– 1 –
II.
Bemerkungen. |
1.
Achten wir auf den Gebrauch des Wortes
“Deutsche Sprache”! sonst fragen wir
etwa: “Was ist die Sprache? –
Alle ihre Sätze, die je gesprochen worden sind?
Die Klasse ihrer Regeln und Wörter? etc.
etc.” –
Was ist das System?
Wo ist es?
Was ist das Schachspiel? –
Alle Partien; das Regelverzeichnis? (⇒407) |
2.
Wie bin ich denn zum Begriff ‘Satz’, oder zum Begriff
‘Sprache’ gekommen?
Doch nur durch die Sprachen, die ich gelernt habe. –
Aber die scheinen mich in gewissen Sinne über sich selbst hinausgeführt
zu haben, denn ich bin jetzt im Stande, eine neue Sprache zu
konstruieren, z.B., Wörter zu
erfinden. –
Also gehört diese Konstruktion noch zum Begriff der
Sprache.
Aber nur, wenn ich ihn so festlegen will. (⇒500) |
3.
Der Gebrauch der Worte “Satz”,
“Sprache”, etc. hat die
Verschwommenheit des normalen Gebrauchs der Begriffswörter unserer
Sprache.
Zu glauben, sie wären darum unbrauchbar, oder doch ihrem Zweck nicht
ideal entsprechend, wäre, als wollte man sagen: “Die
Wärme, die dieser Ofen gibt, ist nichts nutz – man weiß nicht, wo
sie anfängt und wo sie aufhört.” (⇒501) |
4.
Die Philosophie der Logik redet in keinem andern Sinn von Sätzen und
Wörtern, als wir es im gewöhnlichen Leben tun, wenn wir etwa sagen
“Hier steht ein chinesischer Satz
aufgeschrieben”, oder “Nein, das sieht nur aus wie
ein Schriftzeichen, ist aber ein Ornament”
etc..
Wir reden von dem räumlichen und zeitlichen Phänomen – 2 – der Sprache; nicht von einem
unräumlichen und unzeitlichen Unding.
Aber wir reden von ihr so, wie von den Figuren des Schachspiels, indem
wir Spielregeln für Sie angeben, nicht ihre physikalischen Eigenschaften
beschreiben.
Die Frage “Was ist ein Wort?” ist analog der; “Was ist eine Schachfigur?” (⇒502) |
5.
Wir können leicht, beim Nachdenken über Sprache und Bedeutung, dahin
kommen, zu denken, wir redeten in der Philosophie eigentlich nicht
von Wörtern und Sätzen im ganz hausbackenen Sinn, sondern in einem
sublimierten, abstrakten Sinn. –
So, als wäre ein bestimmter Satz nicht eigentlich das, was irgend ein
Mensch ausspricht, sondern ein Idealwesen (die ‘Klasse
aller gleichbedeutenden Sätze’, oder dergleichen).
Aber ist auch der Schachkönig, von dem die Schachregeln handeln, ein
solches Idealbild || Idealding, ein abstraktes Wesen? (⇒503) |
6.
Wenn ich über Sprache (Wort, Satz, etc.) rede, muß
ich die Sprache des Alltags reden.
Ist diese Frage || Sprache etwa zu grob, materiell,
für das, was wir sagen wollen?
Und wie könnte man eine andere bilden? –
Und wie merkwürdig, daß wir dann mit der unsern überhaupt etwas
anfangen können!
Daß ich in den philosophischen Erklärungen über die Sprache schon die volle Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muß, zeigt schon, daß ich nur Äußerliches über die Sprache vorbringen kann. “Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen?” – Nun, deine Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefaßt! – Und deine Skrupel sind Mißverständnisse. – Deine Fragen beziehen sich auf Wörter, so muß ich von Wörtern reden. Man sagt: Es kommt nicht aufs Wort an, sondern auf seine – 3 – Bedeutung; und denkt dabei an
die Bedeutung, wie an eine Sache von der Art des Worts, wenn auch vom
Wort verschieden.
Hier das Wort, hier die Bedeutung.
Das Geld, und die Kuh, die man dafür kaufen kann.
(Anderseits aber: das Geld, und sein Nutzen.) (⇒504) |
7.
Es stört uns gleichsam, daß der Gedanke eines Satzes in keinem Moment
ganz vorhanden ist.
Wir sehen ihn wie einen Gegenstand an, den wir erzeugen, und nie ganz
besitzen; denn kaum entsteht ein Teil, so verschwindet ein
andrer. (⇒88) |
8.
Nicht: “Ohne Sprache könnten wir uns nicht
miteinander verständigen” – wohl aber: ohne Sprache
können wir die Menschen nicht so und so beeinflussen, können wir
nicht Straßen und Maschinen bauen, etc..
Und auch: Ohne den Gebrauch der Rede und der Schrift
könnten sich Menschen nicht verständigen. (⇒113) |
10.
Eine Sprache erfinden, könnte heißen, auf Grund von Naturgesetzen
(oder in Übereinstimmung mit ihnen) eine Vorrichtung zu
bestimmtem Zweck erfinden; es hat aber auch den andern Sinn, dem analog,
wenn || in welchem wir von der Erfindung
eines Spiels reden.
Ich sage etwas über die Grammatik des Worts “Sprache” aus, indem ich sie mit der des Wortes “erfinden” in Verbindung bringe. (⇒543) |
11.
Man kann sich denken, daß ein Mensch die Sprache erfindet;– 4 – daß er die Erfindung
macht, andere menschliche Wesen für sich arbeiten zu lassen, indem er sie
durch Strafe und Belohnung abrichtet, auf Zurufe hin gewisse Tätigkeiten
zu verrichten.
Diese Erfindung wäre analog der Erfindung einer Maschine. (⇒535﹖) |
12.
Kann man sagen, die Grammatik beschreibe die Sprache; die Sprache,
jenen Teil des psycho-physischen Mechanismus, mittels dessen wir
durch das Aussprechen von Worten, gleichsam wie durch das Drücken auf
die Knöpfe einer Tastatur, eine menschliche Maschine für uns arbeiten
machen?
Die Grammatik nun beschreibe jenen Teil der ganzen Maschine.
(⇒536﹖) |
13.
Wenn Einer die Notenschrift lernt, so wird ihm eine Art Grammatik
beigebracht.
Es heißt da: Diese Note entspricht dieser Taste am
Klavier, das Kreuz erhöht einen Ton, das Zeichen
♮ hebt die Wirkung des Kreuzes auf,
etc..
Wenn der Schüler fragte, ob ein Unterschied sei zwischen
und
, oder was das
Zeichen bedeute,
so würden wir ihm sagen, daß die Entfernung des Notenkopfes von den
Linien nichts ausdrücke, u.s.f..
Diese Belehrungen kann man als einen Teil der Vorbereitung auffassen,
die den Schüler zu einer Spielmaschine macht. (⇒541) |
14.
Es ist klar, ich kann durch Erfahrung feststellen, daß ein Mensch, oder
Tier, auf ein Zeichen so reagiert, wie ich es will, – auf ein anderes
nicht.
Daß z.B. ein Mensch auf das Zeichen
“→” hin nach
rechts, auf das Zeichen “←” nach links geht;
daß er aber auf das Zeichen “” nicht so
reagiert, wie auf “←”,
etc..
Ja ich brauche gar keinen Fall zu erdichten, und nur den tatsächlichen betrachten: daß ich einen Menschen, der – 5 – nur Deutsch gelernt hat, nur
mit der deutschen Sprache lenken kann.
(Denn das Lernen der deutschen Sprache sehe ich als ein
Einstellen, ein Empfänglichmachen des Mechanismus
auf eine gewisse || für diese Art der
Beeinflussung || Einwirkung an; und es macht hier
keinen Unterschied, ob der Andre die Sprache gelernt hat, oder
vielleicht schon von Geburt so eingerichtet ist, daß er auf die Sätze der
deutschen Sprache reagiert, wie der gewöhnliche Mensch
normalerweise nur Einer || der, der sie gelernt hat.)
(⇒537) |
15.
Wenn ich sage, der Befehl “Bring mir
Zucker!” und “Bring mir
Milch!” hat Sinn, aber nicht die Kombination
“Milch mir Zucker”, so heißt das nicht, daß das
Aussprechen dieser Wortverbindung keine Wirkung hat.
Und wenn sie nun die Wirkung hat, daß der Andre mich anstarrt und den
Mund aufsperrt, so nenne ich sie nicht deswegen den Befehl, mich
anzustarren etc.; auch wenn ich gerade diese Wirkung
hätte hervorbringen wollen. (⇒538) |
16.
Die Sprache ist für uns nicht als Einrichtung definiert, die einen
bestimmten Zweck erfüllt.
Sondern “Sprache” ist für uns ein Sammelname, und ich
verstehe darunter die deutsche Sprache, die englische Sprache,
u.s.w., und noch verschiedene Zeichensysteme,
die mit diesen Sprachen eine größere oder geringere Verwandtschaft
haben. (⇒540) |
17.
“Ist die Bedeutung, das Verstehen des Wortes in der Erklärung
der Bedeutung niedergelegt; oder nur durch sie bewirkt, wie die Krankheit
durch das Gift? –
Wie wirkt die Erklärung das Verstehen?” –
Wie wirkt die Erklärung?
D.h.: was bewirkt sie; und
wie wendet man sie an?
(Nicht alles, was das Verstehen bewirkt, heißt
“Erklärung”.) (⇒34) –
6 – |
18.
Wenn ich jemanden einen Befehl gebe, so ist es mir ganz genug, ihm
Zeichen zu geben.
Und ich würde nie sagen: Das sind ja nur Worte, und ich muß
hinter die Worte dringen.
Ebenso, wenn ich jemand etwas gefragt hätte und er gibt mir eine
Antwort (also Zeichen), bin ich zufrieden – das war es,
was ich erwartete – und wende nicht ein: Das ist ja eine
bloße Antwort.
(Der tiefe Aspekt entschlüpft leicht.) (⇒1) |
19.
Wenn man aber sagt: “Wie soll ich wissen, was er
meint, ich sehe ja nur seine Zeichen”, so sage ich:
“Wie soll er wissen, was er meint, er hat ja
auch nur seine Zeichen.” (⇒2) |
20.
“Ich sage das nicht nur, ich meine auch etwas
damit.” –
Wenn man sich überlegt, was dabei in uns vorgeht, wenn wir Worte
meinen (und nicht nur sagen), so ist es uns, als wäre
dann etwas mit diesen Worten gekuppelt, während sie sonst
leerliefen. –
Als ob sie gleichsam in uns eingriffen. (⇒7) |
21.
Der Satz, wenn ich ihn verstehe, bekommt für mich Tiefe, eine neue
Dimension, möchte ich sagen. (⇒8) |
22.
Wie geht so etwas vor sich: Ich sage “jetzt weiß
ich zum ersten Mal, was die Worte ‘der blaue Äther’
bedeuten.” ( ) |
23.
“Du hast mit der Hand eine Bewegung gemacht; hast du etwas
damit gemeint? –
Ich dachte, du meintest, ich solle zu dir kommen.”
– 7 –
Also er konnte etwas meinen, oder auch nichts meinen.
Und wenn das erstere: dann eben seine Handbewegung,
– oder etwas Anderes?
Hat er mit seinem Ausdruck etwas anderes, als diesen,
gemeint? oder hat er nur seinen Ausdruck –
gemeint? (⇒3) |
26.
Wir würden kaum fragen, ob das Krokodil etwas damit meint, wenn es mit
offenem Rachen auf einen Menschen zukommt.
Und wir würden erklären: Das Krokodil könne nicht denken,
und darum sei eigentlich hier von einem Meinen keine Rede. (⇒190)﹖ |
27.
Denke dir einen Satz der Wortsprache durch Zeichen der Gebärdensprache
ersetzt.
Fühlen wir hier noch immer dasselbe Bedürfnis nach
Erklärung, wie bei den Worten? –
Ist also die Gebärdensprache keiner Erklärung fähig?
Gewiß! z.B. durch die Wortsprache.
(⇒94) – 8 – |
29.
Wir reden vom Verstehen eines Satzes in dem Sinne, in welchem er durch
einen andern ersetzt werden kann, der das Gleiche sagt; aber auch in dem
Sinne, in welchem er durch keinen andern ersetzt werden kann.
(So wenig, wie ein musikalisches Thema durch ein
anderes.)
Im einen Fall ist der Gedanke des Satzes, was verschiedenen Sätzen gemeinsam ist; im andern, etwas, was nur diese Worte, in diesen Stellungen, ausdrücken. (Verstehen eines Gedichts.) (⇒682) |
30.
So hat also “verstehen” hier zwei verschiedene
Bedeutungen? –
Ich || Ich möchte
lieber sagen, diese Gebrauchsarten von
“verstehen” bilden seine Bedeutung, meinen
Begriff des Verstehens.
Denn ich will “verstehen” auf alles das anwenden. (⇒683) |
31.
Wie kann man aber in jenem zweiten Falle den Ausdruck erklären, das
Verständnis übermitteln?
Frage dich: Wie führt man jemand zum Verständnis eines
Gedichts, oder eines Themas?
Die Antwort darauf sagt, wie man hier den Sinn erklärt. (⇒684) |
33.
Es ist sonderbar: unser Verstehen einer Geste möchten wir
durch || als ein Deuten der Geste durch Worte
erklären, und das Verstehen von Worten als ein Deuten
durch Gesten.
Und wirklich werden wir Worte durch eine Geste, und eine Geste durch Worte erklären. (⇒16) |
34.
Ein Wort in dieser Bedeutung hören.
Wie seltsam, daß es so etwas gibt!
So phrasiert, so betont, so gehört, ist der Satz der Anfang eines Übergangs zu diesen Sätzen, Bildern, Handlungen. *(Eine Menge wohlbekannte Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richtungen || nach allen Richtungen.) (⇒280) Zu № 139 |
35.
Denke, statt Momentphotographien unserer Bekannten
benützten wir eine Art kinematographischer Bilder, die eine ganz kleine
Bewegung wiedergäben.
Und das nennten wir ein ‘lebendes’ Bildnis, im
Gegensatz zu einem ‘toten’, und faßten es nicht als
Bild einer Bewegung, einer Lageänderung, auf.
(Das vibrierende Leben der Worte.) (⇒281) |
36.
Man könnte sagen: in allen Fällen meint man mit
“Gedanke” das lebende am
Satz.
Das, ohne welches er tot, eine bloße Lautfolge, oder Folge
geschriebener Figuren ist.
Wenn ich aber ebenso von einem etwas spräche, welches einer Konfiguration von Schachfiguren Bedeutung gibt, d.h., sie von einer beliebigen Zusammenstellung von Holzklötzchen unterscheidet, – was könnte ich da nicht alles meinen! Die Regeln, die die Schachfiguration zu einer Situation eines Spiels machen; die besondern Erlebnisse, die wir mit solchen Spielstellungen verbinden; den Nutzen des Spiels. – Oder wenn wir von einem Etwas sprächen, welches das Papiergeld – 10
– von bloßen bedruckten Zetteln unterscheidet
und ihm seine Bedeutung, sein Leben gibt! (⇒544) |
37.
Was ich Leute lehren will, ist: || , den Übergang
machen von einem nicht offenkundigen Unsinn zu einem
offenkundigen. (⇒647) |
38.
“Aber die Worte, sinnvoll ausgesprochen, haben doch nicht nur
Fläche, sondern auch eine Tiefendimension!”
Es findet eben doch etwas anderes statt, wenn sie sinnvoll
ausgesprochen werden, als wenn sie bloß ausgesprochen werden.
Wie ich das ausdrücke, darauf kommt's nicht an.
Ob ich sage, sie haben im ersten Fall Tiefe; oder, es geht dabei
etwas in mir, in meinem Innern, vor; oder, sie haben eine
Atmosphäre –es kommt immer aufs Gleiche hinaus.
Wenn wir nun alle hierin übereinstimmen, wird es da nicht wahr sein? (⇒567) |
39.
(– Ich kann sein Zeugnis nicht annehmen, weil es
kein Zeugnis ist.
Es sagt mir nur, was er zu sagen geneigt
ist.) (⇒602) Zu Nr. 286. |
40.
Wenn man aber sagt “Ich hoffe, er wird
kommen!”– gibt das Gefühl nicht dem Worte
“hoffen” seine Bedeutung?
(Und wie ist es mit dem Satz “Ich hoffe
nicht mehr, daß er kommen wird”?)
Das Gefühl gibt dem Worte “hoffen” vielleicht seinen
besondern Klang. –
Wenn das Gefühl dem Wort seine Bedeutung gibt, so heißt
“Bedeutung” hier:
das, worauf es ankommt.
Warum aber kommt es aufs Gefühl an? (⇒271) – 11 – |
41.
Warum soll ich nicht sagen: der Schrei, das Lachen, seien voll
von Bedeutung?
Und das heißt ungefähr: Es ließe sich viel aus ihnen ablesen. (⇒272) |
42.
So sind die Worte “Möchte er doch kommen!”
mit meinem Wunsche geladen.
Und Worte können sich uns entringen, wie ein Schrei.
Worte können schwer auszusprechen sein:
Worte, mit denen man auf etwas Verzicht leistet; oder eine Schwäche
eingesteht. (⇒331) |
43.
Man könnte sich Menschen denken, die etwas einer Sprache nicht ganz
unähnliches besäßen: Lautgebärden, ohne Wortschatz oder
Grammatik.
(‘Mit Zungen reden’) (⇒332) |
44.
“Was wäre aber hier die Bedeutung der
Laute?” –
Was ist sie in der Musik? –
Wenn ich auch gar nicht sagen will, daß diese Sprache der klanglichen
Gebärden mit Musik verglichen werden
müßte. (⇒334) |
45.
Eine Hauptursache philosophischer Krankheiten – einseitige
Diät.
Man nährt sein Denken mit nur einer Art von Beispielen. (⇒183) |
46.
“Ist es nicht eigentümlich, daß ich nicht sollte denken
können, es werde bald aufhören zu regnen, ohne die
Existenz der || Institution der || unserer
Sprache || den ganzen Apparat der
Sprache und ihrer ganzen
Umgebung?” –
Willst du sagen, es ist seltsam, daß du dir diese Worte nicht solltest
sagen können und sie meinen, ohne jene Umgebung?
– 12 –
Nehmen wir an, jemand rufe, auf den Himmel weisend, eine Reihe unverständlicher Worte aus. Da wir ihn fragen, was er meint, sagt er, das heiße “Gottlob, es wird bald aufhören zu regnen”. Ja, er erklärt uns auch, was die einzelnen Wörter bedeuten. ‒ ‒ Ich nehme an, er käme, gleichsam, plötzlich zu sich und sagte: jener Satz sei völliger Unsinn gewesen, sei ihm aber, als er ihn sprach, als Satz einer ihm geläufigen Sprache erschienen. (Ja etwa, wie ein wohlbekanntes Zitat.) – Was soll ich nun sagen? Hat er diesen Satz nicht verstanden, als er ihn sagte? Trug der Satz nicht seine ganze Bedeutung in sich? (⇒327) |
47.
Aber worin lag jenes Verstehen und die Bedeutung?
Er sprach die Lautreihen in erfreutem Tone, indem er auf den
Himmel zeigte, während es noch regnete, aber schon lichter wurde;
später machte er eine Verbindung seiner Worte mit den
deutschen Worten. (⇒328) |
48.
“Aber seine Worte fühlten sich eben wie die Worte einer ihm
wohlbekannten Sprache an”. –
Ja; das Kriterium dafür ist, daß er dies später
sagte.
Und nun sag ja nicht: “Die
Wörter einer uns geläufigen Sprache fühlen sich eben in ganz bestimmter
Weise an”. (Was ist der Ausdruck dieses Gefühls?) (⇒329) |
49.
“Aber du spricht ja, als hoffte ich nicht eigentlich
jetzt, da ich zu hoffen glaube.
Als wäre, was jetzt geschieht, ohne tiefe
Bedeutung.” –
Was heißt es “Was jetzt geschieht, hat
Bedeutung”, oder “hat tiefe Bedeutung”?
Was ist eine tiefe Empfindung?
Könnte Einer eine Sekunde lang innige Liebe oder Hoffnung
empfinden, was immer auch dieser Sekunde voranging, oder ihr
folgte?
Was jetzt geschieht,– 13
– hat Bedeutung – in dieser
Umgebung.
Die Umgebung gibt ihm die Wichtigkeit.
Und das Wort “hoffen” bezieht sich auf ein Phänomen
im menschlichen Leben || des menschlichen Lebens.
(Ein lächelnder Mund lächelt nur im menschlichen
Gesicht.) (⇒253) |
50.
Wenn ich nun in meinem Zimmer sitze und hoffe, N.N.
werde kommen und mir Geld bringen; und eine Minute dieses Hoffens könnte
isoliert, aus ihrem Zusammenhang herausgeschnitten werden:
Wäre, was in dieser Minute geschieht, dann kein
Hoffen? –
Denke, z.B., an die Worte, die du etwa in dieser
Minute aussprichst.
Sie gehören nun nicht mehr zu dieser Sprache.
Vielleicht zu einer, in der sie etwas gänzlich anderes
bedeuten.
Und die Institution des Geldes gibt es in einer
anderen || andern Umgebung auch
nicht.
Eine Königskrönung ist das Bild der Pracht und Würde. Schneide ein kurzes Stück dieses Vorgangs aus seiner Umgebung heraus: Dem König im Krönungsmantel wird die Krone aufs Haupt gesetzt. – In einer andern Umgebung nun, auf einem andern Planeten, ist Gold das billigste Metall. Das Gewebe des Mantels durch die vorhandenen Maschinen billig herzustellen; etc. etc.; die Krone wird dort als Parodie eines anständigen Hutes empfunden. und einem nur zum Spott aufgesetzt. (⇒254) |
51.
Jemand, der nicht Deutsch kann, hört mich bei gewissen Anlässen
ausrufen: “Welch herrliche
Bedeutung || Beleuchtung!”
Er errät den Sinn und gebraucht nun den Ausruf selber, wie ich es tue,
ohne jedoch die drei Wörter zu verstehen.
Versteht er den Ausruf?
Wäre es ebenso leicht, sich den analogen Fall zu denken für diesen Satz: “Wenn der Zug nicht pünktlich um 5 Uhr ankommt, wird er den Anschluß versäumen”? Was hieße es in – 14
– diesem Falle: den Sinn erraten?
(⇒347) |
52.
Wir können uns eine Sprache denken, in deren Verwendung das
Gefühl, das unsern Worten anhaftet, keine Rolle spielt; in
der es ein Verstehen des Wortcharakters, der Seele des Wortes, nicht
gibt.
Die Wörter werden uns etwa wie die Zeichen der chemischen
Zeichensprache übermittelt und erhalten keinen
Dunstkreis.
Wenn dann z.B. ein Befehl gegeben wird, so
übertragen wir die Zeichen nach Regeln, Tabellen, in Handlungen.
Zum Eindruck, ähnlich dem eines gemalten Bildes, kommt es nicht, und es
wird in dieser Sprache nicht gedichtet.
In diesem Fall könnte man sagen: “Das Zeichen lebt nur im System”. (⇒403) |
53.
Denke dir diese Sprache: Wörter und Grammatik sind die des
Deutschen, aber die Wörter im Satz stehen in der entgegengesetzten
Reihenfolge.
Ein Satz dieser Sprache klingt wie ein deutscher, den man vom
Schlußpunkt zum Anfang hin liest.
Die Ausdrucksmöglichkeiten haben also die gleiche Mannigfaltigkeit, wie
im Deutschen.
Aber was wir als Satzklang kennen, ist vernichtet. (⇒46) |
54.
Was heißt es, ein Bild, eine Zeichnung, zu verstehen?
Denn auch da gibt es Verstehen und Nichtverstehen.
Und auch da können diese Ausdrücke Verschiedenerlei bedeuten.
Das Bild mag ein Stilleben sein; einen Teil davon aber verstehe ich
nicht, ich bin nicht fähig, dort Körper zu sehen, sondern sehe nur
Farbflecke auf der Leinwand. –
Oder ich sehe alles körperlich, aber es sind Gegenstände, die ich
nicht kenne (sie schauen etwa aus, wie Geräte, aber ich kenne ihren
Gebrauch nicht). –
Vielleicht aber kenne ich – 15
– die Gegenstände, verstehe aber– in
anderem Sinne – ihre Anordnung nicht. (⇒10) |
55.
“Nachdem er das gesagt hatte, verließ er sie wie am vorigen
Tage.” –
Verstehe ich diesen Satz?
Verstehe ich ihn, wie ich es täte, wenn ich ihn im Laufe einer
Erzählung läse?
Steht er isoliert da, so würde ich sagen, ich weiß nicht, wovon er
handelt.
Ich wüßte aber doch, wie man diesen Satz etwa gebrauchen könnte; ich
könnte selbst einen Zusammenhang für ihn erfinden. (⇒9) |
56.
Sinn des Satzes, Sinn eines Bildes.
Wenn wir den Satz mit einem Bild vergleichen, so müssen wir bedenken,
ob mit einem Portrait, einer historischen Darstellung; oder mit einem
Genrebild.
Und beide Vergleiche haben Sinn.
“Wenn ich ein Genrebild anschaue, so ‘sagt es mir etwas’, auch wenn ich keinen Augenblick glaube (mir einbilde) die Menschen, die ich darin sehe, seien wirklich; oder, es habe wirkliche Menschen in dieser Situation gegeben.” Denn wie, wenn ich fragte || Welcher Art wäre die Antwort auf die Frage: “Was sagt es mir denn?” (⇒532) |
57.
Denken wir uns eine Art Vexierbild, worin nicht ein
bestimmter Gegenstand aufzusuchen ist, sondern das uns auf den ersten
Blick als ein Gewirr nichtssagender Striche erscheint, und nach
einigem Suchen erst als, sagen wir, ein Landschaftsbild. –
Worin besteht der Unterschied zwischen dem Anblick des Bildes vor und
nach der Lösung?
Daß wir es beide Male anders sehen, ist klar.
In wiefern aber kann man nach der Auflösung sagen, jetzt sage uns das
Bild etwas, früher habe es uns nichts gesagt? (⇒409) – 16 – |
58.
“Das Bild sagt mir sich selbst” – möchte ich
sagen.
D.h., daß es mir etwas sagt, besteht in seiner
eigenen Struktur, in seinen Formen und Farben.
(Was hieße es, wenn man sagte “Das musikalische Thema
sagt mir sich selbst”?) (⇒406) |
59.
Der Eindruck als Atmosphäre gesehen: “Diese
Melodie ist mit einer starken Atmosphäre umgeben.” –
Aber mit welcher Atmosphäre?
Was würden wir eine Beschreibung dieser Atmosphäre
nennen?
(Deuten des ‘Verstehens’ als Atmosphäre; als seelischer Akt. – Man kann zu allem eine Atmosphäre hinzukonstruieren.) (⇒663) |
60.
Das Verstehen eines Satzes der Sprache ist dem Verstehen eines
Themas in der Musik viel verwandter, als man etwa glaubt.
Ich meine es aber so: daß das Verstehen des sprachlichen Satzes
näher, als man denkt, dem liegt, was man gewöhnlich Verstehen des
musikalischen Ausdrucks nennt.
Warum sollen sich Stärke und Tempo gerade in dieser Linie
bewegen?
Man möchte sagen: “Weil ich weiß, was dies alles
heißt.”
Aber was heißt es?
Ich wüßte es nicht zu sagen.
Zur ‘Erklärung’ könnte ich es nur mit etwas anderem
vergleichen, was denselben Rhythmus (ich meine,
dieselbe Linie) hat.
(Man kann sagen: “Siehst du nicht das ist,
als würde eine Schlußfolgerung gezogen” oder:
“das ist gleichsam eine Parenthese”,
etc..
Wie begründet man solche Vergleiche?
Da gibt es sehr verschiedene || verschiedenartige
Begründungen.) (⇒89) |
61.
Man sagt “Dieses Gesicht hat einen ganz
bestimmten Ausdruck” – und sucht etwa
nach Worten, die ihn charakterisieren. (⇒395) – 17 – |
63.
Erlebnis der wirklichen Größe.
Wir sehen ein Bild, das die Form eines Sessels zeigt.
Man sagt uns, es stelle eine Konstruktion von Hausgröße vor.
Nun sehen wir sie || es anders. (⇒421) |
64.
Es ist hier nützlich, sich zu überlegen, was man über ein Phänomen, wie
das folgende, sagt: die Figur einmal als F,
einmal als sein Spiegelbild sehen.
Nun will ich fragen: Worin besteht es, die Figur einmal so, einmal anders sehen? – Sehe ich wirklich jedesmal etwas anderes? Oder deute ich nur, was ich sehe, auf verschiedene Weise? – Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum Nun, Deuten ist eine Handlung. Es kann z.B. darin bestehen, daß Einer sagt: “Das soll ein F sein”; oder daß er's nicht sagt, aber das Zeichen beim Kopieren durch ein F ersetzt; oder sich überlegt: “Was mag das wohl sein? Es wird ein F sein, das dem Schreiber mißglückt ist.” – Sehen ist keine Handlung, sondern ein Zustand. Und wenn ich es || das Zeichen nie für etwas anderes, als ein F gehalten, mir nie überlegt habe, was es wohl sein mag, so wird man sagen, ich sehe das Zeichen als ein F; wenn man nämlich weiß, daß es sich auch anders sehen läßt. Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des ‘Etwas als Etwas sehen’ gekommen? Bei welchen Gelegenheiten war für ihn ein Bedürfnis? (Sehr häufig in ästhetischen Betrachtungen.) Dort überall, wo es sich um ein Phrasieren durchs Aug und Ohr handelt. Wir sagen “Du mußt diese Takte als Einleitung hören”, “Du mußt nach dieser Tonart hinhören”, “Wenn man diese Figur einmal als … gesehen hat, ist es schwer, sie anders zu sehen”, “Ich höre das französische – 18
– ‘ne … pas’
als zweiteilige Verneinung, aber nicht als || in der
Bedeutung ‘nicht ein Schritt’”,
etc..
Ist es nun ein wirkliches Sehen oder Hören?
Nun: so nennen wir es; mit diesen Worten reagieren wir in
bestimmten Situationen.
Und auf diese Worte reagieren wir wieder durch bestimmte
Handlungen. (⇒268﹖) |
65.
Wenn ich sage, dieses Gesicht hat den Ausdruck der Milde, Güte,
Feigheit, so scheine ich nicht nur zu meinen, daß wir den und den
Charakter mit dem Anblick des Gesichts assoziieren, also an ihn
denken, wenn wir das Gesicht sehen; sondern ich bin versucht, zu sagen,
das Gesicht sei ein Aspekt der Güte, oder der Feigheit selbst.
(Vergleiche Weininger.)
Man kann sagen: ich sehe die Feigheit in dieses Gesicht
hinein (und könnte sie auch in ein anderes hineinsehen); aber
jedenfalls scheint sie mit dem Gesicht nicht bloß assoziiert, äußerlich
verbunden; sondern die Furchtsamkeit ist von der Art der
Gesichtszüge.
Und wenn sich, z.B., die Züge ein wenig ändern,
so können wir von einer entsprechenden Änderung der Furcht reden.
Würden wir gefragt “Kannst du dir
dieses Gesicht auch als Ausdruck des Mutes denken?”–
so wüßten wir, gleichsam, nicht, wie wir den Mut in diesen Zügen
unterbringen sollten.
Ich sage dann etwa: “Ich weiß nicht, was das
hieße, wenn dieses Gesicht ein mutiges Gesicht
ist.” –
Aber wie sieht die Lösung so einer Frage aus?
Man sagt z.B.: ‘Ja, jetzt
versteh’ ich es; das Gesicht ist sozusagen gleichgültig gegen
die Außenwelt.”
Wir haben also Mut hineingedeutet.
Der Mut, könnte man sagen, paßt jetzt wieder auf das
Gesicht.
Aber was paßt hier
worauf? (⇒416) |
66.
Es ist ein verwandter Fall (obwohl es auch
vielleicht nicht so scheinen möchte) wenn wir uns zuerst darüber
wundern, – 19 – daß die Franzosen
ein attributives Eigenschaftswort dort setzen, wo ein prädikatives stehen
sollte; und wenn wir das Problem, uns so lösen: sie meinen
“der Mensch ist ein guter”.
Eine Deutung, in diesem Falle, makes us feel at home. Aber das heißt nicht, daß man nur durch eine Deutung dahin kommen kann, sich in diesen Formen heimisch fühlen kann || zu fühlen. (⇒417) |
67.
Ich sehe ein Bild, das einen lächelnden Kopf darstellt.
Was tue ich, wenn ich das Lächeln einmal als ein freundliches,
einmal als ein böses auffasse?
Stelle ich es mir nicht oft in einer bestimmten räumlichen
und zeitlichen Umgebung vor, die ich freundlich oder böse || boshaft nenne?
So könnte ich mir zu dem Bild vorstellen, daß der Lächelnde auf ein
spielendes Kind herniederlächelt, oder aber auf das Leiden eines
Feindes.
Daran wird nichts geändert, dadurch, daß ich mir auch die, auf den ersten Blick, liebliche Situation durch eine weitere Umgebung wieder anders deuten kann. – Ein gewisses Lächeln werde ich, wenn keine besondern Umstände meine Deutung umkehren, als freundliches auffassen, ein “freundliches” nennen, entsprechend reagieren. (⇒418﹖) |
68.
Wir sagen “Der Ausdruck seiner Stimme war
echt”.
War er unecht, so denken wir uns quasi hinter ihm einen anderen
stehen. –
Er macht nach außen dieses Gesicht, im Innern aber ein
anderes.
Das heißt aber nicht, daß, wenn sein Ausdruck echt ist, er zwei gleiche Gesichter macht. (⇒566) |
69.
Zu sagen, die Punkte, die dieses Experiment liefert, liegen
durchschnittlich auf dieser Linie, z.B. einer
Geraden, – 20 – sagt etwas
ähnliches wie: “Aus dieser Entfernung gesehen,
scheinen sie in einer Geraden zu liegen.”
Ich kann von einer Strecke sagen, der allgemeine Eindruck ist der einer Geraden; aber nicht von einem Linienstück ; obwohl es möglich wäre, sie || es als Stück einer längern Linie zu sehen, in der sich die Abweichungen von der Geraden verlieren würden. Ich kann nicht sagen: “Dies Linienstück schaut gerade aus, denn es kann das Stück einer Linie sein, die mir als Ganzes den Eindruck der Geraden macht.” (Berge auf der Erde und auf dem Mond. Erde eine Kugel.) (⇒565﹖) |
70.
Wenn ich in der Sprache denke, so schweben mir nicht neben dem
sprachlichen Ausdruck noch Bedeutungen vor; sondern die Sprache selbst
ist das Vehikel des Denkens. (⇒528) |
71.
“Der Zweck der Sprache ist, Gedanken
auszudrücken.” –
So ist es wohl der Zweck jedes Satzes, einen Gedanken
auszudrücken.
Welchen Gedanken drückt also z.B. der Satz
“Es regnet” aus? ‒ ‒ (⇒112) |
72.
Ich glaube, das richtige Wort in diesem Fall ist
…” –
Zeigt das nicht, daß die Bedeutung des Worts ein Etwas ist, das uns
vorschwebt, und das gleichsam das genaue Bild ist, welches wir hier
brauchen wollen? ‒ ‒
Denke, ich wählte zwischen den Wörtern “stattlich”,
“würdevoll”, “stolz”,
“Ehrfurcht
einflößend”; ist es nicht, als wählte ich zwischen
den || unter den Zeichnungen in einer
Mappe? –
Nein; daß man vom treffenden Wort redet,
zeigt nicht die Existenz eines etwas, welches
etc..
Vielmehr ist man geneigt, von jenem bildartigen Wesen zu – 21 – sprechen, weil man ein Wort
als treffend empfinden kann; zwischen Worten oft, wie zwischen ähnlichen,
aber doch nicht gleichen, Bildern wählt; weil man Bilder oft statt
Wörtern, oder zur Illustration von Wörtern
gebraucht; || ,
etc.. (⇒363﹖) |
73.
“Er maß ihn mit feindseligem Blick und sagte
…”
Der Leser der Erzählung versteht dies; er hat keinen Zweifel in
seiner Seele.
Nun sagst du: “Wohl, er denkt sich die Bedeutung
hinzu, er errät sie.” –
Im allgemeinen: Nein.
Im allgemeinen denkt er sich nichts hinzu, erratet nichts. –
Es ist aber auch möglich, daß der feindselige Blick und die Worte sich
später als Verstellung erweisen, oder daß der Leser im Zweifel darüber
erhalten wird, ob sie es sind oder nicht, und daß er also
wirklich auf eine mögliche Deutung rät. –
Aber dann rät er vor allem auf einen Zusammenhang.
Er sagt sich etwa: die Beiden, die hier so feindlich tun, sind in
Wirklichkeit Freunde.
etc.. (⇒299﹖) |
74.
Könnte eine Maschine denken– –könnte sie Schmerzen
haben?
Nun, – soll der menschliche Körper so eine Maschine
heißen?
Er kommt doch am nächsten dazu, so eine Maschine zu sein.
(⇒370) |
76.
Aber eine Maschine kann doch nicht denken! –
Ist das ein Erfahrungssatz?
Nein.
Wir sagen nur vom Menschen, und was ihm ähnlich ist, es denke.
Wir sagen es auch von Puppen, und wohl auch von Geistern.
Sieh das Wort “denken” als Instrument an!
(⇒342) – 22 – |
77.
Eine Psychologie gibt es nur für die Wesen, deren
Verhalten || Verhalten
dem des Menschen ähnlich ist. (⇒698 || 4) |
78.
Ist das Denken, sozusagen, ein spezifisch
organischer Vorgang der Seele; gleichsam ein Kauen und
Verdauen in der Seele?
Kann man ihn dann durch einen anorganischen Vorgang ersetzen, der den
gleichen Zweck erfüllt; sozusagen mit einer Prothese das Denken
besorgen?
Wie hätte man sich eine Denkprothese vorzustellen? (⇒372) |
79.
“Wie kann das Wort ‘nicht’
verneinen?!” –
“Das Zeichen ‘nicht’ deutet an, du sollst,
was darauf folgt, negativ auffassen.”
Man möchte sagen: Das Zeichen der Verneinung ist nur eine Veranlassung, etwas, möglicherweise sehr kompliziertes, zu tun. Es ist, als veranlaßte uns das Zeichen der Negation zu etwas. Aber wozu? Das wird nicht gesagt. – Es ist, als brauchte es || das nur angedeutet werden; als wüßten wir es schon. Als sei eine Erklärung unnötig, da wir die Sache ohnehin schon kennen. (⇒75) |
80.
Was ist der Unterschied zwischen den beiden Vorgängen: Wünschen,
daß etwas geschehe – und wünschen, daß dasselbe nicht
geschehe?
Will man es bildlich darstellen, so wird man mit dem Bild des Ereignisses verschiedenes vornehmen: es durchstreichen, es abzäunen, und dergleichen. Aber das, kommt uns vor, ist eine rohe Methode des Ausdrucks. In der Wortsprache gar verwenden wir das Zeichen “nicht”. Dies ist wie ein ungeschickter Behelf. Man meint: im Denken geschieht es schon anders. (⇒76) – 23 – |
81.
Verneinen: eine “geistige
Tätigkeit” || ‘geistige
Tätigkeit’.
Verneine etwas, und beobachte, was du tust! –
Schüttelst du etwa innerlich den Kopf?
Und wenn es so ist, ist dieser Vorgang nun unseres Interesses würdiger,
als der etwa, ein Verneinungszeichen vor einen Satz zu
schreiben?
Kennst du jetzt das Wesen der Negation? (⇒74) |
82.
Ist es die gleiche Verneinung:
“Eisen schmilzt nicht bei 100 Grad C” und
“2 mal 2 ist nicht 5”? –
Soll das durch Introspektion festgestellt werden?
Dadurch, daß wir zu sehen trachten, was wir bei beiden Sätzen
denken? (⇒78) |
83.
Denken wir, ich fragte: Zeigt es sich uns klar, wenn wir
die Sätze aussprechen “Dieser Stab ist 1 m
lang” und “Hier steht 1 Soldat”, daß wir
mit “1” Verschiedenes meinen, daß
“1” verschiedene Bedeutungen hat? –
Es zeigt sich uns gar nicht.
Sag etwa einen Satz, wie “Auf je 1 m steht ein
Soldat, auf je 2 m also 2 Soldaten”.
Gefragt, “Meinst du dasselbe mit den beiden
Einsern?”– würde man etwa antworten:
“Freilich meine ich dasselbe:
eins!” (wobei man etwa einen Finger in
die Höhe hebt). (⇒435) |
84.
Hat nun die “1” verschiedene Bedeutung, wenn sie
einmal für die Maßzahl, ein andermal für die Anzahl steht?
Wird die Frage so gestellt, so wird man sie
bejahen. (⇒436) |
85.
Wir können uns leicht Menschen mit einer
‘primitiveren’ Logik denken, in der es etwas unserer
Verneinung entsprechendes nur für bestimmte Sätze gibt; für solche
etwa, die selbst keine Verneinung enthalten.
Man könnte den Satz “Er geht in das Haus”
verneinen, eine Verneinung des negativen – 24
– Satzes aber wäre sinnlos, oder sie gilt nur als
Wiederholung der Verneinung.
Denk an andere Mittel, als die unseren, die || eine Verneinung auszudrücken: etwa durch die Tonhöhe
des Satzes.
Wie sähe hier eine doppelte Verneinung aus? (⇒437) |
86.
Die Frage, ob für diese Menschen die Verneinung dieselbe Bedeutung
hat, wie für uns, wäre analog der, ob die Ziffer “5”
für Menschen, deren Zahlenreihe mit 5 endigt, dasselbe bedeutet, wie für
uns. (⇒438) |
87.
Ich bin geneigt, zu sagen: Ich ‘zeige’
in verschiedenem Sinne auf diesen Körper, auf
seine Gestalt, auf seine Farbe, etc.–
Was heißt das?
Es scheint zu heißen, daß beim Zeigen doch etwas
anderes vorgeht; oder hinter dem Zeigen.
Was heißt es: Ich ‘höre’ in anderm Sinne: das Klavier, seinen Klang, das Musikstück, den Klavierspieler, seine Geläufigkeit? Es heißt nur, daß einer dieser Ausdrücke durch seine Verschwägerung mit einem andern erklärt werden kann. (⇒33) |
89.
Die Negation, könnte man sagen, ist wie eine
ausschließende, abweisende, Gebärde.
Aber eine solche verwenden wir in gar vielerlei Fällen!
(⇒77) – 25 – |
90.
Ist die Verneinung eines Satzes identisch mit der Disjunktion der nicht
ausgeschlossenen Fälle?
Sie ist so in manchen Fällen. || Manchmal ist sie es.
Z.B. in diesem Fall: “Die
Permutation der Elemente A,B,C, die er anschrieb, war
nicht A C B.” (⇒73) |
91.
Mach diesem Versuch: Sag “Hier
ist es kalt” und meine “Hier ist es
warm”.
Kannst du es? –
Und was tust du dabei?
Und gibt es nur eine Art, das zu tun? (⇒426) |
92.
(Eine der am meisten irreführenden Redeweisen ist die Frage
“Was meine ich damit? –
Man könnte in den meisten Fällen darauf antworten:
“Gar nichts – ich sage
…”) (⇒427﹖) |
93.
“Denken” nennen wir wohl manchmal, den Satz mit einem
seelischen Vorgang begleiten, aber “Gedanke” nennen wir
nicht jene Begleitung. ‒ ‒
Sprich einen Satz und denke ihn; sprich ihn mit
Verständnis! –
Und nun sprich ihn nicht, und tu nur das, womit du ihn beim
verständnisvollen sprechen begleitet hast! –
(Singe dies Lied mit Ausdruck. Und nun sing es nicht, aber wiederhole den Ausdruck! – Und man könnte auch hier etwas wiederholen; z.B. Schwingungen des Körpers, langsameres und schnelleres Atmen, etc.) (⇒90﹖) |
94.
“Das kann nur Einer sagen, der davon überzeugt
ist.”
Wie hilft ihm die Überzeugung, wenn er es sagt? –
Ist sie dann neben dem ausgesprochenen Ausdruck vorhanden?
(Oder wird sie von diesem zugedeckt, wie ein leiser Ton von einem
– 26 – lauten, sodaß sie gleichsam nicht mehr gehört
werden kann, wenn man sie laut ausdrückt?)
Wie, wenn Einer sagte: “Damit man eine Melodie
nach dem Gedächtnis singen kann, muß man sie im Geiste hören, und sie
nachsingen”? (⇒559﹖) |
95.
Irreführende Parallele: Der Schrei, ein Ausdruck des
Schmerzes – der Satz, ein Ausdruck des Gedankens!.
Als wäre es der Zweck des Satzes, Einen wissen zu lassen, wie es mir zu Mute ist: Nur, sozusagen, im Gehirn || Denkorgan und nicht im Magen. (⇒375﹖) |
96.
Es ist so wenig für das Verständnis eines Satzes wesentlich, daß
man sich bei ihm etwas vorstelle, als daß man nach ihm eine Zeichnung
entwerfe. (⇒358﹖) |
97.
Was geschieht, wenn wir uns bemühen, etwa beim Schreiben eines
Briefes, den richtigen Ausdruck unserer Gedanken zu
finden? –
Diese Redeweise vergleicht den Vorgang dem einer Übersetzung, oder
Beschreibung: Die Gedanken sind da, und wir suchen nur noch
nach ihrem Ausdruck; die Vorstellungsbilder sind da, aber noch nicht
ihre Beschreibung.
Dieses Bild trifft in verschiedenen Fällen || für verschiedene
Fälle mehr oder weniger zu. –
Aber was kann hier nicht alles geschehen!
Etwa: ich gebe mich einer Stimmung hin, und der Ausdruck
kommt.
Oder: es schwebt mir ein Bild vor, das ich zu beschreiben
trachte.
Oder: es fiel mir ein englischer Ausdruck ein und ich will mich
auf den entsprechenden deutschen besinnen.
Oder: Es kommt mir eine Gebärde, und ich frage mich
“Welches sind die Worte, die dieser Gebärde
entsprechen?”
Endlich fällt mir ein Satz ein und scheint der Gebärde
angemessen.
Etc.
Wenn man nun fragte. Hast || Hattest du den Gedanken, ehe du den – 27 – Ausdruck
hattest?”– was müßte man da antworten?
Und was auf die Frage: “Worin bestand der Gedanke,
wie er vor dem Ausdruck vorhanden war?” (⇒429) |
98.
Stell dir Menschen vor, die nur laut denken könnten!
(Wie es Menschen gibt, die nur laut lesen können.) (⇒595) |
99.
Lernt das Kind nur sprechen, oder auch denken?
Lernt es den Sinn des Multiplizierens
vor, – oder nach dem
Multiplizieren? (⇒499) |
100.
“Ich kann den Befehl nicht ausführen, weil ich nicht verstehe,
was du meinst. ‒ ‒
Ja, jetzt verstehe ich dich.”
Was ging da vor, als ich plötzlich den anderen verstand? Da gab es viele Möglichkeiten. Der Befehl konnte, z.B., mit falscher Betonung gegeben worden sein; und es fiel mir plötzlich die richtige Betonung ein. Einem Dritten würde ich dann sagen “Jetzt verstehe ich ihn, er meint ….”– und würde den Befehl in richtiger Betonung wiederholen. Und in der richtigen Betonung verstünde ich ihn nun; d.h., ich müßte nun nicht noch einen Sinn erfassen – etwas außerhalb des Satzes, also ätherisches – sondern es genügt mir vollkommen der wohlbekannte deutsche Wortlaut. – Oder, der Befehl ist mir in verständlichen Deutsch gegeben worden, schien mir aber ungereimt. Dann fällt mir eine Erklärung ein; und nun kann ich ihn ausführen. – Oder es konnten mir mehrere Deutungen vorschweben, für deren eine ich mich endlich entscheide. (⇒23) |
100 || 101.
Ich deute die Worte.
Wohl. –
Aber deute ich auch die Mienen?
Deute ich einen Gesichtsausdruck als drohend, oder – 28 –
freundlich? –
Es kann geschehen.
Wenn ich nun sagte: “Es ist nicht genug, daß ich das drohende Gesicht wahrnehme, sondern ich muß es erst deuten”! – Es zückt jemand das Messer auf mich, und ich sage: “Ich fasse das als eine Drohung auf.” (⇒26) |
102.
Der Zerstreute, der auf den Befehl
“Rechtsum!” sich nach links dreht, und
nun, an die Stirn greifend, sagt “Ach so–
rechtsum” und rechtsum macht. –
Ist ihm eine Deutung eingefallen? (⇒25) |
103.
Muß ich einen Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln
kann? –
Gewiß!
Sonst wüßtest du ja nicht, was du zu tun hast. –
Aber vom Wissen zum Tun ist ja
wieder ein Sprung! – (⇒17) |
104.
Der Satz “Ich muß den Befehl verstehen, ehe ich nach ihn
handeln kann” hat natürlich einen guten Sinn; aber wieder keinen
meta-logischen. (⇒18) |
105.
Mißverständnis – Unverständnis.
Verständnis wird durch Erklärung bewirkt; aber auch durch
Abrichtung.
Warum kann man einer Katze nicht das Apportieren beibringen? Versteht sie nicht, was man will? Und worin besteht hier Verstehen und Unverständnis? (⇒37) |
106.
“Aber ich muß einen Befehl verstehen, um nach ihm handeln zu
können.” –
Hier ist das “muß” verdächtig. – – 29 –
Denk an die Frage: “Wie lange vor dem Befolgen mußt du den Befehl verstehen?” (⇒20﹖) |
107.
Die Idee, die man dabei vom Verstehen hat, ist etwa, daß man dadurch
von den Worten näher an die Ausführung heran kommt. –
In welchem Sinne ist das richtig? (⇒19) |
108.
Wissen, wie jemand ausschaut: es sich vorstellen können, aber
auch: es nachmachen können.
Muß man sich's vorstellen, um es nachzumachen?
Und ist, es nachmachen, nicht ebenso stark, wie, es sich
vorstellen? (⇒348) |
109.
Ich beschreibe Einem ein Zimmer, und lasse ihn dann, zum Zeichen, daß
er meine Beschreibung verstanden hat, ein
impressionistisches Bild nach dieser Beschreibung
malen. –
Er malt nun die Stühle, die in meiner Beschreibung grün waren || hießen, dunkelrot; wo ich “gelb”
sagte, malt er blau. –
Das ist der Eindruck, den er von diesem Zimmer erhielt.
Und nun sage ich: “Ganz richtig – so sieht es
aus.” (⇒658) |
110.
“Meine Tränen, mein Gesicht, meine Worte, können dir nie
mitteilen, wie traurig ich bin.”
Was heißt es: das mitteilen? –
“Worte sind eben nur Worte, sie können einen Gedanken
nicht mitteilen.”
Man kann den Geschmack einer Speise durch Worte mitteilen, aber auch dadurch, daß man dem Andern von ihr zu kosten gibt. Man könnte es nennen “mitteilen, was ich fühle”, wenn man dem Andern einen Zahn ausschlägt. Ist es – 30 – nun richtig zu
sagen: “Nur so kann ich ihm mitteilen, welchen
Schmerz ich fühle; nicht durch Worte.”
Was ist das Kriterium dafür, daß es eine wirkliche Mitteilung
war? (⇒13﹖) |
111.
Beschreib das Aroma des Kaffees! –
Warum geht es nicht?
Fehlen uns die Worte?
Und wofür fehlen sie uns? –
Woher aber der Gedanke, es müßte doch so eine Beschreibung möglich
sein?
Ist dir so eine Beschreibung je abgegangen?
Hast du versucht, das Aroma zu beschreiben, und es
ist nicht gelungen?
Ein bestimmtes Ideal einer Beschreibung sitzt uns im Kopf. Etwa das einer Zusammensetzung des Aromas aus exakten Mengen von Aroma-Elementen. (⇒664) |
112.
“Sätze dienen ja dazu, zu beschreiben, wie sich alles
verhält”, denken wir.
Der Satz als Bild.
Und das ist recht schön, aber es gibt doch Stilleben, Portraits,
Landschaftsbilder, mythologische Darstellungen, Ornamente, Landkarten,
Diagramme, etc. etc.(⇒168) |
113.
Muß ich wissen, ob ich ein
Wort || einen Ausdruck
verstehe?
Geschieht es nicht auch, daß ich mir einbilde, ein
Wort zu verstehen? (nicht anders, als, eine Rechnungsart
zu verstehen) und nun daraufkomme, daß ich es nicht
verstanden habe?
(“Ich habe geglaubt, ich weiß, was
‘relative’ und ‘absolute’ Bewegung
heißt, aber ich sehe, ich weiß es nicht.”) (⇒82) |
114.
Betrachte diese Ausdrucksform: “Mein Buch hat
soviel Seiten, wie die Gleichung x³ + 2x ‒ 3 = 0
ergibt.”
Oder: – 31
– “Ich habe n Freunde;
n²
+ 2n + 2 = 0.” –
Hat dieser Satz Sinn?
Es ist ihm unmittelbar nicht anzukennen.
Man sieht an diesem Beispiel, wie es zugehen kann, daß etwas
aussieht, wie ein Satz, den wir verstehen, was doch keinen Sinn
ergibt.
(Dies wirft ein Licht darauf, worin es besteht: einen Satz zu verstehen, oder zu meinen.) (⇒47) |
115.
Ein Philosoph sagt: er verstehe den Satz “Ich bin
hier”, meine etwas mit ihm, denke etwas, – auch wenn er
sich gar nicht darauf besinnt, wie, bei welcher Gelegenheit, dieser
Satz verwendet wird.
Und wenn ich sage “Die Rose ist auch im Finstern
rot”, so siehst du diese Röte im Finstern förmlich vor
dir. (⇒685) |
116.
Zwei Bilder der Rose im Finstern.
Das eine ist ganz schwarz; denn die Rose ist unsichtbar.
Im andern ist sie in allen Einzelheiten gemalt und von Schwärze
umgeben.
Ist eines von diesen richtig, das andere falsch?
Reden wir nicht von einer weißen Rose im Finstern und von einer
roten Rose im Finstern?
Und sagen wir nicht doch, sie ließen sich im Finstern nicht
unterscheiden? (⇒686) |
118.
Du denkst, du mußt || müssest doch einen Stoff
weben: weil du vor einem (wenngleich leeren) Webstuhl sitzt
und die Bewegungen des Webens machst.
(⇒161) – 32 – |
119.
Es scheint klar: wir verstehen, was sie Frage bedeutet:
“Kommt die Ziffernfolge … in der Entwicklung von
π
vor?” –
Es ist ein deutscher Satz; man kann zeigen, was es heißt,
“415” komme in der Entwicklung von π vor; und
ähnliches.
Nun, soweit diese Erklärungen reichen, soweit, kann man sagen,
versteht man jene Frage. (⇒666﹖) |
120.
Es frägt sich: Können wir uns denn darin nicht irren, daß wir
eine Frage verstehen?
Denn mancher mathematische Beweis führt uns eben dazu, zu sagen, daß wir uns nicht vorstellen können, was wir glaubten, uns vorstellen zu können. (Z.B. die Konstruktion des 7-Ecks.) Es führt uns dazu, zu revidieren, was uns als der Bereich des Vorstellbaren galt. (⇒667) |
121.
Es kann keine Diskussion darüber geben, ob diese Regeln, oder
andere die richtigen für das Wort
“nicht” sind (d.h., ob sie
seiner Bedeutung gemäß sind).
Denn das Wort hat ohne diese Regeln noch keine Bedeutung; und wenn
wir die Regeln ändern, so hat es nun eine andere Bedeutung (oder
keine) und wir können dann ebensogut auch das Wort ändern.
(⇒533) |
122.
“Daß drei Verneinungen wieder eine Verneinung ergeben, muß
doch schon in der einen Verneinung, die ich jetzt gebrauche,
liegen.”
(Die Versuchung, einen Mythus des ‘Bedeutens’
zu erfinden.) (⇒92) |
123.
Es hat den Anschein, als würde aus der Natur der Negation folgen,
daß eine doppelte Verneigung eine Bejahung – 33
– ist.
(Und etwas Richtiges ist daran.
Was?
Unsre Natur hängt mit beiden zusammen.)
(⇒93) |
124.
Was wir zur Erklärung der Bedeutung, ich meine der Wichtigkeit, eines
Begriffs sagen müssen, sind oft außerordentlich allgemeine
Naturtatsachen.
Solche, die wegen ihrer großen Allgemeinheit kaum je erwähnt
werden.
(Zählen) (⇒357﹖) |
125.
Begriffe leiten uns zu Untersuchungen.
Sind der Ausdruck unseres Interesses, und lenken unser
Interesse. (⇒231) |
126.
Was wir liefern, sind eigentlich Bemerkungen zur Naturgeschichte des
Menschen; aber nicht kuriose Beiträge, sondern Feststellungen von
Tatsachen, an denen niemand gezweifelt hat, und die dem Bemerktwerden nur
entgehen, weil sie ständig vor unsern Augen sind. (⇒389) |
127.
Wenn Einer sagt “Hätte unsere Sprache nicht diese
Grammatik, so könnte sie diese Tatsachen nicht ausdrücken” so
frage man sich, was hier das “könnte”
bedeutet. (⇒115) |
128.
Man ist versucht, Regeln der Grammatik
durch Sätze zu rechtfertigen von
der || dieser Art:
“Aber es gibt doch wirklich vier primäre
Farben”.
Und gegen die Möglichkeit dieser Rechtfertigung, – die nach dem Modell der
Rechtfertigung, eines Satzes durch den Hinweis auf die Tatsache, die
ihn wahr macht, gebaut ist, || – analog der Rechtfertigung,
eines Satzes durch den Hinweis auf die Tatsache, die ihn wahr
macht – richtet sich das Wort, daß die Regel
der Grammatik willkürlich sind || die Regeln der Grammatik seien
willkürlich.
Kann man aber nicht doch, in irgendeinem, Sinne sagen, – 34 – daß die Grammatik
der Farbwörter, z.B., die Welt, wie sie tatsächlich
ist, charakterisiert?
Kann ich nicht wirklich vergebens nach einer fünften primären Farbe
suchen?
Nimmt man nicht die primären Farben zusammen, weil sie eine
Ähnlichkeit haben; oder zum mindesten die Farben, im Gegensatz
z.B. zu den Formen, oder Tönen, weil sie eine
Ähnlichkeit haben?
Oder habe ich, wenn ich diese Einteilung der Welt als die richtige
hinstelle, schon eine vorgefaßte Idee als Paradigma im Kopf? von
der ich dann etwa nur sagen kann: “Ja, das ist die
Art, wie wir die Dinge betrachten”, oder “Wir
wollen uns eben ein solches Bild machen”?
Wenn ich nämlich sage “Die primären Farben haben doch eine bestimmte Ähnlichkeit miteinander” – woher nehme ich den Begriff dieser Ähnlichkeit? – Wie der Begriff ‘primäre Farbe’ nichts andres ist, als ‘blau, oder rot, oder grün, oder gelb’, – ist nicht auch der Begriff jener Ähnlichkeit nur durch die vier Farben gegeben? Ja, sind die Begriffe nicht die gleichen? – “Ja, könnte man denn auch ‘rot’, ‘grün’ und ‘kreisförmig’ zusammenfassen?” – Warum nicht?! (⇒386) |
129.
Überlege: “Das einzige Korrelat in der Sprache zu
einer Naturnotwendigkeit ist eine willkürliche Regel.
Sie ist das Einzige, was man, von dieser Notwendigkeit in
einen Satz abziehen kann.” (⇒385﹖) |
130.
“Water is one individual
thing – it never changes.”
(Faraday:
“The Chemical History of a
Candle”).
(⇒340) |
131.
Stellen wir uns die Frage: Welchem praktischen Zweck kann
Russell's Theorie der
Typen dienen? –
R. macht uns darauf aufmerksam, daß wir manchmal den
Ausdruck der Allgemeinheit– 35
– einschränken müssen, um zu vermeiden,
daß unerwünschte Konsequenzen aus ihm gezogen werden.
(⇒572) |
132.
Die fundamentale Tatsache ist hier: daß wir Regeln, eine Technik,
für ein Spiel festlegen, und daß es dann, wenn wir den Regeln folgen,
ganz anders geht, als wir vorausgesehen hatten.
Daß wir uns also gleichsam in unsern eigenen Regeln verfangen.
(⇒573) |
133.
Dieses Verfangen in unsern Regeln ist, was wir verstehen
wollen.
Es wirft ein Licht auf unsern Begriff des Meinens. Denn es kommt also in jenen Fällen anders, als wir es gemeint, vorausgesehen, hatten. Wir sagen eben, wenn, z.B., der Widerspruch auftritt: “So hab ich's nicht gemeint.” (⇒574) |
135.
Nehmen wir aber an, das Sprachspiel bestünde eben darin, mich
fortwährend von einem Entschluß in den entgegengesetzten zu
werfen! (⇒576) |
136.
Der Widerspruch ist nicht als Katastrophe aufzufassen, sondern als eine
Mauer, die uns anzeigt, daß wir hier nicht weiter können.
(⇒577) |
137.
Die bürgerliche – 36
– Stellung des Widerspruchs, oder seine Stellung in
der bürgerlichen Welt: das ist das philosophische
Problem. (⇒578) |
138.
Ich möchte nicht so sehr fragen “Was müssen wir
tun, um einen Widerspruch zu vermeiden?” als
“Was sollen wir tun, wenn wir zu einem Widerspruch gelangt
sind?” (⇒579) |
140.
Zu meiner Bemerkung: die Philosophie lasse alles wie es ist, sie
lasse auch die Mathematik wie sie ist.
Es ist nicht Sache der Philosophie, den Widerspruch durch eine
mathematische, logisch-mathematische, Entdeckung zu lösen.
Sondern den Zustand der Mathematik, der uns beunruhigt, den Zustand
vor der Lösung des Widerspruchs, übersehbar zu
machen.
(Und damit geht man nicht etwa einer Schwierigkeit aus dem
Wege.) (⇒582) |
141.
Was heißt es, daß im Satze “die Rose ist rot” das
“ist” eine andere Bedeutung hat, als in “zwei mal
zwei ist vier”?
Wenn man antwortet, es heiße, daß verschiedene Regeln von diesen beiden
Wörtern gelten, so ist zu sagen, daß wir hier nur ein Wort
haben. –
Und wenn ich nur auf die grammatischen Regeln achte, so erlauben
diese eben, die Verwendung des Wortes “ist” in
beiden Zusammenhängen. –
Die Regel aber, welche zeigt, daß das Wort “ist” in
den zwei Sätzen verschiedene Bedeutung hat, ist die, welche erlaubt, im
zweiten Satz das Wort “ist” durch das
Gleichheitszeichen zu ersetzen, und die diese Ersetzung – 36a – im ersten Satz
verbietet. (⇒498) |
¤ |
142.
Unser Problem könnte man auch so stellen: Angenommen, wir
hätten zwei Systeme der
Längenmessung || Längenmaße;
eine Länge wird in beiden durch ein
Zahlzeichen ausgedrückt, diesem folgt ein Wort, das das Maß
angibt.
Das eine System bezeichnet eine Länge als “n
Fuß”, und Fuß ist eine Längeneinheit im gewöhnlichen Sinne;
im andern System wird eine Länge mit “n W”
bezeichnet, und 1 Fuß = 1 W.
Aber 2 W = 4 Fuß, 3 W = 9 Fuß,
u.s.w..–
Also heißt der Satz “Dieser Stock ist 1 W
lang” dasselbe wie “Dieser Stock ist 1 Fuß
lang”.
Frage: Hat in diesen beiden Sätzen
“W” und “Fuß” dieselbe
Bedeutung? (⇒439) |
143.
Die Frage ist falsch gestellt.
Das sieht man, wenn wir die Bedeutungsgleichheit durch eine Gleichung
ausdrücken.
Die Frage kann dann nur lauten: “Ist W =
Fuß, oder nicht?” –
Nämlich in dieser Sprache; nicht in diesem oder in jenem
Satze. –
Ebenso wenig kann man natürlich in dieser Terminologie fragen, ob
“ist” das gleiche bedeutet wie “ist”;
wohl aber, ob die Kopula “ist” das gleiche bedeutet,
wie das Gleichheitszeichen
“ = || ist”.
Nun, wir sagten ja: 1 Fuß = 1 W; aber Fuß ≠
W. (⇒440) |
144.
Man möchte von der Funktion des Wortes in diesem Satze
reden.
Aber worin besteht diese Funktion?
Wie tritt sie zu Tage?
Denn es ist ja nichts verborgen, wir sehen ja den ganzen
Satz!
Die Funktion muß sich im Laufe des Kalküls zeigen.
Man will etwa sagen: “Die eine Verneinung tut dasselbe mit dem Satz, wie die andere – sie kehrt ihn um.” – 38
–
Aber das sind nur andere Worte für eine Gleichsetzung der beiden
negativen Sätze (welche nur gilt, wenn der verneinte Satz nicht
selbst ein negativer Satz ist).
Immer wieder der Gedanke, daß, was wir vom Zeichen sehen, nur eine
Außenseite zu einem Innern ist, worin sich die eigentlichen
Operationen des Sinnes und der Bedeutung abspielen. (⇒441) |
145.
Ist es nun nicht merkwürdig, daß ich sage, das Wort
“ist” werde in zwei verschiedenen Bedeutungen (als
Kopula und Gleichheitszeichen) gebraucht, und nicht sagen
möchte, || : seine Bedeutung sei sein
Gebrauch: nämlich als Kopula und
Gleichheitszeichen?
Man möchte sagen, diese beiden Arten des Gebrauchs geben nicht eine Bedeutung; die Personalunion durch das gleiche Wort sei ein unwesentlicher Zufall. (Denke dir aber die Vereinigung der beiden Ämter in einer Person als ein altes Herkommen). (⇒442) |
146.
Aber wie kann ich entscheiden, welches ein
wesentlicher und welches ein unwesentlicher, zufälliger Zug der
Notation ist?
Liegt denn eine Realität hinter der Notation, nach der sich ihre
Grammatik richtet?
Denken wir an einen ähnlichen Fall im Spiel: Im Damespiel wird eine Dame dadurch gekennzeichnet, daß man zwei Spielsteine aufeinander legt. Wird man nun nicht sagen, daß es für das Spiel unwesentlich ist, daß eine Dame aus zwei Steinen besteht? (⇒443) |
147.
Sagen wir: Die Bedeutung eines Steines (einer Figur)
ist ihre Rolle im Spiel. –
Nun werde vor Beginn jeder Schachpartie durch's Los
entschieden, welcher der Spieler Weiß – 39
– erhält.
Dazu halte der eine in jeder geschlossenen Hand einen Schachkönig, der
andre wählt auf gut Glück eine der beiden Hände.
Wird man es nun zur Rolle des Schachkönigs im Schachspiel rechnen, daß
er so zum Auslosen verwendet wird? (⇒444) |
148.
Ich bin also geneigt, auch im Spiel zwischen wesentlichen und
unwesentlichen Regeln zu unterscheiden.
Das Spiel, möchte ich sagen, hat nicht nur Regeln, sondern auch
einen Witz. (⇒445) |
149.
Wozu das gleiche Wort?
Wir machen ja im Kalkül keinen Gebrauch von dieser
Gleichheit! –
Warum für beide Zwecke die gleichen Spielsteine? –
Aber was heißt es hier “von der Gleichheit Gebrauch
machen”?
Ist es denn nicht ein Gebrauch, wenn wir eben das gleiche Wort
gebrauchen? (⇒446) |
150.
Das Spiel soll doch durch die Regeln bestimmt sein.
Wenn also eine Spielregel vorschreibt, daß zum Auslosen vor der
Schachpartie die Könige zu verwenden sind, so gehört das,
wesentlich, zum Spiel.
Was könnte man dagegen einwenden? –
Daß man den Witz dieser Vorschrift nicht einsehe.
Etwa, wie man auch den Witz einer Regel nicht einsähe,
nach der jeder Stein dreimal umzudrehen wäre, ehe man mit ihm
zieht.
Fänden wir diese Regel in einem Brettspiel, so würden wir uns
wundern und Vermutungen über den Zweck der Regel anstellen.
(“Sollte diese Vorschrift verhindern, daß man ohne
Überlegung zieht?”) (⇒448) |
151.
Wenn ich den Charakter des Spiels richtig verstehe –
– 40 – könnte ich sagen
– so gehört das nicht wesentlich dazu. (⇒449) |
152.
Überlege: “Wenn du einmal weißt, was
das Wort bezeichnet, verstehst du es, kennst du seine ganze
Anwendung.” (⇒97) |
154.
Zu sagen “Diese Wortverbindung hat keinen Sinn”
schließt sie aus dem Bereich der Sprache aus und umgrenzt dadurch das
Gebiet der Sprache. –
Wenn man aber eine Grenze zieht, so kann das Verschiedenerlei Gründe
haben.
Wenn ich einen Platz mit einem Zaun, einem Strich, oder sonst
irgendwie umziehe, so kann das den Zweck haben, jemand nicht
hinaus, oder nicht hinein zu lassen; es kann aber auch zu einem
Spiel gehören, und die Grenze soll etwa von den Spielern übersprungen
werden; oder es kann andeuten, wo der Besitz eines Menschen aufhört und
der eines andern anfängt; etc.
Ziehe ich also eine Grenze, so ist damit noch nicht gesagt, weshalb
ich sie ziehe. (⇒539﹖) |
155.
Wenn gesagt wird, ein Satz sei sinnlos, so ist nicht, quasi, sein Sinn
sinnlos.
Sondern dieser || der Ausdruck wird
aus der Sprache ausgeschieden. (⇒67) |
156.
Was heißt es denn: “entdecken, daß eine Aussage keinen
Sinn hat”? –
Und was heißt das: “Wenn ich etwas damit meine,
muß es doch Sinn haben”? –
Wenn ich etwas damit meine? –
Wenn ich – 41
– was damit
meine?! –
Man will sagen: der sinnvolle Satz ist der, den man nicht nur
sagen, sondern den man auch denken kann.
Das wäre etwa, als sagte
man: || Dem wäre etwa, analog das sinnvolle || ein
sinnvolles Bild ist das,
was || welches ich nicht nur
zeichnen, sondern auch plastisch darstellen kann.
Und dies zu sagen hätte Sinn || das
könnte man || ¤ ließe
sich sagen.
Aber das Denken des Satzes ist nicht eine Tätigkeit, die man nach
den Worten vollzieht, wie etwa das Singen nach den Noten.
Das folgende Beispiel zeigt dies.
“Ich habe soviele Freunde, als eine Lösung der Gleichung
… ergibt.”
Ob dies Sinn hat, ist der Gleichung unmittelbar nicht
anzukennen.
Und beim Lesen kann man also nicht wissen, ob sich der Satz denken
läßt, oder nicht.
Ob er sich verstehen läßt oder nicht.
(“Meinen” heißt, sozusagen, sicher sein, daß man eine Verwendung || einen Gebrauch des Satzes beherrscht. Aber nun denk an die Grammatik des Wortes “sicher sein”!) (⇒506) |
157.
Es scheint, als könnte man sagen: “Die Wortsprache
läßt unsinnige Wortzusammenstellungen zu, die Sprache der Vorstellung
aber nicht unsinnige Vorstellungen.” –
Also die Sprache der Zeichnung auch nicht unsinnige
Zeichnungen?
Denke, es wären Zeichnungen, nach denen Körper modelliert werden
sollen.
Dann haben manche Zeichnungen Sinn, manche keinen.
Wie, wenn ich mir unsinnige Wortzusammenstellungen
vorstelle! || ?!
(⇒64) |
158.
Das Vorstellungsbild ist das Bild, das
geschrieben || beschrieben
wird, wenn Einer seine Vorstellung beschreibt. (⇒153) |
159.
Vergleiche ‘logisch möglich’ mit ‘chemisch
möglich’.
Chemisch möglich könnte man etwa eine Verbindung nennen, für die es
eine Strukturformel mit den richtigen Valenzen gibt, etwa
H-O-O-O-H.
Eine solche Verbindung muß natürlich – 42
– nicht existieren; aber auch einer
quantitativen Formel, der keine Strukturformel entspricht, kann
auch nicht weniger in der Wirklichkeit entsprechen, als keine
Verbindung. (⇒505) |
160.
Wenn man auch den Satz als Bild eines möglichen Sachverhalts
auffaßt und sagt, er zeige die Möglichkeit des Sachverhalts, so kann doch
der Satz bestenfalls tun, was ein gemaltes, oder ein plastisches Bild,
oder ein Film tut; und er kann also jedenfalls nicht hinstellen, was
nicht der Fall ist.
Also hängt es ganz von unserer Grammatik ab, was (logisch)
möglich genannt wird, und was nicht, nämlich eben was sie
zuläßt?
Aber das ist doch willkürlich! –
Ist es willkürlich? –
Nicht mit jeder satzähnlichen Bildung kann ich etwas anfangen, nicht
jedes Spiel ist nützlich; und wenn ich versucht bin, etwas ganz Unnützes
als Satz zuzulassen, so geschieht es meistens, weil ich mir seine
Anwendung nicht genügend überlegt habe.
(“Unendlich lange Baumreihe” – wie ist es zu
verifizieren, daß eine solche Reihe unendlich lang ist?)
(⇒69) |
161.
Was bedeutet es, wenn wir sagen: “Ich kann mir das
Gegenteil davon nicht vorstellen” – oder:
“Wie wäre es denn, wenn's anders
wäre?”– z.B., wenn jemand gesagt
hat, daß meine Vorstellungen privat seien, oder, daß nur ich selbst
wissen kann ob ich
Schmerzen || Schmerz
empfinde, und dergleichen.
“Ich kann mir nicht vorstellen …” || “Ich kann mir das Gegenteil nicht vorstellen” heißt hier natürlich nicht: meine Vorstellungskraft reicht nicht hin. Wir gebrauchen diese Entgegnung zur Abwehr gegen eine Aussage, die in Wirklichkeit || Es ist die Kritik einer Aussage, die zwar || in Wahrheit eine grammatische ist, die uns || uns aber eine Feststellung vortäuscht, das Faktische (der Schmerzen etwa) betreffend. || uns aber durch ihre Form einen Erfahrungssatz vortäuscht. Aber warum sage ich “Ich kann mir das Gegenteil nicht vorstellen”, warum nicht: “Ich kann mir, was du – 43 – sagst, nicht
vorstellen”?
Ein Beispiel: “Jeder Stab hat eine Länge”. – Das heißt etwa: Wir nennen etwas (oder dies) ‘die Länge eines Stabes’ (aber nichts ‘die Länge einer Kugel’). Kann ich mir nun vorstellen, daß ‘jeder Stab eine Länge hat’? Nun, ich stelle mir eben einen Stab vor – und das ist alles. Nur spielt dieses Bild in Verbindung mit diesem Satz eine ganz andere Rolle, als ein Bild in Verbindung mit dem Satz: “Dieser Tisch hat die gleiche Länge, wie der dort.” Denn hier verstehe ich, was es heißt, sich ein Bild vom Gegenteil zu machen (und es muß kein Vorstellungsbild sein). Das Bild aber zum grammatikalischen Satz konnte nur etwa zeigen, was man “Länge eines Stabes” nennt. Und was sollte davon das entgegengesetzte Bild sein? (Vergl. Bemerkung über die Verneinung eines Satzes a priori). (⇒63) |
162.
Wir könnten auf den Satz “Dieser Körper hat eine
Ausdehnung” antworten:
“Unsinn!”– neigen aber dazu, zu
antworten: “Freilich!” –
Warum? (⇒65) |
163.
Man kann einen roten Gegenstand als Muster für das Malen eines
rötlichen Weiß, oder eines rötlichen Gelb
(etc.) verwenden.–
Aber kann man es auch als Muster für das Malen eines blaugrünen
Farbtones, z.B., verwenden? –
Wie, wenn ich jemand, mit allen äußern Zeichen des genauen Kopierens,
einen roten Fleck blaugrün ‘wiedergeben’
sähe? –
Ich würde sagen “Ich weiß nicht, wie er es macht”,
oder auch “Ich weiß nicht, was er
macht”. –
Aber angenommen, er ‘kopierte’ nun
diesen Ton von Rot bei verschiedenen Gelegenheiten in Blaugrün, und
etwa andere Töne von Rot regelmäßig in anderen blaugrünen Tönen –
soll ich nun sagen, – 44
– er kopiere, oder er kopiere nicht?
Was heißt es aber, daß ich nicht weiß, ‘was er macht’? Sehe ich denn nicht, was er macht? – “Aber ich sehe nicht in ihn hinein.” – Nur dieses Gleichnis nicht! Wenn ich ihn etwas Rotes rot kopieren sehe, – was weiß ich da? – Weiß || Und weiß ich, wie ich es mache? Freilich, man sagt: ich male eben die gleiche Farbe. – Aber wie, wenn er sagt “Und ich male die Quint zu dieser Farbe”? Sehe ich einen besondern Vorgang der Vermittlung, wenn ich die ‘gleiche’ Farbe male? Nimm an, ich kenne ihn als einen ehrlichen Menschen; er gibt, wie ich es beschrieben habe, ein Rot durch ein Blaugrün wieder – aber nun nicht den gleichen Ton immer durch den gleichen, sondern einmal durch einen, einmal durch einen andern Ton. – Soll ich sagen “Ich weiß nicht, was er macht”? – Er macht, was ich sehe – aber ich würde es nie tun; Ich || ich weiß nicht, warum er es tut; seine Handlungsweise ‘ist mir unverständlich’. (⇒41) |
164.
“Wie kann es denn Sinn haben, von einer mir ganz neuen Art der
Sinneswahrnehmung zu reden, die ich vielleicht einmal haben
werde?
Wenn du nämlich nicht etwa vom Sinnesorgan reden
willst.” –
Ramsey pflegte auf
solche Fragen zu antworten: es sei eben doch möglich, so
etwas zu denken.
So etwa, wie man sagt: “Die Technik leistet heute
eben Dinge, die du dir gar nicht vorstellen
kannst.”‒ ‒
Nun, da muß man herausfinden, was du dabei
denkst.
(Daß man versichert, diese Phrase ließe sich
denken – was kann ich damit machen?
Ihr Zweck ist ja nicht der, Nebel in unsrer Seele aufsteigen zu
lassen.)
Was || Was du meinst – wie ist
es herauszufinden?
Wir müssen geduldig prüfen, wie dieser Satz angewandt werden
soll.
Wie rund um ihn alles aussieht.
Da wird sich sein Sinn zeigen. (⇒42) – 45 – |
165.
Kann ich mir den Eindruck der individuellen Bekanntschaft
wegdenken, wo er ist; und hinzudenken, wo er nicht ist?
Und was heißt das?‒ ‒
Ich sehe z.B. das Gesicht eines
Freundes an und frage mich: Wie schaut dieses Gesicht aus,
wenn ich es als ein mir unbekanntes Gesicht || noch
nicht bekanntes ¤ sehe
(als sähe ich es etwa jetzt zum ersten Mal)?
Was bleibt sozusagen von dem Anblick des Gesichts, wenn ich den
Eindruck der Bekanntheit wegdenke, abziehe? –
Hier bin ich nun geneigt zu sagen: “Es ist
sehr schwer, die Bekanntheit von dem Eindruck des Gesichts
zu trennen.”
Aber ich fühle auch, daß das eine falsche Ausdrucksweise ist.
Ich weiß nämlich gar nicht, wie ich es auch nur versuchen soll,
diese beiden zu trennen.
Der Ausdruck “sie trennen” hat für mich keinen klaren
Sinn.
Ich weiß, was es heißt: “Stelle || Stell dir diesen Tisch vor, aber schwarz, obwohl er braun ist” || ”, obwohl er braun ist. Dem ist verwandt: “Male || Mal ein Bild dieses braunen Tisches, aber schwarz, statt braun” || ”, oder “Zeichne diesen Menschen, aber mit längeren Beinen, als er hat”. (⇒412) |
166.
Wie, wenn man sagte: “Denke dir diesen
Schmetterling, genau so, wie er ist, aber häßlich, statt
schön”!
Es fragt sich: was wird hier von uns verlangt? Das bedürfte erst einer Erklärung. (⇒413) |
167.
Wir haben in jenem Fall nicht bestimmt, was es heißen
soll, sich die Wohlbekanntheit wegdenken.
Es könnte etwa heißen, sich des Eindrucks entsinnen, den ich hatte, als ich das Gesicht zum ersten Male sah. (⇒414) |
168.
Die zeichnerische Darstellung des Innern eines Radioempfängers wird
für den, der gar nichts von diesen Dingen – 46 – weiß, ein Gewirr
sinnloser Striche sein.
Hat er aber den Apparat und seine Funktion kennen gelernt, so wird
die Zeichnung für ihn nun ein sinnvolles Bild sein.
Gegeben nun irgend eine mir || für mich jetzt sinnlose körperliche Gestalt – etwa im Bilde– || ; kann ich sie nach Belieben mir sinnvoll vorstellen? – Das wäre, als fragte man: “Kann ich mir einen beliebig geformten Gegenstand als Gebrauchsgegenstand vorstellen?” Aber für welchen Gebrauch? Man könnte sich z.B. Tonklumpen von beliebiger Form methodisch als Wohnungen von Tieren oder Menschen denken; oder als Waffen; oder als Modelle von Landschaften. Etc. Und hier weiß ich also, wie man || ich einer sinnlosen Form Sinn andichten kann. (⇒415) |
169.
Bin ich berechtigt, zu sagen, “Ich
kann
!!!!!!!!!!
nicht als Gestalt sehen”?
Was berechtigt mich dazu?
(Was berechtigt den Blinden, zu sagen, er könne nicht
sehen?) (⇒653) |
170.
Wozu dient ein Satz wie dieser: “Ein Jongleur, wie
Rastelli, muß Empfindungen haben,
die wir uns gar nicht vorstellen können”? (⇒654) |
171.
Wie, wenn Einer sagte: Ich kann mir nicht vorstellen, wie
das ist wenn man einen Sessel sieht, – außer wenn ich
ihn
gerade || gerade einen sehe”?
Wäre er || man berechtigt, das zu
sagen? (⇒655 ﹖) |
172.
Die Erfahrung: neue Erfahrungen kennen zu lernen.
Etwa beim Schreiben.
Wann sagt man, man habe eine Erfahrung kennen gelernt?
Wie gebraucht man so einen Satz? (⇒656) – 47 – |
173.
Was würden wir dem sagen, der behauptete, er könne sich genau
vorstellen, wie es ist, absolutes Gehör zu haben, ohne daß
er's hat? || wenn er's selbst nicht
hat. (⇒657) |
174.
Kannst du dir absolutes Gehör vorstellen, wenn du es nicht
hast? –
Kannst du es dir vorstellen, wenn du es
hast? –
Kann ein Blinder sich das Sehen vorstellen?
Kann ich mir es vorstellen? –
Kann ich mir vorstellen, daß ich so und so spontan reagiere, wenn
ich's nicht tue? –
Kann ich mir's besser vorstellen, wenn ich's
tue? (⇒232) |
175.
Wenn man fragt “Wie macht der Satz das, daß er
darstellt?”– so
könnte die Antwort sein: Weißt du es denn nicht?
Du siehst es doch, wenn du ihn benützt.”
Es ist ja nichts verborgen.
Wie macht der Satz das? – Weißt du es denn nicht? Es ist ja nichts versteckt. (Augustinus: Manifestissima et usitatissima sunt, et eadem rursus nimis latent, et nova est inventio eorum.) (⇒369) |
176.
Aber auf die Antwort “Du weißt ja, wie es der Satz
macht, es ist ja nichts verborgen” möchte man sagen:
“Ja, aber es fließt alles so rasch vorüber, und ich möchte
es gleichsam breiter auseinander gelegt sehen.”
Aber es || das hindert uns eben nicht am Ausdruck. – Was es heißt, etwas Entfliehendes in der Beschreibung festhalten zu wollen, wissen wir. Das geschieht etwa, wenn wir das Eine vergessen, während wir das Andere beschreiben wollen. Aber darum handelt es sich doch hier nicht. Und so ist das Wort “entfliehen” anzuwenden. (⇒369.1) – 48 – |
177.
Hier ist es leicht, in jene Sackgasse des Philosophierens zu
geraten, wo man glaubt, die Schwierigkeit der Aufgabe liege darin,
daß schwer erhaschbare Erscheinungen, die schnell entschlüpfende
gegenwärtige Erfahrung, oder dergleichen, von uns beschrieben werden
sollten.
Wo die gewöhnliche Sprache uns zu roh erscheint; und es scheint, als
haben wir es nicht mit den Phänomen zu tun, von denen der Alltag redet,
sondern “mit den leicht entschwindenden, die mit ihrem
Auftauchen und Vergehen jene ersteren annähernd
erzeugen”. Und da muß man sich daran erinnern, daß alle Phänomene, die uns nun so merkwürdig vorkommen, die ganz gewöhnlichen sind; die, wenn sie sich abspielen, uns nicht im geringsten auffallen. Sie kommen uns erst in der seltsamen Beleuchtung merkwürdig vor, die wir nun auf sie werfen, wenn wir philosophieren. (⇒396) |
178.
Was ist dein Ziel in der Philosophie? –
Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen. (⇒368﹖) |
№ 196 | 179.
“Der Gedanke, dieses seltsame Wesen” – aber er
kommt uns nicht seltsam vor, wenn wir denken.
Der Gedanke kommt uns nicht geheimnisvoll vor, während wir
denken,
sondern nur, wenn wir,, gleichsam
retrospektiv,
sagen || fragen:
“Wie war das möglich?” –
Wie war es möglich, daß der Gedanke von
diesen Menschen || diesem Menschen
selbst handelte?
Es scheint uns, als hätten wir mit ihm die Realität
eingefangen.
(Und wieder wie merkwürdig dieser Ausdruck “es scheint
uns als hätten wir ¤ …”
Philosophischer Superlativ.) (⇒557) |
180.
№ 196
Die Übereinstimmung, Harmonie, von Gedanke und Wirklichkeit liegt
darin, daß, wenn ich fälschlich sage, etwas
sei
rot, es doch immerhin nicht rot ist.
– 49 –
Und wenn ich Einem || jemandem das Wort “rot” im Satze
“Das ist nicht rot” erklären will, ich dazu auf
etwas Rotes zeige. (⇒531) |
181.
“Die Möglichkeit der Übereinstimmung bedingt schon
eine Übereinstimmung.” –
Denke, jemand sagte: “Schachspielenkönnen ist eine
Art des Schachspielens”! (⇒104) |
182.
Etwas tun können, erscheint uns wie ein Schatten des wirklichen Tuns,
gerade wie der Sinn des Satzes als Schatten einer Tatsache, oder das
Verstehen des Befehls als Schatten seiner Ausführung.
Im Befehl wirft die Tatsache gleichsam “ihren Schatten schon
voraus”.
Dieser Schatten aber, was immer er wäre, ist nicht das
Ereignis.
Das schattenhafte Antizipieren der Tatsache besteht darin, daß wir jetzt denken können, daß das eintreffen wird, was erst eintreffen wird. Oder: daß wir jetzt das (oder, an das) denken können, was erst eintreffen wird; was noch nicht vorhanden ist! (⇒515) |
183.
Man kann doch nur etwas sagen, wenn man sprechen gelernt
hat.
Wer also etwas sagen will, muß dazu auch gelernt haben,
eine Sprache zu beherrschen; und doch ist es klar, daß es beim
Sprechenwollen nicht sprechen mußte.
Wie er auch beim Tanzenwollen nicht tanzt.
Und wenn man darüber nachdenkt, so greift der Geist nach der Vorstellung des Tanzens, Redens, etc. (⇒217) |
184.
“Die Vorstellung muß ihrem Gegenstand ähnlicher sein, als
jedes Bild;
Denn || : denn, wie ähnlich ich auch das Bild dem
mache, was es darstellen soll, es kann immer noch das – 50 – Bild von etwas
anderem sein.
Aber die Vorstellung hat es in sich, daß sie die Vorstellung von
diesem, und von nichts anderem,
ist.” –
Man könnte so dahinkommen, die Vorstellung als ein Über-Bildnis zu
sehen. (⇒30, zu Nr. 286.1) |
185.
Jedes Zeichen scheint allein tot.
Was gibt ihm Leben? –
Im Gebrauch lebt es.
Hat es da den lebenden Atem in
sich? –
Oder ist der Gebrauch sein Atem? (⇒688) |
186.
“Lege einen Maßstab an diesen Körper an; er sagt nicht, daß
der Körper diese Länge hat.
Vielmehr ist er an sich, –ich möchte sagen, – tot, und
leistet nichts von dem, was der Gedanke leistet.” –
Es ist, als hätten wir uns eingebildet, das
Wesentliche am lebenden Menschen sei die äußere Gestalt, und hätten nun
einen Holzblock von dieser Gestalt hergestellt und sähen mit Beschämung
den toten Klotz, der auch keine Ähnlichkeit mit einem Lebewesen
hat. (⇒51) |
187.
“Zwischen dem Befehl und der Ausführung ist eine
Kluft.
Sie muß durch das Verstehen geschlossen werden.”
“Erst im Verstehen heißt es, daß wir das zu tun haben. Der Befehl– –das sind ja nur Laute, Tintenstriche.” (⇒21) |
188.
Was ich Leute lehren will, ist, von einem nicht offenkundigen
Unsinn übergehen zu einem offenkundigen. (⇒647) |
189.
Wenn wir einen Befehl geben, so kann es scheinen, als ob das
Letzte, was der Befehl wünscht, unausgedrückt
– 51
– bleiben muß, da immer noch eine Kluft zwischen
dem Befehl und seiner Befolgung bleibt.
Ich wünsche etwa, daß Einer eine bestimmte Bewegung macht, etwa den Arm
hebt.
Damit es ganz deutlich wird, mache ich ihm die Bewegung vor.
Dieses Bild scheint unzweideutig, bis auf die Frage: wie weiß er,
daß er diese Bewegung machen soll? –
Wie weiß er überhaupt, wie er die Zeichen, welche immer ich ihm
gebe, gebrauchen soll? –
Ich werde nun etwa trachten, den Befehl durch weitere Zeichen zu
ergänzen, indem ich von mir auf den Andern deute, Gebärden der
Aufmunterung mache, etc. Hier scheint es, als finge
der Befehl || fingen meine Zeichen zu stammeln an.
Als trachtete das Zeichen, mit unsichern Mitteln in uns ein Verständnis hervorzurufen. – Aber wenn wir es nun verstehen, – in welchen Zeichen tun wir das? (⇒546) |
191.
Der Wunsch scheint schon zu wissen, was ihn erfüllen wird, oder
würde; der Satz, der Gedanke, was ihn wahr macht, auch wenn es gar nicht
da ist!
Woher dieses Bestimmen,
dessen, was noch nicht da ist? – dieses despotische
Fordern?
(Vergl. “die Härte des logischen Muß”) (⇒57) |
192.
Mein Gedanke ist hier: Wenn Einer die Erwartung selbst
sehen könnte – er müßte sehen, || daß er sehen
müßte, was erwartet wird.
(So aber, daß es nicht noch einer
Projektionsmethode, Vergleichsmethode, bedürfte, um von dem, was er
sieht, zu der Tatsache zu kommen, die erwartet wird.)
– 52 –
Aber so ist es ja auch: Wer den Ausdruck der Erwartung sieht, sieht ‘was erwartet wird’. (⇒53) |
193.
Ich sehe, wie Einer das Gewehr anlegt, und
sage: “Ich erwarte mir einen
Krach”.
Der Schuß fällt. –
Wie, das hast du dir erwartet; war also dieser Krach irgendwie schon
in deiner Erwartung?
Oder stimmt deine Erwartung nur in anderer Hinsicht mit dem
Eingetretenen überein; war dieser Lärm nicht in deiner Erwartung
enthalten und kam nur als Akzidens hinzu, als die
Erwartung erfüllt wurde?
– Aber nein, wenn der Lärm nicht eingetreten wäre, so wäre meine
Erwartung nicht erfüllt worden; der Lärm hat sie erfüllt; er gesellte
sich nicht zur Erfüllung, wie ein zweiter Gast zu dem einen, den ich
erwartet hatte. –
War das am Ereignis, was nicht auch in der Erwartung war, ein
Akzidens, eine Beigabe der Schickung? –
Aber was war denn dann nicht Beigabe?
Kam denn irgend etwas von diesem Schuß schon in meiner Erwartung
vor? –
Und was war denn Beigabe; – denn hatte ich mir nicht
den ganzen Schuß erwartet?
“Der Knall war nicht so laut, als ich ihn erwartet hatte.” – “Hat es also in deiner Erwartung lauter geknallt?” (⇒510) |
194.
“Das Rot, das du dir vorstellst, ist doch gewiß nicht
dasselbe (dieselbe Sache), wie das, was du vor dir
siehst.
Wie kannst du dann sagen, es sei das, was du dir vorgestellt
hattest?” –
Aber verhält es sich nicht analog in den Sätzen “Hier
ist ein roter Fleck” und “Hier ist kein roter
Fleck”?
In beiden kommt das Wort “rot” vor; also kann dieses
Wort nicht das Vorhandensein von etwas Rotem anzeigen. (⇒511) – 53 – |
195.
Komisch wäre es, zu sagen: “ein Vorgang sieht anders
aus, wenn er geschieht, als wenn er nicht geschieht.”
Oder: “Ein roter Fleck
sieht anders aus, wenn er da ist, als wenn er nicht da ist, – aber
die Sprache abstrahiert von diesem Unterschied; sie spricht
von einem roten Fleck, ob er da ist oder nicht.” (⇒512) |
196.
Ich will sagen: “Wenn Einer die Erwartung, den
geistigen Vorgang, sehen könnte, müßte er sehen, was erwartet
wird.” || Ich will sagen, – wenn Einer die Erwartung, den
geistigen Vorgang, sehen könnte, – || : daß er sehen
müßte, was erwartet
wurde. –
Aber so ist es ja auch: Wer den
Ausdruck der Erwartung sieht, sieht, was erwartet wird.
Und wie könnte man es auf andere Weise, in anderem Sinne,
sehen? (⇒507) |
197.
Wer mein Erwarten wahrnähme, müßte unmittelbar wahrnehmen,
was erwartet wird.
D.h.: || , nicht aus dem
wahrgenommenen Vorgang darauf schließen. –
Aber zu sagen, Einer nehme die Erwartung wahr, hat keinen
Sinn. –
Es sei denn etwa den: er nehme den
‘Ausdruck der Erwartung’ wahr.
Vom Erwartenden zu sagen, er nehme die Erwartung wahr, statt, er
erwarte, wäre blödsinnige Verdrehung des Ausdrucks. (⇒630) |
198.
Man möchte fragen: “Hätte Einer, der in dein
Inneres zu sehen im Stande wäre, dort sehen können, daß du
das sagen wolltest?”
Angenommen, ich hätte mir meinen Vorsatz auf einem Zettel notiert, so hätte ein andrer meinen Vorsatz dort lesen können. Und kann ich mir denken, daß er ihn auf irgend – 54 – einem Wege hätte
sicherer erfahren können, als so? (⇒203) |
199.
“Der Befehl befiehlt seine Befolgung.”
So kennt er seine Befolgung, schon ehe sie da ist? –
Aber es war ein grammatischer Satz; und
er sagt: Wenn ein Befehl lautet
“Tue || Tu
das und das!”, dann nennt man “das und das
tun” das Befolgen dieses Befehls. (⇒58) |
200.
Wir sagen “Der Befehl befiehlt dies”
und tun es; aber auch: “Der Befehl befiehlt
dies:” – und nun erklären wir ihn.
Wir übertragen ihn einmal in einen Satz, einmal in eine Vorführung, und einmal in die Tat. (⇒59) |
201.
Erkläre
Einem,¤ || : die
Zeigerstellung, die du aufgezeichnet hast, solle ausdrücken:
die Zeiger dieser Uhr stünden jetzt so. ‒ ‒
Die Unbeholfenheit, mit der das Zeichen, wie ein Stummer, durch
allerlei suggestive Gebärden sich verständlich zu machen
sucht; –
sie || . Sie verschwindet,
wenn wir erkennen, daß es aufs
System ankommt, dem das Zeichen angehört.
Man wollte sagen: nur der Gedanke kann es sagen, das Zeichen nicht. (⇒55) |
202.
“Es liegt schon alles in …” –
Wie kommt es, daß der Pfeil →
zeigt?
Scheint er nicht schon etwas außerhalb seiner selbst in sich zu
tragen? –
“Nein, es ist nicht der tote
Strich; nur das Psychische, die Bedeutung, kann
dies.” –
Das ist wahr und falsch.
Der – 55 – Pfeil
zeigt nur in der Anwendung, die das Lebewesen
von ihm macht.
Dieses Zeigen ist nicht ein Hokuspokus, das nur die Seele vollziehen kann. (⇒298) |
203.
Die Intention scheint zu interpretieren, die
endgültige Interpretation zu geben; aber nicht ein weiteres
Zeichen oder Bild, sondern etwas Anderes; das, was man nicht wieder
interpretieren kann.
Aber ein psychologisches Ende ist erreicht, kein logisches.
Denken wir eine Zeichensprache, eine ‘abstrakte’, ich meine eine, die uns fremd ist, in der wir uns nicht heimisch fühlen, in der, wie wir sagen würden, wir nicht denken; und denken wir uns diese Sprache interpretiert durch eine Übersetzung in eine, unzweideutige Bildersprache, eine Sprache, die aus perspektivisch gemalten Bildern besteht. Es ist ganz klar, daß es viel leichter ist, sich verschiedene Deutungen der Schriftzeichen zu denken, als eines in gewohnter Art gemalten Bildes. Hier werden wir auch geneigt sein, zu denken, es gebe keine Möglichkeit der Deutung mehr. (⇒548) |
204.
“Nur das intendierte Bild reicht als Maßstab an die
Wirklichkeit heran.
Von außen betrachtet steht es gleichsam tot und isoliert
da.” –
Es ist, als hätten wir ein Bild erst so angeschaut, daß wir in ihm
leben und die Gegenstände in ihm uns als wirkliche umgeben,
– und dann träten wir zurück und wären nun außerhalb,
sähen den Rahmen, und das Bild wäre eine bemalte Fläche.
So, wenn wir intendieren, umgeben uns die Bilder der Intention und
wir leben unter ihnen.
Aber wenn wir aus der Intention heraustreten, so sind es bloße Flecke
auf einer Leinwand, ohne Leben und – 56
– ohne Interesse für uns.
Wenn wir intendieren, leben wir im Raum der Intention, unter den
Bildern (Schatten) der Intention, zugleich mit den wirklichen
Dingen.
Denken wir, wir sitzen im verdunkelten Kino und leben im Film.
Der Saal wird nun erhellt, aber das Lichtspiel auf der Leinwand
geht weiter.
Aber jetzt stehen wir plötzlich außerhalb, und sehen es als
Bewegungen von lichten und dunkeln Flecken¤ auf
einer || der Leinwand.
(Im Traum geschieht es manchmal, daß wir eine Geschichte erst lesen und dann in ihr selbst agieren. Und nach dem Aufwachen aus einem Traum ist es manchmal, als wären wir aus dem Traum heraus zurückgetreten und sehen ihn jetzt, als ein fremdes Bild, vor uns.) Und es heißt auch etwas: “in den Seiten eines Buches leben”. (⇒550) |
205.
Sehe ich das gedachte Symbol “von außen” an, so kommt
es mir zum Bewußtsein, daß es so und so gedeutet werden
könnte; ist es eine Stufe meines Gedankenweges, so ist es
ein mir natürlicher Aufenthalt, und es beschäftigt (und beunruhigt)
mich seine andere Deutbarkeit nicht. –
Wie die Tabelle, der Fahrplan, mir wohlvertraute
Gefährten || Werkzeuge sind, ohne daß es
mich beschäftigt || mir einfällt, daß eine
Tabelle verschiedene Deutungen
zuläßt || zulasse. (⇒552) |
206.
Wenn ich den Vorgang der Intention beschreiben will, so fühle ich
zuerst, daß sie noch am ehesten leisten kann, was sie soll, wenn sie ein
äußerst getreues Bild von dem ist, was intendiert wird.
Aber ferner, daß auch das nicht ausreicht, weil ja das Bild, was
immer es ist, sich verschieden deuten läßt; daß also dieses Bild doch
wieder isoliert dasteht.
Wie man das Bild allein ins Auge faßt, ist es plötzlich tot,
und es ist, als wäre ihm hier etwas genommen– 57 – worden, was es
zuvor belebt hatte.
Es ist kein Gedanke, keine Intention; und wovon immer wir es uns
begleitet denken, durch artikulierte
wie || oder unartikulierte Vorgänge, und
durch welche || von welchen Empfindungen immer,
– es bleibt isoliert, weist nicht aus sich heraus auf
eine Realität außer ihm.
Nun sagt man: “Freilich intendiert das Bild nicht, sondern wir müssen mit ihm etwas intendieren”. Aber wenn dieses Intendieren, Meinen, wieder etwas ist, was mit dem Bild geschieht, || vorgenommen wird, so sehe ich nicht ein, warum der || dieser Vorgang an einen Menschen gebunden sein soll. Man kann ja auch den Vorgang der Verdauung als chemischen Prozeß studieren, unabhängig davon, ob er in einem Lebewesen stattfindet. Wir wollen sagen: “Das Meinen ist doch wesentlich ein geistiger Vorgang, ein Vorgang des bewußten Lebens, nicht der toten Materie.” Aber was soll einen || das Wesen eines solchen ausmachen, als || wenn nicht die spezifische Art dessen || desjenigen, was vorgeht – solange wir eben an einen Vorgang denken. Und nun scheint es uns, als ob gar kein Vorgang, welcher Art immer, das Intendieren sein kann. – Wir sind eben hier mit der Grammatik des ‘Vorgangs’ nicht zufrieden; und nicht ein spezifischer Vorgang genügt uns nicht || der eine oder andere Vorgang genügt uns nicht || nicht mit dem oder jenem Vorgang || nicht unzufrieden mit einem spezifischen Vorgang. – Man könnte sagen: jeden Vorgang würden wir in diesem Sinne “tot” nennen! (⇒553) |
208.
Wir wollen sagen: “Wenn wir meinen, so ist hier
kein totes Bild (welcher Art immer),
sondern es ist, als gingen wir auf jemand zu.”
Wir gehen auf das Gemeinte zu. (⇒560) – 58 – |
210.
Ich sehe ein Bild: Es stellt einen alten Mann dar,
der, auf einen Stock gestützt, einen steilen Weg aufwärts
geht. –
Und wie das?
Konnte es nicht auch so aussehen, wenn er in dieser Stellung die Straße
hinunterrutsche? –
Ein Marsbewohner würde das Bild vielleicht so beschreiben.
Ich brauche nicht zu erklären, warum wir es nicht so
beschreiben. (⇒335) [Wir sind geneigt eine Situation |
211.
Denk an das Paradox: daß es etwas Weiches eigentlich nicht gibt;
denn auch das weichste Kissen hat, wenn ich darauf liege,
eine bestimmte Form, und die könnte auch nicht bestimmter
sein, wenn sie aus Stahl wäre.
(Der Pfeil der sich nie bewegt). (⇒481) |
212.
“Der Plan ist als Plan etwas Unbefriedigtes.
(Wie der Wunsch, die Erwartung, die Vermutung
u.s.f.)”
Und hier meine ich: Die Erwartung ist unbefriedigt, weil sie die Erwartung von etwas ist; der Glaube, die Meinung, unbefriedigt, weil sie die Meinung ist, daß etwas der Fall ist, etwas Wirkliches, etwas außerhalb dem Vorgang des Meinens. (⇒56) |
213.
In wiefern kann man den Wunsch als solchen, die Erwartung, den
Glauben, etc. “unbefriedigt”
nennen?
Was ist unser Urbild der Unbefriedigung?
Ist es ein Hohlraum?
Und würde man von einem solchen sagen, er
sei unbefriedigt; wäre das nicht auch eine Metapher?
Ist es nicht ein Gefühl, was wir Unbefriedigung nennen; etwa den
Hunger? – 59
–
Wir können in einem bestimmten System des Ausdrucks einen Gegenstand
mittels der Worte “befriedigt”
und “unbefriedigt” beschreiben.
Wenn wir z.B. festsetzen, den Hohlzylinder einen
“unbefriedigten Zylinder” zu nennen, und den ihn
ergänzenden Vollzylinder, seine “Befriedigung”.
(⇒508) |
214.
“Eine Erwartung ist so gemacht, daß,
was immer kommt, mit ihr übereinstimmen muß oder nicht.”
(⇒50) |
215.
In wiefern antizipiert denn der Befehl die
Ausführung?
Dadurch, daß er das jetzt befiehlt, was später
ausgeführt wird? –
Aber es müßte ja heißen: “was später ausgeführt,
oder auch nicht ausgeführt wird”.
Und das sagt nichts.
“Aber, wenn auch mein Wunsch nicht bestimmt, was der Fall sein wird, so bestimmt er doch sozusagen das Thema einer Tatsache; ob die nun den Wunsch erfüllt, oder nicht.” Ich wundere mich, gleichsam, nicht darüber, daß Einer die Zukunft weiß; sondern darüber, daß er überhaupt prophezeien kann (richtig oder falsch)! Als nähme die bloße Prophezeiung, gleichgültig, ob richtig oder falsch, schon einen Schatten der Zukunft voraus. – Während sie doch über die Zukunft nichts weiß; und weniger als nichts nicht wissen kann. (⇒527) |
216.
Man scheint etwas über den Zustand der Schmerzlosigkeit zu sagen,
wenn man sagt, daß er die Möglichkeit des Schmerzes enthalten
muß.
Man redet aber nur vom System der Bilder, das wir verwenden.
(⇒493) |
217.
Das Gefühl ist, als müßte der verneinende Satz, um einen Satz zu
verneinen, ihn erst in gewissem Sinne wahr – 60
– machen.
Die Behauptung des verneinenden Satzes enthält den verneinten Satz, aber nicht dessen Behauptung. (⇒494) |
218.
“Wenn ich sage, ich habe heute Nacht nicht
geträumt, so muß ich doch wissen, wo nach dem Traum zu suchen
wäre (d.h., der Satz ‘Ich habe
geträumt’ darf, auf die tatsächliche Situation angewendet,
falsch, aber nicht unsinnig sein).”
Heißt das also, daß du doch etwas gespürt hast, sozusagen die Andeutung eines Traums, die dir die Stelle bewußt macht, an der ein Traum gestanden hätte? Oder: Wenn ich sage “Ich habe keine Schmerzen im Arm” heißt das, daß ich einen Schatten eines Schmerzgefühls habe, der gleichsam die Stelle andeutet, in die der Schmerz eintreten könnte? In wiefern enthält der gegenwärtige, schmerzlose Zustand die Möglichkeit der Schmerzen? Wenn Einer sagt: “Damit das Wort ‘Schmerz’ Bedeutung habe, ist es notwendig, daß man Schmerzen als solche erkennt, wenn sie auftreten” – so kann man antworten: “Es ist nicht notwendiger, als daß man das Fehlen der Schmerzen erkennt.” (⇒70) |
219.
“Aber muß man nicht wissen, wie es wäre, wenn ich Schmerzen
hätte?” –
Man kommt nicht davon weg, daß die Benützung des Satzes darin besteht,
daß man sich bei jedem Wort etwas vorstelle.
Die Anwendung des Satzes ist nicht die, die ein solches Vorstellen fordert. Immer wieder möchte man sich den Sinn eines Satzes, also seine Verwendung, in einem seelischen Zustand des Redenden oder Hörenden konzentriert – 61
– denken.
Man denkt nicht, daß man mit den Worten rechnet,
operiert, sie mit der Zeit in dies oder jenes Bild
überführt. –
Sondern ihr Sinn, d.i. aber ihr Zweck, soll in
einer Art Bild liegen, das sie im Geist des Sprechers
erzeugen.
Es ist ganz so, als glaubte man, daß etwa die schriftliche Anweisung
auf eine Kuh, die mir Einer ausfolgen soll, immer von einer
Vorstellung einer Kuh begleitet sein müsse, damit diese Anweisung
nicht ihren Sinn verliere.
Wenn wir dem Arzt mitteilen, wir hätten Schmerzen – in welchen Fällen ist es nützlich, daß er sich einen Schmerz vorstelle? – Und geschieht dies nicht auf sehr mannigfache Weise? (So mannigfache, wie: sich an einen Schmerz erinnern.) (⇒71) |
220.
Man kommt nicht davon weg, daß der Sinn des
Satzes den Satz begleitet; bei dem Satz steht. (⇒72) |
221.
Der Gedanke || Zu denken daß uns erst
das Finden zeigt || zeige, was wir
gesucht, erst die Erfüllung des Wunsches, was wir gewünscht haben,
heißt, den Vorgang so beurteilen, wie die Symptome der
Erwartung, oder des Suchens, bei einem
Andern.
Ich sehe ihn unruhig in seinem Zimmer auf und
ab gehen; da kommt jemand zur Tür herein, und er wird ruhig und gibt
Zeichen der Befriedigung.
Und nun sage ich: “Er hat offenbar diesen Menschen
erwartet”. (⇒521﹖) |
222.
Wir sagen, der Ausdruck der Erwartung ‘beschreibe’
die erwartete Tatsache, und denken an sie, wie an einen
Gegenstand oder Komplex, der als Erfüllung der
Erwartung in die Erscheinung tritt. –
Aber der Erwartete ist nicht die – 62
– Erfüllung, sondern: daß er kommt.
Der Fehler ist tief in unserer Sprache verankert: Wir sagen “ich erwarte ihn” und “ich erwarte sein Kommen” und “ich erwarte, daß er kommt”. (⇒516) |
223.
¤Es ist uns schwer, von dem Vergleich
loszukommen: der Mensch tritt ein – das Ereignis tritt
ein.
Als wäre das Ereignis schon vorgebildet vor der Tür der Wirklichkeit
und würde nun in diese (wie in ein Zimmer) eintreten. (⇒517) |
224.
Ich kann ihn suchen, wenn er nicht da ist, aber ihn nicht hängen, wenn
er nicht da ist.
Man könnte sagen wollen: “Da muß er doch auch dabei sein, wenn ich ihn suche.” – Dann muß er auch dabei sein, wenn ich ihn nicht finde, und auch, wenn es ihn gar nicht gibt. (⇒518) |
225.
“Den hast du gesucht?
Du konntest ja nicht einmal wissen, ob er da
ist!”
(Vergleiche: dagegen das || einen
Menschen suchen mit dem Suchen nach der Dreiteilung des
Winkels.) (⇒519) |
226.
Sokrates zu
Theaitetos: “Und
wer vorstellt, sollte nicht etwas
vorstellen?” –
Th.:
“Notwendig.” –
Sok.:
“Und wer etwas vorstellt, nichts
Wirkliches?” –
Th.:
“So scheint es.”
Und wer malt, sollte nicht etwas malen – und wer etwas malt, nichts Wirkliches? – Ja, was ist das Objekt des Malens: das Bild, oder ein Gegenstand, den es vorstellt || darstellt? (⇒371) – 63 – |
227.
Zweideutiger Gebrauch des Wortes “Bild”.
Man will sagen: ein Befehl sei ein Bild der Handlung, die nach
ihm ausgeführt wurde; aber auch, ein Bild der Handlung, die nach ihm
ausgeführt werden soll. (⇒102) |
228.
“Verbindung des Bildes mit dem Abgebildeten”
könnte man die Projektionsstrahlen nennen; aber auch die Technik des
Projizierens. (⇒103﹖) |
229.
Könnte man zur Erklärung des Wortes “rot” auf etwas
weisen, was nicht rot ist?
Das wäre ähnlich, wie wenn man Einem, der der deutschen Sprache nicht
mächtig ist, das Wort “bescheiden” erklären sollte, und
man zeigte zur Erklärung auf einen arroganten Menschen und sagte
“Dieser ist nicht bescheiden”.
Es ist kein Argument gegen eine solche Erklärungsweise, daß sie
vieldeutig ist.
Jede Erklärung kann mißverstanden werden.
Wohl aber könnte man fragen: Sollen wir das noch eine “Erklärung” nennen? – Denn sie spielt im Kalkül natürlich eine andere Rolle, als das was wir gewöhnlich “hinweisende Erklärung” des Wortes “rot” nennen; auch wenn sie die selben praktischen Folgen, dieselbe Wirkung auf den Lernenden hätte. (⇒522) |
230.
Man glaubt vielleicht, daß man sich im Satz “Ich
erwarte, daß er kommt” der Worte “er
kommt” in anderer Bedeutung bedient, als in der Behauptung
“Er kommt”.
Aber wäre es so, wie könnte ich davon reden, daß meine Erwartung in
Erfüllung gegangen ist?
Wollte ich die beiden Wörter “er” und
“kommt” erklären, etwa durch hinweisende
Erklärungen, es würden Nun könnte man aber fragen: Wie schaut das aus, wenn er kommt? – Es geht die Tür auf, jemand tritt ein, etc. – Wie schaut das aus, wenn ich erwarte, daß er kommt? – Ich gehe im Zimmer auf und ab, sehe zuweilen auf die Uhr, etc. Aber der eine Vorgang hat ja mit dem andern nicht die geringste Ähnlichkeit! Wie kann man dann die selben Wörter || Worte zu ihrer Beschreibung gebrauchen? – Aber nun sage ich vielleicht beim Auf-und-ab-gehen: “Ich erwarte, daß er hereinkommt”. – Nun ist eine Ähnlichkeit da: aber || Aber welcher Art ist sie?! [p ~p] (⇒523) |
232.
Die Erfüllung der Erwartung besteht nicht darin, daß ein Drittes
geschieht, das man außer eben als die “Erfüllung dieser
Erwartung” auch noch anders beschreiben könnte; also
z.B. als ein Gefühl der Befriedigung, oder der
Freude, oder wie immer.
Die Erwartung, daß etwas der Fall sein
wird, ist das Gleiche wie die Erwartung der Erfüllung
jener || der Erwartung.
Könnte die Rechtfertigung einer Handlung als Befolgung eines Befehles so lauten: “Du hast gesagt ‘bring mir eine gelbe Blume’, und diese hier hat mir daraufhin ein Gefühl der Befriedigung gegeben, darum habe ich sie gebracht”? (⇒525) |
233.
Wir sind durch eine bestimmte Abrichtung, Erziehung, so eingestellt,
daß wir unter bestimmten Umständen Wunschäußerungen von uns
geben.
(Ein solcher ‘Umstand’ ist
natürlich nicht der Wunsch.)
Eine Frage, ob ich weiß, – 65
– was ich wünsche, ehe mein Wunsch erfüllt ist,
kann in diesem Spiele gar nicht auftreten.
Und daß ein Ereignis meinen Wunsch zum Schweigen bringt, bedeutet
nicht, daß es den Wunsch erfüllt.
Ich wäre vielleicht nicht befriedigt, wäre mein Wunsch befriedigt
worden.
Anderseits wird auch das Wort “wünschen” so gebraucht: “Ich weiß selbst nicht, was ich mir wünsche.” (“Denn die Wünsche verhüllen uns selbst das Gewünschte.”) (⇒244) |
234.
Ich gebe ihm einen Befehl: “Setze die Reihe
–...–...–...–
fort.”
Nun, was will ich, daß er tun soll?
Die beste Antwort, die ich mir selbst darauf geben kann, ist:
selber diesen Befehl ein Stück weit auszuführen.
Oder glaubst du, ein algebraischer
Ausdruck dieser Regel setze weniger voraus? (⇒275) |
235.
Einem beschreiben, wie man einer Regel folgt, || Regeln
folgt, heißt, ihn lehren, Regeln
zu folgen. (⇒341) |
236.
Was wir, in einer Umgebung, die zu beschreiben äußerst langwierig wäre,
“einer Regel folgen” nennen,
würden wir, wenn es isoliert dastünde, gewiß nicht so
nennen. (⇒278﹖) |
237.
Damit es mir erscheinen kann, als hätte die Regel alle ihre Folgesätze
im || zum Voraus erzeugt, müssen sie mir
selbstverständlich sein.
So selbstverständlich, wie es mir ist,
diese Farbe “blau” zu nennen.
(Kriterien dafür, daß dies mir
‘selbstverständlich’ ist.) (⇒336) – 66 – |
238.
Woher die Idee, es wäre die angefangene Reihe ein sichtbares Stück
unsichtbar bis ins Unendliche gelegter Geleise? –
Nun, die Regel führt uns wie ein
Geleise.
Und der nicht begrenzten Anwendung der Regel entsprechen
unendliche Geleise. (⇒337) |
239.
“Die Übergänge sind eigentlich alle schon gemacht”
heißt, ich habe keine Wahl mehr.
Die Regel, einmal mit einer bestimmten Bedeutung gestempelt,
zieht die Linien ihrer Befolgung durch den ganzen
Raum.
Aber wenn so etwas wirklich stattfände || der Fall wäre, was hülfe es mir? Nein, meine Beschreibung hatte nur Sinn, wenn sie symbolisch zu verstehen war. – So kommt es mir vor – sollte ich sagen. Wenn || Während ich der Regel folge, wähle ich nicht. (⇒596) |
241.
Mein symbolischer Ausspruch war eigentlich
eine mythologische Beschreibung des Gebrauchs einer Regel.
(⇒599) |
242.
“Aber du siehst doch …!” –
Nun, das ist eben die charakteristische
Äußerung Eines, der von der Regel gezwungen ist. (⇒622) |
243.
Hier ist die Versuchung überwältigend, noch etwas zu sagen, wenn schon
alles beschrieben ist. –
Woher dieser – 67
– Drang?
Welche Analogie, welche falsche Interpretation
erzeugt ihn? (⇒276﹖) |
244.
Ich glaube, im Reihenstück ganz fein eine Zeichnung zu erblicken, die
nur noch des “u.s.w.”
bedarf, um in die Unendlichkeit zu reichen.
“Ich erblicke einen charakteristischen Zug in ihr.” – Nun, doch etwas, was dem algebraischen Ausdruck entspricht. – “Ja; aber nicht Geschriebenes, sondern förmlich etwas Ätherisches.” – Welches seltsame Bild. – “Etwas, was nicht der algebraische Ausdruck ist, sondern wofür dieser nur eben der Ausdruck ist.” (⇒623) |
245.
Statt etwas zu hypostasieren, stell fest, daß du die Neigung
dazu hast || hast dies zu tun;
und nun erkläre diese Neigung. (⇒625) |
246.
Nicht umhin können – wenn wir uns philosophischen Gedanken
hingeben – das und das zu sagen, unwiderstehlich dazu neigen, dies
zu sagen, heißt nicht, zu einer Annahme
gezwungen sein, oder, einen
Sachverhalt unmittelbar einsehen, oder wissen.
(⇒627) |
248.
“Die Linie gibt mir ein, wie ich gehen soll” –
Das paraphrasiert nur: sie sei meine
letzte Instanz dafür, wie ich gehen soll. (⇒604) – 68 – |
249.
Denke dir, Einer folgte einer Regel || Linie als
Regel auf diese Weise: Er hält einen Zirkel, dessen eine
Spitze er der Regel-Linie entlang führt, während die andre
Spitze die Linie zieht, die der Regel folgt.
Und wie || während er so der
Regel-Linie || Regel
entlang fährt, verändert er
immer || allmählich die Öffnung des
Zirkels, anscheinend || wie es
scheint mit großer Genauigkeit, wobei er immer auf
die Linie || Regel schaut, als
bestimmte || bestimme
sie sein Tun.
Wir nun, die ihm zusehen, sehen keinerlei Regelmäßigkeit in
diesem Öffnen und Schließen des Zirkels.
Wir können seine Art, der Linie zu folgen, von ihm nicht
lernen.
Wir glauben ihm aber, die Linie habe ihm eingegeben, was er zu
tun hatte.
Wir würden hier vielleicht sagen: “Die Vorlage scheint ihm einzugeben, wie er zu gehen hat. Aber sie ist keine Regel.” (⇒605) |
250.
Man fühlt nicht, daß man immer des Winkes (der Einflüsterung)
der Regel gewärtig sein muß.
Im Gegenteil.
Wir sind nicht gespannt darauf, was sie uns wohl jetzt sagen wird,
sondern sie sagt uns immer dasselbe; und wir
tun, was sie uns sagt.
Könnte man sagen: wir sehen, was wir beim Befolgen der Regel tun, unter dem Gesichtspunkt des immer Gleichen an? Man könnte dem, den man abrichtet, sagen: “Sieh, ich tue immer das Gleiche: ich …” (⇒339) |
251.
Nimm an, Einer folgt der Reihe x = 1, 3, 5, 7, … , indem er
die Reihe der x²
+ 1 hinschreibt; und er fragte sich:
“Aber tue ich auch immer das
Gleiche || gleiche, oder jedesmal
etwas
Anderes || anderes?”
Wer von einem Tag auf den andern verspricht “Morgen will ich dich bezahlen” – sagt der jeden Tag das Gleiche || gleiche; – 69 – oder jeden Tag etwas
anderes? (⇒607) |
252. ⋎
Hätte es einen Sinn, zu sagen:
“Wenn er jedesmal etwas anderes täte,
würden wir nicht sagen: || ,
er folge einer Regel”?
Das hat keinen Sinn. (⇒608﹖) [Was für die Reihe 2, 4, 6, 8, 10 … gilt, gilt auch für die Reihe 2, 2, 2, 2, 2 …] |
253.
Aber ist nicht gleich: gleich?
Für die Gleichheit scheinen wir ein unfehlbares Paradigma zu haben in der Gleichheit eines Dinges mit sich selbst. Ich will sagen: “Hier kann es doch nicht verschiedene Deutungen geben. Wenn er ein Ding vor sich sieht, so sieht er auch Gleichheit.” Also sind zwei Dinge gleich, wenn sie so sind wie ein Ding? Und wie soll ich nun das, was mir das eine Ding zeigt, auf den Fall der zwei Dinge anwenden? (⇒677) |
254.
“Ein Ding ist mit sich selbst identisch.” –
Es gibt kein schöneres Beispiel eines nutzlosen Satzes, der aber
doch mit einem Spiel der Vorstellung verbunden ist.
Es ist, als legten wir das Ding, in der Vorstellung, in seine
eigene Form hinein, und sähen, daß es paßt.
Wir könnten auch sagen: “Jedes Ding paßt in sich selbst.” Oder anders: “Jedes Ding paßt in seine eigene Form hinein.” Man schaut dabei ein Ding an und stellt sich vor, daß der Raum dafür ausgespart war und es nun genau hineinpaßt. ’Paßt’ || ‘Paßt’ dieser Fleck in seine weiße Umgebung? – Aber genau so würde es aussehen, wenn statt seiner erst ein Loch gewesen wäre und er nun genau hineinpaßte. Mit dem Ausdruck “er paßt” wird eben nicht einfach dies Bild beschrieben. Nicht einfach diese Situation. “Jeder Farbfleck paßt genau in seine Umgebung” ist – 70 – ein spezialisierter
Satz der Identität. (⇒678) |
256.
Das Wort “Übereinstimmung” und das Wort
“Regel” sind miteinander verwandt, sie
sind Vettern.
Lehre ich Einen den Gebrauch des einen
Wortes, so lernt er damit auch den Gebrauch des andern.
(⇒282) |
257. 258.
Nimm an, eine Linie gebe mir ein, wie ich ihr folgen soll;
d.h., wenn ich ihr mit den Augen nachgehe, so sagt
mir etwa eine innere Stimme: “Zieh
so!” –
Nun, was ist der Unterschied zwischen diesem Vorgang, einer
Art Inspiration zu folgen, und dem,
einer Regel zu folgen?
Denn sie sind doch nicht das Gleiche.
In dem Fall der Inspiration warte ich auf die
Anweisung.
Ich werde einen andern nicht meine ‘Technik’ lehren
können, der Linie zu folgen.
Es sei denn, ich lehre ihn eine Art des Hinhorchens,
der Rezeptivität.
Aber dann kann ich natürlich nicht verlangen, daß er der Linie so
folge, wie ich. (Dies sind nicht meine Erfahrungen vom Handeln nach einer Inspiration und nach einer Regel, sondern grammatische ¤ Anmerkungen.) (⇒609) |
258.
Man könnte sich auch so einen Unterricht in einer Art von Rechnen
denken.
Die Kinder können dann, ein jedes
auf seine Weise, rechnen;
Solange || solange
sie nur auf die innere Stimme horchen und ihr folgen. –
Dieses Rechnen wäre wie ein Komponieren. (⇒610) – 71 – |
259.
Man könnte sich denken, daß Einer mit solchen Gefühlen multipliziert,
richtig multipliziert; immer wieder
sagt: “Ich weiß nicht – jetzt gibt mir die
Regel auf einmal das ein!” – und daß
wir antworten: “Freilich; du gehst ja ganz nach der
Regel vor.” (⇒615) |
260.
Aber könnten wir nicht auch rechnen, wie wir rechnen (alle
übereinstimmend, etc.) und
doch bei jedem Schritt das Gefühl haben, von den Regeln wie von einem
Zauber geleitet zu werden; erstaunt darüber vielleicht, daß wir
übereinstimmen?
(Der Gottheit etwa für diese Übereinstimmung
dankend.) (⇒616) |
261.
Die Kunstrechner, die zum richtigen Resultat gelangen, aber nicht sagen
können, wie.
Sollen wir sagen, sie rechnen nicht?
(Eine Familie von Fällen.)
(⇒612) |
262.
Es bricht kein Streit darüber aus (z.B. zwischen
Mathematikern) ob der Regel
gemäß vorgegangen wurde, oder nicht.
Es kommt darüber z.B. nicht zu
Tätlichkeiten.
Das gehört zu dem Gerüst, von welchem aus unsere Sprache wirkt
(z.B. eine Beschreibung gibt).
(⇒277) |
263.
Zur Verständigung durch die Sprache gehört nicht nur eine
Übereinstimmung in den Definitionen, sondern (so seltsam dies
klingen mag) eine Übereinstimmung in den
Urteilen.
Dies scheint die Logik aufzuheben; hebt sie aber nicht auf. –
Eines ist, die
Methode || Meßmethode zu
beschreiben, ein Anderes, Messungsergebnisse zu finden und
auszusprechen.
Aber was wir “messen” nennen, ist
auch durch eine gewisse Konstanz der – 72
– Messungsergebnisse bestimmt. (⇒279) |
264.
Die Ursachen, warum wir einen Satz glauben, sind für die Frage, was es
denn ist, das wir glauben, allerdings gleichgültig; aber nicht die
Gründe, – die ja mit dem Satz grammatisch verwandt sind und uns
sagen, wer er ist. (⇒457) |
265.
Die Frage “Warum glaubst du das?” kann
bedeuten: “Aus welchen Gründen leitest du das jetzt
ab (hast du es || das jetzt
abgeleitet)?” –
Aber auch: “Welche Grunde kannst du mir
nachträglich für diese Annahme angeben?” (⇒462) |
266.
Man könnte also unter “Gründen” zu einer Meinung
tatsächlich nur das verstehen, was Einer sich vorgesagt hat, ehe er zu
der Meinung kam.
Die Rechnung, die er tatsächlich ausgeführt hat. (⇒463) |
267.
“Ich verlasse das Zimmer, weil du es
befiehlst.” –
“Ich verlasse das Zimmer, nicht weil du es
befiehlst.”
Beschreibt dieser Satz einen Zusammenhang meiner
Handlung mit seinem || einem
Befehl? (⇒628) |
268.
Nach den Gründen zu einer Annahme gefragt,
besinnt || besinnt man sich auf diese
Gründe.
Geschieht hier dasselbe, wie wenn man
prüft || nachdenkt, was die Ursachen eines
Ereignisses gewesen sein mögen? (⇒491) |
269.
Es ist zu unterscheiden zwischen dem Gegenstand der
– 73 –
Furcht: und der Ursache der Furcht.
So ist das Gesicht, das uns Furcht, oder Entzücken, einflößt, s darum nicht ihre Ursache, sondern – man könnte sagen – ihre Richtung. (⇒492) |
270.
“Warum glaubst du, daß du dich an der heißen Herdplatte
verbrennen wirst?” –
Hast du Gründe für diesen Glauben; und brauchst du Gründe?
(⇒460) |
271.
Was für einen Grund habe ich, anzunehmen, daß mein Finger, wenn er den
Tisch berühren, einen Widerstand spüren wird?
Was für einen Grund, zu glauben, daß dieser Bleistift sich nicht
schmerzlos durch meine Hand stecken läßt? –
Wenn ich dies frage, melden sich hundert Gründe, die einander kaum zu
Wort kommen lassen wollen.
“Ich habe es doch selbst unzählige Male erfahren; und ebenso
oft von ähnlichen Erfahrungen gehört; wenn es nicht so wäre, würde
… etc.” (⇒461) |
272.
Die Natur des Glaubens an die Gleichförmigkeit des Geschehens wird
vielleicht am klarsten im Falle, in dem wir Furcht vor dem Erwarteten
empfinden.
Nichts könnte mich dazu bewegen, meine Hand in die Flamme zu stecken
– – obwohl ich mich doch nur in der Vergangenheit
verbrannt habe. (⇒381) |
273.
Der Glaube, daß mich das Feuer brennen wird, ist von der Art der
Furcht, daß es mich brennen wird. (⇒382) |
274.
Daß mich das Feuer brennen wird, wenn ich die Hand – 74 – hineinstecke:
das ist Sicherheit.
D.h., da sehen wir, was Sicherheit bedeutet. (Nicht nur, was das Wort “Sicherheit” bedeutet, sondern auch, was es mit ihr auf sich hat.) (⇒383) |
275.
Wenn man mich ins Feuer zöge, so würde ich mich wehren und nicht
gutwillig gehen: und ebenso würde ich schreien
“Es wird mich brennen!” – und ich würde
nicht schreien “Vielleicht wird es ganz angenehm
sein!” (⇒384﹖) |
276.
Wozu denkt der Mensch?
Wozu ist es nütze?
Wozu berechnet er Dampfkessel und überläßt ihre
Wandstärke nicht dem Zufall?
Es ist doch nur Erfahrungstatsache, daß Kessel, die so berechnet
wurden, nicht so oft explodieren!
Aber so, wie er alles eher täte, als die Hand ins Feuer stecken, das
ihn früher gebrannt hat, so wird er alles eher tun, als den Kessel nicht
berechnen. –
Da uns eben die Ursachen || Ursachen aber nicht
interessieren, werden wir sagen: Die Menschen denken
tatsächlich: Sie gehen, z.B., auf diese
Weise vor, wenn sie einen Dampfkessel bauen. –
Kann nun ein so erzeugter Kessel nicht explodieren?
O doch. (⇒376) |
277.
Denkt der Mensch also, weil denken sich bewahrt hat? –
Weil er denkt, es sei vorteilhaft, zu denken?
(Erzieht er seine Kinder, weil es sich bewährt hat?) (⇒377) |
279.
Und doch kann man sagen, das denken habe sich bewährt.
– 75 –
Es seien jetzt weniger Kesselexplosionen, seit etwa die
Wandstärken nicht mehr nach dem Gefühl bestimmt, sondern auf die und die
Weise berechnet werden.
Oder, || : seit man jede
Berechnung eines Ingenieurs von einem Zweiten nachrechnen
läßt.
Manchmal also denkt man, weil es sich bewährt hat. (⇒379) |
280.
Wenn man nun fragt: “Wie kann aber
frühere Erfahrung ein Grund zur Annahme sein, es werde
später das und das eintreffen? so ist die
Antwort || eintreffen?”– so ist die
Antwort: Welchen allgemeinen Begriff, vom Grund
zu solch || so einer
Annahme, haben wir denn?
Diese Art Angabe über die Vergangenheit nennen wir eben Grund zur
Annahme, es werde das in Zukunft geschehen. –
Und wenn man sich wundert, daß wir ein solches Spiel spielen, dann
berufe ich mich auf die Wirkung einer vergangenen
Erfahrung.
(Darauf, daß ein gebranntes Kind das Feuer fürchtet.)
(⇒464) |
281.
Wer sagt || sagte er sei
durch Angaben über Vergangenes nicht von Zukünftigem zu überzeugen,
der muß mit dem Wort “überzeugen” etwas
anderes meinen, als wir. Man könnte ihn || –
den müßte man fragen: Was willst du denn
hören?
Welche Art des “Überzeugens” erwartest du
dir?–
Wenn das keine Gründe sind, was sind denn
Gründe?
Denn, wohlgemerkt: Gründe sind hier nicht Sätze, aus denen das Geglaubte folgt. Aber nicht, als ob man sagen könnte: Für's Glauben genügt eben weniger, als für das Wissen. – Denn hier handelt es sich nicht um eine Annäherung an das logische Folgen. (⇒465﹖) |
282.
Irregeführt werden wir durch die Ausdrucksweise: – 76 –
“Dieser Grund ist gut, denn er macht das Eintreffen des
Ereignisses wahrscheinlich.–”
Hier ist es, als ob wir nun etwas weiteres über den Grund ausgesagt
hätten, was ihn als Grund rechtfertigt.
Während mit dem Satz, daß dieser Grund das Eintreffen wahrscheinlich
macht, nichts gesagt ist, wenn nicht, daß dieser Grund einem bestimmten
Maßstab des guten Grundes entspricht; || , –
der Maßstab aber nicht begründet ist! (⇒466) |
284.
Man möchte sagen: “Ein guter Grund ist er nur
darum, weil er das Eintreffen wirklich wahrscheinlich
macht.” –
Weil er sozusagen wirklich einen Einfluß auf das Ereignis hat; also
quasi einen erfahrungsmäßigen. (⇒468) |
285.
Die Rechtfertigung durch die Erfahrung hat ein Ende.
Hätte sie keins, so wäre sie keine Rechtfertigung. (⇒469) |
286.
Ich lege meine Hand auf die Herdplatte, fühle unerträgliche Hitze
und ziehe sie schnell zurück.
War es nicht möglich, daß die Hitze im nächsten Augenblick
aufgehört hätte?
Konnte ich es wissen?
Und war es nicht möglich, daß ich gerade durch mein Zurückziehen
mich weiterem Schmerz aussetzte?
Es müßte also kein guter Grund sein, zu sagen, || : “Ich habe sie zurückgezogen, weil die Platte zu heiß war”. (⇒471) |
287.
Wenn man mich fragte: “Bist du sicher, daß du es
– 77 –
deswegen getan hast?”– wäre da irgend ein
Zweifel?
Sollte man sagen “Ich weiß, daß ich es deswegen tun wollte; nicht, daß der Arm sich aus dieser Ursache zurückgezogen hat”? Das heißt also wohl: du weißt das Motiv, nicht die Ursache. (⇒472) |
288.
Folgt, daß dort ein Stuhl steht, aus den
Sinneseindrücken, die ich empfange? –
Wie kann denn ein Satz aus Sinneseindrücken
folgen? –
Folgt er aus den Sätzen, die die Sinneseindrücke beschreiben?
Nein. –
Aber schließe ich denn nicht aus den Eindrücken, daß ein
Stuhl dort steht? –
Ich ziehe doch keinen Schluß! –
Aber manchmal doch.
Ich sehe z.B. eine Photographie und
sage “Es muß also dort ein Sessel gestanden
haben”, oder auch “Aus dem, was man da sieht,
schließe ich, daß ein Sessel dort steht”.
Das ist ein Schluß; aber keiner der Logik.
Ein Schluß ist der Übergang zu einer Behauptung; also auch zu dem der
Behauptung entsprechenden Benehmen || Verhalten.
‘Ich ziehe die Konsequenzen’ nicht nur in Worten,
sondern auch in Handlungen. (⇒631) |
289.
War ich aber dazu berechtigt, diese Konsequenzen zu ziehen?
Was nennt man hier eine Berechtigung? –
Wie wird das Wort “Berechtigung” gebraucht?
Beschreibe Sprachspiele!
Aus ihnen wird sich auch die Wichtigkeit der Rechtfertigung
entnehmen lassen. (⇒632) |
290.
“Die Gewißheit, daß ich werde fortsetzen können, nachdem ich
dies Erlebnis gehabt habe – z.B. diese Formel
gesehen habe – gründet sich einfach auf
Induktion.” –
Was heißt das? –
“Die Gewißheit, daß das Feuer mich brennen wird, gründet
sich auf Induktion.”
Heißt das, daß ich zu – 78
– mir sage: “Ich habe mich
immer an einer Flamme verbrannt, also wird es auch jetzt
geschehen”?
Oder ist die frühere Erfahrung die Ursache meiner
Gewißheit, nicht ihr Grund?
Ist die frühere Erfahrung die Ursache der Gewißheit? – Das kommt auf das System von Hypothesen, Naturgesetzen, an, in welchem wir das Phänomen der Gewißheit betrachten. (⇒569) |
292.
Ist die Zuversicht gerechtfertigt? –
Was die Menschen als Rechtfertigung gelten lassen, zeigt, wie sie
denken und leben. (⇒571) |
293.
Wir erwarten dies und werden von dem
überrascht; aber die Kette der Gründe hat ein Ende. (⇒256) |
294.
In der Philosophie werden nicht Schlüsse gezogen. –
“Es muß sich doch so verhalten!” ist kein Satz
der Philosophie.
Sie stellt nur fest, was jeder ihr zugibt. (⇒691) |
295.
Die Frage nach der Möglichkeit und Art der Verifikation
des || eines Satzes ist nur eine besondere Form der
Frage “Wie meinst du das?”
Die Antwort ist ein Beitrag zur Grammatik des Satzes. (⇒451) |
296.
Nicht darum handelt es sich, daß unsere Sinneseindrücke – 79 – uns belügen können,
sondern, daß wir ihre Sprache verstehen.
(Und diese Sprache beruht, wie jede andere, auf
Übereinkunft.) (⇒454) |
297.
Man ist etwa geneigt zu sagen: “Es regnet,
oder es regnet nicht; wie ich das weiß, wie mich die Kunde davon
erreicht hat, ist eine andere Sache.” –
Aber stellen wir also die Frage so: Was nenne ich
“eine Kunde davon, daß es regnet”?
(Oder habe ich auch von dieser Kunde nur Kunde
erhalten?)
Und was kennzeichnet denn diese ‘Kunde’ als Kunde von
etwas?
Leitet uns da nicht die Form unseres Ausdrucks irre?
Ist das eben nicht eine irreführende Metapher:
“Mein Auge gibt mir Kunde davon, daß dort ein Sessel
stehe”? (⇒455) |
298.
Das grammatische Schwanken || Schwanken in der
Grammatik zwischen Kriterien und Symptomen läßt es dann
erscheinen, als gäbe es überhaupt nur Symptome.
Wir sagen dann etwa: “Die Erfahrung
lehrt, daß es regnet, wenn das Barometer fällt; aber sie lehrt auch,
daß es regnet, wenn wir ein bestimmtes Gefühl der Nässe und Kälte, oder
einen bestimmten Gesichtseindruck haben.”
Als Argument dafür gibt man dann an, daß diese Sinneseindrücke uns
täuschen können.
Aber man bedenkt dabei nicht, daß die Tatsache, daß sie uns gerade den
Regen vortäuschen, auf einer Abmachung beruht.
(⇒453) |
299.
Sehen, Hören, Denken, Fühlen, Wollen, sind nicht im gleichen
Sinne die Gegenstände der
Psychologie, wie die Bewegungen der Körper, die elektrischen
Erscheinungen, etc., Gegenstände der Physik.
Das siehst du daraus, daß der Physiker diese Erscheinungen,
sieht, hört, über sie nachdenkt, sie uns mitteilt; und der – 80 – Psychologie die
Äußerungen (das Benehmen) des Subjekts
beobachtet. (⇒681) |
300.
Was heißt es “eine Empfindung mit einem Wort bezeichnen,
benennen”?
Gibt es da nichts zu untersuchen?
Denk dir, du kämest von einem Sprachspiel mit physikalischen Gegenständen – und nun hieße es, es werden jetzt auch Empfindungen benannt. Wäre das nicht als würde zuerst von einer Übertragung des Besitzes geredet, und dann auf einmal von einer Übertragung der Freude am Besitz, oder des Stolzes auf den Besitz, gesprochen? || ? Müssen wir da nicht etwas Neues lernen? Etwas Neues, was wir auch “übertragen” nennen. (Man kann doch einen Spiegel besitzen; besitzt man dann auch das Spiegelbild, das sich in ihm zeigt?) (⇒659) |
301.
Der Vorteil der Betrachtung der Sprachspiele ist eben, daß sie uns
stufenweise erblicken läßt, was wir sonst nur in einem
Ganzen, und zwar in einem verworrenen Knäuel, sehen. (⇒660) |
302.
“Wie wäre es, wenn die Menschen ihre Schmerzen nicht äußerten
(nicht stöhnten, das Gesicht nicht verzögen,
etc.)?
Dann könnte man einem Kind nicht den Gebrauch des Wortes
‘Zahnschmerzen’ beibringen.” –
Nun, nehmen wir an, das Kind sei ein Genie
und erfinde selbst einen Namen für die Empfindung!
obwohl man ihm || es keinen gelehrt
hatte! –
Aber nun könnte es sich freilich mit diesem Wort
nicht verständlich machen.–
Also versteht es den Namen, kann aber seine Bedeutung niemand
erklären? –
Aber was heißt es denn, daß er ‘seinen Schmerz benannt
hat’? –
Wie hat er das gemacht: den – 81
– Schmerz benennen?!
Und, was immer er getan hat, was hat es für einen
Zweck? –
Wenn man sagt “Er hat dem
Schmerz || der Empfindung einen Namen
gegeben”, so vergißt man, daß schon viel in der Sprache
vorbereitet sein muß, damit das bloße Benennen nun eine
Funktion erfüllt.
Und wenn wir davon reden, daß Einer dem Schmerz einen Namen gibt, so
ist die Grammatik des Wortes “Schmerz” hier das
Vorbereitete; ¤ sie zeigt den Posten an, an
den das neue Wort gestellt wird. (⇒458) |
303.
“Sätze dienen ja dazu, zu beschreiben, wie sich alles
verhält”, denken wir.
Der Satz als Bild.
Und das ist recht schön || schon
recht; aber es gibt doch Stilleben, Portraits,
Landschaftsbilder, mythologische Darstellungen, Ornamente,
etc. (⇒168﹖)) |
304.
Die Äußerung der Empfindung eine “Behauptung” zu
nennen, ist irreführend, da mit dem Wort
“Behauptung” die
‘Prüfung’, die
‘Begründung’, die ‘Bestätigung’, die
‘Entkräftung’, der Behauptung im Sprachspiel
verbunden ist. (⇒135) |
305.
Es ist richtig, wenn auch paradox, zu sagen:
“ich” bezeichnet keine Person.
(In dem Sinne nämlich, in welchem “hier”
keinen Ort bezeichnet.) (⇒158) |
306.
“Ich” benennt keine Person, “hier”
keinen Ort, und “dieses” ist kein Name.
Aber sie stehen mit Namen im Zusammenhang.
Namen werden mittels ihrer erklärt.
Es ist auch wahr: die Physik ist dadurch charakterisiert, daß
sie diese Begriffe nicht verwendet. (⇒680) – 82 – |
307.
“Wenn ich sage ‘ich habe Schmerzen’, weise ich
nicht auf eine Person, die die Schmerzen hat, da ich in gewissem Sinne
gar nicht weiß, wer sie hat.” –
Und das läßt sich rechtfertigen.
Denn vor allem: Ich sagte ja nicht, die und die Person habe
Schmerzen, sondern “ich habe …”.
Nun, damit nenne ich ja keine Person.
So wenig, wie wenn ich vor Schmerzen
stöhne.
Obwohl der Andre aus dem Stöhnen ersieht, wer Schmerzen fühlt.
Was heißt es denn: wissen, wer || wer Schmerzen fühlt? Es heißt, z.B., wissen, welcher Mensch in diesem Zimmer Schmerzen hat: also, der dort sitzt, oder, der in dieser Ecke steht, der Lange mit den blonden Haaren dort, etc. – Worauf will ich hinaus? Darauf, daß es sehr verschiedene Kriterien der ‘Identität’ der Person gibt. Nun, welches ist es, das mich bestimmt, zu sagen, ich habe Schmerzen? Gar keins. (⇒123) |
308.
“Aber du willst doch jedenfalls, wenn du sagst “ich
habe Schmerzen”, die Aufmerksamkeit der Andern auf eine
bestimmte Person lenken.” –
Die Antwort könnte sein: Nein; ich will sie nur auf
mich lenken. – (⇒124) |
309.
“Aber du willst doch durch die Worte ‘Ich habe
…’ zwischen Dir und dem
Andern unterscheiden.” –
Kann man das in allen Fällen sagen?
Auch, wenn ich bloß stöhne?
Und auch, wenn ich zwischen mir und dem Andern
‘unterscheiden will’ – will ich damit zwischen
den Personen L.W. und
N.N. unterscheiden? (⇒125) |
311.
“Du zweifelst doch nicht, ob Du sie, oder der
Andere sie hat!” –
Der Satz “Ich weiß nicht, ob ich, oder der Andere
Schmerzen hat” wäre ein logisches Produkt, und einer seiner
Faktoren: “Ich weiß nicht, ob ich Schmerzen habe
oder nicht” – und dies ist kein sinnvoller Satz.
(⇒131) |
312.
Denke, mehrere Leute stehen in einem Kreis, darunter auch ich.
Irgend einer von uns, einmal der, einmal jener, wird mit den Polen
einer Elektrisiermaschine verbunden, ohne daß wir es sehen.
Ich trachte zu erkennen, welcher von uns jetzt gerade elektrisiert
wird.
Einmal sage ich: “Jetzt weiß ich, wer es ist;
ich bin's nämlich.”
In diesem Sinne könnte ich auch sagen: “Jetzt weiß
ich, wer die Schläge spürt; ich nämlich.”
Dies wäre eine etwas seltsame Ausdrucksweise. “Wenn ich die Schläge aber auch an einem Ort außerhalb
meines Körpers fühlen kann, sodaß mit der Äußerung, daß ich sie fühle,
noch nicht gesagt ist, welchen Körper der Kontakt berührt, dann scheint
die Ausdrucksweise “Jetzt weiß
ich, wer … ” gänzlich inadäquat. || Aber, was ich weiß, ist nicht, daß ich
die || eine solche Empfindung habe,
sondern etwas über die Ursache der Empfindung.(⇒132﹖) |
313.
Wenn ich, als Einleitung zu einer Mitteilung, sage “Ich
sage dir”– teile ich ihm erst mit, wer
spricht?
Wenn ich aber sage “Ich rede undeutlich”, so teile
ich ihm mit, wer dies tut.
Der Satz ist eine Behauptung, ein Ausdruck der Meinung, oder des
Wissens.
Die Einleitung “Ich sage dir” ist dies
nicht. (⇒133﹖) |
314.
Überlege: Wie können diese Fragen angewendet, und wie
entschieden werden: 1) “Sind diese Bücher meine Bücher?” – 84 –
2) “Ist dieser Fuß mein Fuß?” 3) “Ist dieser Körper mein Körper?” 4) “Ist diese Empfindung meine Empfindung?” Zu 2): Denk an Fälle, in denen mein Fuß anästhesiert, eingeschlafen, oder gelähmt ist. Unter gewissen Umständen könnte die Frage dadurch entschieden werden, daß festgestellt wird, ob ich in diesem Fuß Schmerzen empfinde. Zu 3): Dabei könnte man auf ein Bild im Spiegel weisen. Unter gewissen Umständen aber könnte man einen Körper betasten und die Frage stellen. Unter andern Umständen bedeutet sie das gleiche, wie: “Sieht so mein Körper aus?” Zu 4): Welche ist denn ‘diese’ Empfindung? d.h. || D.h.: wie verwendet man hier das hinweisende Fürwort? Doch anders, als z.B. im ersten Beispiel! Verwirrung entsteht wieder dadurch, daß man sich einbildet, auf eine Empfindung zu zeigen || man zeige auf eine Empfindung, indem man die Aufmerksamkeit auf sie richtet. (⇒139) |
315.
Wenn ich das Wort “Schmerz” ganz für das in Anspruch
nähme, was ich bis dahin “meinen Schmerz” genannt habe,
und was Andere “den Schmerz des
L.W.” genannt
haben, so geschähe den Andern damit kein Unrecht, solange nur eine
Notation vorgesehen wäre, in der der Ausfall des Wortes
“Schmerz” in anderen Verbindungen irgendwie ersetzt
würde.
Die Andern werden dann dennoch bedauert, vom Arzt behandelt,
etc. Es wäre natürlich auch kein Einwand gegen
diese Ausdrucksweise, zu sagen: “Aber die Andern
haben ja genau dasselbe, was du hast!”
Aber was hätte ich dann von dieser neuen Art des Ausdrucks? Nichts. Aber der Solipsist will ja auch keine praktischen Vorteile, wenn er seine Anschauung vertritt! (⇒122) |
316.
“Ich kann mir (im Innern) doch
vornehmen, in Zukunft – 85
– das ‘Schmerz’ zu
nennen.” –
“Aber hast du es dir auch gewiß vorgenommen?
Bist du sicher, daß es dazu genug war, die Aufmerksamkeit auf dein
Gefühl zu konzentrieren?” –
Seltsame Frage. – (⇒180﹖) |
317.
Könnte man sagen: Wer sich eine private Worterklärung
gegeben hat, der muß sich nun im Innern vornehmen, das Wort
so und so zu gebrauchen.
Und wie nimmt er sich das vor; soll ich annehmen, daß er die Technik
dieser Anwendung erfindet; oder daß er sie schon fertig
vorgefunden hat? (⇒693) |
318.
Das innere Hinblicken auf die Empfindung – welche Verbindung soll
es denn zwischen Wort und Empfindung herstellen; wozu soll diese
Verbindung dienen?
Hat man mich das gelehrt, als ich diesen Satz gebrauchen,
diesen Gedanken denken lernte?
(Denken ist ja etwas, was ich lernen mußte).
Wir lernen allerdings auch dies, unsre Aufmerksamkeit auf Dinge und auf Empfindungen richten. Wir lernen beobachten und die Beobachtung beschreiben. Aber wie lehrt man mich dies; wie wird in diesem Falle meine ‘innere Tätigkeit’ kontrolliert? Wonach wird beurteilt, ob ich wirklich Acht gegeben habe? [Zu “Es wird bald aufhören” wobei ich den Schmerz meine] (⇒149) |
319.
Denken wir uns eine Tabelle, die nur in unsrer Vorstellung
existiert.
(Etwa ein
Wörterbuch.)
Mittels eines Wörterbuchs kann man die
Übersetzung des Wortes X durch ein Wort Y
rechtfertigen.
Sollen wir es aber auch eine Rechtfertigung nennen, wenn diese Tabelle
nur in der Vorstellung nachgeschlagen wird? –
“Nun, es ist dann eben – 86
– eine subjektive
Rechtfertigung.” –
Aber die Rechtfertigung besteht doch darin, daß man an eine unabhängige
Stelle appelliert. –
“Aber ich kann doch auch von einer Erinnerung an eine andre
appellieren.
Ich weiß – z.B.– nicht, ob ich mir die
Abfahrzeit des Zuges richtig gemerkt habe und rufe mir zur
Kontrolle das Bild der Seite des Fahrplans ins Gedächtnis.
Haben wir hier nicht den gleichen Fall?” –
Nein; denn dieser Vorgang muß nun wirklich die
richtige Erinnerung hervorrufen.
Wäre das Vorstellungsbild des
Fahrplans nicht selbst auf seine Richtigkeit zu
prüfen, wie könnte es
die Richtigkeit der ersten Erinnerung bestätigen?
(Dann wäre es, als kaufte Einer mehrere Exemplare der
heutigen Morgenzeitung, um sich zu vergewissern,
ob || daß sie die Wahrheit
schreibt.)
In der Vorstellung eine Tabelle nachschlagen ist so wenig ein Nachschlagen einer Tabelle, wie die Vorstellung des Resultats eines vorgestellten Experiments das Resultat eines Experiments ist. (⇒177) |
320.
Angenommen, man || Einer
wollte die Dimensionierung einer Brücke, die in
unsrer || seiner Vorstellung gebaut
wird, dadurch rechtfertigen, daß
man || er zuerst in der Vorstellung
Zerreißproben mit dem Material der Brücke macht.
Dies wäre natürlich die Vorstellung von dem, was man die
Rechtfertigung der Dimensionierung einer Brücke nennt;
aber würden wir es auch eine Rechtfertigung der
Vorstellung einer Dimensionierung nennen?
(⇒179﹖) |
321.
Freilich, wenn das Wasser im Topf kocht, so steigt der Dampf aus dem
Topf und auch das Bild des Dampfes aus dem Bild des Topfes.
Aber wie, wenn
man nun sagen
wollte, || :
im || Im Bild des
Topfes müsse || muß
also auch etwas kochen? || . (⇒154) – 87 – |
322.
Ich kann auf die Uhr schaun, um zu sehen, wieviel Uhr es ist.
Aber ich kann auch das || ein Zifferblatt einer
Uhr anschaun, damit es mir hilft, || weil
es mir behilflich ist zu raten, wieviel Uhr es
ist; oder zu diesem Zweck die Zeiger einer Uhr verstellen, bis mir die
Stellung richtig vorkommt.
So kann das Bild der Uhr in ganz verschiedenen Weisen
helfen, die Zeit bestimmen. (In der Vorstellung auf die Uhr schauen.) (⇒692) |
323.
Teile ich mir etwas mit, wenn ich, auf dieses Papier sehend,
sage: “Dieses Papier ist weiß”?
Und was heißt es eigentlich “etwas zu sich selbst sagen”? Sagt man alles zu sich selbst, was man ausspricht, wenn niemand sonst zugegen ist? (⇒116) |
324.
Warum kann meine rechte Hand nicht meiner linken Geld
schenken? –
Nun,
meine || Meine rechte Hand kann es in
meine linke geben.
Ja, meine rechte Hand könnte eine Schenkungsurkunde schreiben und
meine linke eine Quittung. –
Aber die weiteren praktischen Folgen wären
nicht die einer Schenkung.
Wenn die linke Hand das Geld von der rechten genommen hat,
etc.– wird man fragen: “Und was
ist damit geschehen?” –
Und das Gleiche könnte man fragen, wenn Einer sich eine private
Worterklärung gegeben hat; ich meine: wenn er sich ein Wort vorsagt
und dabei seine Aufmerksamkeit auf eine Empfindung richtet.
(⇒181) |
325.
Denke dir
einen || Einen, der
sagte: “Ich weiß doch, wie hoch ich
bin!” und dabei die Hand als
Zeichen auf seinen Scheitel legt!
Oder: “Jeder Mensch weiß, wie hoch er ist.”– (⇒695) – 88 – |
326.
Mir wurde einmal der folgende Vorschlag zur Konstruktion einer
Straßenwalze mitgeteilt: Der Motor befindet sich im Innern
der hohlen Walze.
Die Kurbelwelle liegt in der Walzenachse und ist an beiden Enden durch
Speichen mit dem Walzenrand verbunden.
Der Zylinder des Motors ist an der Innenseite der Walze in radialer
Lage || Stellung befestigt.
Auf den ersten Blick sieht diese Konstruktion wie eine Maschine
aus; || , ist aber ein starres System, und der
Kolben kann sich im Zylinder nicht bewegen.
Der Erfinder hatte ihn, ohne es zu wissen, der
Bewegungsmöglichkeit beraubt.
(So kann etwas wie ein Satz ausschaun, was keiner ist, oder wie eine
Definition || Erklärung
und
ist doch keine || was keine ist.) (⇒431) |
327.
Erinnere dich daran, daß es gewisse Kriterien des
Benehmens dafür gibt, daß Einer ein Wort nicht versteht: daß es ihm
nichts sagt, er nichts damit anzufangen weiß.
Und Kriterien dafür, daß er das Wort ‘zu verstehen
glaubt’, eine Bedeutung mit ihm
verbindet, aber nicht die richtige.
Und endlich Kriterien dafür, daß
er das Wort richtig versteht.
Im zweiten Falle könnte man von einem subjektiven Verstehen
reden.
Und eine “private Sprache” könnte man Laute nennen,
die kein Andrer versteht, ich aber
‘zu verstehen
scheine’. (⇒583﹖) |
328.
Wie soll er wissen, welche Farbe er zu wählen hat, wenn er
“rot” hört? –
Sehr einfach: er soll die Farbe nehmen, deren Bild ihm beim Hören
des Wortes einfällt. –
Aber wie soll er wissen, welche Farbe das ist, ‘deren Bild ihm
einfällt’?
Braucht er dafür ein weiteres Kriterium?
(Es gibt allerdings einen Vorgang: die Farbe wählen,
welche || die
Einem || einem beim Wort …
einfällt.)
“‘Rot’ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des – 89 – Wortes
‘rot’ einfällt”– wäre eine
Definition.
Keine Erklärung des Wesens des Bedeutens eines
Wortes.
Diese Bemerkung || Dies bezieht sich darauf, was manchmal vom Wiedererkennen als einer Bedingung des Bezeichnens gesagt worden ist. Was ist das Kriterium dafür, daß ich die Farbe richtig wiedererkannt habe? Etwa so etwas, wie das Erlebnis der Freude beim Wiedererkennen? (⇒38) |
329.
Die psychologischen– trivialen– Erörterungen über
Erwartung || Erkennen, Assoziation,
u.s.w., lassen immer das eigentlich
Merkwürdige aus, und man merkt ihnen an, daß sie herumreden, ohne den
springenden Punkt zu berühren. (⇒39) |
330.
Wie kann man sich zur Probe, ob man das Wort “blau”
versteht, ein blaues Vorstellungsbild vor die Seele rufen?
Denn wie kann mir das Wort “blau” zeigen, welche
Farbe aus dem Farbenkasten meiner Vorstellung ich zu wählen habe, und
wie kann mir die Farbe, die sich mir darbietet,
zeigen, daß sie die richtige ist?
Wähle ich denn also eine Vorstellung, die zum Worte “blau” paßt? – Und kann nicht die unrechte Vorstellung kommen? Und wie zeigt sich das? (⇒95) |
331.
Wie kann ich es rechtfertigen, daß ich mir auf diese
Worte hin diese Vorstellung mache? Hat mir jemand die Vorstellung der blauen Farbe gezeigt und gesagt, daß sie es sei? Was bedeuten aber die Worte “diese Vorstellung”? Wie zeigt man auf eine Vorstellung? Wie zeigt man zweimal – 90
– auf die gleiche Vorstellung? (⇒99) |
332.
Wenn du sagst, er sähe ein privates Bild vor sich, das er beschreibe,
so hast du immerhin eine Annahme gemacht über das, was er vor sich
hat.
Und das heißt, daß du es näher beschreiben kannst, oder
beschreibst.
Gibst du zu, daß du gar keine Ahnung hast, von welcher Art, was er
vor sich hat, sein könnte, – was verführt dich dann dennoch, zu
sagen, er habe etwas vor sich?
Ist das nicht, als sagte ich von Einem: “Er
hat etwas.
Aber ob es Geld, oder Schulden, oder eine leere Kasse ist, weiß ich
nicht.” (⇒155) |
333.
“Ehe ich urteile, daß zwei meiner Vorstellungen gleich sind,
muß ich sie doch als gleich erkennen.” –
Und wenn das geschehen ist, wie werde ich dann wissen, daß das Wort
“gleich” meine Erkenntnis beschreibt?
Nur dann, wenn ich diese Erkenntnis auf andere Weise
ausdrücken, und ein Andrer mich lehren kann, daß hier
“gleich” das richtige Wort ist.
Denn, bedarf ich eine Berechtigung dafür, ein Wort zu gebrauchen, dann muß es eine auch für den Andern sein. (⇒263) |
334.
Ich erkenne es erst als das: und nun erinnere ich
mich daran, wie das genannt wird–
Bedenke: – in welchen Fällen kann man das
wirklich || mit Recht
sagen? (⇒264) |
335.
Wie erkenne ich, daß dies rot ist? ‒ ‒
Ich bin in Verlegenheit, was ich sagen soll. –
Wie erkenne ich, daß diese Bäume gleich hoch sind?
Hier bin ich nicht in Verlegenheit.
Ich weiß verschiedene Antworten. – 91
–
Wie erkenne ich daß dies rot ist?
Ich wollte etwa sagen: “Ich
schaue; || , || , – und sehe,
es ist so.
Und nun weiß ich, daß diese Farbe so heißt.”
Diese? –
Welche?!
Welche Art der Antwort hat auf diese Frage Sinn?
(Du steuerst immer wieder auf eine innere hinweisende Erklärung hin.) Auf den privaten Übergang von dem Gesehenen zum Wort könnte ich keine Regeln anwenden. Hier hingen die Regeln wirklich in der Luft, da die Institution ihrer Anwendung fehlt. (⇒262?) |
336.
Die Sprache ist ein Labyrinth von Wegen.
Du kommst von einer Seite und kennst dich aus, du kommst
von einer andern zur selben Stelle, und kennst dich nicht mehr
aus. (⇒267) |
337.
Glaub nicht immer, daß du deine Worte von Tatsachen
abliest, diese nach Regeln in Worte abbildest!
Denn die Anwendung der Regel im besondern Fall müßtest du ja doch
ohne Führung machen. (⇒309) |
338.
Der Satz “Empfindungen sind privat” ist von der
Art || ist von ähnlicher Art
wie “Patience spielt man
allein”. (⇒138?) |
339.
“Nur du kannst wissen, ob du die Absicht
hattest.”
Das könnte man jemandem sagen, wenn man ihm die Bedeutung des Wortes
“Absicht” erklärt.
Es heißt dann nämlich: so gebrauchen wir
es. – 92
–
(Und “wissen” sagt || heißt hier, daß der Ausdruck der Ungewißheit sinnlos ist.) (⇒305) |
340.
“Gott kannst du nicht mit
einem Andern reden hören sondern nur, wenn du der Angeredete
bist”.
Das ist eine grammatische Bemerkung. (⇒568) |
342.
Zu dem Sprachspiel mit dem Ausdruck “Schmerzen haben”
gehört – möchte man sagen – nicht nur das Bild des
Benehmens, sondern auch das Bild der Schmerzen.
Aber die Vorstellung des Schmerzes ist kein Bild, und diese
Vorstellung ist im Sprachspiel auch nicht durch etwas
ersetzbar, was wir ein Bild nennen würden. –
Wohl aber tritt die Vorstellung des Schmerzes in einem Sinn ins
Sprachspiel ein.
Nur nicht als Bild. || in der Rolle eines
Bildes. (⇒650?) |
343.
Wie kann ich denn mit der Sprache noch zwischen die Schmerzäußerung und
den Schmerz treten wollen?
(⇒626) |
344.
“Ich fühle große Freude.” –
Wo? –
Das klingt unsinnig.
Und doch sagt man auch “Ich fühle eine freudige
Erregung in meiner
Brust”.–
Warum aber ist Freude nicht lokalisiert?
Ist es, weil sie über den ganzen Körper verteilt ist? –
Auch dann ist sie nicht lokalisiert, wenn das Gefühl ,
das sie hervorruft, dies ist || es ist, das sie hervorruft;
wenn wir uns etwa am Geruch einer Blume
freuen. –
Die Freunde äußert sich im Gesichtsausdruck,– 93
– im Benehmen.
Aber wir sagen nicht, wir freuten uns im Gesicht. (⇒643)? |
345.
“Aber ich habe doch ein wirkliches Gefühl der
Freude!”
Ja, wenn du dich freust, freust, du dich wirklich.
Und freilich ist Freude nicht freudiges Benehmen, noch auch ein Gefühl,
um die Mundwinkel und Augen, oder sonst
wo.
“Aber Freude bezeichnet doch etwas Inneres.” Nein. “Freude” bezeichnet weder Inneres noch Äußeres. (⇒644) |
346.
“Aber du kannst doch nicht leugnen, daß beim Erinnern ein
innerer Vorgang stattfindet.”
Warum macht es denn den Eindruck, als wollten wir etwas
leugnen?
Wenn man sagt “Es findet doch dabei ein innerer Vorgang
statt”– so will man fortsetzen: “Du
siehst es doch.”
Und es ist doch dieser innere Vorgang, den man mit dem Wort
“sich erinnern” meint. –
Es macht den Eindruck, daß wir etwas leugnen wollen, weil wir uns gegen
das Bild vom “innern Vorgang” wenden. ||
Der Eindruck, als wollten wir etwas leugnen, rührt daher, daß wir uns
gegen das Bild vom ‘innern Vorgang’ wenden.
Was wir leugnen ist, daß das Bild vom innern Vorgang uns die richtige
Idee von der Verwendung des Wortes “erinnern”
gibt.
Ja wir sagen, daß dieses Bild, mit seinen
Verzweigungen || Ramifikationen,
uns verhindert, die Verwendung des Wortes zu sehen, wie sie ist.
(⇒182) |
347.
Warum soll ich denn leugnen, daß ein geistiger Vorgang
da ist?!
Nur heißt “es hat jetzt in mir der geistige Vorgang der
Erinnerung an … stattgefunden” nichts andres als:
“Ich habe mich jetzt an … erinnert”.
Den geistigen Vorgang leugnen, hieße, das Erinnern leugnen; leugnen,
– 94 – daß irgend jemand
sich je an irgend etwas erinnert.
(⇒176) |
348.
“Bist du nicht doch ein verkappter Behaviourist?
Sagst du nicht doch im Grunde, daß alles Fiktion ist, außer dem
menschlichen Benehmen?” –
Wenn ich von einer Fiktion rede, dann von einer
grammatischen Fiktion. (⇒258) |
349.
Wie kommt es nur zum philosophischen Problem der seelischen Vorgänge
und Zustände und des Behaviourism? –
Der erste Schritt ist der ganz unauffällige.
Wir reden von Vorgängen und Zuständen, und lassen ihre Natur
unentschieden!
Wir werden vielleicht einmal mehr über sie wissen – meinen
wir.
Aber eben dadurch haben wir uns auf eine bestimmte Betrachtungsweise
festgelegt.
Denn wir haben einen bestimmten Begriff davon, was es heißt:
einen Vorgang näher kennen zu lernen.
(Der entscheidende Schritt im Taschenspielerstück ist getan, und
gerade er schien uns unschuldig.) –
Und nun zerfällt der Vergleich, der uns unsere Gedanken hätte
begreiflich machen sollen.
Wir müssen also den noch unverstandenen Prozeß im noch unerforschten
Medium leugnen.
Und so scheinen wir also die geistigen Vorgänge geleugnet zu
haben.
Und wollen sie doch natürlich nicht leugnen! (⇒687) |
350.
Woran glaube ich, wenn ich an eine Seele im Menschen
glaube? –
Woran glaube ich, wenn ich glaube, diese Substanz enthalte zwei
Ringe von Kohlenstoff-Atomen?
In beiden Fällen ist ein Bild im Vordergrund; der Sinn aber weit im
Hintergrund; || ,
d.h., die Anwendung des Bildes nicht leicht zu
übersehen. (⇒205?) |
351.
Könnte man sich vorstellen, daß ein Stein Bewußtsein
– 95
– hat?
Und wenn's Einer kann, – warum soll
das nicht bloß beweisen, daß diese Vorstellerei für uns kein
Interesse hat? (⇒233) |
352.
“Während ich zu ihm sprach, wußte ich nicht, was hinter
seiner Stirn vorging.”
Dabei denkt man nicht an Gehirnvorgänge, sondern an
Denkvorgänge.
Das Bild ist ernst zu nehmen.
Wir möchten wirklich hinter diese Stirne sehen.
Und doch meinen wir nur das, was wir auch sonst damit meinen:
“wir möchten wissen, was er
denkt.”
Ich will sagen: wir haben da das lebhafte Bild – und
denjenigen Gebrauch, der dem Bild zu widersprechen scheint, und das
Psychische ausdrückt. (⇒696) |
353.
Gewiß, in dir geschehen alle diese Dinge. –
Und nun laß mich nur den Ausdruck verstehen, den wir
gebrauchen. –
Das Bild ist da.
Und seine Gültigkeit im besondern Falle bestreite ich nicht. –
Nun || Nur
laß mich jetzt noch die Anwendung des Bildes
verstehen. (⇒635) |
354.
Das Bild ist da; und ich bestreite seine Richtigkeit
nicht, aber || .
Aber was ist seine Anwendung?
Denke an das Bild vom
Blinden mit || von der Dunkelheit in der Seele
des || eines Blinden, oder auch in
seinem Kopf, hinter den Augen. (⇒636) |
355.
Denk, wir drückten die Absicht eines Menschen immer so aus, indem wir
sagen: “Er sagte gleichsam zu
sich selbst ‘Ich will
…’.”
Das ist ein || das Bild.
Und nun will ich wissen: Wie verwendet man den Ausdruck
“etwas gleichsam zu sich selbst sagen”?
Denn er bedeutet nicht: etwas zu sich selbst sagen.
(Bedenk, daß unserm “meinen” im Französischen
– 96 –
“vouloir dire” entspricht.) (⇒637) |
356.
Während wir nämlich in unzähligen Fällen uns bemühen, ein
Bild zu finden, und ist dieses gefunden, die Anwendung sich gleichsam von
selbst macht, so haben wir hier bereits ein Bild, das sich uns auf
Schritt und Tritt aufdrängt, uns aber nicht aus der Schwierigkeit hilft,
die nun erst anfängt.
Frage ich z.B.: “Wie soll ich es mir vorstellen, daß dieser Mechanismus in dieses Gehäuse geht?”– so kann zur Antwort etwa eine Zeichnung in verkleinertem Maßstab dienen. Man kann mir dann sagen “Siehst du, so geht er hinein”– oder vielleicht auch: “Warum wundert es dich? So, wie du es hier siehst, so geht es auch dort.” – Das letztere erklärt freilich nichts mehr, sondern fordert dich nur auf, nun die Anwendung von dem Bild, das ich dir gegeben habe, zu machen. (⇒126) |
357.
Ein Bild wird heraufbeschworen, das eindeutig den Sinn zu
bestimmen scheint.
Die wirkliche Verwendung scheint etwas Verunreinigtes der gegenüber,
die das Bild || Bild uns
zeigt. || Bild
klar || uns
vorzeichnet.
Es geht hier wieder, wie in der Mengenlehre: die Ausdrucksform
scheint für einen Gott
zugeschnitten zu sein, der weiß,
was wir nicht wissen können; er sieht die ganzen unendlichen Reihen und
sieht in das Bewußtsein des Menschen hinein.
Für uns freilich sind diese Ausdrucksformen quasi ein Ornat, das wir
wohl anlegen, mit dem wir aber nicht viel anfangen können, da uns die
reale Macht fehlt, die dieser Kleidung Sinn und Zweck geben
würde.
In der wirklichen Verwendung der Ausdrücke machen wir gleichsam Umwege, gehen durch Nebengassen; während – 97
– wir wohl die gerade breite Straße vor uns sehen,
sie aber freilich nicht benützen können, weil sie permanent gesperrt
ist. (⇒127) |
358.
“Ich nehme an, es schwebe ihm ein Bild
vor.” –
Könnte ich auch annehmen, es schwebe diesem Ofen ein Bild
vor? –
Und warum scheint dies unmöglich?
Ist denn also die menschliche Gestalt dazu nötig? –
(⇒117) |
359.
“Aber diese Annahme hat doch gewiß einen guten
Sinn!”
Ja; diese Worte und dies Bild haben unter gewöhnlichen Umständen
eine uns geläufige Anwendung. –
Nehmen wir aber einen Fall an, in welchem diese Anwendung wegfällt, so
werden wir uns nun gleichsam zum ersten Male der Nacktheit der Worte
und des Bildes bewußt. (⇒118) |
360.
Hier geschieht es nun, daß uns unser Denken einen
seltsamen Streich spielt.
Wir wollen nämlich das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten zitieren und
sagen: “Entweder es hat ihm ein solches Bild
vorgeschwebt, oder nicht – ein Drittes gibt es
nicht!” –
Dieses seltsame Argument treffen wir auch in andern Gebieten der
Philosophie.
“In der unendlichen Entwicklung der Zahl Π
kommt einmal die Gruppe “7777” vor, oder nicht
– ein Drittes gibt es nicht”
(Siehe Weyl).
D.h.: Gott sieht
es – aber wir wissen es nicht.
Was bedeutet das aber? –
Wir gebrauchen ein Bild; das Bild einer sichtbaren Reihe, die der Eine
übersieht, der Andre nicht.
Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten sagt
hier: Es muß entweder so ausschaun, oder
so.
Er sagt also eigentlich – und das ist ja selbstverständlich –
gar nichts; || , – sondern gibt uns ein
Bild.
Und das Problem soll – 98
– nun sein: ob die Wirklichkeit mit dem Bild
übereinstimme, oder nicht.
Und dies Bild scheint nun, was wir zu tun, wie
und wonach wir zu suchen haben, zu bestimmten, – tut es aber nicht,
weil wir eben nicht wissen, wie es zu applizieren ist.
Wenn wir hier sagen “Es gibt kein
Drittes”, oder “Es gibt doch kein
Drittes!”– so drückt sich darin aus, daß wir den Blick
von diesem Bild nicht wenden können, – das ausschaut, als müßte in
ihm schon das Problem und seine Lösung liegen, während wir doch
fühlen, daß es nicht der Fall
ist.
Ebenso, wenn man sagt “Entweder hat er diese Empfindung, oder er hat sie nicht!”– so schwebt uns dabei vor allem ein Bild vor, das schon den Sinn der Aussagen unmißverständlich zu bestimmen scheint. “Du weißt jetzt, worum es sich handelt”– möchte man sagen. Und gerade das weiß er damit noch nicht. (Überhaupt wäre der Satz vom ausgeschlossenen Dritten am ehesten so zu verwenden: Wir geben z.B. Einem eine Zeichnung und sagen “Geh und Schau nach, ob es dort so ausschaut oder nicht”. Der Zusatz “ein Drittes gibt es nicht” könnte dann heißen: ich wünsche nur die Antwort “ja”, oder “nein”, und keine andere.) (⇒121) |
361.
“Aber wenn ich annehme, er habe etwa Schmerzen, so nehme ich
einfach an, er habe dasselbe, was ich so oft gehabt
habe!” –
Das führt uns nicht weiter.
Es ist, als sagte ich “Du weißt doch, was es heißt
‘Es ist hier 5 Uhr’– dann weißt du auch, was es
heißt, es sei auf der Sonne 5 Uhr; es heißt eben, es sei dort ebensoviel
Uhr, wie hier, wenn es hier 5 Uhr ist.”
Die Erklärung mittels der Gleichheit funktioniert hier
nicht, weil ich zwar weiß, daß man 5 Uhr hier “die gleiche
Zeit” nennen kann, wie 5 Uhr dort, aber eben nicht weiß, in
welchem Falle man – 99
– von Zeitgleichheit hier und dort sprechen
soll.
Gerade so ist es keine Erklärung, zu sagen: die Annahme, er habe Schmerzen, sei eben die Annahme, er habe das Gleiche wie ich. Denn dieser Teil der Grammatik ist mir wohl klar: daß man nämlich sagen werde, der Ofen habe das gleiche Erlebnis wie ich, wenn man sagt, || : || wenn man auch sagt er habe Schmerzen und ich habe Schmerzen. (⇒119) |
362.
Wir möchten doch immer sagen: “Erinnerungsbild ist
Erinnerungsbild – ob er es hat, oder ich es habe; und
wie immer ich erfahre, ob er eines hat oder nicht.” –
Damit könnte ich mich einverstanden erklären. –
Und wenn du mich fragst: “Weißt du denn nicht, was
ich meine, wenn ich sage, er habe ein Erinnerungsbild?”– so kann ich antworten:
Ich stelle mir bei diesen Worten
wohl || vielleicht etwas vor –
aber weiter geht ihr Nutzen in diesem
Fall || Falle
nicht.
Und ich kann mir auch etwas bei den Worten vorstellen
“Es war gerade 5 Uhr nachmittag auf der
Sonne”– nämlich etwa eine Pendeluhr, die auf 5
zeigt. –
Besser noch vielleicht wäre || Oder
nimm das Beispiel vom ‘oben’ und
‘unten’ auf der Erdkugel.
Hier haben wir alle eine ganz deutliche Vorstellung davon, was
“oben” und “unten” bedeutet.
Ich sehe doch, daß ich oben bin; die Erde ist doch unter mir!
(Lächle ja nicht über dieses Beispiel.
Es wird uns zwar schon in der Volksschule beigebracht, daß es dumm ist,
so etwas zu sagen.
Aber es ist eben viel leichter, ein Problem zuschütten, als es zu
lösen.)
Und erst eine Überlegung zeigt uns, daß wir das gewöhnliche Spiel
mit || den gewöhnlichen || gewohnten Gebrauch von
“oben” und “unten” hier nicht
spielen || beibehalten können, daß wir es hier umändern müssen, wenn
wir diese Worte anwenden wollen. || hier “oben” und
“unten” nicht auf die gewohnte Weise zu gebrauchen
ist.
(Daß wir also z.B. von den Antipoden als den
Menschen ‘unter’ unserem Erdteil reden können, es aber
nun für richtig anerkennen müssen, wenn sie auf uns den
gleichen Ausdruck anwenden.) (⇒120) – 100 – |
363.
Hardy: “That
‘the finite cannot understand the infinite’ should
surely be a theological and not a mathematical
war cry.” –
Es ist wahr, jener || der Ausdruck ist
ungeschickt.
Aber was man damit || mit ihm sagen will,
ist: “Es muß hier doch mit rechten Dingen
zugehen!
Woher dieser Sprung vom Endlichen zum
Unendlichen?” –
Und so ganz unsinnig ist die Ausdrucksweise
auch || dennoch nicht – nur ist das
‘Endliche’, was || welches
das unendliche nicht soll denken können, nicht ‘der
Mensch’, oder ‘unser Verstand’, sondern der
Kalkül.
Und wie dieser das ‘Unendliche’ denkt,
dies ist wohl einer Untersuchung wert.
Diese Untersuchung ist vergleichbar der Untersuchung
und Klärung der || einer Geschäftsgebarung durch
einen ‘Chartered
Accountant’.
Ihr Ziel ist eine übersichtliche vergleichende Darstellung der
Anwendungen, Illustrationen, Auffassungen, des Kalküls.
Die vollkommene Übersicht über alles, was Unklarheit schaffen
kann.
Und diese Übersicht muß sich auf ein weites Gebiet erstrecken, denn die
Wurzeln unserer Ideen reichen weit. –
“Das Endliche kann nicht das Unendliche verstehen”
heißt hier: So kann es nicht zugehen, wie ihr
es, in charakteristischer Oberflächlichkeit, darstellt.
Der || Es scheint: der Gedanke kann gleichsam fliegen; er braucht nicht zu gehen. Du verstehst, d.h. übersiehst, deine Transaktionen nicht, und projizierst, quasi, dein Unverständnis in die Idee eines Mediums, in dem das Erstaunlichste möglich ist. (⇒45) |
364.
Es ist sehr schwer, Gedankenbahnen zu beschreiben, wo schon viel
Fahrgeleise sind – ob deine eigenen, oder andere – und nicht in
eins der ausgefahrenen Gleise zu kommen.
Es ist schwer: nur wenig von einem alten
Gedankengleise abzuweichen. (⇒402) – 101 – |
365.
Wir analysieren nicht ein Phänomen (z.B. das
Denken), sondern einen Begriff (z.B. den des
Denkens), und also die Anwendung eines
Wortes || Worts.
So kann es scheinen, als wäre, was wir treiben, Nominalismus.
Nominalisten machen den Fehler, daß sie alle Wörter als
Namen deuten, also ihre Verwendung nicht wirklich
beschreiben, sondern, sozusagen, nur eine papierene Anweisung auf so
eine Beschreibung geben. (⇒355 zu ⇒Nr. 284) = № 284 |
367.
Nicht was Vorstellungen sind, oder was da geschieht,
wenn man sich etwas vorstellt, muß man fragen, sondern: wie das
Wort “Vorstellung” gebraucht wird.
Das heißt aber nicht, daß ich nur von Worten reden will.
Denn soweit in meiner Frage vom Wort “Vorstellung”
die Rede ist, ist sie's auch in der Frage nach dem Wesen der
Vorstellung.
Und ich sage nur, daß diese Frage nicht durch ein Zeigen – weder
für den Vorstellenden, noch für den Andern – zu erklären
ist; noch durch die Beschreibung irgend eines Vorgangs.
Nach einer Worterklärung fragt auch die erste Frage; aber sie
lenkt unsern Blick auf die || richtet unsere
Erwartung auf eine falsche Art der Antwort.
(⇒633) zu ⇒№ 284 |
368.
Die große Schwierigkeit ist hier, die Sache nicht so
darzustellen: als könne man etwas nicht.
Als wäre da wohl ein Gegenstand, von dem ich die Beschreibung
abziehe, aber ich wäre nicht im Stande, ihn jemandem zu
zeigen. – –
Und das Beste, was ich vorschlagen kann, ist wohl, daß wir der
Versuchung, dies Bild zu gebrauchen, nachgeben: – 102 – aber nun
untersuchen, wie die Anwendung dieses Bildes
aussieht. (⇒175) |
370.
Was ist das Kriterium der Gleichheit zweier
Vorstellungen?
D.h.: wie werden Vorstellungen
verglichen? –
Ein Logiker denkt vielleicht: “Gleich ist
Gleich || gleich;
es ist eine psychologische Frage: wie der Mensch sich von der
Gleichheit überzeugt.”
(Höhe ist Höhe – es gehört in die Psychologie daß der
Mensch sie manchmal sieht, manchmal
hört.)
Was ist das Kriterium der Gleichheit zweier Vorstellungen? – Was ist das Kriterium der Röte einer Vorstellung? Nun, wovon kannst du sagen: es berechtige dich, zu sagen || zur Aussage, daß du dir etwas Rotes vorstellst; oder daß der Andre es tut? Und was für “rot” gilt, gilt auch für “gleich”. (⇒261) |
372.
Wie erkenne ich, daß diese Farbe Rot ist? –
Eine Antwort wäre: “Ich habe deutsch
gelernt.” (⇒346) |
373.
Du gibst jemanden ein Signal, wenn du dir etwas vorstellst; ihr
benützt verschiedene Signale für verschiedene
Vorstellungen. –
Wie vereinbart ihr, was jedes Signal bedeuten soll? (⇒260) |
374.
Wenn ich mir im Innern das ABC vorsage, was ist das – 103 – Kriterium dafür,
daß ich das Gleiche tue, wie ein Andrer, der es sich im Stillen
vorsagt?
Es könnte gefunden werden, daß im meinem Kehlkopf und seinem das Gleiche
dabei vorgeht.
(Und ebenso, wenn wir beide an das Gleiche denken, das Gleiche
wünschen, etc.)
Aber lernten wir denn die Verwendung der Worte “sich im
Stillen das und das vorsagen”, indem auf einen Vorgang im
Kehlkopf, oder im Gehirn hingewiesen wurde?
Ist es nicht auch wohl möglich, daß meiner Vorstellung vom Laut
“a” und der seinen verschiedene
physiologische Vorgänge entsprechen? –
Die Frage ist: Wie vergleicht man
Vorstellungen? (⇒174) |
375.
Wie lehrt man jemand, leise für sich selbst lesen?
Wie weiß man, wenn er's kann?
Wie weiß er selbst, daß er tut, was man von ihm
verlangt || fordert? || was man ihn tun
heißt? (⇒269) |
376.
Unter welchen Umständen werde ich sagen, ein Stamm habe einen
Häuptling?
Und der Häuptling muß doch Bewußtsein haben.
Er darf doch nicht ohne Bewußtsein sein! (⇒273?) |
377.
“Aber wenn ich mir etwas vorstelle, oder auch wirkliche
Gegenstände
sähe || sehe,
so habe ich doch etwas, was mein Nachbar nicht
hat.” –
Ich verstehe dich: Du willst um dich schaun und
sagen “Nur ich habe doch
dieses || dieses”. –
Aber wozu diese Worte?
Sie taugen zu nichts. –
Ja, kannst du nicht auch sagen: “Es
ist hier von einem ‘Sehen’ – und daher auch von
einem ‘Haben’– und von einem Subjekt, also auch vom
Ich, nicht die Rede”?
Könnte ich dich nicht fragen: Das, wovon du redest und
sagst, nur du habest es, – in wiefern hast
du es denn?
Besitzt du es?
Du siehst es nicht einmal.
Ja, müßtest du – 104
– nicht davon sagen: niemand habe
es?
Es ist ja auch klar: Wenn du logisch
ausschließt, daß ein Andrer etwas hat, so verliert es
auch seinen Sinn, zu sagen, du habest es.
Aber was ist dann das, wovon du redest? Ich sagte ja: ich wisse in meinem Innern, wovon du redest. Aber das hießnicht, ich könne den Gegenstand zeigen, von dem du gesprochen hast. Aber || , || : ich weiß, wie du diesen Gegenstand aufzufassen, zu sehen, wie du ihn sozusagen durch Blick und Gesten zu bezeichnen meinst. Ich weiß, in welcher Weise man in diesem Fall vor sich und um sich schaut, und anderes mehr. – Ich glaube, man kann sagen: Du redest (wenn du z.B. im Zimmer sitzt) von dem ‘visuellen Zimmer’. Das, was keinen Besitzer hat, ist das ‘visuelle Zimmer’. Ich kann es so wenig besitzen, als ich darin umhergehen, oder es anschaun, oder darauf zeigen kann. Es gehört insofern nicht mir an, als es niemand anderm angehören kann. Oder: es gehört insofern nicht mir an, als ich ja darauf die gleiche Ausdrucksform verwenden will, wie auf das materielle Zimmer selbst, in dem ich sitze. Die || Seine Beschreibung des letztern braucht keinen Besitzer zu erwähnen, ja es muß auch keinen Besitzer haben. Dann aber kann das visuelle Zimmer keinen Besitzer haben. “Denn es hat keinen Herrn außer sich und keinen in sich” – könnte man sagen. Denk dir ein Landschaftsbild, eine Phantasielandschaft, und in ihr ein Haus – und jemand fragte “Wem gehört das Haus?” (Es könnte übrigens darauf die Antwort sein: “Dem Bauer, der auf der Bank davor sitzt”. Aber dieser kann sein Haus dann, z.B., nicht betreten.) (⇒156) |
378.
Wenn ich im Nebel einen Mann für einen Mast halte – habe ich ein
“nn” für ein “st”
gehalten?
Und könnten wir uns nicht doch Umstände vorstellen, in denen wir
versucht wären, es so auszudrücken? (⇒661) – 105 – |
379.
“Der Sessel existiert unabhängig davon, ob ihn jemand
wahrnimmt.”
Ist das ein Erfahrungssatz; oder ist es eine verschleierte
Festsetzung der Grammatik?
Soll es sagen, die Erfahrung habe gelehrt, daß ein Sessel nicht
verschwindet, wenn man sich von ihm wegwendet? (⇒456) |
380.
“Nichts im Gesichtsfeld deutet daraufhin …”
(Log. Phil. Abh.) Das
heißt sozusagen: Du wirst vergebens im Gesichtsraum nach dem
Seher ausschauen.
Er ist nirgends im Gesichtsraum zu finden. –
Aber die Wahrheit ist: Du tust nur: als
suchtest du nach einer Person, nach einem Etwas, welches nicht da
ist. (⇒171) |
381.
“Im visuellen Raum gehen keine Lichtstrahlen von einem Objekt
zu einem Auge.” –
Wenn ich das sage, so habe ich doch förmlich ein Bild von dieser
Tatsache.
Und ich habe ein Bild vom visuellen Raum, ein anderes
vom physikalischen Raum.
Die Bilder aber sind die, zweier verschiedener
Räumlichkeiten.
Im einen ist der leere Raum gleichsam von Konstruktionslinien
durchzogen; im andern ist er im strengen Sinne leer – gleichsam
dunkel.
(Und diese Worte selbst beschreiben nicht sowohl die
beiden Bilder, sondern gehören selbst zu diesen Bildern.)
Erinnere dich nun daran, daß wir in unsern Satz etwas über die ‘Natur’ des visuellen Raumes ausgesagt, aber dadurch von dem Ausdruck “der visuelle Raum” noch keinen praktischen Gebrauch gemacht haben. Wie wollen wir den Ausdruck nun anwenden? Wohl bei der Mitteilung des subjektiven Gesichtseindrucks: z.B. in einem psychologischen Experiment. Wir sagen etwa: “In meinem visuellen Raum stehen Gegenstände in der folgenden Anordnung …” Und statt “in meinem visuellen Raum” kann man einfach – 106 –
“im visuellen Raum” sagen, und das besitzanzeigende
Fürwort durch die Art der Anwendung des Ausdrucks
ausscheiden. || ausschließen.
Es ist leicht, sich die Regeln einer solchen
Anwendung || Ausdrucksweise
auszudenken. –
Und wem sich diese Darstellungsart (aus irgend welchen Gründen)
aufdrängt, der wird geneigt sein, zu sagen: es gibt nicht
‘meinen’ und ‘seinen’ Gesichtsraum; es
gibt nur den Gesichtsraum.
Denken wir an die Beschreibung eines Bildes. Zwei Formen der Beschreibungsind möglich || können wir uns denken.– In der einen heißt es: Die Abendsonne beleuchtet die Gipfel der Berge … die Bäume werfen lange Schatten … im See spiegeln sich die Wolken etc. In der andern: Die Sonne ist knapp über dem Horizont … die Gipfel der Berge sind hell … die Bäume haben lange Schlagschatten … im See sieht man blauen Himmel und Wolken etc. (Vielleicht wird man sagen, die erste Art der Beschreibung sei nur dort anzuwenden, wo die Lichter und Schatten, etc. wirklich im Bild motiviert seien. So ist es aber nicht. Wäre z.B. an einer Stelle des Bildes eine unmotivierte Helligkeit, so könnten wir einfach sagen: “Von einer unsichtbaren Quelle fällt Licht auf …”) Wenn nun Einer sagte: “In dem Raum eines Bildes fällt kein Licht von einem Gegenstand auf einen andern” – was könnte er mit dieser Aussage wollen? Ist es nicht eine besondere Betrachtungsweise, die er uns vorhält? Der Satz ist zeitlos; ich || er will nicht sagen “Im Bildraum fällt nie Licht …” – noch: “Die Erfahrung lehrt …” – sondern: es ist im Wesen des Bildraumes. Man könnte den Satz aber auch so verwenden: “Es nützt nichts, daß du die Sonne in diesem Bild noch heller malst, die Berge werden dadurch nicht heller.” Die Betrachtungsweise, die uns vorgehalten wurde, ist etwa die: auch im Bilde gibt es ein Rechts und Links, ein Vorn und Hinten, und räumliche Gegenstände; – 107 – sie
sind hier hell, hier dunkel; aber es gibt nicht die (uns
wohlbekannten) kausalen Zusammenhänge zwischen den Helligkeiten und
Dunkelheiten. –
Eine Analogie wird also hervorgehoben, eine
andere || andre unterdrückt.
Der Ausdruck “im Bildraum fällt kein Licht
etc.” zieht uns aber in anderer
Richtung.
Wir stellen uns eine physikalische Räumlichkeit vor, in der die
Gegenstände eine magische Helligkeit besitzen, und nicht auf einander
durch ihre Helligkeit wirken.
Wenn Einer sagt “Im Gesichtsraum gehen keine Lichtstrahlen …”– so weiß ich zunächst noch nicht sicher, wie er diese Aussage verwenden will. Er könnte ja z.B. fortfahren: “Ich will damit sagen, daß nicht in allen Fällen, in denen gesehen wird, mit dem Auge gesehen wird.” Aber ich kann den Satz vielleicht am besten so erklären: “Im Gesichtsraum gehen Strahlen von da dorthin” heiße, es ziehen leuchtende Linien durch den Raum; wo solche nicht zu sehen sind, wo (wie man auch sagen kann) solche im Gesichtsraum nicht vorhanden sind, spreche man nicht von ‘Strahlen im Gesichtsraum’. Ich will zeigen, wie leicht es ist, durch natürlich sich uns darbietende Übergänge von einer Darstellungsweise zur andern, zu einem Satz zu gelangen, der ganz den Charakter einer Aussage über eine fremdartige Welt trägt; und der uns doch nur ein fremdartiges Bild vorhält zur Darstellung wohlvertrauter Dinge. (⇒172) |
383.
Was der, der gleichsam das ‘visuelle Zimmer’
entdeckt zu haben schien – was der gefunden hatte, war eine
– 108 – neue Ausdrucksform,
ein neuer Vergleich; und man könnte auch sagen, eine neue
Empfindung.
(⇒164) |
384.
Denk dir, jemand, der auf die Sonne schaut, hätte plötzlich
die Empfindung, daß nicht sie sich
bewegt, || – || ; sondern wir an
ihr vorüberziehen.
Nun will er sagen, er habe einen neuen Bewegungszustand gesehen, in
dem wir uns befinden; und denke, er zeigt uns, nun, durch
Gebärden, welche Bewegung er meint, und daß es nicht die der Sonne
ist. –
Wir hätten es hier mit zwei verschiedenen Anwendungen des Wortes
“Bewegung” zu tun. (⇒165)? |
385.
Du deutest die neue Auffassung als das Sehen eines neuen
Gegenstands.
Du deutest eine grammatische Bewegung, die du gemacht hast, als
quasi–physikalische Erscheinung, die || welche du beobachtest.
(Denke z.B. an die Frage:
“Sind Sinnesdaten der Baustoff des
Universums?”)
Aber mein Ausdruck ist nicht einwandfrei: du habest eine ‘grammatische’ Bewegung gemacht. Du hast vor allem eine neue Auffassung gefunden. So, als hättest du eine neue Malweise erfunden; oder auch ein neues Metrum, oder eine neue Art der Gesänge.– (⇒166) |
386.
Wo sehe ich das Haus: hier in meinem Auge, oder dort, wo es
steht?
Angenommen, ich entschiede mich für eine der beiden Antworten, –
welche Konsequenz hätte die Entscheidung?
Aufgabe: Man sagt “ich sehe dort ein Haus”; wie wird dieser Satz angewendet? Und wie könnte man den anwenden: “Ich sehe das Haus hier” (wobei man auf ein Auge, oder auf beide Augen zeigt)? Vergleiche damit: “Wenn ich mit einem Stock diesen Gegenstand abtaste, habe ich die Tastempfindung – 109
– in der Spitze des Stockes, nicht in der
Hand, die ihn hält”.
Wenn Einer sagt “Ich habe nicht hier in der Hand,
sondern im Handgelenk Schmerzen”, so ist die
Konsequenz, daß der Arzt das Handgelenk untersucht.
Welchen || Welcher Art Unterschied macht
es aber dann, ob ich sage, ich
fühle die Härte des Gegenstands in der Stockspitze, oder ich
fühle sie in der Hand? –
Heißt, was ich sage: “Es ist, als hätte ich
Nervenenden in der Stockspitze”?
Inwiefern || Inwiefern
ist es so? –
Nun, ich bin jedenfalls geneigt, zu sagen “Ich fühle die
Härte, etc. in der
Stockspitze”; und || , und || . Und
damit geht zusammen, daß ich beim Abtasten nicht auf meine Hand, sondern
auf die Stockspitze sehe; daß ich, was ich fühle, mit den Worten
beschreibe “Ich fühle dort etwas Hartes,
Rundes,” – nicht mit den Worten indem
ich sage “Ich fühle einen Druck gegen die Fingerspitzen
des Daumens, Mittelfingers und Zeigefingers …” Wenn
mich etwa jemand fragte “Was fühlst du jetzt in den
Fingern, die die Sonde halten?”, so könnte ich ihm
antworten: “Ich weiß nicht – ich fühle
dort etwas Hartes, Rauhes.” (⇒173) |
387.
Wie, wenn ich einmal eine scheinbar unschuldige Bemerkung mache und
sie mit einem verstohlenen Seitenblick auf jemand begleite – –
ein andermal, vor mich hin sehend, offen über einen Anwesenden
rede, indem ich seinen Namen nenne: Denke ich wirklich
eigens an ihn, wenn ich seinen Namen gebrauche?
(⇒238) |
388.
Man kann unter Umständen sagen: “Als ich sprach,
empfand ich, ich sage es || rede zu
dir.”
Aber das würde ich nicht sagen, wenn ich ohnehin mit dir sprach || redete. (⇒325) |
389.
Der Ausruf “Da ist er!” muß nicht als
eine Mitteilung dienen.
Und nicht als Mitteilung gemeint sein.
Und wie unterscheidet sich der eine – 110
– Fall vom andern? –
Nicht immer auf gleiche Weise. –
Ich erwarte die Ankunft eines Freundes.
Ich stehe auf dem Bahnsteig unter lauter fremden Menschen.
Ich werde meinen Freund gewahr und rufe “Da ist
er!”.
Nimm an, ich will mich dabei aus irgend einem Grunde an die Fremden um
mich
herum || her
wenden.
Stell dir den Fall vor! –
Und nun diesen: Bekannte erwarten mit mir die Ankunft des
Freundes.
Ich sehe ihn zuerst und rufe “Da ist er!”
Es ist hier schwer, mich nicht dabei an die Andern zu
wenden – mich gänzlich zu isolieren. (⇒247) |
390.
“Freilich habe ich A gemeint; – ich habe gar nicht
an B gedacht!”
“Ich wollte, A sollte zu mir kommen, damit …” – Dies deutet auf einen größern Zusammenhang. (⇒193) |
391.
Ist es nicht ebenso mit dem Verbum
“verstehen”?
Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dort hin zu nehmen
habe.
Er fragt “Hast du mich verstanden?”
Ich antworte “Ich hab's
verstanden.” –
Will ich ihm mitteilen was in mir während seiner Erklärung vorgegangen
ist? –
Und doch ließe sich auch das mitteilen.
Wie würde so eine Mitteilung lauten? (⇒194?) |
392.
“Ich meinte mit dem Wort dies.”
Das ist eine Mitteilung, die anders verwendet wird, als die
einer Affektion der Seele. (⇒587) |
393.
Sagt man z.B.: “Ich habe jetzt
eigentlich nicht meinen Schmerz gemeint, ich habe nicht genügend auf
ihn Acht gegeben”?
Frage ich mich etwa: Was habe ich denn jetzt mit
– 111 – diesem Wort
gemeint? – meine Aufmerksamkeit war zwischen meinem Schmerz
und dem Lärm nebenan geteilt.” (⇒150) |
394.
“Sag mir, was ist in dir vorgegangen, als du
die || diese Worte
aussprachst?” –
Darauf ist || lautet die Antwort
nicht: “Ich habe … gemeint”! (⇒151?) |
395.
Anderseits: “Als du vorhin fluchtest, hast du es
wirklich gemeint?”
Dies heißt etwa wie || soviel wie:
“Warst du dabei wirklich
ärgerlich?” –
Und die Antwort kann auf Grund einer Introspektion gegeben werden, und
ist oft von der Art: “Ich habe es nicht sehr ernst
gemeint”, “Ich habe es halb im Scherz
gemeint”, etc.:
hier || Hier gibt es Gradunterschiede.
Und man sagt allerdings auch: “Ich habe bei diesem Wort halb und halb an ihn gedacht.” (⇒152 ?) |
396.
Wenn du mir sagst, du habest geflucht und dabei den N.
gemeint, so wird es mir gleichgültig sein, ob du dabei sein Bild
angeschaut, ob du dir ihn vorgestellt, seinen Namen ausgesprochen hast,
etc.
Die Schlüsse aus dem Faktum, die mich interessieren, haben damit nichts
zu tun.
Anderseits aber könnte es sein, daß Einer mir erklärt, der Fluch
sei nur dann wirksam, wenn man sich den Menschen klar vorstellt, oder
seinen Namen laut ausspricht.
Und hier könnte man etwa sagen: “Es kommt darauf
an, wie der Fluchende sein Opfer
meint”.
Aber das ist nicht die gewöhnliche Verwendung des Wortes
“meinen”. (⇒200) |
397.
Man fragt auch nicht: “Bist du sicher, daß du
ihn – 112
– verflucht hast, daß die Verbindung mit ihm
hergestellt war?”
So ist also wohl diese Verbindung sehr leicht herzustellen, daß man ihrer so sicher sein kann? wissen kann, daß sie nicht daneben geht. – Nun, kann es mir passieren, daß ich an den Einen schreiben will und tatsächlich an den Andern schreibe? – und wie könnte das geschehen || zugehen? (⇒201) |
398.
Gedanken erraten.
Es liegen Spielkarten auf einem Tisch.
Ich will, daß der Andre eine von ihnen berühren soll.
Ich schließe die Augen und denke an eine || die Karte;
der Andre soll erraten, welche ich meine. –
Er läßt sich darauf etwa eine Karte einfallen und wünscht dabei, meine Meinung zu treffen.
Er berührt die Karte, und ich sage “Ja, die
war's”, oder, sie war's
nicht.
Eine Variante dieses Spiels wäre:
daß ich eine bestimmte Karte
anschaue der Andre aber nicht sieht || Ich schaue
eine bestimmte Karte an; der Andre weiß nicht,
welche, und daß
er nun die Karte erraten muß, die ich anschaue. || soll die Karte
erraten.
Daß dies eine Variante des ersten Spiels
ist, ist wichtig || Es ist wichtig, daß das eine Variante des
ersten Spiels ist.
Es kann hier wichtig sein || ja einen Unterschied
machen, wie ich an die Karte denke, weil es
sich ja zeigen könnte, daß davon die Zuverlässigkeit des
Erratens abhängt.
Sage ich aber im gewöhnlichen leben “Ich
dachte soeben an ihn”, so fragt man meistens
nicht: “Wie hast du an ihn
gedacht?” (⇒206) |
399.
Man könnte im Gebrauch eines Wortes eine
‘Oberflächengrammatik’ von einer
‘Tiefengrammatik’ unterscheiden.
Das, was sich uns am Gebrauch eines Worts unmittelbar einprägt, ist
seine Verwendungsweise im Satzbau, der Teil seines
Gebrauches, (könnte man sagen) den man mit dem Ohr
erfassen kann.
– –Und nun vergleiche die Tiefengrammatik, des
Wortes “meinen” etwa, mit dem, was seine
Oberflächengrammatik uns sollte vermuten lassen.
Kein Wunder, wenn man es schwer findet, sich hier
auszukennen. (⇒109) – 113 – |
400.
Ich zeichne einen Kopf.
Man fragt || Du fragst
mich: “Wen soll das vorstellen?”
– Ich: “Das soll N.
sein.” –
Der Andre || Du:
“Es sieht ihm aber nicht ähnlich.
Eher noch dem M.” –
Als ich sagte, es stelle den N. vor, –
machte ich einen Zusammenhang, oder berichtete ich von einem?
Welcher Zusammenhang hatte denn bestanden? (⇒213) |
401.
“Du sagtest ‘Es wird bald
aufhören’.
Hast du an den Lärm gedacht, oder an deine
Schmerzen?”
Wenn er nun antwortet “Ich habe an den Lärm
gedacht”, konstatiert er, es habe diese Verbindung bestanden,
oder schlägt er sie mit diesen Worten? –
Kann ich nicht beides sagen?
Wenn, was er sagte, wahr war, bestand da nicht jene
Verbindung?
Und schlägt er nicht dennoch eine, die nicht bestand? (⇒191) |
402.
“Ich mußte plötzlich an ihn denken.”
Sein Bild schwebte mir etwa plötzlich vor.
Wußte ich, daß es sein, des N., Bild
war?
Ich sagte es mir nicht.
Worin lag es also, daß es das seine war?
Vielleicht in dem, was ich später sagte, oder tat. (⇒237) |
403.
Wenn die Verbindung des Meinens vor dem Befehl
hergestellt werden konnte, dann auch nach dem Befehl. (⇒198) |
405.
“Du wolltest also eigentlich sagen”
– || sagen … ” – mit dieser
Redeweise leiten wir jemand von einer
Ausdrucksform zu einer andern.
Man möchte sagen: das, was er eigentlich – 114 – ‘sagen
wollte’, was er ‘meinte’, sei, noch ehe wir es
aussprachen, in seinem Geist vorhanden gewesen.
Überlege, was uns dazu bewegt, einen Ausdruck aufzugeben, und an
seiner Stelle einen andern anzunehmen.
Das zu verstehen, ist es nützlich, das Verhältnis zu betrachten, in
welchem Lösungen mathematischer Probleme zum Anlaß und Ursprung ihrer
Fragestellung stehen.
Der Begriff ‘Dreiteilung des Winkels mit Lineal und
Zirkel’, wenn Einer nach der Dreiteilung sucht, und anderseits,
wenn bewiesen ist, daß sie unmöglich ist. (⇒428) |
406.
Wie, wenn wir jemand fragten “inwiefern sind diese Worte eine
Beschreibung dessen, was du siehst?” – und er
antwortet: “Ich meine das mit diesen
Worten” (er sah etwa auf eine Landschaft).
Warum ist diese Antwort “Ich meine das
…” gar keine Antwort?
Wie meint man, was man vor sich sieht, mit Worten? Denke, ich sagte “abcd”, und meinte || meine damit: Das Wetter ist schön. Ich hatte nämlich beim Aussprechen dieser Zeichen das Erlebnis, welches normalerweise nur der hätte, der, jahraus jahrein, “a” in der Bedeutung von “das”, “b” in der Bedeutung von “Wetter”, u.s.w., gebraucht hat. – Sagt dann “abcd”: das Wetter ist schön? (⇒105) |
408.
Denke, jemand zeigte mit dem Gesichtsausdruck des Schmerzes auf seine
Wange und sagte dabei “abrakadabra!”
Wir fragen “Was meinst du?” und er
antwortet: “Ich meinte damit
‘Zahnschmerzen’.” –
Du denkst – 115
– dir sofort: wie kann man denn mit diesem
Wort ‘Zahnschmerzen meinen’?
oder was hieß es denn: Schmerzen mit dem Wort
meinen? –
Und doch hättest du, in anderem Zusammenhang, behauptet, daß die
geistige Tätigkeit, das und das zu meinen, gerade das
Wichtigste beim Gebrauch der Sprache sei.
Aber wie, kann ich denn also nicht sagen “Mit ‘abrakadabra’ meine ich Zahnschmerzen”? Freilich; aber das ist eine Definition; nicht eine Beschreibung dessen, was in mir beim Aussprechen des Worts vorgeht. (⇒108) |
409.
Kann ich mit dem Wort “abrakadabra” meinen
“Wenn es nicht regnet, werde ich spazieren
gehen”? –
Nur in einer Sprache kann ich etwas mit etwas meinen.
Das zeigt klar, daß die Grammatik von “meinen” nicht
ähnlich der ist des Ausdrucks “sich etwas vorstellen”
und dergl.. (⇒223) |
410.
“Ich wollte mit dieser Bemerkung ihn
treffen.”
Wenn ich das höre, so kann ich mir dazu eine Situation und ihre
Geschichte vorstellen.
Ich könnte sie auf dem Theater darstellen, mich in den Seelenzustand
versetzen, in dem ich ‘ihn treffen’ will. –
Aber wie ist dieser Seelenzustand zu beschreiben; also
zu identifizieren? –
Ich denke mich in die Situation hinein, nehme eine
gewisse
Miene und Stimme an, etc.
Was verbindet meine Worte mit ihm?
Die Situation und meine Gedanken.
Und meine Gedanken nicht anders, als Worte, die ich ausspreche.
(⇒236) |
411.
In manchen spiritistischen Handlungen ist es wesentlich, daß man an
eine bestimmte Person denke.
Und wir haben hier den Eindruck, als wäre ‘an ihn
denken’, – 116
– gleichsam, ihn mit meinen Gedanken
aufspießen.
Oder es ist, als stäche ich immer wieder mit den Gedanken nach ihm
hin.
Denn sie schweifen etwa immer wieder ein wenig von ihm ab.
(⇒199) |
412.
“Wenn ich Einen die Bildung der Reihe .... lehre,
meine ich doch, er solle an der hundertsten Stelle ....
schreiben.”
Ganz richtig: du meinst es.
Und offenbar, ohne notwendigerweise auch nur daran zu denken.
Das zeigt dir, wie verschieden die Grammatik des Verbums
“meinen” von der des Verbums “denken”
ist.
Und nichts Verkehrteres, als das Meinen eine geistige
Tätigkeit nennen!
Wenn man nämlich nicht darauf ausgeht, Verwirrung zu erzeugen.
(Man könnte auch von einer Tätigkeit der Butter reden, wenn sie im
Preise steigt; und wenn dadurch keine Probleme erzeugt werden, so ist
das || es harmlos.) (⇒343﹖) |
413.
Statt “Ich habe ihn gemeint” kann man freilich
manchmal sagen “Ich habe an ihn gedacht”;
manchmal auch “Ja, wir haben von ihm
geredet”.
Also frag dich, worin es besteht ‘von ihm
reden’! (⇒585) |
414.
Wenn ich das Gesicht des N. nach dem Gedächtnis für
mich hinzeichne, so kann man doch sagen, ich
meine ihn mit meiner Zeichnung.
Aber von welchem Vorgang, der während des Zeichnens stattfindet, könnte
ich sagen, er wäre das Meinen?
Denn man möchte natürlich sagen: als er ihn meinte, habe er auf ihn gezielt. Wie aber macht das einer, wenn er sich das Gesicht des Andern in die Erinnerung ruft? Ich meine, wie ruft er sich ihn ins Gedächtnis? Wie ruft er ihn? (⇒196) – 117 – |
415.
“Ich denke an N.” ‒ ‒
“Ich rede von N.”
Wie rede ich von N.? Ich sage etwa “Ich muß heute N. besuchen.”‒ ‒ Aber das ist doch nicht genug! Mit “N.” könnte ich doch verschiedene Personen meinen, die diesen Namen haben. “Also muß noch eine andere Verbindung meiner Rede mit dem N. bestehen, denn sonst hätte ich doch nicht ihn gemeint.” Gewiß, eine solche Verbindung besteht. Nur nicht, wie du sie dir vorstellst: nämlich durch einen geistigen Mechanismus. (Man vergleicht “ihn meinen” mit “auf ihn zielen”.) (⇒224) |
416.
Wie tritt er in diese Vorgänge ein:
Ich steche nach ihm. Ich spreche zu ihm. Ich rufe ihn. Ich spreche von ihm. Ich stelle mir ihn vor. Ich achte ihn. (⇒239) ﹖ |
417.
Es ist hier ein ähnlicher Fall, wie wenn jemand sich vorstellt, man
könne einen Satz mit der merkwürdigen Wortstellung der deutschen,
oder lateinischen Sprache nicht einfach denken, wie er dasteht.
Man müsse ihn zuerst denken und dann bringt man die Wörter in jene
seltsame Ordnung.
(Ein französischer Politiker schrieb vor einigen Jahren, es sei die
Eigentümlichkeit der französischen Sprache, daß in
ihr die Worte in der Ordnung stehen, in der man sie denkt.) (⇒240) |
418.
Aber habe ich nicht die Gesamtform des Satzes,
z.B., schon an seinem Anfang
beabsichtigt?
Also war er mir doch schon im Geiste, ehe er noch ausgesprochen
war! –
Wenn er – 118
– mir im Geiste war, dann, im allgemeinen, nicht
mit || in anderer
Wortstellung.
Aber wir machen uns hier wieder ein irreführendes Bild vom
‘Beabsichtigen’; d.h., vom Gebrauch
dieses Worts.
Die Absicht ist eingebettet in der Situation, den menschlichen
Gepflogenheiten und Institutionen.
Gäbe es nicht die Technik des Schachspiels, so könnte ich nicht
beabsichtigen, eine Schachpartie zu spielen.
Soweit ich die Satzform im Voraus beabsichtige, ist dies dadurch
ermöglicht || beruht das
darauf, daß ich Deutsch sprechen kann.
(⇒241) |
419.
Denke, du habest || Du
hast Schmerzen und zugleich hörst du, wie nebenan Klavier
gestimmt wird.
Du sagst, “Es wird bald
aufhören”.
Es ist doch wohl ein Unterschied, ob du den Schmerz meinst,
oder das Klavierstimmen! –
Freilich; aber worin besteht dieser Unterschied?
Ich gebe zu: es wird in vielen Fällen der Meinung eine
Richtung der Aufmerksamkeit entsprechen, so
wie auch oft ein Blick, eine Geste, oder ein Schließen der Augen, das man
ein “Nach-innen-blicken” nennen könnte.
(⇒141) |
420.
Denke, es simuliert Einer Schmerzen und sagt nun “Es
wird bald nachlassen”.
Kann man nicht von ihm sagen, er meine den
Schmerz || die Schmerzen;
und doch konzentriert er seine Aufmerksamkeit auf keinen
Schmerz. –
Und wie, wenn ich endlich sage: “Er hat schon
aufgehört”? (⇒142) |
421.
Aber kann man nicht auch so lügen, indem man sagt “Es
wird bald aufhören” und den Schmerz meint,
– || : aber auf die Frage
“Was hast du gemeint?” zur Antwort
gibt: “Den Lärm im
Nebenzimmer”?
In Fällen dieser Art sagt man etwa: “Ich wollte
antworten … , habe mir's aber überlegt und – 119 – geantwortet
…” (⇒143) |
422.
Man kann sich beim Sprechen auf einen Gegenstand beziehen, indem
man auf ihn zeigt.
Da Zeigen ist hier ein Teil des Sprachspiels. –
Und nun kommt es uns vor, als spreche man von einer Empfindung dadurch,
daß man seine || die Aufmerksamkeit
beim Sprechen auf sie richtet.
Aber wo ist die Analogie?
Sie liegt offenbar darin, daß man durch schauen und
horchen auf etwas zeigen kann.
Aber auch auf den Gegenstand zeigen, von dem man spricht, kann ja für das Sprachspiel, für den Gedanken, unter Umständen ganz unwesentlich sein. (⇒144) |
423.
Denk, du telephonierst mit jemandem und sagst ihm:
“Dieser Tisch ist zu hoch” – wobei du
mit dem Finger auf den Tisch zeigst – – welche Rolle spielt hier
dies Zeigen?
Kann ich sagen: ich meine den betreffenden Tisch,
indem ich auf ihn zeige?
Wozu dieses Zeigen, und wozu diese Worte, und was sonst sie
begleiten mag? (⇒148) |
424.
Und worauf zeige ich denn durch die innere Tätigkeit des
Horchens?
Auf den Laut, der mir zu Ohren kommt, und auf die Stille, wenn ich
nichts höre?
Das Horchen sucht gleichsam einen Gehörseindruck und kann daher auf ihn nicht zeigen, sondern nur auf den Ort, wo es ihn sucht. (⇒145) |
425.
Wenn die rezeptive Einstellung ein
‘Hinweisen’ auf etwas genannt wird, dann nicht auf die
Empfindung, die wir dadurch erhalten. (⇒146) – 120 – |
426.
Die geistige Einstellung
‘begleitet’ das Wort nicht in dem
selben Sinne, wie eine Gebärde es begleitet.
(Ähnlich, wie Einer allein reisen kann, und doch von
meinen Wünschen begleitet; und wie ein Raum leer sein kann und doch von
Licht durchflossen.) (⇒147) |
427.
Worin besteht dieses Meinen (der Schmerzen, oder des
Klavierstimmens)?
Es kommt keine Antwort – denn die Antworten, die sich uns auf
den ersten Blick anbieten, taugen nicht. –
“Und doch meinte ich damals das eine und nicht das
andre.”
Ja, – nun hast du nur einen Satz mit Emphase wiederholt, dem ja
niemand widersprochen hat. (⇒589) |
428.
“Kannst du aber zweifeln, daß du das
meintest?” –
Nein; aber sicher sein, es wissen, kann ich auch nicht. (⇒590) |
430.
“Daß du das Klavierstimmen meintest, bestand darin, daß du ans
Klavierstimmen dachtest.”
“Daß du in diesem Brief diesen Menschen mit dem Wort ‘du’ meintest, bestand darin, daß du an ihn schriebst.” Der Irrtum ist: daß Meinen nicht in etwas besteht. (⇒591) |
431.
Es wäre daher dumm, Meinen eine ‘geistige Tätigkeit’ zu
nennen.
Weil man damit eine falsche Vorstellung von der Funktion des Wortes
begünstigt. || einer falschen Vorstellung von der Funktion des
Wortes den Boden bereitet. || die Wege
bereitet. (⇒592) – 121 – |
432.
“Suche das Buch A!” heißt nicht
“Suche das Buch B!”.
Aber ich mag, indem ich die beiden Befehle befolge,
genau das gleiche tun.
Zu sagen, es müsse dabei etwas anderes geschehen, wäre ähnlich, als sagte man, || : die Sätze “Heute ist mein Geburtstag” und “Am 26. April ist mein Geburtstag” müßten sich auf verschiedene Tage beziehen, da ihr Sinn nicht der gleiche sei. (⇒320) |
433.
Wie ein Wort funktioniert, kann man nicht erraten.
Man muß seine Anwendung ansehen und daraus lernen.
Die Schwierigkeit aber ist, das Vorurteil zu beseitigen, das diesem Lernen
entgegensteht.
(Es ist kein dummes Vorurteil.) (⇒246) |
434.
“Wie kannst du so sicher sein, daß du einen Augenblick lang
ihn || mich betrügen
wolltest?
Waren nicht deine Handlungen und Gedanken viel zu
rudimentär?”
Kann denn die Evidenz nicht zu spärlich sein? Ja, wenn man ihr nachgeht, scheint sie außerordentlich spärlich || kann sie außerordentlich spärlich scheinen; aber das ist vielleicht, weil man die Vorgeschichte dieser Evidenz außer Acht läßt. Wenn ich einen Augenblick lang die Absicht hatte, dem Andern Unwohlsein vorzuheucheln, so brauchte || braucht es dazu eine Vorgeschichte. (⇒290) |
435.
Wenn ich sage “Ich meinte ihn”, da
mag mir wohl ein Bild vorschweben, etwa davon, wie ich ihn ansah,
etc.; aber das Bild ist nur, wie das Bild zu
einer || eine Illustration zu einer Geschichte.
Aus ihr allein wäre meistens gar nichts zu erschließen; erst wenn man
die Geschichte kennt, weiß man, was es mit dem Bild soll. (⇒209) – 122 – |
436.
“Wenn ich die Worte gesagt hätte ‘Ich will ihn
jetzt betrügen’, hätte ich die Absicht nicht gewisser gehabt,
als so.” –
Aber wenn du jene Worte gesagt hättest, mußtest du sie da im vollen
Ernste gemeint haben?
(So ist also der am meisten explizite Ausdruck der Absicht allein
keine genügende Evidenz der Absicht.) (⇒292) |
437.
Wenn ich mich nun des Vorfalls schäme, schäme ich mich des
Ganzen: der Worte, des giftigen Tones,
u.s.w. (⇒294) |
438.
“Ich schäme mich nicht dessen, was ich damals tat, sondern der
Absicht, die ich hatte.” –
Aber lag die Absicht nicht auch in dem, was ich tat?
Worin lag das Beabsichtigen?
Nur in dem, was ich damals dachte, zu mir selber sagte?
Wodurch ist die Absicht gegeben?
Durch die ganze Geschichte. (⇒295﹖) |
439.
Warum kann ein Hund nicht Schmerzen heucheln?
Ist er zu ehrlich?
Könnte man einen Hund Schmerzen heucheln lehren?
Man kann ihm vielleicht beibringen, bei bestimmten Gelegenheiten
wie im Schmerz aufzuschreien, ohne daß er Schmerzen fühlt.
Aber zum eigentlichen Heucheln fehlte diesem Benehmen noch immer
die richtige Umgebung. (⇒252) |
440.
Sind wir vielleicht voreilig in der Annahme, daß das Lächeln des
Säuglings nicht Verstellung ist? –
Und auf welcher Erfahrung beruht unsre
Annahme? (⇒689) |
441.
Erinnere ich mich daran, daß ich das und das für einen Augenblick habe
sagen wollen, so erinnere ich mich oft – 123
– auch an gewisse
‘Einzelheiten’.
Diese Einzelheiten sind nicht irrelevant in dem Sinn, in welchem andere
Umstände, an die ich mich auch erinnern kann, es sind.
Aber wem ich mitteile “Ich wollte für einen Augenblick
sagen … ”, der erfährt dadurch diese Einzelheiten nicht und
muß sie auch nicht erraten.
Er muß z.B. nicht wissen, daß ich schon den Mund
zum Sprechen geöffnet hatte.
Er kann sich aber den Vorgang so
‘ausmalen’. (⇒215) |
442.
Die Grammatik des Ausdrucks “Ich wollte damals sagen
… ” ist verwandt der des
Ausdrucks || der von: “Ich
hätte damals fortsetzen können”.
Im einen Fall die Erinnerung an eine Absicht; im andern an ein Verstehen. (⇒216) |
443.
“Ich wollte sagen … ” –
Du erinnerst dich an verschiedene Einzelheiten.
Aber sie alle zeigen nicht diese Absicht.
Es ist, als wäre das Bild einer Scene aufgenommen
worden, aber es sind von ihm nur einige verstreute
Einzelheiten zu sehen; || , da und dort,
einzelne Stücke || Teile zu erkennen; hier eine
Hand, dort ein Stück eines Gesichts, oder ein Hut, das übrige ist
dunkel.
Und nun ist es, als wüßte ich doch ganz gewiß, was das
ganze Bild darstellt.
Als könnte ich das Dunkel lesen. (⇒220) |
444.
“Ich weiß genau, was ich sagen wollte!”
Und doch hatte ich's nicht gesagt. –
Und doch lese ich's nicht von irgend einem andern Vorgang ab,
der damals stattfand und mir in der Erinnerung ist.
Und ich deute auch nicht die damalige Situation und ihre Vorgeschichte. Denn ich überlege mir sie nicht und beurteile sie nicht. (⇒645) – 124 – |
445.
Wie kommt es, daß ich dann trotzdem geneigt bin, ein Deuten darin zu
sehen, wenn ich sage “Einen Augenblick lang wollte ich ihn
betrügen”?
Ist es, weil ich das, was in jenem Augenblick geschah, durch
die Umgebung und Vorgeschichte deute, d.h., mit
diesen zusammen nur als Ausdruck
der || Äußerungen der Absicht
charakterisiere? || sehe (⇒308) |
446.
Wenn ich den unterbrochenen Satz fortsetze und sage,
so hätte ich ihn damals fortsetzen wollen, so ist das
ähnlich, wie wenn ich einen Gedankengang nach kurzen Notizen
ausführe.
Und deute ich also diese Notizen nicht? War nur eine Fortsetzung unter jenen Umständen möglich? Gewiß nicht. – Aber ich wählte nicht unter diesen Deutungen. Ich erinnerte mich: – daß ich das sagen wollte. (⇒318) |
447.
Unterbrich einen Menschen im gänzlich unvorbereiteten und fließenden
Reden.
Dann frag ihn, was er sagen wollte; und er wird in vielen Fällen den
angefangenen Satz fortführen können. –
“Dazu mußte ihm schon vorgeschwebt haben, was er sagen
wollte.” –
Ist nicht vielleicht jenes Phänomen der Grund, warum wir sagen, die
Fortsetzung hätte ihm vorgeschwebt? (⇒325.1﹖) |
448.
“Du wurdest früher unterbrochen; weiß du noch, was du sagen
wolltest?” –
Wenn ich's nun weiß und es sage – heißt das, daß ich es
schon früher gedacht, und nur nicht gesagt hatte?
Nein.
Es sei dann, daß du die Sicherheit, mit der ich den unterbrochenen Satz
weiterführe, als Kriterium dafür
nimmst || deutest, daß der Gedanke damals bereits
fertig war. –
Aber es lag freilich schon alles mögliche in der – 125 – Situation und in meinen
Gedanken, das dem Satze weiterhilft. (⇒317) |
449.
“Ich erinnere mich nicht mehr meiner Worte, wohl aber der
Absicht, in der ich sie sprach.” –
Ein Andrer sagt etwa darauf: “Das kann ich
bezeugen; du sagtest damals …”
Ebenso kann man sagen: “Ich erinnere mich nicht mehr
meiner Worte, aber wohl an den Geist meiner Worte.”
“Ich erinnere mich nicht mehr an meine Worte, aber ich erinnere mich genau an meine Absicht: ich wollte ihn mit meinen Worten beruhigen.” – Was zeigt mir meine Erinnerung; was führt sie mir vor die Seele? Nun, wenn sie nichts täte als mir diese Worte einzugeben! – und vielleicht noch andere, die die Situation noch genauer || weiter ausmalen. – (⇒303) |
450.
Die Worte, mit denen ich meine Erinnerung ausdrückte, sind meine
Erinnerungsreaktionen || Erinnerungsreaktion.
(⇒304) |
451.
Wir sagen, der Hund fürchtet, sein Herr werde ihn
schlagen.
Aber nicht: er fürchte, sein Herr werde ihn morgen
schlagen. –
Warum nicht? (⇒255) |
452.
“So kann also der gewisse Erinnerungen nicht haben, der keine
Sprache gelernt hat.”
Freilich; er kann keine sprachlichen Erinnerungen, sprachlichen
Wünsche, etc. haben.
Und Erinnerungen in der Sprache sind ja nicht bloß die fadenscheinigen
Darstellungen eigentlicher Erlebnisse; ist denn das
Sprachliche kein Erlebnis? (⇒424) |
453.
Manche Menschen erinnern sich an ein musikalisches Thema in der Weise,
daß das Notenbild vor ihnen auftaucht – 126
– und sie es herunterlesen.
Es wäre denkbar, daß, was wir “erinnern” bei einem Menschen nennen, darin bestünde, || Man könnte sich ein ‘Erinnern’ vorstellen, das darin bestünde || so vor sich ginge, daß man sich im Geiste ein Buch nachschlagen sähe || die Menschen sich im Geiste ein Buch nachschlagen sähen, und daß, was man || er in dem Buch liest, eben das Erinnerte wäre. (Wie reagiere ich auf eine Erinnerung?) (⇒425) |
454.
Kann man ein Erinnerungserlebnis beschreiben? Gewiß. –
Aber kann man das Erinnerungshafte an diesem Erlebnis
beschreiben?
Was heißt das? (⇒648) |
455.
“Dieser Gedanke knüpft an Gedanken an, die ich früher einmal
gehabt habe.” –
Wie tut er das?
Durch ein Gefühl der Anknüpfung?
Aber wie kann das Gefühl die Gedanken wirklich verknüpfen?
–
Das Wort “Gefühl” ist hier sehr irreleitend.
Aber es ist möglich, daß Einer mit Sicherheit sagt:
“Dieser Gedanke hängt mit jenem Früheren
zusammen”, ohne daß er doch den Zusammenhang anzugeben
vermag.
Dies gelingt vielleicht später. (⇒291) |
456.
Wenn ich mit einer Bemerkung auf N. anspiele, so mag
sich dies – wenn bestimmte Umstände gegeben sind – aus meinem
Blick, Gesichtsausdruck, etc. ersehen lassen.
Und teile ich jemand dazu noch meine Gefühle, Vorstellungen,
etc. während des Sprechens mit, so mögen diese das
typische Bild des Anspielens (oder ein solches Bild)
vervollständigen.
Aber daraus folgt nicht, daß der Ausdruck “auf
N. anspielen” bedeute: sich so benehmen, dies
fühlen, sich dies vorstellen, etc.
Und hier wird Mancher sagen: Freilich
nicht!
Das haben wir immer schon gesehen.
Und es muß sich eben ein roter Faden durch alle diese
Erscheinungen ziehen.
Er ist mit ihnen gleichsam umsponnen, und daher – 127 – schwer
auffindbar.” –
Und das ist auch nicht wahr. – (⇒225) |
457.
Wenn ich sage “Ich habe in diesem Zimmer einen Sessel
gesehen”, so kann ich mich meistens nur sehr beiläufig an das
besondere Gesichtsbild erinnern; und es hat in den
meisten Fällen auch gar keine Bedeutung.
Der Gebrauch, der von dem Satz gemacht wird, geht an dieser
Besonderheit vorbei. || Das Gesichtsbild, das ich
erhielt, tritt in den Gebrauch des Satzes nicht
ein.
Ist es nun so auch, wenn ich sage “Ich habe den
N. gemeint”?
Geht dieser Satz in der gleichen Weise an den Besonderheiten des
Vorgangs vorbei? (⇒207) |
458.
Er stand auf und trat ans Fenster.
Später sagt er “Ich stand auf, um von diesen Leuten
wegzukommen.”
Ein Andrer sagt: “Das legst du jetzt
hinein.
Du bist aufgestanden, um deine Glieder zu
strecken.” –
Aber was soll er also hineingelegt haben?
Jenes Ungreifbare – die Absicht?
Und warum scheint sie uns ungreifbar; || ? noch um einen Grad ungreifbarer, als etwa eine Schmerzempfindung?. – Es muß daher kommen, daß wir versucht sind, eine Art der Beschreibung hier anzuwenden; – sie aber fallen lassen. Und dies nun so deuten: wir hätten versucht, etwas anzufassen und es habe sich als ungreifbar erwiesen. (⇒306) |
459.
“Einen Augenblick lang wollte ich …”
D.h., ich hatte ein bestimmtes Gefühl, inneres
Erlebnis, und ich erinnere mich daran.
‒ ‒
Und nun erinnere dich recht genau.
Da scheint das ‘innere Erlebnis’ des Wollens wieder
zu verschwinden.
Statt dessen erinnert man sich an Gedanken, Gefühle, Bewegungen, auch
an Zusammenhänge – 128
– mit früheren Situationen.
Es ist, als hätte man die Einstellung eines Mikroskops verändert, || geändert, und was jetzt im Brennpunkt liegt, sah man früher nicht. (⇒300) |
460.
“Nun, das zeigt nur, daß du dein Mikroskop falsch
eingestellt hast.
Du solltest eine bestimmte Schicht des Präparats anschauen, und siehst
nun eine andre.” (⇒301) |
461.
Daran ist etwas richtig.
Aber nimm an, ich erinnerte mich (mit einer bestimmten Einstellung
der Linsen) an eine Empfindung; wie darf ich sagen, daß
sie das ist, das ich die ‘Absicht’ nenne?
Es könnte sein, daß ein bestimmter Kitzel
(z.B.) jede meiner Absichten begleitete.
Was ist der natürliche Ausdruck der || einer Absicht? – Sieh eine Katze an, wenn sie sich an einen Vogel heranschleicht; oder ein Tier, wenn es entfliehen will. [Verbindung mit Sätzen über Empfindungen.] (⇒302) |
462.
Ich erinnere mich, ihn gemeint zu haben.
Erinnere ich mich eines Vorgangs; oder Zustands? –
Wann fing er an, wie verlief er, etc.?
(⇒204) |
463.
Warum will ich ihm, außer
dem || demjenigen, was ich tat, auch
noch eine Intention mitteilen? –
Nicht, weil die Intention auch noch etwas war, was
damals stattfand || vor sich
ging.
Sondern, weil ich ihm etwas über
mich mitteilen will, was über das
hinausgeht || hinausgeht über das was damals geschah. || darüber hinausgeht. || darüber hinausgeht, was damals geschah.
Ich erschließe ihm mein Inneres, wenn ich sage, was ich tun wollte. – Nicht aber auf Grund von Selbstbeobachtung, sondern durch eine Reaktion (man könnte es auch eine Intuition – 128a
– nennen). (⇒222) |
463a.
“Ich erinnere mich, ich wäre damals gerne noch länger
geblieben.” –
Welches Bild dieses Verlangens tritt mir vor die Seele?
Gar keins.
Was ich in der Erinnerung vor mir sehe, läßt keinen Schluß auf meine
Gefühle zu.
Und doch erinnere ich mich ganz deutlich daran, daß sie vorhanden
waren. |
463b.
Unser Fehler ist, dort nach einer Erklärung zu suchen, wo wir die
Tatsachen als ‘Urphänomene’ sehen sollten.
D.h., wo wir sagen sollten: dieses
Sprachspiel wird gespielt. |
463c.
Nicht um die Erklärung eines Sprachspiels durch
Gefühle || Erlebnisse handelt
sich's, sondern um die Feststellung
des || eines Sprachspiels.
– 129 –
⋎ |
464.
Wozu sage ich jemandem, ich hätte früher den und
den Wunsch gehabt? || die und die Absicht
gehabt?
Sieh auf das Sprachspiel als das Primäre! Und auf die Begriffe der Gefühle, des Erinnerns etc. als || die “Gefühle”, etc. als eine Betrachtungsweise || Deutung || auf eine Betrachtungsweise, eine Deutung, des Sprachspiels! Man könnte fragen: Wie ist der Mensch je dahin gekommen, eine sprachliche Äußerung zu machen, die wir “Berichten eines vergangenen Wunsches” nennen können? (⇒210) ⇒Bd. XII S. 290/4 |
465.
Denken wir uns, dieses Äußerung nehme immer die Form an:
“Ich sagte mir: ‘wenn ich nur länger bleiben
könnte!’”
Der Zweck einer solchen Mitteilung könnte sein, den Andern meine Reaktionen kennen zu lehren. (Vergleiche die Grammatik von “meinen” und “vouloir dire”.) (⇒211) |
466.
Ich schaue auf die brennende Lunte, folge mit höchster Spannung dem
Fortschreiten des Brandes und wie er sich dem Explosivstoff
nähert.
Ich denke vielleicht überhaupt nichts, oder eine Menge abgerissener
Gedanken.
Das ist gewiß ein Fall des Erwartens. (⇒286) |
467.
Wenn Einer, statt zu sagen “Ich erwarte jeden Moment die
Explosion”, flüstert “Es wird gleich
losgehen!”, so beschreiben doch seine Worte keine
Empfindung; obgleich sie und ihr Ton eine Äußerung seiner Empfindung sein
können. (⇒287) |
468.
Wenn ich nun sage “Ich erwarte …” –
ist das die – 130
– Feststellung: die Situation, meine
Handlungen, Gedanken, etc. seien die des Erwartens dieses
Ereignisses; oder || ?
Oder gehören die Worte “Ich erwarte
… ” zum Vorgang des Erwartens?
Unter gewissen Umständen werden diese Worte einfach heißen || uns diese Worte einfach sagen (ersetzt werden können durch) “Ich glaube, das und das wird eintreten”. Manchmal auch: “Mach dich darauf gefaßt, daß …” Ich sage jemandem: “Ich habe gehört, er wird kommen; ich erwarte ihn schon den ganzen Tag.” Dies ist ein Bericht darüber, wie ich den Tag verbracht habe. Ich komme in einem Gespräch zum Ergebnis, daß ein bestimmtes Ereignis zu erwarten sei || ist, und ziehe diesen Schluß mit den Worten: “Ich muß also jetzt sein Kommen erwarten”. Das kann man den ersten Gedanken, den ersten Schritt || Akt, dieser Erwartung nennen. Der Ausruf “Ich erwarte ihn sehnsüchtig!” ist ein Akt des Erwartens, wenn sich die Spannung der Erwartung in ihm Luft macht. Ich kann aber dieselben Worte als das Resultat einer Selbstbeobachtung aussprechen, und sie hießen dann etwa: “Also nach allem, was vorgegangen ist, erwarte ich ihn dennoch mit Sehnsucht”. Es kommt darauf an: Wie ist es zu diesen Worten gekommen? (⇒288) |
469.
Hat es Sinn, zu fragen “Woher weißt du, daß du es
glaubst?” – und ist etwa die Antwort:
“Ich erkenne es durch Introspektion”?
In manchen Fällen wird man so etwas sagen können, in den meisten nicht. Es hat Sinn zu fragen: “Liebe ich sie wirklich, mache ich mir das nicht nur vor?” Und der Vorgang der Introspektion ist das Wachrufen von Erinnerungen; von Vorstellungen möglicher Situationen und der Gefühle, die man hätte, etc. (⇒459) – 131 – |
470.
Auch “glauben” heißt nicht
denken || Glauben ist nicht ein
Denken.
Als ich mich auf diesen Stuhl setzte, glaubte ich
natürlich, er werde mich tragen.
Ich dachte gar nicht, daran, daß er
zusammenbrechen könnte.
Aber: “Trotz allem, was er tat, hielt ich an dem Glauben fest … ”. Hier wird gedacht, und etwa immer wieder eine bestimmte Einstellung erkämpft. Aber alles das sagt uns ja nicht, was glauben ist. Es ist keine Definition des Wortes “glauben”; und ich kann keine geben; weil es keine gibt. Wir haben eben hier eine Familie von Fällen. Sie beschreiben, heißt, uns die Anwendung des Wortes “glauben” lehren. (⇒250) |
471.
Nun könnte man aber sagen: Das Gesicht eines Menschen ist
durchaus nicht immer dieselbe Gestalt.
Es ändert sich von Minute zu Minute; manchmal wenig, manchmal bis
zur Unkenntlichkeit.
Dennoch ist es möglich, das Bild seiner Physiognomie zu
zeichnen.
Freilich, ein Bild, auf dem das Gesicht lächelt, zeigt nicht, wie es
weinend aussieht.
Aber es läßt darauf immerhin Schlüsse zu. –
Und so wäre es auch möglich, eine Art ungefähre
Physiognomie des Glaubens
(z.B.) zu beschreiben. (⇒251﹖) |
472.
Was heißt es: den Goldbach'schen Satz glauben?
Worin besteht dieser Glaube?
In einem Gefühl der Sicherheit, wenn wir den Satz aussprechen, oder
hören?
Das wäre nicht interessant.
Ich weiß ja auch nicht, wie weit dieses Gefühl durch den Satz
selbst hervorgerufen sein mag. –
Wie greift der Glaube in diesen Satz ein?
Sehen wir nach, welche Konsequenzen dieser Glaube hat, wozu er uns
bringt.
“Er bringt mich zum Suchen nach einem Beweis dieses
Satzes.” –
Gut, jetzt sehen wir noch nach, worin dein Suchen eigentlich
besteht! dann werden wir wissen, was es mit dem Glauben
– 132 – an den Satz auf
sich hat. (⇒496) |
473.
Wir sagen
“Ich erwarte ihn”, wenn wir glauben, er werde
kommen, sein Kommen uns || Ich sage “Ich erwarte
ihn”, wenn ich glaube, er werde kommen, sein Kommen
mich aber nicht weiter
beschäftigt.
Man könnte sagen, daß “erwarten” sich
hier || hier “erwarten” sich nicht auf
einen Zustand bezieht, in welchem ich mich befinde.
Wir sagen aber auch “Ich erwarte ihn”, wenn
dies heißen soll: Ich harre auf ihn. –
Wir könnten uns eine Sprache denken, die in diesen Fällen verschiedene
Verben benützt.
Und ebenso mehr als ein Verbum dort, wo wir von
‘glauben’
,
‘hoffen’ etc. reden || reden oder
von ‘hoffen’ || oder von ‘hoffen’
reden.
Die Begriffe dieser Sprache wären für ein
Verständnis der Psychologie viel geeigneter, || könnten für
ein Verständnis der Psychologie geeigneter sein, als die
Begriffe unsrer Sprache. (⇒197) |
474.
Unsere Untersuchung trachtet nicht, die eigentliche, exakte Bedeutung
der Wörter zu finden; wohl aber geben wir den
Wörtern im Verlauf unsrer Untersuchung manchmal exaktere
Bedeutungen. (⇒430) |
475.
Ich pfeife, und jemand fragt mich, warum ich guter– Dinge
bin.
Ich antworte “Ich hoffe, N. wird heute
kommen.” –
Aber während ich pfiff, dachte ich nicht an ihn.
Und doch wäre es falsch zu sagen: ich hätte aufgehört zu
hoffen, als ich zu pfeifen anfing. (⇒248) |
476.
Wenn Einer sagt “Ich hoffe, er wird kommen”–
ist das ein Bericht über seinen Seelenzustand, oder eine
Äußerung seiner Hoffnung? –
Ich kann es z.B. zu mir selbst sagen.
Und mir mache ich doch keine Mitteilung.
Es kann ein Seufzer sein; aber muß kein Seufzer sein.
Sage ich jemandem “Ich kann heute meine Gedanken nicht
bei der – 133
– Arbeit halten; ich denke immer an sein
Kommen” – so wird man das eine Beschreibung
meines Seelenzustands nennen. (⇒249) |
477.
Ist ‘ein Wort verstehen’ ein seelischer
Zustand? –
Betrübnis, Aufregung, Schmerzen, nennen wir seelische
Zustände.
Mache || Mach
diese grammatische Betrachtung: Wir sagen
“Er war den ganzen Tag betrübt” “Er war den ganzen Tag aufgeregt” “Er hatte seit gestern ununterbrochen Schmerzen”. – Wir sagen auch “Ich verstehe dieses Wort seit gestern”. Aber ‘ununterbrochen’? – Ja, man kann von einer Unterbrechung des Verstehens reden. In welchen Fällen? – Vergleiche: “Wann haben deine Schmerzen nachgelassen?” und “Wann hast du aufgehört, das Wort zu verstehen?”. (⇒79) |
478.
Zustände:
‘Einen || einen Berg
ersteigen können’ kann man einen Zustand eines Körpers
nennen.
Ich sage: “Ich kann hinaufsteigen; ich bin stark
genug dazu.”
Vergleiche damit diesen Zustand des Könnens:
“Ja, ich kann hinaufsteigen; ich habe
Zeit.” (⇒81﹖) |
479.
Wie, wenn man fragte: Wann kannst du Schach
spielen? –
Immer? || ; oder während
du einen Zug machst?
Und während jedes Zuges das ganze Schach? –
Und wie seltsam, daß Schachspielenkönnen so kurze Zeit braucht,
und eine Partie so viel länger.
(Und nun überlege dir den alltäglichen Gebrauch der
Worte || Frage “Wann kannst du
Schach spielen?”!) (⇒ 86) zu S. 103 № 148 – 134 – |
480.
Kann man jemand befehlen, einen Satz zu verstehen?
Warum sagt man nicht: “Versteh
das!”?
Könnte ich nicht den Befehl “Versteh diesen griechischen
Satz!” dadurch befolgen, daß ich Griechisch
lernte? –
Ähnlich: Man kann sagen “Rufe dir Schmerzen
hervor!”, aber nicht “Fühle
Schmerzen!”. (⇒27) |
481.
Anwendung des Imperativs.
Was hat es zu bedeuten, daß man diese Befehle ohne
weiteres versteht: Stell dir … vor! Rechne … im Kopf! Überlege dir …! Konzentriere deine Aufmerksamkeit auf …! Sieh diese Figur als Bild eines Prismas! Dagegen nicht ohne weiteres die folgenden: Beabsichtige …! Meine mit diesen Worten …! Vermute, daß es sich so verhält! Glaube, daß es so ist! Sei der festen Überzeugung …! Erinnre dich daran, daß dies geschehen ist! Zweifle daran, ob es geschehen ist! Hoffe auf seine Wiederkehr! Ist das der Unterschied, daß die ersten willkürliche, die zweiten unwillkürliche Bewegungen des Geistes sind? Eher noch könnte ich sagen, die Verben der zweiten Gruppe bezeichnen keine Handlungen sondern Zustände. Man befiehlt “Versetze Dich in diesen Zustand!”, nicht: “Sei in diesem Zustand!”. (⇒646) |
482.
Erwartung ist, grammatikalisch, ein Zustand; sowie: einer
Meinung sein, etwas hoffen, etwas wissen, etwas können.
Aber um die Grammatik dieser Zustände zu verstehen, muß man
fragen: “Was gilt als Kriterium dafür, daß sich
jemand in diesem Zustand befindet?”
(Zustand der Härte, des Gewichts, des
Zusammenpassens.) (⇒289) – 135 – |
483.
Eine Meinung || Ansicht haben ist ein Zustand.
–
Ein Zustand wessen?
Der Seele? Des || , des
Geistes?
Nun, wovon sagt man, es habe eine
Meinung || Ansicht?
Vom Herrn N.N., zum Beispiel.
Das ist die richtige Antwort.
Man darf eben von der Antwort auf die || jene Frage noch keinen philosophischen Aufschluß erwarten. Fragen, die || welche tiefer dringen, sind: Was sehen wir, in besondern Fällen, als Kriterien dafür an, daß Einer die und die Meinung hat? Wann sagen wir: er sei damals zu dieser Meinung gekommen? Wann: er habe seine Meinung geändert? U.s.w. Das Bild, welches die Antworten auf diese Fragen uns geben, zeigt, was hier grammatisch als Zustand behandelt wird. (⇒326) |
484.
“Ich habe mich in meinem Herzen dazu
entschlossen.”
Und man ist dabei auch geneigt, auf die Brust zu zeigen.
Diese Redeweise ist psychologisch erst zu nehmen.
Warum sollte sie weniger ernst zu nehmen sein, als die Aussage, der
Glaube sei ein Zustand der Seele?
(Luther:
“Der Glaube ist unter der linken
Brustzitze.”) (⇒563) |
485.
Es könnte sein, daß jemand die Bedeutung des Ausdrucks “was
man sagt, meinen” durch ein Zeigen auf das Herz
verstehen lernt.
Aber nun muß man fragen: “Wie zeigt
sich's, daß er es gelernt hat?” (⇒564) |
486.
Wie ist das: ‘die Absicht haben, etwas zu
tun’? –
Was könnte ich Besseres tun, als einen Romanschriftsteller
wie Dostojewskij zu
zitieren, wenn er die Seelenzustände einer Person beschreibt || Romanschriftsteller wie
Tolstoj und Dostojewskij zu zitieren, wenn sie die Seelenzustände einer Person
beschreiben, die eine Absicht hat? – (⇒284﹖) – 136 – |
487.
“Ich wälze den Entschluß in mir herum, morgen
abzureisen.”
(Dies kann man eine Beschreibung des Gemütszustands
nennen.)
“Deine Gründe überzeugen mich nicht; ich bin noch immer der Absicht, morgen abzureisen.” Hier wird man versucht sein, die Absicht ein Gefühl zu nennen. Das Gefühl ist das, einer gewissen Steifigkeit; des unabänderlichen Entschlusses. (Aber es gibt auch hier viele verschiedene charakteristische Gefühle, und Haltungen.) Man fragt mich: “Wie lang bleibst du hier?” Ich antworte: “Morgen reise ich ab; meine Ferien gehen zu Ende.” Dagegen aber: Ich sage am Ende eines Streits: “Nun gut; dann reise ich morgen ab!” – Ich fasse einen Entschluß. (⇒310) |
488.
Dieser letzte Fall ist ähnlich dem: “Ich werde dir
ein Zeichen geben: ich werde die Hand heben.” –
Es würde Jeden überraschen || wäre
seltsam, wenn ich statt dessen sagte “Meine
Hand wird sich heben”, obwohl doch auch diese Voraussage
erfüllt wird, wenn ich meine Hand hebe.
Sagt also der Satz “Ich werde meine Hand heben” in Wirklichkeit etwas sehr schwer verständliches; was nur – zu seinem Glück – dem Laien, der dies sagt, verborgen bleibt || ist? (⇒311) |
489.
Betrachte die beiden Sprachspiele: a) Der Turnlehrer gibt dem Schüler den Befehl, bestimmte Armbewegungen zu machen, oder Körperstellungen einzunehmen. Eine Variante hievon || davon ist: Der Schüler gibt sich selbst Befehle, und führt sie dann aus. b) Jemand beobachtet gewisse regelmäßige Vorgänge – z.B. die Reaktionen verschiedener Metalle auf Säuren – und macht daraufhin Vorhersagen über die Reaktionen, die in bestimmten Fällen eintreten werden. – 137 –
Es ist zwischen diesen beiden Sprachspielen eine offenbare Verwandtschaft, und auch Grundverschiedenheit. In beiden könnte man, was gesprochen wird, “Vorhersagen” nennen. (Ein Befehl lautet oft: “Du wirst jetzt … ”) Vergleichen wir aber die Abrichtung, die zu der ersten Technik führt, mit der Abrichtung für die zweite! (⇒312) |
490.
“Ich werde jetzt zwei Pulver einnehmen; eine halbe
Stunde darauf werde ich erbrechen.” –
Es erklärt nichts, wenn ich sage, im ersten Fall sei ich das Agens,
im zweiten bloß der Beobachter.
Oder: im ersten Falle sähe ich den kausalen Zusammenhang von
innen, im zweiten von außen.
Und vieles Ähnliche.
Es ist auch nicht zur Sache, zu sagen, daß eine Vorhersage der ersten Art so wenig unfehlbar ist, wie eine der zweiten Art. Nicht auf Grund von Beobachtungen meines Verhaltens sagte ich, ich würde jetzt zwei Pulver einnehmen. Die || ; die Antezedentien dieses Satzes waren ganz andere. Ich meine, die Gedanken, Handlungen, etc., die zu ihm hinleiten. Und es ist nur irreführend, zu sagen: “Die einzige wesentliche Voraussetzung deiner Äußerung war eben dein Entschluß.” (⇒313) |
491.
Ich will nicht sagen: im Falle der Willensäußerung
“Ich werde Pulver einnehmen” sei die Voraussage
Ursache – und ihre Erfüllung der Effekt.
(Das könnte vielleicht eine physiologische Untersuchung
entscheiden.)
Soviel aber ist wahr: Wir können häufig aus der Äußerung
des Entschlusses die Handlung eines Menschen vorhersagen.
Ein wichtiges Sprachspiel. (⇒314) – 138– |
492.
“Aber wenn du sagst ‘Ich habe die Absicht,
abzureisen’, so meinst du's doch!
Es ist eben hier wieder das geistige Meinen, das den Satz
belebt.
Sprichst du den Satz etwa bloß einem Andern nach,
etwa um seine Sprechweise zu verspotten, so sprichst du ihn
ohne dieses Meinen.” –
Wenn wir philosophieren, so kann es so scheinen.
Aber denken wir uns doch wirklich
verschiedene Situationen aus, und Gespräche, und wie jener
Satz in ihnen ausgesprochen
wird. || !
‒ ‒
“Ich entdecke immer einen geistigen Unterton; vielleicht nicht
immer den gleichen.” –
Und war da kein Unterton vorhanden, als du den Satz einem Andern
nachsprachst?
Und warum || wie nun den
‘Unterton’ von dem übrigen Erlebnis des Sprechens
trennen? (⇒315) |
493.
Es ist uns natürlich, den Satz in diesem Zusammenhang auszusprechen;
und unnatürlich, ihn isoliert zu sagen.
Sollen wir sagen: Es gibt ein bestimmtes Gefühl, das das
Aussprechen jedes Satzes begleitet, dessen Aussprechen uns natürlich
ist? (⇒316) |
494.
Soll ich sagen, wer eine Absicht hat, erlebt eine Tendenz?
Es gebe bestimmte Tendenzerlebnisse? –
Erinnere dich an diesen Fall: Wenn man in einer Diskussion
dringend eine Bemerkung, einen Einwurf, machen will, geschieht es
häufig, daß man den Mund öffnet, den Atem einzieht und
anhält.
Entscheidet man sich dann, den Einwurf zu unterlassen, so läßt man den
Atem aus.
Das Erlebnis dieses Vorgangs ist offenbar das Erlebnis einer Tendenz,
zu sprechen.
Wer mich beobachtet, wird erkennen, daß ich etwas sagen wollte und
mich dann anders besonnen habe.
In dieser Situation nämlich. –
In einer andern würde er mein Benehmen so nicht deuten, so
charakteristisch es auch in der gegenwärtigen– 139
– Situation für die
Absicht, etwas zu sagen, || , zu reden,
ist. || des Redens ist.
Und ist irgend ein Grund vorhanden, anzunehmen, dieses selbe Erlebnis
könnte in einer ganz andern Situation nicht auftreten, – wo ihm
keinerlei Tendenz entspräche?(⇒283) |
496.
Unter was für Umständen sagt man “Diese
Vorrichtung ist eine Bremse, funktioniert aber
nicht”?
Das heißt doch: sie erfüllt ihren Zweck nicht.
Worin liegt es, daß sie diesen Zweck hat? –
Man könnte auch sagen: “Es war die
Absicht, daß dies als Bremse wirken
sollte.”
Wessen Absicht?
Hier entschwindet uns die Absicht als Zustand der Seele
gänzlich.
Könnte man sich nicht auch denken, daß mehrere Leute eine Absicht hätten, sie ausführten, ohne daß irgend einer von ihnen sie hat? So kann eine Regierung eine Absicht haben, die kein Mensch hat. (⇒629) |
497.
“Was geschieht, wenn ein Mensch plötzlich
versteht??”
Die Frage ist falsch gestellt.
Fragt sie nach der Bedeutung des Ausdrucks “plötzlich
verstehen”, so ist die Antwort nicht das Hinweisen auf einen
Vorgang, den wir so nennen. –
Die Frage könnte bedeuten: Was sind Anzeichen dafür, daß
Einer plötzlich versteht. – || ; und
charakteristische psychische Begleiterscheinungen, wie die
Gefühle, die zu jenen Anzeichen gehören?
Wenn ich z.B. plötzlich den Atem einziehe, so
merkt es der Andre, und ich fühle es auch.
(Es ist kein Grund anzunehmen, daß ein Mensch die Ausdrucksbewegungen seines Gesichts, z.B., oder die, für die || der || einer – 140 – Gemütsbewegung
charakteristische, Atmung fühle.
Auch wenn er sie fühlt, sobald sich || er
seine Aufmerksamkeit auf sie richtet.) (⇒350) |
498.
Daß die Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des Ausdrucks mit
dieser Beschreibung nicht gegeben ist, verleitet dann zu der
Folgerung, das Verstehen sei eben ein spezifisches, undefinierbares,
Erlebnis.
Man vergißt aber, daß, was uns interessieren muß, die Frage ist:
Wie vergleichen wir diese Erlebnisse; was
legen wir fest als Kriterium der Identität des
Geschehnisses? (⇒351) |
499.
Die Frage “Was geht da vor, wenn … ?”
(in dieser Art von Untersuchung) ist gänzlich irreführend.
Die philosophische Frage selbst verstellt den Weg zur
Klarheit. (⇒324?) |
500.
Vorsichtig, wie auf brüchigem Eis, muß man vorwärtsgehen; überall
nach der Verwendung fragen, nirgends
dem Schein
des Ausdrucks trauen.
Denn jeder der geläufigen Ausdrücke legt eine andere als die
tatsächliche Verwendung nahe. (⇒159) |
501.
Hundert irreleitende Bilder kommen hier zusammen, und das
macht die Schwierigkeit der philosophischen Situation aus.
Wohin wir treten, wankt wieder der Boden.
Die ‘großen’, schwierigen Probleme der Philosophie
sind es nicht etwa dadurch, daß hier ein unerhört subtiler und
geheimnisvoller Sachverhalt ist, den wir erforschen sollen,
sondern dadurch, daß an dieser Stelle eine große Zahl
irreführender Ausdrucksformen sich kreuzen. || – 141 –
treffen. (⇒160) |
502.
“Das Wollen, wenn es nicht eine Art Wünschen sein soll, muß
das Handeln selber sein.
Es darf nicht vor dem Handeln stehen bleiben.” –
Ist es das Handeln, so ist es dies im gewöhnlichen Sinne dieses Worts;
also sprechen, singen, gehen, etwas heben, sich etwas vorstellen,
etc.; aber auch: trachten, versuchen, sich bemühen,
– alle jene Tätigkeiten zu
verrichten. || alles dies || all das zu
tun. (⇒359) |
503.
Wenn ich meinen Arm hebe, so habe ich nicht gewünscht, er
möge sich heben.
Die willkürliche Handlung schließt diesen Wunsch aus.
Man kann allerdings sagen: “Ich hoffe, ich werde
den Kreis fehlerlos zeichnen.”
Und damit drückt man einen Wunsch aus, die Hand möge sich so und so
bewegen. (⇒360) |
504.
Wenn ich meinen Arm ‘willkürlich’ bewege, so bediene
ich mich nicht eines Mittels, die Bewegung herbeizuführen.
Auch mein Wunsch ist nicht ein solches Mittel. (⇒227) |
505.
Betrachte diese Beschreibung einer willkürlichen Handlung:
“Ich fasse den Entschluß, um 5 Uhr die Glocke zu ziehen;
und wenn es 5 schlägt, macht nun mein Arm einfach diese
Bewegung.” –
Ist das die richtige Beschreibung?
Und nicht die: “ … und wenn es 5
schlägt, hebe ich meinen Arm”? ‒ ‒
Die erste Beschreibung möchte man so ergänzen:
“Und siehe da, mein Arm hebt sich, wenn es 5
schlägt”.
Und dies “siehe da” ist gerade, was hier
wegfällt.
Wir sagen nicht: “Sieh, mein Arm
hebt sich!”, wenn wir den Arm heben.
(⇒228) – 142 – |
506.
Man könnte also sagen: die willkürliche Bewegung sei durch die
Abwesenheit des Staunens charakterisiert.
Und nun will ich nicht, daß man
fragt || frägt
“Aber warum || warum
erstaunt man hier nicht?” (⇒229) |
507.
Wenn wir unsere Finger in bestimmter Weise verschränken, so sind
wir manchmal nicht im Stande, einen der
Finger || von ihnen auf Befehl zu bewegen, wenn der
Befehlende bloß auf den Finger zeigt – ihn bloß unserm Aug
zeigt.
Wenn er ihn dagegen || aber
berührt, so können wir ihn bewegen.
Man möchte diese Erfahrung so beschreiben: Wir seien nicht
im Stande, den Finger bewegen zu wollen.
Der Fall ist ganz verschieden von dem, wenn wir nicht im Stande sind,
den Finger zu bewegen, weil ihn etwa jemand
festhält.
Man wird nun geneigt sein, den ersten Fall so zu beschreiben: Man könne für den Willen keinen Angriff finden, ehe der Finger nicht berührt werde ehe man den Finger nicht fühle. Erst wenn man ihn fühle, könne der Wille wissen, wo er anzugreifen habe. – Aber diese Ausdrucksweise ist irreführend. Man möchte sagen: “Wie soll ich denn wissen, wo ich mit dem Willen anzupacken habe, wenn das Gefühl nicht die Stelle bezeichnet?” Aber wie weiß man denn, wenn das Gefühl da ist, wohin ich den Willen zu lenken habe? Daß der Finger in diesem Falle gleichsam gelähmt ist, ehe wir eine Berührung in ihm fühlen, das zeigt die Erfahrung; es war aber a priori nicht || nicht a priori einzusehen. (⇒474) |
508.
“Das Wollen ist auch nur eine Erfahrung”, möchte man
sagen.
(Der ‘Wille’ auch nur
‘Vorstellung’.)
Er kommt, wenn er kommt, und ich kann ihn nicht herbeiführen.
Nicht herbeiführen? – Wie was? Was kann ich denn – 143
– herbeiführen?
Womit vergleiche ich das Wollen, wenn ich dies von ihm
sage? (⇒475) |
509.
Von der Bewegung meines Armes, z.B., würde ich
nicht sagen, sie komme, wenn sie
komme, || –
etc.
Und hier ist das Gebiet, in welchem wir sinnvoll sagen, daß uns etwas
nicht einfach geschieht, sondern daß wir es tun.
“Ich brauche nicht abwarten, bis mein Arm sich heben wird; ich
kann ihn heben.”
Und hier setze ich die Bewegung meines Arms etwa dem
entgegen, || : daß sich das Klopfen
meines Herzens legen wird. (⇒476) |
510.
“Ich kann es nicht herbeiführen”?
Doch, ich kann es herbeiführen, in dem Sinne, in dem ich irgend etwas
herbeiführen kann.
Ich kann es nicht wollen.
Und das heißt, || : es
hat keinen Sinn, zu sagen “Ich habe es willkürlich
(oder unwillkürlich) gewollt.” (⇒478) |
511.
So führt man das Wollen herbei, wenn man sich absichtlich in eine
Zwangslage versetzt.
Wenn man z.B. ins tiefe Wasser springt, um
Schwimmen zu lernen. (⇒479) |
512.
Mein Ausdruck kam daher, daß ich mir das Wollen als ein herbeiführen
dachte, – aber nicht als ein Verursachen, sondern – ich möchte
sagen – als ein direktes, nicht-kausales
Herbeiführen.
Und dieser Idee liegt die Vorstellung zu Grunde, daß der kausale Nexus
die Verbindung zweier Maschinenteile durch einen Mechanismus, etwa eine
Reihe von Zahnrädern, ist.
Die Verbindung kann
auslassen || versagen, wenn der
Mechanismus gestört wird.
(Man denkt nur – 144
– an die Störungen, denen ein Mechanismus
normalerweise ausgesetzt ist; nicht daran, daß die Zahnräder
plötzlich weich werden, oder einander durchdringen,
etc.) (⇒480) |
513.
Das wollende Subjekt stellt man sich hier als
etwas Masseloses (Trägheitsloses) vor; als einen Motor,
der in sich selbst keinen Trägheitswiderstand zu überwinden hat.
Und also nur Treibendes und nicht Getriebenes ist.
D.h.:
Man || man kann sagen
“Ich will, aber mein Körper folgt mir
nicht” – aber nicht: “Mein Wille
folgt || gehorcht mir nicht” – aber nicht:
“Mein Wille gehorcht mir
nicht”.
(Augustinus)
Aber in dem Sinn, in welchem es mir nicht mißlingen kann, zu wollen, kann ich es auch nicht versuchen. (⇒482) |
514.
Und man könnte sagen: “Ich kann nur insofern
jederzeit wollen, als ich nie versuchen kann, zu
wollen.” (⇒483) |
515.
Tun scheint selbst kein Volumen der Erfahrung zu
haben.
Es scheint wie ein ausdehnungsloser Punkt, die Spitze einer
Nadel.
Diese Spitze scheint das eigentliche Agens.
Und alles || das Geschehen in der
Erscheinung nur Folge dieses Tuns.
“Ich tue” scheint einen bestimmten Sinn
zu haben, abgelöst von jeder Erfahrung. (⇒484) |
516.
Aber vergessen wir eines nicht: Wenn ‘ich meinen
Arm hebe’, hebt sich mein Arm.
Und das Problem entsteht: was ist das, was übrig bleibt, wenn ich
von der Tatsache, daß ich meinen Arm hebe, die abziehe, daß mein Arm sich
hebt? (⇒485) – 145 – |
517.
Kann nun eine willkürliche Handlung nicht verursacht
werden? –
Und ist sie dadurch gezwungen? –
Wenn ich arrestiert und von der Polizei abgeführt werde, so
gehe ich gezwungen.
Ist nun das gleiche der Fall, wenn ich im Garten spazieren
gehe?
Ist denn die Ursache ein Zwang?
Ist es richtig zu sagen “Ich fühle mich in
diesem Falle nur nicht gezwungen, weil mir die Ursache, weswegen
ich mich bewege, wie ich es tue, || weil mir die Ursache
meiner Bewegungen nicht bekannt ist || weil mir die
Ursachen, die mich bewegen, nicht bekannt
sind”?
Wäre die Kenntnis eines Naturgesetzes ein Gefühl des
Zwanges || Zwangs?
(⇒486) |
519.
Meine Wahl ist frei, heißt nichts anderes, als: ich
wähle.
Und daß ich manchmal wähle, steht doch nicht im Zweifel.
Was man “frei” nennt, ist die Wahl.
Zu sagen “Wir glauben nur, daß wir wählen” ist
Unsinn.
Der Vorgang, den wir “wählen” nennen, findet
statt, ob das Resultat der Wahl sich nach Naturgesetzen
voraussagen läßt, oder nicht. (⇒490) |
520.
Wenn wir durch einen Strohhalm trinken, so sind wir geneigt zu meinen,
wir saugen mit dem Mund, den Wangen, weil wir in ihnen das Saugen spüren,
aber nicht in den Brustmuskeln, die die Kraft
ausüben. (⇒489) |
521.
Im Laboratorium, unter dem Einfluß elektrischer Ströme etwa, sagt Einer
mit geschlossenen Augen: “Ich bewege meinen Arm auf
und ab” – || ,
obgleich sich der Arm nicht bewegt.
“Er hat also das besondere Gefühl der Bewegung”
– 146 – sagen
wir. –
Beweg mit geschlossenen Augen deinen Arm hin und her.
Und nun versuch, während du es tust, dir zu
sagen || dir einzureden,
der Arm stehe still und du hättest nur gewisse seltsame Empfindungen in
verschiedenen || seinen
Muskeln, etc.! || Gelenken, etc.! (⇒361) |
522.
“Wie weißt du, daß du deinen Arm gehoben
hast?”– “Ich fühle
es.”
Was du also wiedererkennst, ist die Empfindung?
Und ist es sicher, daß du sie richtig
wiedererkennst? –
Diese Äußerung ist das Kriterium, das Maß, des
Wiedererkennens. (⇒362) |
523.
Hier stoßen wir auf eine merkwürdige und
charakteristische Erscheinung in philosophischen
Untersuchungen: Die Schwierigkeit, könnte ich sagen, ist
nicht, die Lösung zu finden, sondern, etwas als die Lösung
anzuerkennen, was aussieht, als wäre es erst eine Vorstufe zu
ihr.
Wir haben schon alles gesagt. –
Nicht etwas, was daraus folgt, sondern eben das ist die
Lösung!”
Das hängt, glaube ich, damit zusammen, daß wir fälschlich eine Erklärung erwarten; während eine Beschreibung die Lösung der Schwierigkeit ist, – wenn wir sie richtig in unsere Betrachtung einordnen. Wenn wir bei ihr verweilen, nicht versuchen, über sie hinauszukommen. Die Schwierigkeit ist hier: Halt zu machen. (⇒434) |
524.
Wenn wir die Frage “warum” unterdrücken, werden wir
oft erst die wichtigen Tatsachen gewahr.
Die nämlich in unseren Untersuchungen
entscheiden || zu einer Antwort
führen. (⇒365) – 147 – |
525.
Wenn man mich fragt “Hast du deinen Schreibtisch
wiedererkannt, als du heute in dein Zimmer getreten
bist?”, so würde ich wohl sagen:
“Gewiß!” –
Und doch ist es irreführend, das, was sich da abgespielt
hat, ein “Wiedererkennen” zu nennen.
Gewiß, der Schreibtisch war mir nicht fremd; ich war nicht überrascht,
ihn zu sehen, wie ich es gewesen wäre, wenn ein anderer
dagestanden hätte, oder ein fremdartiger Gegenstand. (⇒390) |
526.
Niemand wird sagen, daß jedesmal, wenn ich in mein Zimmer komme, in die
altgewohnte Umgebung, sich ein Wiedererkennen alles dessen, was ich
sehe und hundertmal gesehen habe, abspielt. (⇒391) |