600
01
‘Überraschung’ und die
Empfindung des raschen Einziehens des
Atems. |
02
“Ich hoffe unentwegt, …” im Gegensatz zu
“Ich hoffe, du wirst kommen!”.
Dies heißt ungefähr das Gleiche wie:
“Du wirst doch kommen!”.
|
03
Man sagt “Ich wünsche …”
normalerweise gewiß
nicht auf Grund einer Selbstbeobachtung – es ist eben
Wunschäußerung – es kann aber doch vorkommen,
daß man einen Wunsch durch
Beobachtung der eigenen Reaktionen erkennt,
entdeckt.
Wenn du nun fragst “Erkennst du in so einem Fall
dasselbe, was du im andern durch die
Äußerung
ausdrückst?” – so liegt in der Frage ein
Fehler.
(Als fragte man: Ist es der selbe Sessel, den ich sehen
kann und auf dem ich sitzen kann?) |
04
Ich sage “Ich hoffe, du wirst kommen”, aber nicht
“Ich glaube: ich hoffe, du wirst kommen”;
Wohl aber wäre es möglich zu sagen: “Ich
glaube, ich hoffe noch immer, er werde kommen”. |
05
“Aber erlebt man nicht die
Bedeutung?”
“Aber hört man nicht das Klavier?”
Jede der beiden Fragen kann sachlich und begrifflich gemeint
sein, d.h.: gebraucht werden.
(Zeitlich, oder zeitlos.) |
06
Er sagt “Ich will jetzt ausgehen”, plötzlich sagt
er “Nein” und tut etwas
anderes.
Als er “Nein” sagte, fiel ihm plötzlich ein, er
wolle zuerst … – er sagte
“Nein”; aber dachte er auch
“Nein”?
Dachte er eben nicht an jene andere Angelegenheit?
Man kann sagen, er dachte an sie.
Er mußte dazu aber weder laut 601 noch im Stillen einen Gedanken
aussprechen.
– Er könnte freilich später die Absicht in
einen Satz kleiden.
Zur Zeit des Wechsels mochte ihm ein Bild
vorgeschwebt haben, oder aber er sagte nicht nur
“Nein”, sondern irgend ein
Wort, das Äquivalent eines Bildes.
Wollte er etwa zuerst den Schrank zuschließen, so
sagte er vielleicht “Der Schrank!”; wollte
er erst die Hände waschen, so sah er sie etwa an und verzog das
Gesicht.
“Aber ist das Denken?” –
Ich weiß es nicht.
Sagt man denn in so einem Falle nicht, Einer habe sich etwas
‘überlegt’, er habe sich anders
‘besonnen’?
Aber muß er zu diesem Denken unbedingt
eine Sprache beherrschen lernen?
Könnte nicht ein ‘intelligentes’ Tier so
handeln?
Man hat es abgerichtet, einen Gegenstand von dort und dort zu
holen und ihn dorthin zu bringen.
Es geht nun, ohne den Gegenstand dem Ziele zu, kehrt plötzlich
um (als hätte es gesagt
“Ach, ich habe … vergessen!”) und
holt den Gegenstand, etc.
Sähen wir so etwas, so würden wir sagen: es sei in ihm, in seinem
Geiste, damals etwas vorgefallen.
Und was ist denn in mir vorgefallen, wenn ich
so handle?
“Nicht gar viel” möchte ich sagen.
Und was ¤ innen vorgeht, ist nicht wichtiger, als
was äußerlich, durch Sprechen,
Zeichnen, etc. vorgehen kann.
((Woraus du lernen kannst, wie das Wort
“denken” gebraucht wird.)) |
07
Denk dir nun, Einer habe einen Bau aufzuführen, mit Bausteinen,
oder ‘Mechano’.
Er probiert nun, verschiedene Stücke, versucht sie, zusammen
zu fassen, macht vielleicht eine Skizze, etc.
etc.
Nun sagt man, er habe bei dieser Tätigkeit
gedacht!
– Gewiß, man unterscheidet so dies Tun von
602 einem sehr anders gearteten.
Aber ist es eine gute Beschreibung
dieses Unterschieds: in einem Falle gehe mit dem manuellen Tun noch
etwas anderes einher?
Könnte man etwa dieses Andere isolieren, und es geschehen lassen, ohne
die übrige Tätigkeit?
Es ist nicht wahr, daß Denken eine Art Sprechen ist, wie ich einmal sagte. Der Begriff ‘denken’ ist vom Begriff ‘sprechen’ kategorisch verschieden. Aber natürlich ist das Denken keine Begleitung des Sprechens, noch sonst irgend eines Vorgangs. Das heißt: man kann z.B. den ‘Denkvorgang’ nicht unbegleitet vor sich gehen lassen. Er hat auch nicht Abschnitte, die den Abschnitten der andern Tätigkeit (des Redens z.B.) entsprechen. D.h.: wenn man von einem ‘Denkvorgang’ redet, so ist er so etwas wie das Operieren (schriftlich oder mündlich) mit Zeichen. Das Schließen und Rechnen könnte man einen ‘Denkvorgang nennen. |
08
Es wäre auch nicht ganz falsch, das Sprechen ‘das Instrument des
Denkens’ zu nennen.
Aber man kann nicht sagen, der Sprechvorgang sei ein Instrument des
Denkvorgangs; oder die Sprache gleichsam der Träger des Gedankens,
wie etwa die Töne eines Lieds, die Träger der Worte genannt
werden können. |
09
Man kann das Wort “denken” so verwenden,
daß es, beiläufig gesprochen, ein Reden zu einem
Zweck bezeichnet, d.h. also, ein Sprechen oder
Schreiben, ein Sprechen in der Vorstellung, so zu sagen
ein ‘Kopfsprechen’. |
010
Man sagt “Überleg dir,
was du sagen willst, ehe du
sprichst”.
Eine Form dies zu tun, ist: sich die Rede leise
vorsagen oder aufschreiben und Korrekturen anbringen.
Man sagt sich etwa einen Satz vor, schüttelt den Kopf, sagt
“das ist zu lang” etc.; 603 sagt den Satz wieder in einer
anderen Form. |
011
Man könnte etwa, was Denken ist, beschreiben, indem man den Unterschied
zwischen einem Geistesschwachen und einem
normalen Kind, das zu denken anfängt, beschreibt.
Wollte man etwa die Tätigkeit angeben, die der Normale lernt, der
Geistesschwache nicht lernen kann,
man könnte sie nicht aus ihrem Benehmen herausklauben. |
012
Das Wort “Denken” wird in gewisser Weise sehr
anders gebraucht als zum Beispiel “Schmerzen haben”,
“traurig sein”, etc.: Man
sagt nicht “Ich denke” als
Äußerung eines
Seelenzustands.
Höchstens “Ich denke nach”.
“Laß mich in Ruh; ich denke
über … nach”.
Und damit meint man natürlich nicht
“Laß mich in Ruh; ich
benehme mich jetzt so und so.”
Also ist “Denken” kein Benehmen.
|
013
“Ich dachte ‘der Stab ist zu lang, ich
muß einen Andern
probieren’.”
– Als ich das dachte, sagte ich mir vielleicht gar nichts, –
vielleicht ein oder zwei Worte.
Und doch ist der Bericht nicht unwahr (oder kann doch wahr
sein).
Er hat eine Verwendung.
Man sagt z.B. “Ja, ich hab dir
zugeschaut und hab mir gedacht, daß du dir das
gedacht hast”. |
014
“Der Mensch denkt, fühlt, wünscht, glaubt, will,
weiß.”
Das klingt wie ein vernünftiger Satz.
So wie: “Der Mensch zeichnet, malt,
modelliert.”
Oder: “Der Mensch kennt Saiteninstrumente,
Blasinstrumente …”
Der erste Satz ist eine Aufzählung
alles dessen, was der Mensch mit seinem Geiste tut.
Aber so wie man zum Satz über die Instrumente die Frage stellen kann
“Und 604 kennt der Mensch nicht auch
Instrumente, die aus quiekenden Mäusen bestehen?” und die
Antwort darauf wäre; Nein
– – so müßte es zu der Aufzählung der
Geistestätigkeiten auch eine Frage geben der Art:
“Und können die Menschen nicht
auch …?” |
015
Jemand sagt: “Der Mensch hofft.”
Wie hätte man das naturgeschichtliche Phänomen zu
beschreiben?
– Man könnte ein Kind beobachten und warten, bis es eines
Tages Hoffnung äußert; und man könnte dann
sagen: “heut hat es zum ersten Mal
gehofft”.
Aber das klingt doch seltsam!
Obwohl es ganz natürlich wäre zu sagen
“Heut hat es zum ersten Mal gesagt ‘ich
hoffe’”.
Und warum seltsam?
Man sagt doch nicht von einem Säugling, er hoffe …, und man sagt
es doch vom Erwachsenen.
– Nun, das tägliche Leben wird nach und nach zu dem,
worin für Hoffnung Raum ist. |
016
Ich habe in diesem Falle || Fall den
Ausdruck “eingebettet” gebraucht, gesagt, die Hoffnung,
der Glaube, etc. sei in uns || im menschlichen Leben in
allen den Situationen und Reaktionen die das menschliche
Leben ausmachen, eingebettet.
Das Krokodil hoffe nicht, der Mensch hofft.
Oder: Vom Krokodil kann man nicht sagen, es hofft; aber vom
Menschen.
Wie aber müßte sich ein Mensch verhalten, von dem man sagen würde: er hoffe nie? – Die erste Antwort ist: Ich weiß es nicht. Eher könnte ich schon sagen, wie ein Mensch sich benehmen müßte, der sich nie nach irgend etwas sehnt; oder der sich nie über irgend etwas freut; oder der nie erschrickt, oder sich vor nichts fürchtet. |
017
Furchtbenehmen bei Furchtanlässen (etc.) ist
ein Phänomen unseres Lebens.
Aber Furcht?
– Nun, man könnte sagen, statt 605 “ich fürchte
mich”: “Das Phänomen der Furcht zeigt sich in
mir”; wobei man nicht an das eigene Benehmen
denkt.
Könnte man dann aber im gleichen Sinne sagen: “Das
Phänomen der Furcht zeigt sich in ihm”? |
018
Wenn ich jemandem sage: “Die Menschen denken, fühlen,
…”, so mache ich ihm, scheint es, eine
naturgeschichtliche Mitteilung.
Sie soll ihm etwa den Unterschied des Menschen von den Tierarten
zeigen.
Kann er sie aber exemplifizieren, in dem er sagt
“Ja; ich selbst z.B. sehe
jetzt”?
Ist denn “Ich sehe …” eine
naturgeschichtliche Mitteilung über mich?
Würde es nämlich nicht ebenso
gut sein, wenn ich sagte “Ich sehe
nicht”? |
019
“Der Mensch denkt, fürchtet sich,
etc. etc.”: das könnte man
etwa Einem antworten, der gefragt hat, welche Kapitel ein
Buch über Psychologie enthalten soll. |
020
Woher nehmen wir den Begriff ‘denken’, den wir
hier || nun betrachten wollen?
Aus der Alltagssprache.
Was unsrer Aufmerksamkeit zuerst ihre Richtung gibt, ist das Wort
“denken”.
Aber der Gebrauch dieses Worts ist verworren.
Und wir können es nicht anders erwarten.
Und das läßt sich natürlich von
allen psychologischen Verben sagen.
Ihre Verwendung ist nicht so klar, und so leicht zu übersehen, wie die
der Wörter der Mechanik z.B.
|
021
Es ist mit den psychologischen Wörtern etwa so, wie mit denen, die aus
der Sprache des Alltags in die der Mediziner übergehen.
(“Shock”). |
022
Ich sage Einem: “Die Menschen
denken.”
Er fragt mich: “Was ist
Denken?”
– Nun erkläre ich ihm den Gebrauch dieses Worts.
606
Aber ist danach jener erste Satz noch eine
Mitteilung?
((Könnte nicht eine Ameise so zu einer Ameise sprechen?)) |
023
“Die Menschen denken, || ” die
Heuschrecken nicht.”
Das heißt etwa: Der Begriff
‘denken’ bezieht sich auf das Leben der Menschen, nicht der
Heuschrecken.
– Und diese Mitteilung könnte man Einem machen,
der das deutsche Wort “denken” nicht versteht und etwa
irrtümlich glaubt, es beziehe sich auf etwas, was Heuschrecken
tun. |
024
“Heuschrecken denken nicht.”
Wohin gehört das?
– Ist es ein Glaubensartikel, oder gehört es in die
Naturgeschichte?
Wenn das letztere, so sollte es etwa ein Satz sein wie:
“Heuschrecken können nicht lesen und
schreiben.”
Dieser Satz hat einen klaren Sinn, und wenn er vielleicht auch nie
verwendet wird, so ist es doch leicht, sich eine Verwendung für ihn
vorzustellen. |
025
“Eine Dampfmaschine hat einen Kreuzkopf, eine Dampfturbine
nicht.”
Wem, in welchem Zusammenhang, würde man das sagen? |
026
“Kann ein Mensch verstehen, was ‘lesen’ ist, es sei
denn, er könne selber lesen; kann er verstehen, was
‘fürchten’ ist, ohne Furcht zu kennen;
u.s.w.?”
Nun, ein Analphabet kann doch
gewiß sagen, er könne nicht lesen, aber sein Sohn habe
es gelernt.
Ein Blinder kann sagen, er sei blind und die Leute um ihn
seien sehend.
“Ja, aber meint er nicht doch etwas anderes mit den Worten
‘blind’ und ‘sehend’, als der
Sehende?”
Worauf beruht es, daß man das sagen
will?
Nun, wenn Einer nicht wüßte wie ein Leopard
ausschaut, so könnte er doch sagen und verstehen “Dieser
Ort ist sehr gefährlich, es gibt Leoparden dort”.
Man 607 würde aber doch vielleicht
sagen, er weiß nicht, was ein Leopard ist, also
nicht, oder nur unvollständig, was das Wort “Leopard”
bedeutet, bis man ihm einmal ein solches Tier
zeigt.
Nun kommt es uns mit dem Blinden ähnlich vor.
Sie wissen, so zu sagen, nicht, wie sehend ist.
– Ist nun ‘Furcht nicht kennen’ analog dem ‘nie
einen Leoparden gesehen haben’?
Das will ich natürlich verneinen. |
027
Die Frage ist: Was für Sprachspiele kann, der die Furcht
nicht kennt, eo ipso, nicht spielen?
Man könnte da z.B. sagen: er würde einer Tragödie ohne Verständnis zuschauen. Und man könnte das so erklären: Wenn ich den Andern in einer furchtbaren Lage sehe, auch wenn ich selbst gar nichts zu fürchten habe, so kann ich schaudern, aus Mitgefühl schaudern. Wer aber die Furcht nicht kennte, täte das nicht. Wir fürchten uns mit ihm, || ihm, auch wenn wir nichts zu fürchten haben; und das ist es, was jener nicht kann. Wie ich mein Gesicht schmerzlich verziehe, wenn man dem Andern Schmerz zufügt. |
028
Gut; aber wäre es nicht denkbar, daß Einer, der den
Schmerz nie gefühlt hat, ihn in der Form des Mitleids dennoch
empfände?
Er würde also, was immer ihm geschähe, nicht stöhnen, wohl aber, wenn
einem Andern Schmerz zugefügt wird.
Aber ob wir nun von Diesem sagen würden, er habe Mitleid? Ob wir nicht sagen würden: “Es ist natürlich || eigentlich kein Mitleid, weil er ja eigenen Schmerz gar nicht kennt”. –? Oder man könnte sich in so einem Fall denken, daß die Leute sagten, diesem Menschen habe Gott ein Gefühl für das Leid, die Furcht des Andern gegeben. So etwas würde man vielleicht eine Intuition nennen. |
029
“Die Menschen denken manchmal.”
Wie habe ich gelernt, was “denken”
608 heißt?
– Es scheint, ich kann nur gelernt haben, indem ich mit Menschen
lebte.
– Man könnte sich freilich denken, daß Einem
das Leben der Menschen im Film vorgeführt würde, oder
daß er das Leben nur beobachten dürfte, ohne
mitzutun.
Er würde ihr Leben dann etwa verstehen wie wir das Leben der Fische
verstehen oder gar der Pflanzen.
Von Lust und Leid etc. der Fische können wir nicht
reden. |
030
Ich meine aber natürlich nicht: Er kann es,
erfahrungsgemäß, nicht verstehen, wenn er das Leben
nicht mitlebt (als sagte man: man kann Rudern
nicht lernen indem man bloß Andern beim Rudern
zuschaut) – sondern gemeint ist: Ich
würde von mir nicht (noch vom Andern) sagen, wir
verstünden die Lebensäußerungen, die uns fremd
sind.
Und hier gibt es natürlich Grade. |
031
Das Denken kann man keine Erscheinung nennen; wohl aber kann man von
‘Erscheinungen des Denkens’ reden, und Jeder wird wissen
was für Erscheinungen da
gemeint sind. |
032
Man kann offenbar sagen: “Denk an Zornanlässe und
Zornerscheinungen (Zornbenehmen). Nenne ich aber den Zorn eine Erscheinung, so muß ich meinen Zorn, meine Zornerfahrung eine Erscheinung nennen. (Eine Erscheinung meines Innenlebens etwa.) |
033
Sieh es einmal rein behaviouristisch an: Jemand
sagt: Der Mensch denkt, wünscht, freut sich, ist zornig,
etc.
Denk, es sei hier nur von gewissen Formen des Verhaltens bei
gewiß Anlässen die Rede.
Man könnte sich vorstellen, wer so vom Menschen redet, habe diese
Verhaltungsweisen zuerst bei andern Wesen 609 beobachtet und sage nun, beim Menschen
ließen sich diese Erscheinungen auch
beobachten.
Das wäre also, wie wenn wir dies von einer Tierart sagten.
‒ ‒ ‒ |
034
Plötzlich lächle ich und sage …
Als ich lächelte, war mir der Gedanke gekommen.
Worin bestand er? Er bestand in gar nichts; denn das Bild, oder Wort, etc. das etwa auftauchte, war nicht der Gedanke. |
035
Ich würde gerne sagen: Die Psychologie hat es mit
bestimmten Aspekten des menschlichen Lebens zu tun.
Oder auch: mit gewissen Erscheinungen – aber die Wörter “denken”, “fürchten”, etc. etc. bezeichnen nicht diese Erscheinungen. |
036
“Wie ist es aber möglich, daß man ein Ding
einer Deutung
gemäß sieht?”
– Die Frage stellt diese als ein seltsames
Faktum da; als wäre hier etwas in eine Form gezwängt
worden, was eigentlich nicht hineinpaßt.
Aber es ist hier kein Drücken und Zwängen geschehen. |
037
Und nun ist das Merkwürdige, daß man so zu sagen
nicht
weiß, was man tut, wenn man die Figur einmal als
das, einmal als das ansieht, oder
sieht.
Das heißt, man ist
geneigt || versucht, zu fragen
“Wie mache ich das?”, “Was
sehe ich eigentlich anderes?”
– Und darauf erhält man keine relevante Erklärung zur
Antwort. |
038
Denn nicht das ist die Frage: was ich mache, wenn …
(dies könnte nur eine psychologische Frage sein) – sondern,
welche Bedeutung die Äußerung
hat, was sich aus ihr entnehmen läßt, 610 welche Folgen sie hat.
|
039
Wer den Aspektwechsel nicht empfände, wäre nicht geneigt zu
sagen: “Jetzt sieht es ganz anders
aus!” oder “Es ist als hätte sich das Bild
verändert, und hat sich doch nicht
verändert!” oder “Die
Form ist gleich geblieben und doch hat sich etwas verändert; etwas, was
ich die Auffassung nennen möchte und was man sieht!”
– |
040
Etwas einmal als das, einmal als
das sehen, könnte ein bloßes
Spiel sein.
Man redet zum Kind einmal in dieser Weise – etwa:
“Jetzt ist es … ! jetzt … !”
– und es reagiert; ich meine, es lacht, macht
nun verschiedene solche
Übungen (so, als hätte man es darauf aufmerksam
gemacht, daß die Vokale Farben haben).
Ein anderes Kind empfindet weder diese Farben, noch versteht es was mit
jener Änderung gemeint ist. |
043
Das Wesentliche am Sehen ist, daß es ein
Zustand ist und ein solcher in einen anderen umschlagen
kann.
Aber wie weiß ich, daß er
in einem solchen Zustand ist? nicht also in einem der einer
Disposition vergleichbar ist, wie das Wissen, das Verstehen oder eine
Auffassung.
Was ist das logische Charakteristikum so eines
Zustands? |
044
Denn, sagen, man erkenne ihn eben als solchen, wenn man ihn
habe, ist Unsinn.
Denn woran erkennt man ihn?
(Das Kriterium der Identität.) |
045
Ich will von einem
‘Bewußtseinszustand’ reden, und das
Sehen eines bestimmten Bildes, das Hören eines Tons, eine
Schmerzempfindung, Geschmacksempfindung, etc. so
nennen.
Ich will sagen: Glauben, Verstehen, Wissen, Beabsichtigen,
u.a. seien nicht
Bewußtseinszustände.
Wenn ich diese Letzteren für einen Augenblick
“Dispositionen” nenne, so ist ein wichtiger
Unterschied zwischen Dispositionen und
Bewußtseinszuständen, daß
eine Disposition durch eine Unterbrechung des
Bewußtseins, oder eine Verschiebung der
Aufmerksamkeit nicht unterbrochen wird.
(Und das ist natürlich keine kausale Bemerkung.)
Man sagt wohl 612 überhaupt kaum, man habe etwas seit
gestern “ununterbrochen”
geglaubt, oder verstanden, Eine Unterbrechung des
Glaubens wäre aber eine Periode des Unglaubens, nicht
z.B. die Abwendung der Aufmerksamkeit von dem
Geglaubten, oder z.B. der Schlaf.
(Der Unterschied zwischen ‘knowing’ und ‘being aware of’.) |
046
Das ist wohl der Punkt, an dem man sagt, man könne dem
Andern eben nur die Form mitteilen, nicht aber den
Inhalt.
– So redet man also zu sich selbst über den
Inhalt! und was heißt
das?
(Wie ‘beziehen’ sich meine Worte auf den mir
bewußten Inhalt? und zu welchem
Zweck?) |
047
Wir ziehen in diesen Betrachtungen oft, was man
‘Hilfslinien’ nennen kann.
Wir machen Konstruktionen wie die des ‘seelenlosen
Stamms’ – die am Schluß aus der
Betrachtung herausfallen.
Daß sie herausfielen, mußte
gezeigt werden. |
048
“Schmerz ist ein Bewußtseinszustand,
Verstehen nicht.” –
“Nun, ich fühle eben das Verstehen
nicht.”
– Aber diese Erklärung tut's nicht.
Es wäre auch keine Erklärung zu sagen: Was
man in irgend einem Sinne fühlt, ist ein
Bewußtseinszustand.
Das hieße ja nur:
Bewußtseinszustand = Gefühl.
(Man hätte nur ein Wort durch ein anderes ersetzt.)
|
049
Beobachte dich beim Schreiben und wie die Hand die Buchstaben formt,
ohne daß du es eigentlich
veranlaßt.
Du fühlst wohl etwas in deiner Hand, allerlei Spannungen und Drucke,
aber daß die dazu nötig sind, diese
Buchstaben zu erzeugen, davon weißt du
nichts. 613 |
050
Wo es echte Dauer gibt, da kann man Einem
sagen: “Merk auf und gib mir ein Zeichen, wenn das
Bild, das Geräusch, etc. sich ändert.
Es gibt da überhaupt ein Aufmerken. Während man nicht das Vergessen des Gewußten, u. dergl., mit der Aufmerksamkeit verfolgen kann. |
051
Denk an das Sprachspiel: Bestimm mit der Stoppuhr,
wie lange der Eindruck dauert.
Man könnte so nicht die Dauer des
Wissens, Könnens, Verstehens, bestimmen. |
052
“Aber die Verschiedenheit von Wissen und Hören liegt doch
nicht einfach in so einem Merkmal, wie die Art ihrer Dauer.
Sie sind doch ganz und gar grundverschieden!”
Freilich.
Aber man kann eben nicht sagen:
“Wisse und höre, und du wirst
den Unterschied merken!” |
053
Man kann nicht das Wissen und das Hören betrachten und sehen, wie
verschieden sie sind.
Wie man nicht Fichtenholz und einen Tisch betrachten
kann, um einen Eindruck von ihrer Verschiedenheit zu
kriegen. |
054
Wenn ich, um mir den Unterschied der Begriffe Wissen und
Sehen vorzuführen, das Sprachspiel mit der
Stoppuhr z.B. anwende, so macht
dies allerdings den Eindruck als zeigte ich eine sehr schmächtige
Unterscheidung, wo die Wirkliche doch
unermeßlich groß
ist. || so macht dies freilich den Eindruck, als
zeigte ich eine äußerst dünne Unterscheidung, wo die
wirkliche doch enorm ist.
Aber dieser enorme Unterschied liegt eben darin (so möchte ich 614 immer sagen),
daß die beiden Begriffe ganz anders in
unsern Sprachspielen eingebettet sind.
Und der Unterschied auf den ich aufmerksam machte, war eben nur ein
Hinweis auf diese durchgehende
Verschiedenheit. |
055
Das Kind lernt “Ich weiß das
jetzt” und “Ich höre das jetzt”; aber
Gott! wie verschieden die Anlässe, die
Anwendung, Alles!
Wie kann man den Gebrauch überhaupt vergleichen?
Es ist schwer zu sehen, wie man sie zusammenstellen soll,
um Unterschiede anzugeben.
Wo der Unterschied so groß ist, da ist es schwer auf eine Unterscheidung hinzuweisen. |
056
Ich kann sagen “So und ähnlich wird dieses Wort
verwendet, so und ähnlich jenes.”
Die Vergleichbarkeit ist schwer zu sehen; nicht der Unterschied. |
057
Der gemeinsame Unterschied aller
Bewußtseinszustände von den
Dispositionen scheint mir zu sein, daß man sich nicht
durch Stichproben überzeugen muß, ob sie noch
andauern. |
059
Sinneswahrnehmungen nennen wir “ Sehen,
Hören, …
Zwischen diesen Begriffen bestehen Analogien und Zusammenhänge,
sie sind unsere Rechtfertigung für
diese Zusammenfassung. || diese
rechtfertigen die
Zusammenfassung. 615 |
060
Man kann also fragen: Was für Zusammenhänge und Analogien
bestehen zwischen Sehen und Hören?
Zwischen Sehen und Greifen?
Zwischen Sehen und Riechen? –
|
061
Und fragt man das, so rücken die Sinne so zu sagen gleich weiter
auseinander, als sie auf den ersten Blick zu liegen
scheinen. |
062
Die Begriffe der Psychologie sind eben Begriffe des Alltags.
Nicht von der Wissenschaft zu ihren Zwecken neu gebildete Begriffe, wie
die der Physik und Chemie.
Die Psychologischen Begriffe verhalten sich etwa zu denen der
strengen Wissenschaften wie die Begriffe der wissenschaftlichen Medizin
zu denen von alten Weibern die sich mit der Krankenpflege
abgeben. |
063
Plan zur Behandlung der psychologischen Begriffe.
Psychologische Verben charakterisieren dadurch, daß die dritte Person des Präsens durch Beobachtung zu identifizieren ist, die erste Person nicht. Satz in der dritten Person Präsens: Mitteilung, in der ersten Person Präsens Äußerung. ((Stimmt nicht ganz.)) Sinnesempfindungen: ihre inneren Zusammenhänge und Analogien. Alle haben echte Dauer. Möglichkeit der Angabe des Anfangs und Endes. Möglichkeit der Gleichzeitigkeit, des zeitlichen Zusammenfallens. Alle haben Grade und qualitative Mischungen. Grad: kaum merkbar – nicht auszuhalten. In diesem Sinne gibt es nicht Lage– oder Bewegungsempfindung. Ort der Empfindung am Leib: unterscheidet Sehen und Hören von Druck-, Temperatur-, Geschmacks- und Schmerzempfindung. 616
(Wenn Empfindungen die Lage der Glieder und die Bewegungen charakterisieren, so ist ihr Ort jedenfalls nicht das Gelenk.) Die Lage der Glieder und Bewegungen ihre Bewegungen weiß man. Man kann sie z.B. angeben, wenn man gefragt wird. So wie man auch den Ort einer Empfindung (Schmerz) am Leibe weiß. Reaktionen des Berührens der schmerzhaften Stelle. Kein lokales Merkmal an der Empfindung. So wenig wie ein zeitliches am Erinnerungsbild. (Zeitliche Merkmale an der Photographie.) Schmerz von andern Sinnesempfindungen unterschieden durch charakteristischen Ausdruck. Dadurch verwandt der Freude (die keine Sinnesempfindung). “Sinnesempfindungen lehren uns die Außenwelt kennen.” Vorstellung: Gehörsvorstellung, Gesichtsvorstellung, wie unterscheiden sie sich von den Empfindungen? Nicht durch “Lebhaftigkeit”. Vorstellungen belehren uns nicht über die Außenwelt, weder richtig noch falsch. (Vorstellungen sind nicht Halluzinationen, auch nicht Einbildungen.) Während ich einen Gegenstand sehe, kann ich ihn mir nicht vorstellen. Verschiedenheit der Sprachspiele: “Schau die Figur an!” und “Stell dir die Figur vor!” Vorstellung dem Willen unterworfen. Vorstellung nicht Bild. Welchen Gegenstand ich mir vorstelle, ersehe ich nicht aus der Ähnlichkeit des Vorstellungsbildes mit ihm. Auf die Frage “Was stellst du dir vor” kann man mit einem 617 Bild antworten. |
064
Man möchte sagen: Der vorgestellte Klang sei in einem
andern Raum als der gehörte.
(Frage – Warum?) |
065
Ich lese ein Buch und stelle mir während des Lesens, also während des
aufmerksamen Schauens alles Mögliche vor.
|
066
Es könnte Leute geben, die nie den Ausdruck gebrauchen “etwas
vor dem inneren Auge sehen”, oder einen ähnlichen; und diese
könnten doch im Stande sein, ‘aus der Vorstellung’, oder
Erinnerung zu zeichnen, zu modellieren, das charakteristische Benehmen
Anderer nachzuahmen, etc.
Sie mögen auch, ehe sie etwas aus der Erinnerung zeichnen, die Augen
schließen, oder wie blind vor sich
hinstarren.
Und doch könnten sie leugnen, daß sie dann vor sich
sehen, was sie später zeichnen. |
067
“Siehst du sie, wie sie zur Tür hereinkommt?”
– und nun macht man's nach. |
068
‘Sehen’ ist nämlich mit
‘Schauen’ unzertrennlich verbunden.
((D.h., das ist eine Art der
Begriffsbestimmung, die eine Physiognomie ergibt.))
Die Wörter, die beschreiben, was man sieht, sind Eigenschaften der Dinge, man lernt ihre Bedeutung nicht im Zusammenhang mit dem Begriff des ‘inneren Sehens’. |
069
Fragt man aber: “Was ist der Unterschied zwischen
einem Gesichtsbild und einem Vorstellungsbild?” – so
könnte die Antwort lauten: Die
gleiche Beschreibung kann darstellen, was ich sehe, und was ich mir
vorstelle.
Zu sagen, es sei ein Unterschied zwischen Gesichtsbild und 601 Vorstellungsbild,
heißt: man stellt sich etwas anders vor als
es ausschaut. |
070
Ich hätte früher auch sagen können: Der
Zusammenhang zwischen Vorstellen und Sehen ist eng;
eine Ähnlichkeit aber gibt es
nicht. |
071
Die Sprachspiele mit den beiden Begriffen sind grundverschieden,
– hängen aber zusammen. |
072
Unterschied: ‘trachten, etwas zu sehen’ –
‘trachten, sich etwas vorzustellen’.
Im ersten Fall sagt man etwa “Schau genau hin!, im
zweiten “Schließ die
Augen!” |
073
So weißt du also nicht, ob Gesehenes
(z.B. ein Nachbild) und eine
Vorstellung im Übrigen nicht ganz gleich
ausschauen?
(Oder soll es heißen:
sind?)
‒ ‒ ‒ Diese Frage könnte nur eine empirische sein und etwa
heißen: “kommt es vor, oder gar oft
vor, daß Einer eine Vorstellung längere Zeit ungestört
vor der Seele erhalten, und sie so in allen Einzelheiten beschreiben
kann, wie etwa ein Nachbild?” |
074
“Kannst du den Vogel jetzt noch sehen?”
– “Ich bilde mir ein, ich kann ihn noch
sehen.”
Das heißt nicht: Ich
stelle ihn mir vielleicht vor. |
075
“Sehen und Vorstellen sind verschiedene
Phänomene.”
– Die Wörter “sehen” und
“vorstellen” werden ungleich
verwendet.
“Ich sehe” wird anders verwendet als “Ich
stelle mir vor”; “Sieh!” wird
anders verwendet als “Stell dir vor!”;
“Ich versuche, es zu sehen” anders als
“Ich versuche, mir's
vorzustellen”.
‒ ‒ ‒“Aber die Phänomene sind eben:
daß die Menschen 619 sehen und daß wir uns
Dinge vorstellen.”
Ein Phänomen ist etwas, das man beobachten kann: Wie
beobachtet man nun, daß die Menschen
sehen?
Ich kann z.B. beobachten, daß die Vögel fliegen oder Eier legen. Ich kann Einem sagen: “Siehst du, diese Geschöpfe fliegen. Schau, wie sie mit den Flügeln schlagen und sich in die Luft erheben.” Ich kann auch sagen: “Siehst du, dieses Kind ist nicht blind; es sieht. Schau, wie es der Kerzenflamme folgt.” Aber kann ich mich so zu sagen davon überzeugen, daß Menschen sehen? “Menschen sehen.” – Im Gegensatz wozu? Dazu etwa, daß alle blind sind? |
076
Kann ich mir den Fall vorstellen, daß ich
sagte: “Ja, du hast Recht: die Menschen
sehen, so wie ich auch.” |
077
“Sehen und Verstehen sind
verschiedene Phänomene.”
– Die Wörter “sehen” und
“verstehen” haben verschiedene Bedeutungen!
Ihre Bedeutungen beziehen sich auf eine Menge wichtiger Arten und
Weisen menschlichen Verhaltens, auf Phänomene des
menschlichen Lebens.
Die Augen schließen um sich etwas vorzustellen ist ein Phänomen; mit verkniffenen angestrengt schauen, ist ein Anderes; einem Ding in Bewegung mit den Augen folgen, wieder eins. Denk, Einer sagte: “Der Mensch kann sehen oder blind sein”! “Sehen”, “Vorstellen”, “Hoffen” sind eben nicht Phänomenwörter, könnte man sagen. Das heißt aber natürlich nicht, daß der Psychologe nicht Phänomene beobachtet. 620 |
078
Der Ausdruck, das Vorstellen unterstehe dem Willen kann
irreführen, weil er den Schein erweckt, als wäre der Wille eine Art Motor
und die Vorstellungen mit diesem im Zusammenhang, so
daß er sie hervorrufen, bewegen,
abstellen könnte. |
079
Aber wäre es nicht denkbar, daß bei einem Menschen
das gewöhnliche Sehen dem Willen
unterworfen wäre || unterstünde?
– Würde ihn das Sehen dann über die Außenwelt
belehren?
Hätten denn die Dinge Farben, wenn wir sie sehen könnten,
wie wir wollen? || Haben die Dinge Farben, wenn wir sie sehen könnten, wie wir
wollen? |
080
Weil die Vorstellung dem Willen untertan ist unterrichtet sie uns eben
nicht über die Außenwelt || Welt.
Insofern – aber nicht in anderer Weise – ist sie einer Tätigkeit wie dem Zeichnen verwandt. Und doch ist es nicht leicht, das Vorstellen eine Tätigkeit zu nennen. |
081
Wie ist es aber, wenn ich dir sage: “Stell dir
eine Melodie vor”?
Ich muß sie mir ‘innerlich
vorsingen’.
Das wird man ebenso eine Tätigkeit nennen wie das
Kopfrechnen. |
082
Denk auch daran, daß man Einem befehlen kann
“Zeichne den N.N. nach der
Vorstellung” und daß, ob er
dies tut, oder nicht, nicht nach der Ähnlichkeit
des Bildnisses entschieden wird.
Und dem ist analog, daß ich mir den
N.N. vorstelle, auch wenn ich ihn
mir falsch vorstelle. |
083
Wenn ich sage, die Vorstellung sei dem Willen unterworfen, so
heißt das nicht, sie sei gleichsam eine
willkürliche 621 Bewegung im Gegensatz zu einer
unwillkürlichen.
Denn die selbe Bewegung des Armes etwa, die jetzt willkürlich ist,
könnte auch unwillkürlich sein.
– Ich meine: Es hat Sinn einen Befehl zu
geben: “Stell dir das vor”, oder auch
“Stell dir das nicht vor.” |
083
Aber betrifft die Verbindung mit dem Willen nicht nur, so zu sagen, die
Maschinerie, durch die die Vorstellung (das Vorstellungsbild)
erzeugt, geändert wird?
– Es wird hier kein Bild erzeugt; es sei denn, Einer fertige ein
Bild, ein wirkliches Bild, an. |
084
Der Dolch, den Macbeth vor sich sieht,
ist kein vorgestellter Dolch. || ist keine
Vorstellung.
Eine Vorstellung kann man nicht für Wirklichkeit halten, noch
Gesehenes für Vorgestelltes; aber nicht, weil sie einander
so unähnlich sind. |
085
Gegen die Willkürlichkeit der Vorstellung kann man sagen,
daß Vorstellungen oft gegen unsern Willen sich uns
aufdrängen und bleiben, sich nicht verscheuchen lassen
Doch aber kann der Wille gegen sie ankämpfen. Ist aber, sie willkürlich zu nennen, nicht, als nennte ich eine Armbewegung willkürlich, zu der ein Anderer meinen Arm gegen meinen Willen zwingt? |
086
Sag dir wieder, wenn Einer darauf besteht, was er
“Gesichtsvorstellung” nennt, sei ähnlich dem
Gesichtseindruck: daß er sich vielleicht
irrt!
Oder: Wie, wenn er sich darin irrte?
Das heißt: was weißt du
von der Ähnlichkeit seines Gesichtseindrucks
und seiner Gesichtsvorstellung?!
(Ich rede vom Andern, 622 weil, was von ihm gilt, auch von mir
gilt.)
Was weißt du also von dieser Ähnlichkeit? Sie äußert sich nur in den Ausdrücken, die er zu gebrauchen geneigt ist; nicht in dem, was er mit diesen Ausdrücken sagt. “Es ist gar kein Zweifel: die Gesichtsvorstellung und der Gesichtseindruck sind von der selben Art!” Das mußt du aus deiner eigenen Erfahrung wissen; und dann ist es also etwas, was für dich stimmen mag und für Andere nicht. (Und das gilt natürlich auch für mich, wenn ich es sage.) Nichts ist schwerer, als den Begriffen vorurteilslos gegenüber stehen. (Und das ist die Hauptschwierigkeit der Philosophie.) |
087
Sich etwas vorstellen, ist zu vergleichen mit einer
Tätigkeit.
(Schwimmen)
Wenn wir uns etwas vorstellen, beobachten wir nicht. Daß die Bilder kommen und vergehen geschieht uns nicht. Wir sind nicht überrascht von diesen Bildern und sagen “Sieh da! …” |
088
Wir verscheuchen nicht Gesichtseindrücke, aber
Vorstellungen. |
089
Könnten wir die Eindrücke verscheuchen und vor unsere
Seele rufen, sie könnten uns nicht über die Wirklichkeit
informieren.
– So unterschieden sich Eindrücke von Vorstellungen nur
dadurch, daß wir diese bewegen können
und jene nicht?
So ist also der Unterschied empirisch! So ist es eben nicht. || Da scheint ja der Unterschied empirisch zu
sein! sein! 623 |
090
Aber ist es denn undenkbar, daß Gesichtseindrücke
sich verscheuchen, oder zurückrufen
ließen?
Ja, ist es nicht wirklich möglich?
Wenn ich meine Hand ansehe und dann bewege ich sie aus dem
Gesichtsfeld, habe ich ihren Gesichtseindruck nicht
willkürlich abgebrochen?
– Aber, wird man mir sagen, so etwas nennt man doch nicht
“das Bild der Hand verscheuchen”!
Freilich nicht; aber wo ist der Unterschied?
Man möchte sagen: der Wille bewegt die
Vorstellungen unmittelbar.
Denn, wenn ich meinen Gesichtseindruck willkürlich ändere, so folgen die Dinge meinem Willen. |
091
Wie aber, wenn die Gesichtseindrücke sich eben unmittelbar regieren
ließen?
Soll ich sagen: “Dann gäbe es keine
Eindrücke, sondern nur Vorstellungen”?
Und wie wäre das?
Wie erführe ich z.B., daß
der Andere eine bestimmte Vorstellung hätte?
Er würde es mir sagen.
– Aber wie würde er die dazu nötigen Worte lernen – sagen wir;
“rot” und “rund”?
Denn ich könnte sie ihn doch nicht lehren, indem ich auf etwas Rotes
und Rundes zeige.
Ich könnte mir nur die Vorstellung hervorrufen,
daß ich auf etwas derartiges zeige.
Und ich könnte ihn natürlich auch nicht sehen, sondern
ihn mir nur vorstellen.
Ist die Annahme nicht überhaupt so wie die, es gäbe in der Welt nur Dichtung und nicht Wahrheit? |
092
Und ich selbst könnte natürlich auch keine Beschreibung meiner
Vorstellungen lernen, noch sie auch selbst erfinden.
Denn was hieße es,
z.B.,
daß ich mir ein rotes Kreuz auf
weißem Grunde vorstelle?
Wie sieht denn ein rotes Kreuz 624 aus?
So??
– Aber könnte nicht ein höheres Wesen durch Intuition wissen,
was ich mir vorstelle, und dies in seiner Sprache
beschreiben, wenn sie mir auch unverständlich wäre? –
Angenommen, dies höhere Wesen sagte “ich
weiß, was sich dieser Mensch jetzt vorstellt; es
ist dies: …”
– Aber wie konnte ich das “wissen”
nennen?
Es ist ja ganz anders, als das, was wir nennen
“wissen”, was sich der Andere vorstellt”.
Wie vergleicht man denn den gewöhnlichen Fall mit jenem
erdichteten?
Wenn ich mich in diesem Fall als Dritten denke, so wüßte ich gar nicht, was das höhere Wesen damit meint: Es wisse, welche Vorstellung der Mensch hat, der nur Vorstellungen und keine Eindrücke hat. |
093
“Aber kann ich mir nicht doch so einen Fall
vorstellen?”
Vor Allem kannst du über ihn reden.
Aber das zeigt nicht, daß du ihn ganz durchdacht
hast.
(5 Uhr auf der Sonne.) |
094
Man möchte davon reden, wie ein Gesichtseindruck und wie eine
Vorstellung ausschauen.
Und etwa fragen: “Könnte nicht etwas so
ausschauen, wie z.B. mein gegenwärtiger
Gesichtseindruck, sich aber im Übrigen
benehmen wie eine Vorstellung?”
Und hier ist offenbar ein Fehler. |
095
Aber denk dir dies: Wir lassen jemand durch ein Loch in
eine Art Guckkasten schauen, und in diesem bewegen wir nun
verschiedene Gegenstände, Figuren, und zwar, durch Zufall oder mit
Absicht so, daß die Bewegung gerade die ist, die
der || unser Beobachter wollte; so daß
er sich einbildet, was er sieht, gehorche seinem Willen.
– Konnte der sich nun täuschen; glauben, seine Gesichtseindrücke
seien Vorstellungen?
Das klingt ganz absurd. 625
Ich brauche ja den Guckkasten gar nicht, sondern
muß nur, wie oben, meine Hand betrachten und sie
bewegen.
Könnte ich aber auch den Vorgang dort drüben willkürlich bewegen, oder
zum Verschwinden bringen || Gehorchte aber auch der
Vorgang dort drüben meinem Willen, so daß er sich
bewegte oder verschwände, so würde ich das
doch nicht als einen Vorgang in meiner Fantasie deuten.
(﹖) |
096
Ich kann eben von Haus aus einen Eindruck nicht für eine Vorstellung
halten.
Aber was heißt das?
Könnte ich mir denn einen Fall denken, daß ein
Anderer das täte?
Wie kommt es, daß das nicht denkbar
ist? |
097
Wenn Einer wirklich sagte “Ich weiß
nicht, sehe ich jetzt einen Baum, oder stelle ich mir einen
vor”, so würde ich zunächst glauben, er meine:
“oder bilde ich mir nur ein, es stehe dort
einer”. –
Meint er das nicht, so könnte ich ihn überhaupt nicht verstehen –
wollte mir aber jemand in diesen Fall erklären und
sagte “Er hat eben so
außergewöhnlich lebhafte
Vorstellungen, daß er sie für
Sinneseindrücke halten kann” – verstünde ich's
jetzt? |
098
Denk dir aber nun dennoch einen Menschen, der sagte
“Meine Vorstellungen sind heute so lebhaft,
wie wirkliche Gesichtseindrücke”, –
müßte freilich erst von ihm erfahren, wie sich denn
dies zeigt.
Sagte er mir aber “Ich weiß oft nicht, ob ich etwas sehe, oder es mir nur vorstelle”, so würde ich das nicht einen Fall überlebhafter Vorstellung nennen. || so wäre das nicht die 626 Folge überlebhafter
Vorstellung. |
099
Muß man aber hier nicht unterscheiden: sich,
sagen wir, das Gesicht eines Freundes vorstellen, aber nicht im Raum der
mich umgibt – und andrerseits: sich an dieser Wand dort ein
Bild etwa vorstellen?
Man könnte z.B. auf die Aufforderung “Stell dir dort drüben einen runden Fleck vor” sich einbilden, wirklich einen dort zu sehen. |
100
Freilich, wenn ich sage “Ist dort nicht
wirklich ein Fleck?”
Und also etwas genauer hinschaue, so gehorcht, was ich hier
Vorstellung nenne, nicht meinem
Willen.
Und eine Einbildung gehorcht ja nicht meinem
Willen. |
101
Man darf nicht vergessen, daß die materielle
Implikation tatsächlich auch ihre Verwendung, ihre praktische Verwendung,
hat; wenn sie auch nicht häufig vorkommt. |
102
Wer den Satz “Wenn p, so
q”¤ verneint, verneint einen
Zusammenhang.
Er sagt: “Es muß nicht so
sein.”
Und das Wort “muß” deutet auf
den Zusammenhang. |
103
Aus “nicht p &
und q” folgt nicht “Wenn
p, so q”.
Es ist nicht aus “nicht
p &
q” zu
erschließen.
Der Sinn von “Wenn p, so q” ist von
dem des Satzes “p impliziert q”
grundverschieden.
Wenn auch ein Zusammenhang besteht.
Dieser: “p
& q”, welches die Implikationen wahr macht, tut
dies auch für den Satz
“ … so … ”, oder spricht doch für seine
Wahrheit.
“p
& nicht q widerspricht der Implikation und auch dem
Wenn-so-Satz, oder ist seiner Wahrheit nicht günstig.
627
“nicht p
& q” und “nicht
p & nicht
q” bewahrheiten die Implikation und entscheiden
nichts über die Wahrheit von “Wenn … ,
so …”. |
104
“Wenn dies eintrifft, so wird das
eintreffen.
Habe ich Recht, so zahlst du mir einen Schilling, habe ich Unrecht, so
zahle ich dir einen, bleibt es
unentschieden, so zahlt
keiner.”
Das könnte man auch so ausdrücken: Der
Fall, in welchem die Prämisse nicht eintrifft,
interessiert. uns nicht, wir reden nicht von ihnen.
Oder auch: es ist uns hier nicht natürlich, die
Wörter “ja” und “nein” so zu
gebrauchen, wie in dem Falle (und solche Fälle gibt es) in welchem
die uns die materielle Implikation interessiert.
Mit “Nein” wollen wir hier sagen
“p &
nicht q”, mit “Ja” nur
“p &
q”. |
105
Es ist z.B. ganz gewöhnlich auf die Wahrheit einer
Vorhersage zu wetten.
Wetten wir nun auf die Behauptung “Wenn p eintrifft,
so wird q eintreffen”, so wird man zwar auch sagen
“Wenn du Recht hast, zahle ich dir … , wenn
nicht … ”; aber beim Nicht–eintreffen von
p wird die Wette nicht gelten.
Es handelt sich doch hier um zwei verschiedene Arten der
Verwendung der Verneinung eines Satzes.
Und so, wie “nicht nicht p” nicht p ist,
wenn die Verdopplung der Verneinung eine Verstärkung der
Verneinung bedeutet, so ist auch “p ⌵ nicht p”, wie
wir die Verneinung gebrauchen, nicht
unbedingt eine Tautologie.
In dem obigen Fall sollte die Behauptung, der Bedingungssatz sei
wahr oder aber falsch, eigentlich das unbedingte
Eintreffen des Ereignisses behaupten. || In dem obigen Falle sollte die Behauptung, jener
Bedingungssatz sei wahr, oder falsch, der Behauptung gleich 628 kommen, p werde
eintreffen.
Denn jene Behauptung ist ja, der Bedingungssatz werde nicht
unentschieden bleiben. |
106
Der Satz “Die Vorstellung ist dem Willen
unterworfen” ist kein Satz der Psychologie. |
107
Ich lerne den Begriff ‘sehen’ in Verbindung mit
‘schauen’.
Die Verwendung des einen Worts verbunden mit der des
andern. |
108
Wenn man sagt “der Erlebnisinhalt des Sehens und des
Vorstellens sei || ist wesentlich der Selbe”,
so ist das wahr daran, daß ein
gemaltes Bild wiedergeben kann, was man sieht und
wiedergeben kann, was man sich vorstellt.
Nur darf man sich nicht vom Mythus des inneren Bildes
täuschen lassen. |
109
Das ‘Vorstellungsbild’ tritt nicht dort ins
Sprachspiel ein, wo man es vermuten möchte.
|
110
Ich lerne den Begriff ‘sehen’ mit dem Beschreiben dessen,
was ich sehe, Ich lerne beobachten und das Beobachtete
beschreiben.
Ich lerne den Begriff ‘vorstellen’ in einer gänzlich
andern Verbindung.
Die Beschreibungen des Gesehenen und des Vorgestellten sind
allerdings von der selben Art, und eine Beschreibung
könnte sowohl das Eine, wie auch das Andere sein; aber sonst
sind die Begriffe durchaus verschieden.
Der Begriff des Vorstellens ist eher wie der eines Tuns, als eines
Empfangens.
Das Vorstellen könnte man einen schöpferischen Akt nennen.
(Und nennt es ja auch so. |
111
“Ja, aber die Vorstellung selbst, so wie der
Gesichtseindruck, ist doch das innere Bild || das Bild vor
dem inneren Auge 629 und du redest nur von den
Verschiedenheiten der Erzeugung,
Entstehung, Behandlung des Bildes.”
Die Vorstellung ist nicht ein Bild, noch ist der Gesichtseindruck
eines.
Weder ‘Vorstellung’ noch
‘Eindruck’ ist ein Bildbegriff, obwohl in beiden
Fällen ein Zusammenhang mit einem Bild statt
hat, und jedes Mal ein Anderer. |
112
“Aber könnte ich mir nicht einen
Erlebnisinhalt denken von der Art der visuellen Vorstellung, aber dem
Willen nicht unterworfen, in dieser Beziehung wie der
Gesichtseindruck?”
Hier ist auf || das Irreführende das
Reden vom Erlebnisinhalt.
Wenn wir von Einem fürs visuelle
Vorstellen typischen Erlebnisinhalt reden, so
muß der Inhalt in mir mit dem Inhalt in dir verglichen
werden können.
Und, so seltsam es klingt, müßte man, glaube ich,
sagen, der Erlebnisinhalt – wenn man überhaupt diesen Begriff hier
gebrauchen will – sei für visuelle Vorstellung und visuellen
Eindruck der Gleiche.
Und das klingt paradox, weil Jeder ausrufen möchte: Du
willst mir doch nicht sagen, daß man je diese
beiden, Vorstellung und Eindruck, mit einander verwechseln
könnte!
– So wenig, könnte ich antworten, wie z.B.
Zeichnen und Sehen.
Aber was gezeichnet und was gesehen wird, mag doch das
Selbe sein.
Vorstellung und Eindruck
‘schauen’ eben nicht verschieden ‘aus’.
|
113
Man könnte aber auch sagen, daß
“Erlebnisinhalt” für Vorstellung und Eindruck nicht
die gleiche Bedeutung hat, sondern nur verwandte
Bedeutungen.
Wenn ich mir z.B. ein Gesicht ganz
genau so vorstelle, wie es ausschaut, wenn ich's später sehe,
hatte mein Eindruck und meine Vorstellung den gleichen
Erlebnisinhalt.630
Man kann nicht sagen, es sei nicht der Gleiche, da
Vorstellung und Eindruck nie gleich aussähen.
Der Inhalt der Beiden ist also dies – (indem ich etwa auf ein Bild zeige). Aber ich müßte nicht beide Male (den Inhalt) nennen. |
114 0
Vorstellung und Intention.
Auch insofern ist vorstellen dem
schaffen eines Bildes zu vergleichen,
als ich mir nicht den vorstelle, dem mein Vorstellungsbild ähnlich ist,
sondern den, den ich mir vorstellen will. |
115
Ich glaube, wenn man Vorstellen mit einer Körperbewegung
vergleicht, wie das Atmen, das man manchmal willkürlich, manchmal
unwillkürlich geschieht, so darf man den Sinneseindruck gar
nicht mit einer Bewegung vergleichen.
Nicht so kann der Unterschied gefaßt werden,
daß das Eine geschieht, ob wir's wollen
oder nicht, während wir das andere regieren.
Vielmehr ist der eine Begriff dem einer Handlung ähnlich, der andre
nicht.
Der Unterschied ist eher wie der zwischen Sehen,
daß meine Hand sich bewegt –
und Wissen (ohne sie zu sehen) daß ich sie
bewege. |
116
“Wenn ich die Augen schließe, steht er vor
mir”.
– Man könnte sich denken, daß solche
Ausdrücke nicht gelernt, sondern poetisch spontan
gebildet sind.
Daß sie uns also
‘treffend scheinen’ || Daß sie dem Einen ‘treffend
scheinen’ und dann dem Andern
auch. |
117
“Ich sehe ihn deutlich vor mir!”
– Nun, vielleicht steht er wirklich vor
dir.
– “Nein, dazu ist mein Bild zu wenig
lebhaft.” – 631 |
118
Könnten wir uns nicht diese Erscheinung
denken: Wir seien im Stande, indem wir einen Lichtschirm anschauen, auf ihm nach
Willkür, ‘durch den bloßen
Willen’, Bilder zu erzeugen, zu bewegen, verschwinden zu lassen,
etc., Bilder, die nicht bloß der,
der sie erzeugt, sondern auch der Andere sieht.
– Wäre, was ich auf diesem Schirm sehe so etwas wie eine
Vorstellung?
Oder vielleicht richtiger gefragt:
Hieße “ich sehe … auf dem
Schirm” etwas Ähnliches wie:
“Ich stelle mir … vor”? – oder
soll ich sagen, der Satz “Auf dem Schirm zeigt sich
jetzt … ” entspreche dem “Ich stelle
mir … vor”?
– Nein; so ist es nicht.
Die Schwierigkeit ist hier, daß ich keinen klaren
Begriff davon habe: ‘die Bilder durch den Willen zu
erzeugen’ etc.
Denn eigentlich ist ja der Fall nicht ganz fantastisch:
Ich kann mir ja wirklich auf einer fleckigen Wand alles Mögliche
vorstellen; und wenn der Andere, wenn er auf die Wand schaut, immer
wüßte, was ich mir vorstelle, so wäre der Fall nun
ähnlich dem eben beschriebenen.
((Könnte man aber nicht auch von dem sagen, er erzeuge Bilder auf
der Wand durch den bloßen Willen, der sie auf die Wand
zeichnet?))
“Durch den bloßen Willen bewegen” was heißt es? Etwa, daß die Bilder meinem Willen immer genau folgen, während meine zeichnende Hand, mein Bleistift, das nicht tut? Immerhin wäre es ja dann doch möglich zu sagen: “Für gewöhnlich stelle ich mir ganz genau vor, was ich will; heute ist es anders ausgefallen.” Gibt es denn ein ‘Mißlingen der Vorstellung’? |
119
Wenn nicht, so will man das etwa so erklären,
daß das Vorstellungsbild masselos ist. und
dem Willen keinen Trägheits- oder andern
Widerstand entgegensetzt. 632
Nein; “ich sehe auf dem Schirm … ” kann nicht meinem Vorstellen entsprechen. Auch nicht “ich produziere auf dem Schirm … ” – denn dann könnte es gelingen und mißlingen. Eher noch das: “Für mich ist, was auf diesem Schirm ist, jetzt ein Bild von … || “Für mich stellt, was auf diesem Schirm ist, jetzt das dar.” |
120
Es gibt freilich ein Sprachspiel mit dem Befehl “Stell
dir … vor!” – aber ist es denn wirklich ohne
Weiteres gleich zu setzen dem
“Dreh deinen Kopf nach
rechts!”?
Oder auch so: Hat es denn ohne Weiteres Sinn, zu sagen,
Gesichtsbilder, innere Bilder, folgten meinem Willen?
(Wohlgemerkt: nicht “meinem
Wunsch”.) |
121
Denn das, wovon man normaler Weise sagt, es folge, oder folge
nicht, dem Willen, sind nicht ‘innere Bilder’.
Es ist also nicht klar, daß man den Begriff dieses
Folgens ohne Weiteres auf die andere Kategorie anwenden
kann. |
121
(Daß man nämlich die
‘Willkürlichkeit’ der Vorstellung nicht mit
der der Bewegung den Körpern vergleichen kann, ist klar; denn,
ob die Bewegung stattgefunden hat, das zu beurteilen sind auch Andere
befähigt; während es bei der Bewegung meiner Vorstellungen
immer nur darauf ankäme, was Ich zu sehen behaupte, – was
immer irgend ein Anderer sieht.
Es würden also die sich bewegenden wirklichen
Gegenstände aus der Betrachtung herausfallen, da es
auf sie gar nicht ankäme.) |
123
Sagte man also: “Vorstellungen sind innere Bilder,
ähnlich, oder ganz so, wie meine Gesichtsempfindungen || Gesichtseindrücke, nur meinem Willen
untertan” – so hätte das bis auf
Weiteres noch keinen Sinn. || so wäre das bis auf
Weiteres noch ohne Sinn. 633
Denn wenn Einer zu berichten gelernt hat, was er dort sieht oder was ihm dort zu sein scheint, so ist es doch nicht klar, was der Befehl bedeute, er solle jetzt das dort sehen, oder es solle ihm jetzt das dort zu sein scheinen. |
124
Es ist freilich eine gewisse Verwandtschaft zwischen
dem Vorstellen und einer Handlung, die sich
eben in der Möglichkeit des Befehls ausdrückt; aber der
Grad dieser Verwandtschaft muß erst
untersucht werden. |
125
“Bewege dein inneres Bild!” könnte
heißen: bewege den Gegenstand.
|
126
“Bewege, was du siehst”.
Es könnte auch heißen: Nimm etwas ein, was deine Gesichtseindrücke beeinflußt. |
127
Welches merkwürdige Phänomen, das ein Kind wirklich die menschliche
Sprache lernen kann!
Daß ein Kind, ohne irgend etwas zu wissen,
anfangen kann und, auf sicherem Wege, diese ungeheuer komplizierte Technik
erlernt.
Dieser Gedanke kam mir, als mir, in einem bestimmten Fall, zum Bewußtsein kam, wie ein Kind mit nichts anfängt, und eines Tages die Negation gebraucht wie wir! |
128
Mit dem Satz “Vorstellungen sind willkürlich,
Empfindungen nicht” unterscheidet
man nicht Empfindungen von Vorstellungen, sondern die Sprachspiele, in
denen wir's mit diesen Begriffen zu tun haben.
|
129
Es gibt, was man Erscheinungen des Sehens und Erscheinungen 634 des Vorstellens nennen kann; und den
Begriff des Sehens und den Begriff der
Vorstellung.
Man kann von ‘Unterschieden’ innerhalb
dieser || beider Paare reden. |
130
Wenn man sagt “die Vorstellung hat es mit dem Willen zu
tun”, so meint man die selbe Art des Zusammenhangs, die man mit
dem Satz meint “Die Vorstellung hat es nicht mit der
Beobachtung zu tun”. |
131
Ich sagte, es gäbe Phänomene des Sehens, – was meinte ich
damit?
Nun etwa Alles das, was sich auf Bildern darstellen
läßt und mit “sehen”
beschreiben würde.
Das genaue Beobachten; das Anschauen einer Landschaft; ein Mensch vom
Licht geblendet; der freudig überraschte Blick; das Wegwenden
um sich sehen zu müssen.
Alle die Arten des Benehmens, die den sehenden Menschen vom Blinden
unterscheiden.
(Es hat doch einen Grund, warum mir gerade
diese Bilder aus dem menschlichen Leben hier
einfallen |
132
Phänomene des Sehens, – das ist, was der Psychologe
beobachtet. |
133
Einer sagt: “Ich sehe ein Haus mit grünen
Fensterläden”.
Und du: “Er sieht es nicht, er
stellt es sich nur vor.
Er schaut ja gar nicht; siehst du, wie er vor sich
hinstarrt?” –
Man könnte sich sehr beiläufig auch so ausdrücken:
“So sieht es nicht aus, wenn jemand etwas sieht; sondern wenn
er sich etwas vorstellt.”
Hier vergleichen wir Erscheinungen des Sehens mit Erscheinungen des
Vorstellens.
So auch, wenn wir zwei Leute eines fremden Stammes beobachteten, die
während einer bestimmten Tätigkeit ein Wort
gebrauchen, welches wir für ein
Äquivalent unseres “Sehen” erkannt
haben.
Und wie wir nun ihren 635 Gebrauch jenes Worts bei dieser Gelegenheit
verfolgen, schließen wir, es
müßte hier “vor dem innern Auge
sehen” bedeuten.
(Ebenso könnte man auch zu dem Schluß kommen,
das Wort müsse hier Verstehen bedeuten.) |
134
Was heißt es z.B.,
daß “sehen” mit
“beobachten” zusammenhängt?
– Wenn wir “sehen” gebrauchen
lernen, so lernen wir es zugleich und in Verbindung mit
“schauen” gebrauchen, mit
“beobachten”, etc. |
135
Wie wir den Schachkönig in Verbindung mit dem Bauern gebrauchen
lernen und das Wort “König” zusammen mit dem Wort
“ “Schachmatt”. |
136
Ein Sprachspiel umfaßt ja doch den Gebrauch
mehrerer Wörter. |
137
Nichts kann falscher sein, als zu sagen, Sehen und Vorstellen seien
verschiedene Tätigkeiten.
Das ist, als sagte man, im Schach ziehen und verlieren seien
verschiedene Tätigkeiten. |
138
Die Worte “Vorstellen ist willkürlich, sehen nicht”,
oder ähnliche, können Einen irreleiten.
Wenn wir als Kinder lernen, die Worte “sehen”, “schauen”, “vorstellen” gebrauchen, so spielen dabei Willenshandlungen, Befehle hinein. Aber in anderer Weise für jedes der drei Wörter. Das Sprachspiel mit dem Befehl “Schau!” und mit dem Befehl “Stell dir … vor!” – wie soll ich sie nur vergleichen? – Wenn wir jemand abrichten wollen, daß er auf den Befehl “schau … !” reagiert und wenn wir ihn dazu abrichten wollen, daß er den 636 Befehl “Stell dir …
vor!” versteht, so müssen wir ihn doch
offenbar ganz Anderes lehren.
Reaktionen, die zu diesem Sprachspiel gehören, gehören
zu jenem nicht.
Ja, ein enger Zusammenhang der Sprachspiele ist natürlich da, aber
eine Ähnlichkeit?
– Stücke des Einen sind Stücken des Andern
ähnlich, aber die ähnlichen Stücke sind nicht homolog. |
139
Ich könnte mir etwas Ähnliches
für wirkliche Spiele denken.
Es könnte etwa in zwei wesensverschiedenen Spielen – Spielen, die
in wichtigem Sinne einander viel unähnlicher wären als Dame und Schach
– ein und dasselbe Brett mit den selben Zügen vorkommen, nur, wenn
ich so sagen darf, in einer andern Stellung.
Im einen Spiel könnte es z.B. die
Aufgabe sein, dem Andern nachzusetzen; im andern
wäre der ganze Verlauf des
Nachsetzens im Voraus gegeben, und die beiden
Spieler hätten mit Bezug auf ihn eine Aufgabe ganz anderer Art.
Es wären den Spielern z.B. zwei Wege des
Nachsetzens gegeben und sie
müßten die Beiden in psychologischer Hinsicht
vergleichen.
So gibt es ein Spiel: ein Kreuzworträtsel auflösen, und ein
anderes: mehrere mir gegebene Auflösungen eines
Kreuzworträtsels in irgend einem Sinne
auf ihre Güte zu prüfen. |
140
Das Sehen untersteht dem Willen in
anderer Weise als das Vorstellen.
Oder: ‘sehen’ und ‘vorstellen’ haben zum ‘wollen’ verschiedene Beziehungen. |
141
Nun scheint es aber doch, als wären Vorstellungen
matte Spiegelungen der Sinneseindrücke.
Wann scheint es so, und wem?
Es gibt natürlich ein klar und unklar in den 637 Vorstellungen.
Und wenn ich sage “Mein Vorstellungsbild von ihm ist
viel unbestimmter als mein Gesichtseindruck, wenn ich ihn
sehe,”, so ist das wahr, denn ich kann ihn aus der
Vorstellung auch nicht annähernd so genau beschreiben, als wenn ich
ihn vor mir habe. || als nach
der Natur.
Es kann aber doch geschehen, daß eines Menschen
Gesicht sich so trügt, daß er einen Andern viel
unschärfer sieht, als er sich ihn vorstellen kann.
|
142
Wenn ich mir, und ein Anderer sich, einen Schmerz vorstellen kann, oder
wir doch sagen, daß wir's können, – wie
kann man herausfinden, ob wir ihn uns richtig vorstellen, und wie
genau? |
143
Könnte es nicht Leute geben, die die Züge eines Menschen aus dem
Gedächtnis höchst genau beschreiben könnten, ja, die auch sagen, jetzt
wüßten sie plötzlich, wie er ausschaut, – die
aber die Frage, ob sie den Menschen in jenem Augenblick in
irgendeinem Sinn ‘vor sich sähen’ (oder
dergleichen) unbedingt verneinten?
Leute also, denen der Ausdruck “ich sehe ihn vor
mir” durchaus nicht passend vorkäme?
Dies scheint mir eine sehr wichtige Frage. Oder auch: die wichtige Frage ist, ob diese Frage Sinn hat. – Denn was für einen Grund habe ich, zu glauben, daß das nicht unser Aller Fall Ist? Oder, wie kann ich die Frage entscheiden, ob der Andere (ich nehme mich einstweilen aus) sich jemand wirklich ‘visuell vorstellt’, oder nur im Stande ist, ihn visuell zu beschreiben zu zeichnen, etc.) – plus dem Faktum, daß er, wenn ich so sagen darf, eine ‘Erleuchtung’ kennt, oder einen Zustand der Erleuchtung, ähnlich dem ‘Jetzt weiß ich's’. ((Echte Dauer)). 638 |
144
Die visuelle Vorstellung ist eben nicht nur
durch das Zeichnen – können und dergleichen
charakterisiert, sondern auch durch feinere Abschattungen des
Benehmens.
In dem Sprachspiel mit “vorstellen” gehört jedenfalls die Beschreibung der Vorstellung. (Das heißt nicht, daß in Grenzfällen eine Äußerung vorkommen kann: “Ich kann mir's genau vorstellen aber absolut nicht beschreiben.” Ein Spiel läßt Grenzfälle zu – eine Regel-Ausnahme. Aber Ausnahme und Regel könnten nicht ihre Rolle vertauschen, ohne das Spiel zu vernichten. (Der ‘Übergang von der Quantität zur Qualität’?) |
145
“Wenn Ausnahme und Regel ihre Rolle vertauschen,
so ist es eben nicht mehr dasselbe!”
– Aber was heißt das?
Etwa daß sich dann mit einem Schlage unsere
Einstellung zu dem Spiel ändern wird?
Ist es, als kippte nach einem allmählichen Beschweren der
einen und Erleichtern der andern Schale, der
Waagebalken, nicht allmählich um? |
146
Wie könnte nun die Beschreibung der Vorstellung einer
Bewegungsempfindung ausschauen? |
147
Fortsetzung der Klassifizierung der psychologischen
Begriffe.
Gemütsbewegungen. Ihnen gemeinsam echte Dauer, ein Verlauf. (Zorn flammt auf läßt nach, verschwindet; ebenso: Freude, Depression, Furcht.) Unterschied von den Empfindungen: sie sind nicht lokalisiert (auch nicht diffus!). Gemeinsam: sie haben ein charakteristisches Ausdrucksbenehmen. (Gesichtsausdruck.) Und daraus folgt schon: auch charakteristische 639 Empfindungen.
So geht die Trauer oft mit dem Weinen einher, und mit ihm
charakteristische Empfindungen.
(Die Tränenschwere Stimme.)
Aber die Empfindungen sind nicht die Gemütsbewegungen).
(In dem Sinne, wie die Ziffer 2 nicht die Zahl 2 ist.)
Unter den Gemütsbewegungen könnte man gerichtete von ungerichteten unterscheiden. Furcht vor etwas, Freude über etwas. Dies Etwas ist das Objekt, nicht die Ursache der Gemütsbewegung. Das Sprachspiel “Ich fürchte mich” enthält schon das Objekt. Angst könnte man ungerichtete Furcht nennen, insofern ihre Äußerungen verwandt mit denen der Furcht sind. Der Inhalt einer Gemütsbewegung – darunter stellt man sich so etwas vor wie ein Bild, oder etwas, wovon ein Bild gemacht werden kann. (Die Finsternis der Depression, die sich auf Einen herniedersenkt, die Flammen des Zornes.) Man könnte auch das menschliche Gesicht ein solches Bild nennen und den Verlauf der Leidenschaft durch seine Veränderungen darstellen. Zum Unterschied von den Empfindungen: sie unterrichten uns nicht über die Außenwelt. (Grammatische Bemerkungen.) Liebe und Haß könnte man Gemütsdispositionen nennen; auch Furcht in einem bestimmten Sinne. Es ist Eines, akute Furcht empfinden, und ein anderes, jemand ‘chronisch’ fürchten. Aber Furcht ist keine Empfindung. ‘Schreckliche Furcht’: sind es die Empfindungen, die so schrecklich sind? Typische Ursachen des Schmerzes einerseits, der Depression, 640 Trauer, Freude anderseits.
Ursache dieser zugleich ihr Objekt.
Das Benehmen des Schmerzes und das Benehmen der Traurigkeit. – Man kann diese nur mit ihren äußeren Anlässen beschreiben. (Wenn die Mutter das Kind allein läßt, mag es vor Trauer weinen; wenn es hinfällt, vor Schmerz.) Benehmen und Art des Anlasses gehören zusammen. |
148
Vielleicht wird man sagen: Wie kann man den Begriff
‘Schmerz’ durch die Schmerzanlässe
charakterisieren?
Schmerz ist doch was er ist – was
immer ihn veranlaßt!
– Frage jedoch: Wie identifiziert man
Schmerz?
Der Anlaß bestimmt den Nutzen des Schmerzsignals. |
149
Der Schmerzbegriff ist eben auf eine bestimmte Weise in
unserm Leben eingebettet.
Ist es charakterisiert durch ganz bestimmte Zusammenhänge.
Wie es einen Zug mit dem Schachkönig nur in einem bestimmten Zusammenhang gibt. Er läßt sich aus diesem Zusammenhang nicht lösen. – Denn dem Begriff entspricht eine Technik. (Das Auge || Der Mund lächelt nur in einem Gesicht.) |
150
Nur inmitten gewisser normaler
Lebensäußerungen gibt es eine
Schmerzäußerung.
Nur inmitten von noch viel weitgehender bestimmten
Lebensäußerung und Ausdruck der Trauer,
oder der Zuneigung. U.s.f.
|
151
Gemütseinstellungen (Liebe z.B.)
kann man prüfen, Gemütsbewegungen nicht. |
152
Ich möchte sagen: Gemütsbewegungen können die Gedanken
färben; der Schmerz || Körperschmerz
nicht.
Und darum rede man von traurigen 641 Gedanken, nicht aber in analoger Weise
vom zahnschmerzlichen.
Es ist, als könnte man sagen; Furcht, oder gar Hoffnung, könne
geradezu aus Gedanken bestehen, aber doch nicht
Schmerz. Nun, Schmerz hat vor allem
die Merkmale der Empfindung und Furcht nicht.
Furcht hängt mit Befürchtungen zusammen, und Befürchtungen
sind Gedanken. |
153
Die Hoffnung kann man eine Gemütsbewegung nennen.
D.h., sie mit Furcht Zorn,
Freude, zusammenstellen.
Sie ist verwandt mit dem Glauben, der keine
Gemütsbewegung ist.
Es gibt keinen typischen Körperausdruck des Glaubens.
Vergleiche die Bedeutung von “ununterbrochener Schmerz” mit: “ununterbrochener Zorn”, Jubel, Trauer, Freude, Furcht, und anderseits “ununterbrochener Glaube” oder “ununterbrochene Hoffnung”. Aber auch Furcht, Hoffnung, Sehnsucht, Erwartung sind schwer mit einander zu vergleichen. Die Sehnsucht ist eine Beschäftigung im Gedanken mit einem bestimmten Objekt. Die Furcht vor einem Ereignis (apprehension) scheint von ähnlicher Art zu sein; nicht aber die Furcht vor dem Hund, der mich anbellt. Es könnten hier zwei verschiedene Worte gebraucht werden. Ebenso kann “erwarten” bedeuten: glauben, das und das werde geschehen – aber auch: die Zeit mit erwartenden Gedanken und Tätigkeiten hinbringen, also harren. |
154
Der Glaube ist keine Beschäftigung mit dem Gegenstand des
Glaubens.
Die Furcht aber, die Sehnsucht, die Hoffnung beschäftigen sich mit
ihrem Objekt. 642
Wir sagen in einer wissenschaftlichen Untersuchung alles Mögliche, machen viele Aussagen, deren Rolle wir in der Untersuchung nicht verstehen. Denn wir sagen ja nicht etwa alles mit einem bewußten Zweck, sondern unser Mund geht eben. Wir gehen durch herkömmliche Gedankenbewegungen, machen automatisch Gedankenübergänge gemäß den Formen, die wir gelernt haben. Und nun müssen wir erst, was wir gesagt haben, sichten. Wir haben eine ganze Menge unnütze, ja zweckwidrige Bewegungen gemacht, müssen nun unsere Gedankenbewegungen philosophisch klären. |
155
Wenn ich erzähle “Ich habe mich den ganzen Tag vor seinem
Kommen gefürchtet” – da könnte ich
doch ins Einzelne gehen: Ich habe
gleich beim Erwachen gedacht … Dann überlegte ich mir …
Ich sah immer wieder zum Fenster hinaus,
etc. etc.
Das könnte man einen Bericht über die Furcht nennen.
Wenn ich aber damals zu jemand sprach “Ich
fürchte mich … ” – ist das gleichsam ein Stöhnen der
Furcht, oder eine Betrachtung über meinen Zustand?
– Es könnte das Eine, oder auch das andere sein: Es
mag einfach ein Stöhnen der Furcht sein; es mag aber auch sein,
daß ich dem Andern berichten will, wie ich den Tag
verbracht habe.
Wenn ich ihm nun sagte: “Ich habe den ganzen Tag in
Furcht verbracht (nun folgen vielleicht Einzelheiten) und auch
jetzt bin ich voll Angst” – was sollen wir nun über dieses
Gemisch von Bericht und
Äußerung sagen
– nun was sollen wir sagen, als
daß wir hier die Verwendung des Wortes
“Furcht” vor uns sehen. |
156
Wenn es Leute gäbe, die in den Fällen, wo wir Befürchtungen mit
Angstgefühlen aussprechen, einen stechenden Schmerz in der linken Seite
empfinden, – würde dies Stechen bei ihnen den Platz
des || unsres Furchtgefühls
einnehmen?
– Wenn wir also diese Leute beobachteten und, sooft
643 sie eine Befürchtung aussprächen,
d.h., etwas sagten, was bei uns jedenfalls eine
Befürchtung wäre, und sie zuckten dabei zusammen und hielten sich die
linke Seite, – würden wir sagen:
Diese Leute empfinden ihre Furcht
als stechenden Schmerz?
Offenbar nicht. – |
157
Warum verwendet man aber das Wort “Leiden” für die
Furcht und auch für den Schmerz?
Nun, es sind ja Verbindungen genug. – |
158
Denke, man sagte: Fröhlichkeit wäre ein Gefühl, und
Traurigkeit bestünde darin, daß man
nicht fröhlich ist.
– Ist denn die Abwesenheit eines Gefühls ein Gefühl?
|
159
Wenn ich sage “Ich habe immer mit Furcht daran
gedacht” – hat die Furcht meine Gedanken
begleitet?
– Wie stellt man sich die Trennung des Begleitenden von
der Begleitung vor?
Man könnte fragen: Wie durchdringt die Furcht den Gedanken? Denn sie scheint nicht nur mit ihm einher¤zugehen. Wenn ich sage “Ich denke mit Beklemmung daran”, so könnte es allerdings so scheinen, als ob der Gedanke, etwa die Worte, mit einem besonderen Gefühl in der Brust einhergingen und darauf angespielt würde. Aber die Verwendung dieses Satzes ist eben anders. Man sagt auch: “Es beklemmt mir den Atem, daran zu denken” und meint nicht nur, daß erfahrungsgemäß die und die Empfindung und Reaktion diesen Gedanken begleiten. |
160
Auf die Äußerung
“Ich kann nicht ohne Furcht daran denken … ”
antwortet man etwa: “Es ist kein Grund zur Furcht,
denn …
Das ist jedenfalls ein Mittel, Furcht zu beseitigen, im
Gegensatz zu Schmerzen. 644
Ist Ekel eine Empfindung? – Hat er einen Ort? – Und er hat einen Gegenstand, wie die Furcht. Und es gibt hier charakteristische Empfindungen. |
161
Ja, du mußt dich immer fragen:
Was wird durch diese Sätze || Konstatierung
den Andern mitgeteilt? und das
heiß: welche Verwendung kann er nun davon
machen? |
162
Ich konstatiere ich habe Furcht. – besinne ich
mich dazu meiner Gedanken in der letzten halben Stunde, oder lasse ich
mir rasch einen Gedanken an den Zahnarzt durch den Kopf gehen, um
zu sehen, wie er mich affiziert; oder
konnte mir ein Zweifel kommen,
ob es wirklich Furcht vor dem Zahnarzt ist und nicht ein
anderes organisches Unwohlgefühl? |
163
Oder ist das Konstatieren, ich hätte Furcht wie ein
äußerst gemildetes Stöhnen der Furcht?
Nein; denn mit dem Stöhnen will ich dem Andern nicht unbedingt das
mitteilen.
Die Konstatierung ist, so zu sagen, ein Teil eines
Gesprächs. |
164
Kann man sagen: “Ich fürchte mich vor der Operation
nur, während ich gerade an sie denke”?
Und heißt das: während ich über sie
nachdenke?
Kann mir nicht vor etwas grauen, auch während ich nicht, sozusagen, ausdrücklich darüber nachdenke.
Kann ich Einem nicht sagen “mir graut vor diesem
Zusammentreffen” obwohl ich das Ereignis sozusagen nur aus dem Augenwinkel sehe.
|
165
Vergessen wir doch einmal ganz, daß uns der
Seelenzustand des Fürchtenden interessiert.
Gewiß ist, daß uns auch
sein 645 Benehmen unter gewissen
Umständen als Anzeichen für künftiges Verhalten
interessieren kann.
Warum sollten wir also nicht dafür ein Wort haben.
Es kann dies ein Verbum oder Adjektiv sein.
Man könnte nun fragen, ob dies Wort sich wirklich einfach auf das Benehmen, einfach auf die Veränderungen des Körpers bezögen. Und das wollen wir verneinen. Es liegt uns ja nichts daran, den Gebrauch dieses Worts derart zu vereinfachen. Es bezieht sich auf das Benehmen unter gewissen äußeren Umständen. Wenn wir diese und jenes beobachten, sagen wir, Einer sei … Wenn das Wort in der ersten Person gebraucht wird, ist die Analogie mit dem Gebrauch in der dritten Person die selbe wie die zwischen “ich schiele” und “er schielt”. |
166
Ich will nun sagen, daß Menschen, welche einen
solchen Begriff gebrauchen, seinen Gebrauch nicht
müßten beschreiben können.
Und sollten sie's versuchen, so könnten sie eine ganz
unzulängliche Beschreibung geben, (Wie die
meisten, wenn sie versuchen wollten, die Verwendung des
Papiergelds richtig zu beschreiben.) |
167
Es ist z.B. möglich, daß sie
diese Aussage von einem Menschen machen, ohne doch recht sagen zu können,
welches Benehmen in ihm sie dazu
veranlaßt.
Sie könnten sagen “Ich sehe es; aber ich
weiß nicht genau, was ich
sehe.”
Wie wir sagen: “Es hat sich etwas an ihm
verändert, aber ich weiß nicht genau,
was”.
Die künftige Erfahrung mag ihnen Recht geben. |
168
Es könnte nun sein, daß Leute ein Verbum hätten,
dessen dritte Person sich genau
mit unserem “Er fürchtet sich”
deckt; dessen erste Person aber nicht mit unserem “Ich
fürchte mich”. 646
Denn die Behauptung in der ersten Person würde sich auf
Selbstbeobachtung
stützen.
Sie wäre nicht die
Äußerung der
Furcht, und es gäbe ein “Ich glaube,
ich … ”, “Es kommt mir vor,
ich …”.
Diese erste Person hätte nun, so scheint es mir, keine, oder eine sehr
seltene Verwendung.
Würde mein Benehmen in einer bestimmten Situation gefilmt, so könnte
ich, wenn mir der Film vorgeführt wird, sagen:
“Mein Benehmen macht den Eindruck …”
|
169
Das “Ich glaube, er fühlt, was ich unter solchen
Umständen fühle” gibt es hier noch nicht:
Die Interpretation, daß
ich in mir etwas sehe, was ich in ihm vermute. Denn in Wahrheit ist das eine rohe Interpretation. Ich vermute – im Allgemeinen – die Furcht nicht in ihm, – ich sehe sie. Es ist mir nicht, als schlösse ich aus einem Äußeren auf die wahrscheinliche Existenz eines inneren; sondern als sei das menschliche Gesicht quasi durchscheinend, und ich sähe an ihm nicht reflektiertes, sondern eigenes Licht. || und ich sähe es nicht im reflektierten, sondern im eigenen Licht. |
170
“Mir graut davor.”
– Das ist nicht eine Abbildung von etwas, was ich sehe.
Ja, so wie ich schaue, sehe ich nichts, oder nicht
eigentlich, was ich meinte.
Es ist dann, als wäre dies ein so feiner Schleier,
daß man von ihm wissen, aber
ihn nicht eigentlich sehen könnte.
Als wäre das Grauen ein ganz feines dunkles Geräusch neben den
Tagesgeräuschen, das ich nur
merken und nicht eigentlich hören könnte.
647
Denk dir ein Kind, das lange nicht recht sprechen lernen konnte, gebrauche plötzlich den Ausdruck, den es von den Erwachsenen gehört hatte, “Mir graut vor …”. Und sein Gesicht und die Umstände und was folgt lassen uns sagen: Es hat wirklich gemeint. (Man könnte ja immer sagen: “Eines schönen Tages gebraucht nun das Kind das Wort.”) Ich habe den Fall des Kindes gewählt, weil hier, was in ihm vorgeht, uns noch fremder erscheint als im Erwachsenen. Was weiß ich – so möchte ich sagen – von einem Hintergrund der Worte “Mir graut …? Läßt das Kind nicht plötzlich in sich hineinschauen? |
171
Diese Sache erinnert auch an das Hören eines Geräusches aus einer
bestimmten Richtung.
Es ist beinahe, als fühlte man die Beschwerde in der
Magengegend aus der Richtung der Furcht.
D.h. eigentlich, daß
“Mir ist schlecht vor Furcht” nicht eine
Ursache der Furcht angibt. |
172
Gibt es psychologische Konglomerate; und ist das Erwarten
eines?
Vielleicht das Harren, aber nicht das Erwarten.
|
173
Daß es ein Furchtkonglomerat,
z.B., gibt, heißt nicht,
daß Furcht ein Konglomerat ist. |
174
Sage ich “Ich erwarte sehnsüchtig sein Kommen”, so
heißt das: ich
beschäftige mich mit seinem Kommen (in
Gedanken, und man kann auch sagen: in Gedanken und
Handlungen)
Den Zustand des sehnsüchtigen Erwartens kann man also ein Konglomerat
nennen.
Aber es ist nicht, so zu sagen, ein Konglomerat von Handlungen
einer bestimmten Art, sondern es geht um die Intention der
Handlungen, also um ein Motiv, nicht eine
648 Ursache. |
175
Wenn ich sage, ich verwende die Worte “Ich habe
Schmerzen”, “Ich sehne mich nach ihm”,
etc. etc. als Mitteilung,
nicht als
Naturlaut || nicht als Naturlaut, sondern zur Mitteilung, zum
Bericht, so charakterisiert dies meine Intention.
Ich will z.B., daß der
Andere darauf in bestimmter Weise reagiere.
Hier bin ich aber noch die Erklärung des Begriffs der Intention schuldig, und die Intention ist nun nicht etwa eine Art Empfindung, auf die ich Alles reduzieren will; der ich so zu sagen, alles in die Schuhe schiebe. (Denn die Intention ist keine Empfindung.) |
176
Wenn wir Furcht, Trauer, Freude, Zorn, etc.
Seelenzustände nennen, so heißt das,
daß der Furchtvolle, Trauervolle, etc.
die Mitteilung machen kann: “Ich bin im Zustand der
Furcht”, etc., daß diese
Mitteilung – ganz wie die primitive
Äußerung – nicht auf
einer Beobachtung beruht. |
177
Absicht, Intention, ist weder Gemütsbewegung, Stimmung, noch
Empfindung, oder Vorstellung.
Sie ist kein Bewußtseinszustand.
Sie hat nicht echte Dauer.
Die Absicht kann man eine seelische Disposition nennen.
Dieser Ausdruck ist insofern irreführend, als man eine solche
Disposition in sich nicht durch Erfahrung
wahrnimmt.
Die Neigung zur Eifersucht dagegen ist eine Disposition
im eigentlichen Sinne.
Erfahrung lehrt mich, daß ich sie
habe. |
178
“Ich beabsichtige” ist nicht die
Äußerung eines
Erlebnisses.
Es gibt keinen Schrei der Absicht, so wenig wie des Wissens,
649 oder Glaubens.
Wohl aber könnte man den Entschluß, mit welchem oft eine Absicht beginnt, ein Erlebnis nennen. |
179
Ist Entschluß ein Gedanke?
Er kann das Ende eines Gedankenganges sein. |
180
Einer sagt mir etwas; ich schaue ihn erstaunt an; er erklärt
… Mein fragender Blick war gleichbedeutend der Frage:
“Wieso?” oder
“Was meinst du?” oder
“Warum?” oder
“Das willst du tun? wo du
doch immer …?”
– Der plötzliche Gedanke. |
(181
Absichtlich – unabsichtlich.
Willkürlich – unwillkürlich.
Was ist der Unterschied zwischen einer Handbewegung ohne besondere Absicht und der gleichen Handbewegung, die ich als ein Zeichen meine? || die als Zeichen gemeint ist? |
182
Denken wir uns, daß Einer eine Arbeit verrichtet, in
der es ein Vergleichen, Versuchen, Wählen gibt.
Er stellt etwa einen Gebrauchsgegenstand aus gewissen Materialstücken
mit gegebenen Werkzeugen her.
Immer wieder entsteht das Problem “Soll ich
dies Stück dazu nehmen?”
Das Stück wird verworfen, ein anderes versucht.
Stücke werden versuchsweise zusammengestellt,
auseinandergenommen; es wird nach einem Passenden
gesucht, etc. etc.
Ich denke mir nun diesen ganzen Hergang gefilmt.
Der Arbeitende gibt etwa auch Laute von sich, wie
“Hm” oder “Ha!”
Sozusagen, Laute des Zögerns, des
plötzlichen Findens, des Entschlusses, der Zufriedenheit,
der Unzufriedenheit.
Aber kein Wort wird geredet.
Jene Laute mögen im Film aufgenommen werden.
Der Film wird mir vorgeführt; und ich erfinde nun ein
Selbstgespräch650 des Arbeitenden, welches zu seiner
Arbeitsweise, dem Rhythmus seiner Arbeit, seinem Mienenspiel,
seinen Gebärden und Naturlauten paßt, welches all
dem entspricht.
Ich lasse ihn also manchmal sagen
“Nein, das Stück
ist zu lang, vielleicht
paßt ein anderes besser.”
– Oder “Was soll ich jetzt tun? –
Ich hab's!” –
Oder “Das ist ganz gut.”
etc.
Wenn der Arbeitende reden kann, – wäre es eine Verfälschung des wirklichen Vorgangs, wenn er ihn genau beschriebe und etwa sagte: “Dann dachte ich: Nein, das geht nicht; ich muß es anders versuchen.” usw. – obwohl er während der Arbeit nicht gesprochen, und sich auch diese Worte nicht vorgestellt hatte? Ich will sagen: Kann er nicht seine wortlosen Gedanken später in Worten wiedergeben? So zwar, daß wir, die den Arbeitsvorgang sähen, mit dieser Wiedergabe einverstanden sein könnten? – Umso mehr, wenn wir dem Mann nicht nur einmal, sondern öfters bei der Arbeit zugesehen hätten? |
183
Wir könnten natürlich sein ‘Denken’ von der Tätigkeit
nicht trennen.
Das Denken ist eben keine Begleitung der Arbeit; so wenig, wie der
denkenden Rede. |
184
Denk || dir, Einer pausiert in
der Arbeit, blickt wie nachdenkend vor sich hin in
einer Situation, in der wir uns eine Frage vorlegen,
Möglichkeiten erwägen würden, – würden wir von ihm
unbedingt sagen, er überlege?
Ist dazu nicht auch nötig, daß er eine Sprache
beherrscht, also nötigenfalls die Überlegung auch
aussprechen könnte? |
185
Nun, wenn wir Wesen bei der Arbeit sähen, deren
Arbeitsrhythmus, deren Mienenspiel,
etc. dem unsern ähnlich wäre, nur
651 daß diese Leute nicht
sprächen, dann würden wir vielleicht sagen,
sie dächten, überlegten, machten Entscheidungen.
Das heißt: es wäre eben in so einem Falle
viel dem der gewöhnlichen Menschen ähnlich.
Und es ist nicht klar, wieviel ähnlichen sein
muß, damit wir den Begriff ‘denken’,
der in unserm Leben zu Hause ist, auch bei ihnen
anzuwenden ein Recht hätten. || Und wie soll man
entscheiden, wie genau die Analogie sein
muß, damit wir ein Recht haben, für diese Leute den
Begriff ‘denken’ zu verwenden, der in unserm
Leben seine Heimat hat? |
186
Und wozu sollen wir auch diese Entscheidung fällen?
Wir werden einen wichtigen Unterschied machen zwischen Wesen, die eine Arbeit, selbst eine komplizierte, “mechanisch” zu verrichten lernen können, und solchen, die bei der Arbeit probieren, vergleichen. – Was aber “probieren” und “vergleichen” zu nennen ist, kann ich nur wieder an Beispielen erklären, und diese Beispiele werden unserm Leben, oder einem, das dem unsern ähnlich ist, entnommen sein. |
187
Nehme nun das Probieren, gar die Form an des
Herstellens einer Art von Modell (oder gar einer Zeichnung), so
würden wir ohne zu zweifeln sagen, diese Wesen dächten.
Freilich könnte man hier auch von einem Operieren mit
Zeichen reden. |
188
“Aber könnte nicht das Operieren mit Zeichen auch mechanisch
sein?”
– Freilich; d.h., auch dies
muß in einer bestimmten Umgebung sein, damit man
sagen könne, es sei nicht mechanisch. |
189
Es ist also, als wären unsere Begriffe, als wäre die
652 Verwendung
unserer Worte, bedingt durch ein Gerüst von Tatsächlichem.
Aber wie kann das sein?! Wie könnten wir
denn das Gerüst beschreiben, wenn wir nicht die Möglichkeit von etwas
Anderem zuließen?
– Du machst ja, möchte man sagen, Unsinn aus jeder Logik! || Dadurch würde ja – möchte man sagen – Unsinn
aus jeder Logik! |
190
Das Problem, das uns hier beunruhigt, ist das Gleiche wie das in der
Betrachtung:
“Du kannst Menschen zählen
lehren, wenn die Dinge in ihrer Umgebung nicht in
fortwährendem schnellen Entstehen und
Vergehen begriffen sind.” || “Menschen
könnten nicht zählen lernen, wenn alle Gegenstände um sie im
Schnellen Entstehen und Vergehen
begriffen wären.” |
191
Du kannst doch auch sagen: “Hast du keine Stäbchen,
Steinchen, etc. zur Hand, so kannst du
einem nicht Rechnen lehren.”
Ganz so wie: “Hast du keine Schreibfläche noch
Schreibmaterial zur Hand, so kannst ihn die
Differentialrechnung nicht lehren”
(oder: so kannst du die Division 6,7
76570 : 319
nicht ausführen). Man sagt vom Tisch und Stuhl nicht, daß sie denken, auch von der Pflanze nicht, auch vom Fisch nicht, kaum vom Hund; aber vom Menschen. Und auch nicht von allen Menschen. Wenn ich aber sage “ein Tisch denkt nicht”, so ist das nicht ähnlich einer Aussage wie “Ein Tisch wächst nicht”. Denn ich wüßte gar nicht, ‘wie das wäre, wenn’ ein Tisch dächte. Und hier gibt es offenbar einen graduellen Übergang zu dem Fall des Menschen. |
192
“Denken ist eine geistige
Tätigkeit.”
– Denken ist 653
keine körperliche Tätigkeit. Ist Denken eine
Tätigkeit?¤
Nun, man kann Einem befehlen “denk darüber
nach!”.
Wenn aber nun Einer in Befolgung dieses Befehls zu
sich selbst oder auch zum Andern spricht, verrichtet er da
zwei Tätigkeiten?
Also ist Denken doch wieder nicht recht einer
Tätigkeit zu vergleichen
Denn man kann auch nicht sagen, Denken sei: in der Vorstellung
sprechen.
Dies kann man tun, auch ohne zu denken.
|
193
Man darf nie vergessen, daß
“denken” ein Wort der Alltagssprache
ist, so wie auch alle andern psychologischen
Bezeichnungen.
Es ist von diesem Wort nicht zu erwarten, daß es eine einheitliche Verwendung habe; es ist viel mehr zu erwarten, daß es sie nicht habe. |
194
Wenn Einer über ein Problem nachdenkt und ich zeige ihm plötzlich eine
gewisse Zeichnung, so wird er vielleicht ausrufen
“Ach, so ist es!” oder
“Jetzt weiß
ich's.”
Und gefragt, was dabei in ihm vorgegangen ist, wird er in
diesem Falle wohl einfach sagen “Ich habe die Zeichnung
gesehen”.
Ich beschreibe diesen Fall, um einen Vorgang in der
Vorstellung durch einen des Sehens zu ersetzen.
Wird er nun sagen: “In dem Augenblick, als ich die
Zeichnung sah, stand mir die ganze Lösung vor Augen”?
Er könnte auch, wenn ich ihm mit der Zeichnung zu Hilfe komme,
sagen: “Ja, jetzt ist es leicht!”
|
195
“Mir stand die Benützung des Wortes vor der Seele”
– wird man das auch dann sagen, wenn Einem mit dem
Wort ein für seine Bedeutung
charakteristisches Bild gezeigt wird?
((Das Bedeutungserlebnis scheint hier vom Gesehenen übertönt 654 zu werden.)) |
196
Wir sagen: Gras ist grün, Kreide ist weiß,
Kohle schwarz, Blut rot, etc.
– Wie wäre es in einer Welt, in der also die übrigen
Eigenschaften eines Dings
mit seiner Farbe
nicht zusammenhingen? || aus seiner Farbe nicht
erschlossen werden könnten?
Dies ist, ob richtig oder falsch gestellt, eine wichtige
Frage, und nur ein Exempel unzähliger ähnlicher
Fragen. |
197
Denk dir, ich käme in ein Land, wo die Farben der Dinge, wie
ich sagen würde, unaufhörlich wechselten, etwa durch eine Eigenheit der
Atmosphäre.
Die Einwohner sehen nie ruhige Farben.
Ihr Gras sieht bald grün, bald rot, etc. aus.
Könnten diese Leute ihren Kindern die Farbwörter
beibringen? ‒ ‒
Vor Allem einmal könnte es sein, daß
ihrer Sprache die Farbwörter fehlten.
Und wenn wir dies fänden, so würden wir's vielleicht damit
erklären, daß die für gewisse
Sprachspiele wenig, oder keine Verwendung hätten.
|
198
Wie könnten denn Leute, in einem Land, wo Alles nur eine
Farbe hätte, den Gebrauch der Farbworte lernen?
Kann ich aber nun sagen: “Nur weil in unserer Umgebung Dinge verschiedener Farbe existieren und weil … , können wir Farbnamen gebrauchen.”?? Es wird hier zwischen logischer und physischer Möglichkeit der Unterschied nicht gesehen. – Nicht das interessiert uns: unter welchen Umständen das Sprachspiel mit den Farbnamen physisch nicht möglich – also eigentlich, nicht wahrscheinlich ist. Ohne Schachfiguren kann man nicht Schach spielen – das ist 655 die Unmöglichkeit, die uns
interessiert. |
199
Man lernt das Wort “denken”,
d.i. seinen Gebrauch, unter gewissen Umständen, die
man aber nicht beschreiben lernt. |
200
Man lernt es etwa nur vom Menschen sagen, es von ihm behaupten,
oder leugnen.
Die Frage “Denkt ein
Fisch”” existiert unter seinen
Sprachanwendungen nicht, wird nicht gestellt.
(Was kann natürlicher sein, als so ein Zustand; als so eine
Sprachverwendung!) |
201
“An diesen Fall hat
niemand gedacht” kann man sagen.
Ich kann zwar nicht die Bedingungen aufzählen, unter denen das Wort
“denken” zu gebrauchen ist, – aber, wenn ein Umstand
den Gebrauch zweifelhaft macht, so kann ich's
sagen, und auch, wie die Lage von der
gewöhnlichen abweicht. |
202
Und hier müßte man etwas über mein Sprachspiel
№ 2 sagen. –
Unter welchen Umständen würde man die Laute des
Bauenden, etc., wirklich eine Sprache
nennen?
Unter allen?
Gewiß nicht!
– – War es nun falsch, ein Sprachrudiment zu isolieren und es
Sprache zu nennen?
Soll man etwa sagen, daß dies Rudiment nur in der
Umgebung des Ganzen, was wir unsere Sprache zu nennen gewohnt
sind, ein Sprachspiel ist?? |
203
Nun, vor Allem ist die Umgebung nicht die geistige
Begleitung des Sprechens, nicht das ‘Meinen’
und ‘Verstehen’, das man sich als der
Sprache wesentlich vorzustellen geneigt ist. |
204
Gefährlich wäre es mir nur, wenn Einer sagte: “Du
setzt 656 eben stillschweigend schon
voraus, daß diese Menschen denken;
daß sie in dieser Beziehung den uns
bekannten Menschen gleichen; daß sie jenes Sprachspiel
nicht rein mechanisch betreiben.
Denn stelltest du dir vor, sie täten's so würdest
du's selbst nicht ein Sprechen nennen.”
Was soll ich nun dem antworten? Es ist natürlich wahr, daß das Leben jener Menschen dem unsern in vieler Beziehung gleichen muß und daß ich über diese Ähnlichkeiten nichts gesagt habe. Das wichtige aber ist eben, daß ich mir ihre Sprache, wie auch ihr Denken primitiv || rudimentär vorstellen kann; daß es ein ‘primitives Denken’ gibt, welches durch ein primitives Verhalten zu beschreiben ist. |
205
Ich sage von Jemandem: er vergleicht zwei Gegenstände, Ich
weiß, wie das ausschaut, wie man das macht.
Ich kann es Einem vorführen.
Aber was ich so vorführe, würde ich dennoch
nicht unter allen Umständen ein ‘Vergleichen’
nennen.
Ich kann mir nur etwa Fälle vorstellen, in welchen ich nicht geneigt wäre zu sagen, daß verglichen wird; aber die Umstände, unter welchen dies ein Vergleichen ist, beschreiben, das könnte ich nicht. – Aber ich kann einen Menschen den Gebrauch des Wortes lehren! denn dazu ist ein Beschreiben jener Umstände nicht nötig. |
206
Ich lehre ihn eben das Wort unter bestimmten Umständen.
|| Den Gebrauch des Worts lernt er eben unter bestimmten
Umständen. |
207
Manchmal ist es wirklich, als ob ein Denken neben dem Reden
657 (Lesen z.B.)
einherliefe.
Nicht aber, daß man's dann von dem
Lesen isolieren könnte. || Ablösen
könnte.
Viel mehr ist, was die Worte begleitet, wie eine Reihe kleiner
Nebenbewegungen.
Es ist, als werde man eine Straße entlang geführt,
würfe aber Blicke rechts und links in alle
Nebengäßchen. |
208
Denk dir, ich zeigte jemand eine Liste von den Gängen, Besorgungen, die
er für mich zu machen hat.
Wir kennen uns gut und er braucht nur Andeutungen, um zu
wissen, was er zu tun hat.
Die Liste enthält nun lauter solche Andeutungen.
Er liest sie durch und sagt nach jeder solchen Andeutung
“Ich verstehe”.
Und er versteht; er könnte jeden dieser Punkte erklären, wenn er
gefragt würde.
Ich könnte ihn dann fragen: “Hast du alles verstanden?” Oder: “Geh die Liste genau durch und sieh, ob du alles verstehst.” Oder: “Weißt du, was du hier zu machen hast?” – Was hätte er zu tun, um sich davon zu überzeugen, daß er die Andeutungen verstanden hat? Ist es hier, als müßte er bei jedem Punkt eine Kopfrechnung machen? Wäre das nötig, so könnte er später von der Rechnung laut Rechenschaft geben und man würde sehen, ob er richtig gerechnet hat. – Aber das ist im Allgemeinen nicht nötig. Wir schreiben also nicht vor, was der Andere beim verständnisvollen Durchgehen der Liste zu tun hat; und ob er wirklich verstanden hat, ersehen wir aus dem, was er später tut, oder aus der Erklärung, die wir etwa von ihm verlangen. |
209
Wir könnten nun sagen: wer sich so prüft, ob er verstanden habe,
geht immer ein Stück Weges der Straße nach, die er
später gehen soll.
Und das könnte ja so sein.
Obwohl kein Grund 658 ist, anzunehmen, daß
es so ist.
Denn, wenn er doch nur ein Stück des Weges
geht, – warum soll er dann nicht ohne zu gehen erkennen können,
daß er weiß welchen
Weg er zu gehen hat?
Damit ist aber nicht gesagt, daß nicht wirklich die
Wege ein Stück gegangen werden.
Aber es kommt auch vor, daß, was wir später als
den ‘Keim’ des Gedankens oder der Tat
ansehen, dies, seiner Natur nach, nicht ist. |
210
Wenn nun Einer sagte:
Das heißt eben nur, daß
“denken” das heißt, was einen
bestimmten Enderfolg hat, einen bestimmten Zweck erfüllt.
Wie Jeder es macht, und ob heute so wie das vorige Mal,
ist gleichgültig.
– So könnte ich antworten: Und wenn es zum richtigen
Enderfolg führt, gar nichts zu tun, so bestünde also hier das Denken
darin, daß Einer nichts tut.
Man sagt: “Überzeug dich, daß du jeden Punkt verstehst!” Wenn ich nun fragte: “Wie soll ich mich überzeugen?” Welchen Rat würde man mir geben? Man würde mir sagen: “Frag dich, ob …” |
211
Ist es hier nicht wie beim Kunstrechner?
– Er hat richtig gerechnet, wenn das Richtige herauskam.
Was in ihm vorging, kann er vielleicht selbst nicht sagen.
Und hörten wir's, so erschiene es vielleicht wie ein
seltsames Zerrbild einer Rechnung. |
212
Wenn einer sagt “Man kann auch wortlos denken”, so
ist das irreleitend.
Es handelt sich hier nicht darum, daß man im
Stande ist, etwas Bestimmtes zu tun, ohne dabei das und
das Andere zu tun; Wie z.B.
“Man kann auch lesen, ohne die Lippen zu
bewegen”. |
213
Wenn es z.B. nur ganz wenige Menschen gäbe, die die
Antwort 659 auf eine Rechenaufgabe
finden könnten, ohne zu sprechen, oder zu schreiben,
könnte man diese nicht zum Zeugnis dafür anführen,
daß man auch ohne Zeichen rechnen
könnte.
Weil es nämlich nicht klar wäre, daß diese Leute
überhaupt ‘rechnen’.
Ebenso kann auch das Zeugnis des
Ballard (bei
James) Einen nicht davon überzeugen,
daß man denken könne ohne Sprache.
Ja, warum soll man, wo keine Sprache gebraucht wird, vom ‘denken’ reden? Tut man's, so zeigt das eben etwas über den Begriff des Denkens. |
214
Man könnte z.B. zwei (oder mehr als zwei)
verschiedene Wörter besitzen: eines fürs ‘laute
Denken’, eines fürs denkende Sprechen in der Vorstellung, eines
fürs Innehalten, wobei irgend etwas uns vorschwebt (oder auch
nicht) woraufhin wir aber die Antwort mit Sicherheit geben
können.
Wir könnten zwei Wörter haben: eines für den Gedanken, der im Satz ausgedrückt ist; eines für den Gedankenblitz, den ich später ‘in Worte kleiden’ kann. |
215
Wenn man auch das denkende Arbeiten, ohne
alles Reden, in unserer Betrachtung einbezieht, so sieht man,
daß unser Begriff ‘denken’ ein
weitverzweigter ist.
Wie ein weitverzweigtes Verkehrsnetz,
das viele entlegene Orte mit einander
verbindet.
In allen diesen weit entlegenen Fällen reden wir von einem ‘Denken’. |
216
In allen diesen Fällen sagen wir, der Geist sei nicht untätig, es
gehe etwas in ihm vor; und unterscheiden sie dadurch von
einem Zustand der Dumpfheit, des mechanischen Tuns. |
217
‘Denken’, ein weit verzweigter Begriff.
Könnte man dasselbe 660 nicht auch vom
‘glauben’, ‘tun’, ‘sich
freuen’, sagen?
Und wo gehört die Bemerkung eigentlich hin, dieser Begriff sei weitverzweigt? – Nun, man wir sie dem sagen, der darangeht, sich die Verzweigungen dieses Begriffs zu überlegen. |
218
Es ist doch sehr merkwürdig, daß man keinerlei
Schwierigkeit hat in einer Figur wie dieser ein Gesicht zu
sehen, obwohl doch die Unähnlichkeit des einen Winkels mit einer Nase des
Andern mit einer Stirn etc. unglaublich
groß ist, oder eine
Ähnlichkeit kaum vorhanden.
Man hat – wie gesagt – keinerlei
Schwierigkeit, in diesen Strichen ein menschliches
Gesicht zu sehen; man möchte sagen: “So ein Gesicht
gibt es”.
Oder auch: “Es ist dies zwar die Karikatur eines
menschlichen Gesichts, aber eben eines in der Wirklichkeit
möglichen.”
– Ganz so, wie man keine Schwierigkeit hat, im Grau und
Weiß der Photographie das menschliche Gesicht zu
sehen. ‒ ‒
Und was heißt das?
Nun, wir betrachten z.B. einen Film und
folgen allen Vorgängen mit Anteilnahme; als hätten wir wirkliche Menschen
vor uns. |
219
‘Denken’, ein weitverzweigter Begriff.
Ein Begriff, der viele Lebensäußerungen in sich
begreift || verbindet.
Die Denkphänomene liegen weit auseinander. |
220
Und willst du nicht sagen, du sähest doch
ein Gesicht in allen diesen Wortverwendungen, einen
echten Begriff? || einen einheitlichen, echten
Begriff?
– Aber was will das sagen?
Kann nicht Gewohnheit all das
zusammenschweißen? |
221
Wer mir etwa irgend einen Vorfall erzählt, oder eine
661 gewöhnlich Frage an mich richtet
(wieviel Uhr es ist, z.B.),
den werde ich nicht fragen, ob er dabei gedacht habe.
Oder so: Es wäre nicht ohne Weiteres klar, unter welchen
Umständen man gesagt hätte, er hätte dies ohne zu
denken getan– obwohl sich solche Umstände ausdenken lassen.
(Hier ist eine Verwandtschaft mit der Frage,
was eine ‘willkürliche’ Handlung zu nennen sei.)
|
222
Der denkende Gesichtsausdruck, der Gesichtsausdruck des
Idioten.
Das Stirnrunzeln des Nachdenkens, der Aufmerksamkeit. |
223
Nun denke dir einen Menschen, oder einen von
Köhlers Affen, der eine Banane
von der Decke holen will, sie nicht erreichen kann, auf Mittel und Wege
sinnt, endlich zwei Stöcke aneinander setzt,
etc.
Denk, man fragte “Was muß dazu in ihm
vorgehen?” –
Die Frage scheint irgendeinen Sinn zu haben.
Und es könnte vielleicht Einer antworten, der Affe, wenn
er nicht durch Zufall, oder aus einem Instinkt heraus
handelte, müsse den Vorgang vor dem geistigen Auge gesehen
haben.
Aber das wäre nicht genug, und anderseits wieder zu viel.
Ich will, der Affe solle sich etwas überlegen.
Zuerst bringt und langt er vergebens nach der
Banane, dann gibt er's auf und ist etwa
niederschlagen – aber diese Phase kann wegbleiben.
Wie kann er nun innerlich dazu kommen, überhaupt einen Stock
zu ergreifen?
Es könnte ihm ja ein Bild gezeigt werden, das so etwas darstellt, und
er könnte daraufhin so handeln; oder so ein Bild könnte ihm einfach
vorschweben.
Aber das wäre doch wieder Zufall.
Er hätte dieses Bild nicht durch Nachdenken gewonnen.
Und hilft es uns, wenn wir sagen, er brauche nur seinen Arm und den
Stock irgendwie als eine Einheit gesehen haben?
Aber nehmen wir doch einmal einen günstigen
662 Zufall an!
Die Frage ist dann: wie kann er aus dem Zufall
lernen?
Vielleicht hatte er also den Stock zufällig in der Hand und
berührte mit ihm zufällig die Banane.
– Und was muß nun weiter in ihm
vorgehen?
Er sagt sich, gleichsam, “So
geht's!” und tut es nun mit dem Zeichen des
vollen Bewußtseins. ‒ ‒
Hat er etwa spielend eine Kombination gemacht, und
verwendet sie nun als Methode, das und jenes zu tun, so werden wir sagen,
er denke.
– Beim Überlegen würde er
Mittel und Wege an seinem geistigen Auge
vorbeiziehen lassen.
Aber dazu muß er schon welche im Vorrat
haben.
Das Denken gibt ihm die Möglichkeit zur Vervollkommnung
seiner Methoden.
Oder vielmehr: Er ‘denkt”, wenn er in
bestimmter Art und Weise seine Methoden vervollkommnet.
|
224
Man könnte auch sagen: er denkt, wenn er in bestimmter Weise
lernt. |
225
Und auch dies könnte man sagen: Wer bei der
Arbeit denkt der wird Hilfstätigkeiten in sie
einschalten.
Das Wort “denken” nun bezeichnet nicht diese
Hilfstätigkeiten, wie Denken ja auch nicht Reden ist.
Obwohl der Begriff ‘denken’ nach Art einer imaginären
Hilfstätigkeit gebildet ist.
(So wie man sagen könnte, der Begriff des Differentialquotienten
sei nach Art eines imaginären Quotienten gebildet.) |
226
Diese Hilfstätigkeiten sind nicht das Denken; aber man stellt sich das
Denken vor, als das jenige, was unter der Oberfläche dieser
Hilfsmittel strömen muß || als den Strom
der unter der Oberfläche dieser Hilfsmittel fließen
muß, wenn sie nicht doch nur
mechanische Handlungen sein sollen. |
227
Denken ist die imaginäre Hilfstätigkeit; der unsichtbare
663 Strom, der alle diese Arten des
Handelns trägt und verbindet. –
Die Grammatik von “denken” aber gleicht sich
der von “Sprechen” an. |
228
Man könnte also zwei Schimpansen mit
Bezug auf ihre Arbeitsweise unterscheiden, und vom
einen sagen, er denkt, vom andern, er denke nicht. |
229
Aber hier hätten wir freilich nicht die volle Verwendung von
“Denken”.
Das Wort bezöge sich auf ein Benehmen.
Die Bedeutung der seelischen Tätigkeit erhält es erst durch
die besondere Verwendung in der ersten Person. |
230
Es ist, glaube ich, wichtig, zu bemerken, daß das
Wort eine erste Person der Gegenwart (in der Bedeutung, auf die es
uns ankommt) nicht hat.
Oder soll ich sagen: daß seine Verwendung
in der Gegenwart nicht mit der z.B. des Verbums
“Schmerz fühlen” parallel
läuft? |
231
“Ich dachte … ” kann man sagen, wenn man den
Ausdruck der Gedanken wirklich gebraucht hat; aber auch, wenn
diese Worte gleichsam die Entwicklung aus einem Denkkeim sind.
|
232
Nur unter ganz speziellen Umständen tritt die Frage auf, ||
hat die Frage einen Sinn, ob denkend geredet wurde,
oder nicht. |
233
Die Verwendung so eines Wortes wie “denkend” ist eben
viel erratischer als es zuerst den Anschein hat.
Man kann das auch so sagen: der Ausdruck dient einem viel spezielleren Zweck als man's seiner Form ansieht. Denn diese ist eine einfache, regelmäßige Bildung: Wenn das Denken oft, oder zumeist, mit dem Reden zusammengeht, so ist natürlich die 664 Möglichkeit vorhanden,
daß es einmal nicht mit ihm geht. || daß es einmal nicht die Begleitung
bildet. |
234
Ich lerne eine fremde Sprache und lese Satzbeispiele in
einem Übungsbuch.
“Meine Tante hat einen schönen Garten.”
Er hat ein Übungsbuch-Aroma.
Ich lese ihn und frage mich Wie
heißt“ ‘schön’ auf
… ?” dann denke ich an den
Kasus.
– Nun, wenn ich Jemandem mitteile, meine Tante habe … , so
denke ich an diese Dinge nicht.
Der Zusammenhang, in dem der Satz stand, war ein ganz anderer.
– Aber konnte ich nicht jenen Satz im
Übungsbuch lesen und bei ihm trotzdem
an den Garten meiner Tante denken?
Gewiß.
Und soll ich nun sagen, die Denkbegleitung ist
jedesmal eine andere, je nachdem ich den Satz einmal als reine
Übung sehe, einmal als Übung mit
dem Gedanken an einen Garten, einmal wenn ich ihn jemand
einfach als Mitteilung sage?
‒ ‒ Und ist es unmöglich, daß mir Einer
mitten im Gespräch diese Mitteilung macht und in ihm ganz
das Gleiche stattfindet wie wenn er den Satz als Sprachübung
behandelt?
Kommt es mir denn darauf an, was in ihm geschieht?
Erfahre ich's denn?
Und wie kann ich denn überhaupt mit irgendwelcher Sicherheit darüber schreiben, denn, während ich dies tue, lerne ich ja keine Sprache und mache niemand jene Mitteilung. Wie kann ich dann also wissen, was in einem solchen Falle in Einem vorgeht? Erinnere mich denn jetzt an das, was in diesen Fällen in mir vorging? Nichts dergleichen. Ich glaube nur, mich jetzt in diese Lage hineindenken zu können. Aber da mag ich doch ganz und gar irre gehen. Und dies ist ja die Methode, die man in solchen Fällen immer anwendet! Was man dabei an sich erfährt, ist 665 charakteristisch nur für die Situation des
Philosophierens. |
235
Was weiß ich von den inneren Vorgängen
eines, der mit Aufmerksamkeit einen Satz liest?
Und kann er mir sie beschreiben, nachdem er's getan hat, und
ist, was er etwa beschreibt eben der charakteristische Vorgang der
Aufmerksamkeit? |
236
Welche Wirkung will ich denn erzielen, wenn ich Einem sage
“Lies aufmerksam!”?
Etwa, daß ihm das und jenes auffällt, er davon
berichten kann.
– Wieder könnte man, glaube ich, sagen, daß,
wer einen Satz mit großer Aufmerksamkeit liest, dann
von Vorgängen in seinem Geist, Vorstellungen etwa, im Allgemeinen wird
berichten können.
Aber das heißt nun nicht, daß
diese Vorgänge die Aufmerksamkeit ausmachten.
|
237
Was tue ich mit einer Mitteilung, er habe beim Lesen des Satzes an
etwas ganz Anderes gedacht?
Welche Schlüsse, die mich interessieren, kann ich aus so einer
Mitteilung ziehen?
Nun, etwa, daß ihn jene Sache beschäftigt;
daß ich nicht zu erwarten habe, er wisse, wovon
das Gelesene gehandelt hat; daß ihm das Gelesene
keinen Eindruck irgend welcher Art gemacht hat; und dergleichen.
Darum hätte es ja auch keinen Sinn, wenn jemand, der mit mir ein angenehmes Gespräch gehabt hatte, mir danach versicherte, er habe ganz ohne zu denken geredet. Und zwar nicht, weil es aller Erfahrung widerspricht, daß Einer, der so reden kann, es ohne die Begleitvorgänge des Denkens tue. Sondern, weil es sich hier zeigt, daß uns die Begleitungsvorgänge überhaupt nicht interessieren und nicht das Denken ausmachen. Wir kümmern uns den Teufel um seine Begleitvorgänge, wenn er mit uns ein Gespräch in 666 normaler Weise führt. |
238
“Es zuckte mir durch den Sinn: …
Nun, diesen Ausdruck lernt der Mensch gebrauchen.
Fast nie fragt man Einen
“Wie zuckte es dir durch den Sinn?
Hast du dir gewisse Worte gesagt, hast du etwas in der Vorstellung vor
dir gesehen; kannst du überhaupt sagen, was in dir
vorging?” |
239
Wenn man erkennen will, wie Verschiedenes “Gedanke”
heißt, braucht man ja nur einen Gedanken der reinen
Mathematik mit einem Nicht-Mathematischen vergleichen.
Denk nur, was alles “Satz”
heißt! |
240
Das Kind muß nicht zuerst einen
primitiven Ausdruck gebrauchen, den wir dann durch den gebräuchlichen
ersetzen.
Warum soll es nicht sogleich den Ausdruck der Erwachsenen
gebrauchen, den es öfters gehört hat.
Wie es “errät”, daß dies der
richtige Ausdruck ist, oder wie es
darauf kommt, ihn zu
gebrauchen, ist ja gleichgültig.
Hauptsache ist: es gebraucht ihn – nach
welchen Präliminarien immer – so, wie die Erwachsenen ihn
gebrauchen: d.h., bei den selben Anlässen, in
der gleichen Umgebung.
Er sagt || errät auch: der Andere habe
gedacht … |
241
Wie wichtig || Wie wichtig ist das Erleben
der Bedeutung im sprachlichen Verkehr?
Was wichtig ist, ist, daß wir beim Aussprechen
eines Worts intendieren.
Ich sage z.B. “Bank!” und
will damit jemand erinnern, er solle auf die Bank gehen, und ich
meine dabei in der einen, und nicht in der andern
Bedeutung.
– Aber die Intention ist eben kein Erlebnis. |
242
Was unterscheidet sie aber vom Erlebnis?
– Sie hat kein 667 Nun, sie
hat keinen Erlebnisinhalt.
Denn die Inhalte, (Vorstellungen
z.B.), die mit ihr oft Hand in Hand gehen, sind
nicht die Intention selbst. || die sie
oft, gleichsam illustrieren, sind nicht die Intention
selbst.
– Und doch ist sie auch nicht eine Disposition, wie das
Wissen.
Denn die Intention war vorhanden, als ich es sagte; sie ist jetzt nicht
mehr vorhanden; aber ich habe sie nicht vergessen. |
243
Es ist wahr: ich konnte mich mehr, oder weniger intensiv mit dem
beschäftigen, was ich sagte.
Und hier handelt sich's offenbar nicht
um bestimmte Erlebnisse während des Aussprechens der Worte.
D.h., man könnte nicht sagen “Beim
Aussprechen des Wortes ‘Bank’ mußte
das und das vor sich gehen, wenn es wirklich
so gemeint war”. |
244
Daß man nun doch das Wort isoliert, fern von jeder
Intention, ‘einmal mit einer, einmal
mit einer andern Bedeutung aussprechen’ kann,
das ist ein Phänomen, das nicht auf das Wesen der Bedeutung reflektiert;
so daß man sagen könnte “Siehst du,
auch dies kann man mit einer Bedeutung
machen”.
‒ ‒ So wenig, wie man sagen könnte:
“Schau, was man mit einem Apfel alles machen kann:
man kann ihn essen, sehen, zu haben wünschen, sich vorzustellen
versuchen.”
So wenig wie es für den Begriff ‘Nadel’ und
‘Seele’ charakteristisch ist, daß wir
fragen können, wieviele Seelen auf einer Nadelspitze Platz haben.
– Es handelt sich hier, so zu sagen, um einen Auswuchs
des Begriffs. |
246
Wie kann man den Geisteszustand, dessen, der einen Befehl halb
automatisch gibt, von dem unterscheiden, in er
mit Nachdruck, eindringlich, gegeben
wird?
“Es geht in dieses Menschen Geist etwas anderes
vor.”
Denke an den Zweck der Unterscheidung.
Was sind die Zeichen des Nachdrucks? |
247
Wenn ein sonst normaler Mensch unter den und den normalen
Umständen ein normales Gespräch führt, und ich gefragt würde,
wie sich in so einem Falle der Denkende vom Nichtdenkenden
unterschiede, – ich
wüßte nicht zu antworten.
Und ich könnte gewiß nicht sagen,
daß der Unterschied in etwas liegt, was während des
Sprechens vor sich ginge, oder nicht vor sich ginge. |
248
Die Grenzlinie zwischen ‘denken’ und ‘nicht
denken’, die hier gezogen würde, liefe zwischen zwei Zuständen,
die sich durch nichts einem Spiel der Vorstellungen auch nur
Ähnliches unterschieden.
Denn das Spiel der Vorstellungen bleibt ja doch das, was man sich als
das Charakteristikum des Denkens denkt. |
249
“Ich habe diese Worte gesagt, aber mir gar nichts bei
ihnen gedacht”, das ist eine interessante
Äußerung, weil die Folgen
interessant sind.
Du kannst dir aber immer denken, daß, wer dies
sagte, sich bei der Introspektion geirrt hat; aber das würde nichts
machen. || aber es würde uns gar nichts
machen. |
250
Was aber soll ich nun sagen: Ist dem, der
gedankenlos geredet hat, ein Erlebnis
abgegangen?
Waren es z.B. Vorstellungen? ‒ ‒
669
Aber wenn ihm die abgegangen wären, hätte das für uns
dasselbe Interesse wie dies, daß
er ohne zu denken gesprochen hat?
Sind es die Vorstellungen, die uns in diesem Falle
interessieren?
Haben wir in seiner Äußerung
nicht eine Art Signal von ganz anderer Bedeutung? |
251
Soll ich sagen: “Wenn du nicht automatisch gesprochen
hast (was immer das heißen mag) und wenn du
deine Absicht nicht erst später erhalten, oder geändert hast, so hattest
du sie, als du sprachst”? |
252
“Ich habe mit dem Satz nichts gemeint, ich hab ihn nur vor
mich hin gesagt.”
Wie merkwürdig, daß ich damit auf kein
Erlebnis während des Sprechens anspiele, und
daß ich trotzdem nichts Bezweifelbares
ausspreche.
Es ist sehr merkwürdig, daß die Vorgänge beim Denken uns so gut wie nie interessieren. (Aber natürlich sollte ich nicht sagen, es sei merkwürdig.) |
253
Die Frage “Was hast du gemeint” und ähnliche
können in zweifacher Weise verwendet werden.
In einem Fall wird einfach eine Sinn– oder Bedeutungserklärung
verlangt, damit man mit dem Sprachspiel fortfahren
kann.
Im andern Fall interessiert uns etwas, was zur Zeit, als der Satz
gesprochen wurde, geschah.
Im ersten Falle würde uns ein psychologischer Bericht wie dieser
“Zuerst sagte ich's nur zu mir selbst, dann wendete
ich mich an dich und wollte dich erinnern … ” nicht
interessieren. |
254
Hast du das gemeint?
Ja, es war der Anfang dieser Bewegung. |
‒ ‒255
Denken wir uns diesen Fall: Ich soll um 12 Uhr jemand daran
670 erinnern, er
solle auf die Bank gehen, Geld holen.
Mein Blick fällt um 12 Uhr auf die Uhr und ich sage
“Bank!”
(Zu ihm gewendet, oder auch nicht) vielleicht mache ich eine
Gebärde, die man manchmal macht, wenn man sich plötzlich einer Sache, die
zu tun ist, entsinnt.
– Gefragt “meinst du die
… bank”? werde ich's
bejahen.
– Gefragt “Hast du beim Sprechen die
… bank gemeint”, auch.
– Wie, wenn ich das Letztere verneinte?
Was würde das dem Andern mitteilen?
Etwa daß ich beim Sprechen den Satz anders
gemeint, ihn aber dann doch für diesen Zweck verwenden
wollte.
Nun, das kann vorkommen.
Es könnte auch sein, daß ich, als
mein Blick auf die Uhr fiel, in seltsamer automatischer Weise das Wort
“Bank” ausspreche, so
daß ich dann berichte “ich hörte mich
plötzlich das Wort sagen, ohne mit ihm irgend eine Bedeutung zu
verbinden.
Erst nach einigen Sekunden erinnerte ich mich daran,
daß du zur Bank solltest.”
– Die Antwort, ich hätte
zuerst das Wort anders gemeint, bezog
sich offenbar auf die Zeit des Sprechens; und ich hätte mich auch so
ausdrücken können: “Ich habe beim Sprechen
an diese Bank gedacht, nicht an …”.
– Die Frage ist nun: ist dieses ‘Denken
an … ’ ein Erlebnis?
Es geht häufig, vielleicht immer, mit einem Erlebnis zusammen, möchte
man sagen.
Zu sagen, man habe damals an diese Sache gedacht, auf die
man nun zeigen, die man beschreiben kann, etc., ist
förmlich als sagte man: Dieses Wort,
dieser Satz, war der Anfang von diesem Gedankengang, von dieser
Bewegung.
Nicht aber so, als ob ich dies durch nachträgliche Erfahrung
wüßte;
Sondern die Äußerung
“Ich habe bei diesen Worten an … gedacht”
knüpft eben selber an jenen Zeitpunkt an.
Und wenn ich sie in der Gegenwart statt in der Vergangenheit machte,
hieße sie etwas
671 anderes. |
256
Warum aber will ich sagen, jenes Denken sei kein Erlebnis?
– Man kann an die ‘Dauer’ denken.
Wenn ich statt des einen Wortes einen ganzen Satz gesprochen
hätte, könnte ich nicht von einem Zeitpunkt im Sprechen
sagen, er sei der Anfang des Denkens gewesen noch auch der Augenblick, in
dem es stattgefunden hat.
Oder, wenn man Anfang und Ende des Satzes, Anfang
und Ende des Gedankens nennt, dann ist es nicht klar, ob
man von dem Erlebnis des Denkens sagen soll, es sei während dieser Zeit
einförmig, oder es sei ein Vorgang wie das
Sprechen des Satzes selbst.
Ja, wenn man von einer Erfahrung des Denkens spricht, so ist die Erfahrung des Redens so gut wie jede Andere. Aber der Begriff ‘denken’ ist kein Erfahrungsbegriff. Denn man vergleicht Gedanken nicht, wie man Erfahrungen vergleicht. |
257
Man kann Einen im Denken stören; – aber im
Beabsichtigen? Gedanken wohl aber im Planen.
Auch im Festhalten einer Absicht, nämlich im Denken oder
handeln. |
258
“Sag, ‘abcde’ und meine:
Das Wetter ist schön.”
Soll ich also sagen, daß das Erlebnis des
Aussprechens eines Satzes einer uns geläufigen Sprache ein ganz anderes
ist, als das des Aussprechens uns nicht in bestimmten
Bedeutungen geläufiger Zeichen?
Wenn ich also jene Sprache lernte in welcher
“abcde” den Sinn … hat, würde
ich nach und nach das uns bekannte Erlebnis beim Aussprechen eines
Satzes kriegen?
Oder soll ich sagen, wie ich geneigt bin zu sagen, die
Hauptverschiedenheit der beiden Fälle liegt darin,
daß ich mich im Einen nicht bewegen kann.
Es ist, als wäre eines meiner Gelenke in Schienen und ich wäre noch
nicht 672 an sie gewöhnt und hätte daher
noch nicht ihre möglichen Bewegungen inne,
stieße also so zu sagen in
einem fort an.
(Gefühl des Weichen). |
259
Denk dir, ich wäre mit einem Menschen beisammen, der
diese Sprache spricht und mir wäre gesagt worden,
“abcde” heiße
das und das, und ich solle dies sagen, weil es höflich sei.
Ich würde es also mit einem freundlichen Lächeln, mit einem Blick
zum Fenster hinaus sagen.
Wäre das nicht allein genug, um mir diese Zeichen näher
zu bringen? |
260
Man könnte von ‘Anteilnahme’ reden.
Und worin liegt meine Anteilnahme an einem Satz, den ich
spreche?
An dem, wird man sagen, was dabei in mir vorgeht.
Ich möchte sagen: An den Verbindungen,
Zusammenhängen, die ich mache.
Es ist nämlich die Frage: Was immer beim Anteilnehmen in
mir vor sich geht, – wodurch ist es ein Anteilnehmen an dem
Inhalt dieses Satzes?
Warum ist es z.B. nicht eine pathologische
Aufregung in mir, die das Sprechen begleitet? |
261
Kann ich wirklich sagen, es sei beim
‘gedankenlosen’ Lesen des Übungsbuchsatzes in mir etwas ganz Anderes, oder einfach
etwas anderes geschehen, als beim verständnisvollen Lesen
des Satzes in anderem Zusammenhang?
Ja – Unterschiede sind da.
Ich werde z.B. auf
den gleichen Satz in gewissem Zusammenhang sagen
“Ja, so war es?”, ich werde
überrascht, enttäuscht, gespannt, befriedigt sein,
etc. |
262
“Hast du den Satz denkend gelesen?”
– “Ja, ich habe ihn denkend gelesen; jedes Wort war mir
wichtig.” 673
“Ich habe sehr anstrengt dabei gedacht”. Ein Signal. Ist dabei nichts vorgegangen? Doch, allerlei. Aber darauf bezog sich das Signal nicht. Und doch bezog sich das Signal auf die Zeit des Redens. |
263
James könnte vielleicht
sagen: “Ich lese jedes Wort mit dem ihm
entsprechenden
Gefühl”.
“Aber” mit dem Abergefühl,
u.s.w.
Und selbst wenn das wahr ist, – was bedeutet es
eigentlich?
Was ist die Grammatik des Begriffs
“Abergefühl”?
Es wird ja nicht ein Gefühl dadurch, daß ich es
“Gefühl” nenne. |
264
Wie seltsam, daß etwas beim Sprechen vorgegangen
ist, und ich doch nicht sagen kann, was!
‒ ‒ Am besten: ich sage, es war eine Illusion, und es
ist nichts vorgegangen; und nun untersuche ich den Nutzen
der Äußerung.
Und es wird sich auch fragen, welches der Nutzen des Bezugs auf den vergangenen Zeitpunkt ist. |
265
Ja; “Ich habe bei diesen Worten gedacht … ”
bezieht sich allerdings auf die Zeit des Redens; aber wenn ich nun den
‘Vorgang’ charakterisieren soll, so kann ich
ihn nicht als ein Geschehen in diesem Zeitraum beschreiben,
z.B. nicht sagen, die und die Phase des Vorgangs
habe in diesem Zeitabschnitt
stattgefunden.
Also nicht, wie ich z.B. das Sprechen
selbst beschreiben kann.
Das ist der Grund, warum man das Denken nicht wohl einen Vorgang nennen
kann.
((Noch eine Begleitung des
Redens.)) |
266
Mit ‘denkend reden’ müßte ich
eigentlich meinen: Reden und verstehen,
was man sagt, und nicht erst nachträglich verstehen. 674 |
Das Schreiben ist gewiß eine willkürliche
Bewegung, und doch eine automatische.
Und von einem Fühlen der Schreibbewegungen ist natürlich
nicht die Rede.
D.h. man fühlt etwas, aber könnte das Gefühl
unmöglich zergliedern.
Die Hand schreibt; sie schreibt nicht, weil man will, sondern
man will, daß sie schreibt.
Man sieht ihr nicht erstaunt oder mit Interesse beim Schreiben zu; denkt nicht “Was wird sie nun schreiben”. Aber nicht, weil man eben wünschte, sie solle das schreiben. Denn, daß sie schreibt, was man || ich wünsche, könnte mich ja erst recht in Erstaunen versetzen. |
267
Wie prüfen wir, ob jemand versteht, was es
heißt, die Muskeln des Armes entspannen, schlaff
lassen?
Doch dadurch, daß wir prüfen, ob sie entspannt
sind, wenn er sagt, er habe sie entspannt (etwa auf unsern
Befehl).
Was würden wir nun zu dem sagen, der uns mitteilt, er
spanne die Muskeln nicht an,
während sein Arm ein Gewicht hebt und es mit allen den
gewöhnlichen Anzeichen der gewollten Bewegung
tut?
Wir würden hier von Lüge oder von einer merkwürdigen Illusion
reden.
Ich weiß nicht, ob es Verrückte gibt, die ihre
normalen Bewegungen für ungewollt erklären. Wenn es aber
jemand tut, so erwarte ich mir von ihm, daß er der
Bewegung seines Arms in ganz anderer als der normalen Weise mit seiner
Aufmerksamkeit folgt; so nämlich, wie der Bewegung des Zeigers eines
Instruments etwa. |
268
Das Kind lernt gehen, kriechen, spielen.
Es lernt nicht, willkürlich und unwillkürlich spielen.
Aber was macht die Bewegungen des Spiels zu willkürlichen
Bewegungen?
Nun, wie wäre es denn, wenn sie unwillkürlich wären?
– Ich könnte auch fragen: was macht denn diese Bewegungen zu
einem Spielen?
– Daß sie 675 Reaktionen auf gewisse Bewegungen, Laute,
etc. des Erwachsenen sind, daß sie
einander so folgen, mit dieser
Miene und Lauten (dem Lachen z.B.)
zusammengehen. |
269
Kurz, macht es die Bewegungen so,
so sagen wir sie seien willkürlich.
Bewegungen in solchen Syndromen heißen
“willkürlich”. |
270
Ich gebe Einen mit den Augen ein
Zeichen.
Ich kann, was es bedeutet hat, später erklären.
Wenn ich sage “Ich hatte dabei diese
Intention”, so ist das, als bezeichnete ich den
Ausdruck als Anfang einer Bewegung.
Ich erkläre ihn nicht mit Hilfe von hergebrachten Regeln,
noch durch eine Definition, die den zukünftigen Gebrauch
des Zeichens regeln soll.
Ich sage weder “Dies Zeichen bedeutet bei uns
das”, noch “Es soll in
Hinkunft das bedeuten”.
Ich gebe also keine Definition. |
271
Denk nun aber an den Unterschied, den es macht, wenn ich
jenen Ausruf in seiner bestimmten Situation nicht aus
eigenem, mache, sondern ihn in einer
Geschichte, oder einem Schauspiel lese.
Ich nehme an; mit Verständnis lese.
Wenn ich aber da noch immer von einer Intention (ich meine von
meiner Intention) bei diesem Wort zu reden?
|
272
Kann ich aber sagen, es geht beim Lesen etwas anderes in mir vor sich
als beim spontanen Ausruf?
Nein.
Ich weiß nichts von so einer
Verschiedenheit der Vorgänge; obwohl die Art und Weise, wie ich mich
ausdrücke, auf so etwas schließen
ließe.
Aber, wenn Einer ins Zimmer käme, gerade wenn ich den Ausruf lese, und er fragte mich, ob ich das und das wolle, würde ich ihm sagen, ich hätte es nicht so gemeint und bloß etwas gelesen. 676 |
273
Ich sagte früher, die Intention habe keinen Inhalt.
Nun, ihren Inhalt kann man das nennen, was ihr Wortausdruck
erklärt.
Aber eben davon kann man weder sagen, es sei ein gleichförmiger
Zustand, der von diesem Zeitpunkt bis zu jenem andauert; also etwa
vom Anfang des ersten, bis zum Ende des letzten Wortes; noch
kann man Phasen in ihm unterscheiden und diese dem
Ablaufen des Wortausdrucks
zuordnen.
Wäre dagegen der Satz von einem Spiel der
Vorstellungen begleitet, so könnte man eben dies tun. |
274
Unterschied zwischen ‘Die Absicht haben’ und
‘an die Absicht denken’.
Wenn ich mir sage “Ich will diesem Gespräch ein Ende machen”, so ist das doch der Ausdruck einer Absicht und zwar im Moment ihres Entstehens; es ist eigentlich der Ausdruck des Entschlusses. Und dem Entschluß als einem Bejahen der Absicht entspricht auch ein Hin- und Herschwanken zwischen Entscheidungen, ein Ringen mit dem Entschluß. |
275
Wenn ich bei mir denke “Ich halt es nicht mehr aus; ich
will gehen!” so denke ich doch eine Absicht.
Es ist aber das Denken des Ausbruchs einer Absicht.
Während man von dem der erzählt “Ich beabsichtige
im nächsten Jahr … ” auch sagen kann, er denke eine
Absicht, aber in ganz anderem Sinne. |
276
Man sagt nicht “Ich weiß,
daß es regnet” einfach als Mitteilung,
es regnet; sondern etwa, wenn diese Aussage angezweifelt
wurde; oder auf die Frage, ob ich auch sicher
sei.
Aber ich könnte dann auch sagen “es ist ganz
gewiß: es regnet.” |
277
Ich kann mit einer Meldung eine Reihe von Sprachspielen
spielen.
Eines ist z.B.: nach ihr handeln; ein
anderes: durch sie 677 den Meldenden
prüfen.
Aber ist nicht das erste so zu sagen das ursprünglichere Sprachspiel, das, wozu eine Meldung eigentlich da ist? |
278
Man muß sich sagen, daß es die
erste Person “ich glaube” sehr wohl auch ohne eine
dritte geben könnte.
Warum sollte nicht in der Sprache ein Verbum gebildet worden sein, daß nur eine erste Person der Gegenwart hat? Es ist gleichgültig, was dazu geführt hat, welche Vorstellungen. |
279
Aber was heißt das: “Es regnet
und ich glaube es nicht” habe Sinn, wenn ich es als Annahme
meine, und keinen Sinn, wenn ich es als Behauptung, oder
Meldung meine.
Man stellt sich das so vor, daß, wenn der Satz auf die Erste Art intendiert wird, etwas von ihm ausgeht, etwas aufleuchtet, wogegen alles finster bleibt, wenn man ihn auf die zweite Art intendiert. Und etwas ist ja wahr daran: denn, sagt mir Einer diese Worte und ich verstehe sie als Annahme, so leuchtet etwa Verständnis in meinem Gesicht auf; deute ich aber den Satz als Meldung, so werde ich am Sinn irre und das Verständnis bleibt aus. “Es regnet und ich glaube es nicht” ist eine Annahme, aber keine Meldung. |
280
Man möchte auch sagen: die Annahme, ich glaube das, ist
die Annahme, ich sei so disponiert.
Während ich von der Meldung “Ich
glaube … ” nicht sagen möchte sie berichtet von
meiner Disposition.
Vielmehr ist sie eine Äußerung
dieser Disposition. |
281
Alles das, hängt damit zusammen, daß man sagen
kann “Ich 678 glaube, er glaubt … ”,
“Ich glaube, ich habe geglaubt … ”,
aber nicht “Ich glaube, ich glaube …”
|
282
In dem Falle eines obligatorischen “Ich glaube” zu
Anfang jeder Behauptung hieße zwar
“Ich glaube, es sei so” das selbe wie
“Es ist so”, aber “Angenommen, ich
glaubte, es sei so” nicht das selbe wie
“Angenommen, es sei so.” |
283
Ich habe mich von etwas überzeugt, nun weiß ich
es.
“Ich weiß, daß die
Erdkugel in den letzten 10 Minuten existiert hat” sagt man
nicht; wohl aber “Man weiß,
daß die Erde viele
tausende von Jahren existiert hat”.
Und das nicht, weil es unnötig ist, so etwas zu versichern.
|
284
“Ich weiß, daß dieser
Weg dorthin führt.”
“Ich weiß, wohin dieser Weg führt.” Im zweiten Falle sage ich, ich besitze etwas; im ersten versichere ich eine Tatsache. In diesem könnte das Wort “wissen” auch wegbleiben. In jenem wäre es möglich fortzusetzen, “aber ich sag's nicht”. |
285
Auf die Aussage “Ich
weiß, daß es so ist”
folgt die Frage “wie weißt du
das?”, die Frage nach der Evidenz. |
286
In dem Sprachspiel der Meldung gibt es den Fall, daß
die Meldung angezweifelt wird, daß man annimmt, der
Meldende vermute nur, was er meldet, habe
sich nicht überzeugt.
Hier sagt er dann etwa: “Ich
weiß es”.
D.H.: Es ist nicht
bloß Vermutung.‒ ‒ ‒
Soll ich da sagen, er teile mir die Sicherheit mit, die er bei seiner
Meldung fühlt?
Das möchte ich nicht sagen.
Er spielt einfach Meldungssprachspiel, und “Ich
weiß es” ist die Form
679 einer Meldung. |
287
Kann man nur Wissen, was wahr ist?
Nun, man sagt ja auch “Ich glaube, es zu
wissen” und hier kann dem Glauben keine Unsicherheit
anhaften.
Es heißt nicht “Ich bin nicht
sicher: weiß ich's oder
weiß ich's nicht.”
|
288
Mancher wird sagen, daß mein Reden über den Begriff
des Wissens irrelevant sei, da zwar dieser Begriff, wie die
Philosophen ihn auffassen allerdings nicht mit dem der
alltäglichen Rede übereinstimmt, aber eben ein wichtiger,
interessanter Begriff sei, der durch eine Art Sublimierung aus dem
Landläufigen und nicht sehr interessanten gebildet
ist.
Aber jener philosophische Begriff ist durch allerlei
Mißverständnisse
entstanden und befestigt
Mißverständnisse. Er ist durchaus nicht interessant, außer als
Exempel, um daran Mißverständnisse zu
demonstrieren. || Aber der philosophische Begriff ist aus dem landläufigen
durch allerlei Mißverständnisse
gewonnen worden und er befestigt diese
Mißverständnisse; Er ist durchaus nicht
interessant; es sei denn als Warnung. |
289
Du darfst wieder nicht vergessen, daß
“Ein Widerspruch hat keinen Sinn” nicht
heißt: der Sinn des Widerspruchs ist ein
Unsinn.
– Den Widerspruch schließen wir aus der Sprache
aus; wir haben für ihn keine klare Verwendung und wollen ihn nicht
verwenden.
Und wenn “Es regnet, aber ich glaube es nicht”,
sinnlos ist, so wieder, weil eine Verlängerung gewisser Linien zu
dieser Technik führt.
Aber unter andern als den normalen Umständen
könnte jener Satz einen klaren Sinn erhalten. |
290
Wenn es ein ‘automatisches’ Reden gäbe, so könnten wir
z.B. 680 nicht mit einer solchen
Äußerung streiten, den
der sie ausspricht, nicht eines Irrtums überweisen
wollen.
Wir würden also nicht die gleichen Sprachspiele mit den
automatischen, wie mit dem normalen Reden
spielen. |
291
Wenn ich ein Reden “automatisch” nenne, so stellt man
sich dabei etwas Infektionsloses, maschinelles
vor.
Aber das ist für uns gar nicht wesentlich.
Man braucht nur anzunehmen, daß
zwei Personen durch einen Mund reden.
Und wir haben dann, was gesagt wurde auch als die
Äußerung zweier Menschen zu
behandeln.
Es könnten also beide Sätze mit der Intention der
Mitteilung gesprochen werden.
Und es würde sich nur fragen, wie ich auf diese Mitteilungen reagieren
sollte. |
292
Einerseits kann man sagen, daß Schwarz und
Weiß in Grau koexistieren können; und anderseits
wird man sagen: “Aber wo Grau ist, ist natürlich
Weiß, noch Schwarz.
Was Grau ist, ist natürlich nicht wirklich
Weiß. |
293
Aber wie ist es mit “Hellrot” und
“Dunkelrot”?
Wird man auch sagen wollen, daß diese irgendwo
zugleich sind? oder lila und violett – nun, denk
dir den Fall, hellblau und dunkelblau, und zwar ganz bestimmte Töne
umgäben uns ständig, und wir können nicht (wie es tatsächlich der Fall
ist) leicht beliebige Farbtöne erzeugen.
Es wäre aber unter Umständen möglich, die hellblaue
Substanz mit der dunkelblauen zu mischen, und dann
erhielten wir einen seltenen Farbton, den wir nun auffassen als eine
Mischung von hellblau und dunkelblau. |
294
“Aber wären dann unsere Farbbegriffe die gleichen wie sie
heute sind?” Sie wären diesen sehr ähnlich.
Ungefähr wie die 681 wie die Zahlbegriffe der
Völker, die nur bis 5 zählen können, den unseren. |
295
Man kann sagen: Wem ein Wort durch Hinweisen auf einen
färbigen Fleck erklärt wird, der weiß nur insofern,
was gemeint ist, als er weiß
wie das Wort anzuwenden ist.
Das heißt: Es gibt hier kein
Erfassen, Auffassen des Gegenstandes, außer durch
ein Erfassen einer Technik.
Anderseits könnte man doch sagen, ein Erfassen, Ergreifen des Gegenstandes vor jedem Erfassen einer Technik sei möglich, denn wir können Einem einfach den Befehl geben “Kopiere dies!” und er kann nun z.B. die Farbe kopieren, oder die Gestalt und Größe, oder nur die Gestalt, oder die Farbe, aber nicht den genauen Ton, etc. Und hier tut das Kopieren, was bei einem Körper etwa ein in die Hand nehmen tut. – Es ist uns da, als könnten wir, was gemeint ist, die Farbe, etwa, mit einer eigenen feinen geistigen Zange auffassen, ohne irgendetwas anderes mitzunehmen || ergreifen. |
296
Der Verstand, sage ich, ergreift den einen Gegenstand; und
dann reden wir von ihm, und seinen Eigenschaften, seiner
Natur gemäß. |
297
Wie aber weiß ich, daß dein
Geist den gleichen Gegenstand ergreift wie meiner?
Doch eben z.B. dadurch, wie du auf meinen Befehl,
“kopiere die Farbe” z.B.
reagierst.
Aber hier, wirst du sagen, können wir nun das Wesentliche dieser
Reaktion erkennen, indem wir ihn öfters Farben kopieren
heißen.
Das heißt wohl, ich werde nach einigen dieser
Reaktionen andere vorher sehen können; und dies erkläre ich, indem ich sage: ich weiß nun,
682 “was” er
eigentlich kopiert.
Also die Farbe, oder die Form z.B. – aber es
gibt hier mehr solche was, als wir für gewöhnlich
anzunehmen geneigt sind; d.h. man kann auch
Begriffe bilden, die uns ganz
ungewohnt sind.
Es kann auch sein, was ich allerdings nach einigen Reaktionen des Kopierens andere richtig voraussehe und nun mit ihnen rechnen kann – also sage, wir hätten einander nun verstanden – daß ich aber in einer etwas andern Situation eine Überraschung erlebe. ‒ ‒ ‒ Und was soll ich nun sagen: Ich hätte ihn die ganze Zeit mißverstanden? oder, ich habe ihn zum Teil mißverstanden. Wenn du ans Ergreifen eines Gegenstandes denkst, wirst du vielleicht das erste sagen, dem nächsten || gemäß dem Bild, er habe eben nicht den Gegenstand ergriffen, den ich glaubte. Denken wir aber an Methoden des Gebrauchs von Worten, so werden wir sagen, es seien hier ungleiche aber ähnliche, Methoden. |
298
Hier ist es nun freilich wichtig, daß eine
Technik für uns eine Physiognomie
hat.
Daß wir z.B. von einer
einheitlichen und einer uneinheitlichen Verwendung sprechen
können. |
299
Wissen in einem Sinn ist ein gelernt und nicht vergessen haben.
Es hängt so mit dem Gedächtnis zusammen.
– Nun kann ich also sagen: “Ich
weiß, wie viel
97 × 78
ist” oder “ich weiß
daß
97 × 78 432
ist.”
Im ersten Falle, so wollte ich sagen, teile ich jemand mit, ich
könne etwas, habe einen gewissen Besitz; im zweiten versichere
ich den andern einfach,
97 × 78 sei
432.
Heißt denn “97 × 78 ist ganz
bestimmt 432” nicht, ich wisse,
es sei so?
Man kann auch sagen: Der erste Satz ist sicher kein
arithmetischer, noch kann ihn ein solcher irgendwie ersetzen; statt des
zweiten aber könnte man einen arithmetischen Satz
verwenden.683 |
300
Der Unterschied ist der: im Satze “ich
weiß, wie es sich verhält” kann das
“ich weiß” nicht wegbleiben.
Den Satz “Ich weiß,
daß es sich so verhält” kann man ersetzen
durch “es verhält sich so”. |
301
“Es wird regnen.”
– “Du glaubst, es wird regnen?”
– “Ich weiß es wird
regnen.”
Sagt der dritte Satz mehr als der Erste?
Er ist die Wiederholung des Ersten und eine Abwehr des zweiten.
|
302
Aber gibt es nicht ein Phänomen des Wissens, so zu sagen, ganz
abgesehen vom Sinn der Worte “Ich
weiß”?
Ist es nicht merkwürdig, daß ein Mensch etwas
wissen kann, die Tatsache gleichsam in sich
selbst haben kann?
Aber das ist eben ein falsches Bild.
Denn, sagt man, || : wissen ist es nur, wenn es sich wirklich
verhält, wie er sagt
Aber das ist nicht genug.
Es darf sich nicht nur zufällig so verhalten.
Es muß nämlich wissen, daß er
weiß; das Wissen ist ja sein
eigener Seelenzustand; er kann darüber,
außer durch eine besondere Verblendung nicht im
Zweifel oder Unrecht sein.
Wenn also das Wissen, daß es so ist, nur ein
Wissen ist, wenn es wirklich so ist; und wenn das Wissen
in ihm ist, so daß er darüber,
daß es ein Wissen ist unfehlbar ist; dann ist er
also auch darüber unfehlbar, daß es
ist, wie es das Wissen weiß; und also
muß die Tatsache, die er
weiß, so wie das Wissen, in ihm sein.
Also: wenn ich, ohne zu lügen, sage, “Ich weiß, daß es so ist”, so kann ich nur durch eine besondere Verblendung im Unrecht sein. |
303
Heißt ‘das Bild nicht
so sehen’:
es anders sehen? 684 |
304
Denk dir diesen Fall: ein Vexierbild wird mir gezeigt;
ich sehe darin Bäume, Leute, etc..
Ich untersuche es, und plötzlich sehe ich eine Gestalt in
den Kronen der Bäume.
Wenn ich es danach ansehe, sehe ich jene Striche nicht mehr als
Zweige, sondern zur Gestalt
gehörig.
Nun stelle ich das Bild in meinem Zimmer auf und sehe
es tagtäglich, und da vergesse ich zumeist die zweite Interpretation
und es ist nun einfach ein Wald.
Ich sehe es also, wie jedes andere Bild eines
Waldes.
(Du siehst die Schwierigkeit.)
– Ich sage nun von jenem Bild einmal: ich habe es schon
lange nicht mehr als Vexierbild gesehen, beinahe vergessen,
daß es eins ist.”
Da kann man natürlich fragen “Wie hast
du's denn gesehen?” und ich werde sagen
“Nun, als Bäume … ” und das ist auch ganz
richtig; aber hab ich also nicht das Bild gesehen und
gewußt, was es darstellt, sondern es auch immer
gemäß einer bestimmten Deutung wahrgenommen?
Lieber möchte ich sagen: für mich
waren's jetzt einfach immer Bäume, ich habe
nie in anderm Sinne an das Bild gedacht. |
305
Wer etwas bereut, der denkt doch daran.
Ist also die Reue eine Art von Gedanken?
Oder eine Färbung von Gedanken?
Es gibt reuevolle Gedanken, wie es z.B. furchtvolle gibt. Wenn ich aber sage “Ich bereue es”, sage ich, “Ich habe reuevolle Gedanken”? Nein, denn das könnte auch sagen, wer es gerade jetzt nicht bereut. Aber könnte ich nicht statt “Ich bereue es”, sagen: “Ich denke mit Reue daran”? |
306
Was interessiert mich an der Reue des Andern?
Seine Einstellung zu der Handlung.
Die Zeichen der Reue sind die Zeichen des Widerwillens, der
Trauer.
Der Ausdruck der Reue bezieht sich auf 685 die Handlung.
Man nennt die Reue einen Schmerz der Seele, weil die Zeichen des Schmerzes denen der Reue ähnlich sind. Wollte man aber ein Analogon zum Ort des Schmerzens finden, so wäre es natürlich nicht die Seele (wie ja der Ort des Körperschmerzes nicht der Körper ist), sondern der Gegenstand der Reue. |
307
Warum kann der Hund Furcht, aber nicht Reue empfinden?
Wäre es richtig zu sagen “Weil er nicht
sprechen kann”? |
308
Nur wer über die Vergangenheit nachdenken kann, kann bereuen.
Das heißt aber nicht, daß nur
so einer erfahrungsgemäß des Gefühls der
Reue fähig ist. |
309
Es ist ja auch nichts so Erstaunliches,
daß ein Begriff nur auf ein Wesen anwendbar sein
sollte, das z.B. eine Sprache besitzt.
|
310
Die Behandlung aller dieser Erscheinungen des Seelenlebens ist mir
nicht darum wichtig, weil's mir auf Vollständigkeit
ankommt.
Sondern, weil jede für mich auf die richtige Behandlung
aller ein Licht wirft. |
311
Wenn er zuerst die Farbnamen lernt, – was wird ihm
beigebracht?
Nun, er lernt z.B. beim Anblick von etwas Rotem
“Rot” ausrufen.
– Ist das eine richtige Beschreibung, oder hätte es
heißen sollen: “Er lernt
‘rot’ nennen, was auch wir ‘rot’
nennen”?
Beide Beschreibungen sind richtig.
Wie unterscheidet sich davon das Sprachspiel “Wie kommt es dir vor?”? Man könnte Einem doch die Farbwörter beibringen, indem man ihn 686 auf weiße
Gegenstände durch farbige Brillen schauen
läßt.
Was ich ihn aber lehre, muß ein
Können sein.
Er kann also jetzt auf Befehle etwas Rotes bringen; oder
Gegenstände nach ihren Farben ordnen.
Aber was ist denn etwas Rotes?
“Nun das (zeigend)”.
Oder hätte er sagen sollen: “Das; weil
es die Meisten von uns ‘rot’
nennen”?
Oder einfach: “
Das nennen die Meisten von uns
‘rot’”?
Dieses Auskunftsmittel nützt uns nichts. Die Schwierigkeit, die wir für “rot” hier empfinden, tritt dann bei “gleich” wieder auf |
312
Ich beschreibe eben das Sprachspiel “Bring etwas
Rotes” dem, der es schon selbst spielen kann.
Den Andern könnt' ich's nur
lehren.
(Relativität.) |
313
Es ist hier ein tiefer und wichtiger Punkt, den ich gerne ganz klar
auszudrücken verstünde.
Man täuscht sich irgendwie über den Zweck der Beschreibung.
Oder will das Begründen fortsetzen, weil man seine Funktion
mißversteht. |
314
Warum lehrt man das Kind nicht zuerst gleich das
Sprachspiel “Es scheint mir rot”?
Weil es noch nicht im Stande ist den feineren Unterschied zwischen
Schein und Sein zu verstehen? |
315
Die rote Gesichtsempfindung ist ein neuer Begriff.
|
316
Das Sprachspiel, was wir ihm dann beibringen, ist:
“Mir scheint es … , dir scheint es …”
Im ersten Sprachspiel kommt eine Person als wahrnehmendes Subjekt nicht
vor. |
317
Du gibst dem Sprachspiel ein neues Gelenk.
Was aber nicht heißt, daß
nun davon immer Gebrauch gemacht wird.
687
Das Sprachspiel “Was ist das?” – “Ein Sessel.” – ist nicht das Gleiche wie: “Wofür hältst du das?” – “Es dürfte ein Sessel sein.” |
318
Wir lehren das Kind im Anfang nicht “Das ist
wahrscheinlich ein Sessel,” sondern “Das ist ein
Sessel”.
Bilde dir ja nicht ein, man lasse das Wort
“wahrscheinlich” aus, weil das Verstehen
desselben, dem Kind noch zu schwierig ist; man vereinfache die Dinge für
das Kind; lehre es also etwas, was nicht streng richtig
ist. |
319
Man spricht von einem Gefühl der
Überzeugung, weil es einen
Ton der Überzeugung gibt.
Ja, das Charakteristikum aller ‘Gefühle’ ist,
daß sie || es einen Ausdruck,
d.i. eine Miene, Gebärde des Gefühls
gibt. |
320
James sagt, man könne sich eine
Gemütsbewegung, oder Stimmung nicht ohne die entsprechenden (sie
zusammensetzenden) Körperempfindungen denken.
Denke man sich diese hinweg, so empfinde man, daß
man dadurch die Existenz der Gemütsbewegung selbst aufhebe.
Das geschieht etwa so: Ich stelle mir mich selbst trauernd
vor und nun versuche ich, mich zugleich jubelnd in der Vorstellung zu
sehen und zu empfinden.
Dazu hole ich etwa tief Atem und ahme ein strahlendes
Gesicht nach.
Und nun kann ich mir allerdings die Trauer nicht gut
vorstellen; denn, sie mir vorstellen, hieß, sie
spielen.
Aber daraus folgt nun nicht, daß was wir dabei im Körper
fühlen, die Trauer oder etwas ähnliches wie die Trauer ist.
– Der Trauernde kann ja allerdings nicht überzeugend lachen und
jubeln, und könnte er's, so wäre, was wir den Ausdruck der
Trauer nennen, nicht Ausdruck der Trauer, und
688 das Jubeln nicht Ausdruck einer andern
Gemütsbewegung. –
Wenn der Tod des Freundes und die Genesung des Freundes uns
gleichermaßen jubeln oder – dem Benehmen
nach – trauern ließen, so wären diese Formen
des Benehmens nicht, was wir den
Druck der Freude oder der Trauer nennen.
Ist es a priori klar,
daß, wer die Freude nachahmt, Freude fühlen
wird?
Kann es nicht sein, daß der
bloße Versuch, in der Trauer zu lachen, diese noch
ungeheuer verschärft?
|
321
Dabei darf ich aber doch nicht vergessen, daß Freude
mit körperlichem Wohlbefinden zusammengeht und Trauer oder doch
Depression, oft mit körperlichem Unbehagen.
– Wenn ich spazieren gehe und mich über alles freue, so ist es
wohl wahr, daß dies nicht geschähe,
wenn ich unwohl wäre.
Wenn ich aber nun meiner Freude Ausdruck gebe,
z.B. sage “Wie herrlich Alles
ist!” – wollte ich sagen, daß
all diese Dinge in mir angenehme körperliche Gefühle
hervorrufen?
Ja selbst wenn ich meine Freude so ausdrückte “Die Bäume und der Himmel und die Vögel geben mir ein herrliches Gefühl im ganzen Körper” – so wäre hier nicht von Verursachung die Rede, nicht von dem erfahrungsmäßigen Zusammentreffen etc. etc. |
322
Man sagt doch. “Jetzt, wo er wieder gesund ist, atme
ich freier”, holt auch einen tiefen Atemzug der
Erleichterung.
Es wäre ja möglich, daß man traurig ist, weil man weint, aber natürlich nicht darüber, daß man weint. Es wäre doch möglich. daß Menschen, die man etwa mit Hilfe von Zwiebeln weinend macht, traurig würden; daß sie entweder im Allgemeinen deprimiert würden, oder anfingen, an bestimmte Geschehnisse zu denken und 689 über sie zu trauern.
Aber die Empfindungen des Weinens wären doch damit nicht ein
Teil des ‘Gefühls’ der Trauer geworden.
|
323
Wer sich unter den und den Umständen so und so benimmt, von dem sagen
wir, er sei traurig.
(Auch vom Hunde)
Insofern kann man nicht sagen, das Benehmen sei die
Ursache der Trauer; sie ist ihr
Anzeichen.
Sie die Wirkung der Trauer zu nennen, wäre auch nicht
einwandfrei.
– Sagt er's von sich (er sei traurig) so wird er
im Allgemeinen dafür als Grund nicht sein trauriges Gesicht
u.s.w. angeben.
Wie aber wäre es, wenn er sagte: “Erfahrung hat mich
gelehrt, daß ich traurig werde, sobald ich anfange,
traurig dazusitzen, etc.”?
Das könnte zweierlei heißen.
Erstens: “Sobald ich, etwa einer leichten Neigung
folgend, es mir gestatte, mich so und so zu halten und zu benehmen,
gerate ich in den Zustand, in diesem Benehmen verharren zu
müssen.”
Es könnte ja sein, daß Zahnschmerzen durch
Stöhnen ärger würden.
Zweitens aber, könnte jener Satz eine Spekulation
enthalten über die Ursache der menschlichen Trauer.
Etwa des Inhalts, daß,
was im Stande wäre auf irgend eine
Weise gewisse Körperzustände hervorzurufen, den Menschen
traurig machen würde.
Hier ist aber die Schwierigkeit, daß wir einen
Menschen, der unter allen Umständen traurig aussähe und sich
benehme, nicht traurig nennen würden.
Ja, wenn wir einem solchen den Ausdruck
“Ich bin traurig” beibrächten und er
sagte das die ganze Zeit mit dem Ausdruck der Trauer,
so hätten diese Worte so wie die übrigen Zeichen ihren normalen
Sinn verloren. |
324
Fast möchte ich sagen: Man fühlt die Trauer so wenig im
Körper, wie das Sehen im Auge. 690 |
325
Einen im Anfang lehren “Das scheint rot” hat ja
gar keinen Sinn.
Das muß er ja spontan sagen, wenn er
einmal gelernt hat, was “rot”
heißt, d.i. die Technik der
Wortverwendung. |
326
Die Grundlage jeder Erklärung ist die Abrichtung.
(Das sollten Erzieher
bedenken.) |
327
“Nur für den ganzen Menschen gelten also diese
Begriffe?”
– Nein; denn Manche haben ihre Anwendung auch auf
Tiere. |
328
“Wer im Allgemeinen so handelt und dann manchmal
so handelt,
von dem sagen wir …”
Das ist eine legitime der Worterklärung. |
329
Wir neigen dazu, uns die Sache so zu denken, als wäre die
Gesichtsempfindung ein neuer Gegenstand, den das Kind
kennenlernt, nach dem es die ersten primitiven Sprachspiele
mit || mit
Gesichtswahrnehmungen gelernt hat.
“Es scheint mir rot.”
– “Und wie ist rot?” –
“So”
Dabei muß auf das richtige Paradigma
gezeigt werden. |
330
Wenn ich in einem bestimmten Zimmer eine bestimmte Tätigkeit
auszuführen gelernt habe (das Aufräumen des Zimmers etwa) und diese
Technik beherrsche, so folgt doch nicht, daß ich
bereit sein müsse, die Einrichtung des Zimmers zu beschreiben; auch wenn
ich jede Veränderung in ihr gleich merken würde und auch sofort
beschreiben könnte. |
331
“Dieses Gesetz wurde nicht in Voraussicht solcher
Fälle gegeben.
Ist es darum sinnlos? |
332
Man könnte sich doch einen Furchtbegriff, z.B.,
denken, der 691 nur auf Tiere, also rein das Benehmen
betreffend Anwendung fände.
– Du willst doch nicht sagen, daß so ein
Begriff keinen Nutzen hätte. |
333
Kann man sagen, es existiere zwischen der Gemütsbewegung und ihrem
Ausdruck eine Ähnlichkeit, insofern
z.B. beide aufgeregt seien?
Ähnliches hat, glaube ich,
Köhler gesagt.)
Und wie weiß man, daß die
Gemütsbewegung selbst aufgeregt sei?
Der sie hat, merkt es und sagt's.
– Und wenn nun Einer einmal das Gegenteil
sagte?
– “Aber nun sei offen und sag, ob du nicht wirklich die
innere Aufregung erkennst!”
– Wie habe ich nur die Bedeutung des Worts
“Aufregung”, gelernt? |
334
Die falsche Auffassung, daß dieses Wort
sowohl etwas Inneres, als auch etwas
Äußeres bedeutet.
Und leugnet man dies, so wird es dahin
mißverstanden, man leugne die innere
Aufregung.
(Zeitliche und zeitlose Sätze.) |
335
Denke, ein Kind wäre ganz besonders gescheit, so gescheit,
daß man ihm gleich die
Zweifelhaftigkeit der Existenz aller Dinge beibringen
kann.
Es lernt also vom Anfang: “Das ist wahrscheinlich
ein Sessel?”?
Und wie lernt es nun die Frage: “Ist das auch wirklich ein Sessel?”? |
336
Betreibe ich Kinderpsychologie?
– Ich bringe den Begriff des Lehrens mit dem Begriff der Bedeutung
in Verbindung. |
337
Einer sei ein überzeugter Realist, der Andere ein
überzeugter Idealist und lehrt seine Kinder
dementsprechend.
In einer so wichtigen Sache wie der Existenz, oder Nichtexistenz der
äußern 692 Welt wollen sie ihren Kindern nichts
Falsches beibringen.
Was wird man sie nun lehren? Auch dies, zu sagen “Es gibt physikalische Gegenstände”, beziehungsweise das Gegenteil? Wenn Einer an Feen nicht glaubt, so braucht er seine Kinder nicht lehren “Es gibt keine Feen”, sondern er kann es unterlassen, ihnen das Wort Fee zu lehren. Bei welcher Gelegenheit sollen sie sagen “Es gibt … ” oder “Es gibt nicht …”? Nur wenn sie Leute treffen, die entgegengesetzten Glaubens sind. |
338
Aber der Idealist wird den Kindern doch das Wort
“Sessel” beibringen, denn er will sie ja lehren,
gewisses zu tun, z.B. einen Sessel zu
holen.
Wo wird sich also, was die idealistisch erzogenen Kinder sagen, von
dem, was die realistischen sagen,
unterscheiden?
Wird der Unterschied nicht nur der der Schlachtrufe
sein? |
339
Fängt denn nicht das Spiel “Das ist wahrscheinlich
ein … mit der Enttäuschung an?
Und kann die erste Einstellung die auf die
mögliche Enttäuschung sein? |
340
“So muß man ihm also zuerst
eine falsche Sicherheit beibringen?”
Es ist bei ihrem Sprachspiel von Sicherheit oder von
Unsicherheit noch nicht die Rede.
Erinnere dich: sie lernen ja etwas tun.
|
341
Wie äußert sich denn also der Zweite? ich
meine: im Sprachspiel, nicht einfach in gewissen
Redensarten.
Etwa im näher Hinsehen, also in
einer ziemlich komplizierten Tätigkeit.
Aber diese Äußerung des
Zweifels hat gar nicht immer Sinn, Zweck.
Man vergißt eben, daß auch das Zweifeln zu einem Sprachspiel 693 gehört. |
342 b Man kann erst zweifeln, wenn man Gewisses gelernt hat; wie man sich erst verrechnen kann, wenn man rechnen gelernt hat. Dann ist es allerdings unwillkürlich. Wie kommt es, daß der Zweifel nicht der Willkür untersteht? a – Und wenn es so ist, – könnte nicht ein Kind durch seine merkwürdige Veranlagung an Allem zweifeln? |
343
Wenn ich daran zweifle, daß dies ein
Sessel ist, – was tue ich? –
Ich besehe und befühle ihn von allen Seiten und dergleichen.
Ist aber diese Handlungsweise immer der Ausdruck des Zweifels?
Nein.
Wenn ein Affe oder ein Kind dies täte, wäre es keiner.
Zweifeln kann der, der schon einen ‘Grund zum Zweifeln’
kennt. |
344
Ich kann mir wohl vorstellen, daß ein bestimmtes
primitives Benehmen sich später zum Zweifel auswächst.
Es gibt z.B. ein primitives
Untersuchen.
(Ein Affe, der z.B. eine Zigarette
zerpflückt.
Einen intelligenten Hund sehen wir dergleichen nicht tun.)
Das bloße
Hin- und Herwenden und
Beschauen eines Gegenstandes ist eine primitive
Wurzel des Zweifels.
Aber Zweifel ist erst da, wenn die typischen
Antezedentien und Konsequenzen des Zweifels da sind. |
345
“Es schmeckt wie Zucker.”
Man erinnert sich genau und mit Sicherheit wie Zucker schmeckt.
Ich sage nicht “Ich glaube, so schmeckt
Zucker.”
Welch merkwürdiges Phänomen, Eben das Phänomen des
Gedächtnisses.
– Aber ist es richtig, es ein merkwürdiges Phänomen zu
nennen?
Es ist ja nichts weniger als merkwürdig. Jene Sicherheit ist 694 ja nicht um Haar merkwürdiger, als es die
Unsicherheit wäre.
Was ist denn merkwürdig?
Das, daß ich mit Sicherheit sage “Das schmeckt wie
Zucker”, oder, daß es dann wirklich Zucker
ist?
Oder, daß Andere das selbe finden?
Wenn das sichere Erkennen des Zuckers merkwürdig ist, so wäre es also das Nichterkennen weniger. |
346
Wenn Leute (plötzlich) aufhörten, in ihren Urteilen über
Geschmäcke übereinzustimmen, – würde ich noch sagen:
Jeder wisse jedenfalls, was er schmecke?
– Würde es dann nicht klar, daß das Unsinn
sei? |
347
Verwirrung der Geschmäcke: Ich sage
“Das ist süß”, der Andere
“das ist sauer”, u.s.f.
Einer kommt daher und sagt: “Ihr
habt alle keine Ahnung, wovon ihr sprecht.
Ihr wißt gar nicht mehr, was ihr einmal einen
Geschmack genannt habt.”
Was wäre das Zeichen dafür, daß wir's
noch wissen? |
348
Aber könnten wir nicht auch in dieser ‘Verwirrung’ ein
Sprachspiel spielen? – Aber ist es noch das
Frühere? – |
349
Aber hier ist doch ein Paradox!
Soll denn die Verläßlichkeit meiner
Geschmacksäußerung von den Veränderungen in der
Außenwelt abhängen? – Es
kommt doch hier auf den Sinn des Urteils, nicht auf die Nützlichkeit
an.
‒ ‒ ‒ Wir sehen hier die Verwandtschaft mit
dem ursprünglichen Sprachspiel der Wahrnehmung. |
350
“Es schmeckt genau wie Zucker”.
Wie kommt es, daß ich dessen so sicher sein
kann?
Aber auch, wenn es sich dann als falsch herausstellt.
– Und was erstaunt mich daran?
Daß ich den Begriff Zucker in eine so
feste Verbindung mit der
Geschmacksempfindung695 bringe.
Daß ich die Substanz Zucker direkt im Geschmack
zu erkennen scheine.
Aber statt des Ausdrucks “Es schmeckt genau … ” könnte ich ja primitiver den Ausruf “Zucker!” verwenden. Und kann man denn sagen, bei dem Wort ‘schwebe mir die Substanz Zucker vor’? wie tut sie das? |
351
Kann ich sagen, dieser Geschmack brächte gebieterisch
den Namen “Zucker” mit sich; oder aber
das Bild eines Stücks Zucker?
Keines von beiden scheint richtig.
Ja, gebieterisch ist das Verlangen nach dem Begriff
‘Zucker’ allerdings und zwar ebenso, wie nach dem Begriff
‘rot’, wenn wir ihn zur Beschreibung des Gesehenen
verwenden. |
352
Ich erinnere mich, daß Zucker so geschmeckt
hat.
Es kommt mir das Erlebnis zurück ins
Bewußtsein.
Aber natürlich: wie weiß
ich, daß es das frühere Erlebnis
ist?
Das Gedächtnis hilft mir da nicht mehr.
Nein, diese Worte, das Erlebnis ist?
Das Gedächtnis hilft mir da nicht mehr.
Nein, diese Worte, das Erlebnis komme
zurück … , sind nur eine Umschreibung, keine Erklärung des
Erinnerns.
Aber wenn ich sage “Es scheint || schmeckt genau wie Zucker”, so findet in einem wichtigen Sinne gar kein Erinnern statt. Ich begründe also mein Urteil, oder meinen Ausruf, nicht. Wer mich fragt, “Was meinst du mit ‘Zucker’?” – dem werde ich allerdings ein Stück Zucker zu zeigen trachten. Und wer fragt “Wie weißt du, daß Zucker so schmeckt”, werde ich allerdings antworten “Ich habe tausende Male Zucker gegessen” – aber das ist nicht eine Rechtfertigung, die ich mir selbst gebe. |
353
“Selbstbeobachtung lehrt mich: ich glaube das, –
aber Beobachtung695 der Außenwelt,
daß es nicht so ist.” |
354
Nehmen wir nun an, ich habe das F eines Menschen gesehen, welches
er so schreibt: , und habe es immer für ein
Spiegel-F gehalten; d.h. ich
habe einen gewissen Zusammenhang zwischen seinen
Buchstaben und dem regelrecht geschriebenen angenommen.
Nun machst du mich aufmerksam, daß dieser
Zusammenhang nicht besteht, sondern ein anderer, (der der
verschobenen Striche).
Die verstehe ich, und sage nun: “Dann sieht es
freilich auch anders aus.”
Gefragt “Wie
anders”? sage ich etwa:
“Früher sah es ungeschickt aus, jetzt aber kühn und
energisch.” |
355
Sag dir, es hätte Einer Gesichter immer nur mit einem
Ausdruck, sagen wir lächelnd, gesehen.
Und nun sieht er zum ersten Mal ein Gesicht seinen Ausdruck
verändern.
Könnte man da nicht sagen, jetzt erst bemerke er einen Ausdruck des
Gesichts?
Erst der Wechsel machte den Ausdruck bedeutsam; früher gehörte er
eben zur Anatomie des Gesichts.
– Ist es so auch mit dem Aspekt des Buchstaben?
Ausdruck, könnte man sagen, gibt es nur im
Mienen spiel. |
356
Wie mir ein Buchstabe vorkommt, hängt also davon ab, ob er streng nach
der Norm gebildet ist oder ob, und wie er von ihr
abweicht.
Dann ist auch das begreiflich, daß es
einen Unterschied macht, ob wir nur eine
oder zwei Erklärungen einer Buchstabenform kennen. |
357
Wie konnte ich denn sehen, daß diese
Stelle zaghaft war, ehe ich wußte,
daß sie eine Stellung und nicht die Anatomie
dieses Wesens war. 697 |
358
Die Frage ist nun: Wenn man eine Figur einer Interpretation
gemäß sehen kann, sieht man sie immer einer
Interpretation gemäß?
Und ist da ein scharfer Unterschied zwischen dem sehen, das mit keiner
Interpretation verbunden ist und jenem andern?
|
359
Ich will sagen: Das Sehen einer Figur in dieser
Interpretation ist ein Denken an die Interpretation.
Denn soll ich sagen, es sei möglich, dies als ein Spiegel- F
zu sehen und dabei nicht an die besondere Beziehung zu denken,
die das Wort Z Spiegel- F bedeutet?
Ich sehe doch eine Deutung und eine Deutung ist ein Gedanke.
|
360
Man könnte das Vexierbild vor und nach der Lösung
beiläufig kopieren; und dann würde der Fehler beim
Kopieren des ersten Aspekts verschieden sein von dem beim Kopieren des
Zweiten.
Ich könnte also sagen: “Vor der Lösung sah ich
ungefähr das (und zeichne einen Wald) ‒ ‒ ‒
nach der Lösung ungefähr das (und zeichne einen Menschen
in den Baumkronen). |
361
Du mußt bedenken, daß, was
einer sieht, in der wichtigsten Klasse von Fällen in einer Meldung über
das betrachtete Objekt zum Ausdruck kommt.
Und zu dieser Meldung gehört natürlich auch die
räumliche Anmeldung.
‒ ‒ ‒ Wie ist es nun, wenn Einer zu melden hat, was er auf einer
Fläche sieht und wenn die Zeichnung auf ihr den Charakter des
Vexierbildes hat?
Erstens, was das Räumliche
anbelangt, so kann er, was er auf der Fläche sieht, auch
räumlich beschreiben; ja, das ist vielleicht die einzige Art
der Beschreibung, die er geben kann. |
362
Eine wichtige Meldung wird z.B. sein:
“Es hat sich in dieser 698 ganzen Zeit nichts
verändert.”
Sie beruht eben auf andauernder Beobachtung. |
363
Wenn ich die Lösung des Vexierbildes entdecke, mache ich
über das Bild selbst eine Entdeckung.
Die Entdeckung z.B., daß
durch diese Camouflage ein Schiff verborgen
wurde.
Ich will Einem etwa geheim mitteilen, wie ein gewisser Mensch ausschaut
und verberge meine Mitteilung, nämlich sein Porträt, in einem
Vexierbild. |
364
Wenn ich die Figur eine Gedankenhilfe nennte, so könnte
ich sagen, ich sehe sie als diese Gedankenhilfe.
|
365
Was für eine seltsame Frage ist es, ob ich nicht an den
N.N. gedacht haben müsse – als ich
sein Gesicht plötzlich in dem seines Sohnes sah!
Ich wollte natürlich nicht fragen, ob ich nicht gleichzeitig
mit jenem Vorstellen an ihn gedacht haben müßte,
sondern ob das Vorstellen kein Denken war.
Wie entscheidet man das aber?
Ich sage z.B. “Ich habe gerade daran gedacht, ob er wohl auch in … angekommen ist”. Dieser Gedanke drückt sich in einem Satz aus. Jener andere etwa in einem Ausruf. |
366
Kann ich jetzt in seinem Gesicht das seines Vaters sehen und doch
dabei nicht an seinen Vater denken?
In seinem Gesicht das seines Vaters sehen, war doch offenbar
eine Art des Vorstellens dieses Gesichts.
Und da muß man sich erinnern,
daß man die Vorstellung eines
Menschen nicht als die seine erkennt.
|
367
Erinnere dich daran, daß du ja auch das Wandern des
Blicks durch ein Bild (oder Modell) nicht wiedergeben
kannst!
Und würde man den Eindruck, den das erzeugt, nicht sehr natürlich
699 zum Gesichtseindruck rechnen?
Es wird, oder kann, sich auch der Aspekt in der Art und Weise
ausdrücken, wie ich die Figur kopiere, also doch, in einem
Sinnen, in der Kopie.
Ich werde auch ein Gesicht, jenachdem
ich's auffasse, anders in der Zeichnung wiedergeben,
obwohl die Photographie jedesmal das Gleiche zeigt.
Also hier wieder ein Grund vom “sehen” zu reden.
|
368
Daß ich eine andere Kopie (ein anderes
Resultat) hervorbringe, das stimmt mit dem Begriff des
Sehzustandes zusammen.
Daß ich die gleiche Kopie erzeuge, sie aber
anders erzeuge – die Striche in anderer
Reihenfolge ziehe – weist auf den Begriff des
Denkens |
369
Mit welchem Recht gebraucht er da das Wort
“sehen”? oder hat er keine Berechtigung, und ist
es nur eine Sprachdummheit?
Oder liegt die einzige Berechtigung darin, daß ich
auch geneigt bin, zu sagen: “einmal sehe ich es als
das”, “einmal sehe ich als
jenes”?
Es könnte so sein.
Aber ich bin durchaus abgeneigt, das anzunehmen; ich fühle ich
muß sagen “ich sehe
etwas”.
Was soll das aber heißen?
– Ich habe doch das Wort “sehen”
gelernt.
Was paßt, ist doch nicht das
Wort, der Klang, oder das geschriebene Bild.
Der Gebrauch des Worts ist es, was mir die Idee aufnötigt, ich
sähe dies.
Was ich über den Gebrauch des Worts gelernt habe, muß mich hier zwingen, es hier zu gebrauchen. |
370
“Das ist doch: etwas sehen –”
möchte ich sagen. 700
Und es ist ja wirklich so: die Situation ist ganz wie, in welcher
dieses Wort auch sonst gebraucht wird; – nur ist die Technik hier
etwas verschieden. |
371
Der Gebrauch des Wortes “sehen” ist ja durchaus kein
einfacher.
– Man stellt sich ihn manchmal wie den eines Tätigkeitswortes vor,
– und es sei nur schwer auf die Tätigkeit geradezu zu
deuten. –
Man stellt sich ihn daher einfacher vor, als er wirklich ist, das Sehen
so zu sagen als ein Eintrinken von etwas mit den Augen.
Wenn ich also etwas mit den Augen eintrinke, so könne kein Zweifel mehr
bestehen, ich sähe etwas (wenn mich nicht Vorurteile
täuschen). |
372
Man könnte sagen: Ich sehe die Figur einmal als den
Grenzwert dieser Reihe, einmal als den Grenzwert jener.
Dieser Wert könne der Grenzwert verschiedener Funktionen
sein. |
373
Das, als was ich die Figur sehe, das kann sie immer, in einem gewissen
Sinne, sein.
Wenn das auch nicht im anderen Sinne ‘sichtbar’
wäre.
Denn eine Figur kann ja ihrem Gebrauch, oder ihrer Entstehungsweise
nach Grenzwert verschiedener Reihen sein.
Ein Dreieck kann wirklich gebraucht werden, einen Berg darzustellen,
oder als Pfeil, um in dieser Richtung zu zeigen,
etc. etc.
Die Beschreibung des Aspekts ist also immer eine richtige Beschreibung
der Sehwahrnehmung. |
374
Es kann doch eine Figur, sagen wir, ein Schriftzeichen das korrekt
geschrieben, oder in verschiedenen Weisen ein fehlerhaft
geschriebenes sein.
Und diesen Auffassungen der Figur entsprechen Aspekte.
– Hier haben wir die größte
Ähnlichkeit mit 701 dem Erleben der Bedeutung beim Aussprechen
eines isolierten Worts. |
375
Man kopiert es anders, – aber die Kopie ist die
selbe.
Aber ich will sagen: Wenn etwas Anderes gesehen wird, muß die Kopie eine andere sein. |
376
Was ist z.B. eine Kopie des
‘Würfelschemas’?
Eine Zeichnung, oder ein Körper?
Und warum nur das erstere?!
Und wenn ein Körper, – welcher Körper: ein Raumeck, ein
solider Würfel, ein Drahtgestell? |
377
Wenn ich ihm mitteile; “Ich sehe die Figur jetzt
als … ”, so mache ich ihm eine Mitteilung in
mancher Beziehung ähnlich der einer Gesichtswahrnehmung, aber
auch ähnlich der eines Auffassens, oder einer Deutung, oder eines
Vergleichens, oder eines Wissens. |
378
“Ich sehe jetzt ein weißes Kreuz auf
schwarzem Grunde und dann ein schwarzes Kreuz auf
weißem Grunde.”
Aber was ist denn das: ein weißes
Kreuz auf schwarzem Grunde? erklär es doch! und was ist ein
schwarzes Kreuz auf weißem Grunde?
Du darfst doch für beide nicht etwa die gleiche
Erklärung geben!
Und erklärt müßten sie doch werden!
Die Erklärung könnte doch ungefähr so lauten: “Ein weißes Kreuz auf schwarzem Grunde, das ist so etwas –” und nun folgt eine Figur. Es darf aber natürlich nicht die doppeldeutige sein. Daher kann man dem statt zu sagen “ich sehe die Figur einmal als ein weißes Kreuz auf … , einmal als … ” auch sagen: “ich sehe die Figur einmal so (folgte eine Figur), 702 einmal so folgt eine andere
Figur).
Und war der erste Satz ein erlaubter Ausdruck, so war es dieser
auch. |
379
Und heißt das nicht,
daß nun jene zwei Figuren eine Art
von Kopien der doppeldeutigen Figur wahren?
|
380
Einerseits sind diese beiden Darstellungen Kopien des Gesehenen
anderseits bedarf es auch noch einer begrifflichen
Erklärung. –
Wenn ich z.B. die Kreuzfigur einmal als
liegendes Kreuz, einmal als stehendes Kreuz, einmal als
schiefgestelltes Diagonalkreuz sehe, – was sind die entsprechenden
Kopien?
Ein liegendes Kreuz ist eines, das umgelegt worden ist und stehen sollte. Die Kopie wird also etwas sein, was Kreuzform hat und wovon wir wissen, ob es liegt oder steht. Es wäre daher auch möglich, als Kopie ein Bild zu gebrauchen, worin die Kreuzform vorkommt und die oder die Rolle spielt. D.h., es gibt ein Bild, welches, was ich als Aspekt sehe, zum Ausdruck bringt. Und das gibt dem Aspekt Ähnlichkeit mit etwas durch Sehen wahrgenommen. |
381
Oder || : Es
gibt ein Bild, das für den Aspekt eine
ähnliche darstellende Rolle spielt, wie das Bild
als Mitteilung des Wahrgenommen.
Denk dir ein Gemälde, eine Kreuzabnahme etwa; was wäre es uns, wenn wir
nicht wüßten, welche Bewegungen hier
festgehalten wurden.
Und das Bild zeigt uns diese Bewegungen und
es zeigt sie uns auch nicht.
(Das Bild der Kavallerieattacke, wenn der Betrachter nicht
weiß, daß die Pferde nicht so
stehen bleiben.) |
382
“Was ich sehe, schaut so aus”.
Denk dir, das sagte 703 jemand, der das Bild
eines rennenden Pferdes betrachtet und als Kopie
davon ein ausgestopftes Pferd benützt, welches in laufender Stellung
steht!
Wäre nicht die richtige Kopie eine laufendes
Pferd? |
383
Ist mir nun mit dem Aspekt ein Gedanke vorm
Auge?
Ist mir mit dem Gemälde einer vor Augen? (denn die
als das und da gesehene Figur ist ja wie
der allein noch sinnlose Bestandteil eines
Gemäldes.) |
384
Man kann doch ein Gemälde beschreiben, indem man Vorgänge beschreibt; ja so würde
man es beinahe immer beschreiben.
“Er steht im Schmerz versunken, sie ringt die Hände,
…”
Ja, wer es so nicht beschreiben könnte, ob er es auch als Verteilung
von Farbflecken auf der Fläche haarscharf beschreiben könnte,
verstünde es nicht.
((Bild vom Mann, der den Berg hinaufgeht.))
|
385
Du siehst es also so, wie wenn du das davon
wüßtest.
Und wenn dies eine närrische Ausdrucksweise erscheint, so muß man eben im Auge behalten, daß der Begriff des Sehens durch sie modifiziert wird. |
386
Kann ich aber auch sagen: “Er würde das Bild (der
Schlacht etwa) anders sehen, wenn er nicht
wüßte, was hier vor sich geht”?
Wie würde sich das äußern?!
Er würde nicht so über das Bild reden wie wir; er würde nicht
sagen: “Man sieht förmlich, wie diese
Pferde dahinbrausen” oder “So läuft
doch ein Pferd nicht!”
etc.
Er würde unzähliges nicht aus dem Bild entnehmen, was wir daraus
entnehmen. 604 |
387
Wir könnten uns doch entscheiden, das, was wir jetzt “die
Figur als … sehen” nennen, sie als das und das
“auffassen” zu nennen.
– Hätten wir das nun erfahren || getan, so
wären dadurch die Probleme natürlich nicht zur Seite
geschafft; sondern wir würden nun den Gebrauch von
“auffassen” studieren, und insbesondere die
Eigentümlichkeit, daß dieses Auffassen etwas
stationäres ist, ein Zustand, der jetzt
anfängt, jetzt endet. |
388
Es ist mir also zumute – könnte ich sagen – als
müßte ich im Stande sein, diese Auffassung durch
ein Bild der angeschauten Figur wiederzugeben.
– Und das ist doch wirklich so: ich kann doch sagen, das
Bild, das Einer von ihr macht, drücke eine Auffassung des
Gegenstands aus.
Ganz so, wie man eben sagen kann: Hör dieses Thema
so … und spiel entsprechend. |
389
Es ist ein Sehen, insofern … es ist ein Sehen nur insofern, als … (das scheint mir die Lösung.) |
390
Insofern aber unterscheiden sich die Aspekte, die so zu sagen gesehene
Deutungen der Figur sind von den Aspekten der räumlichen
Erscheinung.
Denn man kann eine Figur für einen Körper
halten.
Und auch, wenn von einer solchen Täuschung nicht die Rede
ist, so teilt “Ich sehe diese Figur jetzt als
Pyramide” anders mit, hat andere Konsequenzen,
als, daß ich die Figur jetzt als
schwarzes Kreuz auf weißen Grunde sehe
etc.
(Die Konsequenzen des räumlichen Sehens in der darstellenden
Geometrie.)
Es scheint aber auch der Zusammenhang des Aspektes mit dem
Denken geändert oder gelöst.
Denn ist hier 705 nicht die Kopie, die dem Andern zeigt,
wie ich die Figur sehe, von andrer
Art?
Und man darf nicht vergessen, daß das Wort
“Kopie” in dieser ganzen Betrachtung eine schwankende
Bedeutung hat. |
391
“Es ist, als wären unsere Begriffe bedingt durch ein
Gerüst von Tatsachen.”
Das hieß doch: Wenn du dir gewisse Tatsachen anders denkst, sie anders beschreibst, als sie sind, dann kannst du die Anwendung gewisser Begriffe dir nicht mehr vorstellen, weil die Regeln ihrer Anwendung kein Analogen unter den neuen Umständen haben. – Was ich sage, kommt also darauf hinaus: Ein Gesetz wird für Menschen gegeben und ein Jurist mag wohl fähig sein, Konsequenzen für jeden Fall zu ziehen, der ihm gewöhnlich vorkommt, das Gesetz hat also offenbar seine Verwendung, einen Sinn. Trotzdem aber setzt seine Gültigkeit allerlei voraus; und wenn das Wesen, welches er zu richten hat, ganz vom gewöhnlichen Menschen abweicht, dann wird z.B. die Entscheidung, ob er eine Tat mit böser Absicht begangen hat, nicht etwa schwer, sondern einfach unmöglich werden. |
392
Wenn die Menschen nicht im Allgemeinen über die Farben der Dinge
übereinstimmten, wenn Unstimmigkeiten nicht Ausnahmen wären, könnte es
unsern Farbbegriff nicht geben.
“Nein; gäbe es unsern Farbbegriff nicht.
Heißt das also: Was als Regel denkbar
ist, muß es nicht als Ausnahme sein?
|
393
Der Fall ist doch ähnlich diesem: Ich habe gelernt,
Versuchsresultate durch eine Kurve darzustellen und werde, wenn
die aufgenommenen Punkte so liegen, wissen, ungefähr
welche 706 Kurve zu ziehen
ist und werde weitere Schlüsse aus den Experimenten ziehen
können.
Liegen aber die Punkte so, so wird, was
ich gelernt habe, mich im Stiche lassen; ich
weiß gar nicht mehr, welche Linie ich ziehen
soll.
Und käme ich zu Leuten, die, ohne mir verständlicher Methode und ohne
Bedenken, eine Kurve durch diese Konstellation legten, so
könnte ich ihre Technik nicht nachahmen; sollte ich aber
sehen, daß bei ihnen irgend eine
plausible Linie als die Richtige anerkannt wird und diese dann zur Basis
weiterer Folgerungen dient; und, wenn diese Folgerungen, wie wir sagen
würden, mit der Erfahrung in Widerspruch kämen, die Leute sich
irgendwie darüber hinweg setzen, – dann würde ich sagen,
es sei dies gar nicht mehr die mir bekannte Technik, sondern
eine ‘äußerlich’ ähnliche, im Wesen
aber ganz verschiedenen.
Sage ich das aber, so gebe ich mit den Worten
“äußerlich” und
“Wesen” ein Urteil ab. |
394 Was heißt das: “Das ist doch ein ganz anderes Spiel!” Wie verwende ich diesen Satz? Als Mitteilung? Nun, etwa als Einleitung zu einer Mitteilung, die die Unterschiede aufzählt und ihre Folgen erklärt. Aber auch, um auszudrücken, daß ich eben darum hier nicht mehr mittue, oder doch eine andere Stellung zu dem Spiel einnehme. |
395
Wenn ich sagte “Ich würde es nicht mehr …
nennen”, so heißt das
eigentlich: die Waage meiner Stellungnahme
schlägt nun um. |
396
Ich könnte doch auch sagen: “ich kann mich mit diesem
Menschen nicht mehr verständigen.” |
397
Ich sagte einmal, es könnte einen Begriff geben, der links
707 von einer gewissen wichtigen Linie unserem
‘Rot’, rechts von ihr unserm ‘Grün’
entspräche.
Und es kam und kommt mir vor, als könnte ich mich in diese Begriffswelt
hineindenken; als könnte ich wohl geneigt sein, rot auf
der einen Seite, das Gleiche zu nennen, wie Grün auf der Andern.
(Und zwar geht es mir besonders so mit einem ziemlich
dunklem Rot und einem ziemlich
dunklem Grün.)
Als wäre ich also nicht ungeneigt, das Grün nur einen Aspekt des Rot zu
nennen; als liefe, was ich “Farbe” nenne unverändert
weiter, und nur die ‘Schattierung’ änderte
sich.
Es besteht also hier die Neigung zu einer Ausdrucksweise, die,
unter gewissen Umständen, für Grün und für Rot das selbe
Eigenschaftswort, mit einem Bestimmungswort wie
“beschattet”
“unbeschattet” verwendet.
“Aber willst du also wirklich sagen,
daß hier nicht zwei verschiedene Farben
vorliegen?”
Ich will sagen: Ich sehe genug
Ähnlichkeit in der von mir
beschriebenen Ausdrucksweise mit dieser und jener, die wir
tatsächlich verwenden, daß ich die
ungewöhnliche unter Umständen sehr wohl hinnehmen könnte.
– Aber würden also die Leute die
Ähnlichkeit oder Gleichheit nicht sehen, die wir
sehen: Nämlich zwischen Grün links und (nach unserer
Ausdrucksweise) Grün rechts? –
Wie, wenn sie sagten, diese seien ‘äußerlich
gleich’.
Ich stelle mir die Lage ähnlich vor wie in der
Zeichnung wo ich die Winkel
einander gleich, obwohl äußerlich ungleich
nennen kann; die Winkel … ungleich, aber
äußerlich gleich. |
398
Ich könnte auch sagen: Rot links und Grün rechts sei die
gleiche Natur, aber eine andere
Erscheinung. 708 |
399
Bei allen Dem habe ich aber doch eine Verwirrung
angerichtet.
Das Wichtige an der Sache war doch, zu zeigen, daß
man in einer Reihe so fortfahren kann, daß man,
nach unsern Begriffen, sie, nach der alten Regel, abbricht und
nach einer neuen fortsetzt; || war doch, zu zeigen,
daß man in einer Folge (von Ziffern etwa) so
fortschreiten kann, daß man, für unsere
Begriffe sie nach dem einen Reihengesetz abbricht und nach
einem neuen fortsetzt; daß
aber nach einer andern Auffassung sich ihr Gesetz
nicht ändert, die scheinbare Änderung
aber durch eine Änderung der Umstände begründet
wird. |
400
Aber das kommt eigentlich darauf hinaus, daß was das
folgerechte Weitergehen in einer Reihe
ist, nur durch das Beispiel gezeigt werden kann.
|
401
Und hier ist man immer wieder in der
Versuchung,
weiterzureden, wo man Halt machen sollte; mehr zu reden,
als Sinn hat. || Versuchung, mehr zu reden als noch
Sinn hat. Weiter zu reden, wo man Halten machen sollte.
|
402
Ich kann Einem sagen: “diese Zahl ist die
folgerechte Fortsetzung dieser Folge;”
dadurch kann ich ihn dazu bringen, daß
er in Zukunft das “folgerechte Fortsetzung”
nennt, was ich so nenne.
D.h., ich kann ihn eine Reihe (Grundreihe)
fortsetzen lehren, ohne einen Ausdruck des
‘Gesetzes’ der Reihe’ zu verwenden; ja
vielmehr, um ein Substrat zu haben || erhalten für
die Bedeutung algebraischer Regeln, oder was ihnen
ähnlich ist. |
403
Er muß ohne Grund so fortsetzen.
Aber nicht, weil man ihm den Grund noch nicht
begreiflich machen kann, sondern weil es – in
diesem System – keinen Grund gibt.
“Die Kette der Gründe hat ein Ende.”)
709
Und das so (in “so fortsetzen”) ist
durch eine Ziffer, einen Wert, bezeichnet.
Denn auf dieser Stufe wird der Regelausdruck durch den Wert
erklärt, nicht der Wert durch die Regel. |
404
Denn dort, wo es heißt “Aber
siehst du denn nicht … !” nützt ja eben
die Regel nichts, sie ist Erklärtes, nicht Erklärendes.
sie |
405
“Er erfaßt die Regel
intuitiv.”
– Warum aber die Regel? und nicht, wie er jetzt fortsetzen
soll? |
406
“Hat er nur das Richtige gesehen, diejenige der unendlich
vielen Beziehungen, die ich ihm nahe zubringen trachte, –
hat er sie nur einmal erfaßt, so wird er jetzt ohne
weiteres die Reihe richtig fortsetzen.
Ich gebe zu, er kann diese Beziehung, die ich meine, nur erraten
(intuitiv erraten) – ist es aber gelungen, dann ist das
Spiel gewonnen” – Aber dieses
‘Richtige’ von mir Gemeinte, gibt es gar nicht.
Der Vergleich ist falsch.
Es gibt hier nicht quasi ein Rädchen, das er erfassen
soll, die richtige Maschine, die ihn, einmal gewählt
automatisch weiterbringt.
Es könnte ja sein, daß sich in
unserm Gehirn so etwas abspielt, aber das interessiert uns
nicht. |
407
“Tu das selbe!”
Aber dabei muß ich ja auf die Regel
zeigen.
Die muß er also schon anzuwenden gelernt
haben.
Denn was bedeutet ihr Ausdruck sonst für ihn? |
408
Die Bedeutung der Regel erraten, sie intuitiv zu erfassen,
710 könnte doch nur
heißen: ihre Anwendung
erraten.
Und das kann nun nicht heißen: die
Art, die Regel ihrer Anwendung erraten.
Und vom Erraten ist hier überhaupt keine Rede. |
409
Ich könnte z.B. erraten, welche Fortsetzung dem
Andern Freude machen wird (etwa nach seinem
Gesicht).
Die Anwendung der Regel erraten könnte man
nur, so fern man bereits aus
verschiedenen Anwendungen eine wählen kann. |
410
Man könnte sich ja dann auch denken, daß er, statt
die “Anwendung der Regel zu erraten’, sie
erfindet.
Nun, wie sähe das aus?
– Soll er etwa sagen: “Der
Regel +1” folgen, möge einmal
heißen, zu schreiben: 1,
1 + 1,
1 + 1 + 1,
u.s.w.”?
Aber was meint er damit?
Das “u.s.w.” setzt ja eben
schon das Beherrschen einer Technik voraus. |
411
Wie kann man denn, was jemand tut, der jene Regel fortsetzt,
beschreiben?
– Man kann die Regel angeben; dem nämlich, der sie schon
gebrauchen kann.
Und wer kann sie gebrauchen?
Der, welcher auf 1 + 1
1 + 1 + 1
schreibt, und darauf
1 + 1 + 1 + 1
– Und kann ich jetzt enden
“u.s.f.”?
Das würde ja heißen:
“und überhaupt nach dieser Regel weiter
geht”. |
412
Ich kann nicht beschreiben, wie eine Regel (allgemein) zu
verwenden ist, als indem ich dich
lehre, abrichte, eine Regel zu verwenden.
|
413
Ich kann nun z.B. einen solchen
Unterricht im Sprechfilm aufnehmen.
Der Lehrer wird manchmal sagen “So ist es
recht”.
Sollte der Schüler ihn fragen “warum?” –
so wird er nichts, oder doch nichts Relevantes antworten, auch
nicht das: “Nun, weil wir's
711 Alle so
machen”; das wird nicht der Grund sein. |
414
Man sagt nicht “Es dürfte sich so verhalten; verhält sich
aber anders.”
Oder: “Ich nehme an, er kommt morgen; er wird aber
tatsächlich nicht kommen.” |
415
Die Linie liegt schon in der Annahme anders, als du
denkst.
Ich möchte sagen: In den Worten “Angenommen, ich glaube das” setzt du schon die ganze Grammatik des Wortes “Glauben” voraus. Du nimmst nicht etwas an, was dir, so zu sagen, eindeutig durch ein Bild gegeben ist, so daß du dann eine Andere als die gewöhnliche Behauptung an diese Annahme anstückeln kannst. Du wüßtest gar nicht, was du hier annimmst, wenn dir nicht schon die Verwendung von “glauben” geläufig wäre. |
416
Es ist die unsichtbare Anwendung, die hier ihr Gesicht
zeigt.
Der besonderen Technik sind wir uns nicht bewußt, sie fließt so zu sagen unterirdisch, ohne daß wir sie merken, dahin; und wir werden uns ihrer nur dort plötzlich bewußt, wo sie mit unserer falschen Vorstellung offen in Widerspruch tritt. Wo wir etwa merken, ein Satz habe keinen Sinn, wir wissen gar nicht, was wir mit ihm anfangen sollten, ein Satz von dem dies nicht ohne Weiteres zu vermuten war. Kann man dem Arzt als Symptom einer geistigen Erkrankung mitteilen “Ich glaube …? – Wohl aber etwa: “Ich glaube immer Stimmen zu hören”. “Ich nehme immer an, er sei mir untreu, er ist es aber nicht.” Die Linie des Begriffs scheint je abgebrochen! – 712 |
417
“Der Satz ‘Ich glaube es, und es ist nicht
wahr’ kann doch die Wahrheit sein.
Wenn ich es nämlich wirklich glaube, und sich dieser Glaube als falsch
herausstellt.” |
418
Ich sagte vom Andern “Er scheint zu glauben … und
andere sagen es von mir.
Nun, warum sage ich's nie von mir, auch wenn die Andern es
mit Recht von mir sagen?
Ebenso: “Es ist offenbar, er glaubt …
Sehe ich mich selbst denn nicht?
– Man kann es sagen. |
419
A: “Ich glaube, es regnet.”
– B: “Ich glaube es nicht.”
– nun, sie widersprechen einander ja nicht; Jeder sagt
bloß etwas über sich selbst
aus. |
420
“Es gibt kein bläuliches Gelb”.
Ähnlich dem Satz “Es gibt
kein regelmäßiges Zweieck”; eine Aussage der
Farbengeometrie könnte man es nennen, d.h. ein
begriffsbestimmender
Satz. |
421
Wenn ich Einen gelehrt hätte, die sechs primären
Farbnamen zu gebrauchen und die Silbe “lich”, so
könnte ich ihm Befehle geben wie “Male hier ein grünliches
Weiß!”
– Einmal aber sage ich ihm “Mal ein rötliches
Grün!”
Ich beobachte seine Reaktion.
Vielleicht wird er Grün und Rot mischen und von dem Resultat nicht
befriedigt sein; vielleicht endlich sagen: “es gibt
kein rötliches Grün.”
– Analog hätte ich ihn dazu bringen
können, mir zu sagen “Ein
regelmäßiges Zweieck gibt es nicht!”
oder “eine Quadratwurzel aus ‒ 25 gibt es nicht. |
422
Zwischen Grün und Rot, will ich sagen, sei eine geometrische Leere,
nicht eine physikalische. 713 |
423
Aber entspricht dieser also nichts Physikalisches? Das
leugne ich nicht
(Und wenn es bloß unsre Gewöhnung an
diese Begriffe, an diese Sprachspiele wäre.
Aber ich sage nicht, daß es so
ist.)
Wenn wir einem Menschen die und die Technik durch Exempel beibringen,
– daß er dann mit einem bestimmten
neuen Fall so und nicht so
geht, oder daß er dann stockt,
daß für ihn also dies und
nicht jenes die ‘natürliche’ Fortsetzung
ist, ist allein schon ein höchst wichtiges Naturfaktum.
|
424
“Aber wenn ich mit
‘bläulichgelb’ grün meine, so
fasse ich eben diesen Ausdruck anders als nach der ursprünglichen Weise
auf.
Die ursprüngliche Auffassung bezeichnet einen andern und
eben nicht gangbaren Weg.”
Was ist aber hier das wichtige Gleichnis? das vom physische nicht gangbaren Weg, oder vom nicht-Existieren des Weges? Also das Gleichnis der physikalischen, oder der mathematischen Unmöglichkeit? |
425
Wir haben ein System der Farben wie ein System der Zahlen.
Liegen die Systeme in unserer Natur, oder in der Natur der Dinge? Wie soll man's sagen? Nicht in der Natur der Zahlen oder Farben. |
426
Hat denn dieses System etwas willkürliches?
Ja und nein.
Es ist mit Willkürlichem verwandt und mit
nicht-Willkürlichem. |
427
Es leuchtet aus dem ersten Bild ein, daß man nichts
als Zwischenfarben von rot und grün anerkennen will.
(Und ob es dem Menschen immer so eingeleuchtet, oder erst nach
Erfahrung und 714 Erziehung ist hier
gleichgültig.)
Was würden wir von Menschen denken, die ein
‘rötlich-grün’ kennen (etwa
olivgrün so nennen)?
Und was heißt das:
“Die haben dann überhaupt einen andern Begriff der
Farbe”?
Als wollten wir sagen: “Es wäre eben
dann nicht dieser, sondern ein anderer” –
indem wir auf unsern zeigen.
Als gäbe es also einen Gegenstand, dem der Begriff
eindeutig angehörte. |
428
Die Leute kennen ein Rötlichgrün.
Aber es gibt doch gar keins! –
Welcher sonderbare Satz.
– (Wie weißt du's
nur?) |
429
(Das Bild, das den Begriff charakterisiert, wäre etwas wie eine
algebraische Formel.) |
430
Sagen wir's doch so: Müssen denn diese Leute die
Diskrepanz merken?
Vielleicht sind sie zu stumpf dazu.
Und dann wieder: vielleicht auch nicht. – |
431
Ja aber hat denn die Natur hier gar nichts mitzureden?!
Doch – nur macht sie sich auf andere Weise hörbar.
“Irgendwo wirst du doch an Existenz und nicht-Existenz anrennen!” Das heißt aber doch an Tatsachen, nicht an Begriffe. |
432
Es ist eine Tatsache von der höchsten Wichtigkeit,
daß eine Farbe, die wir
(z.B.) “rötlichgelb” zu nennen
geneigt sind, sich wirklich durch Mischung (auf verschiedene Weise)
von Rot und Gelb erzeugen
läßt.
Und daß wir nicht im Stande sind, eine Farbe, die
durch Mischen von Rot und Grün entstanden ist, ohne Weiteres als eine zu
erkennen, die sich so erzeugen läßt.
(Was aber bedeutet “ohne Weiteres”
hier?) 715
Es könnte Leute geben, die ein regelmäßiges 97-Eck ohne zu zählen auf einen Blick als solches erkennen. |
433
Begriffe mit einer Malweise verglichen:
Ist denn auch nur unsere Malweise willkürlich?
Können wir uns einfach entscheiden, die der Ägypter
anzunehmen?
Oder handelt sich's da nur um
hübsch und häßlich? |
434
Haben wir denn die menschliche Sprache erfunden?
So wenig, wie das Gehen auf zwei Beinen.
Es ist eine wichtige Tatsache, wenn sich's so verhält,
daß Menschen diesen großen Bären
etwa in Strichen wiedergeben sollen, dies, wenn sie sich selbst
überlassen sind, immer oder meistens auf eine bestimmte
Weise und nie auf eine bestimmte andere tun.
Aber heißt das: die Konstellation so sehen? Liegt darin z.B. schon die Möglichkeit eines Umschlagens des Aspekts? Denn es ist ja das Umschlagen, dessen Ähnlichkeit mit einem Wechseln des Gesichtsobjekts wir empfinden. |
435
Wenn nicht der Wechsel des Aspekts vorläge, so gäbe es nur eine
Auffassung, nicht ein so oder so sehen.
|
436
Das scheint absurd.
Als wollte man sagen “Wenn ich nur immer mit Kohle
heize, und nicht auch manchmal mit etwas anderem, so heize ich auch nicht
mit Kohle”.
Aber kann man nicht sagen: “Wenn es nur eine Substanz gäbe, so hätte man keinen Gebrauch für das Wort ‘Substanz’”? Aber das heißt doch: Der Begriff ‘Substanz’ setzt den Begriff ‘Unterschied der Substanz’ voraus. (Wie der des Schachkönigs den des Schachzuges, oder wie der der Farbe den der Farben.) 716 |
437
Ich teile Einem etwas anders mit, wenn ich ihm sage: a) daß in der Zeichnung, die er nicht sieht, die und die Form enthalten ist – b) daß in der Zeichnung, die er sieht, die Form enthalten ist, die er noch nicht bemerkt – c) daß ich gerade entdeckt habe, die Zeichnung, die mir wohlbekannt war, enthielte diese Form – d) daß ich jetzt gerade die Zeichnung in diesem Aspekt sehe. Jede dieser Mitteilungen hat ein anderes Interesse. |
438
Die erste ist eine teilweise Beschreibung eines
wahrgenommenen Gegenstands, etwa analog der “Ich
sehe dort etwas Rotes”.
Die zweite ist, was ich eine “geometrische Mitteilung” nennen will. Sie ist im Gegensatz zur ersten zeitlos. Die Entdeckung, daß es sich so verhält, ist von der Art mathematischer Entdeckungen. |
439
Aber könnte die Mitteilung nicht auch in temporaler Form gemacht
werden?
Etwa so: “Wenn du diese
Zeichnung hin und herwendest, wirst du
diese Form in ihr sehen, ohne daß sich
die Linien bewegt zu haben
scheinen.”
Daß wir dies Faktum begriffsbestimmend
verwenden, ist damit noch nicht gesagt.
|
440
Wie macht man denn die Entdeckung?
Etwa, so: Man zieht auf durchscheinendem Papier –
vielleicht rein zufällig – gewisse Linien der Zeichnung
nach.
Dann sieht man: das ist ja ein Gesicht!
Oder man macht diesen Ausruf einmal beim Anblick der Zeichnung und
zieht dann jenen Linien
nach.
– Und wo ist hier die Entdeckung?
– Dies muß erst als Entdeckung,
und insbesondere als geometrische
Entdeckung, interpretiert werden. 717 |
441
Ein Aspekt kann mir dadurch erscheinen, daß mich
einer auf ihn aufmerksam macht.
Wie sehr unterscheidet das doch dieses
‘Sehen’ vom Wahrnehmen der Farben und Formen.
|
442
Bemerken und Sehen.
Man sagt nicht “Ich habe es fünf Minuten lang
bemerkt”. |
443
“Aber sehen wir die menschlichen Gestalten auf dem
Bild wirklich?”
Wonach fragt man nur??
Es geht hier offenbar eine Störung eines Begriffs durch einen etwas verschiedenen vor sich. Ich sollte etwa fragen: “Sehe ich denn die Gestalten wirklich in dem selben Sinne wie …?” Oder auch: “Welchen Grund habe ich, hier von ‘sehen’ zu sprechen? und was lehnt sich etwa in mir dagegen auf?” |
444
Ich möchte etwa die Frage stellen:
“Bin ich mir der Räumlichkeit (Tiefe) dieses Buches,
z.B., während ich es sehe immer
bewußt?”
Fühle ich sie so zu sagen die ganze Zeit?
– Aber stell die Frage in der dritten
Person.
Wann würdest du sagen, er sei sich ihrer immer
bewußt? wann das Gegenteil?
– Angenommen, du fragtest ihn, – aber wie hat
er gelernt, dir auf diese Frage zu antworten?
– Nun, er weiß z.B.
was es heißt, ununterbrochen Schmerzen zu
Fühlen.
Aber das wird ihn hier nur verwirren, wie es auch mich verwirrt.
|
445
Wenn er mir nun sagt, er sei sich der Tiefe fortwährend
bewußt, glaub ich's
ihm?
Und wenn er sagt, er sei sich ihrer nur von Zeit zu Zeit
bewußt, wenn er etwa von ihr redet, – glaub ich
ihm das?
Grundlage.
– Anders aber, wenn er mir sagt, der Gegenstand käme
ihm manchmal räumlich, manchmal aber flach vor.
718 |
446
Ich könnte Einem wichtige Botschaft übermitteln || zukommen lassen, indem ich ihm das Bild
einer Landschaft übersende.
Liest er dieses, wie eine Werkzeichnung; ich meine:
entziffert er es?
Er sieht es an und richtet sich danach.
Er sieht darauf Felsen, Bäume, ein Haus, etc.
|
447
(Die Situation ist hier die der praktischen Notwendigkeit, aber das
Verständigungsmittel eines, dem nichts von Verabredung, Definition und
dergleichen anhängt, und das sonst nur quasi poetischen Zwecken
dient.
Aber es dient eben auch die gewöhnliche Wortsprache poetischen
Zwecken.) |
448
Die Aspekte des F: Es ist quasi, wie
wenn eine Vorstellung mit dem
Gesichtseindruck in Berührung käme und für eine Zeit in Berührung
bliebe. |
449
Der Fall des schwarzen und weißen Kreuzes aber ist
anders und ähnlich erwähnt dem der
räumlichen Aspekte)
(z.B. der Prismenzeichnung). |
450
Die Versuchung, zu sagen “Ich sehe es
so”, indem man bei “es” und
“so” auf das Gleiche zeigt. |
451
Der Begriff ‘sehen’ macht einen wirren Eindruck.
Nun, so ist er.
– Ich sehe in die Landschaft; mein Blick schweift, ich sehe
allerlei klare und unklare Bewegungen; dies prägt
sich mir klar ein, jenes nur ganz
verschwommen.
Wie gänzlich zerrissen uns doch erscheinen kann, was wir
sehen!
Und nun sieh, was eine “Beschreibung des
Gesehenen” heißt!
Aber das ist es, was wir so nennen.
Wir haben nicht einen wirklichen, respektablen Fall so einer
Beschreibung und sagen: “Nun, das
Übrige ist eben noch unklarer, harrt noch der
Klärung, oder muß einfach als
719 Abfall in den Winkel gekehrt
werden. |
452
Es ist hier für uns die ungeheure Gefahr, feine Unterschiede machen zu Wollen. Ähnlich ist es, wenn man den Begriff des physikalischen Körpers aus dem ‘wirklich Gesehenen’ erklären will. Es ist viel mehr das uns wohlbekannte Sprachspiel hinzunehmen, und falsche Erklärungen sind als solche zu kennzeichnen. Das Primitive, uns ursprünglich beigebrachte Sprachspiel bedarf keiner Rechtfertigung, falsche Versuche der Rechtfertigung, die sich uns aufdrängen, bedürfen der Zurückweisung. |
453
Die Begriffsverhältnisse liegen sehr kompliziert.
|
454
Es ist immer zu trennen der Ausdruck von der Technik.
Und der Fall, wenn wir die Technik angeben können, von dem, wenn wir
sie nicht angeben können. |
455
Ich könnte wohl sagen: “Meine Gedanken gehen von
diesem Bild natürlich zu wirklichem Gras, zu
wirklichen Tieren hin; von jenem Bild nie.” |
456
Man sagt beim Anschauen des Bildes: “Siehst
du nicht ein Eichhörnchen!”
“Fühlst du nicht die Weichheit dieses
Pelzes!” –
Und man sagt dies bei gewissen Bildern, bei andern nicht.
|
457
Auf die Idee des Bildwesens, welche nicht unähnlich einer
mathematischen Idee ist, komme ich durch gewisse
Darstellungsweisen, unter gewissen Umständen.
Wenn jemand ein von mir geschriebenes Blatt sieht, so wird er, wenn
er Lateinschrift lesen und schreiben kann, es leicht ziemlich
genau kopieren können.
Er braucht es nur lesen und wieder schreiben.
Trotz der Abweichungen der Handschrift wird er mit Leichtigkeit ein
halbwegs 720 gutes Bild der Linien auf meinem
Blatte hervorbringen.
Hätte er Lateinschrift nicht lesen und schreiben
gelernt, so wäre es ihm nur mit
größter Mühe gelungen, jene verschlungenen
Linien zu kopieren.
Sollen ich nun sagen: wer dies gelernt hat,
sähe das beschriebene Blatt ganz anders als eine
Anderer?
– Was wissen wir davon?
Es könnte ja sein, daß wir Einem, ehe er schreiben
und lesen gelernt hatte jenes Blatt zu kopieren gab; und dann
wieder, nachdem er schreiben und lesen gelernt hatte.
Und er wird uns dann vielleicht sagen: “Ja, jetzt
sehe ich diese Linien ganz anders.”
Er wird auch vielleicht erklären: “Jetzt sehe ich
eigentlich nur die Schrift, die ich gerade lese.; alles andere ist
Drum und Dran, was mich nichts angeht und ich kaum
bemerke.”
Nun, das heißt: er sieht das Bild anders
– wenn er nämlich wirklich auch anders darauf
reagiert.
Ebenso wird, wer lesen gelernt hat, von dem Blatt, das nach der Länge und Quere beschrieben ist, einen andern Bericht geben können, als wer nicht lesen kann. Und Analoges gilt vom Sprechen und den begleitenden Geräuschen. |
459
Denke, Einer antwortete: “Für mich schaut es
immer in dieser Richtung”.
– Würden wir seine Antwort nun
annehmen?
Sie würde uns zu behaupten scheinen, er denke, wann immer
er diesen Buchstaben sieht, an solche Zusammenhänge
(ganz so, wie man sagt: “Wenn immer ich
diesen Menschen sehe, muß ich daran
denken, wie er …” |
460
Aber wenn wir nun das Bild eines Gesichts, oder ein wirkliches
721 Gesicht sehen, – kann man hier auch
sagen: Ich sehe es nur so lange in
dieser Richtung schauend als ich mich so
damit beschäftige?
– Was ist der Unterschied?
Die Mitteilung “Dieses Gesicht schaut nach
rechts” ist, für gewöhnlich, eine über die Lage des Gesichts,
ich mache sie Einem, der selbst das Gesicht nicht
sieht.
Es ist die Mitteilung einer Wahrnehmung. |
461
((Zu № 686 S.191
– 192)).
Zeigt dies nun aber, daß es sich in diesen Fällen
um ein ‘Sehen’ nicht handeln kann –
sondern etwa um ein Denken?
Dagegen spricht schon, daß
man überhaupt von einem Sehen reden will.
Soll ich also sagen, es ist hier ein Phänomen zwischen Sehen und
Denken?
Nein; aber ein Begriff, der zwischen dem des Sehens und dem des Denkens
liegt, d.h., mit beiden
Ähnlichkeit hat; und Phänomene, die mit denen des
Sehens und Denkens verwandt sind (z.B. das
Phänomen der Äußerung
“Ich sehe das F nach rechts
schauen”). |
462
Wie merkt man, daß die Menschen räumlich
sehen?
Ich frage Einen, wie das Terrain liegt, das er
überschaut.
“Liegt es so?” (räumliche
Geste)
– “Ja.”
– “Woher weißt du
das?”
– Es ist nicht neblig, ich
sehe ganz klar.”
– Es werden keine Gründe für die Vermutung
abgeben.
Es ist uns einzig natürlich, das Geschaute räumlich darzustellen;
während es für die ebene Darstellung, sei es durch Zeichnung oder
durch Worte, besonderer Übung und eines Unterrichts
bedarf.
Die Sonderbarkeit der Kinderzeichnungen. |
463
Was fehlt dem, der die Frage nicht versteht, nach welcher Seite der
Buchstabe F schaue, wo ihm etwa eine Nase zu malen wäre?
Oder dem, der nicht findet, beim öfteren Wiederholen eines 722 Wortes gehe diesem etwas verloren; seine
Bedeutung; und es werde nun ein
großer Klang? Wir sagen “Zuerst war etwas da wie eine Vorstellung”. |
464
Ist es dies, daß er einen Satz nicht wie die
Verstehenden genießen, beurteilen
kann; daß der Satz für ihn lebt
(mit allem, was das in sich schließt);
daß das Wort nicht das Aroma seiner Bedeutung
hat?
Daß er sich also in vielen Fällen anders zu einem
Wort verhält als wir?
Daß er sich also in vielen Fällen anders zu einem
Wort verhält als wir?
– Es könnte so sein. |
465
Wenn ich aber eine Melodie mit Verständnis höre, geht da nicht etwas
Besonderes in mir vor – was nicht vorgeht, wenn ich sie
verständnislos höre?
Und was?
– Es kommt keine Antwort; oder was mir einfällt, ist
abgeschmackt.
Ich kann wohl sagen: “Jetzt habe ich sie
verstanden”, und nun etwa über sie reden, sie spielen, sie mit
andern vergleichen, etc.
Zeichen des Verständnisses mögen das Hören
begleiten. |
466
Es ist falsch, das Verstehen einen Vorgang zu nennen, der das Hören
begleitet.
(Man könnte ja auch die
Äußerung davon, das
ausdrucksvolle Spiel, nicht eine Begleitung des Hörens
nennen.)
|
467
Denn wie läßt sich erklären, was
‘ausdrucksvolles Spiel’ ist?
Gewiß nicht durch etwas, was das Spiel
begleitet.
– Was gehört also dazu?
Eine Kultur, möchte man sagen.
– Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist, – dann auf
Musik so und so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes
“ausdrucksvolles Spiel” 723 beibringen können. |
468
Das Verstehen eines Themas ist weder eine Empfindung, noch
eine Summe von Empfindungen.
Es ein Erlebnis zu nennen, ist aber dennoch insofern richtig, als
dieser Begriff des Verstehens manche
Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat.
Man sagt “Ich habe diese Stelle diesmal ganz anders
erlebt”“.
Aber doch ‘beschreibt’ dieser Ausdruck ‘was
geschah’ nur für den, der mit einem sondern Begriff System
vertraut ist. Analogie: “Ich habe die Partie
gewonnen”. || Aber doch sagt dieser
Ausdruck ‘was geschah’ nur für den (also auch
für den Sprecher) der in einer besondern, diesen Situationen
angehörigen Begriffswelt zu Hause ist. |
469
Beim Lesen schwebt mir das vor.
So geht also etwas beim Lesen vor sich …?
Diese Frage führt ja nicht weiter. |
470
Wie kann mir doch das vorschweben?
Nicht in den Dimensionen, an die du denkst. |
471
Gewisses am sehen kommt uns rätselhaft vor, weil uns das ganze Sehen
uns nicht rätselhaft genug vorkommt. |
472
Daß jemand einen deutlich gemalten Würfel räumlich
sieht, wissen wir Alle.
Er kann, was er sieht, vielleicht nicht einmal anders als räumlich
beschreiben.
Und, daß Einer so ein Bild auch flach sehen
könnte, ist klar.
Wenn er nun abwechselnd das Bild einmal so, einmal so sieht, hat er das
Erlebnis eines Wechsels des
Aspekts.
Was ist dann daran das Staunen erregende? –
ist es dies: daß hier der Bericht
“Ich sehe jetzt … nicht mehr Bericht über den
wahrgenommenen Gegenstand sein kann.
Denn früher 723 war ja “Ich
sehe auf diesem Bild einen Würfel” der Bericht
über den Gegenstand, welchen ich anblicke. |
473
Das Unbegreifliche ist ja doch, daß sich
nichts geändert hat und sich doch
Alles geändert hat.
Denn nur so kann man es ausdrücken.
Nicht so: es habe sich in einer
Beziehung nicht verändert, wohl aber in einer andern.
Daran wäre nichts Seltsames.”
Es hat sich nichts geändert”
heißt aber: Ich habe kein Recht, meinen
Bericht über das Gesehene zu ändern, ich sehe nach wie vor das Selbe
– bin aber, auf unbegreifliche Weise, gezwungen abwechselnd ganz
verschiedenes zu berichten. |
474
Und es ist nicht so: ich sehe das Bild
eben als einen der unendlich vielen Körper, dessen Projektion es ist;
– sondern nur als diesen – oder als
diesen.
Das Bild ist also abwechselnd der Eine und der
Andere. |
745
Wir haben jetzt einen Sprachspiel, das in merkwürdiger Weise
gleich, und in merkwürdiger Weise
verschieden von dem
früheren ist.
Die Konsequenzen aus dem Ausdruck “Ich sehe
jetzt … ” sind nun gänzlich andere; obwohl doch
wieder enge Verwandtschaft der Sprachspiele besteht. |
476
Daß das Auge (der Punkt in unserem Bild) in
einer Richtung liegt hätte uns gar nicht in Staunen versetzt – bis
es die Blickrichtung geändert hatte. |
477
((Statt № 835 S.299.))
Die Frage liegt nahe: könnten wir uns Menschen denken, die nie
etwas als etwas sähen?
Würde diesen ein wichtiger Sinn fehlen; ähnlich als wären sie
farbenblind oder als fehlte ihnen absolutes
Gehör?
Nennen wir solche 724 Menschen einmal
“gestaltblind” oder
“aspektblind”. |
478
Da wird es sich fragen, für welche Art von Aspekt
einer blind ist.
Soll ich z.B. annehmen, daß er
das Würfelschema nicht einmal so, einmal
anders im Raum sehen kann?
Ist es so, werde ich konsequenter Weise annehmen müssen, er könne
das Bild eines Würfels nicht als Würfel, also das Bild eines räumlichen
Gegenstandes nicht als solchen sehen.
Er hätte also zu Bildern überhaupt eine andere Einstellung als
wir.
Es könnte die sein, die
wir zu einer Blaupause haben.
Er wäre z.B. im Stande, nach einer bildlichen
Darstellung zu arbeiten.
– Aber hier ist die Schwierigkeit, daß er
ein Bild dann nie für einen räumlichen Gegenstand halten dürfte, wie wir
z.B. manchmal eine
Scheinarchitektur.
Und das könnte man nicht wohl eine Blindheit nennen; eher
das Gegenteil.
(Diese Untersuchung ist keine psychologische.)
|
479
Es läßt sich ja natürlich vorstellen,
daß Einer nie einen Wechsel des
Aspekts sieht; indem der räumliche Aspekt eines jeden Bildes für ihn
immer stabil bleibt.
Aber diese Annahme interessiert uns nicht |
480
Es ist aber denkbar, und für uns auch wichtig, daß
Leute ein von dem unsern ganz verschiedenes Verhältnis zu Bildern
haben könnten.
((No. 836
S.230)). |
481
Wir könnten uns also Einen denken, der nur ein gemaltes Gesicht als
Gesicht sähe, aber nicht eines, das aus einem Kreis und vier Punkten
besteht.
Der also das Hasen-Entenbild nicht als Bild eines Tierkopfes sieht,
und daher auch nicht den Aspektwechsel,725 welchen wir kennen.
|
482
Einer soll das Bild eines Laufenden nicht als Bild der Bewegung sehen
können: Wie würde es sich zeigen?
Ich nehme an, er habe gelernt, daß so ein Bild einen
Läufer darstellt.
So kann er also sagen, es sei ein Läufer; wie wird er sich dann von
den normalen Menschen unterscheiden?
Er wird für die Darstellung der Bewegung in einem Bild überhaupt nicht
Verständnis zeigen, –
werde ich annehmen.
Und was würden wir Zeichen dieses mangelnden
Verständnisses nennen?
– Das können wir uns unschwer ausmalen.
(Wenn aber ein solcher nun jedes Bild sehen und
genau kopieren könnte, so würden wir gewiß von ihm
nicht sagen.
Sein Gesichtssinn sei
mangelhaft.) Es ist ja klar, daß der Schüler, der nur eben erst mit dem Begriff Spitze, Grundlinie, etc. Bekanntschaft gemacht hat, daß dem || für den die Worte “Ich sehe jetzt ” das als Spitze – jetzt das” keinen Sinn haben werden. Aber das meinte ich nicht, als einen Erfahrungssatz. |
483
Nur von dem würde man sagen, er sähe es jetzt so, jetzt
so, der im Stande ist, mit Geläufigkeit allerlei
Anwendungen von der Figur zu machen. |
484
Wie seltsam aber, daß dies die Bedingung sein soll,
daß er das und das erlebt!
Du sagst doch nicht, daß nur der
Zahnschmerzen hat, der das und das zu tun im Stande sei.
Woraus eben folgt, daß wir's hier nicht
mit dem selben Erlebnisbegriff zu tun
haben.
Der Erlebnisbegriff ist jedesmal ein anderer, wenn auch ein Verwandter. 726 |
485
Wir sprechen, machen
Äußerungen, und erst
später erhalten wir ein Bild von
ihrem Leben. |
486
Man könnte sich aber diese Art und Weise denken, dem Schüler jenes Sehen beizubringen: Man zeichnet zu dem Dreieck ein zweites hin, welches das noch nicht umgestürzt ist. Später läßt man dies aus und er kann nun das Dreieck als umgefallen sehen. – Muß er denn aber diese Illustration verstehen, oder doch richtig sehen? – Es könnte sein, daß sie ihn nur noch verwirrt. Wem jene Illustration nichts sagt, zu dem werden auch andere Bilder nicht sprechen wie zu uns, er wird auf sie nicht so reagieren wie wir. (Nicht erfahrungsmäßig.) Analogie mit dem Bild des laufenden Pferdes. |
487
Es ist nicht weniger als selbstverständlich daß wir
mit zwei Augen ‘räumlich’ sehen.
Wenn die Beiden Gesichtsbilder in eins verschmelzen, könnte man sich
als Resultat ein verschwommenes erwarten, analog einer verwackelten
Photographie. |
488
Eine Geheimsprache, die ich mit Einem vereinbare, worin
“Bank” Apfel bedeutet.
Gleich nach der Vereinbarung sage ich ihm “Schaff diese
Bänke fort!”
– Er versteht mich und tut es; aber das Wort
“Bank” kommt ihm in dieser Verwendung noch immer
fremdartig vor, und er mag bei ihm die Vorstellung von einer Bank
haben. |
489
Was würde man von dem sagen, der das Würfelschema nicht einmal als
Stehende, einmal als liegende Schachtel sehen kann?
Ist dies nicht, wenn es ein Defekt ist, eher
Einer der Fantasie, als des
Gesichtspunktes? 727 |
490
Aber welch merkwürdige Methode!
– Ich bilde einen Begriff und frage mich, wie er
konsequent durchzuführen wäre.
Was “seine konsequente Durchführung”
für uns zu heißen verdiente.
Wir sehen ein Gemälde zwar räumlich, es wäre uns nicht leicht, es
als Aggregat ebener Farbflächen zu beschreiben, aber was wir im
Stereoskop sehen, schaut noch ganz anders räumlich aus.
– Wer eine Photographie betrachtet, von Menschen, Häusern, Bäumen
etwa, dem scheint Räumlichkeit an ihr nicht abzugeben!
((Zu der Bemerkung über das räumliche mit beiden
Augen.)) |
491
Ich kann das Würfelschema als Schachtel sehen, aber nicht:
einmal als Papier – einmal als Blechschachtel.
– Was sollte ich dazu sagen, wenn jemand mir
versicherte er könnte die Figur als
Blechschachtel sehen?
Sollte ich antworten, daß sei kein
Sehen?
Aber, wenn nicht sehen, könnte er es also
empfinden?
Es wäre natürlich plausibel, zu antworten: nur was in Wirklichkeit gesehen werden könnte, könne man sich so visuell vorstellen. ((Das Wissen im Traum.)) |
492
Die Erfahrung, wenn man aus dem Kino auf die Straße
tritt und Straße und Menschen sieht, als wären sie
auf dem Lichtschirm und Teil einer
Filmhandlung.
Woran liegt es?
Wie sieht man die Straße und die
Menschen?
Ich könnte nur sagen: ich habe z.B. den
flüchtigen Gedanken “vielleicht wird dieser Mann
eine Hauptperson im Stück sein”.
Aber das allein ist es nicht.
Meine Einstellung ist irgendwie die,
dir || zu den Vorgängen auf der
Leinwand.
Etwa wie eine milde Neugierde, ein Vergnügen.
Aber das Alles kann ich zuerst gar nicht sagen.
|
493
Gehört dazu, etwas als Variation eines bestimmten Themas zu
728 hören, nicht Fantasie?
Und doch nimmt man dadurch etwas wahr. |
494
“Stell dir das so geändert vor, so
hast du das andere.”
Im Allgemeinen möchte man sagen, die Vorstellungskraft
könne ein Bild, eine Demonstration ersetzen. |
495
Die Aspekte des doppelten Kreuzes kann man einfach dadurch
ausdrücken, daß man einmal auf ein
weißes Kreuz, einmal auf ein Schwarzes
zeigt, darauf also, worauf man auch bei der Frage wiese
“Ist in der Figur auf diesem Papier dies
enthalten?”
– Die gleiche Frage könnte man bezüglich des Hasen
– Enten – Bildes stellen.
Es ist aber auch klar, daß hier jeder Fall
etwas von dem Andern abweicht.
Denn, um die Aspekte dieses Bilds auszudrücken, zeigt man z.B. auf etwas, was nicht im Bild enthalten ist, wie das schwarze Kreuz im Doppelkreuz. |
496
Du redest doch vom Verstehen der
Musik.
Du verstehst sie doch während du sie hörst!
Sollen wir davon sagen, es sei ein Erlebnis, welches das Hören
begleite? |
497
Ich gebe Zeichen des Entzückens und des Verständnisses.
Ist es Wortklauberei: Freude, Genuß, Entzücken seien nicht Empfindungen? Fragen wir uns einmal: Wieviel Analogie besteht denn zwischen dem Entzücken und dem, was wir z.B. “Sinnesempfindungen nennen? |
498
Das Bindebild zwischen ihnen wäre der Schmerz.
Denn sein Begriff ähnelt dem der Tastempfindung,
z.B. (durch die Merkmale der Lokalisierung,
echten Dauer, Intensität, Qualität) und zugleich dem
der Gemütsbewegungen durch den Ausdruck (Mienen, Gebärden,
Laute). 729 |
499
Wie weiß ich, daß Einer
entzückt ist?
Wie lernt man den sprachlichen Ausdruck des
Entzückens?
Woran knüpft er sich?
An den Ausdruck von Körperempfindungen?
Fragen wir Einen, was er in der Brust, in den
Gesichtsmuskeln spürt, um herauszufinden, ob
er Genuß empfindet? |
500
Heißt das aber, es gäbe nicht doch Empfindungen, die
oft beim Genießen der Musik wiederkehren?
Durchaus nicht.
(Bei manchen Stellen mag ihm das Weinen kommen und es spürt es im
Kehlkopf).
Ein Gedicht macht uns beim Lesen einen Eindruck. “Fühlst du das selbe, während du es liest, wie wenn du etwas Gleichgültiges liest?” – Wie habe ich auf diese Frage antworten gelernt? Ich werde vielleicht sagen: “Natürlich nicht!” – was soviel heißt wie: mich ergreift dies, und das andere nicht. “Ich erlebe dabei etwas anderes.” – Und welcher Art ist dies? – Ich kann nichts Befriedigendes antworten. Denn, was ich angebe, ist nichts Wichtiges. – “Hast du aber nicht während des Lesens genossen?” Freilich ‒ ‒ ‒ denn die entgegengesetzte Antwort hieße: ich hätte es früher, oder später genossen; und das will ich nicht sagen. Aber nun erinnerst du dich an gewisse Empfindungen und Vorstellungen und Gedanken beim Lesen, und zwar solche, die für das Genießen, für den Eindruck nicht irrelevant waren. – Aber von denen möchte ich sagen, sie hätten ihre Richtigkeit nur durch ihre Umgebung erhalten: durch das Lesen des Gedichts, durch meine Kenntnis der Sprache, des Metrums und unzähliger anderer Dinge. Diese Augen lächeln nur in diesem Gesicht und in diesem zeitlichen Zusammenhang.) Du mußt dich doch fragen, wie haben wir den Ausdruck 730 “Ist das nicht
herrlich!” (z.B.) überhaupt
gelernt?
– Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen,
Vorstellungen, oder Gedanken bezog, die das Hören
begleiten!
Ja, wir würden nicht verzweifeln,
daß er's genossen hat, wenn er keine
solchen Erlebnisse anzugeben wüßte; wohl aber, wenn
es sich zeigte, daß er gewisse Zusammenhänge nicht
versteht. |
501
Aber zeigt sich das Verständnis nicht z.B. darin,
mit welchem Ausdruck Einer das Gedicht liest, die Melodie
singt?
Gewiß.
Aber was ist nun hier das Erlebnis während des Lesens?
Da müßte man ja sagen: der
genieße und verstehe es,
der es gut gelesen hört, oder in den Sprechorganen
fühlt. |
502
Man kann auch vom Verstehen einer musikalischen Phrase sagen,
es sei das Verstehen einer Sprache. |
503
Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten.
Du sagst “Was liegt nicht alles in
ihr!”
Aber es ist nur, so zu sagen, eine optische Täuschung,
wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt.
(Denk doch daran, daß wir manchmal,
ganz mit sagen, und ganz mit
Recht: “Es kommt drauf an,
wer's sagt”.)
(Nur in dem Schluß der Gedanken und des Lebens
haben die Worte Bedeutung.) |
504
Nicht das enthält die Täuschung:
“ Jetzt habe
ich's verstanden.” – und nun folgt vielleicht
eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe. |
505
Wie hängt das Sehen eines Aspekts zusammen mit der Fähigkeit zu
operieren (z.B. in der Mathematik)?
Denk an das räumliche Sehen in der darstellenden
Geometrie und das Operieren in der 731 Zeichnung.
Er bewegt sich mit dem Stift auf der Zeichenfläche, als bewegte er sich
im wirklichen Körper.
Wie aber kann das ein Beweis des Sehens sein?
Nun, ist es uns nicht auch ein Beweis des Sehens, wenn sich Einer mit Sicherheit im Zimmer umher bewegt? Es gibt eben verschiedene Kriterien des Sehens. Frag dich: Muß Einer, der Tiere, Menschen, und allerlei Gegenstände gut nach der Vorstellung oder Erinnerungen zeichnen kann, sie dazu vor dem innern Auge sehen? Die Antwort könnte sein: “In so einem Fall sagen wir eben … ” – aber auch: “Man muß den Zeichner fragen, ob er's tut oder nicht.” |
506
Es ist nun ein Zusammenhang zwischen Aspekt und Fantasie. |
507
Die Aspekte von Mantel und Grundfläche.
Was fehlt dem, der für sie blind
wäre?
– Es ist nicht unsinnig, zu antworten:
Vorstellungskraft. |
508
Bedenke, daß es für einen Aspekt oft ein
‘treffendes’ Wort gibt.
Läßt man z.B. Einen das Doppelkreuz ansehen und berichten, welchen der beiden Aspekte (schwarzes Kreuz oder weißes Kreuz) er sehe, so mag es uns gleichgültig sein, ob er sagt, er sehe das eine Mal etwas wie ein weißes Windmühlchen mit vier Flügeln, das andere Mal ein stehendes schwarzes Kreuz, oder ob er das weiße Kreuz als vier gegen die Mitte gefaltete Spitzen eines Papiers sieht. Das Kreuz, welches ‘jetzt’ gesehen wird, kann auch als kreuzförmige Öffnung gesehen werden. Aber auf diese Unterschiede müßte es uns nicht ankommen; und man könnte also eine Unterscheidung machen zwischen ‘rein optischen’ und ‘begrifflichen’ 732 Aspekten.
((Ähnlich könnte es bei der Erzählung
eines Traums auf die besondern Worte, mit welchen die
Traumsituationen beschrieben werde, ankommen, oder nicht
ankommen.)) |
510
“Es sieht jetzt für mich nach links ‒ ‒ ‒ und nun wieder
nach rechts.”
Also so, wie schon vorher?
Nein; früher hatte es für mich keine
Richtung.
Ich umgab es früher nicht mit dieser Welt von Vorstellungen.
|
511
Die Aufmerksamkeit ist dynamisch, nicht statisch – möchte
man sagen.
Ich vergleiche das Aufmerken zuerst mit einem
Hinstarren: das ist es aber nicht, was ich Aufmerksamkeit nenne;
und will nun sagen, ich finde, man könne nicht
statisch aufmerken. |
512
Einer könnte beim Anblick eines Felsens ausrufen
“Ein Mann!” und nun vielleicht dem andern
zeigen, wie er in dem Felsen den Mann sieht, – wo das
Gesicht, wo die Füße sind, etc.
(Ein anderer könnte in der gleichen Form einen Mann in anderer
Weise sehen.
Man wird sagen, es sei dazu Fantasie erforderlich. Nicht aber dazu, das naturgetreue Bild eines Hundes als solches zu erkennen. |
514
Ich sage mir beim Anblick der
Photographie nicht
“Das könnte man als einen Menschen
ansehen”.
Noch beim Anblick des F: “Das könnte man als
ein F ansehen”. |
515
Wer mir die Figur zeigte und mich fragte “Was ist
das?”, dem könnte ich nur so
antworten.
– Auch nicht: “Ich halte das für
ein … ”, oder “Es ist wohl
ein …”.
So wenig, wie ich beim Lesen in einem Buch die Buchstaben für das oder
das halte. |
516
“Ich sehe als ein … ” geht zusammen mit
“Ich versuche es als … zu sehen”, oder
“Ich kann es noch nicht als ein …
sehen”.
Du kannst aber nicht versuchen, das gewöhnliche F als dies zu
sehen. |
517
Einen im Geist um Rat fragen.
Die Zeit schätzen, indem man sich eine Uhr
vorstellt. |
518
Im Aspekt ist eine Physiognomie vorhanden, die nachher vergeht.
Es ist beinahe, als wäre da
ein Gesicht, welches ich zuerst
nachahme und dann hinnehme, ohne es nachzuahmen.
Und ist das nicht eigentlich genug der
Erklärung?
– Aber ist es nicht zu
viel? |
519
Wenn ich in einem bestimmten Fall sage: die Aufmerksamkeit
besteht in der Bereitschaft, jeder kleinsten Bewegung, die sich zeigen
mag, zu folgen, – so siehst du schon, daß die
Aufmerksamkeit nicht das starre Hinschauen ist, sondern ein Begriff
anderer Art. |
520
Nicht den Aspektwechsel sieht man, sondern den Deutungswechsel.
|
521
Du siehst es nicht einer Deutung, sondern einem Deuten
gemäß. 734 |
522
Wen man fragte “Kannst du F als ein ef
sehen?”, der würde uns nicht verstehen.
Die Frage “Kannst du es als ein Spiegel-F
sehen” aber würde er verstehen.
Und auch die: “Und kannst du es
jetzt wieder als ein gewöhnliches ef sehen?”
Warum?
“Kannst du es als … sehen?” oder “Sieh es jetzt als ein … ”” geht zusammen mit: “Faß es jetzt als ein … auf.” Nur wo dieser Befehl Sinn hat, hat jene Frage Sinn. |
523
Denk, jemand sagte, auf ein gewöhnliches Druck-F zeigend,
“Jetzt es ein ef”
– Was heißt das?
Hat es einen Sinn?
Es hat einstweilen noch keinen.
In wie fern ist es
jetzt dies?
Etwa insofern es immer dies ist?
Und im Gegensatz wozu?
– Ich schaue auf eine Lampe und sage “Jetzt ist es
eine Lampe” – was kann ich meinen? |
524
Du brauchst eine neue Begriffsbrille. |
525
Wer sagt “Jetzt ist es für mich ein Gesicht”, dem
kann man fragen: “Auf welche Art der Verwandlung
spielst du an?” |
526
Der Ausruf “Ein Hase!” ist ja verwandt mit
der Meldung“ “ein
Hase”. |
527
Was ist denn die Äußerung des
Staunens?
Kann es eine stationäre Haltung sein?
Kann also das Staunen ein Zustand der Ruhe sein? || ein stationärer Zustand
sein? |
528
Denk dir, man fragte: “Warum ist das Erlebnis der
Überraschung nicht
festzuhalten?” |
529
“Das ef verschwindet und es ist ein Kreuz da; das
Kreuz verschwindet und es ist ein Spiegel-F da;
etc.”
Das ist doch der 735 Ausdruck der Änderung
der Wahrnehmung. |
530
Vergiß,
vergiß, daß du diese
Erlebnisse selber hast! |
531
Es ist uns doch, als zeichnete unser Auge jedes Mal eine andere Figur
in diese Striche (auf dem Papier). |
532
Verschiedene Bilder erscheinen mir.
Aber wie verschieden?
Worin verschieden?
Daß kann ich nur durch eine Genesis
erklären. |
533
Ich sage etwas; und es ist richtig; – aber nun
mißverstehe ich die Verwendung, der diese Aussage
gehören würde. |
534
Wie spielt man denn das Spiel “Es könnte auch
das sein”?
Das, was die Figur auch sein könnte – und das ist das,
als was sie gesehen werden kann – ist nicht einfach eine andere
Figur.
Es hatte darum keinen Sinn, zu sagen: F könnte auch ein
sein.
Oder auch: – dies könnte ganz verschiedenerlei
heißen.
Jenes Spiel aber könnte man z.B. mit einem Kind spielen. Zusammen betrachten wir eine Figur; oder einen beliebigen Gegenstand (ein Möbelstück) – und nun heißt es: “das soll jetzt ein Haus sein” – und es wird nun von ihm berichtet und erzählt, und man stellt sich zu ihm, als wäre es ein Haus, und es wird ganz als dies ausgedeutet. Dann stellt das gleiche Ding etwas anderes vor, eine andere Erfindung wird darum gewoben. |
535
Wie wirst du wissen, ob das Kind das Ding als
sieht? nun, vielleicht wird es dies spontan
sagen.
Etwa sagen; “Ja, jetzt sehe ich es
als …”.
Und in dieser 736 Situation, bei der lebhaften Teilnahme an
der Erdichtung, wird es uns allerdings das Sehen des Aspekts
bedeuten. |
536
Ich will sagen: dieses Spiel ist mit dem des Sehens der Aspekte
des F z.B. verwandt.
Daß Einer mit den Dingen, gleichsam, Theater spielen kann, ist für uns eine Vorbedingung dessen, daß er mit den Worten “Jetzt sehe ich es als … ” das meint, was wir meinen. |
537
Wie lehrst du ein Kind etwa beim Rechnen:
“Jetzt nimm diese Punkte zusammen!” oder
“jetzt gehören die zusammen”?
Offenbar muß
“zusammennehmen” und “zusammengehören”
ursprünglich eine andere Bedeutung für ihn gehabt haben, als die, etwas
so oder so sehen.
– Und das war eine Bemerkung über Begriffe, nicht über
Unterrichtsmethoden. |
538
Man kann allerdings sagen “Sieh die Figur jetzt an
für fünf Minuten als ein … ”,
denn dies heißt: Er halte,
balanciere sie in diesem Aspekt. |
539
Was verstehst du, wenn dir Einer sagt “Ich sehe es
(nämlich das gewöhnliche F) als ein
ef”?
– Daß er es mit Aspekten zu tun hat;
daß es ein labiler Zustand
ist.
Daß er denkt ‘es könnte auch das
sein’. |
540
Das Sehen der Aspekte ist auf anderen Spielen aufgebaut. |
541
Man redet ja von einem Rechnen in der Vorstellung.
Es ist also nicht Überraschendes,
daß die Vorstellungskraft der Erkenntnis dienen
kann. |
542
Ich will aber nicht sagen, daß der Aspekt eine
Vorstellung 737 ist.
Aber daß ‘einen Aspekt sehen’ und
‘sich etwas vorstellen’ verwandte Begriffe
sind. |
543
Vom Sehen des Aspekts möchte man fragen: “Ist
es ein Sehen? ist es ein Denken?”
Der Aspekt untersteht dem Willen: schon das macht
ihn dem Denken verwandt. |
544
“Der Aspekt untersteht dem Willen”.
Er ist nicht Erfahrungssatz.
Es hat Sinn, zu sagen “Sieh diesen Kreis als Loch, nicht
als Scheibe”; aber nicht “Sieh ihn als
Viereck”, oder “Sieh ihn
rot”. |
545
((Zu № 699)).
Sehe ich wirklich jedes Mal etwas anderes, oder deute ich nur,
was ich sehe, auf verschiedene Weise?
Ich bin geneigt, das erste zu sagen.
Aber warum?
– Deuten ist ein Denken, ein Handeln.
|
546
Die Fälle, in welchen wir deuten, was wir sehen, sind leicht
zu erkennen.
Deuten wir, so machen wir eine Hypothese, die sich als falsch erweisen
mag.
“Ich sehe diese Figur als ein … ” kann so wenig
(oder nur in dem Sinne) verifiziert werden, wie die Aussage
“Ich sehe ein leuchtendes Rot”.
Hier besteht also eine Ähnlichkeit der
Verwendungen des Wortes “sehen” in beiden
Zusammenhängen. |
547
Denken wir, es fragte jemand; “Sehen wir Alle ein F
auf die gleiche Weise?”
Was könnte damit gemeint sein?
– Wir könnten diesen Versuch machen: wir zeigen
verschiedenen Leuten F und stellen die Frage “wohin schaut
ein F, nach rechts, oder links”?
Oder: “Wenn du ein F mit einem Gesicht im
Profil vergleichst, wohin schaut das
Gesicht?” Mancher aber würde vielleicht diese Frage nicht verstehen. 738
Wie Mancher auch die Frage nicht versteht “Welche Farbe hat
für dich der Vokal a?”
– Wenn Einer sie nicht verstünde, wenn er erklärte, sie
sei Unsinn, – könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht
die Bedeutungen der Wörter “Farbe”,
“Vokal”, etc.?
Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch jene Fragen ‘mit Verständnis’ oder ‘ohne Verständnis’ reagieren. |
548
Denk, nicht die Frage wäre gestellt worden “In welcher
Richtung schaut der Buchstabe …?”
– Sondern die: “Wenn du Einem
F oder J ein Auge oder eine Nase malen solltest,
wohin würde es schauen?”
Dies wäre doch auch eine psychologische Frage.
Und in ihr ist von einem ‘so, oder anders
sehen’ nicht die Rede.
Statt dessen aber von einer Neigung, das eine oder andere zu
tun.
(Es ist aber zu bedenken wie er zu der || seiner Antwort auf
diese Frage gelangt.)
– Also ist es jenes Sehen mit einer Neigung verwandt.
Die Neigung kann sie ändern, oder ganz fehlen. |
549
“Mit diese Verteilung der Fenster schaut die
Fassade dorthin.”
“Die Fenster waren früher so verteilt, daß die Fassade dorthin sah.” Der erste Satz ist ähnlich einen geometrischen. Im zweiten dient der Begriff der ‘Richtung, in welcher sie schaut’ der Beschreibung der Fassade. So wie man ein Gesicht mittels der Begriffe ‘fröhlich’, ‘mürrisch’, ‘mißtrauisch’ beschreibt, oder eine Bewegung mit ‘furchtsam’, ‘zögernd’, ‘sicher’. Und insofern dies Beschreibungen des visuell Wahrgenommenen, des 739 Beobachteten sind, sind es auch
Beschreibungen des visuellen Eindrucks.
Man kann also sagen: man sähe das Zögern.
(Wer ein Bild kopiert, dem kann man sagen “Das
Gesicht ist noch nicht richtig, es ist nicht traurig
genug”.) |
550
Wer einen Blick für Familienähnlichkeiten hat, kann erkennen,
daß zwei Leute mit einander verwandt sind, auch ohne
sagen zu können, worin die Ähnlichkeit
besteht.
(Denke an den Fall des Rechenkünstlers.) |
551
Es könnte sprachunrichtig sein, zu sagen
“Ich sehe Furcht in diesem Gesicht”.
Es wurde uns gelehrt: ein furchtsames Gesicht könne man
‘sehen’; die Furcht in ihm, die
Ähnlichkeit, oder Verschiedenheit zweier Gesichter
‘bemerke’ man. |
552
Die Verwandtschaft der beiden Begriffe zeigt sich ja in dieser
Erklärung; um ihre Verschiedenheit zu erkennen, bedenke man,
welchen Sinn es haben könnte zu sagen, Einer habe die
Ähnlichkeit zweier Gesichter von diesem
Glockenschlage bis zum nächsten gesehen,
oder denk an den Befehl:
|| “Bemerke die
Ähnlichkeit von …
bis …!” |
553
Die Beschreibung des Gesichtseindrucks kann eine Zeichnung sein.
Was in der Zeichnung oben, was unten ist, ist
meistens von der größten Wichtigkeit.
Es könnte aber auch festgesetzt werden in welcher
Entfernung vom Auge wir sie halten sollten.
Ja auch, auf welchem Punkt die Zeichnung wir zu blicken
haben, oder wie unser Blick auf ihr zu wandern habe. |
554
Ich fange an, die Ähnlichkeit zu sehen, wenn sie mir
‘auffällt’; und sehe sie dann, solange ich
die ähnlichen Gegenstände sehe?
Oder nur solange ich mir der Ähnlichkeit
bewußt bin?
– Fällt mir 740 die
Ähnlichkeit auf, so nehme ich etwas
wahr; ich brauche mir ihrer aber nicht
bewußt zu bleiben, um wahrzunehmen,
daß sie sich nicht ändert. |
555
Zwei Verwendungen des Berichtes “ich
sehe …”.
Ein Sprachspiel: “Was siehst
du dort?”
– “Ich sehe … und es folgt eine Beschreibung des
Gesehenen mit Worten, durch eine Zeichnung, ein Modell,
Gebärden, etc.
– Ein anderes Sprachspiel: Wir betrachten zwei
Gesichter, und ich sage zum Andern: “ich sehe eine
Ähnlichkeit in ihnen.”.
Im ersten Sprachspiel hätte die Beschreibung z.B. lauten können: “Ich sehe zwei Gesichter, die einander ähnlich sind wie Vater und Sohn.” – Man kann dies eine weit unvollständigere Beschreibung nennen als die durch eine Zeichnung es wäre. Aber Einer könnte diese vollständigere Beschreibung geben und doch jene Ähnlichkeit nicht bemerken. Ein Anderer könnte die Zeichnung des Ersten sehen und die Familienähnlichkeit in ihr entdecken; und in gleicher Weise auch eine Ähnlichkeit des Gesichtsausdrucks. |
556
“Als ich das Wort jetzt aussprach, bedeutet es für
mich …”.
Warum sollte das nicht einfach Wahnsinn sein? weil
ich das erlebte?
Das ist kein Grund. |
557
Es sind ganz besondere Fälle: in denen das Innere
mir verborgen erscheint.
Und die Unsicherheit, die sich so ausdrückt, ist nicht eine
philosophische, sondern eine praktische und primitive. |
558
Es ist dann, als ob ich mir erst bewußt würde,
daß das Innere eigentlich immer verborgen
ist. |
559
(Man sagt auch: Der Mensch ist mir
vollkommen durchsichtig.)741
So ist mir also ein Mensch manchmal durchsichtig, manchmal
undurchsichtig.” |
560
“Ich kann nie wissen, was in ihm vorgeht.”
– Aber muß denn etwas in ihm
vorgehen?
Und warum soll ich mich darum kümmern?
– Es ist aber eine wirkliche, nicht erträumte Unsicherheit, welche
uns dieses Bild nahelegt. |
561
Was ist die Wichtigkeit davon, daß Einer das und das
Geständnis macht? muß er denn seinen Zustand
richtig beurteilen können? –
Es kommt eben nicht auf einen inneren Zustand an,
den er beurteilt sondern gerade auf sein Geständnis.
(Sein Geständnis kann Gewisses erklären. Es kann z.B. meinen Verdacht von einem Andern abziehen.) |
562
Die prinzipielle Unsicherheit: Ich weiß
nicht, was er denkt, wenn er es nicht
ausspricht || drückt.
Aber stell dir vor, er drückte es wohl aus, aber in einer Sprache, die
du nicht verstehst.
Er könnte es mit dem Finger einer Hand auf den Handrücken der andern
klopfen, in Morsezeichen oder ähnlichem.
Dann ist es doch auch geheim, und nicht ebenso sehr als wäre
es mir ausgedrückt werden?
Die Sprache könnte ja auch von einer Art sein, wie ich sie nie lernen
könnte, z.B. mit einer
außerordentlichen
Regelmäßigkeit. |
563
Es kann Einer also seine lauten Gedanken vor mir verbergen,
indem er sie in einer mir fremden Sprache ausspricht.
Wo ist aber hier das verborgene
Seelische? |
565
Du kannst der Empfindung des Andern so
sicher sein, wie irgend eines
Faktums.
Damit sind aber die Sätze “Er ist
beglückt” und”
2 × 2 =
4 nicht zu ähnlichen Instrumenten geworden.
Zu sagen “Die Sicherheit ist eine andere” liegt
nahe, macht || behebt aber die
Unklarheit nicht. |
566
“Aber schließt du eben nicht einfach vor
dem Zweifel die Augen, wenn du sicher bist?”
– Sie sind mir geschlossen.
Es ist wohl wahr: Jener Zweifel wird auf einem ganz anderen Weg erreicht, als der an einem arithmetischen Satz. Vor allem ist da die völlige Gewißheit der Grenzfall eines nach Graden verschiedenen Glaubens. – Und es ist eben alles anders. |
567
Und nun – möchte ich sagen – gibt es hier allerdings den Fall
des hoffnungslosen Zweifels.
Wenn ich sage: “Ich habe keine Ahnung, was er
wirklich denkt –”.
Er ist mir ein verschlossenes Buch.
Wenn das einzige Mittel, den Andern zu verstehen, wäre,
die gleiche Erziehung wie er durchzumachen, – was unmöglich
ist.
Und hier ist keine Verstellung.
Denk dir aber Leute, deren Erziehung dahingeht, den Ausdruck der
Gemütsbewegung im Gesicht und in den Gebärden zu unterdrücken, und diese
Leute machen sich mir unzugänglich indem sie laut denken in einer mir
unverständlichen Sprache.
Nun sage ich “Ich habe keine Ahnung von dem, was in
ihnen vorgeht”, und doch liegt es als äußere
Tatsache vor. |
568
“Ich kann nicht wissen, was in ihm
vorgeht” ist vor allem ein
Bild.
Es ist der überzeugende Ausdruck der || einer
Überzeugung.
Es gibt nicht die Gründe der Überzeugung an.
Diese sind nicht etwas, was man unmittelbar
sieht. 743 |
569
“Man sieht Gemütsbewegung.”
– Im Gegensatz wozu? –
Man sieht nicht die Gesichtsveränderungen und
schließt nun, er fühle Freude,
Trauer, Langeweile.
Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig,
glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht im Stande ist, sonst
irgend eine Beschreibung der Gesichtszüge zu geben.
– Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man
sagen.
Dies ist dem, was wir “Gemütsbewegung” nennen,
wesentlich. |
570
Der, denn ich bedeutungsblind nenne, wird wohl den Auftrag
verstehen: “Sag ihm, er solle zur Bank gehen, und ich
meine die Gartenbank”, aber nicht:
“Sag das Wort Bank und meine damit
Gartenbank”.
Er wird auch nicht melden können: es sei ihm beinahe gelungen, das Wort sei aber in die falsche Bedeutung ausgerutscht. Es kommt ihm auch nicht vor, als habe das Wort etwas in sich, was förmlich wie eine Schreibweise die Bedeutung fixiert; und auch nicht, daß die Schreibweise gleichsam ein Bild der Bedeutung sei. – Man ist z.B. stark versucht, zu meinen, daß der andern Schreibweise doch || wenigstens ein geringer Unterschied der Aussprache entspricht, auch wo es gewiß so ist. Es ist hier der für viele anderem als Beispiel dienende Fall: daß man sich die beiden Wörter (z.B. “Für” und “führ”) vorspricht und sie wirklich etwas verschieden ausspricht, obwohl man es natürlich im Fluß der Rede, wenn man nichts solches denkt, nicht tut; schon darum, weil man dann jedes der beiden Wörter bei verschiedenen Anlässen ungleich || verschieden ausspricht. 744 |
571
Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden
stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert
wird.
Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten
Gebrauch.
Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem
geht ein Gefühl ab, ähnlich wie das, welches dem
“Bedeutungsblinden” mangeln
würde. |
572
Wie konnte er das Wort in der Bedeutung hören?
Wie war es möglich?!
– Gar nicht – in diesen Dimensionen. |
573
Aber ist es also nicht wahr, daß das Wort für mich
jetzt das bedeutet?
Warum nicht?
Es kommt ja dieser Sinn mit der übrigen Verwendung des Wortes nicht in
Konflikt.
Es sagt Einer: “Gib ihm den Befehl … und meine damit …!” Was kann das heißen? Aber warum gebrauchst du für dein Erlebnis gerade diesen Ausdruck? einen schlecht sitzenden Anzug! – Das ist der Ausdruck des Erlebnisses, wie “Der Vokal e ist gelb” und “Ich wußte im Traume, daß … Ausdrücke anderer Erlebnisse. Ein schlecht sitzender Anzug ist es nur, wenn du ihn falsch auffaßt. Dieser Ausdruck gehört zum Erlebnisse ebenso, wie die primitive Schmerzäußerung zum Schmerz. |
574
W. James: der Gedanke
sei schon am Anfang des Satzes fertig.
Wie kann man das wissen?
– Aber die Absicht, ihn auszusprechen, kann
schon geschehen, ehe das erste Wort gesagt ist.
Denn fragt man Einen “weißt du, was du
sagen willst?” so wird er es oft bejahen.
Ich habe die Absicht, dieses Thema zu pfeifen: habe ich es damit in irgendeinem Sinne, etwa im Gedanken, schon gepfiffen? 745 |
575
Wer die Frage bejaht “Weißt du schon,
was du sagen willst?”
Dem wird vielleicht irgend etwas vorschweben; aber
wäre dies auch etwas objektiv
hörbares oder sichtbares, so könnte man doch
meistens das Beabsichtigte nicht mit Sicherheit daraus entnehmen.
(Aufzeigen.) |
576
Nicht Jeder, der eine Absicht hat, hat darum einen Plan
gemacht. |
577
Welche Formen geistiger Defekte wirklich existieren, kümmert
uns nicht; aber wohl die Möglichkeiten solcher Formen.
Nicht, ob es Menschen gibt, die nicht des Gedankens
“ich wollte damals … ” fähig sind, wohl
aber: wie dieser Begriff sich durchführen
läßt. |
578
Wie ließe sich diese Annahme konsequent
durchführen?
Was würden wir eine konsequente Durchführung nennen?
– Wenn du annimmst daß Einer
das nicht kann, wie ist es dann mit dem?
kann er es auch nicht?
– Wohin führt uns dieser Begriff? |
579
“Du mußt es dir ernstlich versprechen,
dann wirst du's auch
tun.”
Zum ernstlichen Versprechen gehört z.B.,
daß man über die Sache nachdenkt, es gehört eine
bestimmte Vorbereitung dazu.
Am Schluß erfolgt dann vielleicht wirklich ein
förmliches Versprechen, vielleicht auch mit lauter Stimme, aber das ist
nur ein Stein dieses Gebäudes.
(Gelübde.) |
580
Das Gelübde könnte man eine Zeremonie nennen.
(Taufe, auch wenn sie kein christliches Sakrament
ist.)
Und eine Zeremonie hat eine eigene
Wichtigkeit. |
581
“Ich hatte die Absicht … ” drückt nicht die
Erinnerung an ein Erlebnis aus.
(So wenig wie “Ich war im
Begriffe …”) 746 |
582
“Welcher seltsame und furchtbare Laut.
Ich werde ihn nie vergessen.”
Und warum sollte man das nicht vom Erinnern sagen können
(“Welche seltsame … Erfahrung … ”),
wenn man zum ersten Mal in die Vergangenheit gesehen hat? –
|
583
Könnte er sich nur einbilden, dies gerechnet zu haben?
(Damit soll nicht im Widerspruch sein, daß er
jetzt das Resultat der Rechnung weiß.
Und er könnte sich ja auch verrechnet haben.)
Und gibt es hier keinen Irrtum, dann nicht darum,
weil Gewißheit besteht. |
584
Es sagt mir Einer, er habe gerade im Kopfe gerechnet, wieviel
… × … sei.
Er gibt ein offenbar falsches Resultat, und auf die Frage, wie er es
erhalten habe, sagt er die Rechnung her; sie ist völliger Unsinn, wie er
auch jetzt einsieht, kam ihm aber damals, sagt er, ganz richtig vor.
(Im Traum geschieht ähnliches.)
Kann das nicht vorkommen?
Seine Kopfrechnung, will ich sagen, muß
sich doch erst bewähren. |
585
‘Er versteckt etwas vor mir, kann es so verstecken,
daß ich's nicht nur nie finden werde,
sondern das Finden gar nicht denkbar
ist.’
Das wäre ein metaphysisches Verstecken.
– Aber wie, wenn er ohne es zu wissen, Zeichen gäbe, die ihn
verrieten?
Das wäre doch möglich.
– Aber ob ihn jene Zeichen verraten habe, – kann nicht nur
er das entscheiden?
– Aber könnte ich nicht darauf bestehen, er habe
vergessen, was in ihm vorgegangen ist – seine Aussage nicht gelten
lassen?
(Ohne sie für eine Lüge zu erklären.)
Das heißt also: sie für wertlos erklären; oder
ihr einen Wert nur als ein Phänomen zuzugestehen, woraus
etwa Schlüsse auf seinen Zustand gezogen werden können.
747 |
586
Wenn etwas versteckt ist, – ist es nicht, als
wäre eine Schrift versteckt, oder vielmehr etwas, was einer Schrift
ähnlich sieht; dessen Bedeutung nur darin liegt, was er einmal
herauslesen, oder hineinlesen wird? |
587
Er kann mich natürlich irreführen, zu falschen Schlüssen
bringen.
Aber daraus folgt es nicht, daß er etwas
versteckt hat; obgleich sich seine Handlungsweise mit einem
Verstecken vergleichen
läßt. |
588
Bin ich etwa nicht mit Recht überzeugt,
daß er sich gegen mich nicht verstellt?
– Und kann ich also einen Andern nicht von meinem Recht
überzeugen? |
589
Erzähle ich ihm, wie sich mein Freund benommen hat, im
großen und
kleinen, – wird er vernünftiger Weise an der
Echtheit der Gefühle meines Freundes zweifeln?
Zweifelt Einer an der Echtheit der Gefühle Lears? |
590
Ist es Gedankenlosigkeit, nicht doch die Möglichkeit der
Verstellung im Auge zu behalten? |
591
Erinnern: eine Sehen in die Vergangenheit.
Träumen könnte man so nennen,
wenn es uns Vergangenes vorführt.
Nicht aber Erinnern.; denn auch wenn es uns Szenen mit
halluzinatorischer Klarheit zeigte, so lehrt es uns
doch || nun erst, daß dies das
Vergangene sei. |
592
Aber wenn uns nun das Gedächtnis die Vergangenheit zeigt, wie zeigt es
uns, daß es die Vergangenheit ist?
Es zeigt uns eben nicht die Vergangenheit. So wenig, wie 748 unsere Sinne die Gegenwart.
|
593
Man kann auch nicht sagen, sie teile uns die Vergangenheit mit.
Denn selbst, wäre das Gedächtnis eine hörbare Stimme, die zu uns
spräche, – wie könnten wir sie verstehen?
Sagt sie uns z.B. “Gestern war
schönes Wetter”, wie kann ich lernen, was
“gestern” bedeutet? |
594
Ich führe mir selbst nur so etwas vor, wie ich es auch
den Andern vorführe. |
595
Ich kann dem Andern mein gutes Gedächtnis vorführen, und auch mir
selbst vorführen.
Ich kann mich selbst ausfragen.
Vokabeln, Daten. |
596
Aber wie führe ich mir das Erinnern vor?
Nun, ich frage mich “Wie verbrachte ich den heutigen
Morgen?” Und antworte mir darauf. –
Aber was habe ich mir nun eigentlich vorgeführt?
War es das Erinnern? nämlich, wie das ist, sich an etwas
erinnern?
Hätte ich denn damit einen Andern das Erinnern
vorgeführt? |
597
“Sich etwas vornehmen ist ein besonderer innerer
Vorgang.” –
Aber was für ein Vorgang – auch wenn du ihn erdichten dürftest –
könnte denn das leisten, was wir vom Vorsatz
fordern. || verlangen? |
598
Denk dir Menschen, die nur dann Mitgefühl
zeigen, wenn sie den andern bluten sehen; sonst lachen sie über seine
Schmerzäußerungen.
So ist es bei ihnen.
Manche nun beschmieren sich mit Tierblut, um bemitleidet zu
werden.
Kommt man ihnen darauf, so werden sie schwer
bestraft. |
599
Die Frage “Könnte er aber nicht dennoch Schmerzen
haben?” stellen sie nicht: |
600
Diese Leute dürfen gewisse Skrupel nicht haben. 749 |
601
Kümmere ich mich um sein Inneres, wenn ich ihm
traue?
Wenn ich's nicht tue, sage ich “ich
weiß nicht, was in ihm vorgeht.”;
vertraue ich ihm aber, so nicht: ich wisse, was in ihm
vorgeht |
602
Mißtraue ich ihm nicht, so kümmere ich mich nicht um
das, was in ihm vorgeht.
(Worte und ihre Bedeutung.
Die Bedeutung der Worte, was hinter ihnen steht, bekümmert mich
im normalen sprachlichen Verkehr
nicht.
Sie fließen dahin und es werden die
Übergänge gemacht von Worten zu Handlungen und von
Handlungen zu Worten.
Niemand denkt, wenn er rechnet, daran, ob er
‘gedankenvoll’ oder
‘papageihaft’ rechne.
(Frage.)). |
603
Es mag Menschen geben, die viel mit sich selbst sprechen,
ehe und während sie handeln, und solche, die nur sehr
wenig zu sich selbst sagen, die gleichsam auch mit sich selbst
sehr schweigsam sind.
Wenn man ihn fragt “Was hast du gedacht, als
du das tatest?” gesteht er vielleicht ganz ehrlich
“Gar nichts”, obgleich seine Handlung
uns wohlüberlegt, ja vielleicht listig scheint.
Ich sage, ich wisse nicht, was in ihm vorgeht, und es geht in
einem wichtigen Sinne nichts in ihm vor.
Ich kenne mich bei ihm nicht aus: Ich mache
z.B. leicht falsche Vermutungen und werde von Zeit
zu Zeit hart in meinen Erwartungen getäuscht.
Ich könnte mir von diesem Menschen ein Bild machen, indem ich mir vorstellte, er spreche zu allen seinen Handlungen Monologe, die seine Gesinnung zum Ausdruck brächten. Die Monologe wären eine Konstruktion, eine Arbeitshypothese, mittels derer ich mir seine Handlungen verständlich zu machen suche. Muß ich nun annehmen, daß in ihm außer jenen Monologen noch ein Denken vor sich 750
geht?
Sind die Monologe nicht ganz genug?
Können sie nicht Alles leisten, was das Innenleben leisten
soll? |
604
Man kann sich leicht Ereignisse vorstellen und in alle
Einzelheiten ausmalen, die wenn wir sie eintreten sähen, uns an
allem Urteilen irre werden ließen.
Sähe ich vor meinen Fenstern statt der altgewohnten eine ganz neue Umgebung, benähmen sich die Dinge darin, wie sie sich nie benommen haben, so würde ich etwa die Worte äußern “ich bin wahnsinnig geworden”; aber das wäre nur ein Ausdruck dafür, daß ich es aufgebe, mich auszukennen. Und das Gleiche könnte mir auch in der Mathematik zustoßen. Es könnte mir z.B. scheinen, als machte ich immer wieder Rechenfehler, so daß keine Lösung mir verläßlich erschiene. Das Wichtige aber für mich daran ist, daß es zwischen einem solchen Zustand und dem normalen keine scharfe || klare Grenze gibt. |
605
Worin liegt die Wichtigkeit des genauen Ausmalens von
Anomalien?
Kann man es nicht, so zeigt das, daß man sich in den
Begriffen noch nicht auskennt. |
606
Es gibt wohl dies: sich Menschenkenntnis zu erwerben; man kann
Einem auch dabei helfen, also quasi einen Unterricht erteilen, aber man
deutet nur auf Fälle, weist auf gewisse Züge hin, gibt
nicht feste Regeln. |
607
Ich kann vielleicht sagen
“Laß mich mit diesem Menschen reden,
die und die Zeit mit ihm verbringen und ich werde wissen, ob ihm zu
trauen ist.” und später: “Ich habe den
Eindruck …”
Aber hier handelt sich's um eine Prognose.
Die Zukunft 751 mag lehren, ob
mein Eindruck richtig war.
Menschenkenntnis kann uns davon überzeugen,
daß dieser Mensch wirklich fühlt, was
er zu fühlen vorgibt; aber überzeugt sie uns davon,
daß andere Menschen etwas fühlen?
|
608
“So kann man sich nicht
vorstellen.”
– Und das kann eine Erfahrung sein,
– daß nämlich niemand, der sich so
benimmt, sich später so und so benehmen werde; aber auch
eine begriffliche Feststellung; und die beiden können zusammen
hängen.
(Denn man hätte nicht gesagt, die Planeten müssen sich in Kreisen bewegen, wenn es nie || nicht geschienen hätte, daß sie sich in Kreisen bewegen.) |
609
Ich kann beim Unterricht auf Einen zeigen und sagen
“Siehst du, der verstellt sich
nicht”.
Und der Schüler kann daraus lernen.
Aber wenn er mich fragte “Woraus wird es eigentlich
erkannt?” – so wüßte ich nichts
anderes zu antworten, als etwa: “Schau, wie er
daliegt, schau auf seine Züge” und dergleichen. |
610
Könnte das nun bei andern Wesen anders sein?
– Wenn sie z.B. alle die selbe Gestalt und
die selben Gesichtszüge hätten, wäre schon vieles
anders. |
611
Und Verstellung ist natürlich nur ein besonderer Fall davon,
daß Einer eine Schmerzäußerung
von sich gibt, und nicht Schmerzen hat.
Wenn dies überhaupt möglich ist, warum sollte denn dabei immer
Vorstellung statthaben, – dieser sehr spezielle
psychologischer Vorgang?
(Und mit einem
“psychologischen” meine ich nicht
einen “innern”.) 752 |
612
Ja, es könnte ein Fall eintreten, in welchem wir
sagen würden: “Er glaubt sich zu
verstellen.”
(Pilgrim's Progress: Er glaubt, die Flüche zu äußern, die der Böse äußert.) |
613
Die zureichende Evidenz geht ohne eine Grenze in die
unzureichende über.
Eine natürliche Grundlage dieser Begriffsbildung || dieses besondern Begriffs ist das
komplizierte Wesen und die Mannigfaltigkeit der menschlichen
Fälle.
So müßte also bei einer geringeren Mannigfaltigkeit eine scharf begrenzte Begriffsbildung natürlich erscheinen. Warum aber scheint es so schwer, sich den vereinfachten Fall vorzustellen? Ist es so, als wollte man sich einen Gesichtsausdruck vorstellen, der nicht allmählicher zarter Veränderungen fähig wäre, sondern, sagen wir, nur fünf Stellungen hätte; bei einer Veränderung ginge die eine mit einem Ruck in die andere über. Wäre nur dies starre Lächeln wirklich ein Lächeln? Und warum nicht? – Ich könnte mich vielleicht nicht so dazu verhalten wie zu einem Lächeln, Es wurde mich etwa || vielleicht nicht selber zum Lächeln bringen. |
614
Ein vollkommen starrer Gesichtsausdruck könnte kein freundlicher
sein.
Zum freundlichen Ausdruck gehört die Veränderlichkeit und die
Unregelmäßigkeit.
Die Unregelmäßigkeit gehört zur
Physiognomie. |
615
Die Wichtigkeit für uns der feinen Abschattungen des Benehmens.
753 |
616
Zu meinem Begriff gehört hier mein Verhältnis zur
Erscheinung. |
617
Denk dir dies Argument: Schmerzen haben doch einen
Grad.
Nun wird aber niemand behaupten, ich wisse je den genauen Grad der
Schmerzen des Andern; also könnten sie auch den Grad 0 haben.
Aber kennt denn der den ‘genauen Grade’ seiner Schmerzen? Und was heißt es: ihn kennen? |
618
“Nun, weiß er denn nicht, wie stark seine
Schmerzen sind?”
Er hat darüber keinen Zweifel. |
619
Aber ich weiß doch z.B. nicht,
daß sein Schmerz jetzt ein klein wenig abgenommen
hat.
– Doch, ich weiß es, wenn er mir's
sagt.
Was er sagt, ist ja auch eine
Äußerung. |
620
Die Unsicherheit hat ihren Grund nicht darin, daß er
seine Schmerzen nicht außen am Rock trägt.
Und es ist auch gar keine Unsicherheit im besondern
Fall.
Wenn die Grenze zwischen zwei Ländern strittig wäre, würde
daraus folgen, daß die Landesangehörigkeit
jedes einzelnen Bewohners fraglich wäre? |
621
‘Sandhaufen’ ist ein unscharf begrenzter Begriff
‒ ‒ ‒ aber warum verwendet man statt seiner nicht einen scharf
begrenzten?
Liegt der Grund in der Natur der Haufen?
Welches Phänomens Natur bestimmt unsern Begriff?
|
622
“Ein Hund ist einem Menschen ähnlicher, als ihm ein Wesen von
menschlicher Gestalt wäre, das sich
‘mechanisch’
benähme.”
Nach einfachen Regeln benähme? |
623
Wir beurteilen eine Handlung nach ihrem Hintergrund im
754 menschlichen Leben, und dieser Hintergrund
ist nicht einfärbig, sondern wir könnten ihn uns als ein sehr
kompliziertes filigranes Muster vorstellen, das wir zwar
nicht nachzeichnen könnten, aber nach seinem allgemeinen
Eindruck wiedererkennen. |
624
Der Hintergrund ist das Getriebe des Lebens.
Und unser Begriff bezeichnet etwas in
einem || diesem Getriebe |
625
Und schon der Begriff ‘Getriebe’ bedingt die
Unbestimmtheit.
Denn nur durch ständige Wiederholung ergibt sich ein Getriebe.
Und für ‘ständige Wiederholung’ gibt es keinen
bestimmten Anfang. |
626
Die Variabilität selbst ist ein Charakter des Benehmens, der ihm nicht
fehlen kann, ohne es für uns zu etwas ganz anderem zu machen.
(Die charakteristischen Gesichtszüge der Trauer,
z.B. sind nicht bedeutsamer als es ihre
Beweglichkeit ist.) || Sind für unsere Reaktion
nicht wichtiger als … |
627
Es ist dort unnatürlich, eine Begriffsgrenze zu ziehen, wo für sie
nicht eine besondere Rechtfertigung besteht, wo
Ähnlichkeiten uns über die willkürlich gezogene
Linie immer hinüberzögen. |
628
Wie könnte man die menschliche Handlungsweise betreiben?
Doch nur, indem man die Handlungen der verschiedenen Menschen, wie
sie durcheinanderwimmeln, zeigte.
Nicht, was Einer jetzt tut, sondern das ganze
Gewimmel ist der Hintergrund, worauf wir eine Handlung sehen, und
bestimmt unser Urteil, unsere Begriffe und
Reaktionen. |
629
Wie könntest du erklären, was es heißt
“Schmerzen heucheln”, “sich stellen, als habe
man Schmerzen”.
(Natürlich fragt er sich: 755 Wem?)
Sollst du's vormachen?
Und warum ließe sich so
eine Demonstration so leicht mißverstehen?
Man möchte sagen: “Lebe einige Zeit unter uns und
du wirst es verstehen lernen.” |
630
Man könnte ihn doch einfach lehren, den Schmerz
(z.B.) zu mimen) (nicht in der
Absicht zu betrügen).
Aber wäre es jedem beizubringen? Ich meine: Er
könnte ja wohl erlernen, gewisse rohe Schmerzzeichen von
sich zu geben, ohne aber je aus eigenem, aus seiner eigenen Einsicht eine
feinere Nachahmung zu geben, (Sprachtalent.)
(Man könnte vielleicht sogar einen gescheiten Hund eine Art
Schmerzgeheul lehren; aber es käme doch nie seinerseits zu einer
bewußten Nachahmung.) |
631
Ich will eigentlich sagen, daß die gedanklichen
Skrupel im Instinkt anfangen (ihre Wurzeln haben).
Oder auch so: das Sprachspiel hat seinen Ursprung nicht in
der Überlegung.
Überlegung || Die
Überlegung ist ein Teil des
Sprachspiels.
Und der Begriff ist daher im Sprachspiel zu Hause. |
632
“Könntest du dir keine weitere Umgebung denken, in der auch
das noch als Verstellung zu deuten wäre?”
Aber was heißt es: daß es noch immer Verstellung sein könnte? Hat denn Erfahrung uns das gelehrt? Und wie können wir anders über Verstellung unterrichtet sein? |
633
Liegt hier nicht etwas Ähnliches vor,
wie das Verhältnis der euklidischen
Geometrie zur Gesichtserfahrung?
(Ich meine: es sei eine tiefgehende
Ähnlichkeit vorhanden.)
Denn auch die
euklidische Geometrie
entspricht ja der Erfahrung nur in sehr eigentümlicher Weise, und nicht
etwa nur ‘bloß annähernd’.
Man könnte vielleicht 756 sagen, sie entspreche ebensosehr unserer
Methode des Zeichnens, wie andern Dingen, oder auch, sie entspreche
gewissen Bedürfnissen des
Denkens.
Ihre Begriffe haben ihre Wurzeln in weitverstreut und entlegenen Gebieten.
|
634
Denn, so wie das Verbum “glauben”
konjugiert wird wie das Verbum “schlagen”, so werden
Begriffe für das eine Gebiet nach Analogie weit entfernter
Begriffe gebildet.
(Die Geschlechter der Hauptworte.) |
635
Die Begriffsbildung hat z.B. Grenzenlosigkeit, wo in
der Erfahrung keine scharfen Grenzen zu finden sind.
(Grenzenlose Approximation.) |
636
Man könnte manchmal sagen, die Begriffe seien einer
Denkbequemlichkeit gemäß gebildet.
(Wie ja auch der Meterstab nicht nur den zu messenden Dingen,
sondern auch dem Menschen gemäß ist.)
Aber zum Teufel: es weiß doch
Jeder, ob er Schmerzen hat!
– Wie könnt's denn Jeder
wissen?
Dazu müßte er doch vor allem wissen,
daß Sie Alle das Gleiche haben.
|
637
Ein Stamm hat zwei Begriffe, verwandt unserem
‘Schmerz’.
Der Eine wird bei sichtbaren Verletzungen angewandt und ist mit
Pflege, Mitleid, etc., verknüpft.
Den andern wenden sie bei Magenschmerzen,
z.B., an und er verbindet sich mit Belustigung über
den Klagenden.
“Aber merken sie denn wirklich nicht die
Ähnlichkeit?” –
Haben wird denn überall einen Begriff, wo eine
Ähnlichkeit besteht?
Die Frage ist: Ist ihnen die Ähnlichkeit
wichtig?
Und muß sie's ihnen sein?
|
638
Wenn du dir überlegst, aus welchen Gründen sich Einer
Schmerzen 757 verbeißt, oder
simulieren konnte, werden dir unzählige
einfallen.
Warum gibt es nun diese Vielheit?
Das Leben ist sehr kompliziert.
Es gibt sehr viele Möglichkeiten
Aber könnten nicht andere Menschen viele dieser Möglichkeiten beiseite lassen, gleichsam die Achsel über sie zucken? |
639
Aber übersieht dieser dann nicht etwas, was da ist?
– Er nimmt davon keine Notiz; und warum sollte
er?
– Aber dann ist ja eben sein Begriff
grundverschieden von dem unsern.
– Grundverschieden?
Verschieden.
Aber es ist dann doch, als ob sein Wort nicht das
selbe bezeichnen könnte wie unseres.
Oder nur einen Teil davon.
– Aber so muß es ja auch ausschauen, wenn
sein Begriff verschieden ist.
Denn die Unbestimmtheit unseres Begriffs kann sich ja für uns in den
Gegenstand projizieren, den das Wort
bezeichnet.
So daß, fehlte die Unbestimmtheit, auch nicht
‘dasselbe gemeint’ wäre.
Das Bild, das wir verwenden, versinnbildlicht die
Unbestimmtheit. |
640
In der Philosophie darf man keine Denkkrankheit
abschneiden.
Sie muß ihren natürlichen Lauf gehen, und die
langsame Heilung ist das Wichtigste. |
641
“Man kann nie wissen, was in seiner Seele
vorgeht” – das scheint eine Selbstverständlichkeit zu
sein.
Und ist es auch in dem Sinne, daß hier
eben das gebrauchte Bild den Satz schon enthält.
Aber man muß ihn eben zugleich mit dem Bild in
Frage ziehen. |
642
Das “Wer weiß, was in ihm
vorgeht!”
Das Interpretieren der äußeren
Ereignisse als Folgen von unbekannten, oder nur geahnten,
innern.
Das Interesse, das sich auf dies Innere richtet, wie auf die
758 chemische Struktur, aus der das Verhalten
hervorgeht.
Denn man braucht ja bloß sagen “Was gehen mich die innern Vorgänge, was immer sie sind, an?!” um zu sehen, daß sich eine andere Einstellung denken läßt – “Aber jeden wird doch immer sein Inneres interessieren! Unsinn. Wüßte ich denn, daß der Schmerz, z.B. etc. etc. etwas Inneres ist, wenn's mir nicht gesagt würde? |
643
Der Zweifel am inneren Vorgang ist ein
Ausdruck.
Der Zweifel aber ist ein instinktives Verhalten.
Ein Verhalten gegen den Andern, Und es rührt nicht daher,
daß ich von mir selbst her weiß
was Schmerz, etc., ist;
weiß, daß es etwas Inneres ist
und daß es mit irgendeinem
Äußern zusammengehen
kann.
Ich weiß alles eher! |
644
Erinnere dich: die meisten sagen, man spüre in der Narkose
nichts.
Manche aber sagen doch: Man könnte ja doch etwas
fühlen und es nur völlig vergessen.
Wenn es also hier solche gibt, die zweifeln und solche, denen kein Zweifel kommt, so könnte die Zweifellosigkeit doch auch viel allgemeiner bestehen. |
645
Oder der Zweifel könnte doch eine andere, und viel weniger
unbestimmte Form haben, als in unserer Gedankenwelt.
|
646
Bedenke: Wir gebrauchen das Wort “Ich
weiß nicht” oft in seltsamer Weise;
wenn wir z.B. sagen; wir wissen nicht, ob
Dieser wirklich mehr fühlt als der Andere, oder
es nur stärker zum Ausdruck bringt,
Es ist dann nicht klar, welche Art der Untersuchung die Frage
entscheiden würde.
Natürlich ist die Äußerung
nicht ganz müßig: Wir wollen sagen,
daß wir wohl die Gefühle des A und des
B miteinander vergleichen können, aber uns die Umstände an einem
759 Vergleich des
A mit dem C irre werden lassen. |
647
Nur Gott sieht die geheimsten
Gedanken.
Aber warum sollen diese so wichtig sein?
Und müssen alle Menschen sie für wichtig halten? |
648
‘Denk dir Menschen, die nur laut denken.’ Es ist
ja doch nicht selbstverständlich, das Wesen von der körperlichen Natur
denken; so sollen || mögen sie also
bloß redend denken,
d.h., nicht anderes, was wir auch denken nennen
würden, tun.
Ihre geheimen Gedanken sind Monologe.) |
649
Die Stufen zwischen instinktiver Schlauheit und durchdachter.
Ein Idiot könnte schlau handeln, so würden wir's
bezeichnen, und wir würden nicht glauben,
daß er fähig sei, etwas zu planen.
Gefragt “Was wohl in ihm vorgeht?” sagen wir “Es geht gewiß sehr wenig in ihm vor.” Aber was wissen wir davon?! Wir machen uns nach seinem Benehmen, seinen Äußerungen, seiner Denkfähigkeit, ein Bild. || ein Bild davon. |
650
Wir stellen Verschiedenes zu einer ‘Gestalt’
(Muster) zusammen, zu der des
Betruges z.B.
Das Bild des Innern vervollständigt die Gestalt. |
651
Wenn ein Begriff von einem Lebensmuster abhängig ist, so
muß in ihm eine Unbestimmtheit liegen.
Denn weicht dann ein Muster vom Normalen ab, so wird fraglich, was wir
hier sagen wollen. |
653
“Er sagte mir – und es war nicht der geringste Zweifel an
seiner Glaubwürdigkeit möglich –
daß …”
Unter welchen Umständen ist kein Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit
möglich?
Kann ich sie angeben?
Nein. |
654
Du mußt an den Zweck der Worte denken.
Was hat die Sprache mit Schmerzen zu tun? |
655
Im Falle, den ich mir vorstelle, haben die Leute ein Wort das einen
ähnlichen Zweck erfüllt (eine ähnliche Funktion hat)
wie das Wort “Schmerz”.
Man kann nicht sagen, es “bezeichne” etwas
Ähnliches.
Es greift anders, und doch ähnlich, in ihr Leben ein. |
656
“Man kann aber doch den Schmerz nicht mit
Sicherheit nach dem
Äußern
erkennen.”
– Man kann ihn nur nach dem
Äußeren erkennen und
die Unsicherheit ist eine Konstitutionelle.
Sie ist kein Mangel.
Es liegt in unserm Begriff, daß diese Unsicherheit besteht; in unserm Instrument. Ob dieser Begriff praktisch, oder unpraktisch ist, darum handelt's sich eigentlich nicht. |
657
Die Farben könnten in einer andern Welt eine andere
Rollen spielen als in der unsern.
Denk an verschiedene Fälle.
1
1) Bestimmte Farben an bestimmte Formen gebunden. Kreisförmiges rot, viereckiges Grün, etc. 2) Farbstoffe nicht herstellbar. Man kann Dinge nicht färben. 3) Eine Farbe immer an einen üblen Geruch oder an Giftigkeit gebunden. 4) Farbenblindheit weit häufiger als bei uns. 5) Verschiedene Töne von Grau sind häufig alle andern Farben äußerst selten. 761
6) Wir können aus dem Gedächtnis eine große Anzahl von Farbtönen reproduzieren. Wenn unser Zahlsystem mit der Zahl unserer Finger zusammenhängt, warum denn nicht unser System der Farben mit der besondern Art des Auftretens der Farben. 7) Eine Farbe tritt immer nur in graduellem Übergang in eine andere auf. 8) Farben treten immer im Farbverlauf des Regenbogens auf. |
658
Denke an die Unsicherheit, ob Tiere, besonders niedere Tiere,
Fliegen z.B., Schmerzen fühlen.
Die Unsicherheit, ob eine Fliege Schmerz fühlt, ist eine philosophische; aber könnte sie nicht auch eine instinktive sein? Und wie würde sich das zeigen? Ja, gibt es eben nicht eine Unsicherheit im Benehmen gegen die Tiere? Einer weiß nicht; Ist er grausam oder nicht. |
659
Denn es gibt ja Unsicherheit des Benehmens, die nicht auf
einer Unsicherheit in den Gedanken beruht.
|
660
Sieh die Frage der Unsicherheit, ob der Andere Schmerz empfindet, in
der Beleuchtung durch die Frage, ob ein Insekt Schmerz empfindet.
|
661
Es gibt doch im Benehmen Vertrauen und
Mißtrauen!
Klagt Einer z.B., so kann ich mit völliger Sicherheit, vertrauensvoll reagieren, oder unsicher und wie Einer, der Verdacht hat. Es braucht dazu keine Worte, noch Gedanken. |
622
Die Unvorhersehbarkeit des menschlichen Benehmens.
Wäre sie nicht vorhanden, – würde man dann auch sagen, man könnte
nie wissen, was im 762 Andern vorgeht? |
663
Aber wie wär's, wenn das menschliche Benehmen nicht
unvorhersehbar wäre?
Wie hat man sich das vorzustellen?
(D.h.: wie auszumalen, welche
Verbindungen anzunehmen?) |
664
“Ich weiß nicht, was in ihm
vorgeht?” das könnte man von einem
komplizierten Uhrwerk || Mechanismus sagen; etwa
einer Kunstuhr, die nach sehr komplizierten Gesetzen verschiedene
äußere Bewegungen auslöst.
Man denkt sich dann bei ihrer Betrachtung vielleicht: Wenn
ich wüßte, wie es in ihr ausschaut, was jetzt
vorgeht, wüßte ich, was zu erwarten
ist. |
665
Beim Menschen aber ist angenommen, daß man in den
Mechanismus keinen Einblick gewinnen kann.
Es ist also die Unbestimmtheit postuliert.
|
666
Wenn ich aber zweifle, ob eine Spinne wohl Schmerz empfindet, dann ist
es nicht, weil ich nicht weiß, was ich mir zu erwarten
habe. |
667
Wir können aber nicht umhin, uns das Bild vom seelischen Vorgang zu
machen.
Und nicht, weil wir ihn von uns her
kennen! |
668
Eine Art der Unsicherheit wäre die, die wir auch einem
uns unbekannten Mechanismus entgegenbringen könnten.
Bei der andern würden wir uns möglicherweise an eine Begebenheit in
unserm Leben erinnern.
Es könnte z.B. sein, daß
Einer, der gerade der Todesangst entronnen ist, sich davon scheuen
würde, eine Fliege zu erschlagen und es sonst ohne
Bedenken täte.
Oder, anderseits, daß er mit
diesem Erlebnis vor Augen, das Zögern tut, was er sonst
ohne zögern täte. |
669
Auch wenn ich ‘nichts sicher in meinem Mitleid ruhe’,
muß ich nicht an die
Ungewißheit seines spätern Benehmens denken.
763 |
670
Die eine Unsicherheit geht so zu sagen von dir aus, die andere von
ihm.
Von der einen könnte man also doch sagen, sie hinge mit einer Analogie zusammen; von der andern nicht. Aber nicht, als ob ich aus der Analogie einen Schluß zöge! |
671
Wenn das Leben ein Teppich wäre, so ist diese Muster (der
Verstellung z.B.) nicht immer vollständig
und vielfach variiert.
Aber wir, in unserer Begriffswelt, sehen immer wieder das
Gleiche mit Variationen wiederkehren.
So fassen's unsere Begriffe auf.
Die Begriffe sind ja nicht für einmaligen Gebrauch.
|
672
Und das Muster ist im Teppich mit vielen andern Mustern verwoben || andern Mustern in
Zusammenhang. |
673
Ich sage z.B. “Er
könnte sich ja doch vorstellen” –was
denke ich mir dabei? – d.h.
welche Erklärung gäbe ich von dem Wort “verstellen”; was
für Exempel fielen mir ein? || kämen mir in den
Sinn? |
674
Wie verwende ich den Satz?
(Denn es ist hier wie in gewissen Gebieten der Mathematik, wo es eine ‘phantastische Anwendung’ gibt.) |
675
Ich rufe ein Bild herauf, das dann zu einem Zweck dienen kann.
(Ich könnte geradezu auf ein gemaltes Bild schauen.)
|
676
Manchmal behandle ich ihn so, wie ich mich behandle und
behandelt werden möchte, wenn ich Schmerzen habe und manchmal
nicht. |
677
Wir sind an eine bestimmte Einteilung der Sachen gewöhnt.
Sie ist uns mit der Sprache, oder den Sprachen, zur Natur
geworden. 764 |
678
Dies sind die festen Schienen, auf denen all unser Denken verläuft,
und also nach ihnen auch unser Urteilen und Handeln. |
679
Muß der Begriff der Bescheidenheit, oder der
Prahlerei überall bekannt sein, wo es bescheidene und
prahlerische Menschen gibt?
Es liegt ihnen vielleicht dort nichts an dieser Unterscheidung.
Uns sind ja auch manche Unterschiede unwichtig, und könnten uns wichtig sein. |
680
Und Andere haben Begriffe, die unsere Begriffe durchschneiden.
Und warum sollten nicht ihr Begriff unsern Begriff
‘Schmerz’ schneiden? |
681
Die ‘Unsicherheit’ bezieht sich eben nicht auf den besondern
Fall, sondern auf die Methode, auf die Regeln der Evidenz. |
682
Festbegrenzte Begriffe würden eine Gleichförmigkeit des
Verhaltens fordern.
Es ist aber so, daß wo ich sicher bin,
der Andere unsicher ist.
Und das ist eine Naturtatsache. |
683
Wenn man sagt “Die Evidenz kann die Echtheit des
Gefühlsausdrucks nur wahrscheinlich machen”, so
heißt das nicht,
daß statt völliger Sicherheit immer nur eine mehr
oder weniger zuversichtliche Vermutung da ist.
“Nur wahrscheinlich” kann sich nicht auf den
Grade unsrer Zuversicht beziehen, sondern nur auf die Art ihrer
Begründung, auf den Charakter des Sprachspiels: Das
muß doch die
konstruktion || Konstitution unsres
Begriffs bestimmen helfen:
daß unter den Menschen in Bezug auf die Sicherheit
ihrer Überzeugung nicht
Übereinstimmung besteht (Vergleiche die
Bemerkung über die Übereinstimmung in
den Farburteilen und in der Mathematik.) |
684
Es kann der Eine vollkommen überzeugt sein und der Andere, bei
765 gleicher Evidenz, nicht.
Und wir schließen darum jeder diesen
noch jenen als urteilsunfähig, oder als unzurechnungsfähig, aus der
Gesellschaft aus. |
685
Aber könnte eine Gesellschaft nicht eben dies
tun? |
686
Denn die Wörter haben eben nur im
Fluß des Lebens Bedeutung. |
687
Ich bin sicher, sicher, daß er sich
nicht verstellt; aber der Andere ist's nicht. Kann ich ihn überzeugen? Und wenn nicht, – sag ich, er kann nicht denken? (Die Überzeugung davon könnte man “intuitiv” nennen.) |
688
Der Instinkt ist das Erste, das Räsonnement das
Zweite.
Gründe gibt es erst in einem Sprachspiel. |
689
Sage ich etwa “und die Seele ist auch nur etwas am
Leibe”?
Nein (Ich bin nicht so arm an
Kategorien.) |
690
Du kannst den Begriff variieren, aber dann verändert du ihn vielleicht
bis zur Unkenntlichkeit. |
691
Wenn wir den Begriff der Verstellung variieren, müssen wir
seine Innerlichkeit, d.h. die Möglichkeit des
Geständnisses beibehalten.
Wir müssen aber dem Geständnis nicht immer Glauben schenken, und
das falsche Geständnis muß nicht Betrug
sein. |
692
Andere, obgleich den unsern verwandte Begriffe könnten uns
sehr seltsam erscheinen: nämlich eine Abweichung vom
gewohnten in ungewohnter Richtung.
|
693
“Du verstehst ja nichts!” so sagt man, wenn einer
bezweifelt, daß das echt sei, was wir klar als echt
erkennen. 766
“Du verstehst ja nichts” – aber wir können nichts beweisen. |
694
Der seelenvolle Ausdruck in der Musik, – er ist doch nicht nach
Regeln zu erkennen.
Und warum können wir uns nicht vorstellen, daß
er's für andere Wesen wäre? |
695
Schon das würde uns einen fremden und tiefen Eindruck machen,
wenn wir zu Menschen kämen, die nur Spieluhrmusik kennten.
Wir würden uns vielleicht eine Art Gebärden erwarten, die wir nicht
verstünden, auf die wir nicht zu reagieren
wüßten. |
696
‘Die Echtheit des Ausdrucks läßt sich nicht
beweisen.’
‘Man muß sie
fühlen.’
Aber was geschieht nun weiter damit?
Wenn Einer sagt “Voilà comment s'extreme un
coeur vraiment epris”, und wenn er auch einen Andern zu
seiner Ansicht bekehrt, – welche weitere Folgen hat es?
Es lassen sich in vager Weise Folgen vorstellen. Die Aufmerksamkeit des Andern wird anders gelenkt. |
697
Könnte man sich nun vorstellen, daß bei
andern Wesen, was bei uns sich nicht beweisen
läßt, sich beweisen
ließe?
Oder würde es eben dadurch sein Wesen bis zur Unkenntlichkeit ändern? |
698
Was für uns wesentlich ist, ist doch die spontane
Zustimmung, die spontane Sympathie. || , das spontane
Mitgehen. |
699
‘Diese Menschen hätten nichts
menschenähnliches.’
Warum?
– Wir könnten uns unmöglich mit ihnen verständigen.
Nicht einmal so, wie wir's mit einem Hund
können.
Wir könnten uns nicht in sie Finden.
Und doch könnte es ja solche, im übrigen Menschliche, Wesen geben. 767 |
700
“Wissen” kann man es doch
nicht.
Man kann es glauben.
Mit ganzer Seele glauben, aber nicht wissen.”
Dann liegt der Unterschied nicht in der
Sicherheit des Überzeugten.
Er muß wo anders liegen; in der Logik der Frage. |
701
Denke, Leute könnten das Funktionieren des Nervensystems im Andern
beobachten.
Sie unterschieden dann echte und geheuchelte Empfindung
in sicherer Weise.
Oder könnten sie doch wieder daran zweifeln,
daß der Andere bei diesem Zeichen etwas
spürt?
– Man könnte sich jedenfalls
vorstellen, daß, was sie da sehen, ihr Verhalten
ohne alle Skrupel bestimmt.
Und nun kann man dies doch auf das äußere Benehmen übertragen. |
702
Es gibt wohl den Fall, daß Einer mir später sein
Innerstes durch ein Geständnis aufschließt:
aber, daß es so ist, kann mir nicht das Wesen von
Außen und Innen erklären, denn ich
muß ja dem Geständnis doch Glauben
schenken.
Das Geständnis ist ja auch etwas Äußeres. |
703
Die Menschen, die das Funktionieren der Nerven sehen
können: Muß ich mir denken,
daß Innere könne sie doch zum besten haben?
Das heißt aber: Kann ich mir nicht doch
äußere Zeichen denken, die mir zum
sicheren
Urteil über das Innere ausreichend schienen? |
704
Aber nun sag: “Es könnte ja doch Einer etwas fühlen,
auch wenn die physiologischen Zeichen ganz dagegen
sprächen.”
Nun, dann haben eben die einen andern Begriff,
die diese Skrupel nicht 768 kennen. |
705
Denk dir, es würden die Leute eines Stammes von früher Jugend dazu
erzogen, keinerlei Gemütsausdruck zu zeigen.
Er ist für sie etwas Kindisches, das abzutun sei.
Die Abrichtung sei streng.
Man redet von ‘Schmerzen’ nicht; schon erst recht nicht
in der Form einer Vermutung “Vielleicht
hat er doch …”
Klagt jemand, so wird er verlacht oder gestraft.
Den Verdacht der Verstellung gibt es gar nicht.
Abrichtung zum ausdruckslosen, monotonen Reden, zu
regelmäßigen Bewegungen. |
706
Ich will sagen: eine ganz andere Erziehung als die unsere könnte
auch die Grundlage ganz anderer Begriffe sein. |
707
Denn es würde hier das Leben anders verlaufen.
– Was uns interessiert, würde sie nicht
interessieren.
Andere Begriffe wären da nicht mehr
unvorstellbar.
Ja, wesentlich andere Begriffe sind nur so || da
vorstellbar. |
708
Nicht darauf sehen wir, daß die Evidenz das Gefühl
des Andern nur wahrscheinlich macht, sondern darauf,
daß wir dies als Evidenz für irgend
etwas Betrachten, daß wir auf diese
verwickelte Art der Evidenz eine Aussage bauen, daß
sie also in unserm Leben eine besondere Wichtigkeit hat und
durch einen Begriff herausgehoben wird. |
709
“Verstellen”, könnten jene Leute sagen, “was
für ein lächerlicher Begriff!” |
710
Der feste Glaube (an eine Verheißung
z.B.) – ist er weniger sicher als die
Überzeugung von einer mathematischen Wahrheit? – 769
(Aber werden dadurch die Sprachspiele ähnlicher!)
|
711
Könnte nicht das Verhalten, Benehmen, des Vertrauens ganz allgemein
unter eine Gruppe von Menschen bestehen?
So daß ihnen ein Zweifel an
Gefühlsäußerungen ganz fremd ist? |
712
Aber überlege: Warum soll sich Einer verstellen
müssen, gibt es nicht andere Möglichkeiten?
Kann er nicht träumen?
Kann sich die Sache nicht anders verwirren?
(Couvade.)
Denk daran, wie oft es unmöglich ist, zu sagen: Einer sei ehrlich, oder unehrlich; aufrichtig, oder unaufrichtig. (Ein Politiker z.B.) Wohlmeinend oder das Gegenteil. Wieviel dumme Fragen werden darüber gestellt! Wie oft passen die Begriffe nicht! |
713
Es ist für unsere Betrachtung wichtig, daß es
Menschen gibt von denen jemand fühlt, er werde nie wissen, was in ihnen
vorgeht.
Er werde sie nie verstehen. |
714
Wir sind gewiß geneigt, zu sagen, die
Klage sei nur ein Zeichen,
ein Symptom des wichtigen Phänomens || eines andern Phänomens, des Wichtigen,
welches nur erfahrungsmäßig mit
jenem verbunden sei.
Und wenn wir hier auch einen Fehler machen:
so
muß diese starke Versuchung doch ihre Begründung
haben und zwar im Gesetz der Evidenz, welche wir zulassen. || so muß doch dieser Fehler begründet
sein im Gesetz der Evidenz, das wir
zulassen. || , so muß
eben doch der Fehler begründet sein, und zwar durch die
Natur der Evidenz, welche wir zulassen. |
715
Man könnte die Frage stellen: welcher Art
muß das Gesetz der zugelassenen Evidenz sein, damit
diese Auffassung uns nahe liegt? 770 |
716
Man möchte die Antwort geben: die Evidenz müsse schwankend
sein.
Vielgestaltig? |
717
Es gibt verstellten Ausdruck; aber auch für die Verstellung
muß es ja Evidenz geben.
Wenn wir auch oft einfach nicht wissen, was wir sagen sollen, so müssen wir doch manchmal einer Meinung zuneigen, manchmal Gewißheit haben. Es muß also doch das Äußere evident sein. |
718
Du sagst, du pflegst den Stöhnenden, weil Erfahrung dich gelehrt hat,
daß du selbst stöhnst, wenn du das und das
fühlst.
Aber da du ja doch keinen solchen Schluß ziehst,
so können wir die Begründung durch Analogie weglassen. |
719
Daß der und der Satz keinen Sinn hat, ist in der
Philosophie von Bedeutung, aber auch,
daß er komisch klingt. |
720
Kann man das ‘sich auskennen’ ein Erlebnis nennen?
Nicht doch.
Aber es gibt Erlebnisse charakteristisch für den Zustand des
Sich-auskennens und des
Sich-nicht-auskennens.
(Sich nicht auskennen und lügen.) |
721
Ist “Ich hoffe … ” eine Beschreibung eines
Seelenzustandes?
Ein Seelenzustand hat eine Dauer.
Sage ich also “Ich habe den ganzen Tag
gehofft … ”, so ist das eine solche Beschreibung.
Sage ich aber Einem “Ich hoffe, du kommst” –
wie, wenn er mich fragte “Wie lange hoffst du
es”?
Ist die Antwort: “Ich hoffe, während
ich's sage”? || ”Ich habe den ganzen Tag
gehofft … ” ist also eine
Beschreibung …
Angenommen ich hätte auf diese 771 Frage irgendeine Antwort, wäre sie nicht für den Zweck der Worte “Ich hoffe, du wirst kommen” ganz irrelevant? |
722
Ein Schrei ist nicht die Beschreibung eines Seelenzustandes,
obwohl man aus ihm auf einen Seelenzustand
schließen kann. |
723
Man schreit nicht Hilfe, weil man auf den eigenen Angstzustand
aufmerksam ist. |
724
Zum ‘Beschreiben’ gehört das
‘Aufmerken’. |
725
Beschreibungen sind die Sätze: “Ich fürchte ihn
jetzt weniger als früher”, “ich wünsche schon seit
langem … ”, “Ich hoffe immer wieder
… .
(Man beschreibt einen Verlauf.) |
726
Will ich also sagen, gewisse Tatsachen seien gewissen
Begriffsbildungen günstig; oder ungünstig?
Und lehrt das die Erfahrung?
Es ist Erfahrungstatsache, daß
Menschen ihre Begriffe ändern, wechseln, wenn sie neue
Tatsachen kennenlernen; wenn dadurch, was ihnen früher wichtig war,
unwichtig wird, und umgekehrt.
(Man findet z.B.: was früher als
Artunterschied galt, sei eigentlich nur ein
Gradunterschied.)
((Zur Betrachtung über den Farbbegriff und anderes)). |
727
Ist der Schrei keine Beschreibung, dann ist es auch nicht der
Wortausdruck, der ihn ersetzt.
Die Äußerungen von Furcht,
Hoffnung, Wunsch, sind keine Beschreibungen.
Wohl aber sind das die Sätze. “Ich¤
fürchte ihn jetzt weniger als früher”, “Ich
wünsche schon seit langem … ”, …
|
728
Was ist die Vergangenheitsform von “Nicht wahr, du
kommst!”? || “Nicht wahr, du wirst
kommen!” 772 |
729
Der verworrene Gebrauch der psychologischen Begriffswörter
(“denken” z.B.).
Als wenn das Wort “Violine” nicht
bloß das Instrument, sondern manchmal auch den
Geiger, die Geigenstimme, den Geigenklang, das Geigenspiel
bezeichnete. |
730
“Wenn p eintrifft, so trifft q ein” könnte
man eine bedingte Vorhersage nennen.
D.h.: für den Fall
nicht-p mache ich keine Vorhersage.
Aber darum wird, was ich sage, durch “nicht-p &
nicht-q” auch nicht wahrgemacht.
Oder auch so: es gibt bedingte Vorhersagen, und “p impliziert q” ist keine solche. ⇒ ((Zu Bd. Q. S. 14)). |
731
Den Satz “Wenn p eintrifft, so trifft q
ein”.
Will ich “S” nennen.
– “S oder nicht –S” ist eine
Tautologie: aber ist es auch der Satz vom
ausgeschlossenen Dritten?
– Oder auch so: Wenn ich sagen will,
daß die Vorhersage
“S”” richtig, falsch, oder unentschieden
sein kann, wird das durch den Satz ausgedrückt “nicht (S
oder nicht – S)”? |
732
Die Verwendung des Wortes “Betrachten”,
“Beobachten”.
Und nun des Ausdrucks “sich selbst
betrachten”! |
733
“Ich fürchte mich vor ihm” und “ich pflege mich
vor ihm zu fürchten”.
Aber auch der Ausdruck “Ich pflege … ” könnte
hier mancherlei bedeuten.
Es könnte aber eine Sprache geben, in deren Konjugationen
viel mehr Unterschiede als in dem uns bekannten Sprachen
berücksichtigt werden.
|
734
Unterschied des Zwecks zwischen der
Furchtäußerung 773 “Ich fürchte
mich!” und dem Furchtbericht “Ich fürchte
mich.” |
735
“Wissen” kann etwas Ähnliches
bedeuten wie “können” (auswendig wissen
z.B.), oder aber wie “sicher
sein”. |
736
Niemand außer ein Philosoph, würde
sagen “Ich weiß,
daß ich zwei Hände habe”; wohl
aber kann man sagen: Ich bin nicht im Stande, zu
bezweifeln, daß ich zwei Hände habe”.
“Wissen” aber wird gewöhnlich nicht in diesem Sinn gebraucht. |
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