigkeit des Vorstellens?
      Daß ich zur Erklaerung dieses Satzes jeder Zeit zur Erinnerung an meine eigenen Schmerzen, oder dazu uebergehen kann, in mir jetzt Schmerzen hervorzurufen, etc., ist allerdings wichtig.

 
   
829.
      Wie lernt Einer, ein Stueck Zucker “Zucker” benennen? Wi[,|e], der Aufforderung “Gib mir ein Stueck Zucker” folgen? Wie, die Worte “Bitte um ein Stueck Zucker” – also den Ausdruck des Wunsches?! Wie, den Befehl “Wirf!” verstehen; [U|u]nd wie den Ausdruck der Absicht “Ich werde jetzt werfen”? Wohl, – die Erwachsenen moegen es Dem Kind vormachen, das Wort aussprechen und gleich dara[fu|uf] werden, – aber nun muss das Kind das nachmachen. (“Aber das ist doch nur der Ausdruck der Absicht, wenn das Kind wirklich die Absicht im Geiste hat.” – Aber wann sagt man denn, dies sei der Fall?)
– 229 –

      Und wie lernt es, den Ausdruck gebrauchen “Ich war damals im Begriffe zu werfen”? Und wie weiss man, daßs es damals wirklich in jenem Seelenzustand war, den ich “im Begriffe sein ....” nenne? Nachdem ihm die und die Sprachspiele beigebracht wurden, gebraucht es bei den und den Anlaessen die Worte, die die Erwachsenen in solchen Faellen ausgesprochen haben, oder es gebraucht eine primitivere // spontane // Ausdrucksweise, die die wesentlichen Beziehungen auf das frueher [g|G]elernte enthaelt, und die Erwachsenen ersetzen die primitivere durch die regelrechte Ausdrucksweise.

 
   
830.
      Das Neue Neue (Spontane, ‘Spezifische’) ist ein Sprachspiel.

 
   
831.
      “Aber hat es denn alle diese Erscheinungen – des Schmerzes, des Wunsches, der Absicht, der Erinnerung, usf. – nicht gegeben, ehe es eine Sprache gab?” – Welches ist die Erscheinung des Sch[e|m]erzes? – “Was ist ein Tisch?” – “Nun das z.B.!” Und das ist freilich eine Erklaerung; aber was sie lehrt ist die Technik des Gebrauchs des Wortes “Tisch”. Und nun ist die Frage: Welche Erklaerung entspricht ihr im Falle einer ‘Erscheinung’ des Seelenlebens? Nun es gibt hier keine Erklaerung, die man ohne weiteres als die homologe anerkennen kann.

 
   
832[| .]
      Man kann fragen: Schwebt mir denn immer, wenn ich ein Wort verstehe, etwas bei dem Wort vor?! (Aehnlich ist: “Findet stets, wenn ich einen wohlbekannten Gegenstand ansehe // ein wohlbekanntes Wort hoere // , ein Wiedererkennen statt?”)

 
   
833[| .]
      Es gibt aber das Phaenomen, daß ein ausser jedem Zusammenhang gehoertes Wort – z.B. – fuer ein fluechtigen Augenblick die eine, gleich darauf aber die andere Bedeutung hat; daß, wenn man das Wort ein paar mal nacheinander ausspricht, es jede ‘Bedeutung’ verliert; und dergleichen. Und hier handelt s[t|i]ch's um ein Vorschweeben.



 
   
834.
      Was wuerden wir vom Menschen sagen, die die Worte “Ich sehe diese Figur jetzt als ...., jetzt als ....[?| ] nicht verstuenden? Wuerde ihnen ein wichtiger Sinn fehlen; ist es aehnlich, als waeren sie blind; oder farbenblind[| ;] oder ohne absolutes Gehoer?
– 230 –


 
    
    
   
837.
      Wie kann das Ausbleiben eines Erlebnisses beim Hoeren des Wortes das Rechnen mit Worten hindern, oder beeinflussen?

 
   
838.
      Denk Dir Leute, die nur laut denken und nur zeichnend vorstellen. Oder vielleicht waere es richtiger, zu sagen: die dort zeichnen, wo wir uns etwas vorstellen. Der Fall, wo ich mir meinen Freund N vorstelle und entspricht dann nicht dem, daß der Andere ihn zeichnet; sondern er muss ihn zeichnen und dazu sagen, oder schreiben, daß das sein Freund N ist. – Wenn er aber zwei Freunde hat, die einander aehnlich sind und den gleichen Namen haben? und ich frage ihn “Welchen hast Du gemeint; den gescheiten, oder den dummen?” – Darauf koennte er nicht antworten. Wohl aber auf die Frage “Welchen von ihnen stellt das vor?” – In diesem Falle ist die Antwort
– 231 –
einfach eine weitere Benuetzung des Bildes, nicht die Aussage ueber ein Erlebnis.

 
   
839.
      Vergleiche James's Idee, der Gedanke sei schon bei Beginn des Satzes fertig, mit der der Blitzesschnelligkeit des Gedankens und dem Begriff der Absicht, das und das zu sagen. Der Gedanke sei schon am Anfang des Satzes fertig (und warum nicht zu Anfang des hervorgehenden?) heisst dasselbe wie: Wenn Einer nach dem ersten Wort unterbrochen wird und Du fragst ihn
spaeter
dann
“Was wolltest Du damals sagen”, so kann er – wenigstens oft – die Frage beantworten. Aber auch hier sagt James , was wie eine psychologische Aussage klingt und keine ist. Denn, ob der Gedanke schon zu Anfang des Satzes fertig war, das muesste doch durch die Erfahrung der einzelnen Menschen
gezeigt
bewiesen
werden.

 
   
840.
      Nun koennen wir aber auch oft die Frage nicht beantworten, was wir damals hatten sagen wollen. Aber in diesem Falle sagen wir, wir haetten es vergessen. Waere es nun denkbar, daß Leute in solchen Faellen antworteten: “Ich habe nur diese Worte gesagt; wie soll ich wissen, was danach gekommen waere?” –

 
   
841.
      Wer sagt “Als ich das Wort hoerte, bedeutete es fuer mich ....”, bezieht sich damit auf einen Zeitpunkt und auf eine
Technik.
Verwendung des Worts.
–– Das Merkwuerdige daran ist natuerlich dieB Beziehung auf den Zeitpunkt. Koennten
      Die wuerde der ‘Bedeutungsblinde’ verlieren.

 
   
842.
      Und wer sagt “Ich wollte damals fortsetzen: ....” – der bezieht sich auf einen Zeitpunkt und auf eine Handlung.

 
   
843.
      Wenn ich von den wesentlichen ◇◇◇ Bezuegen der Aeusserung rede, so geschieht es, weil dadurch die unswesentlichen besondern Ausdruecke unserer Sprache in dem Hintergrund treten. Und der Aeusserung wesentlich sind die Bezuege, wenn sie uns veranlassen wuerden, einen uns im uebrigen ungewohnten Ausdruck in den gebraeuchlichen zu uebersetzen.
– 232 –


 
   
844.
      Wie, wenn nun Einer nie sagte “Ich wollte damals dies tun” und man ihn auch nicht lehren koennte, so einen Ausdruck zu gebrauchen? Es ist doch klar, daß Einer viel denken kann, ohne das zu denken. Er kann ein grosses Gebiet der Sprache beherrschen, ohne dis zu beherrschen. Ich meine nun: er erinnert sich an seine Aeusserungen, auch etwa daran, das und das zu sich selbst gesagt zu haben. Er wird also z.B. sagen “Ich sagte zu mir selbst ‘ich will dorthin gehen’”, auch vielleicht “Ich stellte mir das Haus vor und ging den Weg, der dazu fuehrt”. Das Charakteristische ist hier, daß er seine Intentionen in der Form von Gedanken oder Bildern hat und sie daher immer ersetzbar waeren durch das Aussprechen eines Satzes, oder Sehen eines Bildes. Die ‘Blitzesschnelle’ des Gedankens fehlt ihm. – – Soll das aber nun heissen, daß er sich oft wie ein Automat bewegt; etwa auf der Strasse geht und Einkaeufe macht; wenn man ihn aber trifft und fragt “Wohin gehst Du?” – daß er einen dann anstarrt, als waere er im Schlaf gegangen? – Er wird auch nicht antworten “Ich weiss nicht”. Oder wird ihm, oder uns, sein Handeln planlos vorkommen? Ich sehe nicht ein, warum!
      Wenn ich etwa zum Baecker gehe, so sage ich mir vielleicht “Ich brauche Brot” und gehe den gewohnten Weg. Fragt man ihn “Wohin gehst Du?”, so will ich annehmen, er antwortet mit dem Ausdruck der Absicht, so wie wir. – Wird er aber auch sagen “Als ich vom Hause wegging, wollte ich zum Baeck[r|e]r gehen, jetzt aber ....”? Nein; aber sollen wir sagen, daß er deshalb gleichsam schlafwandelnd sich auf den Weg gemacht hat?

 
   
845.
      Ist es aber nicht sonderbar, daß wir solche Menschen dann nicht begegnen, bei der grossen Varietaet der Menschen? Oder finden sich diese Leute eben unter den Geistesschwachen; und es wird nur nicht genuegend beobachtet, welcher Sprachspiele diese faehig sind und welcher nicht?

 
   
846.
      Plato sagte, das Denken sei ein Gespraech. Waere es wirklich ein Gespraech, so koennte man nur die Worte des Gespraechs berichten und die aeussern Umstaende, unter denen es [f|g]efuehrt wurde, aber nicht auch die Meinung, die diese Worte damals fuer den Sprecher hatten. Sagte Einer zu sich selbst (oder laut) “Ich hoffe bald den N zu sehen.”, so haette es keinen Sinn zu fragen: “Und welchen Menschen dieses Namens
– 233 –
hast Du damals gemeint?” Er hat eben nur diese Worte gesagt.
      Aber koennte ich mir nicht denken, daß er nun dennoch auf bestimmte Weise fortsetzen will, so daßs ich ihn fragen kann “Und meinst Du nun jemand mit diesem Namen, und wen?”
      Und angenommen, er koennte nun fuer gewoehnlich fortsetzen, seine Worte erklaeren, – worin laege der Unterschied zwischen ihm und uns? – Er koennte jeden Gedankeng woertlich berichten. Wenn er also sagte “Ich habe gerade an N gedacht” und wir ihn fragten “Wie hast Du an ihn gedacht?”, so kann er das immer beantworten, es sei denn, er sagt, er habe es vergessen.

 
   
847.
      Jemand, der mir sagt “N hat mir geschrieben”, kann ich doch fragen “Welchen N meinst Du?” – und muss er, um mir antworten zu koennen, sich auf ein Erlebnis beziehen beim Aussprechen des Namens? – Und wenn er nun bloss den Namen N ausspraeche – vielleicht als Einleitung zu einer Aussage ueber N –, kann ich ihn nicht ebenso fragen “Wen meinst Du?” und er ebenso antworten?

 
   
848.
      Man spricht ja wirklich oft bloss den Namen eines Menschen aus, etwa in einem Seufzer. Und der Andere fragt nun “[w|W]en hast Du gemeint?”
      Und wie wird nun unser Bedeutungsblinder handeln? Wird er nicht so seufzen; oder nichts auf die Frage antworten koennen; oder antworten “Ich meine … ”, st[t|a]tt “Ich habe … gemeint”?

 
   
849.
      Stellen Dir einen Deiner Bekannten vor? Nun sag, wer es war! – Manchmal kommt das Bild zuerst und der Name spaeter. Aber heisst das, daß ich den Namen nach der Aehnlichkeit des Bilds errate? – Und wenn nun der Name erst spaeter folgt, soll ich sagen, die Vorstellung des Bekannten war schon mit dem Bild da, oder sie war erst mit dem Namen komplett? Ich habe ja auf den Namen nicht aus der Aehnlichkeit des Bildes geschlossen; und eben darum kann ich sagen, die Vorstellung waere schon mit dem Bild da gewesen.
– 234 –


 
   
850.
      “Ich muss zur Bank gehen und Geld holen.” – Wie hast Du diesen Satz verstanden? Muss diese Frage etwas anderes heissen als: “Wie wuerdest Du diesen Satz erklaeren, welche Handlung auf ihn erwarten, etc.? Wenn der Satz unter verschiedenen Umstaenden ausgesprochen wird, so daßs das Wort “Bank” einmal offenbar das, einmal etwas anderes bedeutet, – muss da etwas besonderes beim Hoeren des Satzes vorgehen, damit Du ihn verstehst? Werden hier nicht alle Erlebnisse des Verstehens vom Gebrauch, von der Praix Praxis des Sprachspiele zugedeckt? Und das heisst nur: Solche Erlebnisse interessieren uns hier garnicht.

 
   
851.
      Wenn ich den Milchmann kommen sehe, hole ich meinen Kru[f|g] und gehe ihm entgegen. Erlebe ich ei[i|n] Beabsichtigen? Nicht daßs ich wusste. (So wenig vielleicht, wie ich versuche zu gehen, um zu gehen.) Wenn ich aber aufgehalten und gefragt wuerde “Wohin wolltest Du mit dem Krug?”, wuerde ich meine Absicht aussprechen.

 
   
852.
      Wenn ich nun z.B. sage “Ich bin aufgestanden, um zum Milchwagen zu gehen”, – soll man das wie die Beschreibung eines Erlebnisses des Beabsichtigens nennen? Und warum ist das irreleitend? Darum, weil es hier keinen ‘Ausdruck’ eines Erlebnisses gab?

 
   
853.
      Wenn ich aber sage “Ich bin aufgestanden, um ...., dann aber besann ich mich und ....” – wo liegt hier das Erlebnis[s|,] und wann geschah es? War das Erlebnis nur das ‘sich besinnen’, ‘sich anders entscheiden’?

 
   
854.
      Ich nehme den Milchkrug, gehe ein paar Schritte, dann sehe ich, daß er nicht rein ist, sage “Nein!” und gehe zur Wasserleitung. Dann beschreibe ich, was vorging, und nenne meine Absichten. Hatte ich sie nun nicht? Freilich! Aber nochmals: ist es nicht irrefuehrend, sie “Erlebnisse” zu nennen? wenn man naemlich, was ich zu mir selbst sagte, mir vorstellte, etc. auch so nennt! (Es waere eben auch irrefuehrend, die Absicht ein “Gefuehl” zu nenen.)
– 235 –


 
   
855.
      Und es fragt sich nun, ob, aus dem selben Grunde, es nicht gaenzlich irrefuehrend war, vo[m|n] ‘Gestaltblindheit’ oder ‘Bedeutungsblindheit’ zu reden (so also redete man von ‘Willensblindheit’, wenn Einer sich passiv verhaelt). Denn blind ist eben der, der eine Empfindung nicht hat. (Denn Schwachsinnigen – z.B. – kann man nicht mit de[n|m] Blinden vergleichen.)

 
   
856.
      Als ich das erste zeichnete, war es die Haelfte eines Kreises, das zweite war die Haelfte einer S-Linie; das dritte war ein Ganzes.

 
   
857.
      “Ich zweifle nicht, daß das oft der Fall geschieht” – Wenn Du das in einem Gespraech sagst, kannst Du wirklich glauben, daß Du beim Reden zwischen den Bedeutungen der Woerter ‘daß’ und ‘das’ untersch[i|e]idest?

 
   
858.
      Gegen die Fi[c|k]tion d von Menschen die nur laut denken koennen, koennte man diesen Einwand machen wollen: Angenommen, so einer sagte “Als ich vom Hause wegging, sagte ich mir ‘ich muss zum Baecker gehen’” – koennte man ihn denn nicht fragen: “Hast Du aber diese Worte wirklich gemeint? Du konntest sie ja auch als Sprachuebung, oder als Zitat oder zum Spass, oder um jemand irrezufuehren gesagt haben.” [.| ] Das ist wahr. Aber lag also, welches er tat, in dem Erlebnis, das die Worte beg[el|le]itete? Was spricht fuer so eine Beha[ur|up]tung? Wohl, daß der Gefragte antworten kann “Ich habe den Satz so gemeint”, ohne dies aus aeussern Umstaenden zu schliessen.

 
   
859.
      Man will freilich sagen, wer sich daran erinnert, diese Worte gemeint zu haben, erinnere sich an das Erlebnis einer gewissen Tiefe, einer Resonanz. (Haette er's nicht gemeint, so haette er diese Resonanz nicht gehabt.) Aber ist das nicht bloss eine Taeuschung (aehnlich der, wenn Einer glaubt, er spuere das Denken im Kopf)? Man macht sich ein Bild der Vorgaenge mittels ungeeigneter Begriffe. (Vergl. James.)

 
   
860.
      Mach diesen Versuch: Sag Dir ein mehrdeutiges Wort (“sondern”). Wenn Du es nun z.B. als Verbum erlebst, so versuch, dies Erlebnis festzuhalten, daß es andauert. –
– 236 –
Sagst Du das Wo[t|r]t oefter vor Dich hin, so verliert es seine Bedeutung fuer Dich; und nun frag Dich, ob, wenn Du's im gewoehnlichen Sprechen als Verbun gebrauchst, das Wort sich nicht vielleicht so anfuehlt, wie wenn es be[o|i]m oeftern Wiederholen seine Bedeutung verloren hat. – Aus der Erinnerung kannst Du gewiss nicht das Gegenteil bezeugen. Sondern man findet nur, daß es a priori nicht anders sein koenne.

 
   
861.
      Es ist ganz gleichgueltig, ob man sagt, man projeziere erst spaeter die Deutung von “sondern” in das Erlebnis waehrend des Aussprechens. Denn es ist hier zwischen Projezieren und Beschreiben kein Unterschied.

 
   
862.
      Man kann eine Zeichnung fuer einen wirklichen Wuerfel halten; aber auch, im selben Sinne, ein Dreieck fuer liegend oder stehend? – “Als ich naeher kam, sah ich, daß es nur eine Zeichnung war.” Aber nicht: “Als ich genauer hinblickte, sah ich, daß dies die Grundlinie und dies die Spitze war.”

 
   
863.
      Meine Worte, “Als Du zu reden anfingst, dachte ich, Du meintest … ” knuepfen an den Anfang seiner Rede an und an eine Vorstellung, die ich dabei hatte. – Und es ist natuerlich moeglich, daß jemand so etwas nie tut. Ich nehme aber an, er koenne am Ende die Frage “Von welchem N habe ich geredet?” beantworten. Und es ist natuerlich moeglich, daß er sie anders beantwortet haette, wenn ich die Frage schon nach de[m|n] ersten Worten meiner Erzaehlung gestellt haette. Soll er also die Frage nicht verstehen: Hast Du gleich im Anfang gewusst, von wem ich redete?” – Und wenn er nun so eine Frage nicht versteht, werden wir ihn nicht einfach fuer etwas geistesschwach halten? Ich meine: werden wir nicht einfach annehmen, daß sein Denken nicht recht deutlich sei, oder daß er sich an das, was er damals dachte, – wenn er ueberhaupt etwas dachte, nicht mehr erinnere? Das heisst, wir werden hier fuer gewoehnlich ein anderes Bild gebrauchen, als das, welches ich vorschlage.

 
   
864.
      Aber es ist wahr: wir haben beim Geistesschwachen oft das Gefuehl, als redeten sie mehr automatisch als wir. Und wenn Einer das waere, was wir ‘bedeutungsblind’ nannten, so wuerden wir uns vorstellen, er muesse einen weniger lebendigen
– 237 –
Eindruck machen als wir, mehr ‘wie ein A[i|u]tomat’ handeln. (Man sagt auch: “Weiss Gott, was in seinen Geist vorgeht!” und denkt an etwas Undeutliches, Unordentliches.)

 
   
865.
      Es koennte sein, daß Menschen, wenn man ihnen ein isoliertes Wort sagt, gleich irgend einen Satz mit diesem Wort bildeten, und daß andere es nicht taeten; daß jenes ein Zeichen von Intelligenz, dieses von Stumpfheit waere.

 
   
866.
      Was laesst sich gegen den Ausdruck “spezifische psychologische Erscheinung”, oder “unreduzierbares Phaenomen” vorbringen? Sie sind irrefuehrend; aber woher sind sie genommen? Man will sagen: “Wer suess, bitter, rot, gruen, Toene und Schmerzen nicht kennte, dem kann man, was diese Worte heissen bedeuten, nicht begreiflich machen”. Wer dagegen noch keinen sauren Apfel gegessen hat, dem kann man, was gemeint ist, erklaeren. Rot ist eben dies, und bittert dies, und Schmerz dies. Aber wenn man das sagt, muss man nun wirklich demonstrieren // vorfuehren // , was diese Worte meinen; d.h. etwas rotes zeigen, etwas bitteres kosten, oder kosten lassen, sich oder dem Andern Schmerz zufuegen, etc. Nicht denken, man koenne privat in sich auf den Schmerz zeigen. Wie wird man aber dann, was “vorstellen”, “erinnern”, “beabsichtigen”, “glauben” heisst, vorfuehren? Der Ausdruck “spezifische psychologische Erschein[i|u]ng” entspricht aber dem der privaten hinweisenden Definition.

 
   
867.
      Ist das (am Ende) eine Taeuschung, wenn ich glaubte, die Worte des Andern haetten damals diesen Sinn fuer mich gehabt? Freilich nicht! So wenig, wie es eine Taeuschung ist zu glauben, daß man vor dem Aufwachen etwas getraeumt habe!

 
   
868.
      Als ich den Fall eines ‘Bedeutungsblinden’ annahm, war es, weil das Erleben der Bedeutung im Gebrauch der Sprache keine Wichtigkeit zu haben scheint. Weil es also scheint, als koenne dem Bedeutungsblinden nicht viel verloren gehen. Damit aber ist in Konflikt, daß wir manch[.| ]mal aeussern, in einer Mitteilung habe ein Wort fuer uns eines bedeutet, bis wir gesehen haetten, es bedeute etwas anderes. Erstens aber fuehlen wir in diesem Falle nicht,
– 238 –
das Erleben der Bedeutung habe beim Hoeren des Wortes stattgefunden. Zweitens koennte man hier eher von einem Erleben des Sinnes des Satzes reden, als von dem einer Wortbedeutung.

 
   
869.
      Das Bild, das man etwa mit dem Aussprechen des Satzes “die Bank ist weit weg” verbindet, ist nun eine Illustration zu ihm und nicht zu einem seiner Worte.

 
   
870.
      Wenn Einer fest darauf bestuende, er erlebe meist gar nichts, wenn er einen Befehl, eine Mitteilung, usw. hoert // hoere und verstehe // , mindestens nichts, was fuer ihn den Sinn der Worte [o|b]estimme, – koennte dieser nicht doch, in irgend einer Form, sagen, die ersten Worte des Satzes haette er so aufgefasst und spaeter seine Auffassung geaendert? – Aber zu welchem Zweck wuerde er das sagen?? Es koennte eine bestimmte Reaktion seinerseits erklaeren. Er hoerte z.B., N sei gestorben, und glaubte, sein Freund N sei gemeint, ; dann kommt er drauf, daß es nicht so ist. Er schaut erst bestuerzt; dann erleichtert. – Und, was so eine Erklaerung fuer ein Interesse haben kann, ist leicht zu sehen.

 
   
871.
      Was soll ich nun sagen: – daß der Bedeutungsblinde nicht im Stande ist, so zu reagieren? oder daß er bloss nicht behauptet, er haette damals die Bedeutung erlebt, – daß er also nur ein besonderes Bild nicht gebraucht?

 
   
872.
      Ist der Bedeutungsblinde also der, der nicht sagt: “Der ganze Gedankengang ◇◇◇ stand mit einem Schlag vor mir”? Ist damit aber gesagt, daß er nicht sagen kann “Jetzt hab ich's!” –

 
   
873.
      “Es war dort kein Baum und kein Strauch” – wie funktioniert dieser Satz? Nun, “Baum” steht fuer ein Ding, das so ausschaut. Gewiss ja: so schaut ein Baum aus; aber ist die Idee der Vertretung des Dings durch das Wort wirklich so leicht zu verstehen? Wenn ich einen Garten plane, so kann ich einen Baum dort durch einen Pflock vertreten lassen. Wo der Pflock jetzt steht, wird spaeter der Baum gesetzt werden. –
– 239 –
Man koennte aber doch sagen, das Wort “Baum” im Satz vertraete dort das Bild eines Baums (und als solches kann natuerlich auch ein Baum verwendet werden). Den an die Stelle des Wortes “Baum” koennte man in einer Bildersprache das Bild setzen, und das Wort “Baum” wird in jedem Fall durch die hinweisende [B|D]efinition mit dem Bild verbunden. Dann ist es also die hinweisende Definition, die bestimmt, was das Wort ‘vertritt’. Und nun wende dies auf das Wort “Schmerz”, z.B., an. – Aber vertritt nicht auf einem Plan das Zeichen ein Haus? Doch nur insofern, als ein Haus auch als Zeichen dienen koennte! Aber das Zeichen vertritt doch nicht das Haus wofuer es steht. – “Nun, es entspricht ihm.” – Wenn ich also mit dem Plan in der Hand gehe und komme zu diesem Haus, zeige ich auf die Stelle im Plan und sage “Das ist ein Haus”. – “Das Zeichen vertritt das Haus” hiesse: “weil ich das Haus nicht selbst in den Plan setzen kann, setze ich statt seiner dies Zeichen.” Aber was taete denn das Haus selbst im Plan! Eine Vertretung ist etwas Vorlaeufiges, aber wenn das Zeichen dem Haus entspricht, so ist hier nichts Vorlaeufiges; es wird, ja, wenn wir zum Haus kommen, nicht durch das Haus [w|e]rsetzt. Und da das Zeichen nie durch seinen Traeger ersetzt wird, koennte man fragen: Wie kann denn ein Tintenstrich ein Haus ersetzen?
      Nein: der Pflock ersetzt den Baum, das Bild kann den Menschen ersetzen, wenn man lieber ihn saehe, aber mit dem Bild vorlieb nehmen muss; aber sch[,|o]n das Zeichen auf der Landkarte ersetzt nicht den Gegenstand, den es bedeutet.

 
   
874.
      Fuehle ich, waehrend ich schreibe, etwas in der Hand, oder im Handgelenk? Im [A|a]llgemeinen nicht. Wuerde es sich aber nicht doch anders anfuehlen, wenn meine Hand anaesthesiert waere? Ja. Und ist das nun ein Beweis dafuer, daß ich dennoch etwas spuere, wenn ich normaler weise die Hand bewege? Ich glaube: nein.

 
   
875.
      “Ich schenke Dir mein volles Vertrauen.” Wenn, der das sagt, nach dem Wort “Dir” aussetzt, bin ich vielleicht im stande fortzusetzen; die Situation ergibt, was er sagen will. Aber wenn er nun zu meiner Ueberraschun fortsetzt “eine goldene Uhr” und ich sage “Ich war auf etwas anderes gefasst” –
– 240 –
heisst das: ich habe waehrend seiner ersten Worte etwas erlebt, was man diese // jene // Auffassung der Worte nennen kann?? Ich glaube, daß kann man nicht sagen.

 
   
876.
      Oder denk Dir dieses Gespraech: Er: “Ich schenke Dir –” [|I]ch: “Ich weiss. Aber in diesem Fall vertraust Du mir doch nicht.” – Ich habe ihn unterbrochen, weil ich wusste, was er sagen wollte. Aber habe ich mir die Fortsetzung notwendigerweise in Gedanken ergaenzt? (Ergaenze ich eine Skizze in der Vorstellung?)

 
   
877.
      “I found myself going ....”                              saying ....” etc.
      Diese Beschreibung trifft nicht immer zu, wenn ich etwas sage, einen W[f|e]g mache, etc.

 
   
878.
      Introspektion kann nie zu einer Definition fuehren. Sie kann nur zu einer psychologischen Aussage ueber den fuehren, der introspiziert. Sagt z.B. Einer: “Ich glaube beim Hoeren eines Wortes, da[ß|s] ich verstehe, immer etwas zu fuehlen, was ich nicht fuehle, wenn ich das Wort nicht verstehe” – so ist das eine Aussage ueber seine besondern Erlebnisse. Ein Anderer erlebt vielleicht etwas ganz anderes; und wenn Beide das Wort “verstehen” richtig gebrauchen, so liegt in diesem Gebrauch das Wesen des Verstehens, und nicht in dem, was sie ueber ihre Erfahrungen sagen koennen.

 
   
879.
      Wie muesste man denn den nennen, der den Begriff ‘Gott’ nicht verstehen kann, nicht sehen, wie ein vernuenftiger Mensch dies Wort im Ernst gebrauchen kann? Sollen wir denn sagen[m|,] er leide an einer Blindheit?

 
   
880.
      Man versteht ploetzlich, wiederholt ploetzlich ein Wort, das der Andere gesagt hat. Er sagt mir “Es ist sieben Uhr”; ich reagiere zuerst nicht; ploetzlich rufe ich “◇◇◇Sieben Uhr! Da bin ich ja schon zu spaet ....” Es kann kam mir erst zum Bewusstsein, was er gesagt hatte. Aber was geschah nun, als ich die Worte “Sieben Uhr” wiederholte? Darauf kann ich nichts antworten, was von Interesse waere. Nur wi[d|e]der: Ich haette erst begriffen, was er gesagt hat, und dergleichen; und das bringt uns nicht weiter. Auf diesem “Nur wieder”
– 241 –
beruht natuerlich das Reden // die Idee // von einem ‘spezifischen Vorgang’. (Der Zerstreute, der auf den Befehl “Rechtsum!” linksum macht .....)

 
   
881.
      Geschieht etwas, wenn ich das Wort verstehe, das und das intendiere? Geschieht nichts? – Aber in wie fern ist, was geschieht, interessant?! // Geschieht etwas, wenn ich dies Wort verstehe, wenn ich das und das beabsichtige – – geschieht nichts? Nicht darum handelt es sich; sondern darum: warum soll mich, was in Dir geschieht, interessieren? (Seine Seele mag sieden, oder frieren, rot oder blau werden: was kuemmert mich das?) //

 
   
882.
      Ein Schwachsinniger wird gewiss nicht sagen: “Als Du zu reden anfingst, dachte ich, Du meintest ....” – Nun wird man fragen: Ist das, weil er immer gleich richtig versteht? Oder weil er sich nie korrigiert? Oder geht in ihm vor, was auch in mir vorgeht, und er kann es nur nicht ausdruecken?

 
   
883.
      “Als Du zu reden anfingst dachte ich, Du wolltest .... Darum habe ich auch die Bewegung gemacht ....” Man erklaert also, was man tat, mit dem Gedanken, den man damals hatte. Denke ich mir nun diese Erklaerung wirklich erst im Nachhinein aus? Habe ich nicht wirklich diese Bewegung gemacht, weil ich dachte …? – – Was ist das fuer eine Frage? Das “weil” bezieht sich ja nicht auf eine Ursache. // ist ja nicht ursaechlich. //

 
   
884.
      “Ich werde Dir erklaeren, warum ich aufgestanden bin; ich dachte naemlich, Du meintest ....” – Ja, jetzt versteh ich's! – Aber worin liegt d[e|i]e Wichtigkeit dieses Verstehens? Nun, z.B.: Waere die Erklaerung eine [A|a]ndere gewesen, so muesste ich nun anders mit Worten, oder Handlungen reagieren. Sein Gedanke ist in so fern wie eine Handlung, oder ein Vorgang in seinem Koerper. Der Bericht ueber seinen Gedanken, wie der ueber solche Vorgaenge. – – Welches Interesse haben die Worte “Ich dachte zuerst, Du meintest ....”[?| ] Oft gar keins. Man kann sagen, sie enthuellen uns seine Gedankenwelt. Aber wozu das? Warum ist diese Enthuellung nicht lehres Gerede, oder blosse Phantasterei?
– 242 –


 
   
885.
      Man koennte (natuerlich) den Bericht ueber so eine Auffassung den Bericht ueber eine Tendenz nennen. (James). Aber hier darf nun nicht das Erlebnis einer Tendenz unter dem Bild eines nicht ganz fertigen Erlebnisses sehen! Als gaeben die Erlebnisse ein farbiges Bild, und gewisse Farben darauf waeren in ihrer vollen Staerke aufgetragen, andere nur angedeutet, d.h. viel zarter hingesetzt.
      An sich aber ist eine zarte Farbe nicht die Andeutung einer staerkeren.

 
   
886.
      Ein Eereignis laesst eine Spur im Gedaechtnis: das denkt man sich manchmal, als bestuende es darin, daß es im Nervensystem eine Spur, einen Eindruck, eine Folge hinterlaesst. So als koennte man sagen: auch die Nerven haben ein Gedaechtnis. Aber wenn sich nun jemand an ein Ereignis erinnert, so muesste er es nun aus diesem Eindruck, dieser Spur, erschliessen. Was immer das Ereignis im Organismus zuruecklaesst, es ist nicht die Erinnerung.
      Der Organismus mit einer Diktaphonerolle verglichen; der Eindruck, die Spur, ist die Veraenderung die die Stimme auf der Rolle zuruecklaesst. Kann man sagen, das Diktaphone (oder die Rolle) erinnere sich wieder des gesprochene, wenn es das aufgenommene wiedergibt?

 
   
887.
      Das Gefuehl der Abhaengigkeit. Wie kann man fuehlen, man sei abhaengig? Wie kann man fuehlen: ‘Es haengt nicht von mir ab’. Aber was ist das ueberhaupt fuer ein seltsamer Ausdruck eines Gefuehls! // Aber
welch ein
welch
seltsamer Ausdruck eines Gefuehls! // Aber wenn man z.B. jeden Morgen zuerst Schwierigkeiten haette, gewisse Bewegungen zu machen, den Arm zu heben, u. dergl., und warten muesste, bis die Laehmung vergeht, und das brauchte manchmal lange, macnhmal kurze Zeit, und man koennte es nicht vorhersehen und kein Mittel einnehmen, es zu beschleunigen, – wuerde uns das nicht eben ein Bewusstsein der Abhaengigkeit geben? Ist es nicht das Ausbleiben des Regelmaessigen // der Regelmaessigkeit // , unter oder die lebhafte Vorsteelung davon, was dem Bewusstsein zu Grunde liegt?
      Es ist doch das Bewusstsein: “Es muesste nicht so gehen!” Wenn ich von dem Sessel aufstehe, sage ich mir fuer gewoehnlich nicht “Also ich kann aufstehen.” Ich sage es vielleicht nach
– 243 –
einer Krankheit. Wer es sich aber fuer gewoehnlich sagte, oder wer danach sagte “Also es ist dies mal gegangen”, von dem koennte man sagen, er habe eine besondere Einstellung zum Leben.

 
   
888.
      Warum sagt man “Er weiss, was er meint”? Woher weiss man, daß er's weiss?
      Wenn er es weiss, ich aber nicht weiss, was er meint, – wie waere es, wenn ich's wuesste? Ja, wenn ich's wuesste und er nicht? Wie muesste sich Einer benehmen, damit wir sagen wuerden: “Er weiss, was der Andere erlebt”?
      Muss es aber einen Fall geben, den wir, konsequenterweise, so beschreiben wuerden? Es ist nicht einmal klar, daß irgend[.| ]eine Erscheinung mit den Worten beschrieben werden muesste // sollte // “A hat Schmerzen im Koerper des B”. D.h.: man kann zwar sagen “Waere das nicht eine folgerechte Anwendung
Ausdrucksweise!”
dieses Ausdrucks?”
aber ich mag, oder mag nicht geneigt sein, sie folgerecht zu nennen.

 
   
889.
      Erinnere Dich besonders des Ausdrucks in der Traumerzaehlung: “Und ich wusste, daß ....” Man koennte denken: Es ist doch merkwuerdig, daß man traeumen kann, man habe gewusst. Man sagt auch: “und ich wusste im Traum, daß …”

 
   
890.
      Nicht alles, was ich tue, tue ich mit einer Absicht. (Ich pfeife vor mich hin, etc. etc.) Wenn ich aber jetzt aufstuende und aus dem Haus vortraete, dann wieder zurueck kaeme, und auf die Frage “Warum hast Du das getan” antwortete “Aus garkeinem besonderen Grund[,| ], oder “Nur so –”, so faende man das seltsam und jemand, der oft so etwas taete ohne besondere Absicht, wuerde [w|s]ehr von der Norm abweichen. Muesste er das sein was man “geistesschwach” nennt?

 
   
891.
      Denke Dir nun Einen, von dem man sagen wuerde: er koenne sich nie an eine Absicht erinnern, ausser dadurch[m|,] daß er sich an die Aeusserung einer Absicht erinnert.
      Einer koennte, was wir normalerweise ‘mit bestimmter Absicht’ tun, ohne eine solche tun, es erwiese sich aber dennoch nuetzlich. Und wir wuerden vielleicht in so einem Falle sagen, er habe mit unbewusster Absicht gehandelt.
– 244 –
Er steigt z.B. ploetzlich auf einen Stuhl und dann wieder herunter. Auf die Frage “warum” hat er keine Antwort; dann aber berichtet er, er habe vom Stuhl aus das und das bemerkt, daß es scheint, als waere er, um dies zu beobachten hinaufgestiegen.
      Koennte nun ein ‘Bedeutungsblinder’ sich nicht aehnlich verhalten?

 
   
892.
      “Als ich sagte ‘Er ist ein Esel’, meinte ich....” Was fuer eine Verbindung haben jene Laute mit diesem Menschen? – Gefragt, “Wen meinst Du?”, werde ich seinen Namen nennen, ihn beschreiben, seine Photographie z[w|e]igen, etc. Ist sonst noch eine Verbindung da? Eine, die insbesondere zur Zeit des Aussprechens bestand? Aber waehrend des ganzen Satzes, oder nur waehrend ich “er” sagte? Keine Antwort!

 
   
893.
      Das Erlebnis waehrend jener Worte[,| ] moechte ich sagen – waechst natuerlich zu dieser Erklaerung heran.

 
   
894.
      Aber es ist doch so: Ich werde manchmal, im Gespraech etwa, sagen “Er ist ein Esel”, und wenn man mich fragte “Haettest Du etwas anderes waehrend dieser Worte erlebt wenn wir vom N statt von M geredet haetten” werde ich zugeben muessen, dies muesse nicht der Fall sein. Anderseits aber scheint es mir manchmal, als haette ich waehrend des Aussprechens ein Erlebnis, das unzweideutig ihm angehoert.
      Die Erlebnisse beim sprechen scheinen andeutig ihm verbunden zu sein.

 
   
895.
      “Freilich dachte ich an ihn: Ich hab ihn vor m[o|i]r gesehen!” – aber nicht nach seinem Bild erkannt.

 
   
896.
      Ich sage ploetzlich “Er ist ein Esel”. A: “Wen hast Du gemeint?” Ich: “Den N”. A: “Hast Du an ihn gedacht, waehrend Du den Satz sagtest, oder erst, als Du die Erklaerung gabst?” – Ich koennte nun antworten, daß meine Worte das Ende eines laengeren Gedankenzuges gewesen seien. Ich haette schon einige die ganze Zeit an N gedacht. Und koennte ich nun sagen: die Worte selbst seien durch kein besonderes Erlebnis an ihn
– 245 –
geknuepft gewesen, wohl aber der ganze Gedankengang? Ich haette also mit jenen Worten wohl auch jemand andern meinen koennen, und auf wen sie sich bezogen lag in dem, was ihnen voraussging.
      Muss ich aber, ums sagen zu koennen ich haette von ihm geredet, ihn gemeint, an ihn gedacht, – mich wirklich an ein Erlebnis erinnern koennen, das unbedingt mit ihm zusammenhaengt? Koennte es mir also nicht vielleicht immer so vorkommen, als waere waehrend meiner Worte nichts geschehen, das sich nur auf ihn deuten liesse // laesst // ? Ich denke mir also, ich sei mir immer bewusst, daß meine Vorstellungsbilder vieldeutig sind. Dabei aber – so nehme ich an – sage ich dennoch “Ich habe denn … gemeint”. Aber ist dies nicht eine wiedersprechende Annahme? Nein; so verhaelt es sich ja wirklich. Ich sage “Ich habe den … gemeint”: so setze ich fort.

 
   
897.
      Ich sprach zu meinem Nachbarn ueber ihren Doktor; dabei schwebte mir ein Bild dieses Menschen vor – ich hatte ihn aber nie gesehen, kannte nur seinen Namen, und machte mir vielleicht nach diesem ein Bild von ihm. Wie kann nun dieses Bild charakteristisch dafuer sein, daß ich von ihm rede? – Und doch kam es mir so vor, bis ich mich daran erinnerte, daß ich garnicht weiss, wie dieser Mann ausschaut. Sein Bild repraesentiert ihn fuer mich also um kein Haar besser, als sein Name.

 
   
898.
      Wenn ich das Vorschweben der Bedeutung mit einem Traum vergleiche, so ist also unser Reden fuer gewoehnlich traumlos.
      Der ‘Bedeutungsblinde’ waere also einer, der immer traumlos reden wuerde.

 
   
899.
      Und man kann wirklich fragen: Was gehen mich seine Traeume an? Warum muss mich interessieren, was er traeumt und ob er traeumt, waehrend er zu mir spricht, oder mich hoert? – Das heisst natuerlich nicht, daß diese Traeume mich nie interessieren koenne[.|n]. Aber warum sollen // sollten // sie das Wichtigste im sprachlichen Verjehr sein?
– 246 –


 
   
900.
      Die Verwendung des Begriffs ‘Traum’ hier ist nuetzlich; aber nur, wenn man sieht, daß sie noch einen Fehler in sich birgt.

 
   
901.
      “Ich habe die ganze Zeit gedacht, Du redest redetest von ....” – Wie war das nur? – – Doch nicht anders, als wenn er wirklich von diesem Menschen geredet haette. Daß ich spaeter darauf komme, ihn falsch verstanden zu haben, aendert doch nichts an dem, was beim Verstehen geschah. –
      Ist also der Satz “Ich glaubte damals, Du meintest ....” der Bericht eines ‘Traumes’, so heisst das, daß ich immer ‘traeume’ wenn ich einen Satz verstehe.

 
   
902.
      Man sagt auch: “Ich habe angenommen, Du redest von ....” und das klingt schon weniger wie der Bericht eines Erlebnisses.

 
   
903.
      “Ich dachte, Du redetest vom .... und habe mich gewundert, daß Du von ihm sagst ....” – Dieses Wundern ist wieder in einem aehnlichen Fall: Auch hier wieder das Gefuehl, als haette man mit dem Aussprechen dieses Gedankens das rudimentaere Erlebniss erst ergaenzt.

 
   
904.
      Nun, es ist aber doch wahr! Denn manchmal, wenn ich sage “Ich dachte …” kann ich berichten, daß ich mir damals e[v|b]en diese Worte laut oder im Stillen gesagt hatte; oder daß ich damals nicht diese, aber andere Worte gebraucht habe, wovon die gegenwaertigen eine sinngemaesse Wiedergabe sind. Das kommt doch manchmal vor! Im Gegensatz dazu aber ist der Fall, in welchem mein gegenwaertiger Ausdruck nicht die Wiedergabe von etwas ist. Denn ‘Wiedergabe’ ist er nur, wenn er es nach Regeln der Abbildung ist. // nur, wenn es Regeln der Abbildung gibt. //

 
   
905.
      Wer nicht im Stande waere, zu sagen das W[i|o]rt “sondern” koenne ein Zeitwort und ein Bindewort sein, oder Saetze zu bilden in denen es das eine oder das andere ist, der koennte einfache Schuluebungen nicht bewaeltigen. Aber das wird von einem Schueler nicht verlangt; das Wort ausserhalb einem Zusammenhang so und so aufzufassen, oder zu berichten, wie er's aufgefasst hat.
– 247 –


 
   
906.
      Ich moechte sagen: das Gespraech, die Anwendung und Ausdeutung der Worte fliesst dahin, und nur im Fluss hat das Wort seine Bedeutung. “Er ist abgereist.” – “Warum?” Was meintest Du, als Du das Wort “Warum” aussprachst? Woran dachtest Du?

 
   
907.
      “Ich dachte, Du meintest den” – Nun, das heisst nicht dasselbe, wie “Ich denke, Du hast den gemeint”. Lass Dich den Vergleich mit einem andern Gebrauch der Vergangenheit nicht
verwirren
irre machen
!

 
   
908.
      Wir spielen dieses Spiel: Es sind Bilder da und Worte werden ausgesprochen und wir muessen auf das Bild zeigen, das dem Wort entspricht. Unter den Worten sind auch mehrdeutige. Mir faellt bei dem Wort .... erst eine Bedeutung ein und ich zeige auf ein Bild, spaeter erst eine andere und ich zeige auf ein anderes. Wird der Bedeutungsblinde dies tun koennen? Freilich. – Aber wie ist es damit? Ein Wort wird genannt, mir faellt eine seiner Bedeutungen ein. Ich sage sie nicht, suche aber nach dem Bild. Ehe ich es gefunden habe, faellt mir noch eine Bedeutung des Worts ein; ich sage: “Mir ist gerade eine zweite Bedeutung eingefallen.” Und dann erklaere ich: “Erst ist mir diese Bedeutung eingefallen, nachher die.” Kann das der Bedeutungsblinde? – Kann er nicht sagen, er wisse die Bedeutung des Worts, sage sie aber nicht? Oder kann er nicht sagen, sie sei ihm jetzt eingefallen er sage sie aber nicht? – Mir kommt vor, beides koenne er sagen. Dann aber doch auch: “Als Du das Wort sagtest, fiel mir diese Bedeutung ein.” Und warum nun nicht[ß|:] “Als ich das Wort sagte meinte ich's zuerst in dieser Bedeutung”?

 
   
909.
      Es ist, als haette das Wort, das ich verstehe, ein bestimmtes leichtes Aroma, das dem Verstaendnis entspricht. Als unterschieden sich zwei mir wohlbekannte Woerter nicht bloss durch ihren klang, oder ihr Ansehen, sondern, auch wenn ich mir nichts bei ihnen vorstelle, noch durch eine Atmosphaere. – Aber erinnere Dich daran, wie die Namen beruehmter Dichter und Komponisten eine eigene Bedeutung in sich aufgesogen zu haben scheinen. So daß man also sagen kann:
– 248 –
die Namen “Beethoven” und “Mozart” klingen nicht nur verschieden, sondern es begleitet sie auch ein anderer Charakter. Wenn Du aber nun diesen Charakter naeher beschreiben solltest, – wuerdest Du ihre Bilder zeigen, oder ihre Musik?
      Und nun wieder der Bedeutungsblinde: Er wuerde nicht empfinden, daß die Namen sich beim Hoeren oder Ansehen durch ein unwaegbares Etwas unterscheiden. Und was haette er nun dadurch verloren? – Und doch, wenn er einen Namen hoert, kann ihm erst ein Traeger und spaeter ein anderer einfallen. –

 
   
910.
      Ich sagte, die Worte “Jetzt kann ich's!” druecken kein Erlebniss aus. Nun, so wenig, wie die: “Jetzt werde ich den Arm heben”. – – Warum aber druecken sie kein Erlebnis, kein Gefuehl, aus? – Wie werden sie denn gebraucht? Beide, z.B., als Einleitung zu einer Handlung. Die Tatsache, daß eine Aussage auf einen Zeitpunkt Bezug nimmt, in welchem aber nichts in der Aussenwelt geschieht, was sie meint, wovon sie spricht, zeigt uns nicht, daß sie von einem Erlebnis sprach.

 
   
911.
      Denk an das ‘Aufzeigen’ der Schueler, wenn sie eine Antwort wissen. Muss einer sich die Antwort im Stillen vorgesagt haben, um mit Sinn aufzeigen zu koennen? Und was muss in ihm dazu vorgegangen sein? – Nichts. Aber es ist wichtig, daß er fuer gewoehnlich eine Antwort gabe, wenn er aufgezeigt hat; und das ist das Kriterium dafuer, daß er das Aufzeigen versteht.

 
   
912.
      “Die Worte ‘die Rose ist rot’ sind sinnlos, wenn das Wort ‘ist’ die Bedeutung vom ‘ist gleich’ hat.” Wir haben die Idee, daß der [w|W]er versuchte, die Worte “die Rose ist rot” mit diesen Bedeutungen der Worte auszurpechen beim Denken steckenb[e|l]eiben muesste. (Wie auch, daß man einen Widerspruch nicht denken kann, weil der Gedanke einem sozusagen zerbricht.)
      Man moechte sagen: “Du kannst diese Worte nicht so meinen und noch einen Sinn mit dem Ganzen ◇◇◇ verbinden.”

 
   
913.
      Koennte man sagen, die Bedeutungsblindheit wuerde sich darin aeussern, daß man diesem Menschen nicht mit Erfolg sagen kann: “Du musst das Wort als .... hoeren, dann wirst Du den Satz richtig sprechen”. Das ist die Anweisung die man einen beim Spielen eines Musiksstuecks gibt. “Spiel das als ob es die Antwort waere”– und man macht etwa eine Gebaerde dazu.
– 249 –
Aber wie uebersetzt Einer nun diese Gebaerde in das Spiel? Wenn er mich versteht, spielt er es nun meinem Wunsch gemaesser.
      Aber koenntest Du so eine Anweisung nicht auch mit Hilfe von “staerker”, “schwaecher”, “schneller”, “langsamer”,, geben? Nein; ich koennte es nicht. [O|D]enn wenn er nun auch diesen Ton staerker, jenen leiser [p|s]pielt, so weiss ich's nicht einmal. So kann ich ihm auch sagen “Mach ein verschmitztes Gesicht” und wuesste, wenn er eins gemacht hat, ohne die geometrischen Veraenderungen des Gesichts vorher, oder nachher, beschreiben zu koennen.

 
   
914.
      Wenn man fragt “XIst das Erleben einer Bedeutung analog dem Erleben eines Vorstellungsbildes”, so meint man: ist der Unterschied nicht einfach der eines andern Inhalts? Nun, welcher ist der Inhalt des Vorstellungserlebnisses? “Es ist dieser” – aber dabei muss ich auf ein Bild, oder eine Beschreibung zeigen. – “Man erlebt hier und dort” (moechte man sagen). “Nur etwas Anderes. Ein anderer Inhalt wird dem Bewusstsein dargeboten – steht vor ihm.” Und das ist natuerlich ein sehr irrefuehrendes Bild. Denn es ist die Illustration zu einer Redewendung und sie erklaert nichts. Ebenso koennte man, in dem um den chemischen Symbolismus einer Strukturformel zu erklaeren, Bilder entwerfen in denen die Elemente als Menschen dargestellt waeren, die sich die Haende reichen. (Illustrationen der Alchemisten).

 
   
915.
      Wenn jemand sagt, er habe das Vorstellungsbild von einer goldglaenzenden Kugel gehabt, so werden wir das [b|v]erstehen, aber nicht, wenn er sagt, diese Kugel sei innen hohl gewesen. Im Traum aber koennte man eine Kugel sehen und [b|w]issen, sie sei hohl. // aber nicht, wenn er sagt er habe eine goldglaenzende, hohle Kugel vor sich gesehen. //

 
   
916.
      Die Weisung “Wie aus weiter Ferne” bei Schumann. Muss Jeder eine solche Weisung verstehen? Jeder, z.B., der die Weisung “Nicht zu geschwind” verstuende? Ist nicht die Faehigkeit, die dem Bedeutungsblinden abgehen soll, von dieser Art?

 
   
917.
      Kann man das Verstehen einer Bedeutung festhalten, so wie ein Vorstellungsbild? Wenn mir also ploetzlich eine Bedeutung des Worts einfaellt, – kann sie mir auch vor der Seele stehen bleiben?
– 250 –


 
   
918.
      “Der ganze Plan stand mir mit einem Schlage von der Seele und blieb so eine Minute lang stehen.” Da moechte man meinen, daß, was stehen blieb, nicht dasselbe sein koennen, wie das, was aufblitzte. (Wie man einen Diphthong nicht dehnen kann.)

 
   
919.
      Geschah naemlich dies, daß ich sagte “Jetzt hab ich's!” (also das Aufzucken), so kann man freilich nicht davon reden, daß das stehen bleibt.

 
   
920.
      “Ja, ich weiss das Wort. Es liegt mir auf der Zunge. –” Hier draengt sich einem die Idee von dem Spalt (ga[b|p]) auf, von dem James spricht, in welchem nur dieses Wort hineinpasst usw. – Man erlebt irgendwie irgendwie schon das Wort, obwohl es noch nicht da iast. – – Man erlebt ein wachsendes Wort. – Und ich koennte natuerlich auch sagen, ich erlebte eine wachsende Bedeutung, oder wachsende Erklaerung der Bedeutung. – Seltsam ist es nur, daß wir nicht sagen wollen, es sei etwas da gewesen, was dann zu dieser Erklaerung herangewachsen ist. Denn wenn Du ‘aufzeigst’, sagst Du, Du wissest es schon. – Wohl, aber Du koenntest auch sagen “Jetzt kann ich's sagen” und ob sich das Koennen zu einem Sagen auswaechst, das weisst Du nicht. Und wie, wenn man nun sagte: “Das Sagen ist dann die Frucht dieses Koennens, wenn es aus diesem Koennen gewachsen ist.”

 
   
921.
      Als ich es sagen wollte, sagen konnte, hab ich es ja nicht gesagt.

 
   
922.
      Natuerlich ist auch an der Erklaerung, die Bedeutung oder ihre Erklaerung sei aus einem gewissen Keim gewachsen, etwas nicht in Ordnung. Tatsaechlich nehmen wir auch so ein Wachsen nicht wahr; oder doch nur in ganz seltenen Faellen. Und diese Erklaerung entspringt eben aus der Tendenz, zu erklaeren, statt bloss zu beschreiben.

 
   
923.
      Das bl[s|o]sse Beschreiben ist so schwer, weil man glaubt, zum Verstaendnis // Verstehen // der Tatsachen diese [E|e]rgaenzen zu muessen. Es ist, als saehe man eine Leinwand mit verstreuten Farbflecken, und sagte: so wie sie da sind, sind sie unverstaendlich; sinnvoll werden sie erst, wenn man sie sich zu einer Gestalt ergaenzt. – – – Waehrend ich sagen will: Hier ist das Gan[s|z]e. (Wenn Du es ergaenzt, verfaelschst Du es.)
– 251 –


 
   
924.
      Freilich ist mir die Bedeutung damals eingefallen! Nicht zu der Zeit, da ich es berichte, noch in der Zwischenzeit.
      Das ist es eben, was man so nennt: das ist eben der Gebrauch der Worte “Mir ist die Bedeutung eingefallen”. (“in this so called twentieth century”).

 
   
925.
      “
Eine
Die
Bedeutung ist doch nicht etwas, was man erleben kann!” – Warum nicht? – Die Bedeutung ist kein Sinneseindruck. Aber was sind Sinneseindruecke? So etwas, wie ein Geruch, ein Geschmack, ein Schmerz, ein Klang, etc. etc.. Aber was ist ‘so etwas wie’ alle diese Dinge? Was ist ihnen gemeinsam? Diese Frage ist natuerlich nicht dadurch zu beantworten, daß man sich in diese Sinneseindruecke vertieft. Man koennte aber so fragen: “Unter was fuer Umstaenden wuerden wir sagen, jemand habe eine Art von Sinneseindruecken, die uns fehlen?” – Wir sagen z.B. von Tieren, sie haetten ein Organ, womit sie das und das wahrnehmen, und so ein Sinnesorgan muss nicht einem der unsern aehnlichen sein.

 
   
926.
      Koennte man sich einen Sinneswahrnehmung denken, durch welche wir die Form eines soliden Koerpers erfassten, die ganze Form, nicht nur das, was sich von einem Standpunkt aus sehen liesse? So ein Mensch wuerde z.B. im Stande sein, einen Koerper in Ton zu modelieren, ohne um ihn herumzugehen, oder zu greifen.

 
   
927.
      Ist es die Vielfaeltigkeit der moeglichen Erklaerungen einer Bedeutung, die am Grunde davon ist, daß man eine Bedeutung nicht ‘im gleichen Sinne’ erlebt, wie ein Gesichtsb[u|i]ld?

 
   
928.
      Was macht meine Vorstellung von ihm zu einer Vorstellung von ihm? – Was macht sein Portrait zu seinem Portrait? Die Intention des Malers? Und heisst das: sein Seelenzustand? – Und was macht eine Photographie zu seinem Bildnis? Die Absicht des Photographen? Und angenommen ein Maler haette die Absicht den N nach dem Gedaechtnis zu zeichnen, aber geleitet von Kraeften im Unbewussten, zeichnet er ein ausgezeichnetes Bildnis des M, – wuerden wir es nun ein schlechtes Bildnis des N nennen? Und denk Dir Leute, die zum Zeichnen von Bildnissen abgerichtet waeren, und ‘mechanisch’
– –
den vor ihnen sitzenden Menschen abzeichnen. (Menschliche Lesemaschinen).
      Und nun, was macht meine Vorstellung von ihm zu meiner Vorstellung von ihm? – Nichts von dem, was fuer das Portrait gilt, gilt von der Vorstellung. Die Frage macht einen Fehler.

 
   
929.
      Wem die Bedeutung einfiel, und wer sie nicht wieder vergaß, kann nun das Wort in dieser Weise anwenden.
      Wem die Bedeutung einfiel, der weiss sie nun, und der Einfall war einfach der Anfang des Wissens. Hier ist keine Analogie mit dem Erleben eines Vorstellungsbildes

 
   
930.
      Wie ist aber, wenn ich zu mir selbst sage, ich moech[e|t]e dies (wobei ich etwa auf eine bestimmte Figur schaue) so und so (‘x’) nennen? Ich kann mir die hinweisende Difinition “Das heisst ‘x’” auch laut vorsagen. Aber ich muss sie doch auch selber verstehen! Ich muss also wissen, wie, welcher Technik gemaess, ich das
Wort
Zeichen
“x” zu [b|g]ebrauchen gedenke. – Fragt man mich etwa “Weisst Du auch, wie Du das Wort gebrauchen wirst?”, so werde ich antworten: ja.

 
   
931.
      Wie aber, wenn die Religion lehrt, die Seele koenne bestehen, wenn der Leib zerfallen ist? Verstehe ich, was sie lehrt? Freilich versteh ich's – – ich kann mir dabei manches vorstellen. (Man hat ja auch Bilder von diesen Dingen gemalt. Und warum sollte so ein Bild nur die unvollkommene Wiedergabe des ausgesprochenen Gedankens sein? Warum soll es nicht den gleichen Dienst tun, wie das, was wir sagen // wie unsere Saetze // ?) Und auf de[m|n] Dienst kommt es an.

 
   
932.
      Aber bist Du kein Pragmatiker? Nein. Denn ich sage nicht, der Satz sei wahr, der nuetzlich ist.
      Der Nutzen, d.h. Gebrauch, gibt dem Satz seinen besondern Sinn, das Sprachspiel gibt ihm ihn.
      Und insofern, als eine Regel oft so gegeben wird, daß sie sich muetzlich erweist, und mathematische Saetze ihrem Wesen nach mit Regeln verwandt sind, spiegelt sich in mathematischen Wahrheiten Nuetzlichkeit.
– 253 –


 
   
933.
      Der seelenvolle Gesichtsausdruck. Man muss sich daran erinnern, // eigens daran erinnern, // daß man ein Gesicht mit seele[l|n]vollem Ausdruck malen kann um zu glauben, daß es bloss Farben und Formen sind, die so wirken. // , daß es wirklich Farben und Formen sind, die diesen Eindruck machen. // / Es ist nicht zu glauben, daß es die bloßsen Augen – Augapfel, Lider, Wimpern, etc. – eines Menschen sind, in deren Anblick man sich verlieren kann, in die man mit Staunen und Entzuecken sehen kann. Und doch wirken eben die Augen eines Menschen so. “Woraus Du sehen kannst .....”

 
   
934.
       Glaube ich an eine Seele im [a|A]ndern, wenn ich mit Staunen und Entzuecken in seine Augen schaue?

 
   
935.
      Der Satz “wenn p, so q”, wie z.B. “wenn er kommt, wird er mir etwas mitbringen”, ist nicht der gleiche wie “p ⊂ q”. Denn der Satz “Wenn … , so … ” laesst den Konjuntiv zu, der Satz “p ⊂ q” nicht. – Wer Einem auf den Satz “Wenn er kommt, ....” antwortet “Das ist nicht wahr”, der will nicht sagen: “Er kommt, und wird nichts mitbringen”, sondern: “Er mag kommen und nichts mitbringen”.
      Aus “p ⊂ q” folgt nicht “Wenn p, so klein q”; denn ich kann sehr wohl den ersten Satz behaupten (ich weiss z.B., daß p & q der Fall ist[(| )] und den zweiten Satz leugnen.

 
   
936.
      Soll ich nun sagen, der Satz “Wenn … , so … ” sei entweder wahr, oder falsch, oder unentschieden? (Das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten gelte also nicht?)

 
   
937.
      Man gibt auch auf die Aussage “Wenn er kommt, wird er etwas mitbringen” die Antwort “Nicht unbedingt.” – Auch: “Das folgt nicht.” – Man kann auch sagen: “Dieser Zusammenhang besteht nicht.” – – Russell sagte, wenn man behauptet “Wenn … , so … ”, so meine man fuer gewoehnlich nicht die materielle sondern die formale Implikation; aber auch das ist nicht richtig. “Wenn … , [w|s]o … ” laesst sich nicht in Ausdruecken der Russellschen Logik wiedergeben.

 
   
938.
      Man kann sehr wohl sagen, der Satz “Wenn … , so … ” sei entweder wahr, oder er sei falsch, oder unentschieden. – Aber bei welcher Gelegenheit wird man das sagen? Ich denke: als Einleitung zu einer weiteren Auseinandersetzung.
– 254 –
Man bespricht die Sache unter diesen drei Gesichtspunkten (headings). Ich teile das Feld der Moeglichkeiten in drei Teile.
      Man wird nun vielleicht sagen: ein Satz teile es in zwei Teile. Aber warum? Es sei denn, das gehoere zur Definition eines Satzes. Warum soll ich nicht auch etwas einen Satz nenen, was eine Dreiteilung macht?

 
   
939.
      Nimm nun eine Zweiteilung: Ich sage: “Entweder er kommt, oder er kommt nicht. – Im ersten Falle .... Im [Z|z]weiten....” // ‒ ‒ ‒ Kommt er, so .... Kommt er nicht, so ....” // Kann ich nun diese Betrachtungsart nicht auf den Satz “Wenn .... und .... sich treffen, wird es zu einer Explosion kommen” nicht anwenden? Hat Einer z.B. diese Behauptung gemacht, – kann ich nicht erwiedern: “Entweder Du hast darin recht, oder nicht: Ist es, wie Du sagst, dann .... ist es nicht so, dann ....”?

 
   
940.
      Das Gesetz vom ausgeschlossenen D[ir|ri]tten sagt nicht, wie seine Form vorspiegelt: Es gibt nur die beiden Moeglichkeiten Ja und Nein, und keine Dritte. Sondern: “Ja” und “Nein” teilen das Feld der Moeglichkeiten in zwei Teile. – Und das muss natuerlich nicht so sein. (“Hast Du aufgehoert, Deine Frau zu schlagen?”)

 
   
941.
      ‘Der Wunsch ist ein Verhalten des Geistes, der Seele, zu einem Gegenstand.’ ‘Der Wunsch ist ein Seelenzustand, der sich auf einen Gegenstand bezieht.’ Um sich das begreiflicher zu machen, denkt man etwa an die Sehnsucht und daran, daß der Gegenstand unserer Sehnsucht vor unsern Augen ist und wir ihn sehnend betrachten. Steht er nicht vor uns, so vertritt ihn etwa sein Bild, und ist kein Bild da, dann eine Vorstellung. Und der Wunsch ist also ein Verhalten der Seele zu einer Vorstellung. Aber man denkt eigentlich immer an ein Verhalten des Koerpers zu einem Gegensta[dn|nd]. Das Verhalten der Seele zur Vorstellung ist ganz das, was man auf einem Bild zur Darstellung bringen koennte: Die Seele des Menschen, wie sie sich mit verlangender Gebaerde zu dem Bild (dem wirklichen Bild) eines Gegenstands hinneigt.

 
   
942.
      Und man koennte auf diese Weise freilich auch darstellen, wie ein Mensch in seiner Mime dem Wunsch keinerlei Ausdruck gibt, und doch seine Seele nach ihm verlangt.
– 255 –


 
   
943.
      “Der Satz ‘Wenn er nur kaeme!’ kann mit unserer Sehnsucht geladen sein.” – Womit war er da geladen? Es ist, als ob ihm ein Gewicht von unserm Geiste aufgeladen wuerde. Ja, alles das moechte ich sagen. Und ist es denn gleichgueltig, daß ich das sagen will?

 
   
944.
      Ist es denn gleichgueltig, daß ich das sagen will? Ist es nicht wichtig? Ist es nicht wichtig, daß mir die Hoffnung in der Brust lebt? Ist das nicht ein Bild irgendeines wichtigen menschlichen Verhaltens? Warum glaubt ein Mensch, ein Gedanke komme ihm in den Kopf? – Oder richtiger: Er glaubt es nicht; er erlebt es. Denn er grei[g|f]t sich etwa dabei an den Kopf, schliesst die Augen, um im Kopf mit sich allein zu sein. Lehnt den Kopf zurueck und macht eine Handbewegung zum Zeichen, daß nichts den Vorgang im Kopfe stoeren soll. – Nun, sind das nicht wichtige Arten des Verhaltens?

 
   
945.
      Und wenn sich uns das Bild vom Gedanken im Kopf aufdraengen kann, warum dann nicht noch viel mehr // warum dann nicht viel mehr noch // das, vom Gedanken in der Seele. // , wie dann nicht noch viel mehr das, … //

 
   
946.
      Welches bessere Bild des Glaubens koennte es geben, als der Mensch, der mit dem Ausdruck des Glaubens sagt “ich glaube ....”?

 
   
947.
      Der Mensch ist das beste Bild der menschlichen Seele.

 
   
948.
      Es ist natuerlich wichtig, daß man das Verlangen nach einem Apfel leicht bildlich darstellen kann, ohne dem Verlangenden Worte in den Mund zu legen, – daß sich aber die Ueberzeugung, daß etwas so und so sei, nicht so darstellen laesst.
      Wichtig, weil es den Unterschied, den Wesensunterschied, zwischen den psychologischen // seelischen // Erscheinungen zeigt, und die Art und Weise, wie er zu beschreiben ist.

 
   
949.
      Warum sagte ich “Wesensunterschied”? Ist es ein Unterschied, wie zwischen Kohlenstoff, Gravitation, Lichtgeschwindigkeit und ultravioletten Strahlen? Welches alles ‘[g|G]egenstaende’ sind, von denen die Naturwissenschaft handelt. –
– 256 –


 
   
950.
      Denke, wir reden vom Erscheinungen beim Sprechen der Menschen. Es koennte uns interessieren: die Geschwindigkeit des Sprechens, der Wechsel der Intonation, die Gebaerden, die Laenge oder Kuerze der Saetze, etc. etc. – Wenn man nun von einem Menschen sagt, er habe ein Seelenleben: er denke, wuensche, fuerchte, glaube, zweifle, habe Vorstellungen, sei traurig, lustig etc., – ist das analog dem: er isst, trinkt, spricht schreibt, laeuft, – oder analog dem: er bewegt sich bald schnell, bald langsam, bald auf ein Ziel zu, bald ohne Ziel, bald st[a|e]tig, bald ruckweise?

 
   
951.
      Denk an das, was man den Charakter einer Linie nennen kann, und daran, was alles eine Beschreibung ihres Charakters genannt werden muss // heissen muss // . Was kann man alles fragen, wenn man sich fuer den Charakter einer Linie interessiert?

 
   
952.
      Denk Dir, wir beobachteten die Bewegung eines Punktes, etwa eines schwarzen Punktes auf einer weissen Papierflaeche. Alle moeglichen Schluesse koennten aus dem Charakter dieser Bewegung gezogen werden // Bewegung folgen // . Aber was koennten wir alles beobachten? – Ob der Punkt sich gleichfoermig, oder ungleichfoermig bewegt; ob sich s[l|e]ine Geschwindigkeit periodisch aendert; ob sie sich stetig oder sprungweise aendert; ob der Punkt eine geschlossene Linie beschreibt; wie nahe sie einem Kreis kommt; ob der Punkt eine Wellenlinie beschreibt und welches ihre Amplitude und Wellenlaenge ist; und unzaehliges andere. Und jedes dieser Fakten koennte uns das allein interessierende sein. Es koennte uns z.B. alles an dieser Bewegung gleichgueltig sein, ausser die Zahl der Ecken der Bahn in einer bestimmten Zeit. Und das heisst, wenn uns nun nicht nur eine Eigenschaft dieser Bewegung interessiert, sondern viele, eine jede von ihnen uns einen besondern, von allen andern gaenzlich verschiedenen Aufschluss geben kann. Und so ist es mit dem Benehmen der Menschen, mit den verschiedenen Charakteristiken dieses Benehmens, die wir beobachten.

 
   
953.
      So handelt die Psychologie (etwa) vom Benehmen, nicht von den Seelenzustaenden des Menschen? Wer einen p[y|s]ychologischen Versuch ,acht, – was wird der berichten? – Was das Subjekt sagt, was es tut, was ihm in der Vergangenheit
– 257 –
geschehen ist und wie es darauf reagiert hat. – Und nicht: was das Subjekt denkt, was es sieht, fuehlt, glaubt, empfindet? – – Wer ein Gemaelde beschreibt, beschreibt der die Anordnung der Pinselstriche auf der Leinwand – und nicht, was der Betrachter sieht?
      Aber wie ist es nun damit: Der Beobachter im Experiment wird manchmal sagen: “Das Subjekt sagte “Ich empfinde ....”, und ich hatte den Eindruck, dies sei wahr.” – Oder man sagt: “Das Subjekt schien muede” // schien ermuedet zu sein” // Ist das nun eine Aussage ueber sein Benehmen? Man moechte vielleicht sagen: Freilich, was soll es denn sein? – – Man kann auch berichten: “Das Subjekt sagte ‘ich bin muede’” – aber fuer die Auswertung dieser Worte wird es sich darum [a|h]andeln, ob sie glaubwuerdig sind, ob sie einem [A|a]ndern nachgesprochen, wurden, ob sie eine Uebersetzung aus dem Franzoesischen waren, etc.
      Denke nun daran: Ich erzaehle “Er machte einen verstimmten Eindruck”. Man fragt mich: “Was war es, daß Dir diesen Eindruck gemacht hat?”[,| .] Ich sage “Ich weiss es nicht.” – Kann man nun sagen, ich habe sein Benehmen beschrieben?? Kann man denn nicht sagen, ich haette sein Gesicht beschrieben, wenn ich sage “[e|E]r machte ein trauriges Gesicht”? Auch wenn ich nicht angeben kann welche raeumlichen Veraenderungen im Gesicht diesen Eindruck machten?
      Man wird vielleicht erwidern: “Haettest Du genauer zugesehen, so koenntest Du die charakteristischen Farben – und Ortsveraenderungen beschreiben.” Aber wer sagt das, daß ich, oder irgend Einer es koennte?

 
   
954.
      Noch einmal: Wenn ich berichte “Er war verstimmt”, berichte ich Benehmen, oder einen Seelenzustand? (Wenn ich sage “Der Himmel sieht drohend aus”, rede ich von der Gegenwart, oder der Zukunft?) Beides; aber bicht nebeneinander; sondern in einem Sinne eines, in ˇeinem andern das andere. Was aber heisst das? (Ist das nicht [m|M]ythologie? Nein.)

 
   
955.
      Es ist hier ganz wie mit dem Reden ueber ph[sy|ys]ikalische Gegenstaende und Sinneseindruecke. Wir haben hier zwei Sprachspiele, und ihre Beziehungen zueinander sind kompliziert. Will man diese Beziehungen in einfacher Weise beschreiben, so
– 258 –
geht man fehl.

 
   
956.
      Denke, ich beschreibe ein psychologisches Experiment: den Apparat, die Fragen des Experimentators, die Antworten und Handlungen des Subjekts. Und [n|d]ann sage ich: das alles sei eine Szene in dem und dem Theaterstueck. Nun hat sich alles geaendert. Man wird also sagen: Wenn in einem Buch ueber Psychologie dieses Experiment in gleicher Weise beschrieben waere, so wuerde eben die Beschreibung des Benehmens des Subjekts als Ausdruck des Seelenzustandes verstanden, weil man voraussetzt, das Subjekt rede die Wahrheit, halte uns nicht zum Besten, habe die Antworten nicht auswendig gelernt. – Wir machen also eine Voraussetzung?

 
   
957.
      Die Krankenschwester sagt dem Arzt “Er stoehnt” – einmal will sie sagen “Er hat starke Schmerzen”; einmal “Er stoehnt – obwohl ihm nichts fehlt”; einmal “Er stoehnt; ob er aber Schmerzen hat, oder bloss diesen Laut von sich gibt, weiss ich nicht.”
      Wir machen eine Voraussetzung? – Wir benuetzen die Aussage jedes mal anders.

 
   
958.
      “Freilich berichtet der Psychologe die Worte, das Benehmen des Subjekts, aber doch nur als Zeichen seelischer Vorgaenge.” – Das ist richtig. Wenn die Worte und das Benehmen, z.B. eingelernt sind, so interessieren sie den Psychologen nicht. Und doch ist der Ausdruck “als Zeichen seelischer Vorgaenge” irrefuehrend, weil wir gewoehnt sind, von der Gesichtsfarbe als Zeichen des Fiebers zu reden. Und jede schlechte Analogie wird nun mit einer weiteren schlechten erklaert, sodaß wir den Unstimmigkeiten nur endlich dur[f|c]h die Ermuedung erloest werden. // so daß wir diese Unstimmigkeiten nur endlich aus Ermuedigung auf sich beruhen lassen. //

 
   
959.
      Denk dir, man sagte: jedes uns wohlbekannte Wort habe schon einen Dunstkreis, einen ‘Hof’ schwach angedeuteter Verwendungen um sich. So, als haette man auf einem Gemaelde die Hauptfiguren umgeben mit zarten, nebelhaften Bildern von Vorgaengen, an denen diese Figuren einen Anteil haben. – Nun, machen wir nur Ernst mit dieser A[b|n]nahme! – Da zeigt es sich, daß sie die Intention nicht zu erklaeren vermag.
– 259 –

      Wenn es naemlich so ist, daß die Moeglichkeiten der Verwendung eines Ausdrucks uns beim Hoeren oder Sprechen in Halbtoenen vorschweben, – wenn es so ist, so gilt das also fuer uns. Aber wir verstaendigen uns mit Andern, ohne sie je gefragt zu haben, ob auch sie diese Erlebnisse haben.

 
   
960.
      Und wie ist es nun mit dem fortwaehrenden Werden und Vergehen im Bereich unseres Bewusstseins? Nun, wie ist es: ist das eine Erfahrung, oder kann man sich's anders garnicht vorstellen? Hier ist eine Unklarheit.

 
   
961.
      Ich kenne mich in einem Zimmer aus: d.h., ich kann, ohne mich einen Augenblick nachsinnen zu muessen, die Tuer finden, sie oeffnen und schliessen, jedes Moebelstueck gebrauchen, ich muss den Tisch, die Buecher, die Laden nicht suchen und nicht nachdenken, was man mit ihnen machen kann. Dßs ich mich auskenne wird sich in der Freiheit zeigen mit welcher ich mich im Zimmer bewege. Es wird sich auch in einer Abwesenheit des Staunens und Zweifelns aeussern. Was soll ich nun auf die Frage antworten: ob dies mich-in-diesem-Zimmer-auskennen- ein Zustand meiner Seele sei?

 
   
962.
      Ich bin im Stande, auf die Frage “Wozu dient ein Thermometer” sogleich und ohne jede Schwierigkeit mit einer langen Reihe von Saetzen zu antworten. Und ebenso kann ich der Aufforderung folgen: “Erklaere die Anwendung des Wortes ‘Buch’”.

 
   
963.
      Man kann das sich-auskennen ein Erlebnis nennen, und auch wieder nicht.

 
   
964.
      Die Verwendung gewisser Woerter dem Satzrhythmus zuliebe. Dieser koennte uns vi[le|el] wichtiger sein, als er uns tatsaechlich ist.

 
   
965.
      “Was fuer eine Art von Erlebnis ist....?” Man wird nicht fragen “Wie ist es, wenn D[U|u]'s hast?” – denn darauf koennte der Eine so, der Andere so antworten. Man wird sie nicht nach einer Beschreibung des Erlebnisses fragen sondern zusehen, wie die Menschen das Wort handhaben, das das Erlebnis bezeichnet. // sondern zusehen, wie und bei welchen Gelegenheiten die Menschen das Erlebnis erwaehnen, von ihm reden, ohne es beschreiben zu wollen. //
– 260 –


 
   
966.
      Ich sage das Wort “Baum”, dann sag ich ein Unsinnwort. Sie fuehlen sich verschieden an. In wie fern? – Mir werden zwei Gegenstae[e|n]de gezeigt: der eine ist ein Buch, der andere ein mir unbekanntes Ding von sonderbarer Form. Ich sage: sie schauen nicht bloss verschieden aus, sondern ich habe auch ein anderes Gefuehl bei ihnen ihrem Anblick. Das eine Ding ‘verstehe’ ich, das andere verstehe ich nicht. “Ja, aber es ist nicht nur der Unterschied zwischen Wohlbekanntheit und Fremdheit.” Nun, ist nicht auch ein Unterschied zwischen Arten der Wohlbekanntheit und Fremdheit? Ein fremder Mensch tritt in mein Zimmer, aber es ist ein Mensch, das sehe ich sofort. Etwas Vermumtes tritt in mein Zimmer, ich weiss nicht, ist es Mensch oder Tier. Ich sehe einen mir unbekannten Gegenstand auf meinem Tisch, einen gewoehnlichen Feldstein, aber ich habe ihn nie auf meinem Tisch gesehen. Ich sehe einen Stein am Weg; ich bin nicht erstaunt, obgleich ich mich nicht erinnere, gerade ihn schon gesehen zu haben. Ich sehe ein seltsam geformtes Objekt von mir unbekanntem Zweck auf meinem Tisch und bin nicht ueberrascht: es ist schon immer dort gelegen, ich habe nie gewusst was es ist und mich nie dafuer interessiert, es ist mir wohlvertraut.

 
   
967.
      “Nun, hast Du das Wort ‘Baum’ nicht verstanden, wie Du's gehoert hast? – – Dann ist eben etwas in Dir vorgegangen!” – Und zwar was? – Daß ich's verstand. – Die Frage ist nur: Soll ich vom Verstehen sagen, es sei in mir vorgegangen? Dagegen wehrt sich etwas; und das kann nur bedeuten, daß wir durch diesen Ausdruck das Verstehen mit andern Erscheinungen zusammenstellen und einen Unterschied verwischen, den wir betonen wollen. Aber welchen Unterschied? – In welchen Faellen weigern wir uns de[m|n]n nicht, zu sagen: es sei etwas beim Hoeren des Worts in uns vorgegangen?

 
   
968.
      Was muessten wir denn Einem sagen, der uns mitteilte, bei ihm sei auch auch sei das Verstehen ein innerer Vorgang? – – Was wuerden wir ihm erwidern, wenn er sagte bei ihm sei Schachspielen-koennen ein innerer Vorgang? – Etwa, daß nichts, was in ihm vorgeht, und interessiert, wenn wir wissen wollen ob er Schach spielen kann. Und wenn er nun darauf antwortet, es interessiere uns eben doch, was in ihm vorgehe, naemlich: ob er Schach spielen koenne – so koennten
– 26o1 –
wir ihm nun widersprechen, indem wir ihn an die Kriterien erinnerten, // indem wir ihm jetzt die Kri Kriterien zeigen, // die uns seine Faehigkeit beweisen wuerden // die uns fuer seine Faehigkeit massgebend waeren. //

 
   
969.
      Um Dich in einer [u|U]mgebung auszukennen, musst Du nicht nur den richtigen Weg von einer Ortschaft zur andern kennen, sondern auch wissen, wohin Du gerietest, wenn Du diese falsche Wendung naehmst. Dies zeigt, wie aehnlich unsere Betrachtungen Wanderungen in einer Landschaft sind zum Zweck des Anlegens einer Karte. Und es ist nicht unmoeglich, daß eine solche fuer die Gebiete, die wir begehen, einmal angelegt werden wird.

 
   
970.
      Angenommen, Du hast eine besondere Erfahrung beim Verstehen, wie kannst Du wissen, daß es die ist, die wir “verstehen” nennen? – Nun, wie weisst denn Du, daß die Erfahrung, die Du hast, die ist, die wir “Schmerz” nennen? – Das ist etwas anderes – – ich weiss es, weil mein spontanes Benehmen in gewissen Situationen das ist, was man den A[y|u]sdruck des Schmerzes nennt.

 
   
971.
      Wenn man das Wort “Schmerz” gebrauchen lernt, so geschieht es nicht dadurch, daß man erraet fuer welchen der inneren Vorgaenge, beim Hinfallen z.B., dies Wort gebraucht wird.
      Es koennte ja dann auch das Problem entstehen: welcher meiner Empfindungen wegen ich schreie, wenn ich mich verletze.
      Und dabei denke ich mir, daß man nach innen zeigt und sich fragt: “Ist es nun diese Empfindung, oder diese?”

 
   
972.
      “Gleichgueltig, ob ich der Empfindung den richtigen Namen beigelegt habe, – ich habe ihr eben einen Namen beigelegt!” – Aber wie legt man denn etwas, z.B. einer Empfindung, einen Namen bei? Kann man in sich einer Empfindung einen Namen beilegen? Was geschieht da; und was ist das Resultat dieser Handlung? ((Vergl. Bemerkung ueber das Anhaengen einer Namenstafel.)) Wenn man im Geiste eine Tuer zuschliesst, ist sie dann zugeschlossen? Und welche Konsequenz hat es? Kann dann, im Geiste, niemand
– 262 –
herein?

 
   
973.
      “Wie weisst denn Du, daß die Erfahrung, die Du hast, dasjenige ist, was wir ‘Schmerz’ nennen?” – Die Erfahrung, die ich habe? Welche? Wie spezifiere ich sie: fuer mich, und (fuer) einen Andern.

 
   
974.
      Denke, wir koennten lernen, was man eine Empfindung, etwa einen ‘Schmerz’, nennt, und dann lehrte man uns, diese Empfindung auszdruecken. Was fuer eine Verbindung muesste diese Taetigkeit mit der Empfindung haben, um ihr ‘Ausdruck’ heissen zu koennen?!

 
   
975.
      Denke, Einer wuesste, erriete, daß ein Kind Empfindungen haette, aber keinen // keinerlei // Ausdruck fuer sie. Und nun wollte er das Kind den Ausdruck fuer die Empfindungen lehren. // Und nun wollte er das Kind lehren, die Empfindungen auszudruecken. // Wie muss er eine Ha[dn|nd]lung mit einer Empfindung verbinden, damit sie ihr Ausdruck wird.?

 
   
976.
      Kann er das Kind lehren: “Siehst Du, so drueckt man etwas aus – das ist z.B. ein Ausdruck von dem – und nun drueck Deinen Schmerz aus!”

 
   
977.
      “Verstehen” wird eben nicht so gebraucht, wie ein Empfindungswort.

 
   
978.
      Das [V|v]erwirrende Bild ist dies: daß wir eine Substanz beobachten, – ihre Veraenderungen, Zustaende, Bewegungen; gleich E[u|i]nem wie Einer, der die Veraenderungen und Bewegungen in einem Schmelzofen beobachtet. Waehrend wir das Verhalten und Benehmen der Mench Menschen beobachten und vergleichen.

 
   
979.
      Das primitive Schmerzbenehmen ist ein Empfindungsbenehmen; es wird ersetzt durch einen sprachlichen Ausdruck. “Das Wort ‘Schmerz’ bezeichnet eine Empfindung” heisst so viel wie: “‘Ich habe Schmerzen’ ist eine Empfindungsaeusserung.”

 
   
979.
      Formen des
Verhalten
Benehmens
koennen
unvergleichbar
inkommensurabel
sein. Und das Wort “Benehmen”, wie ich es gebrauche, ist ueberhaupt irrefuehrend, denn es schliesst in seiner Bedeutung auch die aeussern Umstaende – des Benehmens in engern Sinne – ein.
– 263 –

      Kann ich denn von einem Benehmen des Zorns, z.B., und von einem andern der Hoffnung reden? (Es ist leicht, sich einen Orang Utan zornig vorzustellen – aber hoffend? Und warum ist es so?)

 
   
981.
      Wenn mir jemand sagt “Ich sehe jetzt diesen Punkt als Spitze des Dreiecks”, so verstehe ich ihn. Aber was mache ich mit diesem Verstaendniß? Nun, ich kann ihm, z.B., sagen: “Kommt Dir das Dreieck jetzt vor, als waere es umgefallen, als stuende es normalerweise auf der Grundlinie a? Oder erscheint es Dir jetzt als Berg mit B als Spitze? Oder als Keil? Oder als ‘schiefe Ebene’? Oder als Kegel?
      Du kannst nun fragen “Worin bestteht es: die Figur so sehen?” – und sozusagen Hypothesen ueber das machen, was dabei vorgeht. Z.B., Augenbewegungen, oder Vorstellungen, mit denen man das Gesehene supplementiert – man stellt sich etwa einen Koerper vor, der auf der schiefen Ebene herunter[.| ]gleitet – etc. Alles das kann geschehen, muss aber nicht geschehen; und wenn mir jemand mitteilt, er sehe das Dreieck als Keil, z.B., so sagt er mir nicht, wie sich seine Augen bewegt haben, etc. – Nein; nicht, was da geschieht, ist die Frage, sondern: wie man jene Aussage verwenden kann. Wozu mir z.B. das Verstehen der Mitteilung verhilft.
      Eine Anwendung waere die: Man kann Einem sagen “Schau das Dreieck als Keil an; dann wirst Du Dich ueber[| ] nicht mehr wundern.” Und sagt darauf vielleicht: “Ja, so kommt es mir natuerlicher vor.” – Ich habe ihn also durch meine Erklaerung beruhigt; oder ihm dazu verholfen, da[s|ß] er nun eine Aufgabe schneller loesen kann.

 
   
982.
      Die Aehnlichkeit eines Gesichts mit einem andern sehen, die Analogie einer mathematischen Form mit einer andern, eine menschliche Gestallt in den Linien eines Fixierbildes, eine Raumform in einer schematischen Zeichnung, “pas” in “ne .... pas” in der Bedeutung von “Sch[i|r]itt” hoeren oder [A|a]ussprechen [....| ] alle diese Erscheinungen sind irgendwie aehnlich, aber doch auch wieder sehr verschieden. (Eine Gesichtswahrnehmung, eine Gehoerwahrnehmung, eine Geruchswahrnehmung, eine Bewegungswahrnehmung.)
– 264 –


 
   
983.
      In allen jenen Faellen kann man sagen, man erlebe einen Vergleich. Denn der Ausdruck des Erlebnisses ist, daß wir zu einem Vergleich geneigt sind. Zu einer Paraphrase.
      Es ist ein Erlebniß, dessen Ausdruck ein Vergleich ist. Aber worum ein ‘Erlebni[ß|s]’? Nun, unser Ausdruck ist ein Erlebnisausdruck. – Weil wir sagen “ich sehe es als … ”, “ich hoere es als …”[,| ?] Nein; obwohl diese Ausdrucksweise damit zusammenhaengt. Sie ist aber berechtigt, weil das Sprachspiel den Ausdruck zu dem eines Erlebnisses macht. // weil im Sprachspiel der Ausdruck als der eines Erlebnisses gebraucht wird. //

 
   
984.
      Ein Erlebnis, das sich in einem Vergleich aeussert. – Um z.B. “Je ne sais pas” auf die bewusste Art zu hoeren muss Einer andere Ausdruecke, wie “not a thing”, kennen.
      Der Ausdruck des Erlebnisses dur[f|c]h den Vergleich ist eben der Ausdruck, der [U|u]nmittelbare Ausdruck. Ja, das Phenomaen, das w[r|i]r beobachten und das uns interessiert.

 
   
985.
      Wenn nun Einer “pas” nicht so hoeren, erleben, koennte, wenn er nicht verstuende was wir meinen, wenn wir von einem ‘so-hoeren’ reden, – wuerde der uns auch nicht verstehen, wenn wir ihm erklaeren, daß “pas” auch in der Verneinung so viel wie “Schritt” geheissen habe, und wenn wir sagten es sei analog dem Wort “bisschen”, “bit”, “thing” etc.? Aber was sieht der ein, der einsieht, der Gebrauch des Wortes … sei dem des Wortes … analog?

 
   
986.
      Nun, wozu zeige ich Einem so eine Analogie? Was erwarte ich mir davon[,| ?] [w|W]elche Wirkung hat es? – Es scheint doch eine Erklaerung zu sein. Es ist eine eine Art der Erklaerung. Man sagt ja auch: “Ja, jetzt versteh ich den Gebrauch dieses Wortes.” Man sagt aber auch: “Ich weiss was Du meinst, aber ich kann es nicht so hoeren.”

 
   
987.
      “So, wie wir auch heute noch ...., so haben diese Leute ....”
      Wir koennen diesen Gebrauch im Lichte jenes betrachten. Dies kann, z.B., ein als heuristisches Prinzip dienen.
– 265 –


 
   
988.
      Jedes Wort – moechte man sagen – kann zwar in verschiedenen Zusammenhaengen verschiedenen Charakter haben, aber es hat doch immer einen Charakter – eine Gesicht. Es schaut uns doch an. – – Man koennte sich ja wirklich denken jedes Wort sei ein kleines Gesicht, das Schriftzeichen könnte ein Gesicht sein. Und man koennte sich auch denken, daß der ganze Satz eine Art Gruppenbild waere, so daß der Blick der Gesichter eine Beziehung zwischen ihnen hervorbraechte und das Ganze also eine sinnvolle Gruppe waere // gaebe // [| .] Aber worin besteht die Erfahrung, daß eine Gruppe sinnvoll ist? Und waere es zum Verwenden des Satzes notwendig, daß man ihn so als sinnvoll empfindet?

 
   
989.
      Ist es denn auch gewiss, daß ein Jeder, der unsere Sprache versteht, geneigt waere, zu sagen, jedes Wort habe ein Gesicht? Und[,| ] das Wichtigste – welcher allgemeinen Tendenz in uns entspr[c|i]cht es, diese Neigung zu haben? // – zu welcher allgemeinen Tendenz in uns gehoert diese Neigung? //

 
   
990.
      Erstens ist klar, daß die Tendenz, das Wort als etwas intimes, seelenvolles, zu betrachten, nicht immer da ist, oder im gleichen Masße da ist. Das Gegenteil des seelenvollen aber ist das maschinenhafte. Wer einen Robot darstellen will, – wie weicht sein Benehmen von unserm gewoehnlichen ab? Dadurch, z.B., daß unsere gewoehnlichen Bewgungen sich nicht, auch nur annaehernd, mittels geometrischer Begriffe beschreiben lassen.

 
   
991.
      Wuerde man z.B. von Saetzen in Telegrammstil auch den Eindruck des Gruppenbildes erhalten?

 
   
992.
      Der Gefangene hat eine Nummer als Namen. Von ihr wuerde niemand sagen, was Goethe von Personennamen sagt.

 
   
993.
      Man hat die Idee, es sei der Sinn des Satzes, zusammengesetzt aus den Bedeutungen seiner Woerter. (Gruppenbild). Wie ist [x|z].B. der Sinn “Ich habe ihn noch immer nicht gesehen” aus den Bedeutungen der Woerter zusammengesetzt?

 
   
994.
      Auch das Wort “habe” hat ein Gesicht; denn das Wort “die Habe” hat jedenfalls ein anderes Gesicht. Es fuehlt sich anders an; also musste sich “habe” auch irgendwie
– 266 –
anfuehlen. – Aber muss sich “Habe” anders ‘anfuehlen’ als “habe”? Wie, wenn jemand mich versichterte, ihm fuehlten sich diese beiden Woerter ganz gleich an? Er sagt z.B.: Ja, das Bindewort und das Zeitwort “sondern”, die fuehlen sich verschieden an; aber nicht “Habe” und “habe”. Duerften wir ihm das nicht glauben?
      Was wie eine ganz selbstverstaen[l|d]liche Aeusserung erschien, die an das Verstehen der Worte gebunden ist, (das) erscheintt hier im Licht einer rein persoenlichen Aeusserung // eines rein persoenlichen Gefuehlsausdrucks // . Nicht anders, als sagte Einer, die Vokale a und e haben fuer ihn dieselbe Farbe. Kann ich dem nun sagen: “Du spielst unser Spiel nicht”?

 
   
995.
      Wird hier von dem Feinfuehligen angenommen, er fuehle in allen Zusammenhaengen die beiden Woerter “sondern” verschieden? Nein. Nur wenn man sie, experimentell, // zum Versuch, // ausspricht, erwartet man das[,| .] // Nur wenn man sie, nicht zu ihrem gewoehnlichen Zweck, im Experiment ausspricht, erwartet man das. //

 
   
996.
      Denk Dir Menschen, die mit ‘aeusserst komplizierten’ Zahlzeichen rechnen. Diese stellen sich aber dar als Figuren, welche entstehen, wenn man unsere Zahlzeichen aufeinander schreibt. Sie schreiben z.B. bis zur fuenften Stelle so: Wer ihnen zusaehe, faende es schwer, zu erraten, wass sie tun. Und sie koennten es vielleicht selbst nicht erklaeren. Es kann ja dieses Zahlzeichen, in etwas anderer Schrift geschrieben, seine Erscheinung (fuer uns) zur Unkenntlichkeit aendern. Und was die Leute taeten, erschiene uns rein intuitiv.

 
   
997.
      Ich sage also: man schaetzt das psychologische [U|I]nteress[l|e] der Wenn-Empfindung falsch ein, wenn man sie als selbstverstaendliches Korrelat der Bedeutung des Wortes ansieht; sie muss viel mehr in einem anderen Zusammenhang gesehen werden, im Zusammenhang der speziellen Umstaende unter welchen sie auftritt. // in dem, der besonderen Umstaende, … //

 
   
998.
      Sag: “Es ist schwer, die beiden Dinge zu sondern” und sprich das letzte Wort mit dem Gefuehl des Bindeworts aus! Ueb Dich etwa darin im gewoehnlichen Sprechen // im Gespraech // , ein Wort mit doppelter Bedeutung mit dem unpassenden Gefuehl
– 267 –
auszusprechen! (Wenn es nicht mit einem unpassenden Ausdruck der Stimme verbunden ist, so schadet es Verstaendigung nicht.)

 
   
999.
      Jetzt sag Dir: das Bindewort “sondern” sei eigentlich dasselbe wie das Zeitwort (so wie weg = Weg und trotz = Trotz) und sprich den Satz “Es ist nicht besser, sondern schlechter geworden” mit “sondern” in der Bedeutung des Zeitworts aus!

 
   
1000.
      Bist Du auch sicher, daß es ein Wenn-Gefuehl gibt? Nicht vielleicht mehrere? Hast Du versucht, das Wort in sehr verschiedenen Zusammenhaengen auszusprechen? (Wenn es z.B. den Hapttton des Satzes traegt, und wenn ihn das naechste Wort traegt.)

 
   
1001.
      Hat Einer die Wenn-Empfindung je, wenn er das Wort “wenn” nicht ausspricht? Es waere doch jedenfalls merkwuerdig, wenn nur diese Ursache die Empfindung hervorru[g|f]en sollte. Hat sich James einmal gefragt, ob, und wo, man sie sonst noch hat? – Und so ist es ueberhaupt mit der ‘Atmosphaere’ eines Worts: – warum sieht man es als so selbst[b|v]erstaendlich an, daß nur dies Wort diese Atmosphaere hat // traegt // ?

 
   
1002.
      Der Namenszug Goethes mutet mich goetheisch an. Insofern ist er wie ein Gesicht, denn vom Gesicht Goethes koennte ich dasselbe sagen.
      Es ist wie eine Sp[e|i]egelung. Gehoert dieses Phenomaen zu dem: “ich waere schon einmal in derselben Situation”?
      Oder ‘identifiziere’ ich die Unterschrift mit der Person, indem ich, z.B., die Unterschrift desg geliebte[l|n] Menschen anzuschauen liebe, oder d[e|i]e Unterschrift des Bewunderten eingerahmt auf meinen Schreibtisch stelle? (Magie, die mit Bildern, Haaren, etc. getrieben wird.)

 
   
1003.
      Die vom Ding unloesliche // untrennbare // Atmosphaere, – sie ist also keine Atmosphaere.
      Was mit einander innig assoziiert ist, assoziiert wurde, das scheint zusammen zu passen . Aber wie scheint es das? wie aeussert sich's, daß es zu passen scheint? Etwa so: Wir koennen uns nicht denken, daß der Mann, der so geheissen
– 268 –
so ausgeschaut, sich so unterschrieben hat, nicht diese Werke, sondern etwa ganz andere (die eines andern großsen mannes) hervorgebracht hat? // der so geheissen, so ausgeschaut, der diese Schriftzuege hatte, nicht … //
      Wir koennen uns das nicht denken? Versuchen wir's denn? –

 
   
1004.
      Es koennte so sein: Denk Dir, ein Maler wollte ein Bild entwerfen: “Beethoven beim Schreiben der neunten Symphonie”. ich koennte mir leicht vorstellen, was etwa auf so einem Bild zu sehen waere. Aber wie, wenn Einer darstellen wollte, wie Goethe ausgesehen haette beim Schreiben der neunten Symphonie? Da wuesste ich mir nichts vorzu[t|s]tellen, was nicht hoechst unpassend und laecherlich waere.

 
   
1005.
      Schau ein
wohlbekanntes
altbekanntes
Moebelstueck, am alten Platz, in Deinem Zimmer an! “Es ist ein Teil eines Organismus” moechtest Du sagen. Oder: “Nimm es heraus, und es ist gar nicht mehr dasselbe.” // garnicht mehr das, was es war. // und dergleichen. Und natuerlich denkt man da an keine kausale Abhaengigkeit eines Teils von den uebrigen. // eines der Teile.... // Eeher ist es so: ich koennte diesem Ding einen Namen geben und von ihm etwa aussagen, daß es von seiner Stelle gerueckt ist, einen Fleck hat, staubig ist, etc.; wollte ich es aber ganz aus seinem jetzigen Zusammenhang nehmen, so wuerde ich sagen, es habe aufgehoert zu existieren, und ein [A|a]nderes sei an seine Stelle getreten.

 
   
1006.
      Ja, man koennte auch so fuehlen: “Es gehoert alles zu allem.” (Interne und Externe Relation.) Verruecke ein Stueck und es ist nicht mehr, was es war. Dieser Tisch ist dieser Tisch nur in dieser Umgebung. Alles gehoert zu allem. Hier haben wir die untrennbare Atmosphaere // Umgebung // . Und was sagt, der das sagt? Was fuer eine Darstellungsweise schlaegt er vor? – Ist es nicht die des gemalten Bildes? – Wenn z.B. der Tisch sich verschoben hat, malst Du ein neues Bild vom Tisch mit seiner Umgebung.

 
   
1007.
      “Ein ganz bestimmter Ausdruck” – dazu gehoert auch, da[s|ß], wenn man das Kleinste an dem Gesicht aendert, sich sogleich der Ausdruck aendert.
– 270 –


 
   
1008.
      Sein Name scheint auf seine Werke zu passen. – Wie scheint er zu passen? Nun, ich aeussere mich etwa so[,| .] – Aber ist das alles? – Es ist, als bildete der Name mit diesen Werken ein Ganzes // ein solides Ganze // . Sehen wir ihn, so kommen uns die Werke in den Sinn, und denken wir an die Werke, so der Name. Wir sprechen den Namen mit Ehrfurcht aus[| .]
      Der Name wird zu einer Geste; zu einer architektonischen Form.

 
   
1009.
      Wer das nicht verstuende // versteht // , den wuerden wir etwa als ‘prosaisch’ bezeichnen wollen. Und ist das, was der ‘Bedeutungsblinde’ waere?

 
   
1010.
      Jede andere Zusammenstellung wuerde uns unrichtig erscheinen. Durch unsere Gewohnheit werden diese Formen zu einem Paradigma; sie erhalten sozusagen Gesetzeskraft (‘die Macht der Gewohnheit’?)

 
   
1011.
      Wer die Worte “das Zeichen als Pfeil sehen” nicht verstehen und gebrauchen lernen kann, den nenne ich “bedeutungsblind”.
      Es wird keinen Sinn haben, ihm zu sagen “Du musst versuchen, es als Pfeil zu sehen” und man wird i[y|h]m so nicht helfen koennen.

 
   
1012.
      Wie ist es aber mit so einem Ausdruck: “Als Du es sagtest, verstand ich es in meinem Herzen”? Dabei deutet man auch auf's Herz. Und meint man diese Gebaerde etwa nicht?! Freilich meint man sie. Oder ist man sichs bewusst, nur ein Bild zu gebrauchen? Gewiss nicht!

 
   
1013.
      Wenn das Kind sprechen lernt, wann entwickelt es da das ‘Bedeutungsgefuehl’? Interessiert man sich dafuer, wenn man es sprechen lehrt, wenn man seine Fortschritte im Sprechen beobachtet? // Interessieren sich die Leute dafuer, wenn sie es sprechen lehren, seine Fortschritte im Sprechen beobachten? //

 
   
1014.
      Man kann auch, wenn man ein Tier beobachtet, z.B. einen Affen, der einen Gegenstand untersucht und zerpflueckt, sagen: “Man sieht, es geht etwas in ihm vor.” Wie merkwuerdig ist das! Aber nicht merkwuerdiger, als daß wir sagen:
– 270 –
die Liebe, die Ueberzeugung sei in unserem Herzen!

 
   
1015.
      Wann und womit faengt es also an, daß der Mensch Bedeutungsgefuehle aeussert? In welchem Spielen wird es sich zeigen?

 
   
1016.
      Ist nicht die Neigung, einen Bedeutungskoerper zu denken aehnlich der, einen Ort des Denkens zu denken? Muesste jeder Mensch die Neigung haben, zu sagen, er denke im Kopf? – Es wird ihm dieser Ausdruck als Kind beigebracht. (“Das Wort Kopfrechnen”) Aber daraus entwickelt sich jedenfalls die Neiigung) (oder aus ihr entstand der Ausdruck). Jedenfalls[,| ] die Neigung ist dann vorhanden. Und so auch die, von einem Bedeutungskoerper zu reden [)| (]oder dergl.), wie immer sie entstanden ist.

 
   
1017.
      Reden wir nun auch von einem ‘Gefuehl’ des Denkens im Kopf? Waere dies nicht aehnlich, wie das ‘Bedeutungsgefuehl’?
      Auch: Kann der nicht denken, der dies Gefuehl nicht haette?
      Ja; wer philosophiert oder psychologiert wird vielleicht sagen: “Ich fuehle, ich denke im Kopf”. Aber was das nun heisst, das wird er nicht sagen koennen. Er wird naemlich nicht sagen koennen, was das nun fuer ein Gefuehl ist; sondern einfach den Ausdruck gebrauchen: er ‘fuehle’; als sagte er naemlich “Ich fuehle diesen Stich hier”. Er ist sich also nicht bewusst, daß hier noch zu untersuchen ist, was sein Ausdruck “ich fuehle” hier bedeutet, d.h., [l|w]elche Konsequenzen ˇwir aus dieser Aeusserung ziehen duerfen. Ob z.B. die, die wir aus der Aeusserung “Ich fuehle den Stich hier” ziehen wuerden.

 
   
1018.
      Man koennte naemlich auch sagen: “Ich fuehle das Steigen der Preise im Kopf”. Und ist das Unsinn? In welches Kapitel der Psychologie aber gehoerte dieses Gefuehl? Nicht in das von den Sinnesempfindungen, – es sei denn, Einer sagte “Wenn ich diesen Schmerz im Kopf spuere, steigen immer die Preise”.



 
   
1019.
      Koennte nicht Einer sagen: “Ich habe ein Gefuehl des Ortes beim Denken // “Mein Denken hat einen Ort, denn ich kann z.B. .... // Ich kann z.B. den Gedanken ....einmal im Kopf und einmal im Herzen denken.” – Und wuerde das zeigen, daß ein
271
Gedanke einen Ort hat? Ich meine: würde es das Erlebnis des Denkens näher beschreiben? Nicht viel mehr ein neues Erlebnis?
      “Ich möchte sagen: ‘ich habe im Kopf gedacht’”.

 
   
1020.
      Man kann den Befehl befolgen “Denk an gar nichts!”, “make your mind a blank!”

 
   
1021.
      So wie man die Redensart “im Kopf”, in Verbindung mit dem Denken, gelernt hat, so auch die: “das Wort hat diese (‘eine’) Bedeutung”, und alle Phrasen, die damit verwandt sind. Auchddie Ausdrucksweise: “diese beiden Wörter klingen nur gleich, haben aber sonst nichts mit einander zu tun” und viele ähnliche. Und das Bedeutungserlebnis folgt eigentlich genau diesen Redewendungen. (Die doch auch eine gänzlich andere Form haben könnten das französische “vouloir dire” z.B.)

 
   
102[1|2].
      Ist also das Bedeutungserlebnis nur eine Einbildung? Nun, wenn es auch eine Einbildung ist, so ist das Erlebnis dieser Einbildung dadu[t|r]ch nicht weniger interessant.

 
   
1023.
      Es ist übrigens merkwürdig // auffallend // , dass das Wort “Association” in meinen Betrachtungen // Bemerkungen // eine so geringe Rolle spielt[| .] Ich glaube, dass dieses Wort in aüsserst vager, verschwommener ◇◇◇ Weise verwendet wird, und für ganz unähnli[v|c]he Erscheinungen.

 
   
1024.
      Ueber einen feinen ästhetischen Unterschied lässt sich eine Menge // vieles // sagen – das ist sehr wichtig // wesentlich // .
272
D.h., die erste Aeusserung ist freilich bloss “Dies Wort passt, dies nicht”, oder dergleichen; aber nun können noch alle weit verzweigten Zusammenhänge erörtert werden, die jedes dieser Wörter schlägt. Das heisst, es ist eben nicht mit jenem ersten Urteil abgetan, sondern es ist das Feld jedes Wortes, worauf's ankommt.

 
   
1025.
      Warum soll denn das Bedeutungserlebnis wichtig sein?! Er sagt das Wort, sagt, er habe es jetzt in dieser Bedeutung gesagt; dann in jener. Ich sage das Gleiche. Mit dem gewöhnlichen und wichtigem Gebrauch des Ausdrucks “Ich habe mit dem Wort das gemeint” hat das offenbar nichts zu tun. Was ist also das Merkwürdige? Dass wir so etwas sagen? Das ist natürlich interessant. Aber das Interesse liegt hier nicht auf dem Begriff der “Bedeutung” ‘Bedeutung’ eines Wortes, sondern auf der Reihe ähnlicher // analoger // psychologischer Erscheinungen, die, im Allgemeinen, mit Wortbedeutung nichts zu tun haben.

 
   
1026.
      Es sagt jemand, etwa im Sprachunterricht, “Reden wir über das Wort ‘Weiche’”. Ich frage: “Meinst [d|D]u das Zeitwort, das Eigenschaftswort, oder das Hauptwort?” – Er: “Ich meine das Hauptwort.” – Muss er da, oder muss ich, ein Bedeutungserlebnis gehabt haben? Nein. Aber, dass uns Vorstellungen bei diesem Gespräch vorgeschwebt haben, ist wahrscheinlich. Sie würden etwa die Rolle spielen, wie ein Kritzeln während des Sprechens. Wer etwa gewöhnt wäre, beim Ges[ä|p]räch auf einem Papier zu kritzeln, der würde vielleicht einmal eine Weiche zeichnen, einmal ein Ei, einmal das Wort “Weiche!”
273
schreiben.
      Und wenn von einer Weiche die Rede wäre und er zeichnete dabei ein Ei, so könnte ihn das vom Gespräch abziehen; zeichnet er aber Schienen, so bliebe er bei der Sache.

 
   
1027.
      Inwiefern kann man ‘kritzelen’ mit dem Spiel der Vorstellungen vergleichen? – Denk Dir Menschen, die von Kind auf bei allen Gelegenheiten, wo wir sagen würden, sie stellen sich etwas vor, Zeichnungen ausführen. Gibt man ihnen dann einen Stift in die Hand, so zeichnen sie mit grosser Geschwindigkeit.
      Aber tut denn der gewöhnliche Mensch nicht etwas ganz Aehnliches? Er zeichnet zawr zwar nicht, aber ‘beschreibt seine Vorstellung’, d.h., statt zu zeichnen, spricht er. Oder er gebraucht Gebärden, um z.B. einen Menschen, den er sich vorstellt, darzustellen! Muss ich denn annehmen, dass er diese Beschreibung, diese Gebärdeng von etwas abliest?! Was spricht dafür? – Nun, er sagt etwa “Ich sehe ihn vor mir!” und dann stellt er ihn dar. Aber hätte ich ihn, statt diese[m|n] Ausdruck zu sagen gelehrt “Jetzt weiss ich, wie er aussieht”, oder “Jetzt kann ich sagen, wie er aussieht”, oder “Jetzt werde ich Dir sagen, wie er aussieht”, – so wäre das gefährliche Bild eliminiert. (Tennis ohne Ball.)

 
   
1028.
      Um in die Tiefe zu steigen, braucht man nicht weit zu reisen; ja, Du brauchst dazu nicht [d|D]eine nächste und gewöhnliche Umgebung verlassen.
274


 
   
1029.
      Wie finde ich das ‘richtige’ Wort? Es ist allerdings, als vergliche ich Worte nach feinen Geschmacksunterschieden. Dies ist zu sehr ...., dies zu sehr …

;
das ist das Richtige. // Wie finde ich das ‘richtige’ Wort? Wie wähle ich unter den Worten? Es ist allerdings, als vergliche ich sie nach feinen Unterschieden des
Aromas
Geschmacks
. //
      Aber ich muss nicht immer beurteilen, erklären, warum dies oder dies Wort nicht stimmt. Es stimmt einfach noch nicht. Ich suche eben weiter, bin nicht befriedigt. Endlich komme ich zur Ruhe, bin befriedigt. So schaut eben das Suchen aus; und so das Finden.

 
   
1030.
      “Ich entwickle was in ihm steckt.” – Wie weiss ich, dass das in ihm ihm war? – So ist es nicht. Man kann auch nicht fragen: “Wie weiss ich, dass ich das wirklich geträumt habe?” – Es steckt in ihm, weil ich sage, dass es in ihm steckt. Oder besser: weil ich geneigt bin, zu sagen.... – Und was ist das für ein seltsames Erlebnis: geneigt sein, zu sagen ....? Gar keins.

 
   
1031.
      Wenn ich aber gestorben wäre, noch ehe ich das Alles entwickeln konnte, – wäre es dann nicht in meinem Erlebnis entha[n|l]ten gewesen? – Die Antwort “Nein” auf diese Frage ist falsch; die Antwort “Ja” muss es auch sein.
      “Nein” würde heissen: Wenn [e|E]iner einen Traum nicht erzählt, ist es falsch zu sagen, er habe ihn gehabt. Es wäre unrichtig zu sagen: “Ich weiss nicht, ob er geträumt hat; er hat nichts darüber
275
gesagt.”
      “Ja” würde heissen: Er mag wohl geträumt haben, auch wenn er es nicht berichtet. Aber das soll doch keine psychologische Aussage sein! Also, eine logische.

 
   
1032.
      “Kann [E|e]iner nicht träumen, und es doch niemande[n|m] mitteilen?” – Gewiss: er kann ja träumen und es jemandem mitteilen.

 
   
1033.
      Wir lesen in einer Erzählung, jemand habe einen Traum gehabt und ihn niemandem mitgeteilt. Wir fragen nicht, wie der Author das erfahren konnte. – Verstehen wir es nicht, wenn Strachey Vermutungen darüber anstellt, was die Königin Victoria knapp vor ihrem Tode vor sich gesehen haben mag? Freilich – aber verstanden Leute nicht auch die Frage, wie viele Seelen auf einer Nadelspitze Platz hätten? D.[H|h].: die Frage, ob man das nicht versteht, hilft uns hier nicht; wir müssen fragen, was wir mit einem solchen Satz anfangen können. – Dass wir den Satz verwenden, ist klar; wie wir ihn verwenden, ist die Frage.

 
   
1034.
      Dass wir den Satz verwenden, sagt uns noch nichts, weil wir die gewaltigen Verschiedenheiten der Verwendung erkennen. Wir sehen also das Problem im Wie.
                            ; wir lehren sie darauf den Ausdruck “Mir hat geträumt ....” und nun folgt die Erzählung. Ich frage sie dann

 
   
1035.
      Nun noch einmal: – Menschen teilen uns nach dem Erwachen eine Erzählung mit; wir lehren sie darauf den Ausdruck “Mir hat geträumt....” und nun folgt die Erzählung[,| .] Ich frage sie dann
276
manchmal: “Hast Du heute [N|n]acht etwas geträumt?” und erhalte manchmal eine bejahende, manchmal eine verneinende Antwort, manchmal eine Traumerzählung, manchmal keine. Das ist das Sprachspiel. (Ich habe jetzt angenommen, dass ich selbst nicht träume. Aber ich habe ja auch keine Gefühle einer unsichtbaren Gegenwart und Andere haben es, und ich kann sie über ihre Erfahrungen befragen.)
      Muss ich nun in diesem Falle eine Annahme darüber machen, ob diese Leute ihr Gedächtnis getäuscht hat oder nicht; ob sie wirklich während des Schlafs diese Bilder vor sich gesehen haben oder ob es ihnen nach dem Erwachen so vorkommt? Und welchen Sinn hat diese Frage? – Und welches Interesse?! Fragen wir uns das je, wenn uns Einer einen Traum erzählt und wenn nicht, – ist es, weil wir sicher sind, sein Gedächtnis werde ihn nicht getäuscht haben? [(| )] (Und angenommen, er wäre ein Mensch mit ganz besonders schlechtem Gedächtnis!)

 
   
1036.
      Und heisst das nun, es sei unsinnig, je die Frage zu stellen: ob in der Nacht wirklich der Traum vor sich gegangen sei, oder ob der Traum wirklich ein Gedä[h|c]htnisphänomen des Erwachten sei? Es kommt darauf an was wir damit meinen, d.h.: welche Verwendung wir von dieser Frage machen. Denn machen wir uns dies Bild vom Traum: dass vor des Schlafenden Seele ein Bild schwebt (wie es etwa auf einem Gemälde dargestellt wäre), dann hat es natürlich Sinn, diese Frage zu stellen. Man fragt damit[,| :] Ist es so, oder so – – und jedem “so” entspricht ein anderes Bild.
277


 
   
1037.
      Denke, jemand fragte: Ist die Struktur des Wassers oder ?
      Hat es Sinn? – Wenn Du ihm Sinn gibst, hat es Sinn.)

 
   
1038.
      Zurück zu dem Sprachspiel von der Traumerzählung: Einer sagt mir einmal “Was ich heute Nacht geträumt habe, werde ich Niemandem erzählen.” Nun, hat das Sinn? Warum nicht?! Soll ich, nachdem nach dem, was ich eben über den Ursprung des Sprachspiels mitgeteilt habe, es wa sagen, es habe keinen Sinn – das ja das ursprün[h|g]liche Phänomen eben die Traum-Erzählung war? Durchaus nicht nicht!

 
   
1039.
      Eine Eisenbahnstation mit allen ihren Einrichtungen, Telegraphenstangen und Telegraphendraht, bedeutet für uns ein weitverzweigtes Verkehrssystem. Aber auf dem Mars findet sich dieses Gebäude mit allem Drum und Dran, auch mit eine[n|m] Stück Geleise, und bedeutet dort nichts derglei[h|c]hen.

 
   
1040.
      “Es scheint, der Geist kann dem Wort Bedeutung geben” – ist das nicht, als sagte ich; “Es scheint, dass in Benzol die C-Atome an den Ecken eines Sechsecks liegen”? Das ist doch kein Schein; es ist ein Bild.

 
   
1041.
      Ich will freilich nicht eine Definition des Worts “Traum” geben, aber doch etwas tun, was dem ähnlich ist: den Gebrauch des Wortes beschreiben. Meine Frage lautet also ungefähr so: “Wenn ich zu einem fremden Sta[nd|mm] mit mir unbekannter
278
Sprache käme, und die Leute hätten einen Ausdruck, der unserm “ich träume”, “er träumt”, etc. entspricht, – wie fände ich heraus, dass es so ist; wie wüsste ich, welche Ausdrücke ihrer Sprache ich in diese Ausdrücke der unsern übersetzen soll?
      Denn dies Herausfinden ist ja eben ähnlich dem, heraus zu finden, welches ihrer Worte ich in unser Wort “Tisch” übersetzen soll.
      Ich frage [d|m]ich da freilich nicht “Wie nennen sie dies?” – Indem ich auf etwas zeige[,| .] Obwohl ich auch das fragen könnte und dabei etwa auch eine symbolische Darstellung des Traumes, oder eines Träumenden deuten könnte.

 
   
1042.
      Auch das ist zu sagen: dass das Kind nicht unbedingt so den Gebrauch des Worts “träumen” lernen muss, dass es zuerst bloss eine Begebenheit beim Erwachen berichtet und wir ihm dann die Worte “Mir hat getraäumt” beibringen. Es ist ja auch so möglich, dass das Kind den Erwachsenen sagen hört, er habe geträumt und nun von sich das Gleiche sage und einen Traum erzählt. Ich sage nicht: dass das Kind erraet, was der Erwachsene meint; genug: es gebraucht eines Tages das Wort und gebraucht es unter den Umständen, unter denen wir's gebrauchen.

 
   
1043.
      Die Frage ist also eigentlich nicht: “wie lernt er die Verwendung des Worts” – sondern “Wie zeigt sich's, dass er es verwendet, wie wir?
 
   
1044.
      “Ewiges Düstre steigt herunter” – kann man sagen: “Nun,
279
es scheint, als ob es herunterstiege”? Haben wir ◇◇◇ denn eine Halu[t|z]ination von etwas Düstrem etc.? – Was macht also diese Worte tref[e|f]end? – “Wir verstehen sie.” Wir sagen, z.B.: “Ja, ich weiss genau, wie das ist” und nun können wir unsere Gefühle und unser Benehmen beschreiben.



 
   
1045.
      “Wenn Du vom Traum, vom Denken, von der Empfindung redest, – scheinen nicht alle diese Dinge das Geheimnisvolle zu verlieren, was ihr wesentliches Merkmal zu sein scheint?” Warum soll der Traum geheimnisvoller sein als der Tisch. Warum sollen sie nicht beide gleich geheimnisvoll sein?

 
   
1046.
      “Das Phänomen, als Pfeil, oder anders zu sehen, ist doch ein wahrhaftes visuelles Phänomen; auch wenn es nicht so greifbar // handgreiflich // ist wie das der Form und Farbe”. Wie sollte es kein visuelles Phänomen sein?! – Wer, der davon spricht (ausser wenn er Philosophie oder Psychologie treibt), zweifelt daran? Fragen wir nicht einen Menschen danach und erzählen ihm davon, wie von jedem andern Gesichtsphänomen? Ich will sagen: Reden wir davon etwa mehr zaghaft, mit dem Verdacht, was wir sagen, habe vielleicht keinen klaren Sinn? Gewiss nicht. Aber nun sind dennoch Unterschiede vorhanden. Die, welche wir durch den Ausdruck “weniger handgreiflich” andeuten.
      Nur ist es so: Wenn ich Einem zwei Substanzen vorlege, so kann ich sagen: “Fühl diese ˇhier an! Findest [d|D]u nicht auch, dass s[u|i]e sich weicher angreift?” Und bejaht er es, so sage ich etwa: “Ja, das fühle ich auch. Es ist also ein Unterschied
280
zwischen ihnen” (D.h.: ich habe es mir nicht bloss eingebildet.) – Anders ist es aber mit den psychologischen Phenomaenen. Wenn ich sage: “Dies ist weniger handgreiflich als jenes” – naemlich als zeitloser Satz – so beruht dies nicht auf einem Concensus der Urteile, nicht darauf, daß wir Alle das auch fuehlen (wenn wir das Erlebnis ‘betrachten’).

 
   
1047.
      Steckt das Phenomaen nicht in die falsche Lade. In ihr schaut es geisterhaft, ungreifbar, befremdend aus. Richtig betrachtet, kommt uns seine ‘Ungreifbarkeit’ so wenig zum Bewusstsein, wie die der Zeit, wenn wir hoeren: “Es ist Zeit zum Mittagessen.” (Die Beunruhigung der schlechtsitzenden Einteilung.)

 
   
1048.
1048.
      “Dieser Kaffee hat garkeinen Geschmack”. “Dies Gesicht hat gar keinen Ausdruck.” – Der Gegensatz dazu ist “Es hat einen ganz bestimmten Ausdruck” (obwohl ich nicht sagen koennte, welchen). An einen starken Ausdruck koennte sich z.B. gleich eine Geschichte knuepfen. Oder das Suchen nach einer Geschichte. Wenn man vom raetselhaften Laecheln der Mona Lisa spricht, so heßst das doch wohl, daß man sich fragt: In welcher Situation, in welcher Geschichte, koennte man so laechlen? Und es waere also denkbar, daß jemand eine Loesung faende, daß er eine Geschichte erzaehlte, und wir uns sagten: “Ja, das ist der Ausdruck, den dieser Charakter hier angenommen haette”.

 
   
1049.
      Sich an ein bestimmtes kinestaesthetisches kinaesthetisches Gefuehl erinnern – sich an das Gesichtsbild einer Bewegung erinnern. – Mach die gleiche Bewegung mit dem rechten und dem linken Daumen, und urteile, ob die kinestaest kinaesthischen Empfindungen dieselben sind! – Hast Du ein E[er|ri]nnerungsbild der K.- Empfindung beim Gehen? – Wenn Du muede bist, oder Schmerzen hast, [m|M]uskelschmerzen, oder ein Brennen der Haut, – sind die Empfindungen beim Bewegen des Gliedes die gleichen, wie in einem andern Zustand? Aber bist Du dann manchmal im Zw[i|e]ifel, ob Du jetzt wirklich das Bein gehoben hast, weil das Gefuehl so ganz anders ist? – Lokalisierst Du wirklich die Empfindungen bei der Bewegung in den Gelenken? // Empfindest Du die Bewegung wirklich in den Gelenken? //
–281–


 
   
1050.
      Du hoerst manchmal Einen sagen “Ich stell mir seine Haltung lebhaft vor”, oder “seine Stimme” – – aber jemals: “Ich stelle mir die
K.- Empfindung
Empfindung
bei dieser Handbewegung lebhaft vor”?! Und warum nicht?
      Stellt man sich's vor und sagt's nur nicht?

 
   
1052.
      Was sollen wir antworten, wenn uns jemand entgegnet: “Wenn Du einem Menschen bei einer Bewegung die Hand (z.B.) fuehrst, so zeigst Du ihm eben damit ein bestimmtes K.- Gefuehl, welches er dann reproduziert, wenn er die Bewegung nun auf Befehl wiederholt”? Und kann man sagen, daß er wohl von dem Gesichtsbild der Bewegung in dieser Weise ◇◇◇ geleitet werden koenne[| ,] aber nicht von einem K.- Bild?

 
   
1053.
      Wie wichtig ist es, daß es eine bildliche Darstellung der visuellen Bewgung gibt und nichts ihr entsprechendes fuer die ‘kinaesthetische Bewegung’?
      “Mach eine Bewegung, die so ausschaut!” – “Mach eine Bewegung, die diesen Klang erzeugt!” – Mach eine Bewegung, die dieses K.- Gefuehl erzeugt!” Das K.- Gefuehl richtig kopieren, wuerde in diesem Fall heissen, die Bewegung dem Augenschein nach richtig wiederholen.

 
   
1054.
      Denk Dir die Bewegung sehr schmerzhaft, so daß der Schmerz jede andere leise Empfindung an dieser Stelle uebertaeubte.

 
   
1055.
      Mach eine Bewegung (etwa wie beim Klavierspielen) mit den Fingern; wiederhole sie, aber mit geringerem Ausschlag. Erinnerst Du dich, welche der beiden Gefuehle Du gestern bei der ersten Bewegung hattest?
      Man sagt etwa: “Nein, diese Bewegung hat gestern etwas anders ausgesehen” – aber auch: Die Bewegung ist nicht ganz die gleiche – ich hatte nicht genau dieses K.- Gefuehl”?

 
   
1056.
      Denn wir haben natuerlich Bewegungsgefuehle und wir koennen sie auch reproduzieren. Besonders, wenn wir eine Bewegung unter den gleichen Umstaenden, nach nur kurzen Pausen, wiederholen. Man lokalisiert auch die Em[fp|pf]indungen, aber beinah nie in den Gelenken, zumeist in der Haut. (Blase die Backen auf! wo tust Du's, und wo spuerst Du's?)
–282–


 
   
1057.
      Man koennte das Wachstum der Analyse wirklich mit dem Wachsen eines Keims vergleichen. Und in diesem Falle zus sagen “Es steckte schon alles in der Empfindung”, oder “es wuchs aus ihr
wie
als
aus einem Keim heraus”, kommt auf's selbe hinaus. Wieviel ist nun (wahr) daran, daß man zwar eine Armbewegung (z.B.) manchmal nach einem Gesichtsbild reproduziert, aber nicht nach einem kinaesthetischen Bild?

 
   
1058.
      Lenkt man den Arm wirklich manchmal nach einer Gesichtsvorstellung? Ich kann nur sagen: Wenn ich nicht saehe, daß man Arm sich bewegt hat, nachdem ich, bei abgewandtem Gesicht, ueberzeugt war, ihn bewegt zu haben, waere ich verwirrt und wuerde wohl meinen Augen trauen. Das Sehen kann mich jedenfalls lehren, ob ich die intendierte Bewegung genau ausgefuehrt habe, z.B., die Stellung erreicht habe, die ich erreichen wollte; das Gefuehl konnte das nicht. Ich fuehle wohl, daß ich mich bewege, kann auch ungefaehr nach dem Gefuehl urteilen, wie, – aber ich weiss einfach welche Bewegung ich gemacht habe, ohne daß man von einem Sinnesdatum der Bewegung reden koennte, von einem unmittelbaren innern Bild der Bewegung. Und wenn ich sage “Ich weiss einfach ....”, so heisst hier “wissen” so etwas wie “sagen koennen” und ist nicht etwa wieder eine Art inneres Abbild.

 
   
1059.
      “Um sagen zu koennen, das Gefuehl lehre mich, wo jetzt mein Arm steht, oder wie weit ich ihn bewege, muesste man Gefuehle und Bewegungen einander zugeordnet haben. Man muesste sagen koennen: ‘Wenn ich das Gefuehl .... habe, dann steht mein Arm erfahrungsgemaess dort’. Oder auch: Man muesste ein Kriterium der Identitaet der Gefuehle haben noch ausser denjenigen der ausgefuehrten Bewegung.” Aber ist diese Bedingung, wenn sie ueberhaupt Sinn hat, fuer das Sehen erfuellt? Nun, man kann ein Gesichtsbild, z.B., zeichnerisch darstellen. Aber Einem, oder sich selbst, das Gefuehl geben, das fuer's Beugen des Arms um 30˚ charakteristisch sein soll, ohne eben den Arm zu beugen, das kann man nicht.
      Beuge den Arm ein wenig! Was spuerst D[y|u]? – Eine Spannung, oder dergleichen, hier und dort, und hauptsaechlich, das Reiben meines Aermels. – Tu's noch einmal! War das Gefuehl das Gleiche? Ungefaehr. Ungefaehr an den gleichen Stellen // in der gleichen Gegend // . Begleitet dieses
–283–
Gefuehl immer diese Bewegung, kannst Du's sagen? Nein. Und doch passt mir an diesem Argument etwas noch nicht.

 
   
1060.
      Denk Dir, gewisse Bewegungen erzeugten Toene und man sagte nun, wir erkennen, wie weit wir den Arm bewegt haben, am Ton der erklingt. Das waere doch moeglich. (Spielen einer Skale am Klavier.) Aber was fuer Voraussetzungen muessen dazu erfuellt sein? Es wuerde z.B. dazu nicht genuegen, daß Toene die Bewegungen begleiten; auch nicht, d[ß|a]ß sie oft fuer aehnliche Bewegungen aehnlich sind. Es waere auch nicht genuegend, zu sagen: der Ton muesssse eben doch fuer gleiche Bewegungen eine gleiche Qualitaet haben, da er das einzige Sinnesdatum sei, woran wir die Groesse der Bewegung erkennen koennen.

 
   
1061.
      Aber gibt es fuer Bewegungsgefuehle und dergleichen nicht doch eine Art private [H|h]inweisende Definition? Ich beuge z.B. einen Finger, und merke mir die Enpfindung. Jemand sagt mir nun “Ich werde in Deinem Finger auf die und die Weise, aber ohne daß er sich bewegt, gewi[x|s]se Empfindungen hervorrufen, sag mir, wenn es die ist, die Du jetzt beim Beugen des Fingers hast.” Koennte ich nun nicht, fuer meinen eigenen Gebrauch, diese Empfindung “E” nennen, als Kriterium der Identitaet mein Gedaechtnis gebrauchen und nun sagen “Ja, das ist wieder E” etc.?

 
   
1062.
      Es waere dann auch denkbar, daß ich die Empfindung wiedererkennte, und daß sie auftraete ohne die Begleitung der Ueberzeugung: die Bewegung habe statt gefunden – ohne den Bewegungssinn.

 
   
1063.
      Ich kann gewiss, z.B., mein Knie mehrere Male hintereinander heben und sagen, ich habe jedes Mal die gleiche Empfindung dabei gehabt: Nicht, als haette ich diese Empfindung immer, wenn ich das Knie hebe, noch auch, als koenne ich die Bewegung an der Empfindung // durch das Gefuehl // erkennen, sondern bloss: Ich habe in dieser Reihe von Kniebewegungen drei mal die gleiche, durch die Bewegung hervorgerufene, Empfindung gehabt.
      Gleich sein heisst natuerlich hier dasselbe, wie gleich scheinen.
–284–


 
   
1064.
      “Ich habe drei mal die gleiche Empfindung gehabt” das beschreibt einen Vorgang in meiner privaten Welt. Aber wie weiss der Andere was ich meine? Was ich in so einem Falle als “gleich” bezeichne? Er verlaesst sich darauf, daß ich das Wort hier so wie immer gebrauche? Aber was ist in diesem Falle der, dem gewoehnlichen, analoge Gebrauch? Nein, diese Schwierigkeit ist nicht eine Kuenstelei; er weiss wirklich nicht, kann nicht wissen, was in diesem Falle gleiche Gegenstaende sind.

 
   
1065.
      Das Beispiel von der Motorwalze mit dem Motor in der Walze ist wirklich noch viel besser und tiefer, als ich erklaert habe. Denn, als mir jemand die Konstruktion vorlegte, sah ich wohl gleich, daß sie nicht funktionieren konnte, da man ja die Walz[w|e] von aussen her rollen konnte, auch wenn der ‘Motor’ nicht in Taetigkeit war; aber das das sah ich nicht, daß es eine starre Konstruktion und ueberhaupt keine Maschine war. Und hier ist nun eine enge Analogie mit dem Fall der privaten hinweisenden Definition. Denn auch da gibt es, sozusagen, einen direkten und einen indirekten Weg, die Unmoeglichkeit einzusehen.

 
   
1066.
      Ich benannte diese Bewegungsempfindung mit “E”. Fuer den Andern ist sie nun die, welche ich bei dieser Bewegung gehabt habe. Aber fuer mich, ? bedeutet “E” nun etwas anderes? – Nun, fuer mich bedeutet es diese Enpfindung. – Aber welche ist dies? denn ich habe vor einer Minute auf meine Em[f|p]findung gezeigt, – wie kann ich jetzt wieder auf sie zeigen? // wie kann zeige ich jetzt wieder auf sie? //

 
   
1067.
      Aber nimm doch den Fall an, Einer machte eine Reihe von Armbewegungen und sagte dabei: “Die Empfindung die ich jetzt im Bein habe, nenne ich ‘E1’” u.s.f. Spaeter bei verschiedenen Anlaessen sagt er: “Jetzt habe ich E3”. U.s.f. – Solche Aeusserungen koennten wichtig sein; wenn wir z.B. gewisse physiologische Korrelate zu den Empfindungen beobachten und so aus seinen Aeusserungen Schluesse ziehen
koennen
koennten
.

 
   
1068.
      Wenn das wahr ist, daß wir die Art und Groesse der Bewegung eines Glieds nicht
nach dem
durch das
Gefuehl beurteilen, – wie wuerde sich ein Mensch von uns unterscheiden, bei dem es doch der Fall waere? // bei dem das der Fall waere? // Nun, das liesse sich leicht vorstellen, daß Einer etwa bei verschiedenen
–285–
Bewegungen verschieden starke, oder verschiedenartige, Schmerzempfindungen haette // Schmerzen empfaende // . Er wuerde also etwa sagen: “Dieses Stechen empfinde ich, wenn ich den Arm um circa 90˚ beuge.”

 
   
1069.
      Denk Dir Einen, der mit der Wuenschelrute, und zwar nach dem Zug, den sie ausuebt, die Tiefe einer Quelle bestimmen kann. Er hat das so gelernt: Er ist ueber Quellen verschiedener Tiefe gegangen und hat sich den Zug gemerkt. (Dies haette man etwa an einer Federwage feststellen koennen.) Er hat den Zug mit der Tiefe assoziiert und schliesst nun vom Zug auf die Tiefe. Das koennte so geschehen, daß er den Zug etwa in kg – angibt und dann auf die Tiefe uebergeht, vielleicht sogar nach einer Tabelle. Es kann aber auch sein, daß er kein anderes Maß des Zuges kennt, als die Tiefe der Quelle. Nach einigem Ueben kann er die Tiefe richtig ansagen. Sieht man die Rute nicht Uebt man auf die Rute, etwa durch Gewichte einen Zug aus, so wird er nun auch sagen “Das zieht, wie eine so und so tiefe Quelle” // , wie Wasser in der und der Tiefe” // .

 
   
1070.
      Es koennte nun aber doch sein, daß er zwar im Stande ware, die Tiefe einer Quelle den Zug der Rute richtig anzugeben, nicht aber, den Zug der Rute richtig abzuschaetzen. Ich meine das so: Es koennte sein, daß [w|W]asser in verschiedenen Tiefen unter verschiedenen Umstaenden gleich stark zieht; und dieser Rutengaenger sagt nun z.B.: “Diese Quelle ist tiefer als die vorige, sie zieht schwaecher” – und er hat recht: die Quelle liegt wirklich tiefer, aber der Zug, gemessen mit der Federwage, war der gleiche und er hatte sich ihn nicht richtig gemerkt. – – Soll ich nun in diesem Falle sagen, er beurteile die Tiefe nach dem Zug?

 
   
1071.
      Er wird vielleicht sagen: “Dieser Zug ist der einer Quelle in der Tiefe....”, indem er diesen Zug gleichsam studiert – wie man ein Gewicht auf der Hand abwaegt. Vielleicht aber sagt er “Den Zug kann ich nicht beurteilen – das Wasser ist in der Tiefe …” In diesem (letzteren) Fall wird man nicht sagen, er beurteile die Tiefe nach dem Zug. (Wenigstens nicht ‘bewusst’).

 
   
1072.
      Angenommen nun es sagte Einer er beurteile, wie weit er seinen Arm gebogen habe, an der Staerke einer Druckempfindung im Ellbogen. Das heisst doch: Wenn sie eine gewisse Staerke
–286–
erreicht, so erkennt er daran, daß der Arm bis zu dem Grad gebogen ist. Oder was soll es sonst heissen: er beurteile den Grad der Beugung nach dem der Druckempfindung?

 
   
1073.
      Ich will sagen: Wie weiss Einer, daß er etwas nach diesemsem Gefuehl beurteilt? – Ist es dazu genug, daß er beim Schaetzen seine Aufmerksamkeit auf das Gefuehl richtet?

 
   
1074.
      Wenn Du nun sagst, es ist dafuer notwendig, daß Einer angeben koenne: “Wenn der Druck so stark ist, dann ist mein Arm um 90˚ gebeugt” – dann muss sich das ‘so’ der Staerke angeben lassen. Andernf[l|a]lls heiß[s|t], daß man die Beugung nach der Druckempfindung beurteilt, hoechstens, daß man die Beugung nicht beurteilen kann, wenn man keine (oder nur eine ungemein schwache) Druckempfindung spuert. (Also etwa, wenn man anaesthesiert ist.)

 
   
1075.
      Es gibt also verschiedene Faelle. Es kann Einer sagen, er beurteile die Beugung nach der Druck- oder Schmerzempfindung, und dabei zu sozusagen auf diese Empfindung hinhorchen; aber im [u|U]ebrigen den Grad der Empfindung in keiner Weise angeben koennen. – Oder es kann zwei unabhaengige Angaben des Grades der Em[fp|pf]indung und der Beugung geben.

 
   
1076.
      “Wenn ich den Druck so stark spuere, dann ....” – Hat denn das keinen Sinn? Es koennte sogar jemand sagen, er habe eine ganze Skala von Druckempf[u|i]ndungen. Ich kann mir das wohl denken. Nur waere das so wenig eine wirkliche Skala, wie das Bild eines Thermometers ein Thermometer ist. Obwohl es doch in ma[cn|nc]her Beziehung grosse Aehnlichkeit mit ihm hat.

 
   
1077.
      Ich gebe die Regeln eines Spiels. Der Andere macht, diesen Regeln ganz entsprechend, einer Zug, dessen Moeglichkeit ich nicht vorausgesehen hatte, und der das Spiel stoert, so wie ich's naemlich wollte. Ich muss nun sagen: “Ich habe schlechte Regeln gegeben”; ich muss meine Regeln aendern, oder vielleicht e[e|r]gaenzen.
      So habe ich also schon zum Voraus ein Bild des Spiels? In gewissem Sinne: ja!
      Es war doch z.B. moeglich, daß ich nicht voraussah, daß eine quadratische Gleichung nicht reelle Loesungen haben muss.
      Die Regel fuehrt mich also zu etwas, wovon ich sage: “dieses Bild hatte ich nicht erwartet; ich stellte mir eine Loesung immer
–287–
so vor: ....”

 
   
1078.
      Wie waere es, wenn man sagte: “Nicht jedes System von Regeln bestimmt einen Kalkuel”. Als Beispiel gaebe man die Division durch 0. Denken wir uns naemlich eine Arethmetik, in der sie erlaubt waere und daher bewiesen werden koennte, jede Zahl sei gleich der andern.

 
   
1079.
      Wenn Kinder Eisenbahn spielen, – soll ich sagen, ein Kind, das die Lokomotive nachahmt, werde von einem Andern als Lokomotive gesehen? Es wird im Spiel als Lokomotive aufgefasst.
      Denk Dir, ich haette einen Erwachsenen die Form gezeigt, und gefragt “Woran erinnert sie Dich”, und er haette geantwortet “An eine Lokomotive” – heisst das, er hat sie als Lokomotive gesehen?
      Ich nehme naemlich das als das typische Spiel des “Etwas als Etwas sehen” an, wenn jemand sagt “Jetzt sehe ich es als dies, jetzt als das”. Wenn er also verschiedene Aspekte kennt und zwar unabhaengig von irgend einer Verwendung des Angeschauten.
      Ich moechte also so sagen: ich sehe keine Verwendung des Bilds als Zeichen dafuer an, daß es so, oder so gesehen wird.

 
   
1080.
      Verstuende ein Kind, was es heisst, den Tisch ‘als Tisch’ sehen? Es lernt: “Dies ist ein Tisch, dies eine Bank” etc., und es beherrscht vollkommen ein Sprachspiel, ohne eine Andeutung davon, daß es sich dabei um einen Aspekt handelt.

 
   
1081.
      “Ja, ein Kind analysiert eben nicht, was es tut.” – Nochmals: von einer Analyse dessen, was geschieht, ist hier nicht die Rede. Bloss von einer Analyse – und dieses Wort ist sehr irrefuehrend – unserer Begriffe. Und unsere Begriffe sind komplizierter als die des Kindes; insofern naemlich, als unsere Worte eine kompliziertere Verwendung haben als die seinen.

 
   
1082.
      “Ich sehe es aber doch so, auch waehrend ich's nicht ausdruecke.” Das wuerde heissen, was ich sehe aendert sich nicht, wenn ich's ausdruecke. Wenn man fragte: “Hat der Koerper dies Gewicht nur so lange er gewogen wird?” – so hi[ß|e]sse das: “Aendert sich sein Gewicht, wenn wir ihn auf die Wage
–288–
legen?” Und das ist es natuerlich garnicht, was wir fragen moechten.

 
   
1083.
      Erst durch das Phenomaen des Wechsels des Aspekts scheint der Aspekt vom uebrigen Sehen abgeloest zu werden. Es ist, als koennte man nach der Erfahrung des Aspektwechsels sagen: “Es gab also da einen Aspekt!”

 
   
1084.
      Wenn man den Anstrich eines Dings abkratzt, kann man sagen “Es war also da ein Anstrich” – – Wenn aber die Farbe eines Koerpers wechselt, – kann ich sagen “Er hatte also eine Farbe!” – als waere mir dies erst jetzt aufgefallen?
      Kann man das sagen: Es kam mir erst zum Bewusstsein, daß ⌊⌊
1085.
⌋⌋ das Ding eine Farbe hatte, als sich die Farbe aend[d|e]rte?

 
   
1085.
      Denk nicht, daß es etwas Seltsames ist, daß Du ein Bild an der Wand raeumlich sihest. Es ist – moechte ich sagen – so geow gewoehnlich wie es scheint. (Und dies koennte ich zu vielem sagen).

 
   
1086.
      Denk Dir, die Dinge in unserer Umgebung – Tisch, Buecher, Stuehle etc., –
wechselten
aenderten
periodisch sprungweise ihre Farben; ihre Formen blieben gleich. Koennte man da sagen, daß wir uns so erst der Farbe, als eines besondern Bestandteils unseres Seherlebnisses, bewusst wuerden? // so erst der Farbe und Form als besonderer Bestandteile … //

 
   
1087.
      Wenn ich Feld- und Gartenblumen miteinander vergleiche, so kann ich mir des Unterschieds des Charakters bewusst werden; aber das sagt nicht, daß ich auch schon frueher ausser der Blume ihren Charakter wahr genommen habe, oder daß ich sie doch in irgendeinen Charakter habe wahrnehmen muessen.

 
   
1088.
      Muss ich denn wißen, daß ich mit zwei Augen sehe? Gewiß nicht. Habe ich etwa zweei Gesichtseindruecke beim gewoehnlichen Sehen, so daß ich merke, mein dreidimensionaler Gesichtseindruck setzt sich aus zwei Gesichtsbildern zusammen? Gewiß nicht. – Ich kann also die Dreidimensionalitaet nicht vom Sehen trennen. Wenn ic

 
   
1089.
      Wenn ich Einen frage “In welcher Richtung schaut fuer Dich ein ‘F’ und in welcher ein ‘I’?” und er antwortet, ein F schaue fuer ihn immer nach rechts, ein I für ih nach links
–289–
– so heisst das natuerlich nicht, daß er beim Anblick eines F immer eine Empfindung der Richtung hat. Das wird klarer, wenn man so fragt: “Wo wuerdest Du einen F ein Aug und eine Nase malen?” – Wenn man aber nun sagte: “So schaut es also fuer Dich nur so lange in dieser Richtung, als Du dies denkst, oder sagst” – ist das nicht, als fragte man: “Wuerdest Du dem F die Nase dann dorthin malen, wenn Du sie malst?” –

 
   
1090.
      Sehe ich ein Gesicht immer ‘als Gesicht’? Ich habe hier Buecher vor mir: Sehe ich sie die ganze Zeit ‘als Buecher’? Ich meine: Sehe ich sie die ganze Zeit als Buecher, wenn ich sie nicht gerade als etwas anderes sehe? Oder sehe ich oft, oder fuer gewoehnlich, nur Farben und Formen, ohne besondern Aspekt? (offenbar nein!) Wir sagen Einem: “Wenn das die Grundlinie ist, so ist das die Spitze und das die Hoehe.” Oder er muss die Frage beantworten: “Welches ist die Hoehe des Dreiecks, we[m|n]n dies die Grundlinie ist?” Aber dringen wir dringen nicht drauf, daß er das Dreieck so und so sehe. – Man sagt wohl manchmal “Denk es Dir umgelegt!” (oder dergleichen) und man koennte auch sagen “Sieh es umgelegt” und diese Bemerkung koennte helfen; so naemlich, wie auch eine zeichnerische Ergaenzung des Bildes helfen koennte, die diesen Aspekt nahe legte.

 
   
1091.
      Kann ich z.B. sagen: ich sehe den Sessel als Gegenstand, als Einheit? So wie ich sage, ich sehe jetzt das schwarze Kreuz auf weissem Grund, jetzt aber das weisse Kreuz auf schwarzem?
      Wenn man mich fragt “Was hast Du da vor Dir?” Werde ich freilich antworten “Einen Sessel”, werde ihn also als Einheit behandeln. Aber kann man nun sagen, ich saehe ihn als [e|E]inheit?
      Und kann ich die Kreuzfigur anschauen, ohne sie so oder so zu sehen?

 
   
1092.
      Wenn ich Einen frage “Was siehst Du vor Dir?” und er sagt “Was ich vor mir habe, sieht so aus”, und nun zeichnet er die Kreuzfigur, – muss er sie in irgend einem Aspekt gesehen haben? Hat er sie nicht gesehen, wenn er sie nur zeichnerisch beschreiben kann?

 
   
1093.
      Kann ein Kind Dir mitteilen, es sehe dreidimensional?
–290–

      Und denk Dir, es wuerde Dir sagen “Ich sehe alles eben”, – was wuerde Dir das sagen? Es koennte ja alles eben sehen, und durch eine Intuition wissen, daß es nicht eben ist, und sich dementsprechend benehmen!

 
   
1094.
      Wenn das Kind dieses Bild fuer das und das haelt und ich folgere nun “Also sieht es sieht es das Bild so” – was fuer eine Folgerung ziehe ich? Was sagt mir diese Folgerung? Man wuerde etwa sagen, ich schliesse auf die Art des Sinnesdatums, oder Gesichtsbilds; so, als lautete der Schluss: “Also ist das Bild in seinem Geiste so”; und nun muesste man es etwa plastisch darstellen.

 
   
1095.
      Ist es denn so: “Ich habe das Zeichen ‘’ immer als ein Sigma gelesen; nun sagt mir Einer, es koennte auch ein umgelegtes M sein, und ich kann es jetzt auch so sehen; – daher habe ich es also frueher immer als Sigma gesehen gesehen”? Ich habe also, hiesse das, nicht nur die Figur gesehen und sie so gelesen, sondern ich habe sie auch als das gesehen!

 
   
1096.
      “Aber wie konnte ich wissen, daß ich so reagiert haette wenn Du mich gefragt haettest?” – Wie? Es gibt kein Wie. Aber es gibt Anzeichen dafuer, daß ich darin recht habe, es zu sagen.

 
   
1097.
      Ich will beschreiben, was ich sehe; ich fertige dazu ein Transparent an. Aber nun fragt man mich noch “Ist dies ◇◇◇ vorn und dies hinten?” Also beschreibe ich durch Worte, oder durch ein Modell, was ich vorn, was hinten sehe. Und nun fragt man mich noch “Und siehst Du diesen Punkt als Spitze des Dreiecks?” und ich muss auch das noch beantworten. – Aber muss ich darauf eine Antwort haben? – Nimm an, obwohl es nicht wahr ist, daß die Blickrichtung den Aspekt bestimmt. Und in einem Fall ist meine Blickrichtung fi, stets auf dem gleichen Punkt des Bilds gerichtet, in einem andern Fall bewegt er sich regelmaessig nach einem einfachen Gesetz, in einem dritten wandert er regellos ueber das Objekt hin und her. Wenn wir nun statt einer Beschreibung des Aspekts die der Blickrichtung setzen, waere es keine Beschreibung, zu sagen, die Blickrichtung sei regellos, oder unbestimmt? Und das koennte sogar der gewoehnliche Fall sein. – Auf die Frage also “Sahst Du diesen
–291–
Punkt als Spitze des Dreiecks?” kann die Antwort sein “Ich kann keinen bestimmten Aspekt nennen”, oder etwa “Ich hab es jedenfalls nicht so gesehen”.

 
   
1098.
      Was
leistete
tat
uebrigens die Hypothese von der Wichtigkeit der Blickrichtung fuer uns? – Sie lieferte uns ein Bild von bestimmter Manigfaltigkeit.

 
   
1099.
      Eigentlich aber ist so eine Theorie die Konstruktion eines psychologischen Modells einer psychologischen Erscheining. Und daher eines ps[i|y]chologischen Modells.
      Die Theorie sagt eigentlich: “Es koennte so sein: ....” Und der Nutzen der Theorie ist, daß sie einen Begriff illustriert.
      Sie kann ihn aber besser und schlechter illustrieren; mehr, oder weniger zutreffend. Die Theorie ist also zu sozusagen eine Notation fuer diese psychologische Erscheinung. // fuer diese Art der psychologischen Erscheinung. //

 
   
2000.
      Wenn wir also die ‘Erklaerung fallen lassen’ – wenn wir sagen, daß uns ja schliesslich die Erklaerung gleichgueltig ist – so bleibt eine grammatische Feststellung uebrig. Sie betrifft den Gebrauch der Aussage “Ich sehe nun einen bestimmten Gesichtsausdruck im Bild.”

 
   
2001.
      Weisst das Thema auf nichts ausser sich? Oh ja! Das heisst aber: – Der Eindruck, den es in mir macht, haengt mit Dingen in seiner Umgebung zusammen – z.B. mit der Existenz unserer Sprache [i|u]nd ihrer Intonation, das heisst aber, mit dem ganzen Feld unserer Sprachspiele.
      Wenn ich z.B. sage: Es ist, als ob hier ein Schluss gezogen wuerde, oder, als ob hier etwas bekraeftigt wuerde, oder, als ob dies eine Antwort auf das Fruehere waere, – so setzt mein Verstaendnis e[v|b]en die Vertrautheit mit Schluessen, Bekraeftigungen, Antworten, voraus.

 
   
2002.
      Ein Thema hat nicht weniger einen Gesichtsausdruck, als ein Gesicht.

 
   
2003.
      “Die Wiederholung ist notwendig” In wiefern ist sie notwendig? Nun, singe es, so wirst Du sehen, daß ihm erst die Wiederholung seine grosse Kraft gibt. – Ist es uns denn nicht, als mueße hier eine Vorlage fuer das Thema in der Wirklichkeit existieren, und das Thema kaeme ihr nur dann nahe,
–292–
entspraeche ihr nur, wenn dieser Teil wiederholt wuerde? Oder soll ich die Dummheit sagen: “Es klingt eben schoener mit der Wiederholung”? Und doch ist da eben kein Paradigma ausserhalb des Themas. Und doch ist auch wieder ein Paradigma ausserhalb des Themas: naemlich der Rhythmus unserer Sprache, unseres Denkens und Empfindens. Und das Thema ist auch wieder ein neuer Teil unserer Sprache, es wird in sie einverleibt; wir lernen eine neue Geebaerde.

 
   
2004.
      Das Thema ist i[m|n] Wechselwirkung mit der Sprache.

 
   
2005.
      “Eine ganze Welt des Schmerzes liegt in diesen Worten.” Wie kann sie in ihnen liegen? – Sie haengt mit ihnen zusammen. Die Worte sind wie die Eichel aus der ein Eichbaum wachsen kann.
      Aber wo ist das Gesetz niedergelegt, wonach aus der Eichel der Baum waechst? Nun, das Bild ist durch die Erfahrung unserem Denken einverleibt. // Die Erfahrung hat das Bild unserem Denken einverleibt. //

 
   
2006.
      “Wo spuerst Du den Kummer?” – In der Seele. – – Und wenn ich hier einen Ort angeben muesste, wuerde ich in die Magengegend zeigen. Bei der Liebe auf die Brust und bei einem Einfall auf den Kopf.

 
   
2007.
      “Wo spuerst Du den Kummer?” – In der Seele. – – Was heisst das nur? – – Was fuer Konsequenzen ziehen wir aus dieser Ortsbestimmung? // Ortsangabe? // Eine ist, daß wir nicht von einem koerperlichen Ort des Kummers reden. Aber wir deuten [e|d]och auf unsern Leib, als waere der Kummer in ihm. Ist das, weil wir ein koerperliches Unbehagen sp[ue|ü]ren? Ich weiss die Ursache nicht. Aber warum soll ich annehmen, sie sei ein leibliches Unbehagen?

 
   
2008.
      Denk Dir folgende Frage: Kann man sich einen Schmerz, etwa von der Qualitaet des rheumatischen Schmerzes, denken, aber ohne Oertlichkeit? Kann man sich ihn vorstellen?
      Wenn Du anfaengst, darueber nachzudenken, so siehst Du wie sehr Du das Wissen um den Ort des Schmerzes in ein Merkmal des Gefuehlten verwandeln moechtest, in ein Merkmal eines Sinnesdatums, des privaten Objekts, das vor meiner Seele steht.
–293–


 
   
2009.
      Ich sage, dem [k|K]ummervollen scheine die ganze Welt grau. – Aber was vor seiner Seele stuende, waere dann nicht Kummer, sondern eine graue Welt; gleichsam die Ursache des Kummers.

 
   
2010.
      Etwas als Farbverschiedenheit – und anderseits als Schatten bei gleicher Farbe wahrnehmen. Ich frage “Hast Du die Farbe des Tisches vor Dir wahrgenommen, den Du die ganze Zeit anschaust?” Er sagt “Ja”. A[n|b]er er haette den Tisch als “Braun” beschrieben, und hat nicht bemerkt, daß sich in seiner glaenzenden Platte der gruene Vorhang spiegelt. – Hat er nun nicht den gruenen Gesichtseindruck gehabt?
      “Ist die Wand vor Dir gleichmaessig gelb?” – “Ja”. Aber sie ist teils beschattet und schaut beinahe grau aus.
      Was sah nun der, der die Wand anschaute? Soll ich sagen, eine gleichmaessig gelbe Flaeche, die freilich unregelmaessig beschattet ist? Oder: gelbe und graue Flecken?

 
   
2011.
      Es ist eine merkwuerdige Tatsache, daß wir uns so gut wie nie der Undeutlichkeit der Peripherie unseres Gesichtsfeldes bewusst
werden
sind
. Wenn Leute z.B. vom Gesichtsbild reden, denken sie zumeist nicht daran; und wenn man von einer Darstellung des Gesichtseindrucks durch ein Bild redet, so sieht man hierin keine Schwierigkeit. Das ist sehr wichtig.

 
   
2012.
      “Was ich wahrnehme, ist dies –” und nun folgt eine Form der Beschreibung. Dies koennte man auch so erklaeren: Denken wir uns eine direkte Uebertr[g|a]gung des Erlebnisses! – Aber was ist nun unser Kriterium dafuer, daß das Erlebnis wirklich uebertragen wurde? “Nun, er hat einfach dasselbe, was ich habe.” – Aber wie ‘hater es?

 
   
2013.
      Denk an die Manigfaltigkeit der physikalischen Experimente. Wir messen z.B. die Temperatur; aber nur in einer bestimmten allgemeinen Technik ist dieses Experiment eine Messung der Temperatur. – Interessierte uns also die Manigfaltigkeit der (physikalischen) Messungen, ich meine der Messungsarten, so interessierte uns die Manigfaltigkeit der Methoden, der Begriffe.

 
   
2014.
      Wie kannst Du den Kummer betrachten? Indem Du kummervoll bist? Indem Du Dich durch nichts von Deinem Kummer ablenken laesst? // durch nichts in Deinem
–294–
Kummer zerstreuen laesst? // Beobachtest Du also das Gefuehl, indem Du es hast? Und wenn Du jede Ablenkung fern haeltst, – beobachtest Du dann eben diesen Zustand? oder den andern, in dem Du vor der Beobachtung warst. Beobachtest Du also Dein Beobachten?

 
   
2015.
      Denk, jemand fragte “Was wird alles in der Physik gemessen?” Nun koennte man aufzaehlen: Laengen, Zeiten, Lichtstaerken, Gewichte, etc.
      Aber koennte man nicht sagen: Du erfaehrst mehr, wenn Du fragst “Wie wird gemessen?”, statt “Was wird gemessen?”
      Tut man dies, misst man so, so misst man die Temperatur, – tut man jenes, misst man so: eine Stromstaerke.

 
   
2016.
      Aber besteht nicht der Kummer aus allerlei Gefuehlen? Ist er nicht ein Konglomerat von Gefuehlen? Koennte man also sagen, er besteht aus den Gefuehlen A, B, C, etc. – wie Granit aus Feldspat, Glimmer und Quartz? – So sage ich also von dem, er sei kummervoll, der die Gefuehle.... hat? Und wie weiss ich, daß er sie hat? Teilt er sie uns mit?

 
   
2017.
      Der Kummer ist doch ein seelisches Erlebnis. Man sagt, man erlebe Kummer, Freude, Enttaeuschung. Und dann scheinen diese Erlebnisse wirklich zusammengesetzt und ueber den ganzen Koerper verteilt.
      Das Hochaufatmen der Freude, das Lachen, Jubeln, die Gedanken an das Glueck, – ist nicht das Erleben alles dessen die Freude? Weiss ich also, daß er sich freut, weil er mir mitteilt, er fuehle sein Lachen, fuehle und hoere sein Jubeln, etc., – oder weil er lacht und jubelt? Sage
ich
ich
“Ich bin gluecklich”, weil ich alles das fuehle?

 
   
2018.
      Die Worte “Ich bin gluecklich” sind ein Freude-Benehmen.

 
   
2019.
      Und wie kommt es, daß ich – wie James sagt – eine Freude-Empfindung habe, wenn ich bloss ein freudiges Gesicht mache; eine Gramempfindung, wenn ein graemliches? Daß ich also diese Empfindungen hervorrufen kann, indem ich ihren aeussern Ausdruck nachahme? Zeigt das, daß die Muskelempfindungen der Gram, oder ein Teil des Grams sind?
–295–


 
   
[20|11]20.
      Denk, Einer sagte: “Heb Deinen Arm, und Du wirst fuehlen, daß Du Deiner Arm hebst”. Ist das ein Satz der Erfahrung? Und ist es einer, wenn man sagt “Mach ein trauriges Gesicht und Du wirst Dich traurig fuehlen”?
      Oder wollte es heissen: “Fuehle, daß Du ein trauriges Gesicht machst und Du wirst Traurigkeit fuehlen”? und das ist das ein Plaeonasmus?

 
   
[20|11]21.
      Denk, [ci|ic]h sage: “Ja, es ist wahr: wenn ich ein freundlicheres Gesicht mache, fuehle ich mich gleich besser”. – Ist das, weil die Gefuehle im Gesicht angenehmer sind? oder weil es Folgen hat, dies Gesicht zu machen? (man sagt “Kopf hoch!”)

 
   
[20|11]22.
      Sagt man: “Ich fuehle mich jetzt viel besser: das Gefuehl in den Gesichtsmuskeln und um die Mundwinkel herum ist gut”? Und warum klingt das laecherlich, ausser etwa wenn man frueher Schmerzen in diesen Teilen hatte?

 
   
[20|11]23.
      Vergleicht man auf die gleiche Weise mein Gefuehl in den Mundwinkeln und seines – und meinen Gemuetszustand und seinen?
      Wie vergleiche ich z.B. meine Druckempfindungen mit den seinen? Wie lerne ich sie vergleichen? Wie vergleiche ich unsere kinaesthetischen Empfindungen, wie setze ich sie zueinander in Beziehung? Und wie die Gefuehle der Trauer, Freude, etc.?

 
   
[20|11]24.
      Nun zugegeben – obwohl es hoechst zweifelhaft ist – daß das Muskelgefuehl des Laechelns ein Bestandteil des Gluecksgefuehls ist; – aber wo sind die uebrigen // anderen // Komponenten? – Nun, in der Brust, im Bauch, etc.! – Aber fuehlst Du sie wirklich, oder schliesst Du nur, sie muessen dort sein? Bist Du Dir wirklich dieser lokalisierten Gefuehle bewusst? – Und wenn nicht, – warum sollen sie dann ueberhaupt da sein? Warum sollst Du sie meinen, wenn Du sagst, Du fuehlst Dich gluecklich?

 
   
[20|11]25.
      Was erst durch einen Akt des Schhauens festgestellt werden muesste, das hast Du jedenfalls nicht gemeint.
      So wird eben “Trauer”, “Freude”, etc. nicht verwendet.

 
   
1126.
      Warum klingt es seltsam: “Er fuehlte fuer eine Sekunde tiefen Kummer”? Weil das so selten vorkommt? Und wie, wenn
–296–
wir uns Leute daechten, die dieses Erlebnis oft haben? Oder solche die oft stundenlang abwechselnd fuer eine Sekunde schweren Kummer und inniges Glueck empfinden.

 
   
1127.
      “Fuehlst Du nicht jetzt den Kummer....” – ist das, als fragte man: “Spielst Du nicht jetzt Schach?” Eigentlich aber war die Frage eine persoenliche und zeit[,|l]iche, keine philosophische.

 
   
1128.
      “‘Ich hoffe....’ – die Beschreibung meines Seelenzustands”: Das klingt, als schaute ich meine Seele an // als betrachtete ich meine Seele/ und beschr[e|i]ebe sie (wie man eine Landschaft beschreibt). Wenn ich nun sage: “Ich hoffe immer wieder, er werde noch zu mir kommen” – ist das ein Hoffnungsbenehmen? Ist es nicht ebensowenig ein Hoffnungsbenehmen, wie die Worte: “Ich hoffte damals, er werde kommen”? – Soll ich also nicht sagen, es gebe zwei Arten des Praesens vom “hoffen”? Die eine, gleichsam, der Ausruf, die andere der Bericht?

 
   
1129.
      Aber wenn ich nun jemandem sage “Ich hoffe sehr, er wird zu unserer Versammlung kommen” – fragt er mich: “Was war das: ein Bericht, oder ein A[su|us]ruf?” – Versteht er mich nicht, wenn er das nicht weiss? Und doch ist es eines, zu sagen “Ich hoffe, er wird kommen” und ein anderes, zu sagen: “Ich verliere die Hoffnung nicht, daß er kommen wird”.
      Oder denke an diesen Ausdruck: “Ich hoffe und bete, daß er kommen moege.”

 
   
1130.
      “Ich hoffe, er wird kommen” – koennte man sagen – bedeutet manchmal so viel wie der Ausruf “Er wird kommen!”, in hoffnungsvollem Ton gesprochen. Aber von diesem Ausruf muss es [m|k]ein Perfektum geben. Koennte man sich nicht eine Sprache denken, in der es wohl ein Equivalent dieses Ausrufs der Hoffnung gibt, aber nicht die uebrigen Formen des Verbums? In der die Menschen, wenn sie doch von der vergangenen Hoffnung reden wollen, sich selbst zitieren; etwa sagen: “Ich sagte ‘Er wird ge[iw|wi]ss kommen!’”

 
   
1131.
      Man koennte sagen: Die Aussage sagt etwas ueber den Geisteszustand, aus der ich auf den Geiste[z|s]zustand schliessen kann. (Das klingt duemmer, als es ist.) Wenn es so ist, dann sagt der Ausdruck des Wunsches “Gib mir diesen Apfel!!” etwas ueber meinen Geisteszustand. Und ist dieser Satz also eine
–297–
Beschreibung dieses Zustands? Das wird man nicht sagen wollen. (“off with his head!”)

 
   
1132.
      Ist der Ruf “Hilfe!” eine Beschreibung meines Geisteszustands? Und ist er nicht der Ausdruck eines Wunsches? Ist er es nicht so sehr, wie irgendeiner einer?

 
   
1133.
      Ich sage zu mir selbst: “Ich hoffe und hoffe immer noch, obwohl....” –dabei schuettle ich gleichsam ueber mich selbst den Kopf. Das heisst etwas ganz anderes als einfach “Ich hoffe ....!” (Der Unterschied im Englischen zwischen “I am hoping” und “I hope”.)

 
   
1134.
      Und was beobachtet, der die eigene Hoffnung beobachtet? Was wuerde er berichten? Verschiedenes. “Ich hoffte taeglich, .... Ich stellte mir vor .... Ich sagte mir jeden Tag .... Ich seufzte..... Ich ging jeden Tag diesen Weg, in der Hoffnung ....”

 
   
1135.
      Das Wort “beobachten” ist hier schlecht angebracht. Ich versuche mich an dies und das zu erinnern.

 
   
1136.
      Wer sich seiner Hoffnung erinnert, erinnert sich uebrigens deshalb nicht an ein Benehmen, auch nicht notwendigerw[we|ei]se an Gedanken. Er sagt – er weiss – er habe damals gehofft.

 
   
1137.
      Der Satz “Ich wuensche Wein zu trinken” hat ungefaehr den gleichen Sinn wie “Wein her!” Niemand wird dies eine Beschreibung nennen; [i|I]ch kann daraus aber entnehmen, daß, der es sagt, darauf erpicht ist, Wein zu trinken, daß er jeden Augenblick zu Taetlichkeiten uebergehen kann, wenn man ihm seinen Wunsch verweigert – und dies wird man einen Schluss auf seinen Seelenzustand nennen.

 
   
1138.
      Ist “Ich glaube....” eine Beschreibung meines Seelenzustands?? – Nun, was ist eine solche Beschreibung? Etwa: “Ich bin traurig”, “Ich bin guter Stimmung”, vielleicht “Ich habe Schmerzen”.

 
   
1139.
      Es waere verhaengnisvoll das Moore'sche Paradox fuer etwas zu halten, was nur im Bereich des Seelischen vorkommen kann.
–298–


 
   
1140.
      Ich will zuerst sagen, daß man mit der Behauptung “Es wird regnen” dem Glauben daran ebenso ausdrueckt, wie den Wunsch, Wein zu kriegen, mit den Worten “W[r|e]in her!” Man koennte auch so sagen: “ Ich glaube, p” heisst ungefaehr dasselbe wie “P”; und daß im ersten Satz das Verbum “glaube” und das Pronomen “Ich” stehen, darf uns nicht irren. Wir sehen daraus nur klar, daß die Grammatik von “Ich glaube” sehr verschieden ist von der von “Ich schreibe”.
      Aber wenn ich das sage, sage ich damit nicht, daß hier nicht auch grosse Aehnlichkeiten bestehen koennen; und ich sage nicht, welcher Art die Verschiedenheiten sind. ((reelle und imaginaere Einheit.))
      Bedenk naemlich, daß es sich um [a|Ae]hnlichkeiten und Verschiedenheiten von Begriffen, nicht von den Phenomaenen handelt.

 
   
1141.
      Man kann das Seltsame sagen: “Ich glaube, es wird regnen” heisst etwas aehnliches, wie “Es wird regnen”, aber “Ich glaubte damals, es werde regnen” nicht etwas aehnliches wie “Es hat damals geregnet”.
      Aber was heisst das nun, der erste Satz habe ungefaehr den gleichen Sinn wie der zweite? Heisst es, die beiden braechten in meinem Geist den gleichen Gedanken hervor? (das gleiche Gefuehl?) –

 
   
1142.
      “Ich will so denken, und nicht so”. Und ‘so’ und ‘das’ sind, so seltsam das klingen mag, nicht scharf voneinader geschieden.

 
   
1143.
      Wie Du das Wort “Gott” verwendest, zeigt nicht, wen Du meinst, sondern was Du meinst.

 
   
1144.
      “Aber es muss doch ‘Ich glaubte’ eben das in der Vergangenheit heissen // sagen // , was ‘Ich glaube’ in der Gegenwart heisst // sagt // !” Es muss doch i eben das fuer ‒ 1 bedeuten, was fuer 1 bedeutet! Das heisst garnichts.

 
   
1145.
      Was heisst es “Ich glaube, p” sage ungefaehr dasselbe, wie “P”? Wenn Einer den ersten und zweiten Satz sagt, reagieren wir ungefaehr in der gleichen Weise; wenn ich den ersten Satz sage und Einer verstüende die Worte “Ich glaube” nicht, wuerde ich den Satz in der zweiten Form wiederholen, usf. Wie ich auch “Ich wuensche, daß Du dort hingehst” mit “Geh dort hin!” erklaeren wuerde.
–299–


 
   
1146.
      M.'s Paradox kann man so aussprechen: “Ich glaube p” sagt ungefaehr dasselbe wie “P”; aber “Angenommen, ich glaube p … ” sagt nicht ungefaehr dasselbe wie “[P|A]ngenommen p ....”
      Kann man die Annahme, ich wuensche etwas, verstehen, ehe man die Aeusserung des Wunsches versteht? – Das kind lernt zuerst, den Wunsch aeussern, und spaeter erst, annehmen, es wuensche das und das.

 
   
1147.
      “Angenommen, ich habe Schmerzen....”– das ist keine Schmerzaeusserung und also kein Schmerzbenehmen.
      Das Kind, das das Wort “Schmerz” als Ausruf lernt, das dann ˇanfaengt von einem vergangenen Schmerz zu erzaehlen, – es kann eines schoenen Tages erzaehlen “Wenn ich Schmerzen habe, kommt der Arzt”. Hat nun in diesem Prozess des Lern[n|e]ns das Wort “Schmerz” seine Bedeutung geaendert? Es hat seine Verwendung geaendert; aber man muss sich sehr hueten davor, diesen Wechsel zu deuten als einen Wechsel des Gegenstands, der nun dem Wort entspricht.

 
   
1148.
      Denk Dir, “Ich glaube....” durch eine Malerei dargestellt. Wie koennte ich mir das vorstellen? Das Bild wuerde etwa mich zeigen und irgendein Bild in meinem Kopf. Es kommt nicht darauf an, welchen Symbolismus es verwendet. Das Bild dessen, was ich glaube, z.B., daß es regnet – wird darin vorkommen. Meine Seele wird vielleicht dieses Bild ergreifen, festhalten, und dergleichen. – Und nun nehmen wir an, dieses Bild wuerde als die Behauptung “[e|E]s regnet” verwendet. Nun, darin ist moch nichts Seltsames. Soll ich sagen, es sei nun viel an dem Bild ueberfluessig? Das moechte ich nicht sagen.

 
   
1149.
      “Im Grunde genommen beschreibe ich mit diesen Worten den eigenen Geisteszustand, – aber diese Beschreibung ist hier indirekt und eine Behauptung des geglaubten Tatbestandes selbst.” – – Wie ich, unter Umstaenden, eine Photographie beschreibe, um so
das
die Gegenstände
zu beschreiben, wovon die Photographie eine Aufnahme ist.
–300–


 
   
1150.
      Aber wenn diese Analogie Stich hielte, muesste ich noch sagen koennen, daß diese Photographie (der Eindruck auf meinem Geist) verlaesslich ist. Ich muesste also sagen koenne: “Ich glaube, daß es regnet, und mein Glaube ist verlaesslich, also verlasse ich mich auf ihn.” So, als waere mein Glaube eine Art Sinneseindruck.

 
   
1151.
      Sagst Du etwa: “Ich glaube es, und da ich zuverlaessig bin, wird es
wohl
auch
so sein”? Das waere, als sagte man: “Ich glaube es – also glaub ich's.”

 
   
1152.
      Wie man durch die gleiche Taetigkeit bald die Laenge des Tisches messen, bald den Masstab nachpruefen, bald den Messenden auf seine Genauigkeit beim Messen pruefen kann, so kann eine Behauptung mir dazu dienen, mich ueber ihren Inhalt zu informieren, oder ueber den Charakter, oder den Seelenzustand des Behauptenden.

 
   
1153.
      Man koennte wohl sagen: “Er kommt, aber ich kann es noch immer nicht glauben!” – “Er kommt! Ich kann's nicht glauben!”

 
   
1154.
      Denk Dir einen Ausrufer in einer Station, der plangemaess einen Zug ankuendigt, aber – vielleicht ohne Grund, ueberzeugt ist, daß er nicht eintreffen wird. Er koennte ankuendigen: “Der Zug № .... wird um ..... Uhr einfahren. Ich persoenlich glaube es nicht.”

 
   
1155.
      [D|W]ie waere es, wenn ein Soldat militaerische Meldungen machte, die auf Grund der Beobachtungen berechtigt waeren; er fuegt ihnen aber bei, er glaube, sie seien unrichtig. – Fragen wir uns nicht, was im Geiste dessen, der so spricht, vor sich gehen kann, sondern, ob [a|A]ndere etwas mit dieser Meldung anfangen koennen, und was.

 
   
1156.
      Die Meldung ist ein Sprachspiel mit diesen Worten. Es wuerde Verwirrung erzeugen, wenn wir sagten: Die Worte der Meldung, der gemeldete Satz habe einen bestimmten Sinn, und das Melden, die ‘Behauptung’, fuege diesem noch einen hinzu. So, als ob der Satz, von einem Grammophone ausgesprochen, der reinen Logik angehoerte, als ob er hier den rein logischen Sinn haette, als ob wir hier den Gegenstand vor uns haetten, den Logiker in die Hand nehmen und betrachten, – waehrend der
–301–
behauptete, gemeldete Satz das Ding im Handel ist[,| .] Wie man sagen kann: der Botaniker betrachtet eine Rose als Pflanze, nicht als Schmuck des Kleides, oder Zimmers oder als zarte Aufmerksamkeit. Der Satz, will ich sagen, hat keinen Sinn ausserhalb des Sprachspiels. Das haengt damit z[i|u]sammen, daß er nicht eine Art Name ist. So daß man sagen koennte: “‘Ich glaube … ’ – das ist so” wobei man (in sich etwa) auf das deutet, was dem Satz seine Bedeutung gibt.

 
   
1157.
      Ist es eine Tautologie, zu melden: “Die Reiter werden sofort eintreffen; und ich glaube es”?

 
   
1158.
      Das Paradox ist dies: Die Annahme kann man so ausdruecken: “Angenommen, es ginge das in mir und das ausserhalb mir vor – – die Behauptung aber, es gehe das in mir vor, sagt: es gehe das ausserhalb mir vor. In der Annahme sind die beiden Saetze ueber das Innere und das Aeussere ganz unabhaengig, in der Behauptung aber nicht.

 
   
1159.
Liegt nun das im Wesen des Begriffs “glauben”? Gewiss.

 
   
1160.
Denk Dir, Einer sagte “Ich wünsche, – will aber nicht, dass mein Wunsch befriedigt werde. – (Lessing: “Wenn Gott in seiner Rechten ....”) Kann man also Gott bitten, den Wunsch zu geben, und ihn nicht zu erfuellen?

 
   
1161.
Da scheint es ja also, als wäre die Beha[i|u]ptung “Ich glaube …” nich[g|t] die Behauptung dessen, was die Annahme “ich glaube” annimmt!

 
   
1162.
Sie['|h]'s nicht als selbstverstän[l|d]lich an, sondern als etwas sehr Bemerkenswertes, dass die Ver[n|b]en “glauben”, “hoffen”, “wünschen”, “beabsichtigen” u[|.]s.w., alle die gramatischen Formen aufweisen, die “essen”, “reden”, “schneiden” auch haben.

 
   
1163.
Denk, ich wäre das Zwitterwesen, das aussprechen könnte “Ich glaube nicht, dass es regne[r|t]; und es regnet”. – Aber wozu dienen nun diese Worte? Welche Verwendung denke ich mir von ihnen
302
gemacht? “Er kommt. Ich. persönlich glaube es nicht, aber lass dich das nicht beirren.” – “Er kommt, verlass Dich drau[g|f]. Ich glaube es nicht; aber lass dich das nicht beirren.” Das klingt, als ob zwei Personen aus mir sprächen; oder als ob eine Instanz in mir dem Andern die Mitteilung machte, er komme, und diese Instanz wünscht, der Andere solle dementsprechend handeln, – während ein eine andere Instanz im gewissen Sinne mein eigenes Verhalten ankuendigt. Es ist so, als sagte man: “Ich weiss, dass diese Handlungsweise falsch ist, weiss aber, dass ich so [g|h]andeln werde.” // “Ich weiss, dass das ganz falsch ist, kann aber nicht anders handeln.” //
      “Er kommt, aber ich glaube es nicht”, kann also in einem Sprachspiel vorkommen. Oder besser: “Es lässt si[i|c]h ein Sprachspiel ausdenken, worin diese Worte uns nicht absurd vorkämen.

 
   
1164.
      Ein Voltmeter, statt die Spannung durch Zeiger und Zifferblatt anzuzeigen, könnte sie mit Hilfe einer Grammophonplatte aussprechen. Das Instrument sagt etwa, wenn man einen Knopf drückt (es befragt) “Die Spannung beträgt ....” Könnte es nun auch Sinn haben, das Voltmeter sagen zu lassen: “Ich glaube, die Spannung beträgt ....”? – So einen Fall kann man sich schon denken.
      Soll ich nun sagen, das Instrument sage etwas über sich selbst aus, – oder über die Spannung? Soll ich sagen,, das Instrument sage immer etwas über sich selbst aus? Und wenn es z.B. eine höhere Ablesung der Spannung wiederholen kann: es habe geglaubt, die Spannung sei .... gewesen?

 
   
1165.
      Oder sagen wir's so: Soll ich sagen, ein Voltmeter zeigt etwas über sich selbst an, oder die Spannung? Kann ich nicht beides sagen? Nämlich jedes unter verschiedenen Umständen?
303


 
   
1166.
      Haben “Hilfe!” und “Ich brauche Hilfe” verschiedenen Sinn; ist es nur eine Rohheit unserer Auffassung, dass wir sie al[d|s] gleichbedeutend betrachten? Heisst es immer, etwas zu sagen: “Genau genommen war, was ich meinte, nicht “Hilfe!”, sondern ‘Ich wünsche Hilfe’”. Der schlimmste Feind unseres Verständnisses ist hier die Idee, das Bild, eines ‘Sinnes’ dessen was wir reden, in unserm Geiste.

 
   
1167.
      Die Behauptung “Er wird kommen” spielt nicht auf den Behauptenden an. Aber auch nicht auf die Worte der Behauptung, während “‘er wird kommen’ ist ein wahrer Satz” auf die Worte anspielt und den gleichen Sinn hat wie der Satz, der dies nicht tut.

 
   
1168.
      Könnte man von dem Sinn der Worte “dass er kommen wird” reden? Denn diese Worte sind recht eigentlich die Frege'sche ‘Annahme’. Nun, könnte ich Einem nicht erklären, was dieser Wortausdruck bedeutet? Doch wohl, in dem ich ihm er[j|k]läre, [i|o]der zeige, wie er verwendet wird.

 
   
1169.
      Die Schwierigkeit wird unüberwindlich, wenn Du denkst, der Satz “Ich glaube ....” sage etwas über den Zustand meiner Seele aus. Wäre es so, so müsste man das M'sche Paradox reproduzieren können, wenn man statt über den Zustand der eigenen Seele, etwas über den Zustand des Gehirns etwa aussagte. Der Witz Witz ist aber ebe ist aber eben, dass keine Behauptung über den Zustand meines Gehirns (oder wessen immer) der Behauptung, die ich glaube[,| ] (“Er wird kommen” z.B.– gleichkommt.

 
   
1170.
      Fassen wir aber nun dennoch die Behaupt[i|u]ng “Er glaubt p) als [a|A]ussage über seinen Zustand Zustand auf, aus der jedenfalls hervorgeht, wie er sich unter gegebenen Umständen verhalte[l|n] wird! Gibt es denn nun zu so einer Aussage keine erste Person des Präsenz? Kann ich denn also nicht von
304
mir selbst aussagen, ich sei jetzt in einem Zustand, in welchem die und die sprachlichen, und anderen, Reaktionen wahrscheinlich sind? Aehnlich ist es jeden[d|f]alls, wenn ich sage, “Ich bin jetzt sehr irritabel.” Aehnlich könnte ich auch sagen “Ich glaube jetzt jede schlimme Nachricht sehr leicht.”

 
   
1171,
      Würde nun ein Satz, welcher aussagt, ich – oder mein Gehirn – sei jetzt in einem so gearteten Zustand, dass ich auf die Frage “Wird er kommen” mit “Ja” antworte, und die und die anderen Reaktionen aufweise, – würde so ein Satz der Behauptung gleich kommen “Er wird kommen”?
Man könnte hier fragen: “Wie denkst Du Dir denn, dass ich über diesen meinen Zustand unterrichtet bin? – Durch Erfahrung etwa? Will ich also, aus der Erfahrung, voraussagen, ich werde jetzt so eine Frage immer so be[wa|an]tworten, etc.?” Ist es so und mache ich in diesem Sinne die Aussage “ich glaube, er wird kommen” und füge hinzu “und er wird nicht kommen”, so ist das nur insofern ein Widerspruch wie etwa dies einer ist: “Ich kann kein viersilbiges Wort aussprechen”, oder dies: “Ich kann keinen einzigen deutschen Satz sagen.” Wenn dies letztere eine Art Widerspruch ist, so ist es doch nicht die Annahme: “Angenommen ich könnte keinen einzigen deutschen Satz sagen”.

 
   
1172[1|.]
      Dass er [u|d]as und das glaubt, ergibt sich für uns aus der Beobachtung seiner Person, aber die Aussage “Ich glaube ....” macht er nicht auf Grund der Selbstbeobachtung. Und darum kann “Ich glaube p” äquivalent sein der Behauptung von “p”. Darum auch die Frage “Ist es so?” [d|D]em Satz “Ich möchte wissen, ob es so ist.”

 
   
1173.
      “Dies Gesicht hat einen ganz bestimmten Chara[c|k]ter –” heisst eigentlich: es liesse sich viel darüber sagen.
305
Wann sagt man dies? Was berechtigt einen dazu? Ist es eine bestimmte Erfahrung? Weiss man schon, was man sagen wird; hat man sich's schon im Stillen vorgesagt? Ist die Situation nicht ähnlich wie die: “Jetzt weiss ich weiter!”

 
   
1174.
      Wir kennen Alle den Vorgan[d|g] des momentanen Wechsels des Aspekts; – aber wie, wenn man nun fragte: “Hat gross A den Aspekt a nun fortwährend vor Augen – wenn nämlich hie kein Aspektwechsel eingetreten ist? Kann der Aspekt nicht, so zu sagen, frischer oder
welker
unbestimmter
werden? – Und wie seltsam, dass ich das frage!

 
   
1175.
      Es gibt so etwas, wie ein Aufflackern des Aspekts. So, wie man etwas mit intensiverem und weniger intensiven Ausdruck sp[ei|ie]len [ak|ka]nn. Mit stärkerer Betonung des Rhythmus und [er|de]r Struktur, oder weniger starkem.

 
   
1176.
      Das als eine Variante von dem sehen, hören. Da ist also der Moment, wo ich beim Anblick von A an B denke, wo dieses Sehen, so zu sagen, akut ist, und dann die Zeit, in der es chronisch ist.

 
   
1177.
      Das psychologische // seelische // Phänomen nicht er[j|k]lären, sondern hinnehmen, ist das schwere. –

 
   
1178.
      “F” als Variation verschiedener Figuren[,| .] Wenn ich mir denke, dass in meinem Geist das Paradigma, als dessen Variante ich das Ob[k|j]ekt sehe, irgendwie beim Sehen gegenwärtig ist, dann könnte es (doch) bald deutlicher, bald undeutlicher
da
gegenwärtig
sein, und es könnte auch ganz verschwinden.
306.


 
   
1179.
      Denk dir zwei Leute: der eine hat in der Jugend das “F” so gelernt , – der Andere, wie wir . Wenn nun die [b|B]eiden das Wort “Figur” lesen, – muss ich sagen, habe ich Grund zu sagen, sie saehen Jeder das “F” anders? Offenbar nein. Und koennte es nicht doch sein, dass der Eine von ihnen, wenn er hoert, wie der Andere diesen Buchstaben schreiben und lesen gelernt hat, sagt: “So hab ich ihn nie angesehen, sondern immer so”?
      Und ferner wird es wohl Situationen geben, in denen ich, was einer dieser Leute tut, oder sagt, so erklaeren werde[n|:] “Er betrachtet naemlich diesen Buchstaben als Variante von ....”

 
   
1180.
      Das ist sicher, dass man sagen kann: “Ich habe das noch nie so gesehen”. Hier ist das “nie” unzweifelhaft. – Sagst Du aber “Ich habe das immer so gesehen”, so ist dies “immer” nicht gleichermassen sicher. Und daran ist natuerlich garnichts merkwuerdiges, wenn man statt “gesehen” “aufgefasst” sagt.

 
   
1181.
      Denke, Du wuesstest, dass das Zeichen eine Kombination eines mit einem ist. – – Das erinnert an das Traumphaenomen, das man in einer Traumerzaehlung mit den Worten beschreibt: “und ich wusste, dass …”. Und es hat auch Aehnlichkeit mit dem, was man “Halluzination” nennt.
307.


 
   
1182.
      Es ist, als waere in meinem Geist ein Paradigma, eine Vorlage gegenwaertig, wenn ich das Zeichen // den Schriftzug // sehe. Aber was fuer eine Vorlage?? wie sieht sie aus? D[i|o]ch nicht eben, wie das Zeichen selbst! – Also wie das Zeichen, so gesehen? – Aber wie gesehen? Wie soll ich den Aspekt notieren? Nun, wie notieren wir ihn denn; wie verstaendigen wir uns ueber ihn? Ich sage etwa: “Das Zeichen, wie ich's sehe, schaut nach rechts”. Ich koennte sogar von einer Art visuelle[n|m] Schwerpunkt reden, – sagen: Der Schwerpunkt des Zeichens befindet sich hier. Kann ich erklaeren, was ich damit meine? Nein. – Aber diese meine Reaktion kann ich mit Reaktionen Anderer vergleichen.

 
   
1183.
      Bin ich mir stets der Verschwommenheit der Raender meines Gesichtsfelds bewusst? Soll ich sagen: “Fast nie”, oder “Nie”?

 
   
1184.
      In einem andern Gedankenraum – moechte man sagen – schaut das Ding anders aus.

 
   
1185.
      Man koennte sich in der Musik eine Variation auf ein Thema denken, die, etwa ein wenig anders phrasiert, als eine ganz an[s|d]ere Art der Variation des Thema aufgefasst werden kann. (Im Rythmus gibt es solche Mehrdeutigkeiten.) Ja, was ich meine, findet sich wahrscheinlich ueberhaupt immer, wenn eine W[o|i]ederholung das Thema in ganz anderem Licht erscheinen laesst.
308.


 
   
1186.
      Kein Aspekt, der nicht (auch) Auffassung ist.

 
   
1187.
      Angenommen Einer sagte mir: “Es hat sich jetzt etwas an dem Bild veraendert – ich kann's nicht anders ausdruecken – obwohl die Form die gleiche ist wie frueher. Ich kann nur sagen: frueher war es eine Art , jetzt ist es eine Art ”. Wenn er das sagte, koennte ich nicht doch bezweifeln, dass er die Figureimmer, ununterbrochen, so gesehen und sie nicht nur nie anders aufgefasst hat? // , koennte ich nicht doch miss[y|t]rauisch sein und bezweifeln, …? //

 
   
1188.
      Denk Dir, das Kind, wenn es den Buchstaben “R” gelernt hat, sagte uns: “Ich sehe es immer als ein ‘R’”. Was koeente uns das mitteilen?? – Ja, auch wenn es uns sagte, “Ich sehe es immer als er ein ‘P’ mit einer schiefen Stuetze”, wuerde uns das nur sagen: so fasst das Kind es auf, so erklaert es sich den Buchstaban, und dergleichen. Erst wenn es vom Wechseln des Aspekts spraeche, wuerden wir sagen, nun sei es jenes Phaenomen …

 
   
1189.
      Sagt [e|E]iner “Ich sehe es immer so”, so muss er das “So” angeben. Angenommen, er taete das, indem er den Strichen der Figur einer bestimmten Reihenfolge, oder in einem bestimmten Rythmus nachfuehre. Das waere aehnlich, als sagte er uns: “Ich folge der Figur mit den Augen immer so”. Und da koennte es natuerlich sein, dass ihn sein Gedaechtnis taeuscht.
309.


 
   
1190.
      Sagt er “Ich sehe (jetzt) die Figur so” und faehrt ihr in bestimmter Weise nach, – so muesste dass nicht sowohl eine Beschreibung sein, als, sozusagen, dies Sehen selbst.
      Sagt er aber “Ich habe sie immer so gesehen”, so heisst das, er habe sie nie anders gesehen, und da mag er sich taeuschen.

 
   
1191.
      Nein, das Paradigma schwebte mir nicht staendig vor – – aber wenn ich den Wechsel des Aspekts beschreibe, dann beschreibe ich ihn mittels der Paradigmen. // dann geschieht das mit Hilfe der Paradigmen. //
// Nein, das Paradigma schwebte mir nicht staendig vor; ich wollte nichts Derartiges sagen – – aber … //

 
   
1192.
      “Ich habe es immer so gesehen” – damit w[a|i]ll man eigentlich sagen: “Ich habe es immer so aufgefasst, und dieser Wechsel des Aspekts hat nie stattgefunden.”

 
   
1193.
      “Ich habe es nie so gesehen, sondern immer so.” Nur ist daraus allein noch kein Satz. Das Feld fehlt ihm noch.

 
   
1194.
      “Ich habe es immer mit diesem Gesicht gesehen”. Aber Du musst noch sagen, mit welchem. Und sowie Du das dazu sagst, ist es nicht mehr als haettest Du's immer getan.
      “Ich habe diesen Buchstaben immer mit einem graemlichen Gesicht gesehen”. Da kann man fragen: “Bist Du sicher, dass es
310.
immer war?” D.h.: ist Dir die Graemlichkeit immmer aufgefallen?

 
   
1195.
      Und wie ist es mit dem ‘Auffallen’? Findet das in einem Moment statt, oder dauert es an?

 
   
1196.
      “Wenn ich ihn ansehe, sehe ich immer das Gesicht seines Vaters.” Immer? – Aber doch nicht nur auf Augenblicke! Dieser Aspekt kann andauern.

 
   
1197.
      Denk Dir, man sagte: “Ich sehe es jetzt immer in diesem Zusammenhang.” –

 
   
1198.
      Absolutes [a|u]nd relatives Gehoer: Hier ist etwas Aehnliches: Ich hoere den Uebergang von einem Ton zum andern. Aber nach kurzer Zeit kann ich einen Ton nicht mehr als den hoeheren oder tieferen jener beiden erkennen. Und es mueete auch keinen Sinn haben, von einem solchen “Erkennen” zu reden; wenn es naemlich kein Kriterium des richtigen Erkennens gaebe.

 
   
1199.
      Es ist beinahe, als ob das ‘Sehen des Zeichens in diesem Zusammenhang’ ein Nachhallen eines Gedankens waere.

 
   
1200.
      Von einem wirklichen oder gemalten Gesicht zu sagen “Ich habe es immer als Gesicht gesehen”, waere seltsam; aber nicht: “Es war fuer mich immer ein Gesicht, und ich habe es nie als
310.
etwas anderes gesehen.”

 
   
1201.
      Wenn ich z.B. das einmal als ein T mit einem hinzugefuegtem Strich sehe, so ist es, als ob die Kop Gruppierung Gruppierung sich aenderte. Fragt man mich aber: “Du hast also frueher diese Figur immer mit der Gruppierung eines F gesehen?” so könnte ich dies nicht sagen, es sei so.

 
   
1202.
      Wenn Einer sagt: “Ich rede von einem visuellen Phaenomen, in welchem sich wirklich das Gesichtsbild, naemlich seine Organisation aendert, obwohl Formen und Farben die gleichen bleiben” – dann kann ich ihm antworten: “Ich weiss, wovon [d|D]u redest; ich moechte auch das sagen, was Du sagst.” – Ich sage also nicht: “Ja, das Phaenomen, wovon wir beide reden, ist wirklich ein Wechsel der Organisation ....”, sondern “Ja, dies Reden von dem Wechsel der Organisation, etc. ist die Aeusserung des Erlebnisses, das ich auch ich meine. // wovon auch ich rede. //

 
   
1203.
      “Die Organisation des Gesichtsbilds aendert sich.” – “Ja, das moechte ich auch sagen.”
      Das ist analog dem, wenn Einer sagte, “Alles um mich kommt mir unwirklich vor” – und ein Anderer erwidert[]|:] “Ja, ich kenne dieses Phaenomen. Ganz so moechte ich'es auch ausdruecken.”

 
   
1204.
      “Die Organisation des Gesichtsbilds aendert sich” hat eben nicht die gleiche Art der Anwendung, wie: “Die Organisation die-
312.
ses Berichs Vereins aendert sich”. Hier kann ich beschreiben, wie das ist, wenn sich die Organisation unseres Vereins aendert.

 
   
1205.
      “Es ist mir nie aufgefallen, dass man die Figur so sehen kann”: folgt daraus, dass es mir aufgefallen ist, oder dass ich wusste, dass man sie so sehen konnte, wie ich sie immer gesehen habe?

 
   
1206.
      Ich hoere einen Ton – hoere ich also nicht, [d|w]ie laut er ist? – – [i|I]st es richtig, zu sagen: wenn ich den Ton hoere, muesse ich mir des Grades seiner Lautheit bewusst sein? – Anders ist es, wenn seine Staerke sich aendert.

 
   
1207.
      Es wuerde auf dem ersten Blich so erscheinen: Jemand kommt darauf, daß man ein F auch als T mit einem Anhaengsel sehen kann; er sagt “Jetzt sehe ich's als T, etc., jetzt wieder als F. Daraus scheint zu folgen, daß er's das zweite mal so sieht, wie er es vor seiner Entdeckung immer gesehen hat. – Da[s|ß] also, wenn es Sinn hatte zu sagen, “[j|J]etzt sehe ich's wieder als F”, es auch Sinn gehabt haette vor dem Wechsel des Aspekts zu sagen “Ich sehe den Buchstaben F immer als F”.

 
   
1208.
      Wenn ich einen Satz in einem und demselben Tonfall gehoert haette [,| (]und oft gehoert haette), waere es rightig, zu sagen, ich muesse mir natuerlich des Tonfalls bewusst gewesen sein? Wenn das eben dasselbe heisst wie, ich habe ihn in diesem Tonfall gehoert und spreche ihn auch immer in diesen Tonfall nach, – dann bin ich mir des Tonfalls bewusst. Ich muss aber wissen, daß es so etwas gibt, wie einen ‘Tonfall’, der Tonfall braucht mir nie aufgefallen zu sein,
– 313 –
ich brauche auf ihn gelauscht zu haben.
      Der Begriff Tonfall mag mir ganz unbekannt sein. Die ‘Trennung’ des Tonfalls vom Satz braucht sich fuer mich nicht vollzogen zu haben.
      Ich habe also kein Sprachspiel mit dem Wort “T[i|o]nfall” gelernt.

 
   
1209.
      Wenn das Kind die Buchstaben lernt, lernt es ja nicht, sie so und nicht anders sehen. Soll ich nun sagen, der Mensch komme spaeter beim Wechsel des Aspekts drauf, daß er einen Buchstaben, z.B. ein R, immer in der gleichen Weise gesehen habe? – Nun, so koennte es sein, ist aber nicht so. Nein, das sagen wir nicht. Sogar, wenn Einer so etwas sagte wie, fuer ihn habe der Buchstabe … immer das und das Gesicht gehabt, wuerde er zugeben, daß er in vielen Faellen beim Anblick des Buchstabens nicht an ein Gesicht ‘gedacht’ habe.

 
   
1210.
      Soll ich nun sagen: eine ‘Art des Sehens’ assoziiere sich fuer uns mit einem Buchstaben? Gewiss nicht; ausser es heisst etwas aehnliches wie: ein Gesicht assoziiere sich mit einem Buchstaben.

 
   
1211.
      Denk an den Begriff “Schreibweise”. Man kann sagen “Das ist eine interessante Schreibweise des Buchstaben … ” – aber versteht also jeder, was “Schreibweise” heisst, der einen Buchstaben schreiben gelernt hat? Ich meine: [k|K]ann Einer die Schreibweise des S beachten, der garnicht weiss, daß es verschiedene Schreibweisen eines Buchstaben gibt? – Oder spiele ich hier nur mit Worten?
      Du darfst nur nicht einen zu engen Begriff des ‘Erlebens’ haben.
      Frag Dich etwa: Kann der eine Aussprache als vulgaer empfinden, der etwa nie andere Beispiele vor sich hatte?

 
   
1212.
      “Diese Schrift ist mir unsympathisch.” Kann dem, der gerade lesen und schreiben lernt, eine Schrift ‘unsympathisch’ sein? – Sie kann ihn vielleicht in irgend einem Sinne abstossen. Nur von dem hat es Sinn zu sagen, eine Schrift sei ihn unsympathisch, der sich bereits allerlei Gedanken ueber
– 314 –
eine Schrift machen kann. Waere

 
   
1213.
      Waere es denkbar, daß ueber zwei identischen Abschnitten eines Musikstuecks Anweisungen stuenden, die uns aufforderten, es beim ersten mal so, beim zweiten mal so zu hoeren, ohne daß dies auf den Vortrag irgendeinen Einfluss ausueben sollte. Es waere etwasdas Musikstueck fuer eine Spieluhr ges– –ichen Abschnitte waeren in der gleichen Staerke un dem gleichen Tempo zu spielen – nur jedesmal anders aufzufassen.
      Nun, wenn auch ein Komponist so eine Anweisung noch nie geschrieben hat, koennte nicht ein Kritiker sie schr[ei|ie]ben? Waere so eine Anweisung nicht vergleichbar mir einer Ueberschrift der Programmusik (“Tanz der Landleute”)?

 
   
1214.
      Nur freilich, wenn ich [e|E]ine[n|m] “Hoere es so”, so muss er nun sagen koennen: “Ja, jetzt versteh ich's; jetzt hat es wirklich Sinn!” (Etwas muss einschnappen.)

 
   
1215.
      Welchen Begriff von der Gleichheit, di Identitaet, haben wir? Du kennst die Verwendungen des Wortes “gleich”, wenn es sich in gleiche Farben, gleiche Klaenge, gleiche Formen, gleiche Laengen, gleiche Gefuehle handelt, und Du entscheidest, ob nun der und der Fall in diese Familie aufgenommen werden soll, oder nicht // entscheidest, ob man nun hier auch noch von ‘Identitaet’ reden soll, oder nicht // .

 
   
1216.
      Was ist an der Idee abstossend, daß wir den Ge[rb|br]auch eines Wortes studieren, Fehler in der Beschreibung dieses Gebrauch's aufzeigen, usw? // Was ist es, was an der Idee abstoesst, wir studierten … // Vor allem fragt man sich: Wie koennte das uns so wichtig sein? Es kommt drauf an, ob man ‘falsche Beschreibung’ die nennt, die nicht mit dem sanktionierten Ge Sprachgebrauch uebereinstimmt, – oder die, die nicht mit der Prazis des Beschreibenden uebereinstimmt. Nur im zweiten Fall entsteht ein philosophischer Konflikt.

 
   
1217.
      Weniger abstossend ist die Idee: wir machen uns, vom Denken z.B., ein falsches Bild. Denn hier sagt man sich: wir haben es doch mindestens mit dem Denkkn Denken, nicht mit dem Worte “denken”, zu tun.
– 315 –

      Also, wir machen uns vom Denken ein falsches Bild. – Aber wovon machen wir uns ein falsches Bild; wie weiss ich, z[,|.]B., daß du Dir von dem ein falsches Bild machst, wovon auch ich mir ein falsches Bild mache?
      Nehmen wir an, unser Bild des Den[ek|ke]ns waere ein Mensch, der den Kopf in die Hand stuetzt und zu sich s[d|e]lber redet. Unsere Frage ist nicht “Ist das ein richtiges Bild?” sondern: “Wie wird dies Bild als Bild des Denkens verwendet?”
      Nicht: “Wir haben uns ein f[l|a]lsches Bild gemacht” – sondern: “Wir kennen uns im Gebrauch unseres Bildes, oder unserer Bilder, nicht aus”! Und also nicht im Gebrauch
des
unseres
Wortes.

 
   
1218.
      Wohl, – aber dies Wort ist doch nur insofern interessant, als es tatsaechlich fuer uns einen ganz bestimmten Gebrauch besi[zt|tz]t, also sich bereits auf eine gewisse Erscheinung bezieht! – Das ist wahr. Und das heisst: wir haben es nicht mit einer Verbesserung der g[f|r]ammatischen Kon[d|v]entionen zu tun. – Aber was heisst das: “Wir wissen Alle, auf welche Erscheinung sich das Wort ‘denken’ bezieht”? Heisst es nicht eben: wir koennen Alle das Sprachspiel mit dem Wort “denken” spielen? Nur erzeugt es Unklarheit, das Denken eine ‘Erscheinung’ zu nennen; und weitere Unklarheit, zu sagen “wir machen uns von dieser Ers[h|c]heinung einf falsches Bild”. (“Einen falschen Begriff” koennte man schon eher sagen.)

 
   
1219.
      Haben wir es mit dem Gebrauch des Wortes “fuenf” zu tun, so haben wir es, in gewissem Sinne, mit dem zu tun was dem Worte ‘entspricht’; nur ist diese Ausdrucksweise primitiv, setzt eine primitive Auffassung vom Gebrauch eines Wortes [h|v]oraus.

 
   
1220.
      Ein ‘Sprachspiel’: Man laesst Einnen ein Aroma, z.B. das des Kaffee's nach einer Zeichnung waehlen. Man sagt ihm: “Kaffee riecht so: ” und nun befiehlt man ihm diejenige Fluessigkeit zu bringen, die so riecht. – Ich nehme nun an, er braechte wirklich die richtige. Ich haette also ein Mittel, durch etwas Zeichenartiiges einem Menschen Befehle zu erteilen. ((Zusammenhang mit dem Wesen der Regel, der Technik, der Mathematik, – der reellen Zahlen z.B.)) Dies haengt auch damit zusammen: (“Die Henne ‘ruft’ die Kuechlein zu sich.”[|)]
– 316 –


 
   
1221.
      “Man kann das Aroma des Kaffee's nicht beschreiben.” Aber koennte man sich nicht denken, daß man's koennte? Und was muss man sich dazu vorstellen?
      Wer sagt “Man kann das Aroma nicht beschreiben”, den kann man fragen: “Womit willst [d|D]u's beschreiben? Mit Hilfe welcher Elemente?”

 
   
1222.
      Wir sind auf die Aufgabe garnicht gefasst, den Gebrauch des Wortes “[d|D]enken”, z.B., zu beschreiben. (Und warum sollten wir's sein? Wozu ist so eine Beschreibung nuetze?)
      Und die naive Vorstellung, die man sich von ihm macht, entspricht garnicht der Wirklichkeit. Wir erwarten uns eine glatte, regelmaessige Kontour, und kriegen eine zerfetzte // zerlumpte // zu sehen. Hier koennte man wirklich sagen, wir haetten uns ein falsches Bild gemacht. Es ist das beinahe, als gaebe es ein Substantiv, sagen wir “Riese”, mit Hilfe dessen man all das ausdrueckt, was wir mit dem Adjektiv “gross” sagen. Das Bild, das uns beim Worte “Riese” in den Sinn kaeme, waere das eines Riesen. Und nun sollte man unsere seltsame Verwendung des Wortes “gross”, mit diesem Bild vor unsern Augen, beschreiben.

 
   
1223.
      Macaulay sagt, die Dichtkunst sei eine “nachahmende Kunst” und geraet natuerlich sogleich in die groessten Schwierigkeiten mit diesem Begriff. Er will beschreiben; aber jedes Bild, das sich ihm darbietet, ist unzutreffend // stimmt nicht // , so offenbar richtig es auch auf den ersten Blick scheint; und so seltsam es auch scheint, daß man nicht sollte beschreiben koennen, was man so genau kennt // versteht // .
1224.

      Hier sagt man sich: “Es muss eben so sein! – auch wenn ich nicht gleich alle Einwaende bei Seite schieben kann.”

 
   
1224.
      Es waere doch sehr wohl denkbar, daß Einer sich genau in einer Stadt auskennt, d.h., von jedem Ort der Stadt zu jedem adern mit Sicherheit den kuerzesten Weg faende, – und dennoch ganz ausser Stande waere, einen Plan der Sta[td|dt] zu zeichnen. Daß er, so bald er es versucht, nur gaenzlich Falsches hervorbringt. (Unser Begriff vom ‘Instinkt’.)
– 317 –


 
   
1225.
      Vor allem fehlt dem, der die Beschreibung versucht, nun jedes System. Die Systeme, die ihn in den Sinn kommen, sind unzureichend; und er scheint ploetzlich sich in einer Wildniss zu befinden, statt in dem wohlangelegten Garten, den er so gut kannte.
      Es kommen ihm wohl Regeln in den Sinn, aber die Wirklichkeit zeigt nichts als Ausnahmen.

 
   
1226.
      Und die Regeln des Vordergrunds machen es uns unmoeglich, die Regeln im Hintergrund zu erkennen. // sehen. // Denn, wenn wir ihm mit dem Vordergrund zusammenhalten, sehen wir nun wirklic nur widerliche Ausnahmen, also Unregelmaessigkeit.

 
   
1227.
      Sagen wir, es denke jeder, der sinnvoll spricht? Z.B. der Bauende im Sprachspiel № 2? Koennten wir uns nicht das Bauen und Rufen der Woerter, etc., in einer Umgebung denken, in der wir es mit einem Denken nicht in Zusammenhang braechten?
      Denn “denken” ist verwandt mit “ueberlegen”.

 
   
1228.
      “Eine Multiplikation mechanisch ausfuehren” (ob nun auf dem Papier oder im Kopfe) sagen wir wohl – – aber “sich etwas mechanisch ueberlegen” das enthaelt fuer uns einen Widerspruch.

 
   
1229.
      Der Ausdruck, das Benehmen, des Ueberlegens. Wovon sagen wir: Es ueberlege sich etwas? Vom Menschen, manchmal vom Tier. (Nicht vom Baum, oder vom Stein.) Ein Zeichen des Ueberlegens ist ein Zoegern im Handeln. (Koehler.) (Nicht jedes Zoegern.)

 
   
1230.
      Denke vom ‘Ueberlegen’ an das ‘Versuchen’. An das ‘Untersuchen’, an den Ausdruck des Staunens; des Misslingens und Gelingens.

 
   
1231.
      Was muss der Mensch nicht alles tun, damit wir sagen, er denke! // alles tun koennen, damit …! //

 
   
1232.
      Er kann nicht wissen, ob ich denke, aber ich weiss es. Was weiss ich? Daß das, was ich jetzt tue, denken ist? Und womit vergleich ich's, um das zu wissen? Und kann ich mich darin nicht irren? Also bleibt nur uebrig: ich wisse, daß ich tue, was ich tue. –
– 318 –


 
   
1233.
      Aber es hat doch Sinn, zu sagen “Er weiss nicht, was ich dachte, denn ich habe es ihm nicht gesagt”!
      Ist ein Gedanke auch dann ‘privat’, wenn ich ihn laut im Selbstgespr aeussere, wenn mich niemand hoert?
      “Meine Gedanken kenne nur ich allein.” Das heisst doch ungefaehr: “Ich kann sie beschreiben, a[su|us]druecken, wenn ich will.”

 
   
1234.
      “Meine Gedanken kenne nur ich allein.” – Woher weisst Du das? Erfahrung hat es Dich nicht gelehrt. – Was teilst Du uns dadurch mit? – Du musst Dich schlecht ausdruecken.
      “Nicht doch! Ich denke mir jetzt etwas; sag mir, was es ist!” So war es also doch ein Erfahrungssatz? Nein; denn sagte ich Dir, was Du Dir denkst, so haette ich's doch nur erraten. Ob ich's richtig erraten habe, wie laesst sich das entscheiden? Dur[f|c]h Dein Wort, und gewisse Umstaende: Also vergleiche ich dieses Sprachspiel mit einem andern, bei welchem die Mittel der Entscheidung (Verifikation) anders aussehen.

 
   
1235.
      “Ich kann hier nicht....” – Wo kann ich denn? In einem andern Spiel. (Ich kann hier – im Tennis naemlich – den Ball nicht durch's Tor schiessen.)

 
   
1236.
      Aber ist nicht ein Zusammenhang zwischen dem grammatischen ‘privat sein’ der Gedanken und der Tatsache, daß wir im allgemeinen die Gedanken des Andern nicht erraten koennen, ehe er sie ausspricht. Es gibt doch ein Gedankenerraten in dem Sinne, daß Einer mir sagt: “Ich weiss, was Du [n|j]etzt gedacht hast” (oder “woran Du jetzt gedacht hast”) und ˇich zugeben muss, er habe meine Gedanken richtig erraten. Und dies kommt doch tatsaechlich sehr selten vor. Ich sitze oft, ohne zu reden, mehrere Minuten lang in meiner Klasse, und Gedanken gehen mir durch den Kopf; aber keiner meiner Hoerer koennte wohl erraten, was ich bei mir gedacht habe. Es waere doc aber doch auch moeglich, daß sie Einer erriete und aufschriebe, so als haette ich sie ausgesprochen. Und zeigte er mir das Geschriebene, so muesste ich sagen “Ja, ganz das habe ich mir gedacht.” – Und hier waere z.B. die Frage unentscheidbar: ob ich mich auch nicht irre; ob ich wirklich das gedacht hatte, oder nur, von seiner Niederschrift beeinflusst, mir nun fest einbilde, gerade
– 319 –
dies gedacht zu haben.
      Und das Wort “unentscheidbar” gehoert zur Beschreibung des Sprachspiels.

 
   
1237.
      Und waere nicht auch dies denkbar: Ich sage zu Einem “Du hast Dir jetzt gedacht ....” – Er verneint es. Aber ich bleibe fest bei meiner Behauptung, und endlich sagt er: “Ich glaube, Du hast recht; ich werde mir das gedacht haben; mein Gedaechtnis wird mich taeuschen.”
      Und denke nun, daß dies ein ganz gewoehnliches Vorkommnis waere!

 
   
1238.
      “Gedanken und Gefuehle sind privat” heisst ungefaehr das gleiche wie “Es gibt Verstellung”, oder “Man kann seine Gedanken und Gefuehle verschweigen // verbergen // ; ja luegen und sich verstellen”. Und es ist die Frage, was dieses “Es gibt” und “Man kann” bedeutet.

 
   
1239.
      Unter welchen Umstaenden, bei welchen Anlaessen, sagt man denn: “Meine Gedanken kenne nur ich”? – Wenn man auch haette sagen koennte: “Meine Gedanken werde ich Dir nicht sagen”, oder “Meine Gedanken halte ich geheim”, oder “Meine Gedanken koennt Ihr nicht erraten”.

 
   
1240.
      Wovon sagt man denn, man kenne es? und in wiefern kenne ich meine Gedanken?
      Sagt man nicht von dem, man kenne es, was man richtig beschreiben kann? Und kann man das von den eigenen Gedanken sagen?
      Wenn Einer die Worte die “Beschreibung” des Gedankens nennen will, statt den “Ausdruck” des Gedankens, frage er sich, wie man einen Tisch beschreiben le[e|r]nt. Und das heisst nur: er sehe zu, wie man die Beschreibung eines Tisches, und wie man die Beschreibung der Gedanken als richtig oder falsch beurteilt; er moege also diese Sprachspiele in allen ihren Situationen ins Auge fassen.

 
   
1241.
      “Die Tatsache ist doch, daß der Mensch nur seine eigenen Gedanken kennt.” (“Die Tatsache ist doch, daß von meinem eigenen Denken nur ich weiss.”)
      “Und auch ich nicht” koennte man sagen
– 320 –


 
   
1242.
      “Dem Menschen hat es die Natur gegeben, daß er im Geheimen denken kann.” Denk Dir man sagt: “Die Natur hat es dem Menschen gegeben, daß er hoerbar, aber auch unhoerbar, in seinem Geiste, reden kann.” Er kann also, heisst das, dasselbe auf zwei Arten tun. (Als koennte er sichtbar verdauen und unsichtbar verdauen.) Nur ist beim Reden im Geiste das Reden besser verborgen, als ein Vorgang im Innern des Koerpers sein kann. – Wie waere es aber, wenn ich redete, und alle [a|A]ndern taub waeren? Waere da mein Reden nicht ebensogut verborgen?
      “Im tiefsten Geheimnis des Geistes geht
es
etwas
vor sich.”

 
   
1243.
      Wer mir sagt, was er gedacht hat, – hat mir der wirklich gesagt: was er gedacht hat? Musste nicht das eigentliche geistige Ereignis unbeschrieben bleiben? // Musste nicht der Vorgang im Geiste unbeschrieben bleiben? // – – War nicht er es das Geheime, – wovon ich in der Rede dem Andern nur ein Bild gebe?

 
   
1244.
      Wenn ich Einem sag Einem sage, was ich denke, – kenne ich da meinen Gedanken besser, als meine Worte ihn darstellen? Ist es, als kennte ich einen Koerper und zeigte dem Andern nur eine Photographie?

 
   
1245.
      “Dem Menschen ist es gegeben in voller Abge[v|s]chlossenheit mit sich selbst zu reden; in einer Absonderung, die weit vollkommener ist, als die eines Einsiedlers.”     Wie weiss ich, daß dem N. dies gegeben ist? – Weil er's sagt und zuverlaessig ist? –
      Und doch sagen wir: “Ich wuesste gerne, was er jetzt bei sich denkt”; ganz so, wie wir sagen koennten: “Ich wuesste gerne, was er jetzt in sein Notizbuch schreibt”. Ja, man koennte eben das sagen und es, sozusagen, als selbstverstaendlich ansehen, daß er bei sich das denkt, was er ins Notizbuch eintraegt.

 
   
1246.
      Wuerden nun Leute, die regelmaessig, – etwa durch Beobachten des Kehlkopfs eines Menschen – seine Gedanken ‘lesen’ koennten, – wuerden die auch von der gaenzlichen Einsamkeit des Geistes mit sich selbst zu sprechen geneigt sein? – Oder: Waeren auch sie geneigt, das Bild von der ‘gaenzlichen Angeschlossenheit[:|] zu gebrauchen?

– 321 –


 
   
1247.
      “Ich moechte wissen, worauf er sinnt!” Aber nun stell Dir diese – scheinbare irrelevante – Frage: “Was ist daran ueberhaupt interessantes, // “Warum interessiert mich ueberhaupt,[W| // ] was ‘in ihm’, in seinem Geiste, vorgeht – angenommen, daß etwas vorgeht?” (Hol's der Teufel, was in ihm vorgeht!)

 
   
1248.
      Der Vergleich des Denkens mit einem Vorgang in der Verborgenheit ist, in der Philosophie, irrefuehrend.
      So irrefuehrend etwa, wie der Vergleich des Suchens nach dem treffenden Ausdruck mit den Bemuehungen dessen, der eine nur ihm sichtbare Linie genau nachzeichnen will.

 
   
1249.
      Was uns verwirrt, ist, daß die Gedanken des Andern zu kennen, von einer Seite besehen, logisch unmoeglich, und von einer andern gesehen, psychologisch und physiologisch unmoeglich ist.

 
   
1250.
      Ist es nun richtig, zu sagen: daß diese beiden ‘[u|U]nmoeglichkeiten’ so miteinander zusammenhaengen, daß die psychologische Unmoeglichkeit (hier) das Bild liefert das uns (dann) zum Abzeichnen des Begriffs ‘denken’ wird?

 
   
1251.
      Man kann nicht sagen: das Schreiben in's Notizbuch, oder das monol[g|[i|o]]gische Sprechen, sei dem [s|S]tummen Denken ‘aehnliebliich’; wohl aber kann der eine Vorgang den andern (das Rechnen im Kopf das schriftliche Rechnen, z,B.) fuer gewisse Zwecke ersetzen.

 
   
1252.
      Koennte es Leute geben, die beim Denken immer zu sich selbst murmeln, deren Denken also fuer [a|A]ndere zugaenglich ist? – “Ja, aber wir koennten doch nicht wissen, ob sie nicht, ausserdem, stumm bei sich selber denken!” – Koennte es denn aber nicht sein, daß diese Moeglichkeit, dies anzunehmen, ebenso sinnlos waere, wie anzunehmen, die Haare dieser Leute daechten, oder ein Stein daechte?
      Muessten wir, heisst das, wenn dies so waere, auch nur auf den Gedanken kommen, [e|E]iner daechte, haette Gedanken, in seinem Geist verborgen?

 
   
1253.
      “Ich weiss nicht, was Du Dir denkst. Sag, was Du Dir denkst!” – Das heisst etwa: “Rede!”
322.
 
   
1254.
      Ist es also irrefuehrend, von der Seele des Menschen, oder von seinem Geist zu reden? So wenig, dass es ganz verstaendlich ist, wenn ich sage: “Meine Seele ist muede, nicht bloss mein Verstand.” Aber sagst Du nicht doch, dass alles, was man durch das Wort “Seele” ausdruecken kann, irgendwie auch durch Worte fuer Koerperliches sich ausdruecken laesst? Ich sage es nicht. Aber wenn es auch so waere, – was wuerde es besagen? Die Worte, so wie auch das, worauf wir bei ihrer Erklaerung weisen, sind ja nur die Instrumente, und nun kommt's auf ihren Gebrauch an.




 
   
1255.
      Unsere Kenntnis vieler // verschiedener // Sprachen laesst uns die Philosophie, die in den Formen einer jeden niedergelegt sind, nicht recht ernst nehmen. Dabei sind wir aber blind dafuer, dass wir (selbst) starke Vorurteile fuer, wie gegen, gewisse Ausdrucksformen haben; dass eben auch diese Uebereinanderlagerung mehrerer Sprachen fuer uns ein bestimmtes // besonderes // Bild ergibt. Dass ?-wir, sozusagen, nicht beliebig die eine Form durch eine andere ueberdecken-?.


 
   
1256.
      Du musst bedenken, dass es ein Sprachspiel geben kann, ‘eine Reihe von Ziffern fortsetzen’, in dem keine Regel, kein Regelausdruck je gegeben wird, sondern das Lernen nur durch Beispiele geschieht. So dass die Idee eine Rechtfertigung durch ein Bild, das uns zwingt, so fortugehen vorzugehen, diesen Leuten
323.
ganz fremd waere. // So dass die Idee, jeder Schritt sei durch ein Etwas – eine Art Vorbild – in unserm Geiste zu rechtfertigen, diesen Leuten gaenzlich fremd waere. //


 
   
1257.
      Beispiel von den Namen, die nur in Begleitung ihrer Traeger Bedeutung haben, d.h. nur so verwendet werden. Sie dienen also nur zur Vermeidung des steten Zeigens. Das Beispiel, das mir immer wieder vorschwebt, ist die Bezeichnung von Linien, Punkten, Winkeln, in geometrischen Figuren, mit A, B, C, … a, b, … etc.


 
   
1258.
      Beim Lesen: Sehen des Wortbilds: “Ich habe das Wort fluechtig gesehen” – das ist ein besonderes Erlebnis, laesst sich nicht durch einen Film darstellen.


 
   
1259.
      Denk Dir eine Geisteskrankheit, in welcher man Namen nur in Anwesenheit ihrer Traeger gebrauchen und verstehen kann.


 
   
1260.
      Es koennte von Zeichen ein Gebrauch gemacht werden solcher Art, dass die Zeichen nutzlos werden (dass man sie vielleicht vernichtete), sobald der Traeger aufhoerte zu existieren.
      In diesem Sprachspiel muesste sozusagen der Name den Gegenstand an einer Schnur haben; und hoert der Gegenstand auf zu existieren, so kann man den Namen, der mit ihm zusammen gearbeitet hat, wegwerfen.


 
   
1261.
      “Ich beabsichtige dorthin zu gehen”: Beschreibung
324.
eines Seelenzustands, oder Aeusserung? – Wenn man sich ein Modell der Seele vorstellt, so koennte der Satz eine Beschreibung des Modells im gegenwaertigen Zustand sein. Der Mensch schaut seine Seele an und sagt: ...... Ist es ein gutes, oder ein schlechtes Modell? – wie waere das zu entscheiden? Die Frage ist: Wie wuer[e|d]e es als Zeichen verwendet?


 
   
1262.
      “Ich beabsichtige ....” koennte man als auch Aussage verwenden: “Ich tue e[s|t]was, was dieser Absicht gemaess ist”. z.B.: ich packe fuer die Reise, bereite mich so oder so, durch Ueberlegungen oder Handlungen, auf die Reise vor. So koennte man ein Verbum verwenden. Etwa entsprechend dem Ausdruck “Ich handle in der Absicht ....”


 
   
1263.
      Beschreibung meiner Seelenzustaende: des Wechsels von Furcht und Hoffnung z.B. “Am Vormittag war ich voller Hoffnung, dann ...” Jeder wuerde das eine Beschreibung nennen[,| .] [a|A]ber es ist charakteristisch dafuer, dass dieser Beschreibung parallel eine meines Benehmens gehen koennte.


 
   
1264.
      Vergleiche den Ausdruck der Furcht und Hoffnung mit dem des ‘Glaubens’, das und das werde geschehen. – Man nennt darum auch Hoffnung und Furcht “Gemuetsbewegungen”, den Glauben (oder das Glauben) aber nicht.


325.
 
   
1265.
      Wenn ich sage: “Die Absicht, es zu tun, wurde von Stunde zu Stunde staerker” – dies wird man Beschreibung nennen. Aber dann doch auch dies: “Ich beabsichtigte die ganze Zeit ...”
      Vergleiche nun “Ich glaubte die ganze Zeit an's Gravitationsgesetz” mit “Ich glaubte die ganze Zeit, ein leises Fluestern zu hoeren”. Im ersten Fall ist “Glauben” aehnlich verwendet, wie “Wissen”. (‘Haette man mich gefragt, so haette ich gesagt ....’). Im zweiten Fall haben wir eine Taetigkeit, ein Vermuten, Lauschen, Zweifeln, etc. Und bezeichnet auch “glauben” nicht diese Taetigkeit, so ist es doch sie, die uns sagen laesst, wir beschrieben hier einen Seelenzustand oder eine seelische Taetigkeit. – Wir koennten das auch so sagen: Wir machen uns ein Bild des Menschen, der die ganze Zeit glaubt, ein leises Geraeusch zu hoeren. Aber nicht eines des Menschen, der an die Richtigkeit des Gravitationsgesetzes glaubt.


 
   
1266[1|.]
      Ich beabsichtige (koennte man sagen) heisst nicht: “Ich bin dabei, zu beabsichtigen”, oder “Ich bin beim Beabsichtigen” (wie man sagt, ich bin beim Zeitunglesen). Wohl aber: “Ich bin dabei, meine Reise zu planen” etc.
      Wir haben kein einzelnes Verbum, koennten es aber haben (und vielleicht existiert es wirklich in einer wenig bekannten Sprache), das ausdrueckt; “handeln mit der Absicht, das und das zu tun” // “in der und der Absicht handeln und denken” // .
326.
 
   
1267.
      “Ich beabsichtige ....” ist nie eine Beschreibung, aber unter gewissen Umstaenden laesst sich eine Beschreibung daraus entnehmen.


 
   
1268.
      Zu sich selbst reden. “Was geschieht da?” Falsche Frage! Nicht nur kann man nicht sagen, was geschieht – auch nicht: man wisse nicht, was geschieht – auch nicht, man wisse nur das und das darueber! Aber auch das ist falsch zu sagen: Es ist eben ein spezifischer Vorgang, der sich
durch
mit
nichts beschreiben laesst, als eben mit diesen Worten. – Die Begriffe ‘Beschreibung’ und ‘Bericht’. Man sagt: Einer ber[e|i]chtet, er habe zu sich selbst gesagt ..... In wie fern ist das zu vergleichen dem ‘Bericht’, er habe z.B. gesagt ....? Vergegenwaertigen wir uns, dass Beschreiben ein sehr spezielles Sprachspiel ist. – Wir muessen diese harte Unterlage unserer Begriffe umgraben.


 
   
1269.
      Begriffe koennen einen Unfug erleichtern, oder erschweren; beguenstigen, oder hemmen.


 
   
1270.
      Es ist ganz richtig: man kann sich nicht eine Erklaerung vom ‘rot’, oder ‘Farbe’ vorstellen. Aber nicht, weil das Erlebte etwas Spezifisches ist, sondern weil das Sprachspiel es ist.


 
   
1271.
      “Man kann einem Menschen nicht erklaeren, was [r|R]ot ist.” – Wenn man es nun doch dennoch koennte, – ist es dann nicht, was wir “rot” nennen?
327.

      Denken wir uns Menschen, die eine Zwischenfarbe, von Rot und Gelb z.B., durch eine Art binaeren Dezimalbruch so so ausdruecken: R,LLRL u. dergl., wo auf der rechten Seite z.B. Gelb steht, au[o|f] der lineken Rot. – Diese Leute lernen schon im Kindergarten, Farbtoene in dieser Weise beschreiben, nach solchen Beschreibungen Farben auswaehlen, zu mischen, etc. Sie verhielten sich zu uns ungefaehr, wie Leute mit absolutem Gehoer zu Leuten, denen dies fehlt. Sie koennten tun, was wir nicht koennen.


 
   
1272.
      Und hier moechte man sagen: “Ist das denn aber auch vorstellbar? Ja, das Benehmen wohl! aber auch der innere Vorgang, das Farberlebnis?” Und was man auf so eine Frage sagen soll, ist schwer zu sehen. Haetten die, die kein absolutes Gehoer haben, vermuten koennen, es muesse // werde // auch Leute mit absolutem Gehoer geben? // Wenn uns Leute mit absolutem Gehoer noch nicht begegnet waeren, wuerde uns die Existenz solcher Leute doch sehr wahrscheinlich vorkommen? //


 
   
1273[1|.]
      Wenn Einer sagte “Rot ist zusammengesetzt” – so koennten wir nicht erraten, worauf er damit anspielt, was er mit diesem Satz wird anfangen wollen. Sagt er aber: “Dieser Sessel ist zusammengesetzt”, so moegen wir zwar nicht gleich wissen, von welcher Zusammensetzung er spricht, koennen aber gleich ein an [|m]ehr als einen Sinn fuer seine Aussage denken.
      Was fuer eine Art von Faktum ist nun dies, worauf ich aufmerk-
328.
sam machte?
      Jedenfalls ist es ein wichtiges Faktum. – Uns ist keine Technik gelaeufig, auf die dieser Satz anspielen koennte.

 
   
1274.
      Wir beschreiben hier ein Sprachspiel, welches wir nicht lernen koennen.


 
   
1275.
      “Dann muss etwas ganz anderes in ihm vorgehen, etwas, was wir nicht kennen.” – Das zeigt uns, zeigt uns, wonach wir bestimmen, ob ‘im Andern’ etwas anderes als, oder dasselbe wie, in uns stattfindet. Das zeigt uns, wonach wir die inneren Vorgaenge beurteilen.


 
   
1276.
      “Rot ist nicht zusammengesetzt” – und was ist Rot?! – Da moechten wir einfach auf etwas Rotes zeigen; und wir vergessen, dass, wenn jene Aussage einen Sinn haben sll, uns mehr gegeben sein muss, als die hinweisende Definition. Wir verstehen noch garnicht, was der Sinn eines Satzes von der Form “X ist nicht zusammengesetzt” ist, wenn fuer X ein Wort gesetzt wird, welches den Gebrauch unserer Fa[br|rb]woerter hat.


 
   
1277.
      Es ist Tatsache: “Rot” wird einem nicht durch Worte ohne Bezug [e|a]uf ein Farbmuster erklaert. Sollte das nicht wichtig sein?


 
   
1278.
      “Wie koennte man Rot Einem erklaeren wollen, da es doch ein bestimmter Sinneseindruck ist, und nur der ihn kennt, der ihn hat
329.
(oder gehabt hat) – und erklaeren nur heissen kann: ihn im Andern erzeugen!” –


 
   
1279.
      “Wer absolutes Gehoer hat, muss ein anderes Tonerlebnis haben, als ich.” – Und Jeder, der absolutes Gehoer hat, das gleiche? Und wenn das nicht, – warum [|mu]ss es ein anderes sein, als das meine?


 
   
1280.
      Denk Dir, um Einem ‘Rot’ zu erklaeren, zeigen wir ihm ˇein etwas [r|R]oetliches Schwarzbraun, und sagen: “Diese Farbe besteht aus Gelb (wir zeigen reines Gelb), Schwarz (wir zeigen es) und noch einer Farbe, die “rot” heisst. Darauf sei er nun imstande, aus einer Anzahl von Farbmustern das reine Rot auszuwaehlen.


 
   
1281.
      Und merke wohl: man zeigt nicht auf Rot, sondern etwas Rotes. d.h. natuerlich: der Begriff ‘Rot’ ist durch's Zeigen nicht bestimmt, und es ist nicht nur moeglich “Rot” nun als Namen einer Form, z.B. zu deuten, sondern auch als Begriffswort, das einem Fa[br|rb]wort viel naeher steht.


 
   
1282.
      
Verwendung
Die Verwendung
eines Wortes ist nicht: etwas zu bezeichnen.


 
   
1283[1|.]
      Kannst Du Dir vorstellen, was der rot-gruen Blinde sieht? Kannst Du das Bild des Zimmers malen, wie er es sieht?


 
   
1284.
      “Wer alles nur grau, schwarz und weiss saehe, dem muesste etwas
330.
gegeben werden, damit er wuesste, was Rot, Gruen, etc. ist.” Und was muesste ihm gegeben werden? Nun, die Farben. Also z.B. dies, und dies, und dies. (Denk Dir, z.B., dass farbige Vorbilder in sein Gehirn eingefuehrt werden muessten, zu den bloss grau[s|e]n und schwarzen.) Aber muesste das geschehen als Mittel zum Zweck des kuenftigen Handelns? Oder schliesst eben dies Handeln diese Vorbilder ein? Will ich sagen: “Es muesste ihm etwas gegeben werden, denn es ist klar, er koe[s|n]nte sonst nicht ....” – oder: Sein sehendes Benehmen enthaelt neue Bestandteile?
      Auch: was wuerden wir eine “Erklaerung” des Sehens” nennen? Soll man sagen: Nun, Du weisst doch sonst, was “Erklaerung” heisst; verwende diesen Begriff also auch hier!


 
   
1285.
      Kann ich sagen: “Schau es an! so wirst Du sehen, dass es sich nicht erklaeren laesst.” – Oder: “Trinke die Farbe Rot ein, so wirst Du sehen, dass nicht durch etwas anderes darzustellen ist!” – – Und wenn der Andere nun mir bestimmt, zeigt es, dass er dasselbe eingetrunken hat, wie ich? – Und was bedeutet nun unsere Geneigtheit, dies zu sagen? Rot erscheint uns isoliert dazustehen. Warum? Was ist dieser Schein, diese Geneigtheit wert wert?


 
   
1286[1|.]
      Denke an den Satz “Rot ist keine Mischfarbe” und an seine Funktion.
      Das Sprachspiel mit den Farben ist eben durch das charakterisiert, was wir tun koennen und was wir nicht tun koennen.
331.
 
   
1287[1|.]
      Rot ist etwas Spezifisches; aber das sehen wir nicht, wenn wir etwas Rotes anschauen. Sondern (wir sehen) die phaenomene, die wir durch das Sprachspiel mit dem Wort “rot” abgrenzen.


 
   
1288.
      “Rot ist etwas Spezifisches”, das muesste soviel heissen wie: “Das ist etwas Spezifisches” – wobei man auf etwas Rotes deutet. Aber damit das verstaendlich waere, musste man schon unsern Begriff ‘rot’, den Gebrauch jenes Musters, meinen.


 
   
1289.
      Wenn Du Dich ueber diese Dinge wunderst, wundere Dich erst ueber etwas anderes! Naemlich darueber, was denn Beschreibung und Bericht ueberhaupt leisten. Konzentrierst Du darauf Dein Verwundern, so werden jene andern Probleme verblassen // schrumpfen // .


 
   
1290.
      Primaere Farben. Wenn bei anderen Menschen Farben, die wir Mischfarben nennen, die Rolle unserer primären Farben spielten, wuerden wir sagen, ihre primaeren Farben seien z.B. dieses Orange, dieses Blaurot, dieses Blaugruen, etc.? Heisst also der Satz “Rot ist eine primaere Farbe” [,|s]oviel wie: Rot spielt bei uns die und die Rolle; wir reagieren auf Rot, Gelb etc. so und so? – Man denkt meistens nicht so: d.h., “Rot ist eine reine Farbe” ist ein Satz ueber das ‘Wesen’ von Rot, die Zeit tritt in ihn nicht ein; man kann sich nicht denken, dass diese Farbe nicht einfach sein koennte.
332.
 
   
1291.
      Der Farbenkreis: Die gleichen Abstaende der primaeren Farben sind willkuerlich. Ja, die Uebergaenge wuerden uns vielleicht einen gleichfoermigeren Eindruck machen, wenn, z.B., der Punkt des reinen Blau dem des reinen Gruen naeher waere, als dem des reinen Rot. Es waere sehr merkwuerdig, wenn die Gleichheit der Abstaender in der Natur der Dinge laege.


 
   
1292.
      “Ein roetliches Gruen gibt es nicht” ist den Saetzen verwandt, die wir als Axiome in der Mathematik gebrauchen.


 
   
1293.
      Die Menschen zaehlen und rechnen: Beschreibe, was sie da tun! Sollen in dieser Beschreibung auch Saetze vorkommen, wie der: “Er verstand nun, wie er die Reihe fortzusetzen hatte” – oder: “Er ist nun imstande, jede beliebige Multiplikation aufzufuehren”? Und ist der Satz zuzulassen: “Er sah nun im Geist die ganze Zahlenreihe vor sich”?
      Solche Saetze koennen in der Beschreibung vorkommen; aber koennen wir nicht verlangen, dass ihr Gebrauch uns erklaert werde; damit uns keine falschen, oder irrelevanten Vorstellungen unterlaufen?
      Es ist hier die Frage, fuer wen wir die Beschreibung geben. Von wem sagen wir, er sei imstande, beliebige Multiplikationen auszufuehren? Wie kommt man ueberhaupt zu
dem
diesem
Begriff? Und fuer wen, unter welchen Umstaenden, wird diese Beschreibung wichtig sein?
333.
I333


 
   
1[3|2]94.
1294
      ‘R[e|o]t ein degeneriertes gruen.’ Wenn man ein Blatt von gruen ins rote spielen sieht, sagt man, das gruen sei kraenklich und im Roten ganz deger[o|i]ert. Man schneidet etwa, wenn man die rote Farbe sieht, immer ein Gesicht.
      Konnte man nun nicht Rot erklaeren als die aeusserste Degeneration von gruen?

 
   
1295. 2
      Man kann niemandem erklaeren, was Rot ist!” – Wie kommt man ueberhaupt auf die Idee; bei welchem Anlass sagt man das?

 
   
1296. 3
      “Farben sind etwas Spezifisches. Durch nichts anderes zu erklaeren.” Wie gebraucht man dieses Instrument? – Beschreibe das Spiel mit Farben! Das Bennen von Farben, das Vergleichen von Farben, das Erzeugen von Farben, den Zusammenhang zwischen Farbe und Licht und Beleuchtung, den Zusammenhang der Farbe mit dem Auge, der Toene mit dem Ohr, und unzaehliges [A|a]ndere. Wird sich hier nicht das ‘Spezifische’ der Farbe zeigen? Wie zeigt man Einem eine Farbe; und wie einen Ton?

 
   
1297. 4
      Wenn wir in Gedanken zu uns selber reden: “Es geschieht etwas; das ist sicher.” Aber der Nutzen dieser Worte ist uns [n|i]n Wirklichkeit ebenso unsicher unklar, wie der bes[e|o]ndern // speziellen // psychologischen Saetze, die wir erklaeren wollen.

 
   
1298. 5
      Statt des Unzerlegbaren, Speifischen, Undefinierbaren: die Tatsache, daß wir so und so handeln, z.B., gewisse Handlungen strafen, den Tatbestand so und so feststellen, Befehle geben, Berichte erstatten, Farben beschreiben, uns fuer die Gefuehle der Andern interessieren. Das hinzunehmende, gegebene – koennte man sagen – seien Tatsachen des Lebens. // seien Lebensformen. //

 
   
1299. 6
      Wir beurteilen das Motif einer Tat nach dem, was der Mensch, der sie veruebt hat, uns sagt, nach dem Bericht von Augenzeugen, nach der Vorgeschichte. So beurteilen wir die Motive eines Menschen. Aber das scheint uns nicht auffallend, // Aber das faellt uns nicht sehr auf // , daß es so etwas wie die ‘Beurteilung der Motive’ gibt. Daß dies ein ganz eigentuemliches Sprachspiel ist [.|] daß der Tisch und der Stein keine Motive haben. Daß es zwar auch die Frage gibt: “Ist das eine zuverlaessige Art, die Motive eines Menschen zu beurteilen?” –
334.
2
aber uns schon bekannt sein muss, was denn ueberhaupt die “Beurteilung von Motiven” heisst. Es muss schon eine Technik geben, an die wir hier denken, damit wir von einer Abaenderung dieser Technik reden koennen, die wir als zuverlaessigere Beurteilung eines Motifs bezeichnen.

 
   
1300. 7
      Man beurteilt die Laenge eines Stabes, und man kann eine Methode suchen und finden, um sie genauer, richtiger, zu beurteilen. Also – sagst Du – ist, was wir hier beurteilen von der Methode des Beurteilens unabhaengig, man kann, was Laenge ist, nicht mit Hilfe der Methode der Laengenbestimmung erklaeren. Aber wer so denkt, macht einen Fehler. Was fuer einen Fehler? – Wie seltsam waere es, zu sagen: “Die Hoehe des Himalaya haengt davon ab, wie man ihn ersteigt.” “Die Laenge immer genauer messen”, das moechte man damit vergleichen, naeher und naeher an ein Objekt heran zu kommen. Aber es ist eben nicht in allen Faellen klar, was es heisse “naeher und naeher an die Laenge des Stabes herankommen”. Und man kann nicht sagen: “Du weisst doch, was die Laenge eines Stabes ist; und Du weisst, was ‘sie bestimmen’ heisst; darum weisst Du, was es heisst ‘die Laenge immer genauer bestimmen’.”
      Was es heisst, eine genauere Bestimmung der Laenge des Stabes zu suchen, ist unter gewissen Umstaenden klar, und unter gewissen Umstaenden nicht klar und bedarf einer neuen Bestimmung. Was “die Laenge bestimmen” heisst, le[e|r]nnt man nicht dadurch, daß man lernt was die Laenge ist und was bestimmen ist[|;] sondern die Bedeutung des Wortes Laenge lernt man u.a. dadurch, daß man lernt, was Laengenbestimmung ist. ‘Die Laengenbestimmung [v|V]erfein[ing|ern]’ ist eine neue Technik, die unserem Laengenbegriff modifiziert.

 
   
1301. 8
      Wenn man einfache Sprachspiele beschreibt zur Illustration, sagen wir, dessen was wir das ‘Motif’ einer Handlung nennen, dann werden einem immer wieder verwickeltere Faelle vorgehalten, um zu zeigen, daß unsere Theorie den Tatsachen noch nicht entspricht. Waehrend verwickeltere Faelle eben verwickeltere Faelle sind. Handelte es sich naemlich um eine Theorie, so koennte man allerdings sagen: Es nuetzt nichts diese speziellen Faelle zu betrachten, sie geben keine Erklaerung gerade der wichtigsten Faelle. Die einfachen Sprachspiele dagegen spielen eine ganz andere Rolle. Sie sind Lohle Pole einer Beschreibung, nicht der Grundstock einer Theorie.
335.
3


 
   
1302. 9
      “Wie kommt es, daß es
mir
uns
scheint, daß dieser Farbeindruck, den ich jetzt habe, von mir als das Spezifische, Unzerlegbare erkannt wird?” – – Frage stattdessen, wie es kommt, daß wir dies sagen wollen. Und die Antwort darauf ist nicht schwer zu finden. Und es ist ja auch eine seltsame Frage: warum es uns so ‘scheine’, als .... Denn schon in diesem Ausdruck liegt ein Missverstaendnis.

 
   
1303. 10
      Denke, Du solltest beschreiben, wie Menschen das Zaehlen (im Dezimalsystem z.B.) lernen. Du beschreibst, was der Lehrer sagt und tut, und wie der Schueler darauf reagiert // und wie der Schueler sich daraufhin verhaelt. // In dem, was der Lehrer sagt und tut, werden sich z.B. Worte und Gebaerden finden, die den Schueler zum Fortsetzen einer Reihe aufmuntern sollen; auch Worte wie “Er kann jetzt zaehlen”. Soll nun die Beschreibung, die ich von dem Vorgang des Lehrens und Lernens gebe, ausser den Worten des Lehrers auch mein eigenes Urteil enthalten: der Schueler koenne jetzt zaehlen, oder: der Schueler habe nun das System der Zahlworte verstanden? Wenn ich so ein Urteil nicht in die Beschreibung aufnehme, – ist sie dann unvollstaendig? Und wenn ich es aufnehme, gehe ich ueber die blosse Beschreibung hinaus? – Kann ich mich jener Urteile enthalten mit der Begruendung: “Das i ist alles was geschieht!”

 
   
1304.11
      Muss ich nicht viel mehr fragen: “Was tut die Beschreibung ueberhaupt? wozu dient sie?” – Was eine vollstaendige und eine unvollstaendige Beschreibung ist, wissen wir allerdings in anderem Zusammenhang. Frage Dich: Wie verwendet man die Ausdruecke “vollstaendige” und “unvollstaendige Beschreibung”?
      Eine Rede vollstaendig (oder unvollstaendig) wiedergeben. Gehoert dazu auch die Wiedergabe des Tonfalls, des Minenspiels, der Echtheit oder Unechtheit der Gefuehle, der Absichten des Redners, der Anstrengung des Redens? Ob das oder jenes fuer uns zur vollstaendigen Beschreibung gehoert, wird vom Zweck der Beschreibung abhaengen, davon, was der Empfaenger mit der Beschreibung anfaengt.

 
   
1305. 12
      Der Ausdruck “Das ist alles, was geschieht” grenzt ab, was wir “geschehen” nennen.
336.
4


 
   
1306. 13
      Man urteilt Mein Urteil “Der Schueler kann jetzt zaehlen” gebe ich zu gewissen Zwecken ab. Man gibt ihm daraufhin etwa eine Anstellung. Sagst Du “So ist also dies Urteil kein Teil der Beschreibung des Lernens, sondern eine Vorhersage” – so antworte ich: “Du kannst es so oder so auffassen”. // Sagst Du “So gehoert also dies Urteil nicht zur Be[x|s]chreibung des Lernens, sondern ist eine Vorhersage” – s[e|o] .... // Du kannst sagen, Du beschriebest den Zustand des Schuelers. –

 
   
1307. 14
      Denk Dir Rot als den Gipfel aller Farben angesehen. Die besondere Rolle des Dreiklangs in unserer Musik. Unser Unverstaendnis fuer die alten Kirchentonarten.

 
   
1308. 15
      Unter welchen Umstaenden wuerde man sagen, diese Menschen fassen alle Farben als [|Ge]rade einer Eigenschaft auf?

 
   
1309. 16
      Kannst Du Dir denken, daß wir Blau und Rot immer als die beiden aeussersten Pole einer Veraenderung von Violet ansaehen? Man koennte dann [r|R]ot ein ganz hohes V[o|i]olet und Blau ein ganz tiefes Violet nennen.

 
   
1310. 17
      Oder denk Dir eine Welt, in welcher Farben beinahe immer in regenbogenartigen Uebergaengen vorkaemen. So daß man etwas eine gruene Flaeche, wenn sie ausnahmsweise einmal vorkommt als Modifikation eines Regenbogens
ansieht
auffasst
.

 
   
1311. 18
      Kann ich denn aber nun sagen, ˇdaß wenn dies die Tatsachen waeren, daß die Menschen diese Begriffe haetten? Doch gewiss nicht. Wohl aber dies: Denke nicht, daß unsere Begriffe die einzig moeglichen, oder vernuenftigen sind; [W|w]enn Du Dir ganz andere Tatsachen, als die, die uns staendig umgeben, vorstellst, so werden ˇDir andere Begriffe als die unsern natuerlich erscheinen.

 
   
1312. 19
      Glaub doch nicht, daß Du den Begriff der Farbe in Dir haeltst, weil Du auf ein faerbiges Objekt schaust, wie immer Du schaust.
      (So wenig, wie Du den Begriff der negativen Zahl besitzt, dadurch, daß Du Schulden hast.)

 
   
1313. 20
      Angenommen, wir kennten ein Volk, welches eine gaenzlich andere Form der Farbaussagen haetten, als die unsere: wir nehmen dann meistens an, daß es ein Leichtes ist, diese Leute
337.
5
unsere Ausdrucksform // Ausdrucksweise // zu lehren. Und daß, wenn sie beide Ausdrucksformen beherrschen, sie deren Unterschied als unwesentlich anerkennen werden. (Das Geschlecht unserer Hauptworte). Ist das so? Muss es so sein?
      Denken wir uns, Leute haetten fuer zwei Abschattungen von Blau zwei verschiedene einfache Namen, und fuer sie waeren die Farben sehr verschieden, die es fuer uns nicht sind. Wie wuerde sich das aeussern? Und denken wir uns auch das Umgekehrte: daß fuer ein Volk Rot und Blau nur ‘dem Grade nach’ verschieden waeren, nicht ‘gaenzlich verschiedene Farben’. Und was waeren hierfuer die Kriterien?
      Wir sagen, in der Tonleiter kehre nach je 7 Toenen der gleiche Ton wieder. Was heisst es: “Wir empfinden ihn als den gleichen”? Ist, daß wir ihn den gleichen nennen, nur ein sprachlicher Zufall?

 
   
1314. 21
      Den Schwachsinnigen stellt man sich unter dem Bild de[r|s] Degenerierten, wesentlich Unvollstaendigen, gleichsam Zerlumpten vor. Also unter dem der Unordnung, statt der primitiveren Ordnung (welches eine weit produktivere Anschauungsart waere).

 
   
1315. 22
      Zaehlen, Rechnen, etc., in einem abgeschlossenen System, so wie eine Melodie abgeschlossen ist. Die Leute zaehlen etwa mit Hilfe der Toene einer besonderen Melodie; am Ende der Melodie kommt die Zahlenreihe zu einem Ende. – Soll ich sagen: Es gint natuerlich noch weitere Zahlen, nur erkennen diese Leute sie nicht? Oder soll ich sagen: Es gibt noch ein anderes Zaehlen – das, was wir tun – und das kennen (tun) jene Leute nicht.

 
   
1316. 23
      Der Begriff des Erlebnisses: Aehnlich dem des Geschehens, des Vorgangs, des Zustands, des Etwas, der Tatsache, der Beschreibung und des Berichts. Hier meinen wir, stehen wir, auf dem harten Urgrund,
der tiefer liegt als alle
und tiefer als alle
spˇeziellen Methoden und Sprachspiele. Aber diese hoechst allgemeinen Woerter haben eben auch eine holechst verschwommene Bedeutung. Sie beziehen sich in der Tat auf eine Unmenge spezieller Faelle, aber das macht sie nicht haerter sondern es macht sie eher fluechtiger
338.
6


 
   
1317. 24
      Das Rechnen im Kopf // Kopfrechnen // ist vielleicht der einzige Fall, in welchem von der Vorstellung ein regelmaessiger Gebrauch im Alltagsleben gemacht wird. Darum hat es besonderes Interesse.
      “Aber ich weiss, daß etwas in mir vorgegangen ist!” Und was? War es nicht, daß Du im Kopf gerechnet hast? – So ist also das Kopfrechnen doch etwas Spezifisches!
      Ueberlege Dir erst: Wie gebraucht man ueberhaupt die Beschreibung “Er rechnet im Kopf”, “Ich rechne im Kopf”. Die Schwierigkeit, auf die man stoesst ist eine Wagheit in den Kriterien fuer das Sattfinden des geistigen Vorgangs. Liessel sich die beseitigen?

 
   
1318. 25
      Kann man sich das Kopfrechnen vorstellen?

 
   
1319. 26
      Man kann wahrnehmbar rechnen und im Kopf rechnen: Koennte man im Kof auch etwas tun, was man wahrnehmbar nicht tun kann, wofuer es kein wahnehmbares Equivalent gibt?
      Wie waere es, w[oe|en]n Leute fuer das Kopfrechnen eine Bezeichnung haetten, die es nicht unter die Taetigkeiten einreihte und schon erst recht nicht unter die des Rechnens? Sie bezeichnen es etwa als ein Koennen. Ich nehme an, sie gebrauchen radikal von dem unsern verschiedene Bilder.

 
   
1320. 27
      Wenn aber nun Einer sagte: “So ist alles, was geschieht, doch, daß er so und so reagiert, sich benimmt” – so ist hier wieder ein großes Missverstaendnis. Denn hat also der, welcher erzaehlte “Ich habe die Multiplikation ohne zu schreiben, etc., in irgend einem Sinn gerechnet” – hat dieser Unsinn geredet, oder etwas Fa[a|l]sches berichtet? Es ist eine andere Sprachverwendung, als die der Beschreibung eines Benehmens. Aber man koennte allerdings fragen: Worin besteht die Wichtigkeit dieser neuen Sprachverwendung? Worin besteht z.B. die, der Aeusserung der Intention? –
339.
7


 
   
1321. 28
      “Wie, wenn Einer Vorstellungsbilder haette von der Intensitaet, Deutlichkeit, von Nachbildern z.B.; waeren das Vorstellungen, oder waeren es Halluzinationen, – auch wenn er sich der Unwirklichkeit des Gesehenen voll bewusst ist?” Vor allem: Wie weiss ich, daß er Bilder von dieser Deutlichkeit sieht? Er sagt es etwa. Ein Unterschied waere der, daß seine Bilder von ihm ‘unabhaengig’ sind. Was heisst das? – Er koennte sie nicht durch Gedanken verscheuchen. Stelle ich mir z.B. den Tod meines Freundes vor, so kann man mir sagen “Denk nicht daran, denk an etwas anderes”; aber das wuerde man mir nicht sagen, wenn ich das Ereignis z.B. im Film vor mir saehe. Und so wuerde ich dem, der mir in dem angenommenen Fall sagte, denk nicht daran, antworten: “Ich mag daran denken oder nicht, – ich sehe es.”

 
   
1322. 29
      Nimm den Gebrauch des englischen “this”, “that”, “these”, “those”, “will”, “shall”: Regeln fuer den Gebrauch dieser Woerter zu geben, waere schwer. Es ist aber moeglich ihn zu verstehen, sodaß Du dann geneigt waerst, zu sagen: “Wenn man einmal das richtige Gefuehl fuer den [Z|S]inn dieser Woerter hat, dann kann man sie auch anwenden.” Man koennte also auch diesen Woertern eine eigentuemliche Bedeutung in der englischen Sprache zuschreiben. Wir sehen in dem Gebrauch des Wortes eine [p|P]hysionomie. // Ihr Gebrauch wird sozusagen als eine Physionomie
empfunden
gesehen
. //

 
   
1323. 30
      Kopfrechnen Kopffrechnen auf Befehl. Lass Dich durch die Kombination bekannter Woerter nicht
verhindern
hindern
, das Sprachspiel von Grund auf zu untersuchen.
      Bedenke, daß man [e|E]inen das Kopfrechnen lehrt, indem man ihm befiehlt zu rech[e|n]en! Aber muesste das sein? Koennte es nicht sein, daß ich ihm, um ihn zum Kopfrechnen zu bringen, nicht sagen duerfte “Rechne!”, sondern vielleicht: “Tu etwas anderes, aber finde das Resultat”. Oder: “Schliess den Mund und die Augen und ruehr Dich nicht, und Du wirst die Antwort lernen.”
3[3|4]0.
8
Ich will doch sagen, daß man das Kofprechnen nicht aus dem Gesichtspunkt des Rechnens betrachten muss, obwohl es wesentlich mit dem Rechnen zusammenhaengt.
      Ja auch nicht unter dem Gesichtspunkt des ‘Tuns’. Denn Tun ist etwa, was man Einem vormacht.

 
   
1324. 31
      Ich will sagen: Es ist nicht notwendig, Reaktionen, die von den unsern verschieden sind, und daher vielleicht anderen Begriffsbildungen guenstig sind, als Folgen, under Aeusserungen, ihrer Natur nach verschiedener (innerer) Vorgaenge zu deuten.
      Es ist nicht notwendig, zu sagen: Hier handelt es sich um verschiedene innere Vorgaenge.

 
   
1325[1|.] 32
       Wir haben einerseits seine Faehigkeit, ohne wahrnehmbares Rechnen Stufen der Rechnung mitzuteilen – anderseits die Aeusserungen, die er zu machen geneigt ist; wie etwa die die: “Ich habe in meinem Inneren gerechnet”. Die Erscheinungen der ersten Art koennten uns zu einer b[u|i]ldhaften Beschreibung bringen” Es ist, als rechnete er irgendwie und irgendwo, und teilte uns Stufen dieser Rechnung mit”. Das, was er zu sagen geneigt ist, koennen wir als Ausdrucksweise unserer Sprache annehmen, oder auch nicht. Wir koennten ihm z.B. sagen: “Du rechnest doch nicht ‘in Deinem Innern’! Du rechnest uneigentlich.” Und nun sagt er in Zukunft dies.

 
   
1326. 33
      “Aber ich weiss doch, daß ich wirklich rechne – wenn auch nicht fuer den Andern wahrnehmbar!” Dies koennte man als typische Aeusserung eines geistig zurueckgebliebenen auffassen.

 
   
1327. 34
      Aber wenn wir so mit dem [I|i]nnern Vorgang aufraeumen, – bleibt nun nur noch der aeussere? – Es bleibt nicht das Srpachspiel der Beschreibung des aeussern Vorgangs allein, sondern auch das, welches von
seiner
der
Aeusserung ausgeht. Wie immer auch unsere Ausdrucksweise lautet; wie immer z.B. sie die Beziehung zum ‘aeussern’ [r|R]echnen macht.
341.
9


 
   
1328. 35
      Wenn Dir ploetzlich ein Thema, eine Wendung, etwas sagt, so brauchst Du Dir's nicht erklaeren zu koennen. Es ist Dir ploetzlich auch diese Geste zugaenglich.

 
   
1329. 36
      Vergleich vom koerperlichen Vorgaengen in Zus[ay|ta]enden, wie Verdauung, Atmung, etc., mit geistigen, wie Denken, Fuehlen, Wollen etc. Was ich betonen will, ist gerade die Unvergleichbarkeit. Eher, moechte ich sagen, waeren die vergleichbaren Koerperzustaende: Geschwindigkeit der Atmung, Unregelmaessigkeit des Herzschlags, Zuverlaessigkeit der Verdauung, und dergleichen. Und freilich koennte man sagen, daß diese alle das Verhalten des Koerpers charakterisieren.

 
   
1330. 37
      Denk Dir einen Stamm, von Leuten, die nicht sagen “er hat Schmerzen”, “wir haben Schmerzen”, “in ihm geht das [g|G]leiche vor wie in mir”, “diese Leute haben das gleiche seelische Erlebnis” etc.; sondern man redet wohl von einer Seele und von Vorgaengen in der Seele, sagt aber, man wisse absolut nichts darueber, ob zwei Leute, von denen wir etwa sagen, sie haetten Schmerzen, wirklich dasselbe haben, oder etwas ganz anderes; und man sagt daher bei ihnen, die Menschen haben etwas Unbekanntes und nun folgt in ihrer Ausdrucksweise eine Bestimmung, die, unserem “sie haben Schmerzen” gleichkommt. Diese Leute werden dann auch nicht sagen: “Wenn ich glaube, jemand
habe
hat
Schmerzen, so glaube ich, es gehe in ihm etwas bestimmtes vor”, und dergleichen.
      Muss man es aber ueberhaupt so ansehen, daß das Schmerzsignal und die Beschreibung des Schmerzbenehmens eine begriffliche Einheit geben // bilden // ?
      Ich will fragen: “Wo liegt hier das Begriffliche und wo das Phenomaenale?” Muss die Sprache eine Schmerzaeusserung enthalten? Denken wir uns Leute mit einer Fingersprache. Oder Leute, die nur sch[e|r]eiben, nicht sprechen, Muessten die den Begriff ‘Schmerz’ besitzen?
342.
10


 
   
1331. 38
      Ist es aber leichter, sich vorzustellen, daß Leute unsern Begriff des Schmerzes nicht haben, als dies, daßs sie den Begriff des physikalischen Koerpers nicht haben?

 
   
1332. 39
      Es ist eine wichtige Tatsache, daß wir annehmen, es sei immer moeglich, Menschen, die eine andere Sprache als die unsere besitzen, unsere zu lehren. Darum sagen wir, ihre Begriffe seien die gleichen, wie unsere.

 
   
1333. 40
      “Du beginnst einen Satz, an dessen letztem Ende das Verbum steht; Du wirst mir doch nicht sagen, daß Du den Satz zu sprechen anfingst, ohne eine Ahnung davon, was das Verbum sein werde!” – Und worin besteht die Ahnung? Und wenn nun Einer wirklich keine Ahnung davon haette und doch fliessend Deutsch spraeche! Wie wird man erfahren, ob er diese Ahnung hatte?

 
   
1334. 41
      Inwiefern untersuchen wir den Gebrauch von Woertern? – Beurteilen wir ihn nicht auch? Sagen wir nicht auch, dieser Zug sei wesentlich, jener unwesentlich?

 
   
1335. 42
      Man kann das Messen mit dem Meterstab beschreiben; wie kann man es begruenden?
      Ist der Begriff ‘Schmerz’ ein Instrument, das der Mensch gemacht hat; und wozu dient es?

 
   
1336. 43
      Ja – wie kann man Einem befehlen, die und die Worte so zu meinen? Es sei denn, daß man ihm befiehlt, sie so zu verwenden. –

 
   
1337. 44
      Denke, Du muesstets eine Entscheidung treffen und zwar, indem Du auf einen von einer Anzahl von Knoepfen drueckst. Die Entscheidung, die [d|D]u damit triffst, ist durch ein Wort gekennzeichnet, das auf dem Knopf steht. Es ist dann natuerlich gaenzlich gleichgueltig, was Du beim Anblick d[e|i]eses Worts erlebst. Ist das Wortz.B. “weiche”, so kannst Du es als Adjektiv, Substantiv, oder Verbum meinen, die Entscheidung wird da[r|d]urch nicht geaendert. Und ebenso, wenn Du das Wort als Entscheidung
343.
aussprichst. Es teilt doch jedenfalls dem Andern dasselbe mit, der auf die Entscheidung wartet.




 
   
1338.
      Wie ist es aber, wenn die Entscheidung zweier Deutungen faehig ist, und der sie hoert, gibt ihr nun eine von ihnen? Er kann das entweder durch sein Handeln tun, oder, sozusagen, in Gedanken. Waere aber auf die Entscheidung nicht gleich zu handeln, so koennte er sie auch hoeren und vorlaeufig gar nicht deuten. Anderseits aber koennte er auf eine Frage mit einer Deutung antworten. Dies waere eine vorlaeufige Reaktion.


 
   
1339.
      Es ist eben moeglich, die Worte einer bestimmten Situat[o|i]on gemaess und also in der und der Bedeutung auszusprechen, und dabei doch eine andere Bedeutung zu denken. So dass die Worte fuer mich also, dem Andern unbewusst, eine eigene Bedeutung haben.


 
   
1340.
      Gefragt, werde ich vielleicht diese Bedeutung erklaeren, und die Erklaerung hatte mir doch nicht vorgeschwebt. Was hatte also mein Geisteszustand, als ich das doppelsinnige Wort aussprach, mit den Worten der Erklaerung zu tun? Inwiefern koennen diese Worte ihm entsprechen? Es gibt hier offenbar nicht ein Passen der Erklaerung zur [e|E]rschein[er|un]g.


 
   
1341.
      Man kann auch einen Ausdruck, waehrend man ihn ausspricht,
344.
auf eine Weise meinen und gleich darauf retrospektiv auf ein[i|e] andere.


 
   
1342.
      Es ist uns, als [G|g]ehoerten zu dem Wort in seinen zwei Bedeutungen verschiedene Illustrationen; und man koenne dem Wort nun wohl eine aus den beiden zusammengesetzte Illustration geben, dann sei es aber eben nicht eine der beiden dem Worte gemaessen[m|,] oder gewohnten.
      Das heisst aber natuerlich nicht, dass immer, wenn man von dem Wort Verwendung macht, eine der beiden Illustrationen anwesend sein muss, sondern nur, dass, wenn wir das Wort illust[t|r]ieren, eine der beiden und nicht beide Bilder zu ihm gehoeren.


 
   
1343.
      ‘Haettest Du mich gefragt, so haette ich Dir die die Antwort gegeben.’ Das bezeichnet einen Zustand; aber n[ci|ic]ht eine ‘Begleitung’ meiner Worte.


 
   
1344.
      Denke Dir, Leute haetten die Gewohnheit, waehrend des Sprechens zu kritzeln; warum sollte, was sie auf diese Weise waehrend des Redens hervorbringen, weniger interessant sein, als begleitende Vorgaenge in ihrem Geist, und warum soll das Interesse an diesen von anderer Art sein?
      Warum scheint einer dieser Vorgaenge den Worten das ihnen eigene Leben zu geben?
345.
 
   
1345.
      Je nachdem er das Wort so oder so gemeint hat, hat er die eine, oder andere Absicht ausgesprochen. Die eine oder andere Absicht gehabt. Und mehr kann man doch ueber die Wichtigkeit dieses Meinens nicht sagen.
      Und da scheint es wieder, dass es weniger wichtig ist, was beim Aussprechen des einzelnen Worts (“Bank” z.B.), als was beim, und vor dem, ganzen Satz vor sich gegangen ist. Gleichsam, wie das Gemuet den ganzen Satz illust[ir|ri]ert hat, nicht notw[n|e]ndigerweise das eine Wort. Und doch, so muessen wir uns gleich gestehen, muss auch die Illustration nicht wichtig sein. Warum soll denn soviel auf sie ankommen?
      Und wie kann sie dem Satz ein bestimmtes Leben geben, wenn die Sprache es ihm nicht gibt?
Wie
Warum
soll sie eindeutiger sein, als die Wortsprache?


 
   
1346.
      Nun, das ist das Entscheidende, dass ich nicht nur nach dem Zusammenhang die Bedeutung beurteilen kann, sondern dass man nach ihr fragen kann und der Antwortende die Bedeutung nicht aus dem Zusammenhang entnimmt. // nach dem Zusammenhang feststellt. //


 
   
1347.
      Ist es denn eine Selbstverstaendlichkeit, dass, wer die Sprache gebrauchen kann, imstande ist die Woerter, die er versteht, deren Verwendung er versteht, zu erklaeren? Wir wuerden freilich sehr erstaunt sein, wenn jemand zwar das Wort “Bank” versteht, aber auf die Frage “was ist eine Bank” uns nicht antworten koennte.
346.

      Ist es nicht eines, den Satz zu verstehen “Gehen wir ein Bisschen an die Sonne” – und ein anderes, das Wort “Sonne” erklaeren zu koennen? – Aber muss der, der diesen Satz versteht, nicht wissen, wie die Sonne ausschaut? So wie er, welcher den Satz “Ich habe keinen Schmerzen” versteht, z.B. wissen muss, wie man sich Schmerzen zufuegen kann, und wie sich Einer, der Schmerzen hat, benimmt, etc. –


 
   
1348.
      Ferner: wenn es moeglich ist, dem doppeldeutigen Wort durch oefteres Wiederholen jede ‘Bedeutung’ zu nehmen, warum sollten nicht manche Menschen, die es ohne Zusammenhang aussprechen, dies fuer gewoehnlich ohne ein Gefauehl einer Bedeutung tun? Oder warum sollten die Menschen so ein Wort nicht mit einer Art [z|Z]itternder Bedeutung aussprechen, wo kein Zusammenhang sie
haelt
festhaelt
?


 
   
1349.
      “Was tust Du aber, wenn Du dem Befehl folgst ‘Sag .... und meine damit ....’?” – Du tust nicht etwas Anderes. Aber auch nicht: etwas Spezifisches.


 
   
1350.
      Jedenfalls ist das kein Sprachspiel, dass man sehr viel lernt: ein Wort, isoliert, in der und der Bedeutung aussprechen. Die Grundlage ist offenbar, dass Einer sagt, er kann das Wort .... aussprechen und dabei eine oder die andere seiner Bedeutungen meinen. Das geht leicht, wenn das Wort zwei Bedeutungen hat; aber kannst Du auch das Wort “Apfel” aussprechen und Tisch damit meinen?
347.

      – Ich koennte doch eine Geheimsprache benuetzen, in der es diese Bedeutung hat.


 
   
1351.
      “Gib ihm diesen Befehl und mein' damit .....!” “Sag ihm das und mein' damit .....!” Das waere ein merkwuerdiger Befehl, den man fuer gewoehnlich nicht gibt. Oder ich sage Einem “Richte diese Botschaft aus” – und frage ihn nachher “Hast Du sie auch so und so gemeint?”.


 
   
1352.
      Aber ist dann die Vergangenheitsform der Frage gerechtfertigt? Doch; denn ich setze eine Aenderung der Gesinnung einem Gleichbleiben entgegen. Ich will wirklich nicht nur wissen, was er jetzt meint, sondern auch, was er gemeint hat. – Man koennte etwa fragen “Was meinst Du? und hast Du Deine Gesinnung geaendert?” Wenn auf diese Frage Nein zur Antwort kommt, dann hat er, was die Erklaerung angibt, auch frueher gemeint.
      Ich will sagen: Die Kriterien fuer das Geschehen in der Vergangenheit sind hier andere, als etwa fuer das Auftauchen eines Bildes.


 
   
1353.
      Wie soll ich also dieses psychologische Phaenomen beschreiben? Dass man ein Wort auf Befehl so und so meinen kann? dass man sich einbildet, es so oder so zu meinen? Soll ich sagen, dass das Wort “meinen” hier in einem anderen Sinne gebraucht wird; dass man eigentlich ein anderes Wort gebrauchen sollte? Soll ich so ein Wort in Vorschlag bringen? – Oder ist das gerade
348.
das // unser // Phaenomen, dass wir hier das Wort “meinen” gebrauchen, welches wir fuer einen anderen Zweck gelernt haben?


 
   
1354.
      Ist es ein sehr primitives Sprachspiel, in dem man sagt: “Bei diesem Wort ist mir .... eingefallen”?


 
   
1355.
      Statt “Ich habe das mit dem Wort gemeint” koennte man auch sagen “Das Wort stand fuer ....”. Und wie konnte denn das Wort, als ich es aussprach, fuer dies, und nicht fuer jenes, stehen?! Und doch hat es gerade diese[m|n] Anschein.
      Ist also das gleichsam eine optische Taeuschung? (So, als spiegelte das Wort den Gegenstand, den die Erklaerung ihm zuordnet.) Und wenn das eine optische Taeuschung ist, was verlieren Leute, die diese Taeuschung nicht kennen? Sie sollten sehr wenig verlieren.


 
   
1356.
      Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch, dass wir mit einer Erklaerung und der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklaerten wir die Bedeutung eines Worts fuer praktische Zwecke.


 
   
1357.
      Die Intention mag sich aendern und zugleich auch ein Erlebnisinhalt, aber die Intention war kein Erlebnis.


 
   
1358.
      Einer der Grundsaetze des Beobachtens muesste doch sein, dass ich das Phaenomen, das ich beobachte, durch meine Beobachtung
349.
nicht stoere[,|.] D.h., meine Beobachtung muss brauchbar sein, anzuwenden auf die Faelle, in denen nicht beobachtet w[o|i]rd. // wurde //


 
   
1359.
      Also entspricht diesem Aufzucken “Jetzt weiss ich's!” kein besonderes Erlebnis? Nein. – Denk Dir den, der immer auffaehrt “Jetzt hab ich's!”, wenn er nichts hatte; – was sollen wir von ihm sagen? Welches Erlebnis hatte er? Nicht der besondere ‘Erlebnisinhalt’ beim Aufzucken gibt ihm sein besonderes Interesse, und wenn Einer sagt, er habe in diesem Augenblick alles verstanden, so ist das nicht die Beschreibung eines Erlebnisinhalts. – Aber warum nicht? – Ich will unterscheiden zwischen einer Aussage, die “Ich habe die Formel in diesem Augenblick vor mir gesehen” und einer, wie “Ich habe in diesem Augenblick die Methode erfasst”. Aber nicht[m|,] als wollte ich sagen – “weil man eine Methode nicht in einem Augenblick erfassen kann”. Man kann es wohl, es geschieht sehr oft. – Ich will sagen: “‘Jetzt verstehe ich's’ ist ein Signal, nicht eine Beschreibung”. Und was ist damit getan, dass ich dies sage? Nun, die Aufmerksamkeit wird damit auf den Ursprung so eines Signals gerichtet; die Frage “Wie lernt Einer die Worte ‘Jetzt verstehe ich's’ und wie, z.B., die der Beschreibung einer Vorstellung?” tritt in den Vordergrund [| // ]tritt hervor // . Denn das Wort “Signal” weist auf einen Vorgang hin, der signalisiert wird.


 
   
1360.
      Es ist freilich die Unbestreitbarkeit, die das Bild beguenstigt: es waere hier etwas beschrieben, was nur wir sehen und
350.
nicht der Andere sieht, was also uns nahe und immer zugaenglich, fuer den Andern aber ver[v|b]orgen ist, also etwas, was in uns selbst liegt und wir durch Schauen in uns selbst gewahr werden. Und die Psychologie ist nun die Lehre von diesem Innern.


 
   
1361.
      Wenn ich also sagen will, dass unsere ‘Aeusserungen’, mit denen es die Psychologie zu tun hat, durchaus nicht alle Beschreibungen von Erlebnisinhalten seien, so muss ich sagen, dass, was man Beschreibungen von Erlebnisinhalten nennt[n|,] nur eine kleine Gruppe jener ‘unbestreitbaren’ Aeusserungen sind. Aber durch welche grammatische Zuege ist diese Gruppe charakterisiert?


 
   
1362.
      Ein Erlebnisinhalt, das ist das, was ein Bild wiedergeben kann; ein Bild in seiner subjektiven Bedeutung, wenn es besagt[m|[,|:]]DAs sehe ich, – was immer der Gegenstand sein mag, der diesen Eindruck hervorbringt.” Denn der Erlebnisinhalt ist der private Gegenstand. – Aber wie kann dann der Schmerz einen solchen Inhalt bilden? – Eher noch die Temperat[i|u]rempfindung. Und der Gehoersinn ist dem Gesicht noch naeher verwandt;– aber auch schon ganz verschieden.


 
   
1363.
      Es ist uns foermlich, als haette der Schmerz einen Koerper, als waere er ein Ding, ein Koerper mit Form und Farbe. Warum? Hat er die Form des schmerzenden Koerperteils? Man moechte z.B. sagen: “Ich koennte den Schmerz beschreiben, wenn ich nur die noetigen Worte und Elementarbedeutungen dazu haette.” Man
351.
fuehlt: es fehlt einem nur die notwendige Nomenklatur. (James.) Als koennte man die Empfindung sogar malen, wenn nur der Andere diese Asudr[n|u]cksweise Sprache verstuende. – Und man kann den Schmerz ja wirklich raeumlich und zeitlich beschreiben.


 
   
1364.
      Waere die Schmerzaeusserung nur ein Schreien und dessen Staerke abhaengig nur von dem vorraetigen Atem, aber nicht von der Verletzung, – waeren wir dann auch geneigt, den Schmerz als etwas Beobachtetes aufzufassen?


 
   
1365.
      Warum denkst Du, dass des Andern Andern Schmerz aehnlich ist, wie seine Gesichtsempfindung? – Oder so: Warum gruppieren wir Gesicht, Gehoer und [o|T]astempfindung zusammen? Weil wir durch sie ‘die Aussenwelt kennen lernen’? Der Schmerz koennte ja als eine Art Tastempfindung aufgefasst werden.


 
   
1366.
      Wie ist es aber mit meiner Idee, dass wir die Stellungen und die Bewegungen unserer Glieder nicht wirklich nach den Gefuehlen beurteilen, die diese Bewegungen uns geben? Und warum sollten wir die Oberflaechenbeschaffenheit de[s|r] Koerper so beurteilen, wenn man das von unseren Bewegungen nicht sagen kann? – Was ist ueberhaupt das Kriterium dafuer, dass unser Gefuehl uns dies lehrt?


 
   
1367.
      Wie beurteilt man, ob die Muedigkeit (z.B.) ein unklar lokalisiertes Koerpergefuehl ist?
352.
 
   
1368.
      Man moechte sagen “Ich glaube … ” kann nicht eigentlich das Praesens vom “Ich glaubte” sein. Oder: man muesste ein Verbum so gebrauchen koennen, daß sein Praeteritum den Sinn von “ich glaubte” hat, sein Praesens aber einen andern. Sinn, als unser “ich glaube”. Oder auch so: Es muesste ein Verbum geben, dessen dritte Person in der Gegenwart den Sinn “er glaubt” hat, dessen erste Person aber einen andern als “ich glaube”.
      Aber soll es dann auch ein Verbum geben, dessen erste Person sagt “ich glaube”, dessen dritte aber nicht das, was wir mit “er glaubt” meinen? Die dritte Person muesste also auch unbestreitbar sein?


 
   
1369.
      Wie, wenn Einer sagte: “Ich weiss, es wird nicht regnen, aber ich glaube, es werde regnen”?


 
   
1370.
      Was ist denn Sinneserlebnissen gemeinsam? – Die Antwort, dass sie uns die Aussenwelt kennen lehren, ist eine falsche und eine richtige. Sie ist richtig, sofern sie auf ein logisches Kriterium deuten soll // deutet // .


 
   
1371.
      Liesse sich ein “Ich habe gelogen” denken, das ich aus der Beobachtung
des eigenen
meines
Benehmens erschliesse? Nur dann, wenn auch der Andere nicht das Gestaendnis “Ich habe gelogen” machen kann.
      Beschreibt “Ich habe nicht gelogen” ein Erlebnis, oder “Ich habe dieser Aussage im guten Glauben gemacht”? – Du musst daran
353.
denken, dass ich seinen guten Glauben nicht nur aus dem und jenem Benehmen erschliesse, sondern auch sein Wort dafuer annehme, welches er nicht auf Selbstbeobachtung stuetzt.


 
   
1372.
      Wie kommt es, dass ich aus meiner Aussage // meiner eigenen Aussage // “Es wird regnen” nicht entnehmen kann, dass ich dies glaube? Kann ich denn gar keine interessanten Schluesse daraus ziehen[?|,] dass ich dies gesagt habe? Sagt der [a|A]ndere es, so schliesse ich etwa, er werde einen Schirm mitnehmen. Warum nicht in meinem eigenen Fall?
      Natuerlich, die Versuchung ist hier, zu sagen: Im eigenen Falle brauche ich diesen Schluss nicht aus meinen Worten zu ziehen, weil ich ihn aus meinem Seelenzustand, aus meinem Glauben selbst ziehen kann.


 
   
1373.
      Warum schliesse ich nie von meinen Worten auf meine wahrscheinlichen Handlungen? Aus demselben Grunde, aus welchem ich nicht von meinem Gesichtsausdruck auf mein wahrscheinliches Benehmen schliesse, – Denn nicht das ist das Interessante, dass ich nicht aus meinem Ausdruck der Gemuetsbewegung auf meine Gemuetsbewegung schliesse, sondern, dass ich aus jenem Ausdruck auch nicht auf mein spaeteres Verhalten schliesse, wie dies doch die Andern tun, die mich beobachten.


 
   
1374.
      Wer philosophiert, macht oft zu einem Wortausdruck die falsche, unpassende, Geste.
354.
 
   
1375.
      Wenn Einer mich auf der Strasse trifft und fragt “Wohin gehst Du?” und ich antworte “Ich weiss es nicht”, so nimmt er an, ich habe keine bestimmte Absicht; nicht, ich wisse nicht, ob ich meine Absicht werde ausfuehren koennen. (Hebel.)


 
   
1376.
      Mein Ueber-Ich koennte von meinem Ich sagen: “Es regnet, und das Ich glaubt es.” und koennte fortfahren: “Ich wird also wahrscheinlich einen Schirm mitnehmen”. Und wie geht nun das Spiel weiter?


 
   
1377.
      Betrachte auch die Aussage: “Ich werde wahrscheinlich ....” – wo das, was folgt, eine willkuerliche, keine unwillkuerliche Handlung ist.


 
   
1378.
      Man sagt etwa: “Die Ueberzeugung fuuehlt fuehlt man, man schliesst auf sie nicht aus den eigenen Worten, oder ihrem Tonfall.
      Aber was heisst es: man fuehle die Ueberzeugung? Wahr ist: Man schliesst nicht aus den eigenen Worten auf die eigene Ueberzeugung; oder auf die Handlungen, die dieser entspringen.


 
   
1379.
      Auf die Frage “Warum schliesse ich nicht aus meinen Reden auf meine wahrscheinlichen Handlungen” koennte man sagen, es ist hier so, wie ich als Beamter in einem Ministerium auf die wahrscheinlichen Entschluesse desselben nicht aus de[m|n] offiziellen Aeusserungen schliesse, da mir ja der Ursprung, die
355.
Genesis dieser Aeusserungen und der Entschluesse bekannt ist. – Zu [V|v]ergleichen waere dieser Fall dem, dass ich Selbstgespraeche fuehre, vielleicht sogar schriftlich, die mich zu meinen [al|la]uten Aeusserungen im Gespraech mit Andern fuehren; und nun sage ich: ich werde doch auf mein kuenftiges Verhalten nicht aus diesen Aeusserungen schliessen, sondern aus den viel verlaesslicheren Dokumenten meines Innenlebens.


 
   
1380.
      Ich weiss doch, wenn ich zornig bin, ich brauche es doch nicht aus meinem Benehmen lernen. – Aber schliesse ich aus meinem Zorn auf eine wahrscheinliche Handlung? Man koennte das, glaube ich, auch so sagen: Ich verhalten mich zu meinen Handlungen nicht beobachtend.


 
   
1381.
      Wenn ich Einem sage “Ich weiss, [w|d]ass Du so handeln wirst”, so ist das beste Mittel, um diese Vorhersage wahr zu machen, das, den Andern zu der Handlung zu ueberreden.


 
   
1382.
      Wenn ich Einem sage “Du wirst jetzt Deine Hand heben”, so kann diese Voraussage Grund genug sein, dafuer sein, dass sie nicht in Erfuellung geht; es sei denn, sie sei ein Befehl und der Andere respektiere ihn.


 
   
1383.
      “Es regnet und ich glaube, dass es regnet.” – Zum Wetter gewendet sage ich, dass es regnet; dann, zu mir selbst gewendet, dass ich dies glaube. – Aber was tue ich denn, wenn ich mich zu
356.
mir wende, was beobachte ich? Denk Dir, ich sage “Es regnet und ich glaube, dass es bald aufhoeren wird”– wende ich mich denn beim zweiten Teil der Aussage zu mir selbst? – ja, wenn ich herausfinden will, ob er das glaubt, dann muss ich mich zu ihm wenden, ihn beobachten. Und wenn ich, was ich glaube, durch Beobachtung erfahren wollte, muesste ich meine Handlungen beobachten, ganz wie im anderen Fall die seinen.
      Warum nun beobachte ich sie nicht? Sind sie fuer mich nicht interessant? Sie sind es scheinbar nicht. Ich frage einen Andern, der mich beobachtet hat, fast nie, ob er den Eindruck hat, ich glaube das und das: naemlich um auf diese Weise auf meine Handlungen in der Zukunft schliessen zu koennen. Warum sollte denn ein wirklich guter Beobachter aus meinen Reden und Handlungen nicht mein Verhalten richtiger voraussagen koennen, als ich es vermag? Aber vielleicht werde ich nur dann so handeln, wie er's voraussieht, wenn er's mir nicht voraussagt.


 
   
1384.
      Wenn ich sage “Ich erinnere mich, ich glaubte ....”, so frag Dich nicht “An welche Tatsache, an welchen Vorgang hat er sich erinnert?” (das wurde schon festgestellt) – sondern frag: “Was ist der Zweck dieser Rede, [d|w]ie wird sie verwendet?”


 
   
1385.
      Der Gesichtssinn, der Gehoersinn, der Tastsinn koennen auslassen, so dass ich blind, taub, etc. bin; aber was entspraeche dem im Bereich der Intention?
      Und wie benaehme sich ein Mensch ohne Vorstellung? Oder einer, der nicht traurig und lustig sein kann?
357.
 
   
1386.
      “Die Hoffnung ist auf die Zukunft gerichtet” – aber gibt es ein Gefuehl, das mit dem der Hoffnung identisch, aber auf die Gegenwart oder Vergangenheit gerichtet ist? Sozusagen dieselbe seelische Bewegung, aber mit einem andern Gegenstand? Frage Dich: was waere hier als das Kriterium der Gleichheit der Seelenbewegungen anzusehen? Damit verbunden: “Ist das Aufschrecken ‘Jetzt kann ich's’ ein besonderes, spezifisches, Aufschrecken?”


 
   
1387.
      Auch wenn ich zugaebe, dass ich mehr von meinem eigenen Glauben weiss, als von dem des Andern, so müsste ich dann doch sagen, dass ich eben das von mir wissen kann, was ich vom Andern weiss, wenn auch noch viel mehr. – So muesste ich also, wenn es auch ueberfluessig
ist
waere
, ein Verbu[n|m] auf mich so anwenden koennen, wie das Wort “glauben” auf den Andern. Was hindert mich daran?


 
   
1388.
      Der Begriff der Welt des Bewusstseins. Wir bevoelkern einen Raum mit Eindruecken.


 
   
1389.
      “Die idea[k|l]e Uhr wuerde einfach immer auf die Zeit ‘jetzt’ zeigen.” Haengt auch mit der Sprache zusammen, die nur meine Eindruecke im gegenwaeritigen Augenblick beschreibt. Verwandt die Uraussage, die nur ein unartikulierter Laut ist. (Driesch.) Der ideale Name, der das Wort “dieses” ist.
358.
 
   
1390.
      Ich moechte von einem Stammbaum der psychologischen Begriffe reden. (Ist hier eine Aehnlichkeit mit einem Stammbaum der verschiedenen Zahlbegriffe?)


 
   
1391.
      Die Schwierigkeit des Verzichtens auf jede Theorie: Man muss das und das, was so offenbar unvollstaendig erscheint, als etwas Vollstaendiges auffassen.


 
   
1392.
      Die Angst borgt die Bilder der Furcht. “I have the feeling of impending doom.”


 
   
1393.
      Was ist aber der Inhalt, der Bewusstseinsinhalt der Angst? Die Frage ist falsch gestellt.


 
   
1394.
      “Ein Bild (Vorstellungsbild, Erinnerungsbild) der Sehnsucht”. Man denkt, man habe schon alles damit getan, dass man von einem ‘Bild’ redet; denn die Sehnsucht ist eben ein Bewusstseinsinhalt, und dessen Bild ist etwas, was ihm (sehr) aehnlich ist, wenn auch undeutlicher als das Original.
      Und man koennte ja wohl von Einem, der die Sehnsucht auf dem Theater spielt, sagen, er erlebe, oder habe, ein Bild der Sehnsucht: naemlich nicht als Erklaerung seines Handelns, sondern zu seiner Beschreibung.


 
   
1395.
      Wuerde ich aber nicht doch sagen, dass der Schauspieler etwas der wirklichen Sehnsucht Aehnliches erlebt? Ist eben nicht doch
359.
etwas an dem, was James sagt: dass die Gemuetsbewegung aus den Gefuehlen des Koerpers besteht, und daher, wenigstens teilweise, durch willkuerliche Bewegungen der reproduziert werden kann?


 
   
1396.
      Ist, die Mundwinkel hinunterziehen, so unangenehm, so traurig, und sie hinau[s|f]ziehen, so angenehm? Was ist es, was so schrecklich an der Furcht ist? Das Zittern, d[a|e]r schnelle Atem, das Gefuehl in den Gesichtsmuskeln? – Wenn Du sagst: “Diese Furcht, diese Ungewissheit ist schrecklich!” – koenntest Du fortsetzen: “Wenn nur dieses Gefuehl im Magen nicht waere!”?


 
   
1397[
1
2
| .]
      Der Ausdruck “Diese Angst ist schrecklich!” ist aehnlich einem Aufstoehnen, einem Schrei. Gefragt “Warum schreist Du?” – wuerden wir aber nicht auf den Magen, die Brust, etc. zeigen, wie im Falle des Schmerzes; sondern vielleicht auf das, was die Angst hervorruft. // was uns Angst macht //


 
   
1398.
      Wenn die Angst furchtbar ist, und wenn ich in ihr mir meiner Atmung bewusst bin und einer Spannung in meinen Gesichtsmuskeln, – sagt das, dass diese Gefuehle mir furchtbar sind? Koennten sie nicht sogar eine Linderung bedeuten?


 
   
1399.
      Vergleiche Furcht und Angst mit Sorge.


 
   
1400.
      Und was ist das fuer eine Beschreibung: “Ewiges Duestere steigt herunter ....”?
360.

      So koennte man einen Schmerz beschreiben; ja sogar malen.


 
   
1401.
      Ist nicht der ‘Inhalt’ das, womit man den Empfindungsraum bevoelkert? Das, was in Raum und Zeit sich wandelt, vorgeht. Wenn man etwa zu sich selbst spricht, so waeren es die vorgestellten Laute (und etwa Gefuehle im Kehlkopf, oder dergleichen).


 
   
1403.
      Inwiefern ist mir die Luege bewusst, waehrend ich luege? Nur insofern, als sie mir nicht sp[ea|ae]ter erst zum Bewusstsein kommt, und ich doch spaeter weiss, dass ich gelogen habe. Das sich-der-Luege-bewusst-sein ist ein Koennen. Dem widerspricht nicht, dass es charakteristische Gefuehle des Luegens gibt.


 
   
1404.
      Das Wissen wird eben nicht in Worte uebersetzt, wenn es sich aeussert. Die Worte sind keine Uebersetzung eines Andern,
welches
das
vor ihnen da war[,|.] und


 
   
1405.
      Man sagt “Ich merke an seinem Ton, dass er nicht glaubt, was er spricht”, oder ich nehme es an, weil er sich im allgemeinen als unzuverlaessig erwiesen hat. Wie kann ich das auf mich anwenden? Kann ich z.B. aus meinem Ton schliessen, dass ich wahrscheinlich nicht meinen Worten gemaess handeln werde? (Und doch tut's der Andere.) Oder kann ich es aus meiner frueheren
361.
Unzuverlaessigkeit schliessen? Das Letztere schon eher. Aber ich beurteile den Ton meiner Stimme garnicht, wie den des Andern. Ja, wenn ich mich sp[ea|ae]ter, etwa in einem Sprechfilm, sehen koennte, wuerde ich vielleicht sagen “Ich traue mir nicht recht.”


 
   
1406.
      Vor allem aber: ich scheine doch einen Ersatz fuer alle solche Konjekturen zu haben, einen, der sicherer ist als sie. Ich weiss doch, dass ich nicht glaube, was ich sage, und das gibt mir doch den besten Grund – moechte ich sagen – zur Annahme, dass ich nicht meinen Worten gemaess handeln werde. Ja; ich habe eben eine Absicht meine Handlungen betreffend.


 
   
1407.
      “Ich weiss doch, dass ich luege! Was brauche ich aus meinem Ton, etc., Schluesse zu ziehen?” – Aber so ist es nicht. Denn die Frage ist; Kann ich aus jenem ‘Wissen’ die gleichen Schluesse, auf die Zukunft z.B., ziehen, kann ich von ihm die gleiche Anwendung machen, wie von den beobachteten Ze[o|i]chen?


 
   
1408.
      Und ist denn die Absicht immer ganz klar? Ich sage z.B. “Es wird schoen werden” – halb, weil ich es glaube, halb, weil ich den Andern troesten will.


 
   
1409.
      Hintergedanken. “Ich kenne die meinen, vermute die seinen.” Aber welches Interesse, welche Wi[i|c]hti[k|g] Wichtigkeit, haben seine Hintergedanken fuer mich? (Nun, ueberlege es Dir.) Und das ‘Wissen’ meiner Hintergedanken spielt nun wirklich dieselbe Rolle fuer mich, wie die Vermutung der seinen fuer ihn.
362.
 
   
1410.
      ‘Nach sich selbst urteilen.’ Das gibt's natuerlich. Und ich schliesse auch manchmal, dass der Andere Schmerzen hat, weil er sich so benimmt, wie ich in diesem Falle.


 
   
1411.
      Man koennte sagen: Sage ich Dir meine Hintergedanken, so teile ich Dir gerade das mit, was Du vermutest, wenn Du die Hintergedanken vermutest. D.h.: wenn Du die Hintergedanken, sozusagen, als aktives Prinzip vermutest, und ich aeussere sie, so kannst Du meine Aeusserung unmittelbar zur Beschreibung jenes Agens gebrauchen. Meine Aeusserung erklaert gerade das, was er erklaeren will.


 
   
1[3|4]12.
      “Wozu soll ich denn aus meinen eigenen Worten auf mein Verhalten schliessen, wenn ich ohnehin weiss, was ich glaube?” Und wie äussert sich's, dass ich weiss, was ich glaube? Aeussert es sich nicht dahin: dass ich eben von meinen Worten nicht auf mei[m|n] Verhalten schliesse? Das ist die Tatsache. Das

 
   
1413.
      Warum schliesse ich nicht aus meinem Ton darauf, dass ich nicht wirklich von dem ueberzeugt bin, was ich sage? oder auf all das, worauf man aus diesem Letzteren schliesst? – Und antwortet man “Weil ich meine Ueberzeugung kenne” – so ist die Frage “Wie zeigt sich das?” Soll ich nun sagen: “Darin, dass ich
nicht
nicht
daran zweifele, was sie ist”?


 
   
1414.
      Die Kenntnis des Metrums. Wer das Metrum kennt, hoert es anders.
363.
 
   
1415.
      Es gibt sorgenvolle Gedanken, aber nicht zahnschmerzvolle.


 
   
1416.
      Ich pfeife jetzt einen Ton, aber auch jetzt eine Melodie.


 
   
1417.
      Wir sagen nicht: “Ich sehe wuetend aus; ich hoffe nur, ich werde keine Gewalttat begehen.” Die Frage ist aber nicht: “Wie kommt das?”


 
   
1418.
      Die Psychologie des Urteils. Denn auch das Urteil hat seine Psychologie.
      Es ist wichtig, dass man sich denken kann, dass jedes Urteil mit dem Worte “Ich” beginnt. “Ich urteile, dass ....”
      So ist also jedes Urteil eines über den Urteilenden? [i|I]nsofern nicht, als ich nicht will, dass die Hauptkonsequenzen ueber mich gezogen werden, sondern ueber den Gegenstand des Urteils. Sage ich “Es regnet”, so will ich im allgemeinen nicht, dass man antworte “Also so scheint es Dir.” “Wir reden vom Wetter”, koennte ich sagen, “nicht von mir.”


 
   
1419.
      “Warum aber ist die Verwendung des Zeitworts ‘glauben’, seine Grammatik, in so seltsamer Weise zusammengesetzt // zusammengefuegt // ?”
      Nun, sie ist nicht seltsam zusammengesetzt. Seltsam nur, wenn man sie mit der des Wortes “essen” etwa vergleicht.


 
   
1420.
      “Was er wohl jetzt tun wird” sage ich, indem ich ihm zusehe.
364.
Betrachte ich mich // Sehe ich mir auch zu // , und sage “Was ich wohl jetzt tun werde”?


 
   
1421.
      Denke, ich bewegte mich in einem Zimmer, und haette einen Lichtschirm vor meinen Augen, auf
welchem
dem
ich mich sehe, wie ein Beobachter mich sehen wuerde. Ich schaue, waehrend ich mich in dem Zimmer bewege, stets nur auf dem S[v|c]hirm und beobachte auf ihm mein Tun. – Was waere nun der Unterschied zwischen den beiden Faellen: a) Ich werde durch das, was ich auf dem Lichtschirm sehe, gelenkt, wie durch das normale Sehen meiner Umgebung – – b) Ich bewege mich unwillkuerlich und beobachte mich wie einen Fremden.
      Aber ich fuehle ich meine Bewegungen nicht? – Aber geschieht mir dies Gefuehl nicht, wie jeder andere Sinneseindruck?


 
   
1422.
      Nun gut: das kinaesthetische ist ein anderes, ein besonderes Gefuehl. – Aber so ist Geruch, Gehoer, etc. – Warum macht das einen solchen Unterschied?
      “Innervationsgefuehl” – das drueckt aus, was man sagen moechte: Dass es wie ein Impuls Impuls ist. Aber ein Gefuehl wie ein Impuls?! Was ist denn ein Impuls? Ein physikalisches Bild. Das Bild eines Stosses.


 
   
1423.
      Was ist der Unterschied zwischen diesen Beiden: Einer Linie unwillkuerlich folgend – – Einer Linie mit Absicht folgend.
365.
Was ist der Unterschied zwischen diesen Beiden: Eine Linie mit Bedacht und grosser Aufmerksamkeit nachziehen – – Aufmerksam beobachten, wie meine Hand einer Linie folgt.


 
   
1424.
      Gewisse Unterschiede sind leicht anzugeben. Einer liegt im Voraussehen dessen, was die Hand tun wird.


 
   
1425.
      Ist “Ich tue mein Moeglichstes” die Aeusserung eines Erlebnisses? – Ein Unterschied: Man sagt “Tue dein Moeglichstes!”


 
   
1426.
      Sagt man: “Gibt Dir dieses Muskelgefuehl!”? Und warum nicht? – “Dieses”? – Welches? – – Aber kann ich mir nicht ein bestimmtes Muskelgefuehl geben, indem ich eben meinen Arm bewege? – Versuch's! Beweg Deinen Arm, – und frag Dich, welches Gefuehl Du Dir hervorgerufen hast.
      Sagte m[nn|ir] Einer “Beug Deinen Arm und ruf Dir das charakteristische Gefuehl hervor” und ich beuge meinen Arm, so muesste ich ihn nun fragen: “Welches hast Du gemeint? Eine leichte Spannung im Bizeps, oder ein Gefuehl in der Haut an der Innenseite des Ellbogengelenks?” Ja, ich koennte, wenn mir Einer eine Bewegung befiehlt, sie machen, und dann die Empfindungen, das sie hervorbringt, und ihren besonderen Ort beschreiben. (der beinahe nie das Gelenk waere). Und ich müs[t|s]te oft auch sagen, ich habe nichts empfunden. Nur darf man das nicht mit der Aussage verwechseln, es sei gewesen, als waere mein
Arm
Glied
gefuehllos.
366.
 
   
1427.
      Liest Du die Seite willkuerlich? Und worin besteht hier der Akt? – Es kann Einer auf Befehl lesen, und zu lesen aufhoeren. Man kann sich auch auf Befehl etwas vorstellen. Sich z.B. in der Vorstellung ein Gedicht aufsagen, eine Rechnung machen. Fuehlst Du's, beim Vorstellen, ob Du Dir etwas willkuerlich oder unwillkuerlich vorstellst?
      Man kann sich auf Befehl Gedanken hervorrufen, Vorstellungen hervorrufen, – aber auch, und das ist etwas anderes, auf Befehl etwas denken, sich etwas vorstellen.


 
   
1428.
      Vorstellungen, koennte man sagen, sind willkuerlich, Nachbilder unwillkuerlich.


 
   
1429.
      Unwillkuerlich ist, z.B. die Bewegung, die man nicht hindern kann; oder die, von der man nichts weiss; oder, die geschieht, wenn man seine Muskeln geflissentlich schlafflaesst, um die Bewegung nicht zu beinflussen.


 
   
1430.
      Frage ich mich, wenn ich, z.B., den Andern essen sehe, ob er es willkuerlich oder unwillkuerlich tut? Man sagt vielleicht, ich nehme eben an, dass es willkuerlich geschieht. Was nehme ich an; dass er es fuehlt? Und auf bestimmte Weise fuehlt?


 
   
1431.
      Wie weiss ich, ob das Kind willkuerlich oder nicht willkuerlich isst, trinkt, geht, etc.? Frage ich es, was es fuehlt? Nein; essen, wie Jeder isst, ist willkuerlich.
367.
 
   
1432.
      Wenn Einer uns nun sagte, er esse unwillkuerlich, – welche Evidenz wuerde mich dies glauben machen?


 
   
1433[
1
2
|.]
      Wenn ich, um mein Au[f|g] zu schuetzen, die Hand ploetzlich hebe, – ist die Bewegung willkuerlich? – und fuehle ich sie anders, als eine willkuerliche?


 
   
1434.
      Der Begriff der ‘Anstrengung’. Fuehlst Du die Anstrengung? Freilich fuehlst Du sie. Aber machst Du sie nicht auch? – Was sind die Zeichen der Anstrengung? Ich hebe ein schweres Gewicht mit grosser Anstrengung. Meine Muskeln sind gespannt, mein Gesicht zusammengekniffen, mein Atem angehalten – – aber tue ich das; [G|g]eschieht es mir nicht bloss? Wie waer's, wenn es mir nun geschaehe? Wie unterschiede sich der Fall von dem des Wollens? Wuerde ich etwa anders reden? Wuerde ich sagen: “Ich weiss nicht, was mit mir geschieht: meine Muskeln sind gespannt, mein Gesicht etc. etc.”? Und sagte ich: “Nun, so entspann Deine Muskeln”, so wuerde er antworten “Ich kann nicht”.
      Aber wie, wenn mir Einer sagte: “Ich feuhle fuehle, dass ich tun muss, was immer ich tue”, und dass er sich ˇdabei benimmt, wie jeder Andere?


 
   
1435.
      Ist nicht, zu sagen, das kinaesthetische Gefuehl zeige mir die gemachte Bewegung an, analog der Ansicht, ein Merkmal des Schmerzes zeige mir seinen Ort an?
368.
 
   
1436.
      Wenn Einer den Schmerz durch ein Farbenbild darstellen wollte, [t|] wuerde er in das Bild ein vokales Zeichen // Merkmal // aufnehmen? Und weshalb nicht?




 
   
1437.
      Ist nicht die Empfindung das Mass der Anstrengung? D.h.: Wenn ich sage “Ich ziehe jetzt staerker”, merke ich das am Grad der Empfindung? Und was ist dagegen zu sagen? Man sagt Einem “Streng Dich mehr an!” – nicht, damit er mehr empfindet, sondern mehr leistet.


 
   
1438.
      Warum fuehlt man, man koenne eine Tastempfindung (ihren Inhalt) beschreiben, malen, nicht aber eine Bewegungs- oder Positions-empfindung?


 
   
1439.
      Kannst Du z.B. sagen, Deine Positionsempfindung sei schwach oder stark?
      Und Deine Empfindungen bei der Bewegung eines Gliedes koennen zwar staerke[,|r] oder schwaecher (oder abwesend) sein, aber das ist keine Wahrnehmung der Bewegung.


 
  
1
 
1440.
      Bewegungs[m|e]mpfindungen, – das sind Empfindungen, die durch Bewegungen hervorgerufen werden – koennen z.B. Schmerzen sein.
      Wie weiss man, dass es nicht diese Bewegungsempfindungen sind, die uns lehren, wie wir uns bewegen? Was waere ein Zeichen da[o|]fuer, dass es so ist?
369.
 
   
1441.
      Ist es nicht eine wichtige Tatsache, dass das Theater uns Farben und Toene vorfuehrt, aber nicht Tastempfindungen? Man koennte sich etwa die Verwendung von Geruechen und von Temperaturempfindungen vorstellen, aber ni[i|c]ht die von Tastempfindungen.


 
   
1442.
      Einer, der mit augenscheinlicher Aufmerksamkeit // Sorgfalt // eine Nadel einfaedelt und uns sagt, er tue es unwillkuerlich. Wie koennte er diese Aussage rechtfertigen?


 
   
1443.
      Was man wissen kann, davon kann man ueberzeugt sein, – und das kann man auch vermuten. (Grammatische Bemerkung.)


 
   
1444.
      Willkuerlich sind gewisse Bewegungen mit ihrer normalen Umgebung von Absicht, Lerne[m|n], Versuchen, Handeln. Bewegungen, von denen es Sinn hat, zu sagen, sie seien manchmal willkuerlich, manchmal unwillkuerlich, sind Bewegungen in einer speziellen Umgebung.


 
   
1445.
      Eine Kategorie psychologischer Erscheinungen (Tatsachen) waeren die ‘Keime’. Aber dies Wort kann ebenso leicht der Ausdruck eines Missverstaendnisses sein, wie das Wort “Tendenz-erlebnis” (James.). Das Wort “Brettspiel-Zug[)|] charakterisiert auch nicht eine Art der Bewegung.


 
   
1446.
      Uebersetzen von einer Sprache in die andere ist eine mathematische Aufgabe und das Uebersetzen eines lyrischen Gedichts z.B. in eine fremde Sprache ist ganz analog einem mathematischen
370.
Problem. Denn man kann wohl das Problem stellen “Wie ist dieser Witz (z.B.) durch einen Witz in der andern Sprache zu uebersetzen,” d.h. zu ersetzen; und das Problem
kann
kann
auch geloest sein; aber eine Methode, ein System, zu seiner Loesung gab es nicht.


 
   
1447.
      Du weisst, dass Du luegst; Du weisst es, wenn Du luegst. Eine innere Stimme, ein Gefuehl, sagt es mir? Koennte dies Gefuehl mich nicht taeuschen? // irreleiten? //
      Sagtes mir immer eine Stimme? Und wann spricht sie? Die ganze Zeit? – Und wie weiss ich, dass ich ihr trauen kann?


 
   
1448.
      Eine Luege hat eine besondere Umgebung. Es gibt da vor allem ein Motiv. Eine Veranlassung.


 
   
1449.
      Das Bewusstsein des Luegens ist von der Kategorie des Bewusstseins der Absicht.


 
   
1450.
      Vergiss nicht: Gesicht, Gehoer, Geruch, Geschmack, etc., sind Empfindungen nur, weil diesen Begriffen etwas gemeinsamt ist. ist – – wie man Bohrer, Meissel, Axt, Knallgasgeblaese, zusammennehmen koennte, weil ihnen gewisse Funktionen gemeinsam sind.


 
   
1451.
      “Der Schmerz, der Ton, der Geschmack, Geruch, hat eine bestimmte Farbe.” Was heisst das? (Qualitaet. Eigenschaftswort.)
      Eine Farbe kann gruenlich sein, oder blaeulich – es gibt
371.
ein Gemisch von Farben; und so auch ein Gemisch von Geruechen, Klaengen, Geschmaecken; qualitative Zwischenstufen. Wie unterscheidet man qualitative von quantitativen Zwischenstufen, ich meine, von Stufen der ‘Intensitaet’!?
      Noch auszuhalten – nicht mehr auszuhalten, das sind z.B. Grade der Intensitaet. Denke, jemand fragte: “Wie kann ich wissen, was, was ich als verschiedene Grade, der Lautheit z.B., empfinde, der Andere nicht als verschiedene Qualitaeten, vergleichbar verschiedenen Farben, empfindet?” – Vergleiche die Reaktion
auf eine
zu einer
Aenderung der Staerke mit der
auf eine
zu einer
Aenderung der Qualitaet.


 
   
1452.
      Ich fuehle meinen Arm und, seltsamerweise, moechte ich nun sagen: ich fuehle ihn im Raum in bestimmter Lage; als waere naemlich das Koerpergefuehl in einem Raum in der F[i|o]rm des Arms verteilt, so d[s|a]ss ich, um es darzustellen, den Arm, etwa in Gips, in seiner richtigen Lage darstellen muesste.


 
   
1453.
      Denk Dir, eine Bleistiftspitze wuerde an irgendeiner Stelle mit meiner Haut in Beruehrung gebracht, so kann ich sagen, ich fuehle, wo sie ist. Aber fuehl' ich, wo ich sie fuehle? “Wie weisst Du, dass die Spitze jetzt Deinen Schenkel beruehrt?” – “Ich fuehle es”. Dadurch, dass ich die Beruehrung fuehle, weiss ich ihren Ort; aber soll ich darum von einem Ortsgefuehl reden? Und wenn es kein Ortsgefuehl gibt, warum soll es // muss es // ein Gefuehl der Lage geben?
372.
 
   
1454.
      Ja, es ist seltsam. Mein Unterarm liegt jzetzt horizontal und ich moechte sagen, dass ich das fuehle[.|;] aber nicht so, d als haette ich ein Gefuehl, das immer mit dieser Lage zusammengeht (als fuehlte man etwa Blutleere, oder Plethora) – sondern, als waere eben das ‘Koerpergefuehl’ des Arms horizontal angeordnet, oder verteilt, wie etwa ein Dunst oder Staubteilchen an der Oberflaeche meines Armes so im Raume ver[e|t]eilt sind. Es ist also nicht wirklich, als fuehlte ich die Lage meines Arms, sondern als fuehlte ich meinen Arm, und das Gefuehl haette die und die Lage. D.h. aber nur: ich weiss einfach, wie er liegt, – ohne es zu wissen, weil .... Wie ich auch weiss, wo ich den Schmerz empfinde – es aber nicht weiss, weil ....


 
   
1455.
      Betrachte: – “Es ist nicht wahr, dass ich immer das Falsche glaube. Z.B. es regnet jetzt, und ich glaube es.”
      Man koennte von ihm sagen: Er spricht wie zwei Menschen.


 
   
1456.
      Warum habe ich Zweifel ueber seine Absicht, aber nicht ueber die meine? Inwiefern kenne ich unzweifelhaft meine Absicht? Was ist, sozusagen, der Nutzen davon, dass ich meine Absicht weiss? Was naemlich ist der Nutzen, die Funktion, der Absichtsaeusserung? Wann, naemlich, ist es eine Absichtsaeusserung? Doch, wenn die Tat ihr folgt, wenn sie eine Vorhersage ist. Ich mache die Vorhersage, dieselbe, die der Andere aus der Beobachtung meines Verhaltens macht, ohne ohne diese Beobachtung.
373.
 
   
1457.
      Wenn es sich um ein ‘Gefuehl der Unwirklichkeit’ handelt, sind wir geneigt, zu sagen: “Alles, was ich weiss, ist, dass Menschen oft unter gewissen Umstaenden sagen, sie fuehlten, es sei alles um sie ‘unwirklich’. Wir wissen natuerlich auch, wie der Gebrauch dieses Wortes im uebrigen konditioniert wurde, // auch, welchen Gebrauch dieses Worts die Leute gelernt hatten, // und noch einiges ueber ihre anderweitigen Aeusserungen. Mehr wissen wir nicht.” – Warum reden wir nicht auch so, wenn [s|e]s sich um die Aeusserung der Lust, der Ueberzeugung, der Willkuerlichkeit und Unwillkuerlichkeit von Bewegungen handelt?


 
   
1458.
      Was sollte ich Einem antworten, der mir sagt, er fuehle die Lage und Bewegung seiner Glieder, ihm sage ein Gefuehl ihre Stellung und Bewegung? // , der mir versichert, ihn lehre ein Gefuehl die Stellung und Bewegung seiner Glieder? // Soll ich sagen, er luege, oder er irre sich, oder soll ich ihm glauben? Ich moechte ihn fragen, wie ihn ein Gefuehl diese Lage, z.B., lehrt.? Oder besser: wie er weiss, dass sein Gefuehl ihn das lehre.


 
   
1459.
      (Man sagt, dass das Gewoehnliche, – mit der falschen Gebaerde.)


 
   
1460.
      Erinnere Dich hier wieder an das Gefuehl Gefuehl ohne Rechtfertigung und, dem Anscheine nach, ohne Grund eine gwisse Ortschaft muesse in der Richtung liegen. Wuerde uns dies Gefuehl
374.
nicht zumeist taeuschen, so wuerde man hier von einem gefuehlsmaessigen Wissen reden. Und die Quellen dieses Gefuehls lassen sich nur vermuten, oder erfahrungsmaessig feststellen.


 
   
1461.
      Das All[t|e]rwichtigste ist hier, dass man sich eines Unterschieds, der ein kategorischer ist, bewusst sein kann, ohne sagen zu koennen, worin der Unterschied besteht. // Das wichtigste ist hier dies: es besteht ein Unterschied; man merkt den Unterschied, ‘der ein kategorischer ist’ – ohne sagen zu koennen, worin er besteht. // Das ist der Fall, in dem man gewoehnlich sagt, man erkenne den Unterschied eben durch Introspektion.


 
   
1462.
      Und doch klingt es zuviel wie ein Appell an die Introspektion, wollte ich sagen, “Pruefe dich doch – ob Du wirklich die Lage Deiner Glieder nach Gefuehlen in ihnen bestimmst!” – Und es waere auch falsch, denn die Frage ist eben: Wie wuerde sich das zeigen, wenn Einer es taete? Denn wenn er nach einer Selbstpruefung mich versicherte, es sei so, oder es sei nicht so, – wie weiss ich, ob ich ihm trauen darf; ich meine, ob er mich auch richtig verstanden hat. Oder auch: Wie pruefe ich, ob ich ihn verstehe?


 
   
1463.
      Es sagt mir Einer[;|:] “Ich weiss nicht, wie ich meine Finger bewege, aber ich weiss, wenn ich sie spreize durch das Gefuehl in meinen Schwimmhaeuten.” Hier müsste man fragen: Kannst Du's also den Befehl “Spreiz Deine Finger” mit geschlossenen Augen nicht ohne weiteres ausfuehren?
375.
 
   
1464.
      Wir fueh[,|l]en unsere Bewegungen. Ja, wir fuehlen sie wirklich; die Empfindung ist nicht aehnlich einer Geschmacksempfindung, oder einer Hitzeempfindung, sondern einer Ta[ts|st]t- Tastempfindung: der Empfindung, wenn Haut und Muskeln gedrueckt, gezogen, verschoben werden.


 
   
1465[
1
2
|.]
      Wie kann ich bei meinen Bewegungen die Leitung des Bewegungsgefuehls brauchen? denn wie kann ich[m|,] ehe die Bewegungn angefangen hat, aus all den Muskeln die aussuchen, die mir das richtige Bewegungsgefuehl geben werden? – Wenn es ein Problem ist, “Wie weiss ich, wenn ich die Bewegung nicht sehe, dass sie, und wie weit sie, stattgefunden hat?” – warum ist es dann kein Problem: “Wie weiss ich ueberhaupt, wie die, sagen wir, befohlene Bewegung einzuleiten ist? (Russell machte darueber einmal eine falsche Bemerkung.)


 
   
1466.
      Ich kann z.B. sagen, dass ich jetzt weiss, dass mein Finger gebogen ist, dass ich aber keinerlei Gefuehl in ihm habe; jedenfalls aber keines, das ich besonders mit dieser Stellung assoziiere. Wenn man mich also fragte: “Spuerst Du irgend etwas, wovon Du sagen willst, Du wuerdest es in der gestreckten Lage, nicht fuehlen; oder geht Dir ein Gefuehl ab // oder ist ein Gefuehl jetzt abwesend // , welches in der andern Lage vorhanden waere?” – so muesste ich mit Nein antworten.


 
   
1467[
1
2
|.]
      “Ist Vergnuegen eine Empfindung?” (I.A. Ri[t|c]hards). Das heisst also etwa: Ist Vergnuegen so etwas, wie ein Ton, oder ein Geruch?
376.
– Aber ist ein Ton so etwas wie ein Geruch? Inwiefern?


 
   
1468.
      Wer fragt, ob Vergnuegen eine Empfindung ist, unterscheidet wahrscheinlich nicht zwischen Grund und Ursache, denn sonst fiele ihm auf, dass man, an etwas Vergnuegen hat, was nicht heisst, dass dies Etwas eine Empfindung in uns verursacht[
1
2
|.]


 
   
1469.
      Aber Vergnuegen geht doch jedenfalls mit einem Gesichtsausdruck zusammen, und den sehen wir zwar nicht an uns selbst, aber spueren ihn doch.
      Und versuch einmal ueber etwas sehr Trauriges nachzudenken mit dem Gesichtsausdruck strahlender Freude!


 
   
1470.
      Es ist ja moeglich, dass die Druesen des Traurigen anders se[t|z]ernieren, als die des Froehlichen[.|;] auch, dass diese Sekretion die, oder eine, Ursache der Trauer ist. Aber folgt daraus, dass die Trauer eine durch diese Sekretion hervorgerufene Empfindung ist?




 
   
1471.
      Aber der Gedanke ist hier: “Du fuehlst doch die Trauer – – also musst Du sie irgendwo fuehlen; sonst waere sie eine Chimaere.” Aber wenn Du
so
das
denken willst, rufe Dir nur die Verschiedenheit von Sehen und Schmerz ins Gedaechtnis. Ich fuehle den Schmerz in der Hand – – und die Farbe im Auge? So wie wir hier ein Schema verwenden wollen, statt bloss das wirklich Gemeinsame zu notieren, sehen w[u|i]r alles falsch vereinfacht.
377.
1472.
// notieren, machen wir uns ein falsch vereinfachtes Bild unserer Begriffswelt. Es ist so, als sagten wir, alle Pflanzen im Garten haetten Blueten, alle Bluetenblaetter. – Fruechte. – Samen. //


 
   
1472.
      Ein Geruch kann hoechst angenehm sein. Ist das Angenehme an ihm nur eine Empfindung? Dann wuerde also die Empfindung der Annehmlichkeit den Geruch begleiten. Wie aber wuerde sie sich auf ihn beziehen? Freilich, der Ausdruck der Annehmlichkeit ist seiner Art nach aehnlich dem Ausdruck einer Empfindung, insbesondere des Schmerzes. Aber Freude hat keinen Ort[.|;] es gibt freudige Gedanken, aber nicht zahnschmerzliche.
      Aber, – moechte man sagen – ob Freude eine Empfindung sei, oder was sie sei, muss man doch merken, wenn man sie hat! – (Und warum besonders, wenn man sie hat, und nicht, wenn man sie nicht hat?) Merkst Du auch das Wesen der Eins, wenn Du einen Apfel ist, und das Wesen der Null, wenn Du keinen isst?


 
   
1473.
      Willkuerlichkeit haengt mit Absichtlichkeit zusammen. Und daher auch mit Entschluss. Man entschliesst sich nicht zu einem Herzkrampf und hat ihn nun.


 
   
1474.
      Man ruft sich ein Niesen, oder einen Hustenanfall hervor, aber nicht eine willkuerliche Bewegung. Und der Wille ruft das Niesen nicht hervor und auch nicht das Gehen.
378.
 
   
1475.
      Empfindung, das ist das, was man fuer unmittelbar gegeben und konkret haelt, was man nur anzuschauen braucht, um es zu erkennen; das, was wirklich da ist. (Die Sache, nicht ihr Abgesa[h|n]dter.)


 
   
1476.
      “Ich weiss, ob ich meiner Ueberzeugung gemaess, oder ihr entgegen rede.” So ist die Ueberzeugung das Wichtige. Im Hintergrund meiner Aeusserungen // Reden // . Welches starke Bild. Man koennte Ueberzeugung und Rede malen. (“aus der tiefsten Brust”) Und doch, wie wenig [s|z]ei[n|gt] dieses Bild!


 
   
1477.
      “Der Geruch ist herrlich!” Ist ein Zweifel darueber, dass der Geruch es ist, der herrlich ist?
      So ist es eine Eigenschaft des Geruches? – Warum nicht? Es ist eine Eigenschaft der Zehn durch Zwei teilbar zu sein, und auch, die Zahl meiner Finger zu sein.
      Es koennte aber eine Sprache geben, in der die Leute nur die Augen schliessen und sagen “Oh, dieser Geruch!” und es keinen Subjekt-Praedikat-Satz gibt, der dem aequivalent ist. // der dem Ausruf aequivalent ist. // Das ist eben eine ‘spezifische’ Reaktion.


 
   
1478.
      Ist das, wovon er sagt, er habe es, und wovon ich sage, ich habe es, ohne dass wir dies aus irgendeiner Beobachtung erschliessen, – ist es dasselbe, wie das, was wir aus der Beobachtung des Benehmens des Andern und aus seiner Ueberzeugungsaeusserung entnehmen?
3779.
 
   
1479.
      Kann man sagen: Ich schliesse, dass er handeln wird, wie er zu handeln beabsichtigt[.|?]


 
   
1480.
      Ich schliesse auf die Folgen seiner Uebe[t|r]zeu[t|g]ung Ueberzeugung aus dem Ausdruck seiner Ueberzeugung; aber nicht auf die Folgen meiner Ueberzeugung aus ihrem Ausdruck.


 
   
1481.
      Denk Dir einen Beobachter, der, gleichsam automatisch, seine Beobachtungen ausspricht. Ja, er hoert sich reden, nimmt aber sozusagen keine Notiz davon. Er sieht, dass der Feind herannaht und meldet es, beschreibt es, aber wie eine Maschine. Wie waere das? Nun, er handelt nicht seiner Beobachtung gemaess. Man koennte von ihm sagen, er spreche aus, was er sieht, aber er glaube es nicht. Es dringe, sozusagen, nicht in ihn ein nicht ein.


 
   
1482.
      Warum schliesse ich aus meinen eigenen Worten nicht auf einen Zustand, aus dem Worte und Handlungen entspringen? Ich schliesse, vor allem, aus meinen Worten nicht auf meine wahrscheinlichen Handlungen.


 
   
1483[
1
2
|.]
      Gefragt “Wirst Du so handeln?”– ueberlege ich mir, Gruende und Gegengruende.


 
   
1484.
      Aber bedenke: “Ich nehme doch manchmal des Andern Wort, – so muesste ich doch zum mindesten manchmal auch das meine dafuer nehmen, dass ich der und der Ueberzeugung bin. Wenn ich aber,
380.
quasi automatisch, meine Beobachtung berichte, so hat dieser Bericht mit meiner Ueberzeugung garnichts zu tun. Wohl aber koennte ich mir, oder meinem beobachtende[m|n] Ich, ebenso vertrauen, wie das ein Anderer tut. Ich koennte also sagen: “Ich sage ‘es regnet’, da wird es wohl so sein”. Oder: “Der Beobachter in mir sagt ‘es regnet’, und ich bin geneigt, ihm zu glauben.” – Ist es denn nicht so – oder aehnlich – wenn ein Mensch sagt, Gott habe zu ihm, oder durch seinen Mund, gesprochen?


 
   
1485.
      Die wichtige Einsicht ist, dass es ein Sprachspiel gibt, in welchem ich, automatisch, eine Mitteilung mache, die von de[m|n] Andern ganz so behandelt werden kann, wie eine nicht automatische – – nur dass hier von einem ‘Luegen’ nicht die Rede sein
kann
wird
und eine Mitteilung, die ich selbst wie die eines Dritten empfangen kann.    Die ‘automatische’ Aussage, Meldung, etc., koennte man auch ein ‘Orakel’ nennen. – Das heisst aber freilich, dass sich das Orakel nicht der Worte “ich glaube … ” bedienen duerfte.


 
   
1486.
      Wo steht denn in der Logik, dass eine Behauptung nicht im Trance gemacht werden darf?!


 
   
148[6|7].
      “Schaue ich hinaus, so sehe ich, dass es regnet; schaue ich in mich, so sehe ich, dass ich's nicht glaube // dass ich's glaube // .” Und was soll man nun mit dieser Mitteilung anfangen?
–381–


 
   
1488
      “Angenommen, es regnet und ich glaube es nicht” – wenn ich das, was diese Annahme annimmt, behaupte, – so spaltet sich, sozusagen, meine Persoenlichkeit.
      “Dann spaltet sich meine Persoenlichkeit” heisst: Dann
14
spiele ich nicht mehr das gewoehnliche Sprachspiel, sondern ein anderes.

 
   
1489.
      Die Worte ‘Es regnet’ sind in seine Seele geschri[i|e]ben” – dies soll so viel heissen wie (d.h. ersetzbar sein durch) “Er glaubt, daß es regnet”. “Die Worte ‘Es regnet’ sind in meine Seele geschrieben” – heisst etwa soviel wie: “Ich kann mich von dem Glauben nicht befreien, daß ....”, “Die Idee hat von mir Besitz ergriffen, daß ....”.
      Bedenke naemlich, daß die Worte “Ich glaube, es regnet” und “Es duerfte regnen” das [G|g]leiche sagen koennen: innsofeern naemlich, als es in gewissen Zusammenhaengen keinen Unterschied macht, welchen der beiden ˇSaetze wir verwenden. (Und befreie Dich von der Idee, daß den [e|E]inen ein anderer geistiger Vorgang begleitet, als den anderen!) Die beiden Saetze koennen das Gleiche sagen, obwohl dem ersten ein “Ich glaube....” und “Er glaubt....” etc. entspricht, dem zweiten nicht. Der erste ist eben mit einem andern Begriff gebildet. D.h.: um zu sagen, daß es vielleicht regnet, brauchen wir den Begriff “glauben” nicht, ob schon wir ihn dazu verwenden koennen. Der Begriff, ein Saatz sei Einem ‘in die Seele geschrieben’ ist nun ein dritter Begriff, der sich in der Anwendung zum Teil mit de[m|n] andern deckt, zum Teil nicht.
      Ich will sagen, daß man zur Bildung der Aussage “Es duerfte … ” den ‘seltsamen’ Begriff ‘glauben’ nicht braucht, obwohl man ihn dazu gebrauchen kann[n|.]

 
   
14[|9]0.
      Bedenke auch: ‘Es duerfte regnen und es regnet’ heiss nichts, und ebenso ‘Es duerfte regnen und es regnet nicht’. Dagegen kann man sagen ‘Es scheint zu regnen und es regnet’ und auch ‘Es scheint....und es regnet nicht’. Und ‘Es scheint zu regnen’ kann den gleichen Sinn haben, wie ‘Es duerfte regnen’.
–382–


 
   
1491.
      Wie weiss ich, ich sei im Glauben; ....? Schaue ich in mich? Ja, nuetzt es mir irgendetwas, wenn ich mich beobachte? Nun, ich koennte mich etwa fragen: “Um wieviel wuerde ich in diesem Falle wetten?”

 
   
1492.
      Verstellung. Schmerzen heucheln. Es besteht nicht e[n|i]nfach darin, daß man die Aeusserung des Schmerzes von sich gibt, ohne Schmerzen zu haben. Es muss ein Motif des Heuchelns da sein, also eine Situation, die nicht
ganz einfach
einfach
zu beschreiben ist. Sich krank und schwach stellen, um den Helfenden dann zu ueberfallen. – “Aber es ist doch da ein innerer Unterschied!” Natuerlich; [N|n]ur ist “innerer” hier eine gefaehrliche Me[h|t]aph[o|e]r. – Aber der ‘Beweis’, daß ein innerer Unterschied vorliegt, ist ja, daß ich gestehen kann, ich habe geheuchelt. Ich gestehe eine Absicht. ‘Folgt’ daraus, daß die Absicht etwas Inneres war?

 
   
1493.
      Das ‘wirklich Unendliche’ ist ein ‘blosses Wort’. Besser waere, zu sagen: dieser Ausdruck schafft vorlaeufig bloss ein Bild, – das noch in der Luft haengt; dessen Anwendung Du uns noch schuldig bist.

 
   
1494.
      Eine unendliche lange Kugelreihe, ein unendlich langer Stab. Denk Dir, davon sei in einer Art Maerchen die Rede. Welche Anwendung koennte man, wenn auch nur fiktiv, von diesem Begriff machen? Die Frage sei jetzt nicht: Kann es so etwas geben? Sondern: Was stellen wir uns vor? Lass also Deiner Einbildung wirklich die Zuegel [z|s]chiessen! Du kannst es jetzt jaben, wie Du willst. Du brauchst nur zu sagen, wie Du's willst. Mach also nur ein Wortbild; illustrier es, wie Du willst – durch Zeichnungen, durch Vergleiche, etc.! Du kannst also, gleichsam, eine Werkzeichnung anfertigen. Und nun ist noch die Frage, wie nach ihr gearbeitet werden kann.

 
   
1495.
      “Wie aber kann der menschliche Geist // Verstand // der Wirklichkeit voranfliegen, und selbst das Unverifizierbare
–383–
denken?” – Warum sollen wir nicht das Unverifizierbare [f|r]eden? Wir machten es ja selbst unverifizierbar.
      Es wird ein falscher Schein erzeugt? Und wie kann es auch nur so scheinen? Willst Du denn nicht sagen, daß dies So auch nicht einmal eine Beschreibung ist? Nun, dann ist es also kein falscher Schein, sondern vielmehr einer, der uns der Orientierung beraubt. So daß wir eben fragen: Wie ist es moeglich?

 
   
1496.
      So wie das Wort ausgesprochen war, wuenschte ich, [e|i]ch haette es nicht gesagt. – Wie bezog sich mein Wunsch auf das ausgesprochene Wort?
      Ich fuehlte, daß das Wort unpassend war, sobald ich es ausgesprochen hatte. [a|A]ber die Zeichen, an die ich mich erinnere, waren nur [d|w]ie leise Andeutungen. Kleinigkeiten, aus denen ich die Absicht, den Wunsch, etc., etwa haette erraten k[e|o]ennen.
      Es gibt Schamanlaesse – Situationen – und Schambenehmen. Sowie es Erwartungsanlaesse und Erwartungsbenehmen gibt.

 
   
1497.
      Wenn eine Katze vor dem Mauseloch lauert – nehme ich an, sie denke an die Maus?
      Wenn ein Raeuber auf sein Opfer wartet, – gehoert dazu, daß er an diesen Menschen denkt? Muss er sich dabei dies und jenes ueberlegen? Vergleiche den, der dies zum ersten mal tut, mit Einem, der es schon unzaehlige male getan hat! (lesen)

 
   
1498.
      Es koennte ein Verbum geben, welches bedeutet: die Absicht durch Worte, oder andere Zeichen, laut, oder in Gedanken, aussprechen. Dies Zeitwort waere nicht gleichbedeutend unserem “beabsichtigen”.
      Es koennte ein Verbum geben, welches bedeutet: [e|E]iner Absicht gemaess had handeln; und dieses ware auch nicht gleichbedeutend mit “beabsichtigen”.
      Wieder ein anderes koennte bedeuten: ueber eine Absicht brueten[|:] oder, sie im Kopfe hin und her waelzen.
–384–


 
   
1499.
      Wenn ich meinen Kaffee bereite, so beabsichtige ich, ihn zu trinken. Wenn ich ihn nun ohne diese Absicht bereitete – muesste da eine Begleitung dieser Handlung fehlen? Geht waehrend des normalen Tuns irgendetwas vor sich, was es als Tun in dieser Absicht charakterisiert? Wenn man mich aber fragte, ob ich ihn zu trinken beabsichtige, und ich antwortete “ja freilich!” – wuerde ich etwas ueber meinen gegenwaertigen Zustand aussprechen?
      So reagiere ich in diesem Falle; und das laesst sich aus meiner Reaktion entnehmen.

 
   
1500.
      Man kann einen Glauben, Wunsch, eine Furcht, Hoffnung, Zuneigung einen Zustand des Menschen nennen; wir koennen auf diesen Zustand bei unserm Betragen gegen diesen Menschen rechnen, aus seinem Zustand auf seine Reaktionen schliessen.
      Und sagt Einer “Ich war all diese Zeit im Glauben ....”, “Ich hegte Zeit meines Lebens den Wunsch ....”, etc., so berichtet er von einem Zustand, einer Einstellung. – Sagt er aber “Ich glaube, er kommt” (oder einfach “Da kommt er”) oder “Ich wuensche, daß Du kommst” (oder einfach “Bitte komm!”) dann handelt er, spricht er, jenem Zustand gemaess, berichtet nicht, er befinde sich in ihm.
      Aber wenn das richtig waere, dann solte es doch eine gegenwa[d|r]tige Form jener Berichte geben, also einerseits, z.B., die Aeusserung “Ich glaube ....”, anderseit[z|s] einen Bericht “Ich bin im Glauben ....” Und [a|A]ehnliches fuer den Wunsch, die Absicht, Furcht, etc.

 
   
1501.
      Jemand koennte erzaehlen: “Ich erinnere mich meines Zustands in jenen Jahren sehr genau; wenn immer man mich fragte...., antwortete ich....; das war meine Einstellung.”

 
   
1502.
      Es gibt eine Ekelreaktion, in mir und im Andern, es gibt auch Ekelg[f|e]fuehle. Und darin gleichen sich Ekel, Furcht, Zuneigung, u.a.; aber nicht Hoffnung, Glaube, u.a.
–385–


 
   
1503.
      Gram wiederholt sich unablaessig dem traurigen Gedanken. Ein Gedanke kann traurig, ekelerregend, entzueckend sein, etc.; wie aber zeigt der Ausdruck, daß es dieser Gedanke ist, auf den wir so reagieren? Wie wehrt man einen Gedanken ab?

 
   
1504.
      Soll ich den ganzen Bereich Bereich des [p|P]sychologischen den des ‘Erlebens’ nennen? Also etwa alle psychologischen Ve[e|r]ben ‘Erlebnisverben’. (‘Erlebnisbegriffe’) Ihr Charakteristikum ist dies, daß ihre dritte Person auf Grund von Beobachtungen ausgesprochen wird, nicht aber die erste. Jene Beobachtung ist Beobachtung des Benehmens. Eine Unterklasse der Erlebni[e|s]begriffe sind die ‘Erfahrungsbegriffe’. ‘Erfahrungen’ haben Dauer, einen Verlauf; sie koennen gleichfoermig, oder ungleichfoermig verlaufen. Sie haben Intensitaet. Sie sind nicht Charaktere von Gedanken. Vorstellungen ist Erfahrung. Eine Unterklasse der ‘Erfahrungen’ sind die ‘Eindruecke’. Eindruecke haben raeumliche und zeitliche Beziehungen zueinander. Es gibt Mischeindruecke. Z.B. Gemische von Geruechen, Farben, Klaengen. ‘Gemuetsbewegungen’ sind ‘Erlebnisse’, aber sind nicht ‘Erfahrungen’. (Beispiele: Trauer, Freude, Gram, Entzuecken.) Und man koennte unterschieden ‘gerichtet Gemuetsbewegungen’ und ‘ungerichtete G.’. Die Gemuetsbewegung hat Dauer; sie hat keinen Ort; sie hat charakteristische Erfahrungen und Gedanken; sie hat einen charakteristischen mimischen Ausdruck. Denken ist Reden unter bestimmten Umstaenden, und anderes, was ihm entspricht. Gemuestbewegungen faerben Gedanken. Eine Unterklasse der ‘Erlebnisse’ sind die Formen der ‘Ueberzeugung’. (Glauben, Ge[iw|wi]ssheit, Zweifel, etc.) Ihr Ausdruck ist ein Ausdruck von Gedanken. Sie sind nicht ‘Faerbungen’ von Gedanken. Die gerichteten Gemuet[z|s]bewegungen koennte man auch “Stellungnahmen” nennen. Auch Ueberraschung und Schreck sind Stellungnahmen, und auch Bewunderung, Genuss.

 
   
1505.
      Wohin gehoert aber Erinnerung und wohin Aufmerksamkeit? Man kann sich in einem Augenblick einer Situation, oder Begebenheit erinnern. Insofern ist also
–386–
der Begriff des Erinnerns aehnlich dem des augenblicklichen Verstehens, sich [e|E]ntschliessens.

 
   
1506.
      Mein Benehmen ist eben manchmal Gegenstand meiner Beobachtung aber doch selten. Und das haengt damit zusammen, daß ich mein Benehmen beabsichtige. Selbst wenn der Schauspieler im Spiegel seine eigenen Minen beobachtet, oder der Musiker genau auf jeden Ton seines Spiels merkt und ihn beurteilt, so geschieht es doch, um seine Handlung danach zu richten // lenken // .

 
   
1507.
      Was heisst es z.B., daß Selbstbeobachtung mein Handeln, meine Bewegungen, unsicher macht?
      Ich kann mich nicht unbeobachtet beo[ab|ba]chten. Und ich beobachte mich nicht zu dem gleichen Zweck, wie den Andern.

 
   
1508.
      Wenn ein Kind im Zorn mit den Fuessen stampft und heult, – wer wuerde sagen, es taete dies unwillkuerlich? Und warum? Warum nimmt man an[m|,] es taete dies nicht unwillkuerlich? Was sind die Zeichen des willkuerlichen Handelns? Gibt es solche Zeichen? – Was sind denn die Zeichen der unwillkuerlichen Bewegung? Sie folgt Befehlen nicht, wie die wi[k|l]lkuerliche Handlung. Es gibt ein “Komm her!”, “Geh dort hin!”, “Mach diese Armbewegung!”; aber nicht “[l|L]ass Dein Herz schnell gehen!”

 
   
1509.
      Es gibt ein bestimmtes Zusammenspiel von Bewegungen, Worten, Minen, wie den Aeusserungen des Unwillens, oder der Bereitschaft, die die willkuerlichen Bewegungen des normalen Menschen charakterisieren. Wenn man das Kind ruft, so kommt es nicht automatisch: Es gibt da, z.B. die Gebaerde “Ich will nicht!” Oder das freudige Kommen, den Entschluss zu kommen, das Fortlaufen mit dem Zeichen der Furcht, die Wirkungen des Zuredens, alle die Reaktionen des Spiels, die Zeichen des Ueberlegens und seine Wirkungen.

 
   
1510.
      Eine Melodie ging mir durch den Kopf. War es willkuerlich, oder unwillkuerlich? Eine Antwort waere: Ich haette es auch
–387–
lassen koennen, sie mir innerlich vorzusingen. Und wie weiss ich das? Nun, weil ich mich fuer gewohenlich unterbrechen kann, wenn ich will.

 
   
1511.
      Wie koennte ich mir beweisen, daß ich meinen Arm willkuerlich bewegen kann? Etwa, indem ich mir sage “Ich werde ihn jetzt be[e|w]egen” und er sich nun bewegt? Oder soll ich sagen “Einfach, indem ich ihn bewege”? Aber wie weiss ich, daß ich's getan habe und er sich nicht nur durch Zufall bewegt hat? Fuehle ich's am Ende doch? Und wie, wenn mich meine Erinnerung an fruehere Gefuehle taeuschte, und es also garnicht ˇdie richtigen massgebenden Gefuehle waren?! (Und welches sind die richtigen?) Und wie weiss denn der Andere, ob ich den Arm wi[k|l]lkuerlich bewegt habe? Ich werde ihm vielleicht sagen “Befiehl mir, welche Bewegung Du willst, und ich werde sie machen, um Dich zu ueberzeugen”. – Und was fuehlst Du denn in Deinem [a|A]rm? “Nun, das Gewoehnliche.” Es ist nichts Ungewoehnliches an de[m|n] Gefuehlen, der Arm ist z.B. nicht gefuehllos (wie wenn er ‘eingeschlafen’ waere).

 
   
1512.
      Eine Bewegung meines Koerpers, von der ich nicht weiss, daß sie stattfindet, oder stattgefunden hat, wird man unwillkuerlich nenne. – Wie ist es aber, wenn ich bloss versuche ein Gewicht zu heben, eine Bewegung also nicht stattfindet? Wie waere es, wenn Einer sich unwillkuerlich anstrengte ein Gesicht zu heben? Unter welchen Umstaenden wuerde man dies Verhalten ‘unwillkuerlich’ nennen?

 
   
1513.
      Kann nicht die Ruhe ebenso willkuerlich sein, wie Bewegung? Kann das Unterlassen der Bewegung nicht willkuerlich sein? Welch besseres Argument gegen ein Innervationsgefuehl?

 
   
1514.
      “Dieser Blick war nicht be[b|a]bsichtigt” heisst manchmal: “Ich wusste nicht, daß ich so geschaut habe”, oder “Ich wollte nichts damit sagen”.
–388–


 
   
1515.
      Es sollte uns nicht so selbstverstaendlich vorkommen, daß uns das Gedaechtnis den vergangenen innern Vorgang ebenso zeigt, wie den vergangenen aeussern.

 
   
1516.
      Vorstellung ist willkuerlich, Erinnerung unwillkuerlich, sich etwas ins Gedaechtnis rufen aber willkuerlich.

 
   
1517.
      Was fuer ein merkwuerdiger Begriff ‘versuchen’, ‘trachten’ ist; was man alles ‘zu tun trachten’ kann! (Sich erinnern, ein Gewicht heben, aufmerken, an nichts denken.) Aber dann koennte man auch sagen: Was fuer ein merkwuerdiger Begriff ‘tun’ ist! Welches sind die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen ‘Reden’ und ‘Denken’, zwischen ‘Reden’ und ‘zu sich selbst reden’. (Vergleiche die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Zahlenarten.)

 
   
1518.
      Man zieht ganz andere Schluesse aus der unwillkuerlichen Bewegung, als aus der willkuerlichen: das charakterisiiert die willkuerliche Bewegung.

 
   
1519.
      Aber wie weiss ich, daß diese Bewegung willkuerlich war? – Ich weiss es nicht, ich aeussere es.

 
   
1520.
      “Ich ziehe so stark, als ich kann.” Wie weiss ich das? Sagt es mir mein Muskelgefuehl? Die [O|W]orte sind ein Signal; und sie haben eine Funktion.
      Aber erlebe ich denn nichts? Erlebe ich denn nicht etwas? eetwas Spezifisches? Ein spezifisches Gefuehl der Anstrengung und des Nicht-weiter-koennens, des Anlangens an der Grenze? Freilich, aber diese Ausdruecke sagen nicht mehr, als “Ich ziehe so stark, als ich kann.”

 
   
1521.
      Es ist aber doch wichtig, daß es alle diese Paraphrasen gibt! Daß man die Sorge mit den Worten beschreiben kann “Ewiges Duestere steigt herunter”. Ich habe vielleicht die Wichtigkeit dieses Paraphrasierens nie genuegend betont.
      Man stellt die Freude dar durch ein lichtumflossenes
–389–
Gesicht, dur[f|c]h Strahlen, die von ihm ausgehen. Natuerlich heisst das nicht, daß Freude und Licht einander aehnlich sind; aber wir assoziieren – gleichgueltig warum – die Freude mit dem Licht. Es koennte ja sein, daß diese Assoziation dem Kind, wenn es sprechen lernt, beigebracht wird, daß sie nicht natuerlicher ist, als der Klang der Woerter selbst – – genug, daß sie besteht. (“Beetho[b|v]en” und Beetho[b|v]en's Werke.)

 
   
1522.
      Die Trauer dem bleigrauen Himmel aehnlich?! Und wie kann man das herausfinden? Indem man dem Trauernden und den Himmel betrachtet? Oder sagt es der Trauernder? Und ist es dann nur fuer seine Trauer wahr, oder fuer die Trauer eines Jeden?

 
   
1523.
      Wenn aber nun Einer sagt, seine Trauer gleiche einer grauen Wolke, – soll ich es glauben, oder nicht? – Man koennte ihn fragen, ob sich die beiden in etwas gleichen, in einer bestimmten Hinsicht. (Wie z.B. zwei Gesichter; oder wie ein ploetzlicher starker [s|S]chmerz Eeinem Aufflamen.) Man kann Beziehungen – interne Beziehungen und Zusammenhaenge – dessen angeben, was man bei verschiedenen Eindruecken ‘Intensitaeten’ nennt.

 
   
1524.
      ‘a ist zwischen b und c, und dem b naeher als dem c’ dies ist eine charakteristische Relation zwischen Empfindungen gleicher Art. D.h., es gibt z.B. ein Sprachspiel mit dem Befehl “Erzeuge eine Empfindung zwischen dieser und dieser, und der ersten naeher als der zweiten!” Und auch: “Nenne z[ei|we]i Empfindungen, zwischen welchen diese liegt”.

 
   
1525.
      Und da ist es wichtig, daß man z.B. bei Grau[s|S]chwarz und [w|W]eiss” zur Antwort kriegen wird; bei Violett “Blau und Rot”, bei Rosa “Rot und Weiss”, etc.; aber nicht bei Olivegruen “Rot und Gruen”.

 
   
1526.
      Woran erkennt man, daß der Ausdruck der Freude nicht der
–390–
Ausdruck eines Koerperschmerzes ist? (Eine wichtige Frage.)

 
   
1527.
      Woher weiss man, daß der Ausdruck des Genusses nicht der einer Empfindung ist?

 
   
1528.
      Eine Figu[t|r] als dies oder als jenes ansprechen. Sprichst Du die Figur immer, waehrend Du sie si[he|eh]st, als dies oder das an? Freilich: gefragt, was diese Figur vorstellt, wuerde ich immer sagen: “Einen Hasen”; aber ich bin mir dessen so wenig staendig bewusst, wie dessen, daß dies hier ein wirklicher Tisch ist. Denn spreche ich ein Bild immer als das Bild dieses Gegenstandes an, dann auch jeden Gegenstand als Ding dieses bestimmten Gebrauches, etc.

 
   
1529.
      Wenn Einer zum er[t|s]ten mal merkt, daß das Bild doppeldeutig ist, koennte er etwa mit dem Ausruf reagieren: “Ah, ein Hase!” etc.; aber er wuerde doch wenn er nun das Bild dauernd in einem Aspekt sieht nicht ununterbrochen ausrufen wollen “Ah, ein …!”

 
   
1530.
      Ich will sagen, daß der natuerliche, primitive, Ausdruck des Erlebnisses des A[z|s]pekts so ein Ausruf waere, es koennte auch ein Aufleuchten der Augen sein. (Es faellt mir etwas auf!)

 
   
1531.
      Wenn ich sage, ich sehe diese Figur dauernd rot, so heisst das, daß die Beschreibung, sie sei rot – die Beschreibung in Worten oder durch ein Bild – dauernd, ohne Aenderung, richtig ist; im Gegensatz also zu dem Falle in welchem sich die Figur aendert. – Die Versuchung ist ja eben, den Aspekt mit den Worten zu beschreiben “Ich sehe es so” ohne auf etwas zu zeigen. Und wenn man ein Gesicht mit seiner Blickrichtung als Pfeil beschreibt, so
moechte
will
man sagen: “Ich sehe dies: und nicht dies:”.

 
   
1532.
      Dem dauernden Sehen als entspricht dann, daß diese Beschreibung, ohne Aenderung, die richtige ist und das heisst
–391–
nur, daß der Aspekt nicht gewechselt wurde.

 
   
1533.
      Talk of hallucination! – Was koennte es seltsameres geben, als daß uns der Punkt, das Auge, Richtung zu haben scheint!

 
   
1534.
      Wenn ich ueber den Gesichtsausdruck dieser Figur nachdenke, – wie mache ich's, ueber den Ausdruck von und nicht von nachzudenken?

 
   
1535.
      Wenn ich ueber den Gesichtsausd[f|r]uck dieser Figur nachdenke, ihn betrachte – wie mach ich's: den Ausdruck von und nicht von zu betrachten, nicht den von ?
      Und dieser Symbolismus hat, glaube ich, schon alles in sich.

 
   
1536.
      Es ist doch, als saehe man das Bild: einmal, zusammen mit [E|e]iner Gruppe von Bildern, ein andermal mit einer andern. Was heisst hier: “Es ist als saehe man”? Dies heisst etwas Aehnliches wie: dieser Vorgang koennte den tatsaechlichen vertreten, haette die rechte ‘Multiplizitaet’.

 
   
1537.
      Es ist – im Gegensatz zu Koehler – gerade eine Bedeutung,
was
die
ich sehe.

 
   
1538.
      Man koennte sagen, man erlebe die Bereitschaft zu einer bestimmten Gruppe von Gedanken. (Den Keim zu ihnen.)

 
   
1539.
      Es ist, als kaeme das Bild in einer Lage (oder in einer andern) zur Ruhe. Als koennte es in der Tat fluktiieren, und dann mit bestimmten Akzenten zur Ruhe kommen.
      Man sagt: “Ich sehe es jetzt (oder, meistens) als das.” Es ist uns wirklich, als waeren nun die Striche zu dieser und nicht
der
einer
andern Form zusammengeschossen. Oder als waeren sie i[m|n] diese, und nicht in die andere Hohlform gefallen.
      Und doch muss es sich uns nur darum handeln, den tatsaechlichen Ausdruck unseres Erlebnisses, den ich ja mit allen diesen Bildern nur paraphrasiere, zu beschreiben; zu sagen, was das Wesentliche dieses Ausdrucks ist.
–392–


 
   
1540.
      Koennte einer die Figur so, oder so sehen, der nicht von ihr zu Erklaerungen etc. fortschreiten koennte? Koennte sie also jemand so und so sehen, der nicht wuesste, wie Tierkoepfe ausschauen, was ein Auge ist, etc.? Und damit meine ich natuerlich nicht: “Waere ein solcher im Stande, das zu tun, wuerde es ihm gelingen?” Sondern: “Bedarf es dazu nicht dieser Begriffe?”

 
   
1541.
      Ich sehe das Bild eines Pferdes: ich weiss nicht nur, es sei ein Pferd, sondern auch, daß das Pfered
laufe
laeuft
. Ich kann also nicht nur das Bild raeumlich verstehen, sondern ich weiss auch, was das Pferd jetzt im Begriffe ist zu tun[,| .] Denk Dir, Einer saehe ein Bild einer Reite[e|r]attacke, wuesste aber nicht, daß die Pferde nicht in ihren diversen Stellugen stehen bleiben!
      Es handelt sich mir aber nicht um eine Erklaerung dieses Verstehens, etwa dadruch, daß man behauptet, der Betrachtende mache kleine Laufbewegungen, oder fuehle Laufinnervationen. Welchen Grund hat man zu Annahmen dieser Art, ausser den, es ‘muesse’ so sein?

 
   
1542.
      Wie aber, wenn man sagt “Man sieht dieses gemalte Pferd laufen!” – Damit will ich doch nicht nur sagen “Ich weiss, daß dies ein laufendes Pfered vor[z|s]tellt”. Man will damit etwas anderes sagen. Denk Dir, [n|j]emand reagierte auf so ein Bild mit einer Handbwegung und dem Ausrufe “Hui!”. Sagt das nicht ungefaehr dasselbe wie: er saehe das Pferd laufen? // Mit dem Ausrufe “Hui!” und einer schweifenden Handbewegung. // Er koennte auch ausrufen “Es laeuft!” und das waere nicht die Feststellung, es laufe, noch die, es scheine zu laufen. So wie man sagt: “Sieh, wie er laeuft!” – nicht, um den Andern eine Mitteilung zu machen, sondern es ist eine Reaktion, in der sich die Leute finnden. // , sondern als Ausruf, in dem ich und der [a|A]ndere einander finden. //
393.


 
   
1543.
      Verstehen ist aehnlich dem Weiterwissen, also einem Koennen: aber “Ich verstehe”, so wie “Ich weiss weiter”, ist eine Aeusserung, ein Signal.

 
   
1544.
      Ich kann ein Wort adjektivisch, oder substantivisch erleben. Weiss ich, ob [j|J]eder, ob Viele, mit denen ich rede, diese Erlebnisse haben? Waere es wichtig, um zu wissen, was sie meinen?


 
   
1545.
      Es war mir nicht aufgefallen, dass in beiden Bildern die gleiche Kontur vorkam, denn ich hatte sie in einem Bild so aufgefasst, im andern so. Erst auf dem Umweg einer Ueberlegung sah ich ein, dass es die gleiche Kontur war. – Ist das ein Beweis: ich hae[e|t]te jedes Mal etwas Anderes gesehen? – Es ist wichtig, dass die beiden Aspekte mit einander unnvertraeglich sind.


 
   
1546.
      [O|I]st denn der Gesichtsausdruck etwas Optisches? Ich koennte mir ein Bild denken, dessen Ausdruck doppeldeutig waere. Und dass ich etwa deshalb in einer anderen Umgebung nicht wiedererkennen wuerde. // wiedererkennte. // Ich sage dann etwa: “Ach ja, das sind dieselben Linien; aber sie sind sehen hier ganz anders aus.”
      Und ich sehe ja wirklich, dass das Bild und das Bild das gleiche ist. // Und dass das Bild und das Bild das gleiche ist, sehe ich ja wirklich. // Ich erkenne es nicht nur, sagen wir, durch Messung!
394.
 
   
1547.
      Ich sehe[m|,] sagst Du, zwei verschiedene Gesichtsobjekte, die nur etwas miteinander gemeinsam haben. Denn Du betonst damit nur gewisse Analogien auf Kosten anderer. Aber dieses Betonen muss nun noch grammatisch gerechtifertigt werden.


 
   
1548.
      Wie ist es moeglich, dass das Auge, dieser Punkt, in einer Richtung blickt? – “Sieh, wie er blickt!” (Und dabei ‘blickt’ man selbst.) Aber man sagt und tut das nicht in einem fort, waehrend man das Bild betrachtet. Und was ist nun dieses “Sieh, wie er blick!” – ist es der Ausdruck einer Empfindung?


 
   
1549.
      Ich haette nie daran gedacht, die beiden Bilder so zur Deckung zu bringen // auf einander zu legen // , sie so zu vergleichen. Denn sie legen eine andere Vergleichsweise nahe.
      Das Bild hat mit dem Bild auch nicht die leiseste Aehnlichkeit, moechte man sagen – – obwohl sie kongruent sind.


 
   
1550.
      “Jetzt weiss ich weiter” – ich sehe, dass das eine Stirn ist und das ein Schnabel.
Diese
Die
Linie ist stirnhaft, dieser Punkt augenhaft. Aber wie kann der Gesichtseindruck einer Linie stirnhaft sein? Und was ist es, das mich sagen laesst, der Gesichtseindruck selber sei es, der diese Eigenschaft hat? – Nun, dass es kein Gedanke, keine Deutung ist, dass es dauerhaft, wie der Gesichtseindruck. // Nun, dass es nicht ein Deuten ist; dass es dauerhaft, wie der Gesichtseindruck. //
395.
 
   
1551.
      Versuchen wir zu beschreiben, dass Menschen Absichten haben! Wie saehe so eine Beschreibung aus? Fuer wen waere es eine Beschreibung? Frage Dich dies: Welchem Zweck soll sie dienen?


 
   
1552.
      Man kann sehr ‘deutlich’ zu sich selber in der Vorstellung reden, wenn man dabei die Information der Rede durch Summen (bei geschlossenen Lippen) wiedergibt. Auch Kehlkopfbewegungen helfen. Aber das Merkwuerdige ist ja eben, dass man die Rede dann in der Vorstellung hoert, und nicht bloss, sozusagen [e|i]hr Skelett, im Kehlkopf fuehlt.


 
   
1553.
      Es ist dem ‘Vorstellen’ wesentlich, dass zu seiner Aeusserung ˇdie Begriffe der Sinneswahrnehmung verwendet werden. (Der Satz “Ich hoere und ich hoere nicht ....” koennte als Ausdruck der Gehoersvorstellung gebraucht werden. Eine Verwendung fuer die Form dieses Spruchs des Widerspruchs.) Ein Hauptmerkmal, das Vorstellung vom Sinneseindruck und von der Hallunzination unterscheidet, ist dies, dass der Vorstellende sich zur Vorstellung nicht beobachtend verhaelt, also dies, dass die Vorstellung willkuerlich ist.


 
   
1554.
      Stelle Dir ein Gespraech vor, dessen einer Partner Du selbst bist, so zwar, dass Du selbst in der Vorstellung redest. Was Du selbst sprichst, wirst Du wahrscheinlich in Deinem Koerper (Kehlkopf, Brust) spueren. Das aber beschreibt nur, definiert nicht, die Taetigkeit des Redens in der Vorstellung.
396.
 
   
1555.
      Das Gefuehl des Unheimlichen. Wie zeigt es sich? Die Dauer so eines ‘Gefuehls’. Wie, z.B., sieht eine Unterbrechung des Gefuehls aus? Waere es, z.B., moeglich, abwechselnd eine Sekunde es zu haben, nicht und wieder nicht zu haben? Ist nicht unter seinen Merkmalen auch eine charak[et|te]ristische Art des Verlaufs (Beginns und Endes), die es z.B. von einer Sinneswahrnehmung unterscheidet?


 
   
1556.
      Das Sprechen der Musik. Vergiss nicht, dass ein Gedicht, wenn auch in der Sprache der Mitteilung abgefasst, nicht im Sprachspiel der Mitteilung verwendet wird.
Z174

      Koennte man sich nicht denken, dass Einer, der Musik nie gekannt hat und zu uns kommt und jemand einen nachdenklichen Chopin spielen hoert, dass der ueberzeugt waere, dies sei eine Sprache und man wolle ihm nur den Sinn geheimhalten.
      In der Wortsprache ist ein starkes musikalisches Element. (Ein Seufzer, der Tonfall der Frage, der Verkuendigung, der Sehnsucht, alle die unzaehligen Gesten des Tonfalls.)


 
   
1557[
1
2
|.]
      “Man suche nichts hinter den Phaenomenen; sie selbst sind die Lehre.” (Goethe.)


 
   
1558.
      Ich beobachte sein Gesicht genau. Warum? Was lehrt es mich? Ob er traurig, oder froehlich, z.B. Aber warum interessiert mich das? Nun, wenn ich seine Stimmung kennen lerne, so ist es, wie wenn ich den Zustand eines Koerpers (seine Temperatur, z.B.) kennen lernte; ich kann mancherlei Schluesse daraus ziehen. Und darum
397.
beobachte ich im gleichen Fall mein eigenes Gesicht nicht. Beobachtete ich mich, so waere mein Gesicht nicht mehr ein verlaesslicher Index; und ich koennte auch, wenn es
das
dies
fuer einen [a|A]ndern waere, keine Schluesse aus ihm ziehen.


 
   
1559.
      Sich eines Gedankens schaemen. Schaemt man sich dessen, dass man den und den Satz zu sich selbst in der Vorstellung gesprochen hat?
Z655

      Die Sprache hat eben eine vielfache Wurzel; sie hat Wurzeln, nicht eine. Wurzel.


 
   
1560.
      “Der Gedanke stand in diesem Augenblick vor meiner Seele.” – Und wie? – “Ich hatte dieses Bild.” – So war das Bild der Gedanke? Nein; denn haette ich Einem bloss das Bild mitgeteilt, so haette er nicht den Gedanken erhalten.


 
   
1561.
      Das Bild war der Schluessel. Oder es erschien doch als Schluessel.


 
   
1562.
      Wie unterscheiden sich Gesichtseindruecke von Gehoerseindruekken? – Soll ich antworten: “Das laesst sich nicht sagen; aber wer sieht und hoert, weiss, dass sie total verschieden sind”? Koennte man sich denken, dass bei einem Menschen ein bestimmter Gesichtseindruck derselbe waere, wie ein bestimmter Gehoerseindruck? so dass er diesen einen Eindruck durchs Auge und durch's Ohr erhalten koennte? Wuerde dieser etwa auf ein Bild zeigen und einen Ton am Klavier anschlagen und uns sagen,
398.
diese beiden seien identisch? Und wuerden wir ihm das glauben? Und warum nicht? Wuerden wir ihm glauben, dass die ‘Affektion der Seele’ in beiden Faellen dieselbe sei? Und wenn wir's glaubten, wie koennten wir das Faktum verwenden?


 
   
1563.
      Der Stammbaum der psychologischen Phaenomene: Nicht Exaktheit strebe ich an, sondern Uebersichtlichkeit.


 
   
1564.
      Was das Buendel der ‘Sinneseindruecke’ zusammenhaelt, sind ihre Relationen zu einander. Das, was ‘rot’ ist, ist auch ‘suess ’ und ‘hart’ und ‘kalt’, und ‘klingt’, wenn man es anschlaegt. In dem Sprachspiel mit diesen Woertern heisst es urspruenglich nicht “Dies scheint rot”, sondern “Dies ist rot” (hart, etc.). Unsere Uebereinstimmung ist dem Sprachspiel wesentlich. Anders ist es aber mit “angenehm”, “unangenehm”, “schoen”, “haesslich”.
      Schmerz ist in mancher Weise analog den uebrigen Sinneseindruecken, in mancher Weise verschieden. Es gibt einen Gesichtsausdruck, Ausrufe, Gebaerden des Schmerzes (wie der Freude), Zeichen der Ablehnung, einen Empfang, der fuer den Schmerz, aber nicht eine[r|n], der fuer die rote Farbe charakteristisch ist // der fuer die Empfindung Rot charakteristisch ist // . Bitterkeit ist darin dem Schmerz verwandt.
      Man koennte sich einen Druck ohne Sinnesorgan denken. Es koennte Einer hoeren, und so ziemlich alle Sprachspiele mit den Woerte[n|r]n fuer Gehörseindrücke lernen, ohne Ohren zu haben, und ohne dass man weiss ‘womit’ er hoert. Dass man mit den Ohren
399.
hoert, zeigt sich ja verhaeltnismaessig sehr selten. Ja es koennte sein, dass Einer hoert, wie wir Alle, und man erst spaeter darauf kommt, dass eine Ohren taub sind.
      Der Inhalt der Erlebnisse. Man moechte sagen “So s[h|e]he ich Rot”, “So hoere ich den Ton, den Du anschlaegst”, “So fuehle ich Vergnuegen”, “So empfinde ich Trauer”, oder auch “Das empfindet man, wenn man traurig ist; das, wenn man sich freut”, etc. Man moechte eine Welt, analog der physikalischen, mit diesen So und Das bevoelkern. Das hat aber nur dort Sinn, wo es ein Bild des Erlebten gibt, worauf man bei diesen Aussagen zeigen kann.


 
   
1565.
      Wenn nur Einer einmal eine Koerperbewegung gemacht haette, – koennte die Frage sein, ob sie willkuerlich oder unwillkuerlich war?


 
   
1566.
      “Wenn ich mich anstrenge, tue ich doch etwas, habe doch nicht bloss eine Empfindung.” Und so ist es auch; denn man befiehlt Einem: “Streng Dich an!” und er er kann die Absicht aeussern “Ich werde mich jetzt anstrengen”. Und wenn er sagt “Ich kann nicht mehr!” – so heisst das nicht “Ich kann das Gefuehl in meinen Gliedern – den Schmerz, z.B., – nicht laenger ertragen”. – Anderseits aber leidet man unter der Anstrengung, wie unter Schmerzen. “Ich bin gaenzlich erschoepft” – wer das sagte, sich aber so frisch bewegte, wie je, den wuerde man nicht verstehen.
400.
 
   
1567.
      Der Aspekt ist dem Willen unterworfen. Ich kann etwas nicht rot sehen, wenn es mir blau erscheint, und es hat keinen Sinn, zu sagen, “Sieh dies rot”, wohl aber “Sieh dies als ....”. Und dass der Aspekt (wenigstens bis zu einem gewissen Grade) willkuerlich ist, scheint ihm wesentlich zu sein, wie auch der Vorstellung, dass sie es ist. Ich meine: die Willkuerlichkeit scheint mir (aber warum?) nicht nur eine Zutat zu sein; als sagte man, “Diese Bewegung laesst sich, erfahrungsgemaess, auch so hervorbringen”. D.h.: Es ist wesentlich, dass man sagen kann “Sieh es jetzt so an!” und “Stell Dir vor ....!” Denn das haengt damit zusammen, dass uns der Aspekt nichts ueber die ‘aeussere Welt lehrt’. Man kann die Worte “rot” und “blau” lehren, indem man sagt “Dies ist rot und nicht blau”; aber man kann Einem nicht die Bedeutung vo[m|n] “Figur” und “Grund” lehren, indem man auf eine doppeldeutige Figur [s|z]eigt.


 
   
1568.
      Wir lernen nicht, Vorstellungen kennen und spaeter erst, sie mit unserm Willen zu lenken. Und natuerlich ist es ueberhaupt ganz falsch zu
denken
sagen
, wir lenkten sie, mit – sozusagen, mit mittels [|u]nseres Willens. Als regierte der Wille sie, wie meine Befehle Menschen regieren koennten. Als waere also der Wille ein Einfluss, eine Kraft, oder auch: eine primaere Handlung, die dann die Ursache der wahrnehmbaren aeusseren Handlungen ist.


 
   
1569.
      Ist es richtig, zu sagen: was eine Handlung zu einer willkuerlichen macht, sind die psychischen Erscheinungen, in denen sie eingebettet liegt? (Die psychologische Umgebung.)
401.

      Sind, z.B., meine normalen Gehbewegungen “willkuerlich” in einem nicht potentiellen Sinn?


 
   
1570.
      Ein Kind stampft mit den Fuessen im Zorn: ist es nicht willkuerlich? Und weiss ich irgendetwas von seinen Bewegungsempfindungen, wenn es dies tut? Im Zorn stampfen ist willkuerlich. Kommen, wenn man gerufen wird, in der gewoehnlichen Umgebung, ist willkuerlich. Unwillkuerliches Gehen, Spazierengehen, Essen, Sprechen, Singen waere (ein) Gehen, Essen, Sprechen, etc. in einer abnormalen Umgebung.     Z.B., bewusstlos: wenn man im uebrigen handelt, wie in der Narkose; oder wenn die Bewegung vor sicht geht, und man weiss nichts von ihr, sobald man die Augen schliesst; oder wenn man die Bewegung nicht einstellen kann, so sehr man sich auch bemueht; etc.


 
   
1571.
      Keine Annahme scheint mir natuerlicher, als dass dem Assoziieren, oder Denken, kein Prozess im Geh[o|i]rn zugeordnet ist; so dass es also unmoeglich waere, aus Gehirnprozessen Denkprozesse abzulesen. Ich meine das so: Wenn ich rede, oder schreibe, so geht, nehme ich an, ein meine[n|m] gesprochenen oder geschriebenen Gedanken zugeordnetes System von Impulsen von meinem Gehirn aus. Aber warum sollte das System sich weiter in zentraler Richtung fortsetzen? Warum soll nicht, sozusagen, diese Ordnung aus dem Chaos entspringen? Der Fall waere aehnlich dem– dass sich gewisse Pflanzenarten durch Samen vermehrten, so dass ein Same immer dieselbe Pflanzenart erzeugt, von der er erzeugt wurde, – dass aber nichts in dem Samen der Pflanze, die aus ihm wird,
402.
entspricht; so dass es unmoeglich ist, aus den Eigenschaften, oder der Struktur des Samens auf die der Pflanze, die aus ihm wird, zu schliessen, – dass man dies nur aus seiner Geschichte tun kann. So koennte also auch etwa aus etwas ganz Amorphem ein Organismus, sozusagen ursachelos, werden; und es ist kein Grund, warum sich dies nicht mit unserem Gedanken, also mit unserem Reden oder Schreiben etc. wirklich so verhalten sollte.


 
   
1572.
      Es ist also wohl moeglich, dass gewisse psychologische Phaenomene physiologisch nicht untersucht werden koennen, weil ihnen physiologisch nichts entspricht.


 
   
1573.
      Ich habe diesen Mann vor Jahren gesehen; nun sehe ich ihn wieder, erkenne ihn, erinnere mich seines Namens. Und warum muss es nun fuer dies Erinnern eine Ursache in meinem Nervensystem geben? Warum muss irgendetwas, was immer, in irgendeiner Form dort aufgespeichert worden sein? Warum muss er eine Spur hinterlassen haben? Warum soll es keine psychologische Gesetzmaessigkeit geben, der keine keine physiologische entspricht? Wenn das unsere Begriffe von der Kausalitaet umstösst, dann ist es Zeit, dass sie umgestossen werden.


 
   
1574.
      Das Vorurteil fuer den psycho-physischen Parallelismus ist auch eine [V|F]rucht der primitiven Auffassung der [F|G]rammatik. Denn, wenn man Kausalitaet zwischen psychologischen Erscheinungen zulaesst, die nicht physiologisch vermittelt ist, so denkt man damit das Eingestaendnis eines nebelhaften Seelenwesens zu machen. // , so
403.
meint man, damit ein Zugestehen, es existiere eine Se[l|e]le neben dem Koerper, ein geisterhaftes Seelenwesen. //
    // Das Vorurteil zugunsten des p[h|s]ycho-physischen Parallelismus ist auch eine Frucht
primitiven Denkens
primitiver Auffassungen
der Grammatik. Denn wenn man Kausalitaet zwischen psychologischen Erscheinungen zulaesst, die nicht physiologisch vermittelt ist, so meint man damit die Existenz einer Seele neben dem Koerper einzugestehen. //


 
   
1575.
      Muss das Verbum “ich glaube” eine Vergangenheitsform haben? Nun, wenn wir statt “Ich glaube, er kommt” immer sagten “Er duerfte kommen” (oder dergleichen), aber dennoch sagten “Ich habe geglaubt ....” – so haette das Verbum “glauben” keine Gegenwart. Es ist charakteristisch fuer die Art und Weise, wie wir gewohnt sind, die Sprache zu betrachten, dass wir glauben, es muesse am Ende doch [g|G]leichfoermigkeit, Symmetrie, bestehen; statt, umgekehrt, dafuer zu halten, sie koenne nicht bestehen.


 
   
1576[
1
2
|.]
      Denk Dir diese Erscheinung: Wenn ich will, dass jemand sich einen Text merkt, den ich ihm vorspreche, so dass er ihn mir spaeter wiederholen kann, muss ich ihm ein Papier und einen Bleistift geben; und waehrend ich spreche, schreibt er Striche, Zeichen auf das Papier; soll er spaeter den Text reproduzieren, so folgt er jenen Strichen mit den Augen und sagt den Text her. Ich nehme aber an, seine Aufzeichnung sei keine Schrift, sie haenge nicht durch Regeln mit den Worten des Textes zusammen;
–404–
und doch kann er ohne diese Aufzeichnung den Text nicht reproduzieren; und wird an ihr etwas etwas veraendert // geaendert // , wird sie zum Teil zerstoert, so bleibt er beim ‘Lesen’ stecken, oder spricht den Text unsicher, oder unzuverlaessig, oder kann die Worte ueberhaupt nicht finden. – Das liesse sich doch denken! – Was ich die ‘Aufzeichnung’ nannte, waere dann keine Wiedergabe des Textes, nicht eine Uebersetzung sozusagen in eine[m|n] anderen Symbolismus. Der Text waere nicht in der Aufzeichnung niedergelegt. Und warum sollte er in unserm Nervensysten niedergelegt sein?

 
   
1576.
Z611
      Warum soll nicht ein Naturgesetz einen Anfangs- und einen Endzustand eines Systems verbinden, den Z[y|u]stand zwischen beiden aber uebergehen? (Nur denke man nicht an Wirkung!)

 
   
1577.
      Was man eine Aenderung
in den Begriffen
im Denken
nennt, ist natuerlich nicht nur eine Aenderung im Reden, sondern auch eine im Tun.

 
   
1578.
      Die Terminologie sieht man, die Technik ihrer Anwendung sieht man nicht.

 
   
1579.
      Man sagt “Er scheint furchtbare Schmerzen zu haben”, auch wenn man keinerley Zweifel hat, daß der Schein nicht truegt. Warum sagt man nun nicht “Ich scheine furchtbare Schmerzen zu haben”, denn dies muesste zu mindestens auch Sinn haben? Bei einer Theaterprobe koennte ich das sagen; und ebenso “Ich scheine die Absicht zu haben ....”, etc. etc. Jeder wird sagen[;| :] “Natuerlich sage ich das nicht; weil ich weiss, ob ich Schmerzen habe.” Es interessiert mich fuer gewoehnlich nicht, ob ich Schmerzen zu haben scheine; denn die Schluesse, die ich aus diesem Eindruck beim Andern ziehe, ziehe ich fuer mich selbst nicht. Ich sage nicht: “Ich stoehne furchtbar, ich muss zum Arzt gehen”; wohl aber “Er stoehnst furchtbar, er muss ....”.

 
   
1580.
      Wenn dies keinen Sinn hat: “Ich weiss, daß ich Schmerzen habe” – noch dies: “Ich fuehle meine Schmerzen”, – dann hat es
–405–
auch keinen Sinn zu sagen: “Ich kuemmere mich nicht um mein eigenes Stoehnen, weil ich weiss, daß ich Schmerzen habe” – oder “weil ich meine Schmerzen fuehle.”
      Wohl aber ist es wahr: “Ich kuemmere mich nicht um mein Stoehnen.”

 
   
1581.
      Ich schliesse aus der Beobachtung seines Benehmens, daß er zum Arzt muss; aber ich ziehe diesen Schluss fuer mich nicht aus der Beobachtung meines Benehmens. Oder viel mehr: ich tue es auch dies manchmal, aber [b|n]icht in analogen Faellen

 
   
1582.
      Es hilft hier, wenn man bedenkt, daß es ein primitives Verhalten // eine primitive Reaktion // ist, die schmerzende Stelle des Andern zu pflegen, zu behandeln, und nicht nur die eigene – also auf des Andern Schmerzbenehmen zu achten, wie auch, auf das eigene Schmerzbenehmen nicht zu achten

 
   
1583.
      Was aber will hier das Wort “primitiv” sagen? Doch wohl, daß die Verhaltungsweise [V|v]orsprachlich ist: daß ein Sprachspiel auf ihr beruht, daß sie das Prototyp einer Denkweise ist und nicht das Ergebnis des Denkens.

 
   
1584.
      “Falsch aufgezaeumt” kann man von einer Erklaerung sagen, wie dieser: wir pflegten den Andern, weil wir nach Analogie des eigenen Falles glaubten, auch er habe ein Schmerzerlebnis. – Statt zu sagen: Lerne also aus diesem besondern Kapitel unseres Betragens – aus diesem Sprachspiel – welche Funktion in ihm “Analogie” und “Glauben” haben.

 
   
1585.
      “Wie kommt es, daß ich den Baum aufrecht sehe, auch wenn ich meinen Kopf zur Seite neige, und also das Netzhautbild das eines schiefstehenden Baums ist?” Wie kommt es also, daß ich den Baum auch unter diesen Umstaenden als einen aufrechten anspreche? – “Nun, ich bin mir der Neigung meines Kopfes bewusst, und bringe also die noetige Korrektur an der Auffassung meiner Gesichtseindruecke an.” – Aber heisst das nicht, Primaeres mit Sekundaerem verwechseln? Denk Dir, wir wuessten gar
–406–
nichts von der innern Beschaffenheit des Auges, – wuerde dies Problem ueberhaupt auftauchen? // , – koennte sich diese Frage ueberhaupt erheben? // Wir bringen ja hier, in Wahrheit keine Korrekturen an, dies ist ja bloss eine Erklaerung.
      Wohl – – aber da nun die Struktur des Auges einmal bekannt ist, – wie kommt es, daß wir so handeln, so reagieren? Aber muss es hier ein physiologische Erklaerung geben? Wie, wenn wir sie auf sich beruhen
liessen
lassen wuerden
? – Aber so wuerdest Du doch nicht sprechen, wenn Du das Verhalten einer Maschine prueftest! – Nun, wer sagt, daß in diesem Sinne das Lebewesen, der tierische Leib, eine Maschine ist? –

 
   
1586.
      Man kann eine Veraenderung eines Gesichts merken und mit den Worten beschreiben, das Gesicht habe einen haerteren Ausdruck angenommen, – und ˇdoch nicht im Stande sein,
sie
die Aenderung
mit raeumlichen Begriffen zu beschreiben. Dies ist ungeheuer wichtig. – Vielleicht sagt nun jemand: wer das tut, beschreibe eben nicht die Veraenderung des Gesichts, sondern nur der Wirkung auf ihn selbst; [A|a]ber warum sollte dann eine Beschreibung durch Form- und Farbbegriffe nicht auch dies sein?

 
   
1587.
      Man kann auch sagen “Er machte dieses Gesicht”, oder “Sein Gesicht veraenderte sich so”, indem man's nachmacht, – und ist wieder nicht im Stande, die Veraenderung anders zu beschreiben. ((Es gibt eben viel mehr Sprachspiele, als Carnap und [a|A]ndere sich traeumen lassen.))

 
   
1588.
      Das Bewusstsein, daß ...., kann mich in der Arbeit stoeren; das Wissen nicht.

 
   
1589.
      Wie weiss ich, daß ein Hund etwas dauernd hoert, dauernd einen Gesichtseindruck empfaengt, Freude, Furcht, Schmerz empfindet?
      Was weiss ich von den ‘Erlebnisinhalten’ eines Hundes?
–407–


 
   
1590.
      Sind die Farben wirklich Geschwister? Sind sie nur der Farbe nach verschieden, nicht auch der Art nach? Sind Gesicht, Gehoer, Geschmack, wirklich Geschwister?
      Suche nicht nur nach [a|A]ehnlichkeiten um einen Begriff zu rechtfertigen, sondern auch nach Zusammenhaengen. Der Vater uebertraegt s[i|e]inen Namen auf den Sohn, auch wenn dieser ihm ganz unaehnlich ist.

 
   
1591.
      Vergleiche einen furchbaren Schreck und einen ploetzlichen heftigen Schmerz. Es ist die Schmerzempfindung, die furchtbar ist, – aber ist es die Schreckempfindung? Wenn jemand in meiner Gegenwart hinstuerzt, – ist das nur die Ursache einer hoechst unangenehmen augenblicklichen Empfindung in mir? Und wie laesst sich diese Frage beantworten? Klagt, der, der den schrecklichen Vorfall berichtet, ueber die Empfindungen, der das Stocken des Atems, etc.? Wenn man Einem ueber den Schreck hinweghelfen will, – behandelt man den Koerper? Beruhigt man den Erschrockenen nicht viel mehr ueber das Ereignis, die Veranlassung?



 
   
1592.
      Wer im Studierzimmer sich die Trauer vormacht, der wird sich allerdings leicht der Spannungen in seinem Gesicht bewusst werden. Aber trauere wirklich, oder folge einer traurigen Handlung im Film, und frag Dich, ob Du Dir Deines Gesichts bewusst warst.

 
   
1593.
      Ein Zusammenhang zwischen den Stimmungen in Sinneseindruecken ist, daß wir die Stimmungsbegriffe zur Beschreibung von Sinneseindruecken und Vorstellungen benuetzen. Wir sagen von einem Thema, einer Landschaft, sie seien traurig, froehlich, etc. Aber viel wichtiger ist es natuerlich, daß wir das menschliche Gesicht, die Handlung, das Benehmen, durch alle Stimmungsbegriffe beschreiben.

 
   
1594.
      Das Bewusstsein in der Andern Gesicht. Schau ins Gesicht des Andern und sieh das Bewusstsein in ihm und einen bestimmten Bewusstseinston. Du siehst auf ihm, in ihm, Freude, Gleichgueltigkeit, Interesse, Ruehrung, Dumpfheit, usf. Das Licht im
–408–
Gesicht des Andern.
      Schaust Du in Dich, um den Grimm in seinem Gesicht zu erkennen? Er ist dort so deutlich, wie in Deiner eigenen Brust.
      (Und was will man nun sagen? Daß das Gesicht des Andern mich zur Nachahmung anregt, und daß ich also k[el|le]ine Bewegungen und Muskelspannungen im eigenen empfinde, und die Summe dieser meine? Unsinn. Unsinn, – denn Du machst Annahmen, statt bloss zu beschreiben. Wem hier Erklaerungen im Kopfe spuken, der vernachlaessigt es, sich auf die wichtigsten Tatsachen z[y|u] besinnen.)

 
   
1595.
      Das Wissen,
das Glauben
die Meinung
haben keinen Gesichtsausdruck. Es gibt wohl einen Ton, eine Gebaerde der Ueberzeugung, aber nur, wenn etwas in diesem Ton, mit dieser Gebaerde, gesagt wird.

 
   
1596.
      “Das Bewusstsein ist so deutlich in seinem Gesicht und Benehmen, wie in mir selbst.”

 
   
1597.
      Was hiesse es, mich darin irren, daß er eine Seele, Bewusstsein, habe? und was hiesse es, daß ich mich irre und selbst keines habe? Was hiesse es, zu sagen “Ich bin nicht bei Bewusstsein.” – – Aber weiss ich nicht doch, daß Bewusstsein in mir ist? – So weiss ich's also, und doch hat die Aussage, es sei so, keinen Zweck?
      Und wie merkwuerdig, daß man lernen kann, sich in dieser Sache mit andern Leuten zu vers[at|ta]endigen!

 
   
1598.
      Einer kann sich bewusstlos stellen; aber auch bewusst?

 
   
1599.
      Wie waere es, wenn mir jemand allen Ernstes sagte, er wisse wirklich nicht, ob er traeume oder wache? –
      Kann es diese Situation geben: Einer sagt “Ich glaube, ich traeume jetzt”; wirklich wacht er bald
danach
darauf
auf, erinnert sich an jene Aeusserung im Traum und sagt “So hatte ich
also
wirklich
recht!” – – Diese Erzaehlung kann doch nur heissen: Einer habe getraeumt, er haette gesagt, er traeume.
–409–

      Denke, ein Bewusstloser sagte (etwa in der Narkose) “Ich bin ˇim Bewusstsein” – wuerden wir sagen “Er muss es wissen”?
      Und wenn Einer im Schlaf spraeche “Ich schlafe”, – wuerden wir sagen “Er hat ganz recht”?
1600.

      Spricht Einer die Unwahrheit, der mir sagt: “Ich bin nicht bei Be[uw|wu]sstsein”? (Und die Wahrheit, wenn er's bewusstlos sagt? Und wie, wenn ein Papagei sagte “Ich verstehe kein Wort”, oder ein Grammophon “Ich bin bloss eine Maschine”?)

 
   
1600.
      Denke, in einem Tagtraum liesse ich mich sprechen “Ich phantasiere bloss”, waere das wahr? Denke, ich schreibe so eine Phantasie, oder Erzaehlung, einen [fa|ph]antasierten Dialog, und in ihm sage ich “Ich phantasiere” – – aber, wenn ich es aufschreibe, – wie zeigt sich's daß diese Worte Worte der Phantasie sind und daß ich nicht aus der Phantasie herausgetreten bin?
      Waere es nicht wirklich moeglich, daß der Traeumende, sozusagen aus dem Traum heraustretend, im Schlaf spraeche “Ich traeume”? Es waere wohl denkbar, daß so ein Sprachspiel existierte.
      Dies haengt mit dem Problem des ‘Meinens’ zusammen. Denn ich kann im Dialog schreiben “Ich bin gesund” und es nicht meinen, obwohl es wahr ist. Die Worte gehoeren zu diesem und nicht zu jenem Sprachspiel.

 
   
1601.
      ‘Wahr’ und ‘Falsch’ im Traum. Ich traeume, daß es regnet und daß ich sage “Es regnet” – – anderseits: Ich traeume, daß ich sage “Ich traeume”.

 
   
1602.
      Hat das
Wort
Verbum
“traeumen” eine Gegenwartsform? Wie lernt dieser der Mensch gebrauchen?

 
   
1603.
      Ein Sprachspiel analog einem Fragment eines andern. Ein Raum in begrenzte Stuecke eines Raums proj[e|i]ziert.

 
   
1604.
      Angenommen, ich hätte eine Erfahrung, aehnlich einem Erwachen, befaende mich dann in einer ganz andern Umgebung, mit
–410–
Leuten, die mich versiche[e|r]n, ich habe geschlafen. Angenommen ferner, ich bliebe dabei, ich habe nicht getraeumt, sondern auf irgendeine Weise ausser meinem schlafenden ausserhalb meines Koerper Koerpers gelebt. Welche Funktion hat diese Behauptung?

 
   
1605.
      “‘Ich habe Bewusstsein’, das ist eine Aussage, an der kein Zweifel moeglich ist.” Warum soll das nicht das Gleiche sagen wie dies: “‘Ich habe Bewusstsein’ ist kein Satz”?
      Man koennte auch so sagen: Was schadet es, daß [e|E]iner sagt, “Ich habe Bewusstsein” sei eine Aussage, die keinen Zweifel zulasse? Wie komme ich mit ihm in Widerspruch? Nimm an, jemand sagte mir dies, – warum soll ich mich nicht gewoehnen, ihn nichts darauf zu antworten, statt etwa einen Streit anzufangen? Warum soll ich seine Worte nicht behandeln, wie sein Pfeifen oder Summen?

 
   
1606.
      “Nichts ist so gewiss, wie, daß mir Bewusstsein eignet.” War[j|u]m soll ich es dann nicht auf sich beruhen lassen? Diese Gewissheit wie eine grosse Kraft, deren Angriffspunkt sich nicht bewegt, die also keine Arbeit leistet.

 
   
1607.
      Einer wirft im Wuerfelspiel etwa 5, dann 4 und sagt “Haette ich bloss statt der 5 eine 4 geworfen, so haette ich gewonnen”! Die Bedingtheit ist nicht physikalisch, sondern nur mathematisch, denn man koennte antworten: “Haettest Du zu erst 4 geworten, – wer weiss, was Du danach geworfen haettest!”

 
   
1608.
      Sagst Du nun “Die Verwendung des Konjuntivs beruht auf dem Glauben an ein Naturgesetzt” – so kann man entgegenen: “Sieh beruht nicht auf diesem Glauben; sie und dieser Glaube stehen auf gleicher Stufe.”

 
   
1609.
      Das Schicksal steht im Gegensatz zum Naturgesetz. Das Naturgesetz will man ergruenden, und verwenden, das Schicksal nicht.
–411–


 
   
1610.
      Der Begriff des ‘Fragments’. Es ist nicht leicht, die Verwendung dieses Worts auch nur beilaeufig zu beschreiben.

 
   
1611.
      Wenn wir den Gebrauch eines Wortes beschreiben wollen, – ist es nicht aehnlich, wie wenn man ein Gesicht portraetieren will? Ich sehe es deutlich; der Ausdruck dieser Zuege ist mir wohl bekannt; und sollte ich's malen, ich wuesste nicht, wo anfangen. Und mache ich wirklich ein Bild, so ist es gaenzlich
inadequat.
unzulaenglich.
– Haette ich eine Beschreibung vor mir, ich wuerde sie erkennen; vielleicht auch Fehler in ihr merken. Aber, daß ich das kann, sagt nicht, daß ich die Beschreibung selber haette geben koennen.

 
   
1612.
      Zwei Gegenstaende ‘gehoeren zusammen’. Man lehrt ein Kind, Dinge ‘ordnen’, man begleitet die Taetigkeit mit den Worten “Diese gehoeren zusammen”. Das Kind lernt diesen Ausdruck auch. Es koennte die Dinge auch mit Hilfe dieser Worte und gewisser Gebaerden ordnen. Die Worte koennen aber auch blosse Begleitung sein des Tuns sein. Ein Sprachspiel.
1613.

      Denk Dir ein solches Spiel ohne Worte, aber mit der Begleitung einer zu den Handlungen passenden Musik gespielt // einer die Handlungen illustrierenden Musik gespielt. //

 
   
1613.
      “Leg es hier hin” – wobei ich mit dem Finger den Platz bezeichne – – dies ist eine absolute Ortsangabe. Und, wer sagt, der Raum sei absolut, moechte als Argument dafuer sagen // vorbringen // : “Es gibt doch einen Ort: Hier.”

 
   
1614.
      Das ‘Erleben der Aehnlichkeit’. Denke an das Sprachspiel: “Aehnlichkeiten erkennen”, oder “Aehnlichkeiten angeben”, oder “Dinge nach ihrer Aehnlichkeit ordnen”. Wo ist hier das besondere Erlebnis? der besondere Erlebnisinhalt, nach dem man fahndet?
–412–


 
   
1615.
      Die Dauer der Empfindung. Vergleiche die Dauer einer Tonempfindung mit der Dauer der Tastempfindung, die Dich lehrt, dass Du eine Kugel in der Hand haeltst; und mit dem “Gefuehl”, das Dich lehrt, daß Deine Kniee gebogen sind. Und hier haben wir wieder einen Grund, warum wir von der Empfindung der Positur sagen moechten, sie habe keinen Inhalt.

 
   
1616.
      Philosophische Untersuchungen: begriffliche Untersuchungen. Das Wesentliche der Metaphysik: daß ihr der Unterschied zwischen sachlichen und begrifflichen Untersuchungen nicht klar ist. Die metaphysische Frage immer dem Anscheine nach eine sachliche, obschon das Problem ein Begriffliches ist.

 
   
1617.
      Was aber tut eine begriffliche Untersuchung? Ist sie eine der Naturgeschichte der menschlichen Begriffe? – Nun, Naturgeschichte beschreibt, sagen wir, Pflanzen und Tiere. Aber koennte es nicht sein, daß Pflanzen in allen Einzelheiten beschrieben worden waeren, und nun erst jemand daherkaeme, der Analogie[r|n] in ihrem Baue sieht, die man frueher nicht gesehen hatte? Daß er also einer neue Ordnung in diesen Beschreibungen herstellt. Er sagt z.B.: “Vergleiche nicht diesen Teil mit diesem; sondern vielmehr mit jenem![;| ] (Goethe wollte so etwas tun.) und dabei spricht er nicht notwendigerweise von Abstammung; dennoch aber koennte die neue Anordnung auch der wissensschaftlichen Untersuchung eine neue Richtung geben. Er sagt “Sieh es so an!” – und das kann nun verschiedenerlei Vorteile und Folgen haben. // Verschiedenerlei Folgen haben. //

 
   
1618.
      Warum zaehlen wir? Hat es sich als praktisch erwiesen? Haben wir unsere Begriffe, z.B. die psychologischen, weil es vorteilhaft ist? – // weil es sich als vorteilhaft erwiesen hat? – // Und doch haben wir gewisse Begriffe eben deswegen, haben sie deswegen eingefuehrt.
–413–


 
   
1619.
16       Man sollte nicht glauben, es sei eine Vereinfachung, das Sehen mit einem Auge in Betracht zu ziehen, statt des Sehens mit beiden Augen; wenn man naemlich darueber klar ist, daß man das Sehen nicht in de[m|n] Augen speuhrt spuert. Die Idee des visuellen Gegenstands ist viel schwerer fuer das zweiaeugige Sehen durchzufuehren. Denn was ist das zweiaeugige ‘Gesichtsbild’?
      ‘Das Portrait dessen, was man wirklich sieht’ ‘des visuellen Eindrucks selbst’.

 
   
1620.
      Es kommt einem vor: Wenn ich nur die rechten Farben und Dinge zur Verfuegung haette, koennte ich genau darstellen, was ich sehe. Und so ist es ja bis zu einem Punkt wirklich. Und jener Bericht und die Beschreibung dessen, was ich vor mir dessen, was ich vor mir habe, und die Beschreibung dessen, was ich sehe, haben die gleiche Form. – Aber sie lassen z.B. ganz das Wandern des Blicks aus. Aber auch z.B. das Lesen einer Schrift im Gesichtsfeld und jedem Aspekt des Gesehenen.

 
   
1621.
      Ist nun, was Du anschaust, eine grosse Tafel, oder ebene Wand mit einer Figur darauf, so wird als eine genaue Beschreibung ein Bild dieser Figur gelten koennen. Ist die Figur z.B. F, was kann man mehr wollen, als daß sie genau abgezeichnet wird; und doch gibt es noch eine ganz andere Beschreibung, die in dem Abze[ci|ic]hnen nicht steckt. So auch, wenn die Figur ein Gesicht ist.

 
   
1622.
      Was in einem Sinne eine geringe Ungenauigkeit der Beschreibung ist, ist in einem andern Sinne eine grosse.

 
   
1623.
      Aktiv und [p|P]assiv. Kann man es befehlen, oder nicht? Dies scheint vielleicht eine weithergeholte Unterscheidung, ist es aber nicht. Es ist aehnlich wie: “Kann man sich (logische Moeglichkeit) dazu entschliessen, oder nicht?” – Und das heisst: Wie ist es von Gedanken, Gefuehlen, etc. umgeben?

 
   
[2|1]624.
      Wie wuerde eine menschliche Gesellschaft von lauter tauben Menschen aussehen? Wie, eine Gesellschaft von ‘Geistesschwachen’?
–414–
Wichtige Frage! Wie, also, eine Gesellschaft, die viele unserer gewoehnlichen Sprachspiele nie spielte?

 
   
1625.
      Sich einer Gleichheit von Farben in einem Bild bewusst sein, oder dessen, daß diese Farbe dunkler ist als jene.
      Bin ich mir beim Hoeren dieses Stuecks die ganze Zeit bewusst, daß es von .... ist?
      Wann ist man sich einer Tatsache bewusst?

 
   
1626.
      Liebe ist kein Gefuehl. Liebe wird erprobt, Schmerzen nicht.

 
   
1627.
      Ich sehe etwas in verschiedenen Zusammenhaengen.
      (Ist dies dem Vorstellen nicht verwandter als dem Sehen?)

 
   
1628.
      Es ist, als haette man an das Gesehene einen Begriff herangebracht, den man nun mitsieht. Der zwar selbst kaum sichtbar ist, aber doch einen ordnenden Schleier ueber die Gegenstaende breitet.

 
   
1629.
      “Was siehst Du?” (Sprachspiel) – – “Was siehst Du wirklich?”

 
   
1630.
      Stellen wir uns das Sehen raetselhaft vor! ohne jederle[y|i] physiologische Erklaerung. –

 
   
1631.
      Auf die Frage “Was siehst Du?” kommen verschiedenerlei Beschreibungen zur Antwort. – Wenn Einer nun sagt: “Ich sehe doch den Aspekt, die Organisation, ebenso gut wie Formen und Farben” – was soll es heissen? Daß man das alles zum ‘Sehen’ rechnet? oder, daß hier doch die groesste Aehnlichkeit besteht? – Und was kann ich dazu sagen? Ich kann Aehnlichkeiten und Unaehnlichkeiten aufzeigen.

 
   
1632.
      Koennte man es nicht fuer Wahnsinn halten, wenn ein Mensch eine Zeichnung als Portrait des N.N. erkennt und ausruft “Das ist Her N.N.!” – “Er muss verrueckt sein”, sagt man von ihm,
–415–
“Er sieht ein Stueck Papier mit schwarzen Strichen darauf und haelt das fuer einen Menschen![;| ]

 
   
1633.
      Das ‘Sehen der Figur als ....’ hat etwas Okultes, etwas Unbegreifliches. Man moechte sagen: “Es hat sich etwas geaendert und es hat sich nichts geaendert.” – – Aber versuche es nicht zu erklaeren! Betrachte lieber das uebrige Sehen auch als Okult.

 
   
1634.
      Der Ausdruck jener Erfahrung ist und bleibt: “Ich sehe es als Berg”, “Ich sehe es als Keil”, “Ich sehe es mit dieser Basis und dieser Spitze, aber umgefallen”, etc. Und die Woerter “Berg”, “Keil”, “Basis”, “umgefallen”, sind ja auch nur Striche, oder Laute – mit einer Verwendung.

 
   
1635.
      Denk an eine Darstellung eines Gesichts von vorn und im Profil zugleich wie in manchen modernen Bildern. Eine Darstellung in die eine Bewegung, eine Aenderung, ein Schweifen des Blicks miteinbezogen ist. Stellt so ein Bild das, was man sieht, nicht eigentlich dar?

 
   
1636.
      “Ich verzeihe Dir.” Kann man sagen “Ich bin damit beschaeftigt, Dir zu ver[s|z]eihen”? Nein. Aber das heisst nicht, daß es nicht einen Vorgang gibt, den man auch “verzeihen” nennen koennte – aber nicht so nennt – ich meine, das Austragen des innern Streites der zum Verzeihen fuehren kann.

 
   
[2|1]637.
      Ich moechte sagen: Es gibt Aspekte, die hauptsaechlich von Gedanken und Assoziationen bestimmt sind, und andere, die ‘rein optisch’ sind, und automatisch eintreten und wechseln, beinahe wie Nachbilder.

 
   
1638.
      Das, was Koehler nicht behandelt ist die Tatsache, daß man die Figur so oder so ansehen kann, daß der Aspekt, wenigstens bis zu einem ge[iw|wi]ssen Grade, dem Willen untersteht.
416.
 
   
1639.
      Ich kann auf den Verlauf meiner Schmerzen achten; aber nicht ebenso auf den meines Glaubens, oder Wissens.


 
   
1640.
      Das Beobachten der Dauer kann ununterbrochen, oder unterbrochen sein.
      Wie beobachtest Du Dein Wissen, Deine Meinungen? und andererseits, ein Nachbild, einen Schmerz? Gibt es ein ununterbrochenes Beobachten meiner Faehigkeit, die Multiplikation .... auszufuehren?


 
   
1641.
      ((Zu Nr 1638)) Das koennte man daraus erklaeren, dass der Aspekt mit der Augenbewegung zusammenhaengt.


 
   
1642.
      Analogie zum Gegensatz von ‘Wert’ und ‘Grenzwert’ einer Funktion. ((wichtig))


 
   
1643.
      Dass der Aspekt dem Willen untersteht, ist nicht eine, seinem Wesen selbst nicht beruehrende, Tatsache. Denn wie waere es, wenn wir Dinge willkuerlich rot oder gruen sehen koennten? Wie wuerde man dann die Woerter “rot” und “gruen” anwenden lernen? Es gaebe dann vor allem nicht einen ‘roten Gegenstand’, hoechstens einen, den man leichter rot als gruen sieht.


 
   
1644.
      Ist nicht, was Koehler sagt, ungefaehr: “Man koennte etwas nicht fuer das oder das halten, wenn man es nicht als das oder das sehen koennte”? Beginnt ein Kind damit, etwas so oder so zu sehen, ehe es lernt, es fuer das oder das zu halten? Lernt es zuerst die Frage beantworten “Wie siehst Du das?” und dann
417.
erst “Was ist das?” –


 
   
1645.
      Kann man sagen, es muss imstande sein, den Sessel visuell als
Ding
Ganzes
aufzufassen, um ihn als Ding erkennen zu koennen? – Fasse ich jenen Sessel visuell als Ding auf, und welche meiner Reaktionen zeigen das? Welche Reaktionen eines Menschen zeigen, dass er etwas als Ding erkennt, und welche, dass er etwas als ein Ganzes, dinglich, sieht?


 
   
1646.
      Man koennte es sich so vorstellen: Man prueft, in welcher Weise ein Kind ebene Figuren abbildet, wenn man es keine Abbildungsart gelehrt hat, und wenn es raeumliche Gegenstaende noch nie gesehen hat.


 
   
1647.
      Ich lerne beschreiben, was ich sehe; und da lerne ich alle moeglichen Sprachspiele. –


 
   
1648.
      Nicht “Wie kann ich, was ich sehe, beschreiben?” – sondern: “Was nennt man ‘Beschreibung des Gesehenen’?”
      Und die Antwort auf diese Frage ist: Sehr Verschiedenes.”


 
   
1649.
      Koehler sagt, nur sehr wenige Menschen saehen von selbst die Ziffer 4 in der Zeichnung und das ist gewiss wahr. Wie unterschiede sich nun ein Mensch von den normalen Menschen, der in seiner Beschreibung ebener Figuren, oder wenn er sie kopiert, darin radikal von der Norm abweicht, dass er beim Kopieren und Beschreiben andere ‘Einheiten’ verwendet? D.h., wie wird
418.
sich dieser auch noch in anderen Dingen von den normalen Menschen unterscheiden?


 
   
1650.
      Ein Mensch koennte hohe zeichnerische Begabung haben, ich meine die Begabung, Gegenstaende, ein Zimmer z.B., sehr genau abzuzeichnen, und koennte dabei doch immer wieder kleine Fehler gegen den Sinn machen; so dass man sagen koennte, “Er fasst einen Gegenstand nicht als Gegenstand auf”. Er wuerde z.B. nie einen Fehler machen, wie de[r|n] des Maler Klecksel, der zwei Augen im Profil malt. Sein Wissen wuerde ihn verfuehren.


 
   
1651.
      Der verfueh[e|r]erische Begriff ist: “die vollstaendige Beschreibung dessen, was man sieht”.


 
   
1652.
      Eliminiere Dir immer das private Objekt, indem Du annimmst: Es aendere sich fortwaehrend; Du merkst es aber nicht, weil Dich Dein Gedaechtnis fortwaehrend taeuscht.


 
   
1653.
      “Wer etwas sieht, sieht irgendetwas Bestimmtes” – aber das heisst eben nichts.
      Es ist, als wollte man sagen: Wenn auch keine Darstellung dem Gesichtseindruck gleicht, so gleicht er doch sich selber.


 
   
1654.
      Es koennte doch Einer auf die Frage “Was siehst Du hier?” die Figur richtig nachzeichnen, auf die Frage aber “Siehst Du eine 4” mit Nein antworten, obwohl er sie doch selbst beim Nachzeichnen gebildet hat.


419.
 
   
1655.
      Was teile ich dem mit, dem ich die Mitteilung mache, ich sehe das Ornament jetzt so? (Seltsame Frage.) – Das heisst doch: “In welchem Sprachspiele findet dieser Satz Verwendung?” – “Was fangen wir mit diesem Satz an?”


 
   
1656.
      Nehmen wir an, gewisse Aspekte waeren durch die Augenbewegung erklaerbar: Dann moechte man sagen, diese waeren rein optischer Natur; und es muesste also fuer sie eine Beschreibung geben, die sich nicht der Analogien aus anderen Gebieten bedienen muesste. Dann muesste man also den Befehl “Sieh dies als ....!” durch den ersetzen koennen: “Lass den Blick so und so wandern”, oder einen aehnlichen.


 
   
1657[
1
2
|.]
      Aber es ist eben nicht wahr, dass eine Erfahrung, die nachweisbar mit der Augenbewegung zusammenhaengt, von ihr erzeugt werden kann, darum durch eine Folge von Gesichtsbildern beschrieben werden kann.
      (Etwa so wenig, wie der, welcher sich einen Ton vorstellt, sich eine Folge von Luftstoessen vorstellt.)


 
   
1658[
1
2
|.]
      Halte die Zeichnung eines Gesichts verkehrt und Du [l|k]annst den Ausdruck des Gesichts nicht erkennen. Vielleicht kannst Du auch sehen, dass es lacht, aber doch nicht genau, wie es lacht. Du koenntest das Lachen nicht nachahmen, oder seinen Charakter genauer beschreiben.
      Und doch kann das umgekehrte Bild den Gegenstand hoechst genau darstellen.
420.
 
   
1659.
      Man muss da bedenken, dass das so-Sehen eine aehnliche Wirkung haben wie kann wie ein Veraendern des Gesehenen, z.B. durch ein Setzen von Klammern, ein Unterstreichen, Zusammenfassen auf die oder jene Art, etc., und dass das so-Sehen in dieser Weise wieder mit dem Vorstellen Aehnlichkeit hat.
      Niemand wird doch leugnen, dass ein Unterstreichen, ein Setzen von Klammern, dem Erkennen einer Aehnlichkeit guenstig sein kann.


 
   
1660.
      Es ist doch klar, dass nur der, welcher das doppeldeutige Bild als Hasen sieht, den Gesichtsausdruck des Hasen wird nachahmen koennen. Sieht er das Bild also auf diese Weise, so wird ihm dies ermoeglichen eine gewisse Aehnlichkeit zu beurteilen.


 
   
1661.
      Man wird auch gewisse Dimensionen nur dann richtig schaetzen, wenn man das Bild auf diese Weise sieht.


 
   
1662.
      Bedenke, dass man sagen kann: “Du musst diese Melodie so hoeren, und dann auch entsprechend spielen.”


 
   
1663.
      Koennte es nicht Menschen geben, die nicht im Kopf rechnen und nicht leise lesen lernen koennen, dabei aber sonst intelligente Menschen waeren und in keinem Sinne ‘schwachsinnig’?


 
   
1664.
      Es ist kein Zweifel, dass man einen Aspekt oft durch eine Augenbewegung, durch eine Bewegung des Blicks, hervorruft.
421.
 
   
1665.
      Aber wie seltsam! moechte man sagen – wenn man eine Art der Zusammensetzung entdecken kann, – wie ist es moeglich, sie auch zu sehen! – – Wie ist es moeglich, mit einem Schlage zu wissen, was man sagen will? Ist dies nicht ebenso merkwuerdig?


 
   
1666.
      Ist denn die Erscheinung des Aspekts seltsamer, als meine Erinnerung an eine bestimmte wirkliche Person, von der ich ein Erinnerungsbild habe? Ja, es ist sogar eine Aehn[;|l]ichkeit zwischen beiden. Denn man fragt sich auch hier: Wie ist es moeglich, dass ich vo[m|n] ihm ein Vorstellungsbild habe und es keinen Zweifel daran gibt, dass es sein Bild sei?


 
   
1667.
      Die Philosophie loest ein Problem oft nur, indem sie sagt[;| :] Hier ist so wenig eine Schwierigkeit, wie da.
      Nur also, indem sie ein Problem heraufbeschwoert, wo frueher keines war.
      Sie sagt: “Ist es nicht ebenso merkwuerdig, dass ....” und laesst es
damit
dabei
bewenden.


 
   
1668.
      Wie befolgt man den Befehl “Stell Dir Herrn N vor!”? Wie weiss man, dass der Befehl befolgt wurde? Wie weiss Einer, dass er ihn befolgt hat? Wozu ist der Zustand der Vorstellung hier nuetze? – Ich will sagen, es verhalte sich aehnlich beim Sehen eines Aspekts.


 
   
1669.
      Ich sehe es (das Schachbrett) jetzt so. Es ist, als haettest Du mir diese schematische Zeichnung gegeben. Z.B.
422.
Die Figur als welche als welche ich die andere sehe, ist doch nicht eindeutig bestimmt.


 
   
1670.
      Denk Dir ein Dreieck im Film um den Punkt schwingend dargestellt und dann stehen bleibend. Und nun koennte es sein, als wirke diese zeitliche Umgebung noch im Bilde des zur Ruhe gekommenen Dreiecks.
      “Haengend” moechte ich sagen. Aber entspricht dem nichts? Doch gewiss! Aber das heisst nur, dass ich nicht luege, und dass der Ausdruck des Aspekts eine Verwendung hat. “Welche Anwendung?!” musst Du Dich immer fragen.


 
   
1671.
      Man koennte die Sc[j|h]achbrettzeichnung als Werkzeichnung betrachten, nach welcher Stuecke herzustellen sind, die das Schachbrett ergeben. Man kann diese Zeichnung nun auf verschiedene Weise verwenden; und man kann sie auch auf verschiedene Weise, solchen Verwendungen entsprechend, sehen.


 
   
1672.
      Denke, man erklaerte das so, dass der Aspekt durch verschiedene, dem visuellen Bild superpronierte Vorstellungen und Erinnerungen entstehe. Natuerlich interessiert mich diese Erklaerung nicht als Erklaerung, sondern als logische Moeglichkeit, also begrifflich (mathematisch).


 
   
1673.
      “Das Gruene, was ich dort sehe, ist blatthaft. Diese Dinge dort augenhaft.” (Welche Dinge sind es?)
423.
1674.

      Wie kann etwas das Bild



 
   
1674.
      Es scheint hier das Objekt des Sehens zu sein, was nicht Objekt des Sehens
werden
sein
kann. Als sagte man, man sehe Toene. (Aber man sagt ja wirklich, man sehe einen Vokal gelb, oder braun.)


 
   
1675.
      Wie koennte denn Association ein Dauerzustand sein? Wie koennte ich denn fuenf Minuten lang diese Art von Gegenstand mit diesen Linien associieren?


 
   
167[5|6].
      Was ueberzeugt mich denn, dass der Andere ein gewoehnliches Bild dreidimensional sieht? – Dass er's sagt? Unsinn – – [w|W]ie weiss ich denn, was er mit dieser Versicherung meint?
      Nun, dass er sich darin auskennt; die Ausdruecke auf das Bild verwendet, die er auf den Raum anwendet; sich vor einem Landschaftsbild benimmt, wie vor einer Landschaft, etc. etc.


 
   
1677.
      Ich kann von ihm nie wissen, ob er wirklich sieht. Nun, dann kann ich's von mir natuerlich auch nicht wissen. Denn wie weiss ich, dass ich jetzt das Gleiche so nenne, wie frueher, und dass ich das Gleiche “gleich” nenne?


 
   
1678.
      Nun, wie sieht es alles in der dritten Person aus? Und was fuer die dritte Person gilt, gilt dann, so seltsam das scheinen mag, auch fuer die erste.


 
   
1679[
1
2
|.]
      Denk Dir eine physiologische Erklaerung dafuer, dass ich eines (A) als Variation des Ander andern (B) sehe. Es koennte sich
424.
zeigen, dass, wenn ich A als B sehe, auf meiner Retina gewisse Vorgaenge stattfinden, die sich sonst zeigen, wenn ich wirklich B sehe. Und dies koennte nun manches in meinem Benehmen erklaeren. Man koennte z.B. sagen, dass ich mich darum beim Anblick von A benehme, als saehe ich B, wie ich's gewoehnlich nicht tue, wenn ich A nicht als B sehe. Aber diese Erklaerung meines Benehmens ist fuer uns ueberfluessig. Ich nehme das Benehmen eben so hin, wie einen Vorgang auf der Retina, oder im Gehirn.
      Ich will sagen: Die physiologische Erklaerung ist zuerst scheinbar eine Hilfe, zeigt sich aber dann gleich als blosser Katalysator der Gedanken. Ich fuehre sie nur ein, um sie gleich wieder los zu werden.


 
   
1680.
      Denk nur ja nicht, Du wuesstest im Vorhinein, was
Bewusstseinszustand”
“Zustand des Sehens”
in diesem Falle bedeutet! Lass Dich die Bedeutung durch de[h|n] Gebrauch // vom Gebrauch // lehren.


 
   
1681.
      Haette ich mir das Phaenomen der Vorstellung erklaeren koennen[?|,] wenn mir gesagt worden waere;: es saehe Einer mit offenen Augen etwas, was nicht vor ihm ist, und zugleich
auch
doch
, was vor ihm ist, und es waeren die beiden Gesichtsobjekte einander nicht im Wege?!


 
   
1682.
      Und es waere nun natuerlich ganz falsch, zu sagen: “Und doch geschieht das Seltsame” oder “das Unglaubliche”. Vielmehr ist eben, was geschieht, nicht seltsam und nur falsch als Seltsames gesehen.
425.
 
   
1683.
      Die alte Ansicht von der Rolle der Anschauung in der Mathematik. Ist diese Anschauung eben das Sehen der Komplexe in verschiedenen Aspekten?


 
   
1684.
      Muss man unter den Aspekten nicht rein optische von andern unterscheiden?
      Dass sie
von einander
untereinander
sehr verschieden sind, ist klar: Es tritt z.B. in ihre Beschreibung manchmal die Tiefendimension ein, manchmal nicht; manchmal ist der Aspekt eine bestimmte ‘Gruppierung’, wenn man aber Striche als Gesicht sieht, so hat man sie nicht nur visuell zu einer Gruppe zusammengefasst; man kann die schematische Zeichnung eines Wuerfels als offene Kiste, oder als soliden Koerper sehen, auf der Seite liegend, oder stehend; die Figur kann nicht nur auf zwei, sondern auf sehr viele
16
verschiedene Arten gesehen werden.


 
   
1685.
      Man haengt Bilder, Photographien auf von Landschaften, Innenraeumen, Menschen, und betrachtet sie nicht, wie Werkzei[v|c]hnungen. Man liebt, sie anzusehen, wie die Gegenstaende selbst; man laechelt die Photographie an wie den Menschen, den sie zeigt. Wir lernen nicht, eine Photographie verstehen, wie eine Blaupause. – Es waere freilich moeglich, dass wir eine Abbildungsart erst mit Muehe verstehen lernen muessen, um sie spaeter als natuerliches Bild gebrauchen zu koennen. Dies muehsame Lernen waere spaeter nur noch Geschichte, und das Bild wuerden wir nun ebenso betrachten, wie jetzt unsere Photographie.
426.
 
   
1686.
      Es koennte doch auch Menschen geben, die [p|P]hotographieren nicht, wie wir, verstuenden, saehen; die zwar verstuenden, dass auf diese Weise ein Mensch dargestellt werden kann, die seine Formen auch ungefa[h|e][e|h]r nach einer Photographie beurteilen koennten, die aber das Bild doch nicht als Bild saehen. Wie wuerde sich das aeussern? Was wuerden wir als Aeusserung dessen betrachten?? Das ist vielleicht nicht leicht zu sagen.
      Diese Leute haetten vielleicht nicht Freude an Photographien wie wir. Sie wuerden nicht sagen, “Schau, wie er laechelt!” und dergleichen; sie wuerden eine Person oft nicht gleich nach dem Bild erkennen; muessten die Photographie lesen lernen und lesen; sie haetten Schwierigkeiten, zwei gute Aufnahmen desselben Gesichts als Bilder etwas verschiedener Stellungen zu erkennen.


 
   
1687.
      Wenn mir Einer sagte, er habe die Figur eine halbe Stunde lang ohne Unterbrechung als umgekehrtes F gesehen, so muesste ich annehmen, er habe fortwaehrend an diese Interpretation gedacht, sich damit beschaeftigt.


 
   
1688.
      Es ist, als waere der Aspekt etwas, was nur aufleuch[y|t]et, aber nicht stehen bleibt; [U|u]nd doch muss dies eine begriffliche Bemerkung sein, keine psychologische.


 
   
[;|1]689.
      Beim Umschnappen des Aspekts erlebt man die zweite Phase in akuter Weise (entsprechend etwa dem Aus[f|r]uf “Ach, es ist ein ....!” und hier beschaeftigt man sich ja mit dem Aspekt. Im
427.
chronischen Sinne ist er nur die Art und Weise, wie wir die Figur wieder und wieder behandeln.


 
   
1690.
      ‘Ding’ und ‘Hintergrund’ sind visuelle Begriffe, wie rot und rund – will Koehler sagen. Die Beschreibung des Ges Gesehenen schliesst die Angabe, was Ding und was Hintergrund ist, nicht weniger ein, als die Angabe der Farbe und der Form. Und die Beschreibung ist ebenso unvollstaendig, wenn nicht gesagt wird, was Ding, was Grund ist, wie sie es ist, wenn Farbe oder Form nicht angegeben wurden. Ich sehe das eine ebenso unmittelbar, wie das andere – will
man
er
sagen. Und was ist dagegen einzuwenden? Zuerst: wie sich das erkennen laesst, – ob durch Introspektion, und ob Alle darin uebereinstimmen muessen. Denn es handelt sich offenbar um die Beschreibung des subjektiv Gesehenen. Aber wie lernt man nur, das Subjektive durch Worte wiedergeben? Und was koennen uns diese Worte bedeuten?
      Denk, statt um Worte handelte sich's um zeichnerische Wiederga[v|b]e; und den Woertern “dinglich” und dergleichen entspraeche in dieser Wiedergabe die Reihenfolge, Ordnung, in der wir die Zeichnung anfertigen. (Ich nehme an, [d|w]ir koennten ausserordentlich rasch zeichnen.) Und nun sagte jemand: “Zur Darstellung des Gesehenen gehoert die Reihenfolge ebenso, wie Farben und Formen.” – Was hiesse das?
      Man kann wohl sagen: Es gibt Gruende, zum zeichnerischen Beschreiben des Gesehenen nicht nur das gezeichnete Bild, sondern auch die Phrasierung beim Zeichnen zu rechnen. Es gehoerten diese Reaktionen des Beschreibenden irgendwie zusammen. In gewisser Be-
428.
ziehung gehoeren sie zusammen, in anderer nicht.


 
   
1691.
      Denkt man an Stroeme in der Netzhaut (oder dergleichen), so moechte man sagen: “Also ist der Aspekt so gut, ‘gesehen’, wie Form und Farbe.” Aber wie konnte uns denn so eine Hypothese zu dieser Ueberzeugung helfen? Nun, sie kommt der Tendenz entgegen, hier zu sagen, wir saehen zwei verschiedene Gebilde. Aber diese Tendenz, wenn sie zu begruenden ist, muss ihren Grund woanders haben.


 
   
1692.
      Der Ausdruck des Aspekts ist der Ausdruck einer Auffassung (also einer Behandlungsweise, einer Technik); aber gebraucht als Beschreibung eines Zustands.


 
   
1693.
      Wenn es scheint, es waere fuer eine solche logische Form kein Platz, so musst Du sie in einer andern Dimension aufsuchen. Wenn hier kein Platz ist, so ist er eben in einer andern Dimension. // Wenn es scheint, es waere fuer soe eine Form zwischen den andern Formen doch kein Platz, so musst Du sie … //


 
   
1694.
      In diesem Sinne ist auch auf der Zahlenlinie nicht fuer imaginaere Zahlen Platz. Und das heisst doch: Die Anwendung eines imaginaeren Zahlbegriffs ist grundverschieden von der einer Anzahl etwa; // von der des Begriffs der Anzahl etwa; // verschiedener, als die mathematischen Operationen allein es offenbaren. Man muss also, um Platz fuer sie zu gewinnen, zu ihrer Anwendung hinuntersteigen und dann finden sie einen, sozusagen ungeahnt verschiedenen
429.
Platz.


 
   
1695.
      Wenn diese Konstellation fuer mich stets und staendig ein Gesicht ist, dann habe ich damit kein keinen Aspekt bezeichnet. Denn das hiesse, dass ich ihr immer als Gesicht begegne, sie als Gesicht behandle; waehrend das Eigentuemliche des Aspekts ist, dass ich etwas in ein Bild hineinsehe. So dass man sagen koennte; : ich sehe etwas, was garnicht da ist, was nicht in der Figur liegt, so dass es mich ueberrascht, dass ich's sehen kann[,| (]mindestens, wenn ich spaeter darueber reflektiere).


 
   
1696.
      Wenn das Sehen eines Aspekts einem Gedanken entspricht, dann kann es nur in einer Welt // in einem Reich // von Gedanken ein Aspekt sein.


 
   
1697.
,       Wenn ich einen Aspekt beschreibe, so setzt die Beschreibung Begriffe voraus, die nicht zur Beschreibung der Figur selbst gehoeren.


 
   
1698.
,       Ist es nicht merkwuerdig, dass man bei der Beschreibung eines Gesichtseindrucks so ungemein selten das Wandern des Blicks in die Beschreibung einbezieht?! Es wird so gut wie nie einbezogen, wenn der Gegenstand klein, z.B. ein Gesicht ist; obgleich doch auch da der Blick fortwaehrend in Bewegung ist.


 
   
1699.
      Der Aspekt kann ploetzlich wechseln und es folgt dem Wechsel dann ein neues Betrachten. Man ist sich, z.B., des Gesichtsausdrucks
–430–
betrachtet ihn.

 
   
1700.
      Ich kann z.B. eine Photographie anschauen und mich mit dem Ausdruck des Gesichts beschaeftigen, ihn mir sozusagen zu Gemuet fuehren, ohne mir, oder einem Andern, dabei etwas zu sagen.
      Ich lasse die Augen der Photographie zu mir sprechen. Ich sehe das Bild vielleicht zum ersten mal, als wirkliches Gesicht. ‘Gehe auf den Ausdruck ein’. Frage nicht “Was geht dabei vor?”, sondern “Was tut man mit dieser Aeusserung?”

 
   
1701.
      Wir werden uns des Aspekts nur in [s|W]echsel bewusst. Wie wenn sich Einer nur des Wechselns der Tonart bewusst ist, aber kein absolutes Gehoer hat.

 
   
1702.
      Wenn man das Mittelmeer auf der Karte bei anderer Kolorierung nicht erkennt, so zeigt das nicht, daß hier wirklich ein anderer visueller Gegenstand vorliegt. (Koehler's Beispiel) Es koennte das hoechstens einen
guten
plausiblen
Grund fuer eine bestimmte Ausdrucksweise abgeben. // Das koennte hoechstens einen guten Grund fuer die und die Ausdruckweise abgeben. // Es ist eben nicht [a|d]as Gleiche, zu sagen “Das zeigt, daß hier wirklich zweierlei gesehen wird” – und “Unter diesen Umstaenden waere es besser von ‘zwei verschiedenen Gesichtsobjekten’ zu reden”.

 
   
1703.
      Daß man einen Aspekt auch durch Gedanken hervorrufen kann, ist aeusserst wichtig, obwohl es das Hauptproblem nicht loest.
      Ja, es ist, als waere der Aspekt ein unartikulierter Fortklang des eines Gedankens.

 
   
1704.
      Ich hoere zwei Leute reden, verstehe nicht, was sie sagen, hoere aber das Wort “Bank”. Nun nehme ich an, sie sprächen von Geld. (Das kann sich als richtig oder unrichtig herausstellen.) Habe ich damit das Wort “Bank” in der Bedeutung gehoerthoert?
–431–
Anderseits: Es spricht Einer in einer A[t|r]t Spiel doppeldeutige Woerter ohne Zusammenhang; ich hoere “Bank” und hoere es in jener Bedeutung. Es ist beinahe, als waere dies letztere ein wertloses Ueberbleibsel des ersten Vorgangs.

 
   
1705.
      Warum soll nicht die ueberwaeltigende Neigung, ein gewisses Wort in unserer Aeusserung zu gebrauchen, bestehen? Und warum sollte dies Wort nicht dennoch irrefuehrend sein, wenn wir ueber unser Erlebnis nachdenken?
      Ich meine: Warum sollen wir nicht “sehen” sagen wollen, obwohl der Ve[t|r]gleich mit dem Sehen in mancher Weise nicht stimmt. Warum sollen wir nicht von einer Analogie beeindruckt sein, zum Nachteil
von allen
aller
Verschiedenheiten. Aber darum kann man sich auch nicht auf die Worte der Aeusserung berufen, .
      Die physiologische Betrachtung verwirrt hier nur. Weil sie von dem logischen, begrifflichen Problem ablenkt.

 
   
1706.
      Die Verwirrung in der Psychologie ist nicht damit zu erklaeren, daß sie eine “junge Wissenschaft” ist. Ihr Zustand ist mit dem der Physik, z.B., in ihrer Fruehzeit garnicht zu vergleichen. Eher mit dem gewisser Zweige der Mathematik. (Mengenlehre). Es besteht da naemlich einerseits eine gewisse experimentelle Methode, anderseits Begriffsverwirrung // Es besteht da naemlich eine gewisse experimentelle Methode, und zugleich Begriffsverwirrung // , so wie in manchen Teilen der Mathematik Begriffsverwirrung und Beweismethoden. Waehrend man aber in der Mathematik ziemlich sicher sein kann, daß ein Beweis von Wichtigkeit sein wird, auch wenn er noch nicht recht
gedeutet
verstanden
ist, ist man in der Psychologie der Fruchtbarkeit der Experimente durchaus nicht sicher. Vielmehr besteht be[w|s]tehen in ihr Problematisches, – und Experimente, die man fuer die Methode der Loesung der Probleme ansieht, auch wenn sie an dem, was uns beunruhigt, ganz vorbeigehen.

 
   
1707.
      Man koennte dazu verfuehrt werden zu glauben, es gaebe eine bestimmte Art und Weise, wie man Jahreszahlen ausspricht, einen bestimmten Tonfall oder dergleichen. Denn eine Zahl, etwa
–432–
eine Hausnummer, wie 1854 kann fuer mich etwas Jahrezahlhaftes an sich haben. Man koennte glauben, unser Erlebnis sei das einer bestimmten Einstellung des Geistes, die ihn fuer eine bestimmte Taetigkeit bereit macht; zu vergleichen also der Stellung des Koe[e|r]pers vor dem Sprung. Hier ist ein sehr verlockender Irrtum. Es ist Erfahrungstatsache, d[ß|a]ß diese Stellung eine haeufige, oder zweckmaessige Vorbereitung fuer diese Taetigkeit ist. Wir aber haben nicht gelernt, daß dies Gefuehl, diese Erfahrung, eine zweckdienliche Vorbereitung der und der Anwendung der Figur, Zahl, etc. ist. Ausdruecke wie “Es ist, als zitterte in dem Erlebnis bereits die kuenftige Verwendung”, “Es ist, als innervierten wir schon die Muskel[e|n]n [s|z]u dieser bestimmten Taetigkeit”, etc. etc. sind nur paraphrasierte Aeusserungen des Erlebnisses. (Als sagte man “Die Liebe zu … glueht mir im Herzen.”) – Hier haben wir uebrigens eine Andeutung des Ursprungs der Innervationsempfindung, die das Bewusstsein des Willensakts ausmachen soll.

 
   
1708.
      Ich sage beim Erkennen eines Menschen: “Jetzt seh ich's – es sind dieselben Zuege, nur ....” – und es folgt eine Beschreibung der tatsaechlichen Veraenderungen. – Denk Dir, ich sagte “Das Gesicht ist runder, als es war” – soll ich sagen, es ist eine Eigentuemlichkeit des Gesichtsbildes, des Gesichtseindrucks, die mir das zeigt? Freilich, man wird sagen: “Nein; hier kommt ein Gesichtsbild in eine Erinnerung zusammen.” Aber wie kommen diese zusammen? Ja – es ist als ob hier zwei Bilder verglichen wuerden. Aber es werden nicht zwei Bilder verglichen; und wuerden sie's, so muesste man noch immer eines als das des frueheren Gesichts anerkennen.

 
   
1709.
      Ich kann doch sagen: Ich sehe, daß diese Figur in jener enthalten ist, kann sie aber nicht darin sehen. Diese Beschreibung passt wohl fuer diese Figur, aber doch kann ich die Figur nicht der Beschreibung gemaeuss sehen.
–433–

      Und “sehen” heisst hier auch nicht “
mit einem
auf einen
Schlag erkennen”. Denn es koennte wohl sein, daß jemand nicht im Stande waere, auf den ersten Blick die eine Figur in der andern zu sehen, daß er dies aber koennte, nachdem er das Enthaltensein, sozusagen stueckweise, erkannt haette.

 
   
1710.
      Teile ich ihm mittels der beiden Bilder mit, die eine Figur sei in der andern enthalten, oder, ich erkenne, daß es so sei, so teile ich ihm damit nicht mit, ich sehe die eine in der andern. Worin liegt der Unterschied der beiden Mitteilungen? (Ihr Wortausdruck muss sich nicht unterscheiden.)

 
   
1711.
      Ich kann die Figur nicht als Vereinigung von und sehen, die zusammengeschoben sind, daß sie sich halb ueberdecken, so daß das mittlere schwar[s|z]e Feld gleichsam doppelt gilt. // Feld ein oberes und ein unteres darstellt. // Wenn nun Einer sagte, er koennte die Figur so sehen, koennte ich
dies
es
nicht verstehen? Koennte ich es glauben? Sollte ich sagen, dies sei moeglich – auch wenn mir derlei noch nie vorgekommen ist? Muesste ich sagen “Du meinst eben mit ‘so-sehen’ etwas anderes als ich”? – Und wenn ich es annähme, was wuesste ich nun, was koennte ich damit anfangen? (Eine physiologische Verwendung ist natuerlich wieder vorstellbar.)

 
   
1712.
      H[o|i]erher gehoert die Frage “Was wuerde mir Einer mitteilen, der sagte, er koenne ein regelmaessiges 50-Eck als solches sehen”? Wie wuerde man seine Aussage pruefen? Was als Pruefung gelten lassen?
      Mir scheint, es koennte nun sein, daß man gar nichts als Bestaetigung dieser Aussage annehmen wuerde.

 
   
1713.
      “Fuer mich ist es jetzt dieses Ornament.” Das “dieses” muss erklaert werden durfh Hinweis auf eine Klasse von Ornamenten. Man kann etwa sagen “Es sind weisse Baender auf etwas Schwarzem”. Ja – anders ist es nicht zu erklaeren. Obgleich man sagen moechte: “Es muss doch einen einfacheren Ausdruck fuer
–434–
das geben, was ich sehe!” Und vielleicht gibt es ihn auch. Denn von allem koennte man den Ausdruck “hervortreten;” benuetzen. Man kann sagen “Diese Teile treten hervor”. Und nun kann man sich ja eine primitive Reaktion eines Menschen denken, der dies nicht durch Worte ausdrueckt, sondern etwa auf die “hervortretenden” Teile mit dem Finger und einer besondern Gebaerde deutet. Aber dieser primitive Ausdruck waere damit noch nicht äquivalänt dem Wortausdruck “Wweisses Bandornament”.

 
   
1714.
      Es waere aber auch das moeglich, : daß eine grosse Menge von Ausdruecken, Begriffen fuer jemand in diesem Falle ganz gleichbedeutend waeren. Und sollte man in diesem Fall sagen, der beschreieben Aspekt sei rein optisch?

 
   
1715.
      Es ist aber die Frage: warum die primitive Reaktion des Deutens mit dem Finger ein Ausdruck des so-Sehens genannt werden soll. Ohne weiteres wird man sie doch so nicht nennen koennen. Nur wenn sie sich mit andern Ausdruecken vereinigt.

 
   
1716.
      Denke, es drueckte Einer das so-Sehen immer durch eine Erinnerung aus! Er sagte z.B., jetzt erinnere ihn die Figur an dies jetzt an jenes, was er einmal gesehen habe. Was [j|k]oennte ich mit dieser Mitteilung anfangen?
      Kann mich etwas eine halbe Stunde lang an diesen Gegenstand erinnern? Es sei denn, daß ich mich mit dieser Erinnerung [g|b]eschaeftige.

 
   
1717.
      Wenn es sich nun so verhaelt, daß es ein Bedeutungserlebnis zwar gibt, dies aber etwas nebensaechliches ist, – wie kann es dann so sehr wichtig scheinen? Kommt das daher, daß dies Phenomaen einer ge[iw|wi]ssen primitiven Deutung unserer Grammatik (Sprachlogik) entgegenkommt? So wie man sich oft vorstellt // Aus dem gleichen Grunde, wie man sich … // , es [,|m]uesse die Erinnerung an ein Ereignis ein inneres Bild sein, und wie ja so ein Bild manchmal wirklich existiert.
–435–


 
   
1718.
      Wie verschwommen auch mein Gesichtsbild sein mag, so muss es doch eine bestimmte Verschwommenheit haben, so muss es doch ein bestimmtes Gesichtsbild sein. Das heisst wohl, es muss einer genau passenden Beschreibung faehig sein, wobei eben die Beschreibung die gleiche Vagheit haben muesse, wie das Beschriebene. – Aber nun wird einen Blick auf das Bild und gib eine in diesem Sinne passende Beschreibung! Diese Beschreibung sollte eigentlich ein Bild, eine Zeichnung sein! Aber hier handelt sich's eben nicht um eine verschwommene Kopie eines verschwoemmenen Bildes. Was wir sehen, ist ein ganz anderm Sinne unklar. Und ich glaube, die Lust, von einem privaten Gesichtsobjekt zu reden, koennte einem vergehen, wenn man oefter an dies Bild // Gesichtsbild // daechte.
      Die Abbildungsweise, die sonst moeglich ist, ist eben hier nicht moeglich.

 
   
1719.
      Wenn ich sage “Er hat sich im Park auf die Bank gesetzt”, so ist es freilich schw[e|i]erig, dabei an eine Geldbank zu denken, sich eine vorzustellen; aber das beweisst nicht, daß man sich sonst eine andere Bank vorgestellt haette.
      Es koennte uns z.B. leicht fallen, waehrend des Redens geiwsse Bilder zu zeichnen, die der Rede entsprechen, und sehr schwer, dabei Bilder zu zeichnen, die der Absicht, oder dem Zusammenhang der Rede zuwider sind. Aber das wuerde nicht beweisen, daß wir beim Reden immer zeichnen.

 
   
1720.
      Wenn ich jetzt beim Ueberlegen dieser Frage allein den Satz ausspreche “Du musst das Geld in die Bank llegen” und ihn so und so meine, – heisst das, daß in mir beim Aussprechen des Satzes das [g|G]leiche vorgeht, wie wenn ich den Satz bei einer wirklichen Gelegenheit jemand in dieser Bedeutung sage? Was koennte so eine Annahme rechtfertigen?? Hoechstens, daß ich danach sage “Ich habe das Wort … jetzt in der Bedeutung … gemeint”. Und hier handelt sich's doch um eine Art optischer Taeuschung! Denn, was mich im praktischen Gebrauche zu dieser Feststellung berechtigt, ist ja nicht ein das Sprechen
–436–
begleitender Vorgang. Wenn auch Vorgaenge das Sprechen begleiten koennen, die auf diese Bedeutung hinweisen. (Die Richtung des Blicks z.B.)

 
   
1721.
      Die Schwierigkeit ist, sich unter den Begriffen der ‘psychologischen Erscheinungen’ auszukennen.
      Sich unter ihnen zu bewegen, ohne immer wieder gegen ein Hinderniss anzurennen.
      D.h., man muss die Verwandtschaften und Unterschiede der Begriffe beherrschen. Wie Einer den Uebergang von jeder Tonart in jede beherrscht, von der einen in die andere modulliert. // Wie man den Uebergang von
jeder
einer
Tonart in
jede
die
andere andere beherrscht, .... //

 
   
1722.
      “Ich habe jetzt das Wort … in der Bedeutung … ausgesprochen” – Wie weisst Du, daß Du's getan hast? Wie, wenn Du Dich geirrt
haettest
hast
? Wie hast Du denn gelernt, es in der Bedeutung auszusprechen?
      Wer sagt “Ich habe jetzt das Wort in der Bedeutung isoliert gesprochen”, der spielt ein gaenzlich anderes Sprachspiel, als der, welcher mir mitteilt, er habe mit dem Wort in jenem Bericht, oder Befehl, das gemeint.
      Und nun ist es also wesentlich, oder unwesentlich, daß er auch im ersten Falle das Wort “meinen” gebraucht. Ist es wesentlich, dann ist dies erste Sprachspiel sozusagen eine Spiegelung des zweiten.
      Etwa, wie die Schachpartie auf der Buehne eine Spiegelung einer wirklichen Schachpartie genannt werden koennte.

 
   
1723.
      Schach in der Vorstellung mit dem [a|A]ndern [S|s]pielen: Beide Spieler spielen in der Vorstellung und stimmen miteinander darin ueberein, dieser habe gewonnen, dieser verloren. Sie koennen dann Beide aus dem Gedaechtnis die Partie uebereinstimmend reproduzieren, sie aufschreiben, erzaehlen. – Denke Tennis so gespielt. Es waere moeglich. Nur natuerlich keine Uebung fuer die Muskeln. (Obwohl sich auch das denken liesse.)
–437–
Wichtig ist, daß man auch beim ‘Tennis in der Vorstellung’ wird sagen koennen “Es ist mir gelungen, den Ball ....”.

 
   
1724.
      Ich koennte doch von einer Scha[d|c]hpartie traeumen, der Traum hat mir aber vielleicht nur einen Zug des Spiels gezeigt. Dennoch haette ich getraeumt: ich habe eine Schachpartie gespielt. Man wird dann sagen “Du hast sie nicht wirklich gespielt, Du hast es getraeumt”. Warum sollte man nicht auch sagen “Du hast das Wort nicht wirklich so gemeint, Du hast es nur getraeumt”?

 
   
1725.
      Vor Gericht, z.B. koennte es sich darum fragen // koennte die Frage eroertert werden // , wie Einer ein Wort ge[i|m]eint habe, und es kann auch aus gewissen Tatsachen geschlossen werden, er habe es so gemeint. Es ist eine Frage der Absicht koennte aber auch jenes andere getraeumte meinen diese Wichtigkeit haben?

 
   
1726.
      Aber wie ist es: Wenn ich ein Gedicht, oder ausdrucksvolle Prosa lese, besonders wenn ich sie laut lese, so geht doch beim Lesen etwas vor, was nicht vorgeht, wenn ich die Saetze nur
der
ihrer
Information wegen lese. // ueberflie[v|g]e. // Ich kann doch, z[|.]B[|.], einen Satz mehr, oder weniger eindringlich lesen. Ich bemuehe mich den Ton genau zu treffen. Dabei sehe ich oft ein Bild, gleichsam eine Illustration, vor mir. Ja ich kann auch einem Wort einen Ton verlei[eh|he]n, der seine Bedeutung, beinahe als waere das Wort ein Bild, hervortreten laesst. // Heraushebt // . Man koennte sich selbst eine Schreibweise denken, in der gewisse Woerter durch bildliche Zeichen ersetzt und so hervorgehoben werden. Ja dies geschieht manchmal, wenn wir ein Wort unterstreichen, oder es im Satz
gleichsam
foermlich
auf ein Postament stellen. ((“.... there lay a something ....”))

 
   
1727.
      Wenn ich beim ausdrucksvollen Lesen dies Wort ausspreche, so ist es sozusagen mit seiner Bedeutung gefuellt. // angefuellt. // Und nun koennte man fragen: “Wie kann
–438–
das sein?”

 
   
1728.
      “Wie kann das sein, wenn Bedeutung das ist, was Du glaubst?” Der Gebrauch eines Wortes kann das Wort nicht begleiten, oder anfuellen. Und nun kann ich antworten: Mein Ausdruck war bildlich gebraucht. – Aber das Bild draengte sich mir auf. Ich will sagen: [d|D]as Wort war von seiner Bedeutung erfuellt. Wie ich dazu komme, das sagen zu wollen, liesse sich vielleicht erklaeren.
      Warum aber soll ich dann nicht auch ‘sagen wollen’: ich habe das Wort (isoliert) in dieser Bedeutung ausgesprochen?

 
   
1729.
      Warum soll mich eine bestimmte Technik der Verwendung der Worte “Bedeutung”, “meinen” und anderer nicht dazu fuehren, diese Worte sozusagen in einem bildlichen, Sund ˇuneigentlichen Sinne zu gebrauchen? (So wie ich sage, der Laut e ist gelb.) Ich meine aber nicht; es sei ein Irrtum

,
ich habe das Wort nicht wirklich in dieser Bedeutung ausgesprochen, sondern mir's nur eingebildet. Nicht so ist es. // ein Irrtum: ich habe mir nur eingebildet, das Wort in dieser Bedeutung auszusprechen. Nicht so ist es. // Ich bilde mir ja auch nicht bloss ein, es werde immer im “Nathan” Schach gespielt.

 
   
1730.
      Das Denken in den Begriffen physiologischer Vorgaenge ist fuer die Klarstellung der begrifflichen Probl[a|e]me in der Psychologie hoechst gefaehrlich. Das Denken in physiologischen Hypothesen spiegelt uns manchmal falsche Schwierigkeiten, manchmal falsche Loesungen vor. Die beste Kur dagegen ist der Gedanke daß ich garnicht weiss, ob die Menschen, die ich kenne, wirklich ein Nervensystem haben.

 
   
1731.
      Der Fall der ‘erlebten Bedeutung’ ist verwandt dem des Sehens einer Figur als dies, oder jenes. Wir muessen diese begriffliche Verwandtschaft beschreiben; daß eigentlich
–439–
beide male das Gleiche vorliege, sagen wir nicht.

 
   
1732.
      “Wenn Du Dein F so schreibst , meinst Du es als ‘verschobenes’ F, oder als Spiegel-F? – Willst Du, daß es nach rechts, oder daß es nach links schaue? – Die zweite Frage bezieht sich offenbar nicht auf einen Vorgang, de[f|r] das Schreiben beg[e|l]eitet. Bei der ersten Frage koennte man an so einen Vorgang denken.

 
   
1733.
      “Ich sehe, daß das Kind den Hund anruehren will, sich aber nicht recht traut.” Wie kann ich das sehen? – Ist diese Beschreibung des Gesehenen auf gleicher Stufe mit einer Beschreibung sich bewegender Formen und Farben? Liegt ein
Deuten
Deuten
vor? Nun, bedenke, daß Du ja auch einen Menschen nachmachen kannst, der etwas angreifen moechte, sich aber nicht traut! Und was Du nachmachst ist doch ein Benehmen. Aber Du wirst dies Benehmen charakteristisch vielleicht nur in einem weiteren Zusammenhang nachahmen koennen.

 
   
1734.
      Man wird auch sagen koennen: Was diese Beschreibung sagt, wird sich irgendwie in der Bewegung und dem uebrigen Benehmen des Kindes, aber auch in der raeumlichen und zeitlichen Umgebung ausdruecken. // sagt, drueckt sich irgendwie in der Bewegung und dem uebrigen Benehmen des Kindes, in dieser raeumlichen und zeitlichen Umgebung, aus. //

 
   
1735.
      Soll ich nun aber sagen, daß ich die Furchtsamkeit in diesem Benehmen – oder den Gesichtsausdruck – eigentlich ‘sehe’? Warum nicht? Aber damit ist ja der Unterschied zweier Begriffe des Wahrgenommenen nicht geleugnet. Ein Bild des Gesichts koennte die Gesichtszuege sehr genau, den Ausdruck aber nicht richtig wiedergeben; es koennte aber auch der Ausdruck aehnlich sein und die Zuege nicht gut getroffen. “Aehnlicher Ausdruck” fasst Ge[w|s]ichter ganz anders zusammen, als “aehnliche Anatomie”.
440.
 
   
1736.
      Die Frage ist natuerlich nicht: “Ist es richtig, zu sagen ‘ich sehe sein schlaues Blinzeln’?” Was sollte daran richtig oder falsch sein, ausser der Gebrauch der deutscher Sprache? Wir werden auch nicht sagen: “Der naive Mensch hat ganz recht, wenn er sagt, er saehe den Gesichtsausdruck”!


 
   
1737.
      Anderseits moechte man aber sagen: Wir koennen doch den Ausdruck, die Schuechternheit des Benehmens, etc. nicht in demselben Sinne ‘sehen’, wie die Bewegung, die Formen und Farben. Was ist nun daran? (Physiologisch ist die Frage natuerlich nicht zu beantworten.) Nun, man sagt eben von der Bewegung und auch von der Freude des Hundes, man saehe sie. Schliesst man die Augen, so kann man weder das eine noch das andere sehen. Sagt man aber von dem, er habe alles gesehen, was zu sehen ist, der die Bewegung des Hundes auf irgendeine Weise genau im Bilde wiedergeben koennte, dann muesste der die Freude des Hundes nicht erkennen. Ist also die ideale Darstellung des Gesehenen die photographisch (metrisch) genaue Wiedergabe im Bild, dann koennte man sagen wollen: “Ich sehe die Bewegung, und merke irgendwie die Freude.”
      Aber bedenke doch, in welcher Bedeutung wir das Wort “sehen” gebrauchen lernen. Wir sagen doch gewiss, wir sehen diesen Menschen, diese Blume, waehrend unser Gesichtsbild – die Farben und Formen – sich stetig und zwischen den weitesten Grenzen aendern. Nun, so gebrauchen wir eben das Wort “sehen”. (Glaub nicht, Du kannst einen bessern Gebrauch dafuer finden, – einen phaenomenologischen!)
441.
 
   
1738.
      Lerne ich nun die Bedeutung von des Wortes x “traurig” – auf's Gesicht angewendet – ganz so, wie die Bedeutung von “rund” oder “rot”? Nein, nicht ganz so, aber doch aehnlich. (Ich reagiere ja auch anders auf die Traurigkeit des Gesichts, als auf die Roete.)


 
   
1739.
      Schau eine Photographei an; fragt Dich, ob Du nur die Verteilung von dunklern und hellern Flecken, oder auch den Gesichtsausdruck siehst! Frag Dich, was Du siehst: Wie waere es, leichter darzustellen: durch eine Beschreibung jener Verteilung von Flecken, oder durch die Beschreibung eines menschlichen Kopfes; und wenn Du nun vom Gesicht sagst, es laechle, – ist es leichter, die entsprechende Lage und Form der Gesichtsteile zu beschreiben, oder selbst zu laecheln?


 
   
1740.
      “Was ich sehe, kann nicht der Ausdruck sein, weil das Erkennen des Ausdrucks von meinem Wissen, meiner Kenntnis des menschlichen Benehms im allgemeinen, abhaengt.” Aber ist dies nicht bloss eine geschichtliche Feststellung?


 
   
1741.
      “Ist es hier, als naehme ich eine ‘vierte Dimension’ wahr? Nun, ja und nein. Seltsam ist es aber eben nicht. Woraus Du lernen sollst, dass das nicht seltsam ist, was einem beim Philosophieren so vorkommt. Wir nehmen an: das Wort .... muesste doch eigentlich so gebraucht werden (dieser Gebrauch faellt uns als Prototyp ein) und dann finden wir den normalen Gebrauch höchst seltsam.”
442.
 
   
1742.
      “Was ich eigentlich sehe, muss doch das sein, was in mir durch Einwirkung des Objekts zustandekommt.” – Das, was in mir zustandekommt, ist dann so etwas wie ein Abbild, etwas, was man selbst wieder anschauen, vor sich haben koennte. Beinahe so etwas wie eine Materialisation.
      Und diese Materialisation ist etwas Raeumliches und muss sich ganz in raeumlichen Begriffen beschreiben lassen. Sie kann dann zwar laecheln, aber der Begriff der Freundlichkeit gehoert nicht zu ihrer Darstellung, sondern ist dieser Darstellung fremd (wenn er ˇihr auch dienen kann).


 
   
1743.
      Wer z.B. imstande waere, dieses Photographie Bildnis genau zu kopieren, – sollte ich von dem nicht sagen, er saehe alles, was ich sehe? Und er muesste den Kopf garnicht als Kopf, oder als etwas Raeumliches ansprechen; und wenn auch das, so brauchte ihm der Ausdruck nichts zu sagen. Und wenn dieser nun zu mir spricht, – sollte ich sagen, ich sehe mehr, als der [a|A]ndere?
      Ich koennte es sagen.


 
   
1744.
      Aber ein Maler kann doch ein Auge malen, dass er starrt; so muss also
das
sein
Starren sich durch die Verteilung der Farbe auf der Flaeche beschreiben lassen. Aber wer es malt, muss diese Verteilung nicht beschreiben koennen.


 
   
1745.
      Verstehen eines Musikstuecks – Verstehen eines Satzes.
      Man sagt, ich verstehe eine Redeweise nicht wie ein Einheimischer, wenn ich zwar ihren Sinn kenne, aber, z.B., nicht weiss, was fuer
443.
eine Klasse von Leuten sie verwenden wuerde. Man sagt in so einem Falle, ich kenne die genaue Schattierung der Bedeutung nicht. Wenn man aber nun daechte, man empfaende beim Aussprechen des Wortes etwas anderes, wenn man diese Schattierung kennt, so waere dies wieder unrichtig. Aber ich kann z.B. unzaehlige Uebergaenge machen, die der Andere nicht machen kann.


 
   
1746.
      Man moechte doch sagen: “Das Seelenleben des Menschen laesst sich garnicht beschreiben; es ist so ungemein kompliziert und voll von kaum greifbaren Erlebnissen. Es gleicht grossenteils einem Brauen farbiger Nebel, in dem jede Form nur Durchgang zu anderen Formen, zu anderen Durchgaengen ist. – Ja, nimm nur das [V|v]isuelle Erlebnis! Dein Blick wandert beinahe unaufhoerlich: wie koenntest Du es beschreiben?” – Und doch beschreibe ich's! – “Aber das ist nur eine ganz ro[g|h]e Beschreibung, sie beschreibt Dein Erlebnis eigentlich nur in den groebsten Zuegen.” – Aber ist dies eben nicht, was ich Beschreibung meines Erlebnisses nenne? Wie komme ich denn zum Begriff einer Art Beschreibung, die ich
nie
unmoeglich
geben kann?


 
   
1747.
      Denk, Du blicksts auf stroemendes Wasser. Das Bild der Oberflaeche aendert sich fortwaehrend. Lichte und Dunkelheiten tauchen ueberall auf und verschwinden. Was wuerde ich eine ‘genaue Beschreibung’ dieses Gesichtsbildes // Bildes // nennen? Ich wuerde nichts so nennen. Sagt Einer, es laesst sich nicht beschreiben, so kann man antworten: Du weisst nicht, was eine Beschreibung zu nennen waere. Denn die genaueste Photographie z.B.,
444.
koenntest
wuerdest
Du nicht als genaue Darstellung Deines Erlebnisses anerkennen. Genauigkeit gibt es in diesem Sprachspiel nicht. (Naemlich so, wie ein Roessel nicht im Damespiel.)


 
   
1748.
      Die Beschreibung des Erlebnisses beschreibt nicht einen Gegenstand. Sie kann sich der Beschreibung eines Gegenstands bedienen. Und dieser Gegenstand ist manchmal der, welchen man anschaut, manchmal (Photographie) nicht.
      Der Eindruck – moechte ich sagen – sei kein Gegenstand.


 
   
1749.
      Wir lernen Gegenstaende beschreiben, und dadurch, in anderm Sinne, unsere Empfindungen.


 
   
1750.
      Ich schaue in das Okular eines Instruments und zeichne, oder male ein Bild dessen, was ich sehe. Wer es ansieht, kann sagen: “Also so schaut es aus” – aber auch “Also so erscheint es Dir”.
      Ich konnte das Bild einer Beschreibung des angeschauten, aber auch eine Beschreibung meines Gesichtseindrucks nennen.


 
   
1751.
      “Der Eindruck ist verschwommen”– ‘also ist der Gegenstand in meinem Bewusstsein verschwommen’.


 
   
1752.
      Den Eindruck kann man nicht betrachten, darum ist er kein Gegenstand. (Grammatisch.) Denn man betrachtet den Gegenstand nicht, um ihn zu aendern. (Das ist eigentlich, was Leute damit [,|m]einen: die Gegenstaende existierten ‘unabhaengig von uns’.)
445.
 
   
1753.
      “Der Sessel ist der gleiche, ob ich ihn betrachte oder nicht” – das muesste nicht wahr sein. Menschen werden oft verlegen, wenn man sie anschaut. “Der Sessel faehrt fort zu existieren, ob ich ihn anschaue oder nicht.” Das koennte ein Erfahrungssatz, oder es koennte grammatisch aufzufassen sein. Man kann aber auch einfach an dem begrifflichen Unterschied zwischen Sinneseindruck und Objekt dabei denken.


 
   
1754.
      Haupt [d|D]eutsche Hauptwoerter in kleinem Druck bei gewissen modernen Dichtern. Ein deutsches Hauptwort in kleinem Druck sieht fremdartig aus, man muss es aufmerksam lesen, um es zu erkennen. Es soll uns neu vorkommen, als haetten wir es jetzt zum ersten Mal gesehen. – Was aber interessiert mich daran? Dies, dass der Eindruck zuerst nicht
genauer
genau
beschrieben werden kann, als durch Worte wie “seltsam”, “ungewohnt”. Spaeter erst [o|f]olgen sozusagen Analysen des Eindrucks. (Die Reaktion des Zurueckschreckens vor dem seltsam geschriebenen Wort.)


 
   
1755.
      Wir lehren [e|E]inen die Bedeutung des Wortes “unheimlich”, indem wir es mit einem gewissen Benehmen in gewissen Situationen in Zusammenhang bringen (aber nicht: das Benehmen so nennen). Er sagt nun in solchen Situationen, es sei ihm unheimlich; und einmal auch, das Wort “ghost” habe etwas U[m|n]heimliches. – Inwiefern war das Wort “unheimlich” von Haus aus in der Beichnung die Bezeichnung eines Gefuehls? Wenn Einer davor zurueckscheut, in ein dunkles Zimmer zu gehen, warum soll ich dies und Aehnliches die Aeusserung eines Gefuehls nennen? Denn “Gefuehl” laesst uns ja doch an Empfindung und Sinneseindruck denken, und
446.
dies wieder sind die Gegenstaende, die unsere Seele unmittelbar vor sich hat. ((Ich will hier einen logischen Schritt machen, der mir sehr schwer faellt.))


 
   
1756.
      “Was weiss ich von den Gefuehlen des Andern, und was weiss ich von den Meinen?” heisst, dass die Erfahrung, als Gegenstand aufgefasst, aus der Betrachtung herausfiele.


 
   
1757.
      Kann denn etwas [M|m]erkwuerdiger sein, als dass der Rythmus des Satzes fuer sein genaues // genaueres // Verstaendnis von Wichtigkeit sein soll!


 
   
1758.
      Es ist, als teilte uns der etwas mit, der den Satz als Mitteilung ausspricht, aber auch der Satz als blosses Beispiel.


 
   
1759.
      Es ist ja klar, dass die Beschreibungen der Eindruecke // Empfindungen // die Form der Beschreibung ‘aeusserer’ Gegenstaende haben – mit gewissen Abweichungen. (Einer gewissen Vag[k|h]eit, z.B.)
      Oder auch: Soweit die Beschreibung des Eindrucks der Beschreibung eines Gegenstandes gleichsieht, ist sie eine Beschreibung eines Gegenstands der Wahr[h|n]ehmung. (Darum sollte die Betrachtung des zweiaeugigen Sehens den einigermassen beunruhigen, der vom visuellen Gegenstand redet.)


 
   
1760.
      “Das Denken ist ein raetselhafter Vorgang, den wir noch von dessen vollem Verstaendnis wir noch weit entfernt sind.” Und nun stellt man Experimente an. Offenbar, ohne sich bewusst zu
447.
sein, worin worin das Raetselhafte des Denkens fuer uns liegt.
      Die experimentelle Methode tut etwas; dass sie das Problem nicht loest, schiebt man darauf, dass sie noch in ihren Anfaengen liegt. Es ist, als wollte man durch chemische Experimente feststellen, was Materie, und was Geist ist.


 
   
1761.
      Wer den Gesichtseindruck[m|] beschreibt, beschreibt die Raender des Gesichtsfelds nicht. Ist dies eine Unvollkommenheit unserer Beschreibungen?
      Schliesse ich das linke Auge und drehe dann die Augen, soweit ich nur kann nach rechts, so sehe ich ‘aus dem Augenwinkel’ noch einen Gegenstand aufglaenzen. Ja, ich koennte eine beilaeufige Beschreibung von diesem Eindruck geben. Ich koennte auch eine Zeichnung von ihm herstellen, und sie wuerde vielleicht Dunkelheiten und einen dunkeln, verlaufenden Rand zeigen: aber richtig verstehen, verwenden koennte nur der dies Bild, der weiss, in welcher Situation es zu verwenden ist. D.h.: er koennte nun auch ein Auge schliessen, soweit wie moeglich nach rechts schauen, und sagen, auch er saehe sehe es so, oder in dieser oder jener Weise abweichend. // und sagen, auch er habe diesen Eindruck, oder: der Seine weiche von meinem Bild in dieser oder jener Weise ab. //


 
   
1762.
      Dass wir mit gewissen Begriffen rechnen, mit andern nicht, zeigt nur, wie verschiedener Art die Begriffswerkzeuge sind (wie wenig Grund wir haben, hier ja Einfoermigkeit anzunehmen.)
448.
 
   
1763.
      Turing's ‘Maschinen’. Diese Maschinen sind ja die Menscheschen, welche kalkulieren. Und man koennte, was er sagt, auch in Form von Spielen ausdruecken. Und zwar waeren die interessanten Spiele solche, bei denen man gewissen Regeln gemaess zu unsinnigen Anweisungen gelangt. Ich denke an Spiele aehnlich dem “Wettrennspiel”. Man erhielte etwa den Befehl “Setze auf die gleiche Art fort”, wenn dies keinen Sinn ergibt, etwa, weil man in einen Zirkel geraet; denn jener Befehl hat eben nur an gewissen Stellen [s|S]inn. (Watson.)


 
   
1764.
      Eine Variante des Kantor'schen Diagonalbeweises:
N = F (k,n) sei die Form der Gesetze fuer die Entwicklung von Dezimalbruechen. N ist die n-te Dezimalstelle der k-ten Entwicklung. Das Gesetz der Diagonale ist dann: N = F (n,n) = Def. F'(n).
      Zu beweisen ist, dass F'n nicht eine der Regeln F(k,n) sein kann. Angenommen, es sei die 100ste. Dann lautet die Regel zur Bildung
von
von
      F'(1)
F'(2)
           F'(1,1)
F'(2,2)
     
etc.

aber die Regel zur Bildung der 100sten Stelle von F'(n) wird [o|l]autet F(100,100); d.h., sie sagt uns nur, dass die 100ste Stelle sich selber gleich sein soll, ist also fuer n = 100 keine Regel.
      Die Spielregel lautet “Tu das Gleiche;, wie ....!” – und im besondern Fall wird sie nun “Tu das Gleiche, wie das, was Du tust!”
449.
 
   
1765.
      Der Begriff des ‘Ordnens’ der Rationalzahlen z.B. und der ‘Unmoeglichkeit’ die Irrationalzahlen so zu ordnen. Vergleiche das mit dem, was man ‘Ordnen’ von Ziffern nennt. Gleichermassen der Unterschied zwischen dem ‘Zuordnen’ einer Ziffer (oder Nuss) zu einer andern und dem ‘Zuordnen’ aller ganze[n|r] Zahlen zu den geraden Zahlen; etc. Ueberall Begriffsverschiebungen.


 
   
1766.
      Die Beschreibung des subjektiv Gesehenen ist nahe oder entfernt verwandt der Beschreibung eines Objekts // Gegenstands // , aber funktioniert nicht als Beschreibung eines Gegenstands. Wie vergleicht man Gesichtsempfindungen? Wie vergleiche ich meine mit des Andern Gesichtsempfindungen?


 
   
1767.

      Das menschliche Auge sehen wir nicht als Empfaenger // Empfangsorgan // , es scheint nicht etwas einzulassen, sondern auszusenden. Das Ohr empfaengt; das Auge blickt. (Es wirft Blicke, es blitzt, strahlt, leuchtet.) Mit dem Auge kann man schrecken, nicht mit dem Ohr, der Nase. Wenn Du das Aug siehst, so siehst Du etwas von ihm ausgehen. Du siehst den Blick des Auges.


 
   
1768.

      “Wenn Du nur von Deinen physiologischen Vorurteilen wegkommst, wirst Du garnichts daran finden, dass das Blicken des Auges auch gesehen werden kann.” Ich sage ja auch, ich sehe den Blick, den Du dem Andern zuwirfst. Und wollte man mich verbessern und sagen, ich saehe ihn eigentlich nicht, so hielte ich das fuer eine Dummheit.
      Anderseits habe ich mit meiner Redeweise nicht etwas zuge-
450.
geben
, und ich widerspreche dem, der mir sagt, ich saehe den Blick ‘geradeso’ wie den Gestalt und Farbe des Auges.
      Denn das ‘naive Sprechen’, d.h. unsere naive, normale, Ausdrucksweise, enthaelt ja keine Theorie des Sehens – zeigt Dir keine Theorie, sondern nur einen Begriff des Sehens.


 
   
1769.
      Und wenn Einer sagt “Ich sehe eigentlich nicht das Blicken, sondern nur Formen und Farben”, – widerspricht der der naiven Ausdrucksweise? Sagt er, der war im Unrecht, der sagte, er habe meinen Blick woh[k|l] gesehen, gesehen, dass dieses Menschen Augen starren, ins Leere blicken, etc.? Doch gewiss nicht. Was wollte also der Purist tun?
      Will er sagen, es sei richtiger, hier ein anderes Wort statt des Wortes “sehen” zu gebrauchen? Ich glaube, er will nur auf eine Scheide zwischen Begriffen aufmerksam machen. Wie stellt denn das Wort “sehen” die Wahrnehmungen zusammen? Ich meine: es kann sie zusammennehmen als Wahrnehmungen mit dem Auge; denn wir spueren ja das Sehen nicht im im Auge. Aber eigentlich scheint der, der auf der Richtigkeit unserer normalen Ausdrucksweise besteht, zu sagen: dass im Gesichtseindruck ˇdas alles enthalten sei; dass das subjektive Auge sowohl Form als Farbe, als Bewegung, als Ausdruck und Blick (Richtung nach aussen) habe. Dass man den Blick, sozusagen, nicht woanders spuert. Aber das heisst nicht: ‘woanders als in den Augen’, sondern: woanders als im Gesichtsbild. Aber wie waere es denn, wenn's anders waere? Etwa so, dass ich sagte:
–451–
“Ich sehe in diesem Auge die und die Formen, Farben, Bewegungen, – das heisst, es blickt jetzt freundlich”, als zoege ich also einen Schluss. – Man koennte also sagen: Der Ort des [W|w]ah[b|r]genommenen Blickes ist das subjektive Auge, das Gesichtsbild des Auges, selber.

 
   
1770.
      Vor allem kann ich mir sehr wohl jemand denken, der zwar ein Gesicht hoechst genau sieht, es z.B. genau portraitieren kann, aber seinen laechlenden Ausdruck nicht als Laecheln erkennt. Zu sagen, sein Sehen sei mangelhaft, faende ich absurd. Und zu sagen, daß sein subjektiver Gesichtsgegenstand eben nicht laechle, obwohl er alle Farben und Formen des meinen hat, ebenso absurd.

 
   
1771.
      D.h.: wir ziehen hier eine begriffliche Grenze (und sie hat mit physiologischen Meinungen nichts zu tun).

 
   
1772.
      Der Glanz, oder die Spiegelung: Wenn ein Kind malt, so wird es diese nie malen. Ja es ist beinahe verblueffend, daß sie durch die gewoehnlichen Oel- oder Wasserfarben dargestellt werden koennen.

 
   
1773.
      Wer sieht, daß jemand die Hand ausstreckt, um etwas zu beruehren, sich aber davor scheut, der sieht doch, in einem gewissen Sinne, dasselbe wie Einer, der die Bewegung der Hand in allen Einzelheiten nachahmen, oder durch Zeichnungen darstellen kann, sie aber nicht so zu deuten vermag.

 
   
1774.
      Wenn jemand sagt: Die Form, die Farbe, die Organisation, der Ausdruck, sind doch alle, offenbar, (fuer jeden Unvoreingenommenen) Eigenschaften, Zuege, des subjektiv Gesehenen, des unmittelbaren Gesichtsobjekts, – so verraet ihn hier das Wort “offenbar”[| .] [2|]Offenbar” ist es darum, weil's Jeder zugibt; und er gibt es nur durch den Sprachgebrauch zu. Man begruendet also hier einen Satz durch ein Bild.
// Wenn Einer sagt: Die Form, die Farbe, die Organisation, der Ausdruck, sind doch alle, offenbar, Eigenschaften des unmittelbar Gesehenen (meines Gesichtsobjekts),
–452–
so stuetzt er seine Meinung auf ein Bild. – Denn, wenn Einer ‘zugibt’, alles dies sei eine Eigenschaft seines unmittelbaren Gesichtsobjekts, – was teilt er uns mit? Wenn er z.B. zu einem Andern sagt “Es geht mir auch so”, was kann ich nun daraus schliessen? (Wie, wenn diese volle Uebereinstimmung auf einem Missverstaendnis beruhte?) //

 
   
1775.
      Wenn wir wirklich Alle geneigt sind, dies Bild treffend zu finden, so hat dies etwa
      Jenes Bild ist ja nur eine Illustration zur Methodologie unserer Sprache. Wenn wir wirklich Alle genei[t|g]t sind, dies Bild treffend zu finden, so hat
das
dies
etwa psychologisches Interesse, ersetzt aber eine begriffliche Untersuchung nicht.

 
   
1776.
      “Methodologie” kann man zweierlei nennen: Eine Beschreibung der Taetigkeiten, die man, z.B., “Messen” nennt, einen Zweig der menschlichen Naturgeschichte, der uns die Begriffe des Messens, der Genauigkeit, etc. in ihren Varianten verstaendlich machen wird; oder aber einen Zweig der angewandten Physik, die Lehre davon, wie man am besten (genauesten, bequemsten, etc.) das und das unter den und den Umstaenden misst.

 
   
1777.
      Ich sage ihm “Aendere Deine Einstellung so: ....” – er tut es; und nun hat sich etwas in ihm geaendert. ‘Etwas’? Seine Einstellung hat sich geaendert; und diese Aenderung kann man nun beschreiben. Die Einstellung ‘etwas in ihm’ zu nennen, ist irrefuehrend. Es ist, als koennten wir nun dunkel ein Etwas sehen, oder fuehlen, was sich geaendert hat und “die Einstellung” genannt wird. Waehrend alles klar zutage liegt, – die Worte “eine neue Einstellung” aber eben nicht eine Empfindung bezeichnen.

 
   
1778.
      Wie sieht die Beschreibung einer ‘Einstellung’ aus?
      Man sagt z.B.: “Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmaessigkeit, und schau es als Bild eines
–453–
.... an!”
      “Denk Dir das weg! Waer's Dir auch ohne dieses .... unan[.|]genehm?” Man wird doch sagen, ich aendere mein Gesichtsbild – wie durch Blinzeln, oder Weghalten eines Details. Dieses “Absehen von … ” spielt doch eine ganz aehnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes.

 
   
1779.
      Nun wohl, – und das sind gute Gruende dafuer, zu sagen, wir haetten durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck geaendert. D.h., es sind (dies) gute Gruende, den Begriff ‘Gesichtseindruck’ soz zu begrenzen.

 
   
1780.
      Das Wort “Organisation” vertraegt sich sehr gut mit dem Begriff ‘Zusammengehoerigkeit’. Es scheint hier eine Reihe einfacher Modifikationen des Gesichtseindrucks zu geben, die alle eigentlich ‘optisch’ sind. Man kann aber eben in verschiedenen Aspketen noch ganz andere Dinge tun, als Teile trennen und zusammennehmen, oder unterdruecken und hervorheben.

 
   
1781.
      Ich kann doch etwas bestimmtes eine bestimmte Eigentuemlichkeit des Vorgangs des Kopierens einer Zeichnung “zusammenfassen” nennen. Ich kann dann sagen, Einer fasse bei der zeichnerischen Wiedergabe – oder bei der Beschreibung, die Figur so zusammen, organisiere sie so. (Freilich haette es damit in manchen Faellen Schwierigkeiten; z.B. im Fall Hase-Ente.)

 
   
1782.
      Man
sagt
sage
nun: Ich kann Striche beim Kopieren zusammennehmen, aber auch bloss durch die Aufmerksamkeit. Aehnlich, wie ich im Kopfe, so wie auf dem Papier, rechnen kann.

 
   
1783.
      Kann die Gestaltpsychologie die verschiedenen Organisationen, die sich ins unorganisierte Gesichtsbild einfuehren lassen, klassifizieren; kann sie die moeglichen Arten der Modifikationen, die die Gestaltungsfaehigkeit unseres Nervensystems hervorrufen kann, ein fuer alle mal angeben? Wenn ich den Punkt als Auge sehe, das in dieser Richtung schaut, – in welches System
–454–
von Modifikationen passt dieser Aspekt? (System von Formen und Farben.)

 
   
1784.
      Es ist z.B. irrefuehrend, glaube ich, wenn Koehler die spontanen Aspekte der Figur damit beschreibt: die Striche, die in einem Aspekt zum gleichen Arm gehoeren, gehoeren nun zu verschiedenen Armen. Das klingt, asl handelte es sich hier wieder um ein Zusammennehmen dieser Radie[l|n]. Waehrend doch die Radien, die frueher zusammengehoerten, auch jetzt zusammengehoeren; nur umgrenzen sie einmal einen ‘Arm’ einmal einen Zwischenraum.

 
   
1785.
      Ja, Du kannst wohl sagen: Zur Beschreibung dessen, was Du siehst, Deines Gesichtseindrucks, gehoert nicht bloss, was die Kopie zeigt, sondern auch die Angabe z.B., Du saehest dies, ‘solid’, das andere ‘als Zwischenraum’. Es kommt eben hier darauf an, was wir wissen wollen, wenn wir Einen fragen, was er sieht.

 
   
1786.
      “Aber ich kann doch offenbar im Sehen Elemente, (Striche z.B.) zusammennehmen!” Aber warum nennt man es “zusammennehmen”? Warum braucht man hier ein Wort – wesentlich – das schon eine andere Bedeutung hat? (Es ist hier natuerlich wie im Fall des Wortes “Kopfrechnen”.)

 
   
1787.
      Wenn ich Jemandem sage: “Nimm diese Striche (oder anderes) zusammen!” was wird er tun? Nun, Verschiedenes, je nach den Umstaenden. Vielleicht soll er sie zu zwei und zwei zaehlen, oder in eine Lade legen, oder anblicken, etc.

 
   
1788.
      Ist denn die Zeichnung selber, die Du ansiehst, organisiert? Und wenn Du sie so und so ‘organisiert’ siehst, siehst Du da mehr, als vorhanden ist?

 
   
1789.
      “Organisiere diese Dinge!” – Was heisst das? Etwa: “ordne sie”. Es koennte heissen: bring Ordnung in sie, – oder auch: lern Dich unter ihnen auskennen, lerne sie zu beschreiben;
–455–
lerne sie durch ein System, durch eine Regel, beschreiben.

 
   
1790.
      Die Frage ist wieder: Was teile ich Einem durch die Worte mit “Ich nehme jetzt die Striche mit dem Blick so zusammen”? // “Jetzt nehme ich die Striche ....” // Man kann auch so fragen // Man kann diese Frage auch so stellen // : Zu welchem Zweck sage ich Einem “Nimm diese Striche mit dem Blick so zusammen!” – Es ist hier wieder eine Aehnlichkeit mit der Aufforderung “Stell Dir das vor!”

 
   
1791.
      Jedem
Denker
Denken
kleben die Eierschalen seines Ursprungs an.
      Man kennt es Dir an, im Kampf womit Du aufgewachsen bist. Welche Anschauungen die Deinen bezeugt; von welchen Du Dich dann hast losmachen muessen.

 
   
1792.
      Das Bild organisiert sich unter unserm Blick nicht.

 
   
1793.
      Es ist vielleicht wichtig, zu bedenken, daß ich eine Figur heute so sehen, auffassen, kann, morgen anders, und kein solc ‘Umschnappen’ stattgefunden haben muss. Ich koennte z.B. eine Illustration in einem Buch heute so auffassen und gebrauchen, morgen der gleichen Illustration auf einer spaeteren Seite begegenen wo sie anders aufzufassen ist, ohne daß ich merke, daß es wieder die gleiche Figur ist.

 
   
1794.
      Koennte Einer seine Zuverlaessigkeit dartun, indem er sagte: “Es ist wahr; und sieh, ich glaube es!”

 
   
1795.
      Koennte man sagen: es spiegelt sich eine Auffassung, eine Technik, im Erleben? Was doch nur heisst: Wir verwenden den Ausdruck, den wir fuer eine Technik gelernt haben, in einem Erlebnisausdruck (niicht: als Bezeichnung eines Erlebnisses).

 
   
1796.
      Warum soll denn eine Sprechweise nicht fuer ein Erlebnis verantwortlich sein?

–456–


 
   
1797.
      Haette es einen Sinn, eine Komponisten zu fragen, ob man eine Figur so oder so hoeren soll, wenn das nicht auch heisst, ob man sie auf diese, oder jene Weise spielen sp[e|i]elen soll?

 
   
1798.
      Erinnerung: “Ich sehe uns noch an jenem Tisch sitzen”. – Aber habe ich wirklich das gleiche Gesichtsbild– oder eines von denen, welche ich damals hatte? Sehe ich auch gewiss den Tisch und meinen Freund vom gleichen Gesichtspunkt wie damals, also mich selbst nicht? – – Mein Erinnerungsbild ist nicht Evidenz jener vergangenen Situation; wie eine Photographie es waere, die, damals aufgenommen, mir jetzt bezeugt, daß e[w|s] damals so war. Das Erinnerungsbild und die Erinnerungsworte stehen auf gleicher Stufe.

 
   
1799.
      Warum sollte man nicht sich selbst wiedersprechende Saetze ausschliessen: nicht, weil sie sich selbst widersprechen, sondern weil sie nutzlos sind?
      Oder so: Darum, weil sie sich selbst widersprechen, braucht man sie ja nicht wie etwas Unreines scheuen; man schliesse sie aus, weil sie zu nichts zu brauchen sind.

 
   
1800.
      Du musst mit der Vor[ts|st]ellung Ernst machen, daß es ja wirklich in einer Sprache ein Wort geben koennte, welches Schmerzbenehmen, und nicht Schmerz, bezeichnet.

 
   
1801.
      Er fragt “Was hast Du mit dem Wort gemeint?” – Ich beantworte die Frage und setze hinzu: “Haettest Du mich frueher gefragt, so haette ich das gleiche geantwortet; meine Antwort war nicht eine Deutung, die mir jetzt eingefallen ist.” So war sie mir schon frueher eingefallen? Nein. – Und wie konnte ich dann sagen: “Haettest Du mich frueher gefragt, so haette ich .... ”? Woraus schloss ich
es
das
? Aus garnichts. Was teile ich ihm mit, wenn ich diesen Konditional ausspreche? Etwas, was manchmal von Wichtigkeit sein kann.
–457–


 
   
1802.
      Er weiss z.B. jetzt, daß keine Sinnesaenderung in mir vorgegangen ist. Es macht auch einen Unterschied, ob ich antworte, ich haette die Worte ‘nur so vor mich hin gesagt’, ohne etwas mit ihnen zu meinen; oder, ich habe den und den mit ihnen gemeint. Es haengt manches davon ab.
      Es ist auch nicht gleichgueltig ob jemand mir sagt “Ich liebe sie”, weil ihm die Worte eines Gedichts im Kopf herumgehen, oder ob er's sagt, mir seine Liebe zu gestehen.

 
   
1803.
      Ist es aber nicht sonderbar, daß es so eine Reaktion so ein Gestaendnis der Intention gibt[,| ?] der Ist es nicht ein hoechst merkwuerdiges Sprachinstrument? Was ist eigentlich merkwuerdig daran? Nun, – es ist schwer vorstellbar, wie der Mensch diesen Wortgebrauch lernt. Er ist gar so subtil.

 
   
1804.
      Aber ist er wirklich subtiler, als der der Worte “Ich habe mir ihn vorgestellt”, z.B.? Ja, merkwuerdig, sonderbar, ist jede solche Sprachverwendung, wenn man nur auf die Betrachung der Beschreibungen physikalischer Gegenstaende eingestellt ist.