| Philosophische
Untersuchungen. |
| Motto:
Sind diese schmerzenden Widersprüche entfernt,
so ist zwar nicht die Frage nach dem Wesen beantwortet, aber der
nicht mehr gequälte Geist hört auf, die für ihn
unberechtigte Frage zu stellen. (Heinrich
Hertz.)
“Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, daß
er viel größer ausschaut, als er wirklich
ist.” (Nestroy) |
|
Vorwort. |
| In dem Folgenden teile
ich Gedanken mit, die die Ergebnisse philosoph[|i]scher
Untersuchungen der letzten 16 Jahre sind. veröffentliche ich Gedanken, den
Niederschlag philosophischer Untersuchungen, die mich in den letzten
16 Jahren beschäftigt haben. Sie betreffen
viele Gegenstände: Den Begriff der Bedeutung, des
Verstehens, des Satzes, der Logik, die Grundlagen der Mathematik,
die Bewußtseinzustände und Anderes.
Ich habe alle diese Gedanken als
Bemerkungen, kurze Absätze,
niedergeschrieben. Manchmal in längeren Ketten,
über den gleichen Gegenstand, manchmal in raschem Wechsel von
einem Gebiet zum andern überspringend. –
Meine Absicht war es von Anfang, alles dies einmal in einem
Buche zusammenzufassen, von dessen Form ich mir zu
verschiedenen
Zeit en verschiedene Vorstellungen
machte. Wesentlich aber schien es mir, daß
darin die
– 2
– Folge
fortgeschritten werden
sollte. fortschreiten
sollteen.
Nach manchen mi[s|ß]glückten Versuchen, meine
Die gleichen Punkte, oder beinahe die gleichen, wurden stets von neuem von verschiedenen Richtungen her berührt und immer neue Bilder entworfen. Eine Unzahl dieser war verzeichnet, oder uncharakteristisch, mit allen Mängeln eines schwachen Zeichners behaftet. Und wenn man diese ausschied, blieb eine Anzahl halbwegser übrig, die nun so angeordnet, oftmals beschnitten, werden mußten, daß sie dem Betrachter ein Bild der Landschaft geben konnten.– So ist also dieses Buch eigentlich nur ein Album. Ich hatte bis vor Kurzem den Gedanken an eine Veröffentlichung
– 3
– gebnisse, die ich in Vorlesungen, Skripten
und Diskussionen weitergegeben hatte, vielfach
mi[s|ß]verstanden, mehr oder
weniger verwässert, oder verstümmelt im Umlauf
waren. Hierdurch wurde meine Eitelkeit
Vor
Seit ich nämlich vor 16 Jahren mich wei wieder mit Philosophie zu beschäftigen anfing, mußte ich schwere Irrtümer in dem erkennen, was ich in jenem ersten Buche niedergelegt hatte. Diese Irrtümer einzusehen, hat mir – in einem Maße, das ich kaum selbst zu beurteilen vermag – die Kritik geholfen, die meine Ideen durch Frank Ramsey erfahren haben,– mit welchem ich sie, während der zwei letzten Jahre seines Lebens in zahllosen Gesprächen erörtert habe. – Mehr noch als dieser – stets kraftvollen und sichern – Kritik verdanke ich derjenigen, die ein Lehrer dieser Universität, Herr P. Sraffa, durch viele Jahre, unablässig an meinen Gedanken geübt hat. Diesem Ansporn verdanke ich die folgereichsten der Ideen dieser Schrift. Aus mehr als einem Grunde wird, was ich hier ver- – 4
– öffentliche, sich mit dem
berühren, was Andere heute
schreiben. – Tragen meine
Bemerkungen keinen Stempel an sich, der
sie als die meinen kennzeichnet,
– so will ich sie auch
weiter nicht als mein Eigentum beanspruchen.
Ich übergebe sie mit zweifelhaften Gefühlen der Öffentlichkeit. Daß es dieser Arbeit in ihrer Dürftigkeit und der Finsternis dieser Zeit beschieden sein sollte, Licht in ein oder das andere Gehirn zu werfen,
Ich möchte nicht mit meiner Schrift Andern das Denken ersparen. Sondern, wenn es möglich wäre, jemand zu eigenen Gedanken anregen. Daß dieses Buch nicht gut ist, weiß ich. Aber ich glaube, daß die Zeit, in der es von mir verbessert werden könnte, vorüber ist. Ich hätte gerne ein gutes Buch hervorgebracht, ja ein sehr gutes; aber es ist nicht so ausgefallen. . Es ist nicht so ausgefallen; Aber Und die Zeit ist vorbei, in der … // Die Zeit aber ist vorbei … // Cambridge, im Januar
1945 . |
| 1.
Augustinus, in den Confessionen
I/8: cum ipsi (majores homines)
appellabant rem aliquam, et cum secundum eam vocem corpus ad
aliquid movebant, videbam, et tenebam hoc ab eis vocari rem illam,
quod sonabant, cum eam vellent ostendere. Hoc autem eos velle
ex motu corporis aperiebatur: tamquam verbis naturalibus
omnium gentium, quae fiunt vultu et nutu oculorum, ceterorumque
membrorum actu, et sonitu vocis – 5
– indicante affectionem animi in petendis,
habendis, rejiciendis, fugiendisve rebus. Ita verba in
variis sententiis locis suis posita, et crebro audita, quarum rerum
signa essent, paulatim colligebam, measque jam voluntates,
edomito in eis signis ore, per haec enuntiabam. + In diesen Worten erhalten wir, so scheint es mir, ein bestimmtes Bild von dem Wesen der menschlichen Sprache. Nämlich dieses: Die Wörter der Sprache benennen Gegenstände – Sätze sind Verbindungen von solchen Benennungen.⌊– –⌋ In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee: Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - |
| +
Nannten die
Erwachsenen irgend einen Gegenstand und wandten sie sich dabei ihm
zu, so nahm ich
– 6 – |
|
Von einem Unterschied der Wortarten spricht
Augustinus
nicht. Wer das Lernen der Sprache so beschreibt, denkt,
so möchte ich glauben, zunächst an Hauptwörter, wie
“Tisch”, “Stuhl”,
“Brot” und die Namen von Personen, erst in
zweiter Linie an die Namen gewisser Tätigkeiten und
Eigenschaften, und an die übrigen Wortarten als an
etwas, was sich finden wird. Denke nun an diese Verwendung der Sprache: Ich schicke jemand einkaufen. Ich gebe ihm einen Zettel, auf diesem stehen die Zeichen: “fünf rote Äpfel”. Er trägt den Zettel zum Kaufmann; der öffnet die Lade, auf welcher das Zeichen “Äpfel” steht; dann sucht er in einer Tabelle das Wort “rot” auf und findet ihm gegenüber ein Farbmuster; nun sagt er die Reihe der Grundzahlwörter – ich nehme an, er weiß sie auswendig – bis zum Worte “fünf” und bei jedem Zahlwort nimmt er einen Apfel aus der Lade, der die Farbe des Musters hat. ‒ ‒ So, und ähnlich, operiert man mit Worten. ‒ ‒ “Wie weiß er aber, wo und wie er das Wort ‘rot’ nachschlagen soll und was er mit dem Wort ‘fünf’ anzufangen hat?” – – Nun, ich nehme an, er handelt, wie ich es beschrieben habe. Die Erklärungen haben irgendwo ein Ende. – Was ist aber die Bedeutung des Wortes “fünf”? – Von einer solchen war hier garnicht die Rede; nur davon, wie das Wort “fünf” gebraucht wird. |
| 2.
Jener philosophische Begriff der Bedeutung ist in einer primitiven
Vorstellung, von der Art und Weise, wie die Sprache funktioniert, zu
Hause. Man kann aber auch sagen, es sei die – 7 – Vorstellung
einer primitiveren Sprache, als der unsern.
Denken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung, wie Augustinus sie gegeben hat, stimmt: Die Sprache soll der Verständigung einens Bauenden A mit einem Gehilfen B dienen. A führt einen Bau auf aus Bausteinen; es sind Würfel, Säulen, Platten und Balken vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen, und zwar nach der Reihe, wie A sie braucht. Zu dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den Wörtern: “Würfel”, “Säule”, “Platte”, “Balken”. A ruft sie aus; – B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen. ‒ ‒ Fasse dies als vollständige primitive Sprache auf. |
| 3.
Augustinus
beschreibt, könnten wir sagen, ein System der
Verständigung, nur ist nicht alles, was wir Sprache nennen,
dieses System. (Und das muß man in so
manchen Fällen sagen, wo sich die Frage erhebt:
“Ist diese Darstellung brauchbar, oder
unbrauchbar?” Die Antwort ist
dann oft dann “Ja, brauchbar; aber nur
für dieses eng umschriebene Gebiet, nicht für das Ganze,
das Du darzustellen vorgabst.” Denke
z.B. an Theorien der
Nationalökonomen.) Es ist, als erklärte jemand: “Spielen besteht darin, daß man Dinge, gewissen Regeln gemäß, auf einer Fläche verschiebt …” – und wir ihm antworten: Du scheinst an die Brettspiele zu denken; aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst deine Erklärung richtigstellen, indem du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst. |
| 4.
Denke
[d|D]i[e|r] eine Schrift, in welcher Buchstaben zur
Bezeich-– 8
– nung von Lauten benützt würden,
aber auch zur Bezeichnung der Betonung und als
Interpunktionszeichen. (Eine Schrift kann man
auffassen als eine Sprache zur Beschreibung von
Lautbildern.) Denke dir nun, daß Einer jene
Schrift so verstünde, als entspräche einfach jedem
Buchstaben ein Laut und als hätten die Buchstaben nicht auch
ganz andere Funktionen. So einer, zu einfachen,
Auffassung der Schrift gleicht
Augustinus'
Auffassung der Sprache. |
| 5. Wenn man das Beispiel
vom Einkaufen im §1 betrachtet, so ahnt man
vielleicht, inwiefern der allgemeine Begriff der Bedeutung der
Worte das Funktionieren der Sprache mit einem Dunst umgibt, der das
klare Sehen unmöglich macht. – Es
zerstreut den Nebel, wenn wir die Erscheinungen der Sprache
an primitiven Arten ihrer Verwendung studieren, in denen man den
Zweck und das Funktionieren der Wörter klar übersehen
kann. Solche primitive Formen der Sprache verwendet das Kind, wenn es sprechen lernt. Das Lehren der Sprache ist hier kein Erklären, sondern ein Abrichten. |
| 6. Wir könnten uns
vorstellen, daß die Sprache im §2 die ganze
Sprache des A und B ist; ja, die ganze Sprache eines
Volksstamms. Die Kinder werden dazu erzogen diese
Tätigkeiten zu verrichten, diese Wörter dabei
zu gebrauchen, und so auf die Worte des Anderen zu
reagieren. Ein wichtiger Teil der Abrichtung wird darin bestehen, daß der Lehrende auf die Gegenstände weist, die Aufmerksam- – 9
– keit des Kindes auf sie lenkt, und dabei ein
Wort ausspricht; z.B. das Wort
“Platte” beim Vorzeigen dieser Form.
(Dies will ich nicht “hinweisende
Erklärung”, oder “Definition”,
nennen, weil ja das Kind noch nicht nach der Benennung
fragen kann. Ich will es
“hinweisendes Lehren der Wörter” nennen.
‒ ‒ Ich sage, es wird einen wichtigen Teil der
Abrichtung bilden, weil es
beim Menschen
so der Fall ist; nicht, weil es sich nicht anders vorstellen
ließe.) Dieses hinweisende Lehren der Wörter,
kann man sagen, schlägt eine assoziative Verbindung zwischen
dem Wort und dem Ding. Aber was heißt das?
Nun, es kann Verschiedenes heißen; aber man denkt wohl
zunächst daran, daß dem Kind das Bild des Dings vor die Seele
tritt, wenn es das Wort hört. Aber wenn das nun
geschieht,– ist das der Zweck des Worts? –
Ja, es kann der Zweck sein. – Ich
kann mir eine solche Verwendung von Wörtern (von Lautreihen) denken. (Ihr
Das Aussprechen ˇeines Wortes
ist gleichsam ein Anschlagen einer Taste auf dem
Vorstellungsklavier.) Aber in der Sprache
Wenn aber das hinwei das hinweisende Lehren bewirkt,– soll ich sagen, es bewirkt das Verstehen des Worts? Versteht nicht der den Ruf “Platte!”, der so und so nach ihm handelt? – Aber dies half wohl das hinweisende Lehren herbeiführen; aber doch nur zusammen mit einem bestimmten Unterricht. Mit einem anderen Unterricht hätte dasselbe hinsweisende Lehren die – 10
– dieser Wörter ein ganz anderes
Verständnis bewirkt. “Indem ich die Stange mit dem Hebel verbinde, setze ich die Bremse instand.” – Ja,– gegeben den ganzen übrigen Mechanismus. Nur mit diesem ist er der Bremshebel; und losgelöst von seiner Unterstützung ist er nicht einmal Hebel, sondern k kann alles mögliche sein, oder nichts. |
| 7. In der Praxis des
Gebrauchs der Sprache
Wir können uns auch denken, daß der ganze Vorgang des Gebrauchs der Worte in (2) eines jener Spiele ist, mittels welcher Kinder
Und man könnte die Vorgänge des Benennens der Steine und des Nachsprechens des vorgesagten Wortes auch Sprachspiele nennen. Denke an manchen Gebrauch, der von Worten in Reigenspielen gemacht wird. ⌊⌊ˇ Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, “das Sprachspiel” nennen. ⌋⌋ |
| 8. Sehen wir jetzt eine
Erweiterung der Sprache (2) an. Außer den
Wörtern “Würfel”,
“Säule”, etc. enthalte sie eine
Wörterreihe, die verwendet wird, wie der Kaufmann in (1)
– 11 – die
Zahlwörter verwendet (es kann die Reihe der Buchstaben des
Alphabeths sein); ferner, zwei Wörter, sie
mögen “dorthin” und
“dieses” lauten, (weil dies schon
ungefähr ihren Zweck
andeutet); , sie werden
in Verbindung mit einer zeigenden Handbewegung gebraucht; und
endlich eine Anzahl von Farbmustern (Täfelchen von
verschiedenen Farben). A gibt einen
Befehl von der Art: “d-Platte -
dorthin”. Dabei läßt er den Gehilfen
ein Farbmuster sehen, und beimd Worte
“dorthin” zeigt er an eine Stelle des
Bauplatzes. B nimmt von dem Vorrat der Platten je
eine von der Farbe des Musters für jeden Buchstaben des
Alphabeths bis zum “d” und bringt
sie an den Ort, den A bezeichnet. – Bei
anderen Gelegenheiten gibt A den Befehl:
“dieses- dorthin”. Bei
“dieses” zeigt er auf einen
Baustein– .
[u|U].s.w.. |
| 9. Wenn das Kind diese
Sprache lernt, muß es die Reihe der
‘Zahlwörter’ “a, b,
c, …” auswendiglernen. –W
Und es muß ihren Gebrauch lernen. Wird in
diesem Unterricht auch ein hinweisendes Lehren der Wörter
vorkommen? – Nun, es wird
z.B. auf Platten gewiesen und gezählt
werden: “a, b, c, Platten”. – Mehr Ähnlichkeit mit dem hinweisenden Lehren
in Beispiel (2) ˇder Wörter
“Würfel”, “Säule”
etc. hätte das hinweisende Lehren
von Zahlwörtern, die nicht zum Zählen
dienen, dienen, sondern
zur Bezeichnung mit dem Auge erfaßbarer Gruppen von
Dingen. So lernen ja die Kinder den Gebrauch der
ersten fünf oder sechs Grundzahlwörter.
Wird auch “dorthin” und “dieses” hinweisend gelehrt? – Stelle dir vor, wie man ihren Gebrauch etwa lehren könnte! Es wird dabei auf Örter und Dinge gezeigt werden,– aber hier – 12
– geschieht ja dieses Zeigen auch im
Gebrauch der Wörter und nicht nur beim
Lernen des Gebrauchs. – |
| 10. Was bezeichnen
nun die Wörter dieser Sprache? – Was
sie bezeichnen, wie soll sich das zeigen, es sei denn in der Art
ihres Gebrauchs? Und den haben wir ja
beschrieben. Der Ausdruck “dieses Wort
bezeichnet das” müßte also ein Teil
dieser Beschreibung werden. Oder: die
Beschreibung soll auf die Form gebracht werden:
“Das Wort … bezeichnet
….”. Nun, man kann ja die Beschreibung des Gebrauchs des Wortes “Platte” dahin abkürzen, daß man sagt, dieses Wort bezeichne diesen Gegenstand. Das wird man tun, wenn es sich z.B. nurmehr darum handelt, das Misverständnis zu beseitigen, das Wort “Platte” beziehe sich auf die Bausteinform, die wir tatsächlich “Würfel” nennen,– die Art und Weise dieses ‘Bezugs’ aber, d.h. der Gebrauch dieser Worte im übrigen, bekannt ist. Und ebenso kann man sagen, die Zeichen “a”, “b”, etc. bezeichnen Zahlen, wenn dies etwa das Misverständnis behebt “a”, “b”, “c”, spielten in der Sprache die Rolle, die in Wirklichkeit “Würfel”, “Platte”, “Säule”, spielen. Und man kann auch sagen “c” bezeichne diese Zahl und nicht jene; wenn damit etwas erklärt wird, die Buchstaben seien in der Reihenfolge “a”, “b”, “c”, “d”, etc. zu verwenden und nicht in der: “a”, “b”, “d”, “c”. Aber dadurch, daß man so die Beschreibungen des Gebrauchs der Wörter einander anähnelt, kann doch dieser Gebrauch nicht – 13
– ähnlicher werden! Denn,
wie wir sehen, ist er ganz und gar ungleichartig. |
| 11. Denk an die Werkzeuge
in einem Werkzeugkasten: Es ist da ein Hammer, eine
Zange, eine Säge, ein Schraubenzieher, ein Maßstab, ein
Leimtopf, Leim, Nägel
Freilich, was uns verwirrt ist die Gleichförmigkeit ihrer Erscheinung, wenn die Wörter unds gesprochen, oder in der Schrift und im Druck entgegentreten. Denn ihre Verwendung steht nicht so deutlich vor uns. Besonders nicht, wenn wir philosophieren! |
| 12. Wie wenn wir in
den Führerstand einer Lokomotive schauen: da sind
Handgriffe, die alle mehr oder weniger gleich aussehen.
(Das ist begreiflich, denn sie sollen alle mit der Hand
angefaßt werden.) Aber einer ist der Handgriff
einer Kurbel, die kontinuierlich verstellt werden kann (sie
reguliert die Öffnung eines Ventils); ein andrer ist
der Handgriff eines Schalters, der nur zweierlei wirksame Stellungen
hat, er ist entweder umgelegt, oder aufgestellt; ein dritter ist
der Griff eines Bremshebels, je stärker man zieht, desto
stärker wird gebremst; ein vierter, der Handgriff einer Pumpe;
er wirkt nur, solange er hin und her bewegt wird. |
| 13 Wenn wir sagen:
“jedes Wort der Sprache bezeichnet etwas”, so
ist damit vorerst noch gar nichts gesagt; es sei
– 14 – denn, daß
wir genau erklärten, welche Unterscheidung wir
zu machen wünschen. (Es könnte ja sein, daß
wir die Wörter der Sprache (8) von Wörtern
‘ohne Bedeutung’ unterscheiden wollten, wie sie
etwa in Gedichten Lewis
Caroll's vorkommen, ˇoder von Worten wie
“juwiwallera” in einem
Lied.) |
| 14. Denke dir, jemand
sagte: “Alle Werkzeuge dienen dazu,
etwas zu modifizieren. So, der Hammer die Lage des
Nagels, die Säge die Form des Bretts,
etc.” – Und was modifiziert
der Maßstab, der Leimtopf, deie Nägel? – “Unser Wissen um die Länge eines Dings,
die Temperatur des Leims und die Festigkeit der
Kiste.”‒ ‒ Wäre mit dieser
Assimilation des Ausdrucks etwas gewonnen? –
|
| 15. Am
|
| 16. Wie ist es
mit den Farbmustern, die A dem B zeigt, –
– gehören sie zur
Sprache? Nun, wie man will. Zur
Wortsprache gehören sie nicht; aber wenn ich jemandem
sage: “Sprich das Wort ‘das’
aus”, so wirst du doch dieses zweite
“‘das’” auch noch zum Satz
rechnen. Und doch spielt es eine ganz
ähnli-ch – 15 – che Rolle, wie
ein Farbmuster im Sprachspiel (8); es ist nämlich
ein Muster dessen, was der Andere sagen soll.
Es ist das Natürlichste und richtet am wenigsten Verwirrung an, wenn wir die Muster zu den ˇWerkzeugen der Sprache rechnen. [Bemerkung über das reflexive Fürwort “dieser Satz”] |
| 17 Wir werden sagen
können: in der Sprache (8) haben wir verschiedene
Wortarten. Denn die Funktionˇen
des Wortes von
“Platte” und ˇdes Wortes
“Würfel” sind ˇeinander
ähnlicher, als die von “Platte” und
ˇvon “d”. Wie wir aber
die Worte nach Arten zusammenfassen, wird vom Zweck der Einteilung
abhängen,– und von unserer Neigung.
Denke an die verschiedenen Gesichtspunkte, nach denen man Werkzeuge in Werkzeugarten einteilen kann. Oder Schachfiguren in Figurenarten. |
| 18. Daß die Sprachen
(2) und (8) nur aus Befehlen bestehen, laß
Dich ˇdich nicht stören.
Willst du sagen sie seien darum nicht vollständig, so frage
dich, ob unsere Sprache vollständig ist; – ob sie es war, ehe
ihr der chemische Symbolismus und die Infinitesimalnotation
einverleibt wurden; denn dies sind, sozusagen, Vorstädte
unserer Sprache. (Und mit wieviel Häusern, oder
Straßen, fängt eine Stadt an, Stadt zu sein?)
Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt:
Ein Gewinkel von Gäßchen und Plätzen, alten und
neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen
Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden
und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen
Häusern. |
| 19. Man kann sich leicht
eine Sprache vorstellen, die nur – 16
– aus Befehlen und Meldungen in der Schlacht
besteht. – Oder eine Sprache, die nur aus Fragen
besteht und einem Ausdruck der Bejahung und der Verneinung.
Und unzähliges Andre. – Und sich eine
Sprache vorstellen heißt, sich eine Lebensform vorstellen.
Wie ist es aber: Ist der Ruf “Platte!” im Beispiel (2) ein Satz oder ein Wort? ‘– Wenn ein Wort, so hat es doch nicht dieselbe Bedeutung, wie das gleichlautende unserer gewöhnlichen Sprache, denn im P § 2 ist es ja ein Ruf;⌊,⌋ [w|W]enn aber ein Satz, so ist es doch nicht der elliptische Satz “Platte!” unserer Sprache. ‒ ‒ Was die erste Frage anbelangt, so kannst du “Platte!” ein Wort, und auch einen Satz nennen; vielleicht treffend einen “degenerierten Satz” (wie man von einer degenerierten Hyperbel spricht), und zwar ist es eben unser ‘elliptischer’ Satz. – Aber der ist do[|c]h nur eine verkürzte Form des Satzes “Bring mir eine Platte!” und diesen Satz gibt es doch im Beispiel (2) nicht. – Aber warum sollte ich nicht, umgekehrt, den Satz “Bring mir eine Platte!” eine Verlängerung des | Satzes “Platte!” nennen? – Aber warum sollte ich nicht, umgekehrt, den Satz “Bring mir eine Platte!” eine Verlängerung des Satzes “Platte!” nennen? – Weil der, der “Platte!” ruft, eigentlich meint: “Bring mir eine Platte!”. – Aber wie machst du das, dies meinen, während du “Platte” sagst sagst? Sprichst du dir inwendig den unverkürzten Satz vor? Und warum soll ich, um zu sagen, was Einer mit dem Ruf “Platte!” meint, diesen Ausdruck in einen andern übersetzen? Und wenn sie das Gleiche bedeuten,– warum soll ich nicht sagen: “wenn er ‘Platte!’ sagt, meint er ‘Platte!’”? Oder: warum sollst du nicht “Platte!” meinen können, wenn du “Bring mir die Platte!” meinen kannst? ‒ ‒ – 17 – Aber wenn
ich “Platte!” rufe, so will ich doch,
er soll mir eine Platte bringen! ‒ ‒ Gewiß,– aber besteht ‘dies
wollen’ darin, daß du in irgend einer Form einen andern
Satz denkst, als den, den du sagst? – |
| 20. “Aber wenn
nun Einer sagt “Bring mir eine
Platte!”, so scheint es ja jetzt, als könnte
er diesen Ausdruck als ein langes Wort meinen:
entsprechend nämlich dem einen Worte
‘Platte!’”‒ ‒ Kann
man ihn also einmal als ein Wort, einmal als vier
Wörter meinen? Und wie meint man ihn
gewöhnlich? ‒ ‒ Ich glaube, wir werden
geneigt sein, zu sagen: wir meinen den Satz als einen von
vier Wörtern, wenn wir ihn im Gegensatz zu
andern Sätzen gebrauchen, wie “Reich
mir eine Platte zu”, “Bring ihm
eine Platte”, “Bring zwei
Platten”, etc.; also im Gegensatz zu
Sätzen, welche die Wörter unseres Befehls in
andern Verbindungen
entfhalten. ‒ ‒ Aber worin besteht
es, einen Satz im Gegensatz zu andern Sätzen
gebrauchen? Schweben einem dabei etwa diese
Sätze vor? Und alle
alle? Und während man den
einen Satz sagt, oder vor-, oder nachher? – Nein! Wenn auch so eine Erklärung
einige Versuchung für uns hat, so brauchen wir doch nur einen
Augenblick zu bedenken, was wirklich geschieht, um zu sehen,
daß wir hier auf falschem Weg sind. Wir sagen, wir
gebrauchen den Befehl im Gegensatz zu andern Sätzen,
weil| unsere Sprache
die Möglichkeit dieser andern Sätze enthält.
Wer unsere Sprache nicht versteht, ein Ausländer, der
öfter gehört hätte, – 18
– wie jemand den Befehl gibt
“Bring mir eine Platte!”,
könnte der Meinung sein, diese ganze Lautreihe sei ein Wort
und entspräche etwa dem Wort für
“Baustein” in seiner Sprache. Wenn er
selbst dann diesen Befehl gegeben hätte, würde er ihn
vielleicht anders aussprechen, und wir würden sagen:
Er spricht ihn so sonderbar aus, weil er ihn für
ein Wort hält. – Aber geht also
nicht, wenn er ihn ausspricht, eben auch etwas anderes in ihm
vor,– dem entsprechend, daß er den Satz als
ein Wort auffaßt? ‒ ‒ Es kann
das Gleiche in ihm vorgehen, oder auch anderes. Was geht
denn in dir vor, wenn du so einen Befehl gibst; bist du dir
bewußt, daß er aus aus vier Wörtern besteht,
während du ihn aussprichst? Freilich,
du beherrscht diese Sprache – in der es auch
jene andern Sätze gibt– aber ist dieses Beherrschen
etwas, was geschieht, während du den Sˇatz
ausspricht? – Und ich habe ja
zugegeben: der Fremde wird den Satz, den er anders
auffaßt, wahrscheinlich anders aussprechen; aber, was wir die
falsche Auffassung nennen, muß nicht in irgend
etwas liegen, was das Aussprechen
des Satzes ˇBefehls begleitet.
‘Elliptisch’ ist der Satz nicht, weil er etwas ausläßt, was wir meinen, wenn wir ihn aussprechen, sondern weil er gekürzt ist im Vergleich mit einem bestimmten Vorbild unserer Gramˇmatik. – Man könnte hier freilich den Einwand machen: “Du gibst zu, daß der verkürzte und der unverkürzte Satz den gleichen Sinn haben. – Welchen Sinn haben sie also? Gibt es denn für diesen Sinn nicht einen Wortausdruck?”‒ ‒ Aber besteht – 19
– der gleiche Sinn der Sätze nicht in
ihrer gleichen Verwendung? –
(Im Russischen heißt es “Stein rot”, statt
“der Stein ist rot”; geht ihnen
di[|e] Kopula im Sinn ab, oder denken sie sich die
Kopula dazu?–) |
| 21. Denk dir ein
Sprachspiel, in welchem B dem A auf dessen Frage die
Anzahl der Platten oder Würfel in einem Stoß meldet,
oder die Farben und Formen der Bausteine, ˇdie dort und dort
liegen. – So eine Meldung könnte also
lauten: “Fünf Platten”.
Was ist nun der Unterschied zwischen der Meldung, oder
Behauptung, “fünf Platten” und dem
Befehl “fünf Platten!”? –
Nun, die Rolle, die das Aussprechen dieser Worte im Sprachspiel
spielt. Aber es wird wohl auch der Ton, in dem sie
ausgesprochen werden, ein anderer sein, und die Miene, und noch
manches andere. Aber wir können uns auch
denken, daß der Ton der gleiche
ist; – denn ein Befehl und eine
Meldung können in
mancherlei| Ton
ausgesprochen werden und mit mancherlei Miene.
– und daß der Unterschied allein in der Verwendung
liegt. (Freilich könnten wir auch die Worte
“Behauptung” und “Befehl” zur
Bezeichnung einer gramˇmatischen
A Satzform und eines Tonfalls gebrauchen, wie
man wir ja den Satz “Ist das
Wetter heute nicht herrlich?” eine Frage nennen
wird, obwohl
– 20
– – 2 die Funktion des Befehls in
der Praxis der Sprache. (Ähnlich sagt man
“Du wirst das tun”, nicht als Prophezeihung,
sondern als Befehl. Was macht es zu dem einen, was zu
dem andern?) |
| 22.
Freges Ansicht, daß in
einer Behauptung eine Annahme steckt, die dasjenige ist, was
behauptet wird, basiert eigentlich auf der Möglichkeit,
die es in unserer Sprache gibt, jeden Behauptungssatz in der Form
zu schreiben “Es wird behauptet, daß das und
das der Fall ist.” – Aber
“Daß das und das der Fall ist” ist
eben in unsrer Sprache kein Satz– es ist noch kein
Wir könnten sehr gut auch jede Behauptung in Form e einer Frage mit nachgesetzter Bejahung schreiben; etwa: “Regnet es? Ja!”. Würde das zeigen, daß in jeder Behauptung eine Frage steckt? Man hat wohl Man hat wohl das Recht eine Behauptungszeichen zu verwenden im Gegensatz z.B. zu einem Fragezeichen[:|;] ⋎ ¤ Irrig ist es nur, wenn man meint, daß die Behauptung nun aus zwei Akten besteht, dem Erwägen und dem Behaupten (Beilegen des Wahrheitswerts, oder dergl.) und daß wir diese Akte nach demn Zeichen des Satzes vollziehen, ungefähr wie wir nach Noten singen. Mit dem Singen nach Noten ist allerdings das laute, oder leise Lesen des geschriebenen Satzes zu vergleichen, aber nicht ¤ – 21 – das
‘Meinen’ (Denken) des gelesenen
Satzes. ¤ ⋎ /; oder wenn man eine Behauptung unterscheiden will von einer Fiction, oder einer Annahme./ Das Fregesche Behauptungszeichens betont den Satzanfang. Es hat also eine ähnliche Funktion, wie der Schlußpunkt. Es unterscheidet die ganze Periode , ob sie aus Behauptung vom Satz in der Periode. vom Satz in der Periode. Und es erinnert uns an die
|
|
| 23. Wieviele Arten der
Sätze gibt es aber? Etwa Behauptung, Frage und
Befehl? – Es gibt unzählige
solcher Arten: unzähliege verschiedene Arten der
Verwendung alles dessen, was wir “Zeichen”,
“Worte”, “Sätze”,
nennen. Und diese Mannigfaltigkeit ist nichts Festes, ein
für allemal Gegebenes; sondern neue Typen der Sprache,
neue Sprachspiele, wie wir sagen können,
entstehen, und andre veralten und werden
vergessen. (Ein ungefähres Bild
davon können uns die Wandlungen der Mathematik
geben.) Das Wort “Sprachspiel” soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform. Führe dir die Mannigfaltigkeit der Sprachspiele an diesen Beispielen, und andern, vor Augen: Befehlen, und nach Befehlen handeln – Beschreiben eines Gegenstands nach dem Ansehen, oder nach Messungen – Her – 22
– Herstellen eines Gegenstands nach einer Beschreibung (Zeichnung) – Berichten eines Hergangs – Über den Hergang Vermutungen anstellen – Eine Hypothese aufstellen und prüfen– Darstellungen der Ergebnisse eines Experiments durch Tabellen und Diagramme Tabellen und Diagramme – Eine Geschichte erfinden; und lesen – Theater spielen – Reigen singen– Rätsel raten – Einen Witz machen; erzählen – Ein angewandtes Rechnung Rechenexempel lösen – Aus einer Sprache in die andere übersetzen – Bitten, Danken, Fluchen, Grüßen, Beten. – Es ist interessant, die Mannigfaltigkeit der Werkzeuge der Sprache und ihrer Verwendungsweisen, die Mannigfaltigkeit der Wort- und Satzarten, mit dem zu vergleichen, was Logiker| Logiker über den Bau der Sprache gesagt haben. (Und auch der Verfasser der Logisch-philosophischen Abhandlung.) |
| 24. Wem die
Mannigfaltigkeit der Sprachspiele nicht vor Augen ist, der wird
etwa zu Fragen geneigt sein, wie
dieser, : “Was
ist eine Frage?” – Ist es die Feststellung,
daß ich das und das nicht weiß, oder die Feststellung, daß
ich wünsche, der Andre möchte mir sagen
…? Oder ist es die Beschreibung – 23 – meines
seelischen Zustandes der Ungewißheit? – Und ist
der Ruf “Hilfe!” so eine
Beschreibung? Denke daran, wieviel verschiedenartiges “Beschreibung” genannt wird: Beschreibung der Lage eineˇs Körpers durch seine Koordinaten; Beschreibung eines Gesichtsausdrucks; Beschreibung einer Tastempfindung; einer Stimmung. Man kann freilich statt der gewöhnlichen Form der Frage die der Feststellung oder Beschreibung setzen: “Ich will wissen, ob …”, oder “Ich bin im Zweifel, ob …”,– aber damit hat man die verschiedenen Sprachspiele einander nicht näher gebracht. Die Bedeutsamkeit solcher Umformungsmöglichkeiten, z.B. aller Behauptungssätze in Sätze, die mit der Klausel “Ich denke”, oder “Ich glaube” anfangen (also sozusagen in Beschreibungen meines Innenlebens) wird sich an anderer Stelle deutlicher zeigen. (Solipsismus.) |
| 25. Man sagt
manchmal: die Tiere sprechen nicht, weil ihnen die geistigen
Fähigkeiten fehlen. Und das heißt:
‘sie denken nicht, darum sprechen sie
nicht’. Aber: sie sprechen eben
nicht. Oder besser: sie verwenden die Sprache
nicht – wenn wir von den primitivsten Sprachformen absehen. – Befehlen, fragen, erzählen, plauschen, trinken,
spielen gehören zu unserer Naturgeschichte so, wie
Gehen, Essen, Trinken, Spielen. gehen, essen,
trinken, spielen. |
| 26. Man meint, das
Lernen der Sprache bestehe darin, daß man Gegenstände
benennt;. Und zwar: Menschen, Formen,
Farben, – 24
– Schmerzen, Stimmungen, Zahlen,
etc.. Wie gesagt – das Benennen
ist etwas Ähnliches, wie, einem Ding ein Namentäfelchen
anheften. Man kann das eine Vorbereitung zum Gebrauch
eines Wortes nennen. Aber worauf ist es
eine Vorbereitung? |
| 27. “Wir benennen die Dinge
und können nun über sie reden. Uns in der
Rede auf sie beziehen.” – Als ob mit dem Akt
des Benennens schon das, was wir weiter tun, gegeben
wäre. Als ob es nur Eines gäbe, was
heißt: “von Dingen reden”.
Während wir doch das
[V|v]erschiedenartigste mit
unsern Sätzen tun. Denken wir allein an die
Ausrufe. – Mit ihren ganz verschiedenen
Funktionen. Wasser! Fort! Au! Hilfe! Schön! Nicht! Bist du nun noch geneigt, diese Wörter “Benennungen von Gegenständen” zu nennen? In den Sprachen (2) und (8) gab es ein Fragen nach der Benennung nicht. Dies und sein Korrelat, die hinweisende Erklärung, ist, wie wir sagen könnten, ein eigenes Sprachspiel. Das heißt eigentlich: wir weˇrden erzogen, abgerichtet, dazu, zu fragen: “Wie heißt das?” – worauf dann das Benennen erfolgt. Und es gibt auch ein Sprachspiel: Für etwas einen Namen erfinden. Also, zu sagen: “Das heißt …”, und nun den neuen ¤ Wohl aber könnte man fragen: Sollten wir das noch eine “Erklärung” nennen? – Denn sie spielt im Kalkül natürlich eine andere Rolle, als das was wir gewöhnlich eine “hinweisende Erklärung” des Wortes “rot” nennen; auch wenn sie dieselben praktischen Folgen, dieselbe Wirkung auf den Lernenden hätte. – 25 – Namen zu
verwenden. (So benennen Kinder
z.B. ihre Puppen und reden dann von ihnen,
und zu ihnen. Dabei bedenke gleich, wie eigenartig der
Gebrauch des Personennamens ist, mit welchem wir den Benannten
rufen!) |
| 28. Man kann nun einen
Personennamen, ein Farbwort, einen Stoffnamen, ein Zahlwort, den
Namen einer Himmelsrichtung, etc. hinweisend
definieren. Die Definition der Zahl Zwei:
“Das heißt ‘zwei’”
– wobei man auf zwei Nüsse zeigt – ist vollkommen
exakt. – Aber wie kann man denn die Zwei so
definieren? Der, dem man die Definition gibt, weiß
ja dann nicht, was man mit “Z
zwei” benennen will; er wird annehmen, daß du
dies[|e] Gruppe von Nüssen
“zwei” nennst! ‒ ‒ Er
kann dies annehmen; vielleicht nimmt er es aber nicht
an. Er könnte ja auch, umgekehrt, wenn ich
dieser Gruppe von Nüssen einen Namen beilegen will, ihn als
Zahlnamen misßverstehen. Und
ebensogut, wenn ich einen Personennamen hinweisend erkläre,
diesen als Farbnamen, als Bezeichnung der Rasse, ja als Namen einer
Himmelsrichtung auffassen. Das heißt, die hinweisende
Definition kann in jedem Fall so und anders gedeutet
werden. 1 |
|
| 29. Vielleicht sagt
man: die Zwei kann nur so hinweisend definiert
werden: “Diese Zahl heißt
‘zwei’”. Denn das Wort
“Zahl” zeigt hier an, an welchen Platz
der Sprache, der Grammatik, wir das Wort setzen. Das
heißt aber, es muß das Wort “Zahl”
erklärt sein, ehe jene hinweisende Definition verstanden
werden kann. – Das Wort “Zahl” in
der Definition zeigt allerdings diesen Platz an; den Posten, an den
wir das – 26
– Wort stellen. Und wir
können so Mi[s|ß]verständnissen vorbeugen,
indem wir sagen “Diese Farbe heißt so
und so”, “Diese Länge
heißt so und so”,
u.s.w.. Das heißt:
Misverständnisse
werden manchmal so vermieden. Aber
läßt sich denn das Wort “Farbe”, oder
“Länge” nur so auffassen? – Nun, wir müssen sie eben erklären. – Also erklären durch andere Wörter!
Und wie ist es mit der letzten Erklärung in dieser
Kette?
(Sag nicht “Es gibt keine
‘letzte’ Erklärung”. Das
ist geradeso, als wolltest du sagen: “Es gibt
kein letztes Haus in dieser Straße; man kann immer noch eines
dazubauen.”) Ob das Wort “Zahl” in der hinweisenden Definition der Zwei
Und wie er die Erklärung ‘auffaßt’, zeigt sich darin, wie er von dem erklärten Wort Gebrauch macht. |
| 30. Man könnte
also sagen: Die hinweisende Definition erklärt
den Gebrauch – die Bedeutung – des Wortes, wenn es schon
klar ist, welche Rolle das Wort in der Sprache überhaupt
spielen soll. Wenn ich also weiß, daß Einer
mir ein Farbwort erklären will, so wird mir die
hinweisende Erklärung “Das heißt
‘Sepia’” zum Verständnis des Wortes
verhelfen. – Und dies kann man sagen, wenn man
nicht vergißt, daß sich nun allerlei Fragen an
des Wort
“wissen”, oder “klar sein”
anknüpfen! Man muß schon etwas wissen, (oder können), um nach der – 27 – Benennung
fragen zu können. Aber was muß man
wissen? |
| 31. Wenn man jemandem die Königsfigur im Schachspiel zeigt und sagt: “Das ist der Schachkönig”, so erklärt man ihm dadurch nicht den Gebrauch dieser Figur,– es sei denn, daß er die Regeln des Spiels schon kennt, bis auf diese letzte Bestimmung: die Form einer Königsfigur. Man kann sich denken, er habe die Regeln des Spiels gelernt, ohne das ihm je eine wirkliche Spielfigur gezeigt wurde. Die Form der Spielfigur e entspricht hier dem Klang oder der Gestalt, eines Wortes. Man kann sich aber auch denken, Einer habe das Spiel gelernt ohne je Regeln zu lernen, oder zu formulieren. Er hat etwa zuerst durch Zusehen ganz einfache Brettspiele gelernt und ist zu immer komplizierteren fortgeschritten. Auch diesem könnte man die Erklärung geben: : “Das ist der König”, wenn man ihm z.B. Schachfiguren von einer ihm ungewohnten Form zeigt. Auch diese Erklärung lehrt ihn, den Gebrauch der Figur nur darum, weil, wie wir sagen könnten, der Platz schon vorbereitet war, an an den sie gestellt wurde. Oder auch: Wir werden nur dann sagen, sie lehre ihn den Gebrauch, wenn der Platz schon vorbereitet ist. Und er ist es hier nicht dadurch, daß der, dem wir die Erklärung geben, schon Regeln weiß, sondern dadurch, daß er in anderm Sinne schon ein Spiel beherrscht. Betrachte noch diesen Fall: Ich erkläre jemandem das Schachspiel; und fange damit an, indem ich auf eine Figur zeige und sage: “Das ist der König. Er kann so und so ziehen, – 28
– etc.
etc.”. – In diesem Fall
werden wir sagen: die Worte “Das ist der
König” (oder, “Das heißt
‘König’”) sind nur dann eine
Worterklärung, wenn der Lernende schon ‘weiß, was
eine Spielfigur ist’. Wenn er also etwa
schon andere Spiele gespielt hat, oder dem Spielen Anderer
‘mit Verständnis’ zugesehen hat,
– und dergleichen. Auch nur dann wird
er beim Lernen des Spiels relevant fragen können:
“Wie heißt das?”,–
nämlich, diese Spielfigur. Wir können sagen: Nach der Benennung fragt nur der sinnvoll, der schon etwas mit ihr anzufangen weiß. Wir können uns ja auch denken, daß der Gefragte antwortet: “Bestimm die Benennung selber”– und nun müßte, der gefragt hat, für alles selber aufkommen. |
| 32. Wer in ein fremdes
Land kommt, wird manchmal die Sprache der Einheimischen durch
hinweisende Erklärungen lernen, die sie ihm geben, und er wird
die Deutung dieser Erklärungen oft raten
müssen, und manchmal richtig, manchmal falsch raten.
Und nun können wir, glaube ich, sagen: Augustinus beschreibe das Lernen der menschlichen Sprache so, als käme das Kind in ein fremdes Land und verstehe die Sprache des Landes nicht; das heißt
|
| 33. Wie aber,
wenn man einwendete: “Es ist nicht wahr,
daß Einer schon ein Sprachspiel beherrschen muß, um eine
hin-– 29
– weisende Definition zu verstehen, sondern er
muß nur – selbstverständlich – wissen (oder
erraten), worauf der Erklärende zeigt! Ob also
z.B. auf die Form des Gegenstandes, oder auf
seine Farbe, oder auf die Anzahl, etc.
etc..”‒ ‒ Und worin
besteht es denn:– ‘auf die Form
zeigen’, “ ‘auf die Farbe
zeigen’? Zeige auf ein Stück Papier! – Und nun zeige auf seine Form,– nun auf
seine Farbe,– nun auf ‘seine Anzahl’ (das
klingt seltsam)! – Nun, wie hast du es
gemacht? – Du wirst sagen, du habest jedesmal
an etwas anderes beim Zeigen
‘gemeint’. Und wenn ich
frage, wie das vor sich geht, wirst du sagen, du habest deine
Aufmerksamkeit auf die Farbe, Form, etc.
konzentriert. Nun aber frage ich noch einmal, wie
das vor sich geht. Denke, jemand zeigt auf eine Vase und sagt: “Schau das herrliche Blau an! – auf die Form kommt es nicht an. –” Oder: “Schau die herrliche Form an! – die Farbe ist gleichgültig. –” Es ist zweifellos, du wirst Verschiedenes tun, wenn du diesen beiden Aufforderungen nachkommst. Aber tust du immer das Gleiche, wenn du deine Aufmerksamkeit auf die Farbe richtest? Stell dir doch verschiedene Fälle vor! Ich will einige andeuten: “Ist dieses Blau das gleiche, wie das? Siehst du einen Unterschied? –” Du mischst Farben und sagst: “Dieses Blau des Himmels ist schwer zu treffen.” “Es wird schön, man sieht schon wieder blauen – 30 –
Himmel!”
“Schau, wie verschieden diese beiden Blau wirken!” “Siehst du dort das blaue Buch? Bring es her!” “Dieses blaue Lichtsignal bedeutet ….” “Wie heißt nur dieses Blau? – ist es ‘Indigo’?” Die Aufmerksamkeit auf die Farbe richten, das heißt manchmal, sich die Umrisse der Form mit der Hand weghalten; oder den Blick nicht auf die Kontur des Dinges richten, manchmal, auf den Gegenstand starren und sich zu erinnern trachten, wo man diese Farbe schon gesehen
Man richtet seine Aufmerksamkeit auf die Form, manchmal, indem man sie nachzeichnet, manchmal, indem man blinzelt, um die Farbe nicht deutlich zu sehen, etc. etc.. Ich will sagen: dies und Ähnliches geschieht, während man ‘die Aufmerksamkeit auf das und das richtet’. Aber das ist es nicht allein, was uns sagen läßt, Einer richte seine Aufmerksamkeit auf die Form, auf die Farbe, etc.. Wie ein Schachzug nicht allein darin besteht, daß ein Stein so und so auf dem Brett verschoben wird,– aber auch nicht in den Gedanken und Gefühlen! des Ziehenden, die den Zug begleiten; sondern in den Umständen, die wir nennen “eine Schachpartie spielen”, “ein Schachproblem lösen”, und dergl. – 31
– |
| 34.
Aber nimm an, Einer sagte: “Ich tue
immer das Gleiche, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf die Form
richte: ich folge der Kontur mit den Augen und fühle
dabei …”. Und nimm an, dieser gibt einem
Andern die hinweisende Erklärung “Das heißt
‘Kreis’”, indem er, mit
|
| 35. Es gibt freilich,
was man ‘charakteristische Erlebnisse Vorgänge’ für
das Zeigen auf die Form etwa, nennen kann. Zum Beispiel,
das Nachfahren der Kontur mit dem Finger, oder mit dem Blick, beim
Zeigen. – Aber so wenig, wie dies in
allen Fällen geschieht, in denen ich ‘die Form
meine’, so wenig geschieht
muß irgend ein anderer charakteristischer
Vorgang in allen diesen Fällen
geschehen. – Aber auch, wenn ein solcher
sich in ihnen allen wiederholte, so käme es doch auf die
Umstände an – d.h., auf das, das was
vor und nach dem Zeigen geschieht – ob wir sagen würden
“Er hat auf die Form und nicht auf die Farbe
gezeigt”. Denn es werden die Worte “auf die Form zeigen”, “die – 32
– Form meinen”, etc.
nicht so gebraucht, wie die die:
“auf dies Buch zeigen” (nicht auf jenes),
“auf den Stuhl zeigen, nicht auf den Tisch”,
etc..– Denn denke nur, wie anders
wir den Gebrauch der Worte lernen: “auf
dieses Ding zeigen”, “auf jenes Ding zeigen”,
und anderseits “auf die Farbe, nicht auf die Form,
zeigen”, “die Farbe
meinen”, etc.
etc.. Wie gesagt, in gewissen Fällen, besonders beim Zeigen ‘auf die Form’, oder ‘auf die Anzahl’, gibt es charakteristische Erlebnisse und Arten des Zeigens – ‘charakteristisch’, weil sie sich oft, (nicht immer) wiederholen, wo From Form, oder Anzahl ‘gemeint’ werden. Aber kennst du auch ein charakteristisches Erlebnis für das Zeigen auf die Spielfigur als Spielfigur? Und doch kann man sagen: “Ich meine diese Spielfigur heißt ‘König’, nicht dieses bestimmte Stück Holz, worauf ich zeige”. (Wiedererkennen, [W|w]ünschen, sich erinnern, etc..) |
| 36. Und wir tun hier, was
wir in tausend ähnlichen Fällen tun: Weil wir
nicht eine körperliche Handlung angeben
können, die wir das Zeigen auf die Form (im Gegensatz
z.B. zur Farbe) nennen, so sagen wir, es
entspreche diesen Worten eine geistige
Tätigkeit. Wo unsere Sprache uns einen Körper vermuten läßt, und kein Körper ist, dort, möchten wir sagen, sei ein Geist. |
| 37.
“Was ist die Bez[e|i]ehung zwischen
Namen und Benanntem? – Nun, was ist
sie? Schau auf das Sprachspiel (2), oder ein
– 33 –
anderes!
|
| 38.
Was benennt aber z.B. das Wort
“dieses” im Sprachspiel (8), oder das Wort
“das” in der hinweisenden Erklärung
“Das heißt …”? –
Wenn man keine Verwirrung anrichten will, so ist es am besten, man
sagt
gar|nicht, daß diese Wörter etwas
benennen. – Und merkwürdigerweise wurde
von dem Worte “dieses” einmal gesagt, es sei der
eigentliche Name. Alles was wir sonst
“Name” nennen, sei dies also nur in einem
ungenauen, angenäherten Sinn. Diese seltsame Auffassung rührt von einer Tendenz her, die Logik unserer Sprache zu sublimieren – wie man es nennen könnte. Die eigentliche Antwort darauf ist: “Name” nennen wir sehr Verschiedenes; das Wort “Name” charakterisiert viele verschiedene, miteinander mit einander auf viele verschiedene Weisen verwandte, Arten des Gebrauchs eines Worts; – aber unter diesen Arten des Gebrauchs ist nicht die des Wortes “dieses”. Es ist wohl wahr, daß wir oft, z.B. in der hinweisenden Definition, auf das Benannte zeigen und dabei den Namen aussprechen. Und ebenso sprechen wir, z.B. in der hinweisenden Definition, das Wort “dieses” aus, indem wir auf ein Ding zei- – 34
– gen. Und das Wort
“dieses” und ein Name stehen auch oft ˇan der
gleichen Stelle im gleichen Satzzusammenhang.
Aber charakteristisch für den Namen ist es gerade, daß
er durch das hinweisende “Das ist N”
(oder “Das heißt
‘N’”) erklärt wird.
Erklären wir aber auch: “Das heißt
‘dieses’”, oder “Dieses
heißt ‘dieses’”?
Dies hängt mit der Auffassung des Benennens als eines, sozusagen, okˇkulten Vorgangs zusammen. Das Benennen erscheint als eine seltsame Verbindung eines Wortes mit einem Gegenstand. – Und so eine seltsame Verbindung hat wirklich statt, wenn nämlich der Philosoph, um herauszubringen, was die Beziehung zwischen Namen und Benanntem ist, auf einen Gegenstand vor sich starrt und dabei unzähliche Male einen Namen wiederholt,– oder auch das Wort “dieses”. Denn die philodˇsophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert. Und da können wir uns allerdings einbilden, das Benennen sei irgendein merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Taufe eines Gegenstandes. Und wir können so auch das Wort “dieses” gleichsam zu dem Gegenstand sagen, ihm damit ansprechen; ein seltsamer Gebrauch dieses Wortes, der wohl nur beim Philosophieren vorkommt. |
| 39.
Aber warum kommt man auf die Idee, gerade dieses Wort zum Namen
machen zu wollen, wo es offenbar kein Name
ist? – Gerade darum. Denn man ist
versucht, gegen das, was gewöhnlich
“Name” heißt, einen Einwand zu machen; und den
kann man so ausdrücken: daß der Name
eigentlich Einfaches bezeichnen soll.
– 35 – Und man
könnte dies etwa so begründen: Ein Eigenname im
gewöhnlichen Sinn ist etwa das Wort
“Notung Nothung”. Das
Schwert Nothung besteht aus Teilen in einer bestimmten
Zusammensetzung. Sind sie anders zusammengesetzt, so
existiert Nothung nicht. Nun hat aber
offenbar der Satz “Nothung hat eine scharfe
Schneide” Sinn, ob Nothung
noch ganz ist, oder schon zerschlagen. Ist aber
“Nothung” der Name eines Gegenstandes,
so gibt es diesen Gegenstand nicht mehr, wenn Nothung
zerschlagen ist; und da dem Namen dann kein Gegenstand
entspräche, so hätte er keine Bedeutung. Dann
aber stünde in dem Satz “Nothung hat eine
scharfe Schneide” ein Wort, das keine Bedeutung hat, und
daher wäre der Satz Unsinn. Nun hat er aber Sinn; also
muß den Wörtern, aus denen er besteht, immer etwas
entsprechen. Also muß das Wort
“Nothung” bei der Analyse des Sinnes
verschwinden und statt seiner müssen Wörter eintreten,
die Einfaches benennen. Diese Wörter werden wir
billigerweise die eigentlichen Namen nennen. |
| 40. Laß uns zuerst
über den Punkt dieses Gedankengangs
reden
– 36
– Name auf Bedeutung zu haben, so hätte
es eben keinen Sinn, zu sagen, “Herr
N.N. ist gestorben”. |
| 41. In (15)
habeˇn wir in die Sprache (8) Eigennamen
eingeführt. Nimm nun an, das Werkzeug mit dem
Namen “N” sei zerbrochen.
A weiß es nicht und gibt dem B das Zeichen
“N”. Hat dieses Zeichen nun
Bedeutung, oder hat es keine? – Was soll
B tun, wenn er dieses Zeichen
erhält? – Wir haben darüber nichts
vereinbart. Man könnte fragen: was wird
er tun? Nun, er wird vielleicht ratlos
dastehen, oder A die Stücke zeigen.
Man könnte hier sagen:
“N” sei bedeutungslos geworden; und
dieser Ausdruck würde besagen, daß für das Zeichen
“N” in unserem Sprachspiel nun keine
Verwendung mehr ist (es sei denn, wir gäben ihm eine
neue). “N” könnte auch
dadurch bedeutungslos werden, daß man, aus welchem Grund
immer, dem Werkzeug eine andere Bezeichnung gibt und das Zeichen
“N” im Sprachspiel nicht weiter
verwendet. – Wir
ˇkönnen uns aber auch
eine Abmachung denken, nach der B, wenn ein Werkzeug
zerbrochen ist und A das Zeichen dieses Werkzeugs
gibt, als Antwort darauf den Kopf zu schütteln
hat. – Damit, könnte man sagen, ist der Befehl
“N”, auch wenn dieses Werkzeug nicht mehr
existiert, in das Sprachspiel aufgenommen worden, und das Zeichen
“N” habe Bedeutung, auch wenn sein
Träger zu existieren aufhört.
¥ |
| 43.
42. Man kann für eine
große Klasse von Fällen der Benützung des
Wortes “Bedeutung” – wenn auch nicht für
alle Fälle seiner Benützung – dieses Wort
so erklären: Die Bedeutung eines Wortes ist sein
Gebrauch in der Sprache. – 37
– Und die Bedeutung eines Namens erklärt man ◇ manchmal dadurch, daß man auf seinen Träger zeigt. Vielleicht aber wäre es richtiger zu sagen: EinBgines ˇEine Bedeutung eines Wortes ist eine Art seines Gebrauchs in der Sprache. Hier ist ˇbleibt die die Frage ˇFrage offen offen gelassen bleibt die Frage offen, was wir einen einheitlichen Gebrauch, und was
|
|
⍈ 42.
43. Aber
haben etwa auch Namen
in jenem Spiel Bedeutung, die nie für ein
Werkzeug verwendet worden sind? ‒ ‒ Nehmen
wir also an, “X” sei so ein Zeichen, und
A gäbe dieses Zeichen dem B – nun, es
könnten auch solche Zeichen in das Sprachspiel aufgenommen
werden, und B hätte etwa auch sie mit einem
Kopfschütteln zu beantworten. (Man könnte sich
dies als eine Art Belustigung der Beiden denken.
|
| _1"> 44.
Wir sagten: der Satz, “Nothung hat
eine scharfe Schneide”, habe Sinn, w auch wenn
Nothung schon zerschlagen ist. Nun, das ist
so, weil in diesem Sprachspiel ein Name auch in der Abwesenheit seines
Trägers gebraucht wird. Aber wir können uns
ein Sprachspiel mit Namen denken (d.h. mit
Zeichen, die wir gewiß auch “Namen” nennen
werden) in welchem diese nur in der Anwesenheit des Trägers
gebraucht werden; also immer ersetzt werden können
durch das hinweisende Fürwort mit der hinweisenden
Gebärde. ϑ Nimm an, wir beobachteten eine Fläche, auf welcher Farbflecke langsam ihre Gestalt und Lage veränderten. Ich – 38 – hätte sie
durch hinweisende Erklärung “P”,
“Q“, u.s.w.
benannt. Unsere Sprache
diente
dazu,
|
| Es ist
mir nicht geglückt ein lehrreiches Beispiel
auszudenken. |
| 45.
Unser Sprachspiel kann uns aber, glaube ich, einen
ˇEine Grundch zeigen, warum
man das hinweisende Fürwort kann zum Namen machen
wollench: . ist
dieser:
Denn [d|D]as hinweisende “dieses”
kann nie T trägerlos werden. Man
könnte sagen: “Solange es ein
Dieses gibt, solange hat das Wort
‘dieses’ auch Bedeutung, ob
dieses nun einfach oder zusammengesetzt
ist.”‒ ‒ Aber das macht das Wort eben
nicht zu einem Namen. Im Gegenteil; denn ein Name wird
nicht mit der hinweisenden Geste verwendet, sondern nur durch sie
erklärt. |
| 46. Was hat es nun
für eine Bewandtnis damit, daß Namen eigentlich das
[e|E]infache bezeichnen? –
Sokrates (im Theätetus): “Täusche ich mich nämlich nicht, so habe ich von Etlichen gehört: für die Urelemente – um mich so auszudrücken – aus denen wir und alles übrige zusammen- – 39
– gesetzt sind, gebe es keine Erklärung;
denn alles was an und für sich ist, könne man nur mit
Namen bezeichnen; eine andere Bestimmung sei nicht
möglich, weder die, es sei sei, noch die, es sei nicht.
… Was aber an und für sich ist, müsse man …
ohne alle anderen Bestimmungen benennen. Somit aber sei es
unmöglich, von irgendeinem Urelement erklärungsweise
zu reden; denn für dieses gebe es nichts, als die bloße
Benennung; es habe ja nur seinen Namen. Wie aber das, was aus
diesen Urelementen sich zusammensetzt, selbst ein verflochtenes
Gebilde sei, so seien auch seine Benennungen in dieser
Verflechtung zur erklärenden Rede geworden; denn deren
Wesen sei die Verflechtung von Namen.”
Diese Urelemente waren auch Russell's ‘individuals’ und auch meine ‘Gegenstände’ (Log. Phil. Abh.). |
| 47. Aber welches sind
die einfachen Bestandteile, aus denen sich die Realität
zusammensetzt? – Was sind die einfachen
Bestandteile eines Sessels? – Die Stücke
Holz, aus denen er zusammengefügt ist? Oder
die Moleküle, oder die
Oder: Besteht mein Gesichtsbild dieses Baumes, dieses Sessels, aus Teilen? und welches sind seine einfachen Bestandteile? Mehrfarbigkeit ist eine Art der Zusammengesetztheit; eine andere ist, z.B., die, einer gebrochenen Kontur aus – 40 – geraden
Stücken. Und ein Kurvenstück kann man
zusammengesetzt nennen aus einem aufsteigenden und einem
absteigenden Ast. Wenn ich jemandem ohne weitere Erklärung sage “Was ich jetzt vor mir sehe, ist zusammengesetzt”, so wird er mit Recht fragen: “Was meinst du mit ‘zusammengesetzt’? Das kann ja alles Mögliche heißen!” – Die Frage, “Ist, was du siehst, zusammengesetzt?”, hat wohl Sinn, wenn bereits feststeht, um welche Art des Zusammengesetztseins – d.h., um welchen besonderen Gebrauch des dieses Wortes – es sich handeln soll. Wäre also z.B. festgelegt worden, das Gesichtsbild eines Baumes solle “zusammengesetzt” heißen, wenn man nicht nur einen Stamm, sondern auch Äste sieht, so hätte nun die Frage, “Ist das Gesichtsbild dieses Baumes einfach oder zusammengesetzt?” und die Frage “Welches sind seine einfachen Bestandteile” einen klaren Sinn – eine klare Verwendung. Und auf die zweite Frage ist die Antwort natürlich nicht “Die Äste”. ([D|d]ies wäre eine Antwort auf die grammatische Frage: “Was nennt man hier die ‘einfachen Bestandteile’?”) sondern etwa eine Beschreibung der einzeln Äste. Aber ist z.B. nicht ein Schachbrett offenbar, und schlechtweg, zusammengesetzt? – Du denkst wohl an die Zusammensetzung aus 32 weißen und 32 schwarzen Quadraten. Aber könntest n du wir z.B. nicht auch sagen, es sei aus den Farben Weiß, Schwarz und dem Schema des Quadratnetzes zusammengesetzt? Und wenn es hier ganz verschiedene Betrachtungsweisen gibt, willst du dann noch – 41 – sagen, das
Schachbrett sei ‘zusammengesetzt’
schlechtweg? – Außerhalb eines bestimmten Spiels
zu fragen “Ist dieser Gegenstand
zusammengesetzt?” ˇdas ist ähnlich
dem, was einmal ein kleiner Junge tat, der angeben sollte, ob
das Zeitwort die
Zeitwörter in gewissen Satzbeispielen in der aktiven
oder in der passiven Form gebraucht sei
seien, und der sich nun
darüber den Kopf zerbrach, ob z.B. das
Zeitwort “schlafen” etwas Aktives, oder etwas
Passives bedeute. Das Wort “zusammengesetzt” (und also das Wort “einfach”) wird von uns in einer Unzahl verschiedener, in verschiedenen Weisen miteinander verwandten Arten benützt. (Ist die Farbe eines Schachfeldes einfach, oder besteht sie aus reinem Weiß und reinem Gelb? Und ist das Weiß einfach, oder besteht es aus den Farben des Regenbogens? – Ist diese Strecke von 2 cm einfach, oder besteht sie aus zwei Teilstrecken von je 1 cm? Aber warum nicht aus einem Stück von 3 cm Länge und einem, in negativem Sinn angesetzten, Stück von 1 cm.?) Auf die philosophische Frage: “Ist das Gesichtsbild dieses Baumes zusammengesetzt, und welches sind seine Bestandteile?” ist die richtige Antwort: “Das kommt drauf an, was du unter ‘zusammengesetzt’ verstehst.” (Und das ist natürlich keine Beantwortung, sondern eine Zurückweisung der Frage.) |
| 48. Laß uns die
Methode des §2 auf die Darstellung im
Theätetus
anwenden. Betrachten wir ein Sprachspiel,
für das wofür diese Darstellung
wirklich gilt. Die Sprache diene dazu,
Kom-–
42. – binationen farbiger
Flecke Quadrate auf einer Fläche
darzustellen Die Quadrate bilden einen
schachbrettförmigen Komplex. Es gibt rote,
grüne, weiße und schwarze Quadrate. Die
Wörter der Sprache seien (entsprechend):
“R”, “G“,
“W”, “S”, und ein
Satz ist eine Reihe dieser Wörter. Sie beschreiben
eine Zusammenstellung von Farbquadraten in der Reihenfolge
Der Satz “RRSGGGRWW” beschreibt also z.B. eine Zusammensetzung dieser Art:
Coloured. Hier ist der Satz ein Komplex von Namen, dem ein Komplex von Elementen entspricht. Die Urelemente sind die f[ä|a]rbigen Quadrate. “Aber sind diese einfach?” – Ich wüßte nicht, was ich in diesem Sprachspiel natürlicher das “Einfache” nennen sollte. Unter anderen Umständen aber würde ich ein einfärbiges Quadrat “zusammengesetzt” nennen, etwa aus zwei Rechtecken, oder aus den Elementen Farbe und Form. Aber der Begriff der Zusammensetzung könnte auch so gedehnt werden, daß die kleinere Fläche ‘zusammengesetzt’ genannt wird aus einer größeren und einer von ihr subtrahierten. Vergleiche ‘Zusammensetzung’ der Kräfte, ‘Teilung’ einer Strecke durch einen Punkt außerhalb; diese Aus- – 43
– drücke drücke zeigen, daß wir
unter Umständen auch geneigt sind, das Kleinere als Resultat
der ‘Zusammensetzung’ von Größerem
aufzufassen und das Größere als ein Resultat der Teilung
des Kleineren. Aber ich weiß nicht, ob ich nun sagen soll, die Figur, die unser Satz beschreibt, bestehe aus vier Elementen, oder aus neun! Nun, besteht jener Satz aus vier Buchstaben oder aus neun? – Und welches sind seine Elemente: die Buchstabentypen, oder die Buchstaben? Ist es nicht gleichgültig, welches wir sagen? wenn wir nur im besonderen Fall Mi[s|ß]verständnisse vermeiden! |
| 49. Was heißt es aber,
daß wir diese Elemente nicht erklären
(d.h. beschreiben), sondern nur benennen
können? Das könnte etwa sagen, daß die
Beschreibung eines Komplexes, wenn er, in einem Grenzfall, nur aus
einem Quadrat besteht, einfach der Name des
Farbquadrates ist. Man könnte hier sagen – obwohl dies leicht zu allerlei philosophischem Aberglauben führt – ein Zeichen “R”, oder “S”, etc., könne einmal Wort, und einmal Satz sein. Ob es aber ‘Wort oder Satz ist’, hängt von der Situation ab, in der es ausgesprochen oder geschrieben wird. Soll z.B. A dem B Komplexe von Farbquadraten beschreiben und gebraucht er hier das Wort “R” allein, so werden wir sagen können, das Wort sei eine Beschreibung – ein Satz. Memoriert er aber etwa die Wörter und ihre Bedeutungen, oder lehrt er einen Andern den Gebrauch der Wörter und spricht sie beim hinweisenden Lehren aus, so werden – 44 – wir nicht
sagen, sie seien hier Sätze. In dieser Situation
ist das Wort “R”, z.B.
keine Beschreibung; man benennt damit ein Element;
– aber darum wäre es hier seltsam zu sagen, das Element
könne man nur benennen!
Benennen und
Beschreiben stehen ja nicht auf einer
Ebene: Das Benennen ist eine Vorbereitung zur
Beschreibung. Das Benennen ist noch gar kein Zug im
Sprachspiel,– so wenig, wie das Aufstellen einer Schachfigur
ein Zug im Schachspiel. Man kann sagen: Mit
dem Benennen eines Dings ist noch nichts
getan. Es hat auch keinen Namen, –
außer im Spiel. Das war es auch, was
Frege damit meinte:
ein Wort habe nur im Satzzusammenhang Bedeutung. |
| 50. Was heißt es nun,
von den Elementen zu sagen, daß wir ihnen weder Sein noch
Nichtsein beilegen können? – Man könnte
sagen: Wenn alles, was wir “Sein” und
“Nichtsein” nennen, im Bestehen und Nichtbestehen
von Verbindungen zwischen den Elementen liegt, dann hat es keinen
Sinn vom Sein (Nichtsein) eines Elements zu sprechen; sowie,
wenn alles, was wir “zerstören” nennen,
in der Trennung von Elementen liegt, es keinen Sinn hat, vom
Zerstören eines Elements zu reden. Aber man möchte sagen: man kann dem Element nicht Sein beilegen, denn wäre es nicht, so könnte man es auch nicht einaml nennen und also garnichts von ihm aussagen. – Betrachten wir doch einen analogen Fall! Man kann von einem Ding nicht aussagen, es
– 45 – zugeschrieben,
sondern nur seine enˇigenartige Rolle im
Spiel des Messens mit dem Metermaß gekennzeichnet. –
Denken wir uns auf ähnliche Weise wie das Urmeter auch die
Muster von Farben in Paris aufbewahrt. So
erklären wir: “Sepia” heiße die
Farbe des dort unter Luftabschluß aufbewahrtem
Ur-Sepia. Dann wird es keinen Sinn haben, von diesem
Muster auszusagen, es habe diese Farbe, noch, es habe sie
nicht. Wir können das so ausdrücken: Dieses Muster ist ein Teil Instrument der Sprache, mit der wir Farbaussagen machen. Es ist in diesem Spiel nicht Dargestelltes, sondern so Mittel der Darstellung. – Und eben das gilt von einem Element im Sprachspiel (48), wenn wir, es benennend, das Wort “R” aussprechen: wir haben damit diesem Ding eine Rolle in unserm Sprachspiel gegeben; es ist nun Mittel der Darstellung. Und zu sagen ““wäre wäre es nicht, so könnte es keinen Namen haben”, sagt nun soviel so viel, und so wenig, wie: gäbe es dieses Ding nicht, so könnten wir es in unserem Spiel nicht verwenden. – Was es, scheinbar, geben muß, gehört zur Sprache. Es ist in unserm Spiel ein Paradigma; etwas, womit verglichen wird. Und dies feststellen, kann heißen, eine wichtige Feststellung machen; aber ˇes ist dennoch eine Feststellung unser Sprachspiel – unsere Darstellungsweise ˇ– betreffend. |
| 51. In der Beschreibung
des Sprachspiels (48) sagte ich, den Farben der Quadrate
entsprächen die Wörter “R”,
“S“, etc.. Worin aber
besteht diese Entsprechung; inwiefern kann man sagen, diesen
Zeichen entsprächen gewisse Farben der Quadrate?
– 46 – Die
Erklärung in (48) stellte ja nur einen Zusammenhang
zwischen diesen Zeichen und gewissen Wörtern unserer
Sprache her (den Farbnamen). – Nun, es war
vorausgesetzt, daß der Gebrauch der Zeichen im Spiel anders, und
zwar durch Hinweisen auf Paradigmen, gelehrt würde.
Wohl; aber was heißt es nun, zu sagen, in der
Praxis der Sprache entsprächen den Zeichen
gewisse Elemente? – Liegt es darin, daß der,
welcher die Komplexe von Farbquadraten beschreibt, hierbei
immer “R” sagt, wo ein rotes Quadrat steht;
“S”, wo ein schwarzes steht,
etc.? Aber wie, wenn er sich bei der
Beschreibung irrt und, fälschlich, “R”
sagt, wo er ein schwarzes Quadrat sieht– – was
ist hier das Kriterium dafür, daß dies ein Fehler
war? – Oder besteht, daß
“R” ein rotes Quadrat bezeichnet, darin,
daß den Menschen, die die Sprache gebrauchen, immer ein rotes
Quadrat im Geist vorschwebt, wenn sie das Zeichen
“R” gebrauchen? Um klarer zu sehen, müssen wir hier, wie in unzähligen ähnlichen Fällen, die Einzelheiten der Vorgänge ins Auge fassen, was vorgeht aus der Nähe betrachten. |
| 52. Wenn ich dazu neige,
anzunehmen, daß eine Maus durch Urzeugung aus grauen Fetzen und
Staub entsteht, so wird es gut sein, diese Fetzen genau daraufhin
zu untersuchen, wie eine Maus sich in ihnen verstecken konnte, wie
sie dort hin kommen konnte, etc.. Bin
ich aber überzeugt, daß eine Maus aus diesen Dingen
nicht entstehen kann, dann wird diese Untersuchung vielleicht
überflüssig sein. – 47
– Was es aber ist, das sich in der
Philosophie einer solchen Betrachtung der Einzelheiten
entgegensetzt, müssen wir erst verstehen lernen. –
|
| 53. Es gibt nun
verschiedene Möglichkeiten für unser
Sprachspiel (48), verschiedene Fälle, in denen wir sagen
würden, ein Zeichen benenne in dem Spiel ein Quadrat von der
und der Farbe. Wir würden dies
z.B. sagen, wenn wir wüßten, daß
den Menschen, die diese Sprache gebrauchen, der Gebrauch der
Zeichen auf die und die Art beigebracht
Wir können uns aber auch denken, daß eine solche Tabelle ein Werkzeug im Gebrauch der Sprache ist. Die Beschreibung eines Komplexes geht dann so vor sich: der den Komplex bescschreibt, führt eine Tabelle mit sich und sucht in ihr jedes Element des Komplexes auf und geht von ihm in der Tabelle zum Zeichen über (und es kann auch der, dem die Beschreibung gegeben wird, die Worte derselben durch eine Tabelle in die Anschauung von färbigen Quadraten übersetzen.) Man könnte sagen, diese Tabelle übernehme hier die Rolle, die in anderen Fällen Gedächtnis und Assoziation spielen. (Wir werden den Befehl, “Bring mir eine rote Blume!”, für gewöhnlich nicht so ausführen, daß wir die Farbe Rot in einer Farbentabelle nach aufsuchen und dann eine Blume bringen von der Farbe, die wir in der – 48
– Tabelle finden; aber wenn es sich darum
handelt, einen bestimmten Ton von Rot zu wählen,
oder zu mischen, dann geschieht es, daß wir uns eines Musters
oder einer Tabelle bedienen.) Nennen wir eine solche Tabelle den Ausdruck einer Regel des Sprachspiels, so kann man sagen, daß dem, was wir Regel eines Sprachspiels nennen, sehr verschiedene Rollen im Spiel zukommen können. |
| 54. Denken wir
doch daran, in was für Fällen wir sagen, ein Spiel werde
nach einer bestimmten Regel gespielt! Die Regel kann ein Behelf des Unterrichts im Spiel sein. Sie wird dem Lernenden mitgeteilt und ihre Anwendung eingeübt. – Oder sie ist ein Werkzeug des Spieles selbst. – Oder: Eine Regel findet weder im Unterricht noch im Spiel selbst Verwendung; noch ist sie in einem Regelverzeichnis niedergelegt. Man lernt das Spiel, indem man zusieht, wie Andere es spielen. Aber wir sagen, es werde nach den und den Regeln gespielt, weil ein Beobachter diese Regeln aus der Praxis des Spiels ablesen kann,– wie ein Naturgesetz, dem die Spielhandlungen folgen. ‒ ‒ Wie aber unterscheidet der Beobachter in diesem Fall zwischen einem Fehler der Spielenden und einer richtigen Spielhandlung? – Es gibt dafür Merkmale im Benehmen der Spieler. Denke an das charakteristische Benehmen dessen, der ein Versprechen korrigiert. Es wäre möglich, zu erkennen, daß Einer dies tut, auch wenn wir seine Sprache nicht verstehen. |
| 55.
“Was die Namen der Sprache bezeichnen, muß
unzerstörbar sein: denn man muß den Zustand
beschreiben können, in dem alles, – 49
– was zerstörbar ist, zerstört
ist. Und in dieser Beschreibung wird es Wörter
geben; und was ihnen entspricht, darf dann nicht zerstört
sein, denn sonst hätten die Wörter keine
Bedeutung.” Ich darf mir nicht den Ast
absägen, auf welchem ich sitze. Man könnte nun freilich gleich einwenden, daß ja die Beschreibung selbst sich von der Zerstörung ausnehmen müsse. – Aber das, was den Wörtern der Beschreibung entspricht und also nicht zerstört sein darf, wenn sie wahr ist, ist, was den Wörtern ihre Bedeutung gibt,– ohne welches sie keine Bedeutung hätten. ‒ ‒ Aber dieser Mensch ist ja doch in einem Sinne das, was seinem Namen entspricht. Er aber ist zerstörbar; und sein Name verliert seine Bedeutung nicht, wenn der Träger zerstört wird. – Das, was dem Namen entspricht, und ohne den er keine Bedeutung hätte, ist, z.B., ein Paradigma, das im Sprachspiel in Verbindung mit dem Namen gebraucht wird. |
| 56. Aber wie, wenn kein
solches Muster zur Sprache gehört, wenn wir uns,
z.B., die Farbe, die ein Wort bezeichnet,
merken? “Und wenn wir sie uns
merken, so tritt sie also vor unser geistiges Auge, wenn wir etwa
das Wort aussprechen. Sie muß also an sich
unzerstörbar sein, wenn die Möglichkeit bestehen
soll, daß wir uns jederzeit an sie erinnern.”
– –Aber was sehen wir denn als das Kriterium dafür
an, daß wir uns richtig an sie erinnern? – Wenn
wir mit einem Muster statt mit unserm Gedächtnis arbeiten, so
sagen wir unter Umständen, das Muster habe seine Farbe
verändert und beurteilen – 50
– dies mit dem Gedächtnis.
Aber wir können wir nicht unter
Umständen auch von einem Nachdunkeln
(z.B.) unseres Erinnerungsbildes
reden? Sind wir dem Gedächtnis nicht ebenso
ausgeliefert, wie einem Muster?)
(Denn es könnte Einer sagen wollen:
“Wenn wir kein Gedächtnis hätten, wären
wir einem Muster ausgeliefert.”) Oder
etwa einer chemischen Reaktion. Denke, du solltest eine
bestimmte Farbe malen die
Farbe sie heißt “F”, und es ist die Farbe, welche
man sieht, wenn sich die chˇemischen Substanzen
…X und …Y miteinander
verbinden. – Nimm an, die Farbe käme Dir an
einem Tag heller vor als an einem andern; würdest du da nicht
unter Umständen sagen: “Ich muß mich
irren, die Farbe ist gewiß die gleiche, wie
gestern”? Das zeigt, daß wir uns dessen,
was das Gedächtnis sagt, nicht immer als des obersten,
inappellabeln, Schiedsspruchs bedienen. |
| 57. “Etwas Rotes
kann zerstört werden, aber Rot kann nicht zerstört
werden, und darum ist die Bedeutung des Wortes
‘rot’ von der Existenz eines roten Dinges
unabhängig.” – Gewiß, es hat keinen
Sinn, zu sagen, die Farbe Rot (color, nicht
pigmentum) werde zerrissen, oder
zerstampft. Aber sagen wir nicht, “Die
Röte verschwindet”? Und klammre Dich nicht
daran, daß wir sie uns vors geistige Auge rufen können,
auch wenn es nichts Rotes mehr gibt! Dies ist nicht
anders, als wolltest du sagen, daß es dann immer noch eine
chemische Reaktion gäbe, die eine rote Flamme
erzeugt. – Denn wie, wenn du Dich nicht mehr an die
Farbe erinnern kannst? – Wenn wir vergessen, welche
Farbe es ist, die diesen Namen hat, so verliert er seine Bedeutung
für – 51
– uns; d.h., wir
können ein bestimmtes Sprachspiel nicht mehr mit ihm
spielen. Und die Situation ist dann der zu
vergleichen, daß das Paradigma, welches ein Mittel unserer
Sprache war, verloren gegangen ist. |
| 58. “Ich will
‘Name’ nur das nennen, was nicht in
der Verbindung ‘X existiert’ stehen
kann. – Und so kann man nicht sagen ‘Rot
existiert’, weil, wenn es Rot nicht gäbe, von ihm
überhaupt nicht geredet werden
könnte.[2|”] –
Richtiger: Wenn “X
existiert” soviel besagen soll, wie:
“X” habe Bedeutung,– dann ist es kein
Satz, der von X handelt, sondern ein Satz über unsern
Sprachgebrauch, nämlich den Gebrauch des Wortes
“X”. Es erscheint uns, als sagten wir damit etwas über die Natur von Rot: daß die Worte “Rot existiert” keinen Sinn ergeben. Es existiere eben ‘an und für sich’. Die gleiche Idee, – daß dies eine metaphysische Aussage über Rot ist,– drückt sich auch darin aus, daß wir etwa sagen, Rot sei zeitlos, und vielleicht noch stärker im Wort “unzerstörbar”. Aber eigentlich wollen wir eben nur “Rot existiert” auffassen, als Aussage: das Wort “Rot” hat Bedeutung. Oder vielleicht richtiger: “Rot existiert nicht”, als “‘Rot’ hat keine Bedeutung”. Nur wollen wir nicht sagen, daß jener Ausdruck das sagt, sondern daß er das sagen müßte, wenn er einen Sinn hätte. Daß er sich aber beim Versuch, das zu sagen, selbst widerspricht – da eben Rot ‘an und für sich’ sei. Während ein Widerspruch nur etwa darin liegt, daß der – 52 – Satz aussieht,
als rede er von der Farbe, während er etwas über den
Gebrauch des Wortes “rot” sagen soll. –
In Wirklichkeit aber sagen wir sehr wohl, eine bestimmte
Farbe existiere; und das heißt, so viel wie: es
existiere etwas, was diese Farbe hat. Und der erste
Ausdruck ist nicht weniger exakt als der zweite; besonders dort nicht,
wo ‘das, was die Farbe hat’, kein physikalischer
Gegenstand ist. |
| 59.
“Namen bezeichnen nur das, was
Element der Wirklichkeit ist. Was sich
nicht zerstören läßt; was in allem Wandel
gleichbleibt.” – Aber was ist
das? – Während wir den Satz sagten, schwebte
es uns ja schon vor! Wir sprachen schon eine ganz
bestimmte Vorstellung aus. Ein bestimmtes Bild, das wir
verwenden wollen. Denn die Erfahrung zeigt uns diese
Elemente ja nicht. Wir sehen
Bestandteile von etwas Zusammengesetztem (eines
Sessels z.B.). Wir sagen, die
Lehne ist ein Teil des Sessels, aber selbst wiˇeder
zusammengesetzt aus verschiedenen Hölzern; während
ein Fuß ein einfacher Bestandteil ist. Wir sehen auch
ein Ganzes, was sich ändert (zerstört wird)
während seine Bestandteile unverändert
bleiben. Dies sind die Materialien, aus denen wir jenes
Bild der Wirklichkeit anfertigen. |
| 60. Wenn ich nun
sage: “Mein Besen steht in der
Ecke”, – ist dies eigentlich eine Aussage über
den Besenstiel und die Bürste des Besens?
Jedenfalls könnte man doch die Aussage ersetzen durch eine,
die die Lage des Stiels und die Lage der Bürste
angibt. Und diese Aussage ist doch nun eine weiter
an – 53
– analysierte Form der ersten. –
Warum aber nenne ich sie “weiter
analysiert”? – Nun, wenn der Besen sich dort
befindet, so heißt das doch, es müssen Stiel und
Bürste dort sein und in bestimmter Lage zueinander; und dies
war früher gleichsam im Sinn des Satzes verborgen, und im
analysierten Satz ist es ausgesprochen.
Also meint der, der das sagt, der Besen stehe in der Ecke,
eigentlich, der Stiel sei dort und die Bürste, und der Stiel
stecke in der Bürste? – Wenn wir jemand
fragten, ob er das meint, wurde er wohl
sagen, daß er garnicht an den
Besenstiel besonders, oder an die Bürste besonders,
gedacht habe. Und das wäre die richtige
Antwort, denn er wollte weder vom Besenstiel, noch
von der Bürste, besonders, reden. Denke, du sagtest
jemandem, statt “Bring mir den
Besen„? Besen“– Besen!”– “Bring mir den
Besenstiel und die Bürste, die an ihm
steckt!” – Ist die Antwort darauf
nicht: “Willst du den Besen haben?
Und warum drückst du das so sonderbar
aus?”‒ ‒ Wird denn er den
weiter analysierten Satz also besser verstehen? –
Dieser Satz, könnte man sagen, leistet dasselbe, wie
der gewöhnliche, aber auf einem umständlicheren
Wege. – Denk Dir ein Sprachspiel, in dem jemandem
Befehle gegeben werden, gewisse, aus mehreren Teilen
zusammengesetzte Dinge zu bringen, zu bewegen, oder
dergleichen. Und zwei Arten es zu spielen: in der
einen a) haben die zusammengesetzten Dinge (Besen,
Stühle, Tische, etc.) Namen, die
wie in (15); in der anderen b) erhalten nur die
Teile Namen und das Ganze wird mit ihrer Hilfe
beschrieben. – In wiefern ist denn ein – 54 – Befehl des
zweiten Spiels eine analysierte Form eines Befehls des
ersten? Steckt denn jener in diesem und wird nun durch
Analyse herausgeholt? – Ja, der Besen wird zerlegt,
wenn man Stiel und Bürste trennt; aber besteht darum auch der
Befehl, den Besen zu bringen aus entsprechenden Teilen?
|
| 61. “Aber
du wirst doch nicht leugnen, daß ein bestimmter Befehl in
(a) das Gleiche sagt, wie einer in (b); und
wie willst du denn den zweiten nennen, wenn nicht eine
analysierte Form des ersten.” – Freilich,
ich würde auch sagen, ein Befehl in (a) habe
den gleichen Sinn, wie einer in (b); oder, wie ich es
früher ausgedrückt habe: sie leisten dasselbe.
Und das heißt: Wenn mir etwa ein Befehl in
(a) gezeigt und die Frage gestellt würde,
“Welchem Befehl in (b) ist dieser
|
| 62. Denke etwa, der, dem
du die Befehle in (a) und (b) gegeben
werden, habe in einer Tabelle, welche Namen Bildern zuordnet,
nachzusehen, ehe er das Verlangte bringt. Tut er nun
dasselbe, wenn er einen Befehl (a) und den
entsprechenden in (b)
ausführt? – Ja und nein. Du kannst
sagen: “Der Witz der beiden
Befehle ist der gleiche”. Ich würde
– 55 – hier dasselbe
sagen. – Aber es ist nicht überall klar, was
man den ‘Witz’ des Befehls nennen soll.
(Ebenso kann man von gewissen Dingen sagen: ihr Zweck ist
der und d der. Das Wesentliche ist,
dß daß das eine Lampe ist, zur Beleuchtung
dient ‒ ‒ daß sie das Zimmer schmückt, einen
leeren Raum füllt, etc., ist nicht
wesentlich. Aber nicht immer sind wesentlich und
unwesentlich klar getrennt.)
(Zusammenhang mit dem letzten
Absatz im § in
(43)).) |
| 63. Der Ausdruck aber,
ein Satz in (b) sei eine
‘analysierte’ Form eines in (a),
verführt uns leicht dazu, zu meinen, jene Form sei die
fundamentalere; sie zeige erst, was mit der andern, gemeint
sei, etc.. Wir denken etwa: Wer
nur die analysierte Form unanalysierte Form
besitzt, dem geht die Analyse ab; wer aber die analysierte Form
kennt, der besitze damit alles. – Aber kann ich
n[ii|ic]ht sagen, daß diesem diesem ein Aspekt der Sache verloren geht, so
wie jenem? |
| 64. Denken wir uns das
Spiel (48) dahin abgeändert, daß in ihm Namen nicht
einfärbige Quadrate bezeichnen, sondern Rechtecke, die aus je
zwei solchen Quadraten bestehen. Ein solches Rechteck
halb rot, halb grün, heiße
“[u|U]”; ein Rechteck, halb
grün, halb weiß, heiße “V”,
etc.. Könnten wir uns nicht
Menschen denken, die für solche Farbenkombinationen Namen
hätten, aber nicht für die einzelnen Farben?
Denk an die Fälle, in denen wir sagen:
“Diese Farbenzusammenstellung (die
französische Tricolore etwa) hat einen
ganz besonderen Charakter.” – 56 – In wiefern
sind die Zeichen dieses Sprachspiels einer Analyse
bedürftig? Ja, in wieweit
kann kann das Spiel durch
(48) ersetzt werden? – Es ist eben ein
anderes Sprachspiel; wenn auch mit (48)
verwandt. |
| 65.
Hier stoßen wir auf die große Frage, die hinter allen
diesen Betrachtungen steht. – Denn man könnte mir
nun einwenden: “Du machst Dir's
leicht! Du redest von allen möglichen
Sprachspielen, hast aber nirgends gesagt, was denn das
Wesentliche des Sprachspiels, und der also der
Sprache, ist. Was allen diesen Vorgängen gemeinsam
ist und sie zur Sprache, oder zu Teilen der Sprache macht.
Du schenkst dir also gerade den Teil der Untersuchung, der
dir selbst seinerzeit das meiste Kopfzerbrechen gemacht hat,
nämlich den, die allgemeine Form des Satzes
und der Sprache betreffend.” Und das ist wahr. – Statt etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Erscheinungen garnicht Eines gemeinsam, weswegen wir für alle das gleiche Wort verwenden, – sondern sie sind mit einander in vielen verschiedenen Weisen verwandt. Und dieser Verwandtschaft, oder diesen Verwandtschaften wegen nennen wir sie alle “Sprachen”. Ich will versuchen, dies zu erklären. |
| 66.
Betrachte
z.B. einmal die Vorgänge, die wir
“Spiele” nennen. Ich meine
Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiele, Kampfspiele
u.s.w.. Was ist allen diesen
gemeinsam? – Sag – 57
– nicht: “Es
muß ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen
sie nicht ‘Spiele’” – sondern
schau, ob ihnen allen etwas gemeinsam
ist. – Denn, wenn du sie anschaust, wirst du zwar
nicht etwas sehen, was allen gemeinsam wäre,
aber du wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften, sehen, und
zwar eine ganze Reihe. Wie gesagt: denk nicht,
sondern schau! – Schau
z.B. die Brettspiele an, mit ihren mannigfachen
Verwandtschaften. Nun geh zu den Kartenspielen
über: hier findest du viele Entsprechungen
Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander – 58 –
übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im
Großen und Kleinen. |
| 67. Ich kann diese
Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren, als durch das
Wort “Familienähnlichkeiten”; denn so
übergreifen und überkreuzen sich die verschiedenen
Ähnlichkeiten, die zwischen den Gliedern einer Familie
bestehen: Wuchs, Gesichtszüge, Augenfarbe, Gang,
Temperament, etc. etc..–
Und ich werde sagen: die ‘Spiele’
bilden eine Familie. Und ebenso bilden z.B. die Zk Zahlenarten eine Familie. Warum benennen wir etwas “Zahl”? Nun etwa, weil es eine – direkte – Verwandtschaft mit manchem hat, was man bisher Zahl genannt hat; und dadurch, kann man sagen, erhält es eine indirekte Verwandtschaft zu anderem, was wir auch so so nennen. Und wir denen unseren Begriff der Zahl aus, wie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß ˇirgend eine Faser durch seine ganze Länge läuft, sondern darin, daß viele Fasern einander übergreifen. Wenn aber Einer sagen wollte: “Also ist allen diesen Gebilden etwas gemeinsam,– nämlich die Disjunktion aller dieser Gemeinsamkeiten”– so würde ich antworten: Hier spielst du nur mit einem Wort. Ebenso könnte man sagen: es läuft ein Etwas durch den ganzen Faden,– nämlich das lückenlose Übergreifen dieser Fasern. |
| 68.
◇. “Gut; so
ist also der Begriff der Zahl für dich erklärt als die
logische Summe jener einzelnen mit einander verwandten
Begriffe: Kardinalzahl, Rationalzahl, reelle Zahl,
etc.; und gleicherweise – 59 – gleicherweise der
Begriff des Spiels als logische Summe entsprechen
Teilbegriffe.”‒ ‒ Dies muß nicht
sein. Denn ich kann so dem Begriff
“Zahl” feste Grenzen geben,
d.h. das Wort “Zahl” zur
Bezeichnung eines fest begrenzten Begriffes gebrauchen, aber
ich kann es auch
“Aber dann ist ja die Anwendung des Wortes nicht geregelt; das ‘Spiel’, welches wir mit ihm spielen ist nicht geregelt.”‒ ‒ Es ist nicht überall von Regeln begrenzt; [|a]ber es gibt ja auch keine Regel dafür, wie hoch man z.B., wie hoch man im Tennis den Ball werfen darf, oder wie stark, aber Tennis ist doch ein Spiel und es hat auch Regeln. |
| 69. Wie
würden wir denn jemandem erklären, was ein Spiel
ist? Ich glaube, wir werden ihm Spiele beschreiben,
und wir können könnten der
Beschreibung hinzufäˇügen:
“das, und Ähnliches, nennt man und
Ähnliches, nennt man
‘Spiele’”. Und wissen wir
selbst denn mehr? Können wir etwa nur dem
Andern nicht genau sagen, was ein Spiel ist? –
Aber das ist nicht Unwissenheit. Wir kennen die
Grenzen nicht, weil keine gezogen sind. Wie gesagt, wir
können – für einen besondern
¤ Jemand sagt mir: “Zeige den Kindern ein Spiel!” Ich lehre sie, um Geld würfeln, und der Andere sagt mir “Ich habe nicht so ein Spiel gemeint”. Mußte ihm da, als er mir den Befehl gab, der Ausschluß de[|s] Würfelspiels vorschweben! – 60 – Zweck – eine Grenze
ziehen. Machen wir dadurch den Begriff erst
brauchbar? Durchaus nicht! Es sei denn,
für
|
| 70. “Aber wenn
der Begriff ‘Spiel’ auf diese Weise
unbegrenz[s|t] ist, so weißt du ja eigentlich nicht,
was du mit ‘Spiel’ meinst.”– – Wenn ich die Beschreibung gebe: “Der
Boden war ganz mit Pflanzen bedeckt”,– willst du
sagen, ich weiß nicht, wovon ich rede, ehe ich nicht eine
Definition der Pflanze geben kann? Eine Erklärung dessen, was ich meine, wäre etwa eine Zeichnung und die Worte “So ungefähr hat der Boden ausgesehen”. Ich sage vielleicht auch: “genau so hat er ausgesehen”. – Also waren genau diese Gräser und Blätter, in diesen Lagen, dort? Nein, das heißt es nicht. Und kein Bild würde ich, in diesem Sinne, als das genaue anerkennen. 1 |
|
| 71.
Man kann sagen, der Begriff ‘Spiel’ ist ein
Begriff mit verschwommenen Rändern. –
“Aber ist ein verschwommener Begriff überhaupt ein
Begriff?” – Ist eine unscharfe
Photographie überhaupt ein Bild eines
Menschen? – Ja, kann man ein unscharfes Bild immer
mit Vorteil durch ein scharfes ersetzen? Ist das
unscharfe nicht oft gerade das, was wir brauchen? – 61 –
Frege vergleicht den
Begriff mit einem Bezirk und sagt: einen unklar begrenzten
|
| 72. Das Gemeinsame
sehen. Nimm an, ich zeige jemandem verschiedene
bunte Bilder, und sage: “Die Farbe, die du in
allen siehst, heißt ‘Ocker’.”
– Das ist eine Erklärung, die verstanden wird,
indem der Andere aufsucht und sieht, was jenen Bildern gemeinsam
ist. Er kann dann auf das Gemeiname
blicken, darauf zeigen. Vergleiche damit: Ich zeige ihm Figuren verschiedener – 62 – Form, alle in der
gleichen Farbe gemalt und sage: “Was diese mit
einander gemein haben, heißt
‘Ocker’”. Und vergleiche damit: – Ich zeige ihm Muster verschiedener Schatˇtierungen von Blau und sage: “Die Farbe, die allen gemeinsam ist, nenne ich ‘Blau’”. |
| 73. Wenn Einer mir die
Namen der Farben erklärt, indem er auf Muster zeigt und
sagt: “Diese Farbe heißt
‘Blau’, diese ‘Grün’,
… ”, so kann dieser Fall in vieler Hinsicht dem
verglichen werden, daß er mir eine Tabelle an die Hand gibt, in
der unter
“Aber könnte es nicht solche “allgemeine’ Muster geben? Etwa ein Blattschema, oder ein Muster von reinem Grün.” – Gewiß! Aber, daß dieses Schema als Schema verstanden wird, und nicht als die Form eines bestimmten Blattes, und daß ein Täfelchen von reinem Grün als Muster alles dessen ver- – 63
– standen wird, was grünlich ist und
nicht als Muster für reines Grün – das liegt wieder
in der Art der Anwendung dieser Muster. Frage dich: Welche Gestalt muß das Muster der Farbe Grün haben. Soll es viereckig sein? Oder würde es dann das Muster für grüne Vierecke sein? – Soll es also ‘unregelmäßig’ geformt sein? Und was verhindert uns, es dann nur als Muster der unregelmäßigen Form anzusehen – d.h. zu verwenden? |
| 74. Hierher gehört
auch der Gedanke, daß der, welcher dieses Blatt‘
als Muster ‘der’ Blattform im
allgemeinen’
|
| 75.
Was heißt es: wissen, was ein Spiel ist? Was
heißt es, es wissen und es nicht sagen können?
Ist dieses Wissen irgendein Äquivalent einer nicht
ausgesprochenen Definition? So daß, – 64 – wenn sie ausgesprochen
würde, ich sie als den Ausdruck meines Wissens anerkennen
könnte? Ist nicht mein Wissen, mein Begriff vom
Spiel, ganz in den Erklärungen ausgedrückt, die ich
ˇgeben könnte? Nämlich darin, daß
ich Beispiele von Spielen verschiedener Art beschreibe; zeige, wie
man nach Analogie dieser auf alle möglichen Arten andere
Spiaele konstruieren kann; sage, daß ich
das und das wohl kaum mehr ein Spiel nennen würde; und
dergleichen mehr. |
| 76. Wenn Einer eine
scharfe Grenze zöge, so könnte ich sie nicht als die
anerkennen, die ich auch schon immer ziehen wollte, oder im Geist
gezogen habe. Denn ich wollte gar keine ziehen.
Man kann dann sagen: sein Begriff ist nicht der gleiche
wie der meine, aber ihm verwandt. Und die Verwandtschaft
ist die, zweier Bilder, deren eines aus unscharf begrenzten
Farbflecken, das andere aus ähnlich geformten und
verteilten, aber scharf begrenzten, besteht. Die
Verwandtschaft ist dann ebenso unleugbar, wie die
Verschiedenheit. |
| 77. Und wenn wir diesen
Vergleich noch etwas weiter führen, so ist es klar, daß der
Grad, bis zu welchem das scharfe Bild dem verschwommenen
ähnlich sein kann, vom Grade der
Unschärfe
– 65
– ineinanderfließen,– wird es dann
nicht eine hoffnungslose Aufgabe werden, ein dem verschwommenen
entsprechendes scharfes Bild zu zeichnen? Wirst du
dann nicht sagen müssen: “Hier
könnte ich ebenso gut einen Kreis, wie ein Rechteck, oder eine
Herzform zeichnen; es fließen ja alle Farben durcheinander.
Es stimmt alles,– und nichts.”– – Und in dieser Lage befindet sich
z.B. der, der in der Ästhetik,
oder Ethik nach Definitionen sucht, die
unsern unseren Begriffen entsprechen.
Frage dich in dieser Schwierigkeit immer: “Wie haben wir denn die Bedeutung dieses Wortes (‘gut’ z.B.) gelernt? An was für Beispielen; in welchen Sprachspielen? Du wirst dann leichter sehen, daß das Wort eine Familie von Bedeutungen haben muß. |
| 78.
Vergleiche: wissen und
sagen: [W|w]ieviele m hoch der Mont-Blanc ist – wie das Wort “Spiel” gebraucht wird – wie eine Klarinette klingt. Wer sich wundert, daß man etwas wissen könne und nicht sagen, denkt vielleicht an einen Fall wie den ersten. Gewiß nicht an einen, wie den dritten. |
| 79.
Betrachte dieses Beispiel: Wenn man sagt,
“Moses hat nicht
existiert”, so kann das Verschiedenerlei bedeuten.
Es kann heißen: die Israeliten haben nicht
einen Führer gehabt, als sie aus
Ägypten ausgezogen sind auszogen– – oder: ihr Führer hat nicht
Moses geheißen – –
oder: es kann hat keinen Menschen
gegeben, der alles das vollbracht hat, was die Bibel – 66 – von
Moses berichtet – –
etc., etc..– Nach
Russell können wir
sagen: der Name
“Moses” kann durch
verschiedene Beschreibungen definiert werden.
Z.B. als: “der Mann, welcher
die Isrraeliten durch die Wüste geführt
hat”, “der Mann, welcher zu dieser Zeit und an diesem
Ort gelebt hat und damals
‘Moses’ genannt
wurde”, “der Mann, welcher als Kind von der
Tochter Pharaos aus dem
Nil gezogen wurde”, etc..
Und je nachdem wir die eine, oder andere Definition
anˇnehmen, bekommt der Satz
“Moses hat existiert”
einen andern Sinn, und ebenso jeder andere Satz, der von
Moses handelt. – Und
wenn man uns sagt, “N hat nicht
existiert”, fragen wir auch: “Was meinst
du? Willst du sagen, daß … , oder daß … ,
etc.?”
Aber wenn ich nun eine Aussage über Moses mache; bin,– bin ich immer bereit, irgend eine dieser Beschreibungen für “Moses” zu setzen? Ich werde etwa sagen: Unter “Moses” verstehe ich den Mann, der getan hat, was die Bibel von Moses berichtet, oder doch vieles davon. Aber wievieles? Habe ich mich entschieden, wieviel sich als falsch erweisen muß, damit ich meinen Satz als falsch aufgebe? Hat also der Name “Moses” für mich einen festen und eindeutig bestimmten Gebrauch in allen möglichen Fällen? – Ist es nicht so, daß ich sozusagen eine ganze Reihe von Stützen in Bereitschaft habe, und bereit bin, mich auf eine zu stützen, wenn mir die andere entzogen werden sollte, und umgekehrt? – – Betrachte noch einen andern Fall. Wenn ich sage “N ist gestorben”, so kann es mit der Bedeutung des Namens “N” etwa diese Bewandtnis haben: Ich glaube, – 67 – daß ein Mensch gelebt
hat, den ich (1) dort und dort gesehen habe, der
(2) so und so ausgeschaut hat (Bilder), (3) das
und das getan hat und (4) in der bürgerlichen Welt
diesen Namen “N” führt. –
Gefragt, was ich unter “N” verstehe,
würde ich alles das, oder einiges davon, und bei verschiedenen
Gelegenheiten Verschiedenes, aufzählen. Meine
Definition von “N” wäre also
etwas: “der Mann, von dem
Und das kann man so ausdrücken: Ich gebrauche den Namen “N” ohne feste Bedeutung. (Aber das tut seine[|m] Gebrauch so wenig Eintrag, wie dem eines Tisches, daß er auf vier Beinen ruht, statt auf dreien, und daher unter Umständen wackelt.) Soll man sagen Soll man sagen, ich gebrauche ein Wort, dessen Bedeutung ich nicht kenne, rede also Unsinn? – Sage, was du willst, solange dich das nicht hindert verhindert, zu sehen, wie es sich verhält. (Und wenn du das siehst, wirst du manches nicht sagen.) (Das Schwanken wissenschaftlicher Definitionen: [w|W]as heute als erfahrungsmäßige Begleichterscheinung des Sachverhaltes // Phänomens // A gilt, wird morgen zur Definition – 68
– von “A”
benützt.) |
| 80. Ich sage:
“Dort steht ein Sessel”. Wie, wenn
ich hingehe und ihn holen will und er entschwindet
plötzlich meinem Blick? ‒ ‒
“Also war es kein Sessel, sondern irgend eine
Täuschung.” – Aber in ein paar
Sekunden sehen wir ihn wieder und können ihn angreifen,
etc..‒ ‒ “Also war der
Sessel doch da und sein Verschwinden war irgend eine
Täuschung.”‒ ‒ Aber nimm an,
nach einer Zeit verschwindet er wieder,– oder scheint zu
verschwinden. Was sollen wir nun sagen?
Hast du für solche Fälle Regeln bereit,– die
sagen, ob man so etwas noch “Sessel” nennen
darf? Aber gehen sie uns beim Gebrauch des Wortes
“Sessel” ab; und sollen wir sagen, daß wir mit
diesem Wort eigentlich keine Bedeutung verbinden, da wir nicht
für alle Möglichkeiten seiner Anwendung mit Regeln
versehen ausgerüstet sind? |
| 81.
F. P.
Ramsey hat einmal im
Gespräch mit mir betont, die Logik sei eine
“normative Wissenschaft”. Genau welche
Idee ihm dabei
vorgeschwebte
hat, weiß ich nicht; sie war aber
zweifellos eng verwandt mit der, die mir erst später
aufgegangen ist: daß wir nämlich in der Philosophie
den Gebrauch der Wörter oft mit Spielen, Kalkülen nach
festen Regeln, vergleichen, aber nicht sagen
können, wer die Sprache gebraucht, müsse
ein solches Spiel spielen. ‒ ‒ Sagt man nun
aber, daß unser sprachlicher Ausdruck sich solchen Kalkülen
nur nähert, so steht man damit unmittelbar am Rande
eines Mißverständnisses. Denn so kann es
scheinen, als redeten wir in der Logik von einer
idealen – 69
– Sprache. Als wäre unsre
Logik eine Logik, gleichsam, für den luftleeren Raum.
Während die Logik doch nicht von der Sprache –
bezw. vom Denken – handelt in dem
Sinne, wie eine Naturwissenschaft von einer Naturerscheinung,
und man höchstens sagen kann, wir konstruierten
ideale Sprachen. Aber hier wäre das Wort
‘ideal’ irreführend, denn
All das kann aber erst dann im rechten Licht erscheinen, wenn manch wir ˇman über die Begriffe Ideen des Verstehens, Meinens und Denkens ˇgrößere Klarheit gewonnen haben. Denn dann wird auch klar werden, was ˇuns dazu verleiten kann (ˇund mich verleitet hat) zu denken, daß, wer einen Satz ausspricht und ihn meint meint meint, oder versteht versteht versteht, damit einen Kalkül betreibt, nach bestimmten Regeln. |
| 82. Was nenne ich die
‘Regel, nach der er vorgeht’? –
Die Hypothese, die seinen Gebrauch der Worte, den wir
beobachten, zufriedenstellend beschreibt; oder die Regel, die er
beim Gebrauch der Zeichen nachschlägt; oder, die er uns zur
Antwort gibt, wenn wir ihn ihn nach seiner Regel
fragen? – Wie aber, wenn die Beobachtung keine
Regel klar erkennen läßt, und die Frage keine zu Tage
fördert? – Denn er gab mir zwar auf meine
Frage, was er unter “N” verstehe, eine
Erklärung, war aber bereit, diese Erklärung zu widerrufen
und abzuändern. – Wie soll ich also die Regel
bestimmen, nach der er spielt? Er – 70 – weiß sie selbst
nicht. Oder richtiger: Was soll der Ausdruck
“Regel, nach welcher er vorgeht” hier noch
besagen? |
| 83. Steckt uns da nicht
die Analogie der Sprache mit dem Spiel ein Licht auf?
Wir können uns doch sehr wohl denken, daß sich Menschen
auf einer Wiese damit unterhielten, mit einem Ball zu spielen, so
zwar, daß sie verschiedene bestehende Spiele anfingen,
manche nicht zu Ende spielten, dazwischen den Ball planlos in die
Höhe würfen, einander ˇim Scherz mit dem
Ball nachjagen und bewerfen, etc.. Und
nun sagte Einer: Die ganze Zeit hindurch spielen die
Leute ein Ballspiel, und richten sich daher bei jedem Wurf nach
bestimmten Regeln. Und gibt es nicht auch den Fall, wo wir spielen und – ‘make up the rules as we go along’? Ja auch den, in welchem wir sie abändern – as we go along. |
| 84. Ich sagte von der
Anwendung eines Wortes: sie sei nicht überall von Regeln
begrenzt. Aber wie schaut denn ein Spiel aus, das
überall von Regeln begrenzt ist? dessen Regeln keinen
Zweifel eindringen lassen; ihm alle Löcher
verstopfen? – Können wir uns nicht eine Regel
denken, die die Anwendung der Regel regelt? Und einen
Zweifel, den jene Regel behebt,– und so
fort? Aber das sagt nicht, daß wir zweifeln, weil wir uns einen Zweifel denken können. Ich ˇkann mir sehr wohl denken, daß jemand jedesmal vor dem Öffnen seiner Haustüre zweifelt, ob sich hinter ihr nicht ein Abgrungd aufgetan hat; und daß er sich darüber vergewissert, eh er durch die Tüt tritt (und – 71 – es kann sich
einamal erweisen, daß er recht hatte) – aber
deswegen zweifle ich im gleichen Falle doch nicht.
|
| 85. Eine Regel
steht da, wie ein Wegweiser. – Läßt er
keinen Zweifel offen über den Weg, den ich zu gehen
habe? Zeigt er, in welcheˇr Richtung ich
gehen soll, wenn ich an ihm vorbei bin; ob der Straße nach, oder
dem Feldweg, oder querfeldein? Aber wo
steht, in welchem Sinne ich ihm zu folgen habe; ob in der Richtung
der Hand, oder z.B.
(z.B.) in der
entgegengesetzten? – Und wenn statt eines
Wegweisers eine geschlossene Kette von Wegweisern stünden,
oder Kreidestriche auf dem Boden liefen;– gibt es für sie
nur eine Deutung? – Also kann ich
sagen, der Wegweiser läßt doch keinen Zweifel offen.
Oder vielmehr: Er läßt manchmal einen
Zweifel offen, manchmal nicht. Und dies ist nun
keine philosophischer Satz mehr; sondern ein
Erfahrungssatz. |
| 86. Ein Sprachspiel wie
((2), werde mit Hilfe einer Tabelle
gespielt. Die Zeichen, die A dem B gibt, seien
nun Schriftzeichen. B hat eine Tabelle; in der
ersten Spalte stehen die Schriftzeichen, die im Spiel gebraucht
werden, in der zweiten, Bilder von Bausteinformen.
A zeigt dem B ein solches Schriftzeichen;
B sucht es in der Tabelle auf, blickt auf das
gegenüberliegende Bild, etc..
Die Tabelle ist also eine Regel, nach der er sich beim
Ausführen der Befehle richtet. – Das Aufsuchen
des Bildes in der Tabelle lernt man durch Abrichtung, und ein Teil
dieser Abrichtung besteht etwa darin, daß der Schüler
lernt, in der Tabelle mit dem Finger horizontal von links nach
– 72 – rechts zu
fahren; also lernt, sozusagen, eine Reihe horizontaler Striche
zu ziehen. Denk dir, es würden nun verschiedene Arten eingeführt, eine Tabelle zu lesen; nämlich einmal, wie oben, nach dem Schema: ein andermal nach diesem Schema: oder einem andern. – So ein Schema werde der Tabelle beigefügt als Regel, wie sie zu gebrauchen sei. Können wir uns nun nicht weitere Regeln zur Erklärung dieser vorstellen? und war anderseits jene erste Tabelle unvollständig ohne das Schema der Pfeile? Und sind es die anderen ohne ihr Schema? |
| 87. Nimm an, ich
erkläre: “Unter
‘Moses’ verstehe ich
den Mann, wenn es einen solchen gegeben hat, der die
Israeliten aus Ägypten geführt hat, wie immer
er damals geheißen hat und was immer er sonst getan, oder nicht
getan haben mag”. – Aber über die
Wörter dieser Erklärung sind ähnliche Zweifel
möglich, wie die über den Namen
“Moses” (was
nennst du “Ägypten”, wen
“die Israeliten”,
etc.?). Ja, diese Fragen
kommen auch nicht zu einem Ende, wenn wir bei Wörtern wie
“rot”, ”dunkel”,
“süß”, angelangt wären. ‒ ‒
“Aber wie hilft mir dann eine Erklärung zum
Verständnis, wenn sie doch nicht die letzte – 73 – ist? Die
Erklärung ist dann ja nie beendet; ich verstehe also noch
immer nicht, und nie, was er meint!” – Als
hinge eine Erklärung, gleichsam, in der Luft, wenn nicht eine
andere sie stützte. Während eine
Erklärung zwar auf einer andern, die man gegeben hat, ruhen
kann, aber keine einer anderen bedarf, – es sei denn, daß
wir sie benötigen, um ein Mi[s|ß]verständnis zu
beseitigen, oder zu verhüten ‒ ‒ also eines, das
ohne die Erklärung eintreten würde; aber nicht:
jedes, welches ich mir vorstellen kann. Es kann leicht so scheinen, als zeigte jeder Zweifel nur eine vorhandene Lücke im Fundament; so daß ein sicheres Verständnis nur dann möglich ist, wenn wir zuerst an allem zweifeln, woran gezweifelt werden kann, und dann alle diese Zweifel beheben. 88. Der Wegweiser ist in Ordnung,– wenn er, unter normalen Verhältnissen, seinen Zweck erfüllt. |
| 88. Wenn ich Einem
sage “Halte dich ungefähr hier
auf!” – kann denn diese Erklärung nicht
vollkommen funktionieren? (Und kann jede andere
nicht auch versagen?) “Aber ist die Erklärung nicht doch unexakt?” – Doch; warum soll man sie nicht “unexakt” nennen? Verstehen wir aber nur, was “unexakt” bedeutet! Denn es bedeutet nun nicht “unbrauchbar”., sonst müßte es heißen Und überlegen wir uns doch, was wir, im Gegensatz zu dieser Erklärung, eine “exakte” Erklärung nennen! Etwa die, in welcher das Abgrenzen eines Be- – 74
– zirks durch einen Kreidestrich?
Da fällt uns gleich ein, daß der Strich eine Breite
hat. Exakter wäre also eine Farbgrenze.
Aber hat denn diese Exaktheit hier noch eine Funktion;
läuft sie nicht leer? Und wir haben ja auch noch
nicht bestimmt, was als Überschreiten dieser scharfen Grenze
gelten soll; wie, mit welchen Instrummenten, sie
festzustellen ist.
U.s.w.. Wir verstehen, was es heißt: eine Taschenuhr auf die genaue Stunde stellen, oder,– sie richten, daß sie genau geht. Wie aber, wenn man fragte: Ist diese Genauigkeit eine ideale Genauigkeit, oder wie weit nähert sie sich ihr? – wir können freilich von Zeitmessungen reden, bei welchen es eine andere und, wie wir sagen würden, größere Genauigkeit gibt, als bei der Zeitmessung mit der Taschenuhr. Wo die Wortte “die Uhr auf die genaue Stunde stellen” eine andere, wenn auch verwandte, Bedeutung haben, und ‘die Uhr ablesen’ ein anderer Vorgang ist, etc..– Wenn ich nun jemandem sage: “Du solltest pünktlicher zum Essen kommen; du weißt, daß es genau um 1 Uhr anfängt”– ist hier von Genauigkeit eigentlich nicht die Rede? weil man sagen kann: “Denk an die Zeitbestimmung im Laboratorium, oder auf der Sternwarte; da s[|i]ehst du, was ‘Genauigkeit’ bedeutet.” “Unexakt”, das ist eigentlich ein Tadel, und “exakt” ein Lob. Und das heißt doch: das Unexakte erreicht sein Ziel nicht so vollkommen, wie das Exaktere. Da kommt es also auf das an, was wir “das Ziel” nennen. Ist es unexakt, wenn ich – 75 – den Abstand
der Sonne von uns nicht auf 1 m genau angebe; und wenn
ich dem Tischler die Breite des Tisches nicht auf 0,001
mm? Ein Ideal der Genauigkeit ist nicht vorgesehen; wir wissen nicht, was wir uns darunter vorstellen sollen – es sei denn, du selbst setzt fest, was so genannt werden soll. Aber es wird dir schwer werden, so eine Festsetzung zu treffen; eine, die dich befriedigt. |
| 89. Wir stehen mit
diesen Überlegungen an dem Ort, wo das Problem steht:
In wiefern ist die Logik etwas Sublimes?
Denn es schien, daß ihr eine besondere Tiefe – allgemeine Bedeutung – zukomme. Sie liege, so schien es, am Grunde aller Wissenschaften. – Denn die logische Betrachtung erforscht das Wesen aller Dinge. Sie will den Dingen auf den Grund sehen, und soll sich nicht um das so oder so des tatsächlichen Geschehens kümmern.‒ ‒ ‒ Sie entspringt nicht einem Interesse für Tatsachen des Naturgeschehens, noch dem Bedürfnisse, kausale Zusammenhänge zu erfassen. Sondern einem Streben, das Fundament, oder Wesen, alles Erfahrungsmäßigen zu verstehen. Nicht aber, als sollten wir dazu neue Tatsachen aufspüren: es ist vielmehr für unsere Untersuchung wesentlich, daß wir nichts Neues mit ihr lernen wollen. Wir wollen etwas verstehen, was schon offen vor unsern Augen liegt. Denn das scheinen wir, in irgend einem Sinne, nicht zu verstehen. Augustinus (Conf. XI/14): “quid est ergo tempus? si – 76
– nemo ex me quaerat scio; si quaerenti
explicare velim, nescio.” –
Dies könnte man nicht von einer Frage der Naturwissenschaft
sagen (z.B.: wie groß ist
das etwa der nach dem Gewicht
spezifischeˇn Gewicht des Wasserstoffs).
Das, was man weiß, wenn uns niemand fragt, aber nicht mehr
weiß, wenn wir es erklären sollen, ist etwas, worauf man
sich besinnen muß. (Und offenbar
etwas worauf man sich aus irgendeinem Grunde schwer
besinnt.) |
| 90. Es ist uns, als
müßten wir die Erscheinungen
durchschauen: unsere Untersuchung aber richtet
sich nicht auf die Erscheinungen, sondern, wie man
sagen könnte, auf die
‘Möglichkeiten’ der
Erscheinungen. Wir besinnen uns, heißt das, auf die
Art der Aussagen, die wir über die
Erscheinungen machen. Daher besinnt sich auch
Augustinus auf die
verschiedenen Aussagen, die man über die Dauer von
Ereignissen, über ihre Vergangenheit, Gegenwart, oder
Zukunft macht. (Dies sind natürlich nicht
philosophische Aussagen über die Zeit,
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.)
Unsere Betrachtung ist daher eine grammatische. Und diese Betrachtung bringt nLicht in unser Problem, indem sie Mi[s|ß]verständnisse wegräumt. Mi[s|ß]verständnisse nämlich, welche die den Gebrauch der Wörter unserer Sprache betreffen von Worten und hervorgerufen sind unter anderem durch gewisse Analogien, welche zwischen unseren den Ausdrucksformen ˇin verschiedenen Gebieten der unserer Sprache // in verschiedenen Gebiebten unserer Sprache // bestehen. – Und diese Mißverständnisse kannn man dadurch beseitigen, indem daß eine man gewisse Ausdrucksformen durch – 77 –
eine andere ersetzt; dies kann man ein
“Analysieren” unsrer Ausdrucksformen nennen,
denn der Vorgang hat eine Ähnlichkeit mit
dem eine[r|m]
Zerlegungen. |
| 91. Nun aber kann es den
Anschein gewinnen, als gäbe es so etwas, wie eine letzte
Analyse unserer Sprachformen, also eine vollkommen
zerlegte Form des Ausdrucks.
D.h.: als seien unsere
gebräuchlichen Ausdrucksformen, wesentlich, noch unanalysiert;
als sei in ihnen etwas verborgen, was ans Licht zu
befördern, ist. Ist dies geschehen, so sei der
Ausdruck damit vollkommen geklärt und unsre Aufgabe
gelöst. Man kann das auch so sagen: Wir beseitigen Misverständnisse, indem wir unsern Ausdruck exakter machen: aber es kann nun so scheinen, als ob wir einem bestimmten Zustand, der vollkommenen Exaktheit, zustreben; und als wäre das das eigentliche Ziel unsrer Untersuchung. |
| 92. Dies drückt
sich aus in der Frage nach dem Wesen der Sprache, des
Satzes, des Denekn Denkens. – Denn wenn wir
auch in unsern Untersuchungen das Wesen der Sprache – ihre
Funktion, ihren Bau – zu verstehen trachten, so ist es doch
nicht das, was diese Frage im Auge hat. Denn
sie sieht in dem Wesen nicht etwas, was schon offen zutage liegt
und was durch Ordnen übersichtlich wird.
Sondern etwas, was unter der Oberfläche
liegt. Etwas, was im Innern liegt, was wir sehen, wenn
wir die Sache durchschauen, und was eine Analyse hervorgraben
soll. ‘Das Wesen ist uns verborgen’: – 78
– das ist die Form, die unser Problem nun
annimmt. Wir fragen: “Was
ist die Sprache?”, “Was
ist der Satz?”. Und die Antwort
auf diese Fragen ist ein für allemal zu geben; und
unabhängig von jeder künftigen Erfahrung. |
| 93. Einer könnte
sagen: “Ein Satz, das ist das
Alltäglichste von der Welt:”, und
der Andre: “Ein Satz – das ist etwas sehr
merkwürdiges!”‒ ‒ Und dieser
kann nicht: einfach nachschaun, wie Sätze
funktionieren. Weil die Formen unserer Ausdrucksweise,
die Sätze und das Denken betreffend, ihm im Wege stehen.
Warum sagen wir, der Satz sei etwas Merkwürdiges? Einerseits, wegen der ungeheuren Bedeutung, die ihm zukommt. (Und das ist richtig.) Anderseits verführt uns diese Bedeutung und
|
| 94.
‘Der Satz, ein merkwürdiges
Ding!’: darin liegt schon die
Sublimierung der ganzen Darstellung. Die Tendenz, ein
reines Mittelwesen anzunehmen zwischen dem
Satzzeichen und den Tatsachen. Oder auch das Satzzeichen
selber reinigen, sublimieren, zu wollen. – Denn,
da[s|ß] es mit
gewöhnlichen Dingen zugeht, das zu sehen, verhindern uns auf
mannigfache Weise unsere Ausdrucksformen, indem sie uns auf die
Jagd nach Chimären schicken. |
| 95. Oder:
“Denck “Denken muß etwas
Einzigartiges sein.” Wenn wir sagen,
meinen, daß es sich so und so
verhält,-– 79
8– hält, so hal[z|t]en
wir mit dem, was wir meinen, nicht irgendwo vor der
Tatsache; : sondern meinen, daß
das und das – so und so – ist
ist. – Man kann aber dieses Paradox
(welches ja die Form einer Selbstverständlichkeit hat)
auch so ausdrücken: Man kann denken,
was nicht der Fall ist. |
| 96. Der besondern
Täuschung, die hier gemeint ist, schließen sich, von
verschiedenen Seiten, andere an. Das Denken, die
Sprache, erscheint uns nun als das einzigartige Korrelat, Bild,
der Welt. Die Begriffe: Satz, Sprache, Denken,
Welt stehen in einer Reihe hintereinander, jeder dem andern
äquivalent. (Wozu aber sind diese Wörter nun
zu brauchen? Es fehlt das Sprachspiel,
|
| 97. Das Denken ist mit
einem Nimbus umgeben. – Sein Wesen, die Logik,
stellt eine Ordnung dar, und zwar die Ordnung a priori der
Welt, d.i. die Ordnung der
Möglichkeiten, die Welt und Denken gemeinsam
sein muß. Diese Ordnung aber, scheint es, muß
höchst einfach sein. Sie ist
vor aller Erfahrung; muß sich durch die ganze
Erfahrung hindurchziehen; ihr selbst darf keine
erfahrungsmäßige Trübe oder Unsicherheit
anhaften.‒ ‒ ‒ Sie muß vielmehr vom reinsten
Kristall sein. Dieser Kristall aber erscheint nicht als
eine Abstraktion, sondern als etwas Konkretes, ja als das
Konkreteste, gleichsam Härteste.
(Log. Phil. Abh. 5.5563)
Wir sind in der Täuschung, das Besondere, Tiefe, das uns Wesentliche unserer Untersuchung liege darin, daß sie das – 80
– unvergleichliche Wesen der Sprache zu
begreifen trachtet. D.i., die
Ordnung, die zwischen den Begriffen des Satzes, Wortes, Schließens,
der Wahrheit, der Erfahrung, u.s.w.
besteht. Diese Ordnung ist eine Über-Ordnung zwischen –
sozusagen –
Über-Begriffen. Während
|
| 98. Einerseits ist klar,
daß jeder Satz unsrer Sprache ‘in Ordnung ist, wie er
ist’. D.[H|h].,
daß wir nicht ein Ideal anstreben:
Als hätten unsere gewöhnlichen, vagen Sätze
noch keinen ganz
|
| 99.
“Der Sinn des Satzes – möchte man
sagen – kann freilich dies oder das offen lassen, aber der
Satz muß doch einen bestimmten Sinn
haben.– –
Oder: Ein unbestimmter Sinn,–
das wäre eigentlich gar kein Sinn. –
Das ist,
– 81
– Betrachte auch diesen Satz: “Die Regeln eines Spiels können uns wohl eine gewissen Freiheit lassen, aber sie müssen doch ganz bestimmte Regeln sein.” Das ist, als sagte man “Du kannst zwar einem Menschen durch vier Wände eine gewisse Bewegungsfreiheit lassen, aber die Wände müssen vollkommen starr sein” –. Und sage ich: das ist nicht wahr, ⌊,⌋ so ist die Antwort “Nun die Wände können wohl elastisch sein, aber dann haben sie eine ganz bestimmte Elastizität.” – |
| 100. “Es ist
doch
|
| 101. Eine Vagheit in der
Logik – wollen wir sagen – kann es nicht geben.
Wir leben nun in der Idee: das Ideal
‘müsse’ sich in der Realität
finden. Während man noch nicht sieht,
wie es sich darin findet, und nicht das Wesen dieses
“muß” versteht. Wir glauben:
es muß in ihr stecken; denn wir glauben es schon in ihr zu
sehen. |
| 10
Das Ideal, in unsern Gedanken, sitzt unverrückbar
fest. Du kannst nicht aus ihm heraustreten.
Du mußt immer wieder
– 82
– zurück. Es gibt gar kein
Draußen; draußen fehlt die Lebensluft. –
Woher dies? Die Idee sitzt gleichsam als Brille auf
unsrer Nase, und, was wir ansehen, sehen wir durch sie.
Wir kommen gar nicht auf den Gedanken, sie abzunehmen.
10
Die strengen und klaren Regeln des logischen Satzbaues erscheinen uns als etwas im Hintergrund,– im Medium des Verstehens versteckt. Ich sehe sie schon jetzt (wenn auch durch ein Medium hindurch), da ich ja das Zeichen verstehe, etwas mit ihm meine. Der ideal strenge Bau erscheint mir als etwas Konkretes. Ich hatte ein Gleichnis gebraucht; aber durch die Täuschung, dem Begriffswort entspräche Eines, das Gemeinsame aller seiner Gegenstände, erschien es nicht als Gleichnis. // aber durch die Täuschung, dem Begriffswort müsse Eines entsprechen, das Gemeinsame aller seiner Gegenstände, erscheint es nicht als Gleichnis. // ¥ |
| 10 Wenn wir glauben,
jene Ordnung, das Ideal, in der wirklichen Sprache finden zu
müssen, werden wir nun mit dem unzufrieden, was man im
gewöhnlichen Leben “Satz”,
“Wort”, “Zeichen”,
nennt.
Der Satz, das Wort, von dem die Logik handelt, soll etwas Reines und Scharfgeschnittenes sein. Wir zerbrechen uns nun über das Wesen des eigentlichen Zeichens den Kopf. – Ist es etwa eine die Vorstellung vom Zeichen? oder gar die Vorstellung im gegenwärtigen Augenblick? |
| 10 Hier ist es
schwer, gleichsam den Kopf oben zu behalten,–
¤
502.
Die Philosophie der Logik redet in keinem anderen Sinn von
Sätzen und Wörtern, als wir es im
gewöhnlichen Leben tun wenn wir etwa sagen
“Hier steht ein chinesischer Satz
aufgeschrieben”, oder “Nein, das sieht nur aus
wie ein Schriftzeichen, ist aber ein Ornament”,
etc.. Wir reden von den räumlichen und zeitlichen Phänomenen der Sprache; nicht von einem unräumlichen und unzeitlichen Unding. Aber wir reden von ihr so, wie von den Figuren des Schachspiels, indem wir Spielregeln für sie angeben, nicht ihre physikalischen Eigenschaften beschreiben. Die Frage “Was ist ˇeigentlich ein Wort?” ist analog der “Was ist eine Schachfigaur?” ⌊⌊ Nur kann man sich in verschiedener Weise für ein Phänomen interessieren⌋⌋ – 83
– zu sehen, daß wir bei den Dingen des
alltäglichen Denkens bleiben müssen, und nicht auf den
Abweg zu geraten, wo es scheint, als müßten wir die letzten
Feinheiten beschreiben, die wir doch wieder mit unsern Mitteln gar
nicht beschreiben könnten. Es ist uns, als sollten
wir ein zerstörtes Spinnennetz mit unsern Fingern in Ordnung
bringen. |
| 10 Je genauer wir die
tatsächliche Sprache betrachten, desto stärker wird der
Widerstreit zwischen ihr und unsrer Forderung. (Die
Kristallreinheit der Logik hatte sich mir ja nicht
ergeben; sondern sie war
(ja)
eine Forderung.) Der Widerstreit wird
unerträglich; die Forderung droht nun zu etwas Leerem zu
werden. – Wir sind aufs Glatteis geraten, wo die
Reibung fehlt, also die Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind,
aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir
wollen gehen; dann brauchen wir die Reibung.
Zurück auf den rauhen Boden!
1
|
| 10
Hier Wir erkennen
wir, daß, was wir “Satz”,
“Sprache”, nennen, nicht die formelle Einheit
ist, die ich mir vorstellte, sondern die Familie mehr oder
weniger mit einander verwandter Gebilde. ‒ ‒
Was aber wird nun aus der Logik? Ihre Strenge
scheint hier aus dem Leim zu gehen. – Verschwindet
sie damit aber nicht ganz? – Denn wie kann die
Logik ihre Strenge verlieren?! Natürlich
nicht dadurch, daß man ihr etwas von ihrer Strenge
abhandelt. – Das Vorurteil der
Kristallreinheit kann nur so beseitigt werden, daß wir
unsere ganze Betrachtung drehen. Und dadurch
jedne
Reinheit eine an-
– 84
– dere Stelle erhält.
(Man könnte sagen: die Betrachtung muß gedreht
werden, aber um unser eigentliches Bedürfnis als
Angelpunkt.) |
|
| 10 Richtig war,
daß unsere Betrachtungen nicht wissenschaftliche
Betrachtungen sein durften. Die Erfahrung, “daß
sich das oder das denken lasse, entgegen unserm
Vorurteil”– was immer das heißen mag – konnte
uns nicht interessieren. (Die pneumatische Auffassung
des Denkens.) Und wir dürfen keinerlei Theorie
aufstellen. Es darf nichts Hypothetisches in unsern
Betrachtungen sein. Alle Erklärung
muß fort, und nur Beschreibung an ihre Stelle treten.
Und diese Beschreibung empfängt ihr Licht,
d.i. ihren Zweck, von den philosophischen
Problemen. Diese sind freilich keine empirischen,
sondern sie werden durch eine Einsicht in das Arbeiten unserer
Sprache gelöst, und zwar so, daß dieses erkannt wird:
entgegen einem Trieb, es
miszuverstehen. Die Probleme
werden gelöst, nicht durch Beibringen neuer Erfahrung,
sondern durch Zusammenstellung des längst
Bekannten. Die Philosophie ist ein Kampf gegen die
Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer
Sprache.
|
| 1 “Die
Sprache (oder das Denken) ist etwas
Einzigartiges”– das erweist sich als ein Aberglaube
(nicht Irrtum!) hervorgerufen selbst durch
grammatische Täuschungen.
Und auf diese Täuschungen, auf die Probleme, fällt nun das Pathos zurück. |
| 1 Die Probleme, die
durch ein Misdeuten unserer
Sprachfor-
– 85
– men entstehen, haben den Charakter der
Tiefe. Es sind tiefe Beunruhigungen; sie wurzeln so tief
in uns, wie die Formen unserer Sprache, und ihre Bedeutung ist so
groß, wie die Wichtigkeit unserer Sprache. ‒ ‒ ‒
Fragen wir uns: Warum empfinden wir einen
grammatischen Witz als tief? (Und das
ist ja die philosophische Tiefe.) |
| 111.
Worin
liegt z.B. die Tiefe des Witzes:
“We callˇed him Tortoise
because he taught us”? Wir werden plötzlich aufmerksam darauf, daß eine solche Abgleitung des Substantivs
unmöglich ist. – auf die
Unmöglichkeit ˇso einer
solchen Ableitung. Wir
werden uns plötzlich der Unmöglichkeit der Absurdität
einer solchen Ableitung bewußt. Warum
Die Tiefe der Absurdität der Absurdität dieser Witze liegt in Verhältnissen, die eine längere Erklärung zulassen
|
| 112. Das
philosophische Problem. Ein Gleichnis, das in die
¤
340.
(Faraday “The Chemical History of a Candle”): “Water is one individual thing – it never changes”. – 86
– Formen unserer Sprache aufgenommen ist,
bewirkt einen falschen Schein; der beunruhigt uns:
“Es ist doch nicht
so!”– sagen wir.
“Aber es muß doch so
sein!!” |
| 113 4.
In der Log.
Phil. Abh. (4.5) sagte ich: “Die allgemeine Form
des Satzes ist: Es verhält sich so und
so”.‒ ‒ ‒ Das ist
|
| 11 Ob ich
über das Wesen des Satzes, des Verstehens, des privaten,
nur mir selbst bewußten Erlebens nachdenke:
“Es ist doch so
– – –” sage ich wieder und
wieder vor mich hin. Es ist mir als müßte ich das
Wesen der Sache erfassen, wenn ˇich meinen Blick nur
ganz scharf auf dies Faktum einstellen, es in den
Brennpunkt rücken könnte.•
¥
|
| Insert after 103
(p.82)
⍈ 115. 114. 104 Der Ausdruck dieser
Täuschung ist die metaphysische Verwendung unsrer
Wörter. Man prädiziert von der Sache, was in
der Darstellungsweise liegt.
* Zitat von
Faraday
“Water …”
¤1 Die Möglichkeit des Vergleichs, die uns
beeindruckt, nehmen wir für die Wahrnehmung einer höchst
allgemeinen Sachlage. |
| 11
Ein Bild hielt uns gefangen.
Und heraus konnten wir nicht, denn es lag in unsrer Sprache, und sie
schien es uns nur unerbittlich zu wiederholen.
|
| 11
Wenn die Philosophen ein Wort gebrauchen –
“Wissen”, “Sein”,
“Gegenstand”, “Ich”,
“Satz”, “Name” – und das
Wesen des Dings zu erfassen trachten, muß man
sich immer fragen: Wird denn dieses Wort in der
Sprache, in der es seine
¤
A) Wenn ich über Sprache Wort, Satz, etc. Werde rede, muss ich die Sprache des Alltags reden. Ist diese Sprache etwa zu grob, materiell, für das, was wir sagen wollen? Und wie wird denn eine andere gebildet?– Und wie merkwürdig, daß wir dann mit der unsern überhaupt etwas anfangen können! Daß ich in den philosophischen Erklä ¤ B.) Man sagt: Es kommt nicht aufs Wort an, sondern auf seine Bedeutung; und denkt dabei an die Bedeutung, wie an eine Sache von der Art des Worts, wenn auch v vom Wort verschieden. Hier das Wort, hier die Bedeutung. Das Geld und die Kuh, die man dafür kaufen kann. (Anderseits aber: das Geld, und sein Nutzen.) – 87 – Heimat hat,
je tatsächlich so gebraucht? –
Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück. |
| 11
Man sagt mir: “Du verstehst doch diesen
Ausdruck? Nun also,– in der Bedeutung, die du
kennst, gebrauche auch ich ihn
ihn.” – Als wäre die Bedeutung ein
Dunstkreis, den das Wort mitbringt und in
(Wenn Einer z.B. sagt, der Satz “Dies ist hier” (wobei er vor sich hin auf einen Gegenstand zeigt) habe für ihn Sinn, so möge er sich fragen, unter welchen besonderen Umständen man diesen Satz tatsächlich verwendet. In diesen hat er dann Sinn.) |
| 11
Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch
nur alles Interessante, d.h. alles Große und
Wichtige, zu zerstören scheint? (Gleichsam
alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken und Schutt
überig läßt.) Aber es sind nur
Luftgebäude, die wir zerstören, und wir legen den Grund
der Sprache frei, auf dem sie standen.
|
| 1
Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgend
eines schlichten Unsinns und Beulen, die sich der Verstand beim
Anrennen an die Grenze der Sprache geholt hat. Sie, die
Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.
|
|
Daß ich bei meinen Erklärungen, die Sprache betreffend, schon die volle Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muß, zeigt schon, daß ich nur Äußerliches – 88 – über die
Sprache vorbringen kann. Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? – Nun, deine Fragen waren ja auch schon in dieser Frage Sprache abgefaßt; muß denn mußten in dieser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war! Und Deine Skrupel sind Misverständnisse. Deine Fragen beziehen sich auf Wörter; so muß ich von Wörtern reden. ¤ |
| 12
Man könnte meinen: wenn die Philosophie vom
Gebrauch des Wortes “Philosophie” redet, so
|
| 12
Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses,
daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht
übersehen. – Unserer Grammatik
fehlt es an Übersichtlichkeit. – Die
übersichtliche Darstellung vermittelt das
Verständnis, welches eben darin besteht, daß wir die
‘Zusammenhänge sehen’. Daher die
Wichtigkeit des Findens und des Erfindens von
Zwischengliedern.
Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. Er bezeichnet unsere Darstellungsform, die Art, wie wir die Dinge sehen. (Ist dies eine ‘Weltanschauung’?) |
| 12
Ein philosophisches Problem hat die Form:
“Ich kenne ¤
502 125
Zu meiner Bemerkung: die Philosophie lasse alles wie es ist, sie lasse auch die Mathematik wie sie ist. a) Es ist nicht Sache der Philosophie, den Widerspruch durch eine mathemathische, logisch-mathematische, Entdeckung zu
573. Die fundamentale Tatsache ist hier: daß wir Regeln, eine Technik, für ein Spiel festlegen, und daß es dann, wenn wir den Regeln folgen,
b) 574. Dieses Verfangen in unseren Regeln ist, was wir
Es wirft ein Licht auf unserm Begriff des Meinens. Denn es kommt also in jenen Fällen anders, als wir es gemeint,
578. Die bürgerliche Stellung des Widerspruchs, oder seine Stellung in der bürgerlichen Welt: das ist das philosophische Problem. c) – 89 – mich nicht
aus.” |
| 12
Die Philosophie darf den tatsächlichen Gebrauch der
Sprache in keiner Weise antasten, sie kann ihn am Ende also
nur beschreiben.
Denn sie kann ihn auch nicht begründen. Sie läßt alles wie es ist. Sie läßt auch die Mathematik wie sie ist, und keine mathematische Entdeckung kann sie weiterbringen. Ein “führendes Problem der matˇhemathischen Logik” ist für uns ein Problem der Mathematik, wie jedes andere. |
|
Insert slips as
par. 125 |
|
| 126 125 126.
Die Philosophie stellt eben alles bloß hin, und
erklärt und folgert nichts. – Da alles
offen daliegt, ist auch nichts zu erklären. Denn,
was etwa
“Philosophie” könnte man auch das nennen, was vor allen neuen Entdeckungen und Erfindungen möglich ist. |
| 127. Die Arbeit des
Philosophen ist ein Zusammentragen von Erinnerungen zu einem
bestimmten Zweck. |
| 128. Wollte man
The Thesen in der Philosophie aufstellen,
es könnte nie über sie zur Diskussion kommen, weil Alle
mit ihnen einverstanden wären. |
| 129. Die für uns
wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und
Alltäglichkeit verborgen. (Man kann es nicht
bemerken, weil man es immer offen vor Augen hat.) Die
eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar
nicht auf. Es sei denn, daß ihm dies
einmal aufgefallen ist. – Und – 90 – das heißt:
ˇdas, was, einmal gesehen, das Auffallendste
|
| 130. Unsere klaren und
einfachen Sprachspiele sind nicht Vorstudien zu einer
künftigen Reglementierung
|
| 131. Nur so nämlich können
wir der Ungerechtigkeit, oder Leere unserer Behauptungen entgehen,
indem wir das Vorbild als das, was es ist, als Vergleichsobjekt
– sozusagen als Maßstab – hinstellen; und nicht
als das Vorurteil, dem die Wirklichkeit entsprechen
müsse. (Der Dogmatismus, in den wir
beim Philosophieren so leicht verfallen.) |
| 132. Wir wollen in
unserm Wissen vom Gebrauch der Sprache eine Ordnung
herstellen: eine Ordnung zu einem bestimmten Zweck; eine von
vielen möglichen Ordnungen; nicht die
Ordnung. Wir werden zu diesem Zweck immer wieder
Unterscheidungen hervorheben, die unsre
gewöhnlichen Sprachformen leicht übersehen lassen.
Dadurch kann es den Anschein gewinnen, als sähen wir es als
unsre Aufgabe an, die Sprache zu reformieren. So eine Reform für bestimmte praktische Zwecke, die Verbesserung unsrer Terminologie zur Vermeidung von Misverständnissen im praktischen Gebrauch, ist wohl möglich. ¤ Es gibt nicht eine Methode in der Philosophie, wohl aber gibt es Methoden, gleichsam verschiedene Therapien. (Note to p 91) –91
– Aber das sind nicht die Fälle, mit denen wir es
zu tun haben. Die Verwirrungen, die uns beschäftigen,
entstehen gleichsam, wenn die Sprache leerläuft, nicht wenn
sie arbeitet. |
| 133. Wir wollen nicht das Regelsystem
für die Verwendung unserer Worte in unerhörter Weise
verfeinern oder vervollständigen.
Denn die Klarheit, die wir anstreben, ist allerdings eine vollkommene. Aber das heißt nur, daß die philosophischen Probleme vollkommen verschwinden sollen. |
| 133.1.
Die eigentliche Entdeckung ist die, die mich
fähig macht, mit das dem
Philosophieren aufzuhören abzubrechen, wann ich will. – Die die
Philosophie zur Ruhe bringt, so daß sie nicht mehr von Fragen
gepeitscht wird, die sie selbst in Frage
stellen. – Sondern es wird nun an Beispielen eine
Methode gezeigt, und die Reihe dieser Beispiele kann man
abbrechen. ‒ ‒ Es werden Probleme gelöst
(Schwierigkeiten beseitigt), nicht
ein Problem. Footnote, slip. ¤ |
| 134. Betrachten
wir den Satz: “Es verhält sich so und
so.” – in wiefern ist denn dies die
Form ˇwie kann ich sagen, dies sei die allgemeine
Form jedes Satzes? – Es ist vor allem
selbst ein Satz, ein deutscher Satz, denn
Wir sagen z.B.: Er erklärte mir seine Lage, sagte, es verh[ä|a]lte verhalte sich so und so und ich
– 92
– schuß.” Man kann also
insofern sagen, jener Satz stünde für irgendwelche
Aussagen. Er wird als Satzschema verwendet;
aber das nur, weil er den Bau eines deutschen Satzes
hat. Man könnte statt seiner ohneweiters auch
sagen: “das und das ist der
Fall,”, oder “so und so liegen die
Sachen”, etc. Wir
könnten uns aber auch leicht vorstellen, daß
Es wäre mir, z.B., nicht eingefallen, statt jenes Satzschemas die Form “Es so” zu setzen; und doch könnte in einer Sprache, die keine Kopula verwendet, dies sehr wohl als Satzvariable gebraucht werden. |
| 135. Aber haben
wir denn nicht einen Begriff davon, was ein Satz ist, was wir unter
“Satz” verstehen? – Doch; sofern
wir auch einen Begriff davon haben, was wir unter
“Spiel” verstehen. – 93 – Gefragt, was ein Satz
ist – ob wir nun einem Andern
antworten sollen, oder uns selbst – werden wir Beispiele
angeben und unter diesen auch, was man induktive Reihen von
Sätzen nennen kann; nun, auf diese Weise haben
wir einen Begriff vom Satz. (Vergleiche den
Begriff des Satzes mit dem Begriff der Zahl!) |
| 136. Im Grunde ist die
Angabe von “Es verhält sich so und so”
als allgemeine Form des Satzes das Gleiche, wie die
Erklärung: ein Satz sei alles, was wahr oder falsch
sein könne. Denn, statt “Es
verhält sich …” hätte ich auch sagen
können: “Das und das ist whr
wahr”. (Aber auch: “Das
und das ist falsch”.) Nun ist aber
‘p’ ist wahr = p ‘p’ ist falsch = nicht-p Und, zu sagen, ein Satz sei alles, was wahr oder falsch sein könne, kommt darauf hinaus: Einen Satz nenen nennen wir das, worauf wir in unserer Sprache den Kalkül der Wahrheitsfunktionen anwenden. Es scheint nun, als bestimmte die Erklärung – Satz sei dasjeneiige, was wahr oder falsch sein könne – was ein Satz ist, indem sie sage: Was zum Begriff ‘wahr’ paßt, oder, worauf der Begriff ‘wahr’ paßt, das ist ein Satz. Es ist also so, als hätten wir einen Begriff von wahr und falsch, mit dessen Hilfe wir nun bestimmen können, was ein Satz ist und was keiner. Was in den Begriff der Wahrheit eingreift, (wie in ein Zahnrad), das ist ein Satz. – 94
– Aber das ist ein irreführendes
|
| 137.
Wie ist es denn, wenn wir das Subjekt im Satz
bestimmen lernen durch die Frage “Wer oder was
…?” – Hier gibt es doch ein
‘Passen’ des Subjekts zu dieser Frage;
denn wie erführen wir sonst durch die Frage, was
das Subjekt ist? Nun, w
Wir
erfahren es in ähnlicher Weise, wie wir erfahren, welcher
Buchstabe im Alphabeth nach dem
‘K’ kommt, indem wir ¤
– 95 – a) Wenn gesagt wird, ein Satz sei sinnlos, so ist nicht, quasi, sein Sinn sinnlos. Sondern der Satz // Sondern dieser Wortausdruck // wird aus der Sprache
b) Muß ich wissen, ob ich ein Wort verstehe? Geschieht es nicht auch, daß ich mir einbilde, ein Wort zu verstehen (nicht anders, als eine Rechnungsart zu verstehen) und nun daraufkomme, daß ich es nicht verstanden habe? (“Ich habe geglaubt, ich weiß, was ‘relative’ und ‘absolute’ Bewegung heißt, aber ich sehe, ich weiß es nicht.”) c) “Daß drei Verneinungen wieder eine Verneinung erergeben, muß doch schon in der einen Verneinung, die ich jetzt gebrauche, liegen.” Die Versuchung, einen Mythos des ‘Bedeutens’ zu erfinden.) Es hat den Anschein, als würde aus der Natur der Negˇation folgen, daß eine doppelte Verneinung eine Bejahung ist. (Und etwas richtiges ist daran. Was? Unsre Natur hängt mit beiden zusammen.) ⌊⌊d)⌋⌋ Es kann keine Diskussion darüber geben, ob diese Regeln, oder andere die richtigen für das Wort “nicht” sind (
– 95
– uns das Alphabeth bis zum
‘K’ hersagen. In wiefern paßt
nun das ‘L’ zu jener
Buchstabenreihe? – Und insofern könnte
man auch sagen, “wahr” und
“falsch” passe zum Satz; und man könnte ein
Kind lehren, Sätze von andern Ausdrücken zu unterscheiden,
indem man ihm sagt: “Frag Dich, ob du danach
sagen kannst ‘ist wahr’. – Wenn diese
Worte passen, so ist es ein Satz.” (Und ebenso
hätte man sagen können: Frage dich, ob du
davor die Worte “Es verhält sich
so:” setzen kannst.) |
| 138.
Kann denn aber
nicht die Bedeutung eines Worts, die ich
verstehe,1 zum Sinn des Satzes, den ich
verstehe, passen? Oder die Bedeutung eines Worts zur
Bedeutung eines andern?‒ ‒ Worts?‒ ‒ ‒ Freilich,
wenn die Bedeutung der Gebrauch des Wortes
ist // [f|F]reilich, wenn die
Bedeutung der Gebrauch ist, den wir vom
Wort Worte
machen, // dann hat es
keinen Sinn, von so einem Passen zu reden. Nun
verstehen wir aber die Bedeutung eines Wortes, wenn
wir es hören, oder aussprechen; wir erfassen s sie mit
einem Schlage; und was wir so erfassen, ist doch etwas Andres, als
der in der Zeit ausgedehnte
‘Gebrauch’! |
|
| 139.
Wenn mir jemand z.B. das Wort
“Würfel” sagt, so weiß ich, was es
bedeutet. Aber kann mir denn die ganze
Verwenung des Wortes vorschweben,
wenn ich es so verstehe? Ja, wird aber anderseits die Bedeutung des Worts nicht auch durch diese Verwendung bestimmt? Und können sich diese Bestimmungen nun widersprechen? Kann, was wir so mit einem Schlage erfassen, mit einer Verwendung über ¤ – 96
–
a ⌊b⌋) Ich sehe ein Bild: es stellt einen alten Mann dar, der auf einen Stock gestützt einen steilen Weg aufwärts geht. – Und wie das? Konnte es nicht auch so aussehen, wenn er in dieser Stellung die Straße hinunterrutschte? Ein Marsbewohner würde das Bild vielleicht so beschreiben. Ich brauche nicht zu erklären, warum wir es nicht so beschreiben. ¤ b ⌊a⌋)
“Ich glaube, das richtige Wort in diesem Fall ist
…” Zeigt das nicht, daß die Bedeutung des
Worts ein Etwas ist, das uns vorschwebt, und das gleichsam das
genaue Bild ist, das // welches // wir hier
brauchen wollen? Denke, ich wählte zwischen den
Wörtern “stattlich”,
“würdevoll”, “stolz”,
“Achtung gebietend”; ist es nicht als ob ich
zwischen den Bildern // Zeichnungen // in einer
Mappe wählte? – Nein; daß man vom
treffenden Wort redet, zeigt nicht die Existenz
eines Etwas, welches etc.. Vielmehr ist man
geneigt, von jenem bildartigen Wesen // Etwas // zu
sprechen, weil man ein Wort als treffend empfinden kann;
zwischen Worten oft, wie zwischen ähnlichen, aber doch nicht
gleichen Bildern, wählt; weil man Bilder oft statt Wörtern,
oder zur Illustration von Wo Wörtern gebraucht;
etc..
– 96 – einstimmen, zu ihr
passen, oder nicht zu ihr passen? Und wie kann das,
was uns in einem Augenblicke gegenwärtig ist, was uns in einem
Augenblicke vorschwebt, zu einer Verwendung
passen?! Was ist es denn eigentlich, was uns vorschwebt, wenn wir ein Wort verstehen? – Ist es nicht etwas, wie ein Bild? Kann es nicht ein Bild sein? Nun nimm an,
Das Bild des Würfels legte uns allerdings eine gewisse Verwndung Verwendung nahe, aber ich konnte es auch anders verwenden. |
|
|
| 140. Welcher Art war dann aber mein
Irrtum; der, welchen man so ausdrücken möchte: ich
hätte geglaubt, das Bild zwinge mich nun zu einer bestimmten
Verwendung? Wie konnte ich denn das glauben?
Was habe ich da geglaubt? Gibt es denn
ein Bild, oder etwas einem Bild Ähnliches, das uns zu einer
bestimmten Anwendung zwingt, und war mein Irrtum also eine
Ver-– 97
– wechslung? – Denn wir
könnten geneigt sein, uns auch so auszudrücken:
wir seien höchstens unter einem psychologischen Zwang, aber
unter keinem logischen. Und da scheint es ja
völlig, als kennten wir zweierlei Fälle.
Was tat denn mein Argument? Es machte darauf aufmerksam (erinnerte uns daran) daß wir unter Umständen bereit wären, auch einen andern Vorgang “Anwendung des Würfelbildes” zu nennen, als nur den, an welchen wir ursprünglich
Und das Wesentliche ist nun, daß wir sehen, daß uns das Gleiche beim Hören des Wortes vorschweben, und seine Anwendung doch eine andere sein kann. Und hat es dann beide Male die gleiche Bedeutung? Ich glaube, das werden wir verneinen. |
| 141.
Aber wie, wenn uns
nicht einfach das Bild des Würfels, sondern dazu auch die
Projektionsmethode vorschwebt? ‒ ‒ Wie soll
ich mir das denken? – Etwa so, daß ich ein Schema
der Projektionsart vor mir sehe. Ein Bild etwa, das
zwei Würfel zeigt durch Projektionsstrahlen miteinander
verbunden. – Aber bringt mich denn das wesentlich
weiter? Kann ich mir nun nicht auch verschiedene
Anwendungen dieses Schemas denken?! ‒ ‒ Ja
aber – 98
– kann mir denn also nicht eine
Anwendung vorschweben?– Doch;
nur müssen wir uns über unsre Anwendung
dieses Ausdrucks klarer werden. Nimm an,
ich setze jemandem verschiedene Projektionsmethoden auseinander,
damit er sie dann anwende; und fragen wir uns, in welchem Falle wir
sagen werden, es schwebe ihm die
Projektionsmethode vor, welche ich meine. Wir erkennen dafür nun offenbar zweierlei Kriterien an: Einerseits das Bild (welcher Art immer es sei) welches ihm zu irgendeiner Zeit vorschwebt, anderseits die Anwendung, die er – im Laufe der Zeit – von dieser Vorstellung macht. (Und ist es hier nicht klar, daß es durchaus unwesentlich ist, daß dieses Bild ihm in der Phantasie vorschwebt, und nicht vielmehr als eine Zeichnung vor ihm liegt, oder als Modell; oder auch von ihm als Modell hergestellt wird?) Können nun Bild und Anwendung kollidieren? Nun, sie können insofern kollidieren, als uns das Bild eine andere Verwendung erwarten läßt: – weil die Menschen im allgemeinen von diesem Bild diese Anwendung machen. Ich will sagen: Es gibt hier einen normalen Fall und abnormale Fälle. |
| 142. Nur in
normalen Fällen ist der Gebrauch der Worte uns klar
vorgezeichnet; wir wissen, haben keinen Zweifel, was wir in diesem
oder jenem Fall zu sagen haben. Je abnormaler der Fall,
desto zweifelhafter wird es, was wir nun hier sagen sollen.
Und verhielten sich die Dinge ganz anders, als sie sich
¤
– 99
– 1 Was wir zur Erklärung der Bedeutung, ich meine der Wichtigkeit, eins Begriffs sagen müssen, sind oft außerordentlich allgemeine Naturtatsachen. Solche, die wegen ihrer großen Allgemeinheit kaum je erwähnt werden. – 99
– tatsächlich verhalten – –
gäbe es z.B. keinen
charakteristischen Ausdruck des Schmerzes, der
Freude Furcht, der Freude; würde, was Regel ist,
Ausnahme und was Ausnahme, zur Regel; oder würden beide zu
Erscheinungen von ungefähr gleicher Häufigkeit
– – so verlören unsre normalen Sprachspiele damit
ihren Witz. – Die Prozedur, ein Stück Käse
auf die Wage zu legen und nach dem Ausschlag der
Wage den Preis zu bestimmen, verlöre ihren Witz,
wenn es häufiger vorkäme, daß solche Stücke ohne
offenbare Ursache plötzlich anwüchsen, oder
einschrumpften1.
Diechse Bemerkung wird viel
klarer werden, wenn wir über Dinge, wie das Verhältnis
des Ausdrucks zum Gefühl und Ähnliches reden
werden. |
|
| 143.
Betrachten wir nun diese Art von Sprachspiel: B soll
auf den Befehl des A Reihen von Zeichen niederschreiben nach
einem bestimmten Bildungsgesetz. Die erste dieser Reihen soll die sein der natürlichen Zahlen im Dezimalsystem. – Wie lernt er dieses System verstehen? – Zunächst werden ihm Zahlenreihen vorgeschrieben und er wird angehalten, sie nachzuschreiben. (Stoße dich nicht an dem Wort “Zahlenreihen”, es ist hier nicht unrichtig verwendet!) Und schon hier gibt es eine normale und eine abnormale Reaktion des Lernenden. – Wir führen ihm etwa zuerst beim Nachschreiben der Reihe 0 bis 9 die Hand; dann aber wird die Möglichkeit der Verständigung daran hängen, daß er nun selbständig weiterschreibt. – Und hier können wir uns, z.B., denken, daß er nun zwar selbständig Ziffern kopiert, – 100
– aber nicht nach der Reihe, sondern regellos
einmal die, einmal die. Und dann hört
da die Verständigung auf. – Oder
aber er macht ‘Fehler’ in der
Reihenfolge. – Der Unterschied zwischen diesem und
dem ersten Fall ist natürlich einer der
Häufigkeit. – Oder: aber er macht einen
‘systematischen Fehler’, er
schreibt z.B. immer nur jede zweite Zahl nach;
oder er kopiert die Reihe 0, 1, 2, 3, 4, 5, … so: 1, 0,
3, 2, 5, 4, … Hier werden wir beinahe versucht sein, zu
sagen, er habe uns falsch verstanden.
Aber merke: Es gibt keine scharfe Grenze zwischen einem regellosen und einem systematischen Fehler. D.h., zwischen dem, was du einen “regellosen”,, und dem, was du einen “systematischen Fehler” zu nennen geneigt bist. Man kann ihm nun vielleicht den systematischen Fehler abgewöhnen (wie eine Unart). Oder, man läßt seine Art des Kopierens gelten und trachtet, ihm die normale Art als eine Abart, Variation, der seinigen beizubringen. – Und auch hier kann die Lernfähigkeit unseres Schülers abbrechen. |
| 144. Was meine ich denn,
wenn ich sage “hier kann die
Lernfähigkeit des Schülers abbrechen”?
Teile ich das aus meiner Erfahrung mit?
Natürlich nicht! (Auch wenn ich so eine
Erfahrung gemacht hätte.) Und was tue ich denn
mit jenem Satz? Ich möchte doch, daß du
sagst: “Ja, es ist wahr, das könnte man
sich auch denken, das könnte auch geschehen!”
Aber wollte ich Einen darauf aufmerksam machen, daß er
imstande ist, sich dies vorzustellen? ‒ ‒ Ich
wollte dies Bild vor seine Augen – 101
– stellen, und seine
Anerkennung dieses Bildes besteht darin, daß
er nun geneigt ist, einen gegebenen Fall anders zu
betrachten: nämlich ihn mit dieser
Bilderreihe zu vergleichen. Ich habe seine
Anschauungsweise geändert.
[/|[]Indische Mathematiker:
“sieh dies
an!”[/| ] ] |
| 145. Der Schüler
schreibe nun die Reihe 0 bis 9 zu unsrer
Zufriedenheit. – Und dies wird nur der Fall sein, wenn
ihm dies oft gelingt, nicht, wenn er es einmal unter
hundert Versuchen richtig macht. Ich führe ihn nun
weiter in der Reihe und lenke seine Aufmerksamkeit auf die
Wiederkehr der ersten Reihe in den Einern; dann auf diese
Wiederkehr in den Zehnern. (Was nur heißt, daß ich
gewisse Betonungen anwende, Zeichen unterstreiche, in der und
der Weise untereinander schreibe, und
dergleichen). – Und nun setzt er einmal die Reihe
selbständig fort,– oder er tut es nicht. –
Aber warum sagst du das; das ist
selbstverständlich! – Freilich; ich wollte nur
sagen: die Wirkung k jeder weiteren
ErklErklärung hänge von
seiner Reaktion ab. Aber nehmen wir nun an, er setzt, nach einigen Bemühungen des Lehrers, die Reihe richtig fort, d.h. so, wie wir es tun. Nun können wir also sagen: er beherrscht das System. – Aber wie weit muß er die Reihe richtig fortsetzen, damit wir das mit Recht sagen können? Es ist klar: du kannst hier keine Begrenzung angeben. |
| 146. Wenn ich nun
frage: “Hat er das System verstanden, wenn er
die Reihe hundert Stellen weit
fortsetzt?”” Oder –
wenn – 102
– ich in unserm primitiven Sprachspiel nicht
von ‘verstehen’ reden soll: Hat er
das System inne, wenn er die Reihe bis dorthin
richtig fortsetzt? – Da wirst du vielleicht
sagen: Das System innehaben (oder auch,
verstehen) kann nicht darin bestehen, daß man die Reihe bis
zu dieser oder bis zu jener Zahl
fortsetzt; das ist nur die Anwendung des
Verstehens. Das Verstehen selbst ist ein Zustand,
woraus die richtige Verwendung entspringt.
Und an was denkt man da eigentlich? Denkst du nicht an das Ableiten einer Reihe aus ihrem algebraischen Ausdruck? Oder doch an etwas dem Analoges? – Aber da waren wir ja schon einmal. Wir können uns ja eben mehr als eine Anwendung eines algebraischen Ausdrucks denken; und jede Anwendungsart kann zwar wieder algebraisch niedergelegt werden, aber dies führt uns, selbstverständlich nicht weiter. – Die Anwendung bleibt ein Kriterium des Verständnisses. |
| 147. “Aber wie
kann sie das sein? Wenn ich sage, ich
verstehe das Gesetz einer Reihe, so sage ich es doch nicht auf
Grund der Erfahrung Erfahrung,
daß ich bis jetzt den algebraischen Ausdruck so und so angewandt
habe! Ich weiß doch von mir selbst jedenfalls,
daß ich die und die Reihe meine; gleichgültig, wie weit
ich sie tatsächlich entwickelt habe.” –
Du meinst also: du weißt die Anwendung des Gesetzes der Reihe, auch ganz abgesehen von einer Erinnerung an die tatsächlichen Anwendungen auf bestimmte Zahlen. Und du wirst ¤ – 103
– a) ‘Ein Wort verstehen’, ein Zustand. Aber ein seelischer Zustand? – Betrübnis, Aufregung, Schmerzen, nennen wir seelische Zustände. Mache diese grammatische Betrachtung: Wir sagen (“Er war “Er war den ganzen Tag betrübt” “Er war den ganzen Tag in großer Aufregung” “Er hatte seit gestern ununterbrochen Schmerzen”. – Wir sagen auch “Ich verstehe dieses Wort seit gestern”. Aber “ununterbrochen”? – Ja, man kann von einer Unterbrechung des Verstehens reden. Aber in welchen Fällen? Vergleiche: “Wann haben deine Schmerzen nachgelassen?” und “Wann hast du aufgehört, das Wort zu verstehen?”. 1 b) Wie, wenn man fragte: Wann kannst du Schach spielen? Immer? oder während du einen Zug machst? Und während jedes Zuges das ganze Schach? – Und wie seltsam, daß Schachspielenkönnen so kurze Zeit braucht und eine Partie soviel länger. – 103 – vielleicht
sagen: “Selbstverständlich! denn die
Reihe ist ja unendlich und das Reihenstück, das ich entwickeln
konnte, endlich.” |
| 148. Worin aber besteht
dies Wissen? Laß mich fragen:
Wann weißt du diese Anwendung?
Immer? Tag und Nacht? oder nur
während du gerade an das Gesetz der Reihe denkst?
D.h.: Weißt du sie, wie du
auch das ABC und das Einmaleins weißt; Oder
nennst du ist das
“Wissen”, wovon du
redest, einen Bewußtheitszustand
oder Vorgang – etwa ein
An-etwas-Ddenken, oder
dergleichen? |
| 149. Wenn man sagt, das
Wissen des ABC sei ein Zustand der Seele,
1 so denkt man an den Zustand eines
Seelenapparates, (etwa unsres
Gehirns[,|)], mittels welches wir die
Äußerungen dieses Wissens
erklären. Einen solchen Zustand nennt man eine
Disposition,. (Nichts wäre hier
verwirrender, als der Gebrauch der Wörter
“bewußt” und “unbewußt”
für den Gegensatz von Bewußtseinszustand und
Disposition. Denn jenes Wortpaar verhüllt einen
grammatischen Unterschied.)
|
|
| 150.
Die Grammatik des
Wortes “wissen” ist offenbar eng verwandt der
Grammatik der Worte “können”,
“imstande sein”. Aber auch eng
verwandt der, des Wortes “verstehen”.
(Eine Technik ‘beherrschen’.)
|
| 151. Nun gibt es
aber auch diese Verwendung des Wortes – 104 –
“wissen”: Wir sagen
“Jetzt weiß ich's!” –
und ebenso “Jetzt kann
ich's!” und “Jetzt versteh
ich's!”. Stellen wir uns dieses Beispiel vor: A schreibt Reihen von Zahlen an; B sieht ihm zu und trachtet, in der Zahlenfolge ein Gesetz zu finden. Ist es ihm gelungen, so ruft er: “Jetzt kann ich fortsetzen!” ‒ ‒ Diese Fähigkeit, dieses Verstehen ist also etwas, was in einem Augenblick eintritt. Schauen wir also nach: Was ist es, was hier eintritt? – A habe die Zahlen 1, 5, 11, 19, 29 hingeschrieben; da sagt B, jetzt wisse er weiter. Was geschah da? Es konnte verschiedenerlei geschehen sein; z.B.: Während A langsam eine Zahl nach der andern hinsetzte, ist B damit beschäftigt, verschiedene allgebraische Formeln an den angeschriebenen Zahlen zu versuchen. Als A die Zahl 19 geschrieben hatte, versuchte B die Formel an = n² + n ‒ 1; und die nächste Zahl bestätigte seine Annahme. Oder aber: B denkt nicht an Formeln. Er sieht mit einem gewissen Gefühl der Spannung zu, wie A seine Zahlen hinschreibt; dabei schwimmen ihm allerlei unklare Gedanken im Kopf. Endlich
Oder er sieht hin und sagt: “Ja die die Reihe kenn ich”,– und setzt sie fort; wie er's etwa auch getan hätte, wenn A die Reihe 1, 3, 5, 7, 9 hingeschrieben hätte. – Oder er sagt garnichts und schreibt bloß in der Reihe weiter. Vielleicht hatte er eine Empfindung, die man “das ist leicht!” nennen kann. (Eine solche Empfindung ist z.B. die, eines leichten, schnel- – 105
– len Einziehens des Atems, ähnlich wie
bei einem gelinden Schreck.) |
| 152. Aber sind denn
diese Vorgänge, die ich da beschrieben habe, das
Verstehen? “B versteht das System der Reihe” heißt doch nicht einfach: B fällt die Formel “an = …” ein! Denn es ist sehr wohl denkbar, daß ihm die Formel einfällt und er doch nicht versteht. “Er versteht” muß mehr beinhalten als: ihm fällt die Formel ein. Und ebenso auch mehr, als irgendeiner jener, mehr oder weniger charakteristischen, Begleitvorgänge, (oder Äußerungen) des Verstehens. |
| 153. Wir versuchen nun,
den seelischen Vorgang des Verstehens, der sich, scheint es, hinter
h jenen gröbern, und uns daher in die Augen
fallenden Begleiterscheinungen versteckt, zu erfassen.
Aber das gelingt nicht. Oder, richtiger gesagt:
es kommt garnicht zu einem wirklichen
Versuch. Denn auch angenommen, ich hätte etwas
gefunden, was in allen jenen Fällen des Verstehens
geschähe,– warum sollte das nun das
Verstehen sein? Ja, wie konnte denn der Vorgang des
Verstehens versteckt sein, wenn ich doch sagte,
“Jetzt verstehe ich”, weil
ich verstand?! Und wenn ich sage, er ist
versteckt,– wie weiß ich denn, wonach ich zu suchen
habe? – Ich bin in einem Wirrwarr. |
| 154. Aber
halt! – wenn, “jetzt jetzt
verstehe ich das System.” nicht das Gleiche
sagt, wie “mir fällt die Formel … ein”
(oder “ich spreche die Formel aus”,
“schreibe sie auf”, etc.)
– folgt daraus, daß ich den Satz, “jetzt verstehe
ich …”, – 106
– oder “jetzt kann ich
fortsetzen”, als Beschreibung eines Vorgangs verwende,
der hinter, oder neben, dem des Aussprechens der Formel
besteht? Wenn etwas ‘hinter dem Aussprechen der Formel’ stehen muß, so sind es gewisse Umstände, die mich berechtigen, zu sagen, ich könne fortsetzen,– wenn mir die Formal einfällt. Denk doch einmal garnicht an das Verstehen als ‘seelischen Vorgang’! – Denn das ist die Redeweise, die dich verwirrt. Sondern frage dich: in was für einem Fall, unter was für Umständen sagen wir denn “Jetzt weiß ich weiter”? ich meine, wenn mir die Formel eingefallen ist? In dem Sinne, in welchem es für das Verstehen charakteristische Vorgänge (auch seelische Vorgänge) gibt, ist das Verstehen kein seelischer Vorgang. 155. (Das Ab- und Zunehmen einer Schmerzempfindung, das Hören einer Melodie, eines Satzes: seelische Vorgänge.) |
| 155. Ich wollte also
sagen: Wenn er plötzlich weiter wußte, das System
verstand, so hatte er etwa vielleicht // möglicherweise //
ein besonderes Erlebnis – welches er etwa
beschrei beschreiben wird, wenn man ihn
fragt: “Wie war das, was ging da vor, als
du das System plötzlich begriffst?”,
ähnlich, wie wir es oben beschrieben haben– –das
aber, was ihn für uns berechtigt, in so einem Fall zu sagen, er
verstehe, er wisse weiter, sind die die Umstände, unter
denen er ein solches Erlebnis hatte. |
| 156. Dies wird klarer
werden, wenn wir die Betrachtung eines – 107
– andern Wortes einschalten, nämlich des
Wortes “lesen”. Zuerst
muß ich bemerken, daß ich zum ‘Lesen’, in
dieser Betrachtung, nicht das Verstehen des Sinns des Gelesenen
rechne; sondern Lesen ist hier die Tätigkeit, Geschriebenes
oder Gedrucktes in Laute umzusetzen; auch aber, nach Diktat zu
schreiben, Gedrucktes abzuschreiben, nach Noten zu spielen und
dergleichen. Der Gebrauch dieses Wortes unter den Umständen unsres gewöhnlichen Lebens ist uns natürlich ungemein wohl bekannt. Die Rolle aber, die das Wort in unserm Leben spielt, und damit das Sprachspiel, in dem wir es verwenden, wäre schwer auch nur in groben Zügen darzustellen. Ein Mensch, sagen wir ein Deutscher, ist in der Schule, oder zu Hause, durch eine der bei uns üblichen Unterrichtsarten gegangen, er hat in diesem Unterricht seine Muttersprache lesen gelernt. Später liest er Bücher, Briefe, die Zeitung u.a.. Was geht nun vor sich, wenn er, z.B., die Zeitung liest? ‒ ‒ Seine Augen gleiten – wie wir sagen – den gedruckten Wörtern entlang, er spricht sie laut aus, – oder sagt sie nur zu sich selbst; und zwar gewisse Wörter, indem er ihre Druckform als Ganzes erfaßt, andere, nachdem sein Aug die ersten Silben erfaßt hat,
– 108
– Er kann auf das achten, was er liest,
oder auch – wie wir sagen könnten – als bloße
Lesemaschine funktionieren, ich meine, laut und richtig lesen, ohne
auf das, was er liest, zu achten; vielleicht während seine
Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes gerichtet ist (sodaß er
nicht imstande ist, zu sagen, was er gelesen hat, wenn man ihn
gleich darauf fr[ä|a]gt).
– Vergleiche nun mit diesem Leser einen
Anfänger. Er liest die Wörter, indem er sie
mühsam buchstabiert. – Einige Wörter aber
errät er aus dem Zusammenhang; oder er weiß das
Lesestück vielleicht zum Teil schon auswendig. Der
Lehrer sagt dann, daß er die Wörter nicht wirklich
liest (und in gewissen Fällen, daß er nur
vorgibt, sie zu lesen). Wenn wir an dieses Lesen, an das Lesen des Anfängers, denken und uns fragen, worin Lesen besteht, werden wir geneigt sein, zu sagen: es sei eine besondere bewußte geistige Tätigkeit. Wir sagen von dem Schüler auch: “Nur er weiß natürlich, ob er wirklich liest, oder die Worte bloß auswendig sagt.” (Über diese Sätze “Nur er weiß, …” muß noch geredet werden.) Ich will aber sagen: Wir müssen zugeben, daß – was das Aussprechen irgend eines der gedruckten Wörter betrifft– im Bewußtsein des Schülers, der ‘vorgibt’ ˇes zu lesen das Gleiche stattfinden kann, wie im Bewußtsein des geübten Lesers, der es ‘liest’. Das Wort “lesen” wird anders angewandt, wenn wir vom Anfänger, und wenn wir vom geübten Leser sprechen. ‒ ‒ – 109
– Wir möchten nun freilich
sagen: Was im geübten Lser und
Leser und was im Anfänger vor sich geht, wenn sie das
Wort aussprechen, kann nicht das Gleiche
sein. Und wenn kein Unterschied in dem wäre, was
ihnen gerade bewußt ist, so im unbewußten Arbeiten ihres
Geistes; oder auch im Gehirn. – Wir möchten
also sagen: Hier sind jedenfalls zwei verschiedene
Mechanismen! Und was in ihnen vorgeht, muß Lesen
von Nichtlesen unterscheiden. – Aber diese
Mechanismen sind doch nur Hypothesen; Modelle zur Erklärung,
zur Zusammenfassung dessen, was du
wahrnimmst. |
| 157. Überlege dir
folgenden Fall: Menschen, oder andere Wesen, würden von
uns als Lesemaschinen benützt. Sie werden zu diesem
Zweck abgerichtet. Der, welcher sie abrichtet, sagt von
Einigen, sie können schon lesen, von Andern, sie könnten
es noch nicht. Nimˇm den Fall eines
Schülers, der bisher nicht mitgetan hat: zeigt man ihm
ein geschriebenes Wort, so wird er manchmal irgendwelche Laute
hervorbringen, und hie und da geschieht es dann
‘zufällig’, daß sie ungefähr
stimmen. Ein Dritter hört diesen Schüler in so
einem Fall und sagt: “Er liest”.
Aber der Lehrer sagt: “Nein, er liest
nicht; es war nur ein Zufall.” –
Näh Nehmen wir aber an, dieser Schüler, wenn ihm
nun weitere Wörter vorgelegt werden, reagiert auf sie
fortgesetzt richtig. Nach einiger Zeit sagt der
Lehrer: “Jetzt kann er lesen!”
– Aber wie war es mit jenem ersten Wort?
Soll der Lehrer sagen: “Ich hatte mich
geirrt, er hat es doch gelesen” –
oder:
“Er hat erst später angefangen, wirklich zu
lesen”? – Wann hat er angefangen, zu
lesen? Welches ist das erste Wort, das er – 110 –
gelesen hat? Diese Frage ist hier
sinnlos. Es sei denn, wir erklärten:
“Das erste Wort, das Einer
‘liest’, ist das erste Wort der ersten Reihe von
50 Wörtern, die er richtig liest” (oder
dergl.). Verwenden wir dagegen “Lesen” für ein gewisses Erlebnis des Übergangs vom Zeichen zum gesprochenen Laut, dann hat es wohl Sinn, von einem ersten Wort zu sprechen, das er wirklich gelesen hat. Er kann dann etwa sagen: “Bei diesem Worte hatte ich zum ersten Male das Gefühl: ‘jetzt lese ich’.” Oder aber in dem hievon verschiedenen Fall einer Lse- Lesemaschine, die, etwa nach Art eines Pianolas, Zeichen in Laute übersetzt, könnte man sagen: “Erst nachdem dies und dies an der Maschine geschehen war – die und die Teile durch Drähte verbunden worden waren – hat die Maschine gelesen; das erste Zeichen, welches sie gelesen hat, war ….” Im Falle aber der lebenden Lesemaschine hieß “lesen”: so und so auf Schriftzeichen reagieren. Dieser Begriff war also ganz unabhängig von dem eines seelischen, oder andern Mechanismus. – Der Lehrer kann hier auch vom Abgerichteten nicht sagen: “Vielleicht hat er dieses Wort schon gelesen”. Denn es ist ja kein Zweifel über das, was er getan hat. Die Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war eine Veränderung seines Verhaltens; und von einem ‘ersten Wort im neuen Zustand’ zu reden, hat hier keinen – 111
– Sinn. |
| 158.
“Aber liegt dies nicht nur an unserer zu
geringen Kenntnis der Vorgänge im Gehirn und im
Nervensystem? Wenn wir diese genauer kennten,
würden wir sehen, welche Verbindungen durch das Abrichten
hergestellt worden waren, und wir könnten dann, wenn wir ihm
ins Gehirn sähen, sagen:
‘Dieses Wort hat er jetzt
gelesen, jetzt war die Leseverbindung
hergestellt’.”‒ ‒ Und das
muß wohl so sein – denn wie könnten wir
sonst so sicher sein, daß es eine solche Verbindung
gibt? Das ist wohl a priori so,– oder ist
es nur wahrscheinlich? – Und wie wahrscheinlich
ist es? Frage dich doch: was weißt
du denn von diesen Sachen? ‒ ‒ Ist es aber
a priori, dann heißt das, daß es eine uns sehr
einleuchtende Darstellungsform ist. |
| 159. Aber wir sind, wenn
wir darüber nachdenken, versucht zu sagen: das einzig
wirkliche Kriterium dafür, dasß
Einer liest, ist der bewußte Akt des Lesens, des
Ablesens der Laute von den Buchstaben. “Ein
Mensch weiß doch, ob er liest, oder nur vorgibt, zu
lesen!” – Angenommen, A will den
B glauben machen, er könne cyrillische Schrift
lesen. Er lernt einen russischen Satz auswendig und sagt
ihn dann, indem er die gedruckten Wörter ansieht, als
läse er sie. Wir werden hier gewiß sagen,
A wisse, daß er nicht liest, und er empfinde, während
er zu lesen vorgibt, eben dies. Denn es gibt
natürlich eine Menge für das Lesen eines Satzes im Druck
mehr oder weniger charakteristischer Empfindungen; es – 112 – ist nicht
schwer, sich solche ins Gedächtnis zu rufen: denke an
Empfindungen des Stockens, des genaueren Hinsehens,
Verlesens, der größeren und geringeren
Geläufigkeit der Wortfolgen,
u.a.. Und ebenso gibt es
charakteristische Empfindungen für das Aufsagen von etwas
Auswendiggelerntem. Und A wird in unserm Fall
keine von den Empfindungen haben, die für das Lesen
charakteristisch sind, und er wird etwa eine Reihe von Empfindungen
haben, die für das Schwindeln charakteristisch sind.
|
| 160. Denke Dir
aber diesen Fall: Wir geben Einem, der fließend
lesen kann, einen Text zu lesen, den er nie zuvor gesehen
hat. Er liest ihn uns vor; – aber mit der
Empfindung, als sage er etwas Auswendiggelerntes (dies
könnte die Wirkung irgendeines Giftes sein).
Würden wir in einem solchen Falle sagen, er
Oder aber: Wenn man einem Menschen, der unter dem Einfluß eines bestimmten Giftes steht, eine Reihe von Schriftzeichen vorlegt, die keinem E existierenden Alphabeth anzugehören brauchen, so spreche spricht er nach der Anzahl der Zeichen Wörter aus, so als wären die Zeichen Buchstaben, und zwar mit allen äußeren Merkmalen und mit Empfindungen des Lesens. (Ähnliche Erfahrungen haben wir in Träumen; nach dem Aufwachen sagt man dann etwa: “Es kam mir vor, als läse ich die Zeichen, – obwohl es gar keine Zeichen waren.”) In so einem Fall würden – 113 – Manche
geneigt sein, zu sagen, der Mensch lese diese
Zeichen; Andere, er lese sie nicht. – Angenommen, er
habe auf diese Weise eine Gruppe von vier Zeichen als
OBEN gelesen (oder gedeutet) – nun
zeigen wir ihm die gleichen Zeichen in umgekehrter Reihenfolge und
er liest NEBO, und so behält er
|
| 161. Bedenke nun auch,
daß es eine kontinuierliche Reihe von Übergängen gibt
zwischen dem Falle, in welchem jemand das auswendig hersagt, was er
lesen soll, und dem, in welchem er jedes Wort, Buchstabe
für Buchstaben liest, ohne jede Hilfe des Erratens aus dem
Zusammenhang, oder des Auswendigwissens. Mache diesen Versuch: Sage die Zahlenreihe von 1 bis 12. Nun schau auf das Zifferblatt deiner Uhr und lies diese Reihe. – Was hast du in diesem Falle ◇ “lesen” genannt? Das heißt: was hast du getan, um es zum Lesen zu machen? // |
| 162. Versuchen wir diese
Erklärung: Jemand liest, wenn er die Reproduktion
von der Vorlage ableitet. Und
‘Vorlage’ nenne ich den Text, welchen er
liest, oder abschreibt; das Diktat, nach welchem er schreibt; die
Partitur, die er spielt; etc.
etc..– Wenn wir nun
z.B. jemand das cyrillische Alphabeth
gelehrt hätten und wie jeder Buchstabe auszusprechen sei,
– wenn wir ihm dann ein Lesestück vorlegen und er liest
– 114 – es, indem er
jeden Buchstaben so ausspricht, wie wir es ihn gelehrt haben; dann
werden wir wohl sagen, er leite den Klang eines Wortes vom
Schriftbild mit Hilfe der Regel, die wir ihm gegeben haben,
ab. Und dies ist auch ein klarer Fall des
Lesens. (Wir könnten sagen, wir haben
ihn die ‘Regel des Alphabeths’
gelehrt.) Aber warum sagen wir, er habe die gesprochenen Worte von den gedruckten abgeleitet? Wissen wir mehr, als daß wir ihn gelehrt haben, wie jeder Buchstabe auszusprechen sei, und daß er dann die Worte laut gelesen habe? Wir werden vielleicht antworten: der Schüler zeige –, daß er den Übergang vom Gedruckten zum Gesprochenen mit Hilfe der Regel macht, die wir ihm gegeben haben. – Wie man dies zeigen könne, wird klarer, wenn wir unser Beispiel dahin abändern, daß der Schüler, statt den gedruckten Text vorzulesen, ihn abzuschreiben hat, die Druckschrift in Schreibschrift zu übertragen hat. Denn in diesem Fall können wir ihm die Regel in Form einer Tabelle geben; in einer Spalte stehen die Druckbuchstaben, in der andern die Kursivbuchstaben. Und daß er die Schrift vom Gedruckten ableitet, zeigt sich darin, daß er in der Tabelle nachsieht. |
| 163. Aber wie, wenn er
dies täte, und dabei ein A immer in ein b, ein
B in ein c, ein C in ein d umschriebe,
u.s.f., und ein Z in ein
a? – Auch das würden wir doch ein Ableiten
nach der Tabelle nennen. – Er gebraucht sie nun,
könnten wir sagen, nach dem zweiten Schema im §86, statt
nach dem ersten. – 115
– Auch das wäre wohl noch ein
Ableiten nach der Tabelle,
Aber nimm an, er bleibe nicht bei einer Art des Transkribierens; sondern ändere sie nach einer einfachen Regel: Hat er einmal ein A in ein n umgeschrieben, so schreibt er das nächste A in ein o, das nächste in ein p um, u.s.w..– Aber wo ist die Grenze zwischen diesem Vorgehen und einem regellosen? Aber heißt das nun, das Wort “ableiten” habe eigentlich keine Bedeutung, da es ja scheint, daß diese, wenn wir ihr nachgehen, in nichts zerfließt? |
| 164.
Und so verwenden wir auch das Wort “Lesen” für eine Familie von Fällen. Und wir wenden unter verschiedenen Um- ¤ Man sagt “Dieses Gesicht hat einen ganz bestimmten Ausdruck”, und sucht etwa nach Worten, die ihn charakterisieren. – 116
– ständen
verschiedene Kriterien an dafür, daß Einer d
liest. |
| 165.
“Aber lesen – möchten wir sagen – ist doch
ein ganz bestimmter Vorgang! Lies eine Druckseite,
dann kannst du's sehen; es geht da etwas Besonderes vor
und etwas höchst Charakteristisches.”
‒ ‒ Nun, was geht denn vor, wenn ich den Druck
lese? Ich sehe gedruckte Wörter und spreche
Wörter aus. Aber das ˇist natürlich
nicht alles; denn ich könnte gedruckte Wörter sehen und
Wörter aussprechen und es wäre doch nicht Lesen.
Auch dann nicht, wenn die Wörter, die ich spreche, die
sind, die man, zufolge einem bestehenden Alphabeth, von
jenen gedruckten ablesen soll. –
Und wenn du sagst, das Lesen sei ein bestimmtes Erlebnis, so
spielt es ja gar keine Rolle, ob du nach einer von Menschen
allgemein anerkannten Regel des Alphabeths liest,
oder nicht. – Worin besteht also das
Charakteristische am Erlebnis des Lesens? –
Da möchte ich sagen: “Die Worte, die
ich ausspreche, kommen in besonderer
Weise.” Nämlich sie kommen nicht so, wie sie
kämen, wenn ich sie z.B.
ersänne. – Sie kommen von selbst. –
Aber auch das ist nicht genug; Denn es können mir ja
Wortklänge einfallen, während ich auf
die gedruckten Worte schaue, und ich habe damit diese doch nicht
gelesen. – Da könnte ich noch sagen, daß mir
die gesprochenen Wörter auch nicht so einfallen, als erinnerte
ich mich, z.B., etwas an
sie. Ich möchte z.B. nicht
sagen: das Druckwort “nichts” erinnert mich
immer an den Laut “nichts”. –
Sondern die gesprochenen
– 117 – Wort gar
nicht ansehen, ohne einen eigentümlichen Vorgang des innern
Hörens des Wortklangs. |
|
| 16
Was ist nun an dem Satz, das Lesen sei doch ‘ein ganz
bestimmter Voˇrgang’? Das heißt
doch wohl, beim Lesen finde immer ein bestimmter
Vorgang statt, den wir wiedererkennen. – Aber wenn
ich nun einmal einen Satz im Druck lese und
einandermal nach Morsezeichen
schreibe,– findet hier wirklich der gleiche seelische Vorgang
statt? – –
[d|D]ahingegen ist aber freilich
eine Gleichförmigkeit in dem Erlebnis des Lesens einer
Druckseite. Denn der Vorgang ist ja ein
gleichförmiger. Und es ist ja leicht
verständlich, daß sich dieser Vorgang unterscheidet von
dem etwa, sich Wörter beim Anblick beliebiger Striche
einfallen zu lassen. – Denn schon der bloße
Anblick einer gedruckten Zeile ist ja ungemein charakteristisch,
d.h., ein ganz b spezielles
Bild: Die Buchstaben alle von ungefähr der
gleichen Größe, auch der Gestalt nach verwandt, immer
wiederkehrend; die Wörter, die zum großen Teil sich
ständig wiederholen und uns unendlich wohlvertraut sind, ganz
wie
– 119
– wohlvertraute Gesichter. –
Denke an das Unbehagen, das wir empfinden, wenn die
Rechtschreibung eines Wortes geändert wird. (Und an
die noch tieferen Gefühle, die Fragen der Schreibung von
Wörtern aufgeregt haben). Freilich, nicht jede
Zeichenform hat sich uns tief
eingeprägt. Ein Zeichen, z.B.
in der Algebra der Logik kann durch ein beliebiges anderes
ersetzt werden, ohne daß tiefe Gefühle in uns aufgeregt
würden. – Bedenke, daß das gesehene Wortbild uns in
|
| 16
Auch gleitet der Blick anders über die gedruckte
Zeile, als über eine Reihe beliebiger Haken und
Schnörkel. (Ich rede hier aber nicht von dem,
was durch Beobachtung der Augenbewegung des Lesenden
festgestellt werden kann.) Der Blick gleitet,
möchte man sagen, besonders widerstandˇslos, ohne
hängen zu bleiben; und doch rutscht er
nicht. Und dabei geht ein unwillkürliches Sprechen
in der Vorstellung vor sich. Und so verhält es
sich, wenn ich Deutsch und andere Sprachen lese; gedruckt, oder
geschrieben, und in verschiedenen Schriftformen. –
Was aber von dem allen ist für das Leseen als
solches wesentlich? Nicht ein Zug, der in allen
Fällen des Lesens vorkäme! (Vergleiche mit
dem Vorgang beim Lesen der gewöhnlichen Druckschrift das Lesen
von Worten, die ganz in Großbuchstaben gedruckt sind, wie
manchmal die Auflösungen von Rätseln. Welch
anderer Vorgang! – Oder das Lesen unserer Schrift
von rechts nach links.)
|
| 16
Aber empfinden wir nicht, wenn wir k lesen, eine
Art
– 120
– Verursachung unseres Sprechens durch die
Wortbilder? ‒ ‒ Lies einen Satz!
– und nun schau der Reihe &8§ ≠
§ ≠ ?ß +S 8!§X2
entlang und sprich dabei einen Satz. Ist es nicht
fühlbar, daß im ersten Fall das Sprechen mit dem Anblick
der Zeichen verbunden war und im zweiten ohne
Verbindung neben dem Sehen der Zeichen herläuft?
Aber warum sagst du, wir fühlten eine Verursachung? Verursachung ist doch das, was wir durch Experimente feststellen; indem wir, z.B., das regelmäßige Zusammentreffen von Vorgängen beobachten. Wie könnte ich denn sagen, daß ich das, was so durch Versuche festgestellt wird, fühle? (Es ist wohl wahr, daß wir Verursachung nicht nur durch die Beobachtung eines regelmäßigen Zusammentreffens feststellen. Hievon wird noch zu reden sein.) Eher noch könnte man sagen, ich fühle, daß die Buchstaben der Gr Grund sind, warum ich so und so lese. Denn, wenn mich jemand fragt: “Warum liest du so?”– so begründe ich es durch die Buchstaben, welche da stehen. Aber was soll es heißen, diese Begründung, die ich ausgesprochen, gedacht, habe, zu fühlen? Ich möchte sagen: Ich fühle beim Lesen einen gewissen Einfluß der Buchstaben auf mich – – aber nicht einen Einfluß jener Reihe beliebiger Schnörkel auf das, was ich rede. – Vergleichen wir wieder einen einzelnen Buchstaben mit einem – 121
– solchen Schnörkel!
Würde ich auch sagen, ich fühle den Einfluß von
“i”, wenn ich diesen Buchstaben
lese? Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich
beim Anblicken von “i” den
|
| 1
Wir wären ja nie auf den Gedanken gekommen, wir
fühlten den Einfluß der Buchstaben auf uns
beim Lesen, wenn wir nicht den Fall der Buchstaben mit dem
beliebiger Striche verglci[e|c]hen
hätten. Und hier merken wir allerdings einen
Unterschied. Und diesen Unterschied deuten
wir als Einfluß – und Fehlen des Einflusses.
Und zwar sind wir zu dieser Deutung dann besonders geneigt, wenn wir absichtlich langsam lesen,– etwa um zu sehen, was denn beim Lesen geschieht. Wenn wir uns sozusagen recht absichtlich von den Buchstaben führen lassen. Aber dieses ‘mich führen lassen’ besteht wieder nur darin, daß ich mir die Buchstaben gut anschaue,– etwa, gewisse – 122
– andere Gedanken ausschalte.
Wir bilden uns ein, wir nähmen durch ein Gefühl, quasi, einen verbindenden Mechanismus wahr zwischen dem Wortbild und dem Laut, den wir sprechen. Denn wenn ich vom Erlebnis des Einflusses, der Verursachung, des Geführtwerdens rede, so soll das ja heißen, daß ich sozusagen die Bewegung der Hebel fühle, die den Anblick der Buchstaben mit dem Sprechen verbinden. |
| 17
Ich hätte mein Erlebnis beim Lesen eines Wortes auf
verschiedene Weise treffend durch Worte ausdrücken
können. So könnte ich sagen, daß das
Geschriebene mir die Laute eingebe. –
Aber auch dies, daß Buchstabe und Laut beim Lesen eine
Einheit bilden – gleichsam eine
Legierung. (Eine ähnliche Verschmelzung gibt es
z.B. zwischen den Gesichtern berühmter
Männer und dem Klang ihrer Namen. Es kommt uns
vor, dieser Name sei der einzig richtige Ausdruck für
dieses Gesicht.) Wenn ich diese Einheit fühle,
kö
könnte ich sagen: ich sehe, oder höre den Laut in dem
geschriebenen Wort. –
Aber jetzt lies einmal ein paar Sätze im Druck, so wie du's gewöhnlich tust, wenn du nicht an den Begriff des Lesens denkst
– 123
– zeigen sich diese Erscheinungen!
Wenn ich beschreiben soll, wie ein Gegenstand aus der Ferne
ausschaut, so wird diese Beschreibung nicht genauer, dadurch,
daß ich sage, was beim
näher[e|n]m Hinsehen an ihm zu bemerken ist.
|
| 17
Denken wir an das Erlebnis des Geführtwerdens!
Fragen wir uns: Worin besteht dieses Erlebnis,
wenn wir z.B. einen Weg
geführt werden? Stelle Dir diese Fälle
vor:
Du bist auf einem Spielplatz etwa mit verbundenen Augen, und wirst von jemand an der Hand geleitet, bald links, bald rechts, du mußt immer des Zuges seiner Hand gewärtig sein, auch Acht geben, daß du bei einem unerwarteten Zug nicht stolperst. Oder aber: du wirst von jemandem an der Hand mit Gewalt geführt, wohin du nicht willst. Oder: du wirst im Tanz von einem Partner geführt; du machst dich so rezeptiv wie möglich, um seine Absicht zu erraten und dem leisesten Drucke zu folgen. Oder: jemand füht führt dich einen Spazierweg; ihr geht im Gespräch; wo immer er geht, gehst du auch. Oder: du gehst einen Feldweg entlang, läßt dich von ihm führen. Alle diese Situationen sind einander ähnlich; aber was ist akk allen den Erlebn[e|i]ssen gemeinsam? |
| 17
“Aber Geführtwerden ist doch ein bestimmtes
Erlebnis!” – Die Antwort darauf
ist: Du denkst jetzt an ein
– 124 – bestimmtes
Erlebnis des Geführtwerdens. Wenn ich mir das Erlebnis Ddesjenigen vergegenwärtigen will, der in einem der früheren Beispiele durch den gedruckten Text und die Tabelle beim Schreiben geführt wird, so stelle ich mir das ‘gewissenhafte’ Nachsehen, etc., vor. Ich nehme dabei sogar einen bestimmten Gesichtsausdruck an (den z.B. eines gewissenhaften Buchhalters). An diesem Bild ist z.B. die Sorgfalt sehr wesentlich; an einem andern wieder das Ausschalten jedes eigenen Willens. (Denke Dir aber, daß jemand Dinge, die der gewöhnliche Mensch mit den Zeichen der Unachtsamkeit tut, mit dem Ausdruck – und warum nicht mit den Empfindungen? – der Sorgfalt begleitet. – Ist er nun sorgfältig? Stell dir etwa vor
|
| 17
Frage dich, wie du ‘mit
Bedacht’ eine
– 125
– Strecke parallel zu einer gegebenen Strecke
ziehst,– ein andermal mit Bedacht in einem Winkel zu
ihr. Was ist das Erlebnis des Bedachts? Da
fällt dir gleich eine bestimmte Miene, eine Gebärde
ein,– und dann möchtest du sagen: “und es
ist eben ein bestimmtes inneres
Erlebnis”. (Womit du natürlich gar
nichts mehr gesagt hast.) (Es ist da ein Zusammenhang mit der Frage nach dem Wesen der Absicht, des Willens.) |
| 17
Mach d einen beliebigen Fahrer auf dem
Papier. ‒ ‒ Und nun zeichne ihn daneben nach,
laß dich von ihm führen. ‒ ‒ Ich
möchte sagen: “Gewiß! Ich
habe mich jetzt führen lassen. Aber was dabei
Charakteristisches geschehen ist? – Wenn ich sage,
was geschehen ist, so kommt es mir nicht mehr charakteristisch
vor.”
Aber nun merke dies: Während ich mich führen lasse, ist alles ganz einfach, ich merke nichts besonderes; aber danach, wenn ich mich frage, was
– 126
– fluß”, und derlei,
vorsage. // ‘Denn ich
bin doch geführt worden”, sage ich
mir. – Dann erst tritt die Idee jenes
ätherischen, ungreifbaren, Einflusses auf.
|
| 17
Ich habe, wenn ich nachträglich über
an das Erlebnis nachdenke denke, das Gefühl, daß das Wesentliche an ihm
|
| 17
Ich möchte sagen: “Ich erlebe das
Weil”. Aber nicht, weil ich mich an dieses
Erlebnis erinnere; sondern, weil ich beim Nachdenken darüber,
was ich in so einem Falle erlebe, dies durch das Medium des Begriffes
‘weil’ (oder ‘Einfluß’,
oder ‘Ursache’, oder
‘Verbindung’) anschaue. – Denn es
ist freilich [w|r]ichtig, zu sagen, ich habe diese Linie unter dem
Einfluß der Vorlage gezogen: dies liegt aber nicht
einfach in dem, was ich beim Ziehen der Linie empfinde –
sondern, unter Umständen, z.B.
darin, daß ich sie der andern parallel ziehe; –
obwohl auch das wieder für das Geführtwerden nicht
allgemein wesentlich ist. –
|
| 17
Wir sagen auch: “Du siehst
ja, daß ich mich von ihr führen lasse” – und
was sieht der, der das sieht?
– 127
– Wenn ich zu mir selbst sage: “Ich werde doch geführt” – so mache ich etwa eine Handbewegung dazu, die das Führen ausdrückt. – Mache eine solche Handbewegung, gleichsam als leitest leitetest du jemand entlang, und frage dich dann, worin das Führende dieser Bewegung besteht. Denn du hast hier ja niemand geführt. Und doch möchtest du die Bewegung eine ‘führende’ nennen. Also war in dieser Bewegung, und Empfindung, nicht das Wesen des Führens enthalten und doch drängte es dich uns, diese Bezeichnung zu gebrauchen. Es ist eben eine Erscheinungsform des Führens, die uns diesen Ausdruck aufdrängt. |
| 17
Kehren wir zu unserm Fall (151) zurück.
Es ist klar: wir würden nicht sagen, B habe ein
Recht, die Worte, “Jetzt weiß ich
weiter” zu
Nein. Die Worte “Jetzt weiß ich weiter” waren richtig – 128
– angewandt, wenn ihm die Formel eingefallen
war: nämlich unter gewissen Umständen.
Z.B., wenn er Algebra gelernt, solche
Formeln schon früher benützt hatte. – Das
heißt aber nicht, jene Aussage sei nur eine Abkürzung
für die Beschreibung sämtlicher Umstände, die
den Schauplatz unseres Sprachspiels bilden. – Denke
daran, wie wir jene Ausdrücke, “jetzt weiß ich
weiter”, “jetzt ˇkann ich
fortsetzen”, u.a., gebrauchen
lernen; in welcher Familie von Sprachspielen wir ihren Gebrauch
lernen. Wir können uns auch den Fall vorstellen, daß im Geist des B garnichts anderes vorfiel, als daß er plötzlich sagte “Jetzt weiß ich weiter” – etwa mit einem Gefühl der Erleichteterung; und daß er nun die Reihe tatsächlich fortrechnet, ohne die Formel zu benützen. Und auch in diesem Falle würden wir – unter gewissen Umständen – sagen, er habe weiter gewußt. |
| 1
So werden diese Worte gebraucht.
Es wäre in diesem letzteren Fall z.B.
ganz irreleitend, sie die Worte eine
“Beschreibung eines seelischen Zustandes” zu
nennen. – Eher könnte man sie hier ein
‘Signal’ nennen; und ob es richtig angewendet
war, beurteilen wir nach dem, was er weiter tut.
|
| 18
Um dies zu verstehen, müssen wir uns auch folgendes
überlegen: Angenommen, B sagt, er wisse weiter
– wenn er aber nun fortsetzen will, stockt er und kann es
nicht:
– 129
– Sollen wir dann sagen, er habe mit
Unrecht gesagt, er könne fortsetzen, oder aber: er
hätte damals fortsetzen können, nur jetzt könne
er es nicht? – Es ist klar, daß wir in
verschiedenen Fällen Verschiedenes sagen werden.
(Überlege dir beide Arten von
Fällen.) |
| 18
Die Grammatik von “passen”,
“können” und
“verstehen”. Aufgaben:
1) Wann sagt man, ein Zylinder Z passe in einen
Hohlzylinder H? Nur solange Z in H
steckt? 2) Man sagt manchmal:
Z hat um die und die Zeit aufgehört, in H zu
passen. Welche Kriterien verwendet man in so einem Fall
dafür, daß
182. Die Kriterien, die wir für das ‘Passen’, “Können”, “Verstehen” gelten lassen, sind viel kompliziertere, als es auf den ersten Blick scheinen möchte. D.h., das Spiel mit diesen Worten, ihre Verwendung im sprachlichen Verkehr, – 130 – dessen
Mittel sie sind, ist verwickelter – die Rolle dieser
Wörter in unserer Sprache eine andere, als wir versucht sind,
zu glauben. (Diese Rolle ist es, die wir verstehen müssen, ˇum philosophische Paradoxe aufzulösen. Und darum genügt dazu gewöhnlich nicht eine Definition; und scheon erst recht nicht die Feststellung, ein Wort sei ‘undefinierbar’.) |
| 18
Wie aber,– hat nun der Satz “Jetzt kann
ich fortsetzenzen” im Fall (151) das
Gleiche geheißen, wie “Jetzt ist mir die Formel
eingefallen”, oder etwas anderes? Wir
können sage sagen, daß dieser Satz, unter
diesench Umständen, den gleichen Sinn habe,
ˇ(das Gleiche leiste) wie jener. Aber
auch, daß, allgemein, diese beiden Sätze
nicht den gleichen Sinn haben. Wir sagen auch:
“Jetzt kann ich fortsetzen, ich meine, ich weiß
die Formel”; wie wir sagen: “Ich kann
gehen, d.h., ich habe Zeit”; aber
auch: “Ich kann gehen, d–h–
d.h., ich bin schon stark genug”;
oder: “Ich kann gehen, was den Zustand meines
Beines anbelangt”, wenn wir nämlich
diese Bedingung des Gehens, andern Bedingungen
entgegensetzen. Hier müssen wir uns aber hüten,
zu glauben, es gebe, entsprechend der Natur des Falles, eine
Gesamtheit aller Bedingungen
(z.B. dafür, daß Einer geht) so
daß er, sozusagen, nicht anders als gehen
könnte, wenn sie alle erfüllt sind.
|
| 18
Ich will mich an eine Melodie erinnern und sie fällt
– 131 – mir nicht
ein; plötzlich sage ich, “Jetzt weiß
ich's!”, und singe sie. Wie
war es, als ich sie plötzlich
wußte? Sie konnte mir
doch nicht in diesem Moment ganz eingefallen
sein! – Du sagst vielleicht: “Es
ist ein bestimmtes Gefühl, als wäre sie jetzt
da” – aber ist sie jetzt
da? Wie, wenn ich nun anfange, sie zu singen und
stecken bleibe? ‒ ‒ Ja aber konnte ich nicht
doch in diesem Moment sicher sein,
daß ich sie
|
| 18
Gehen wir nun zu unserm Beispiel (143)
zurück. Der Schüler beherrscht
jetzt – nach den gewöhnlichen Kriterien
beurteilt – die Grundzahlenreihe. Wir lehren ihn
nun auch andere Reihen von Kardinalzahlen anschreiben und bringen
ihn dahin, daß er z.B. auf Befehle von der
Form
– 132
– “+n” Reihen der
Form
0, n, 2n, 3n, etc. anschreibt; auf den Befehl ◇ “+1” also die Grundzahlenreihe. – Wir hätten unsre Übungen und Stichproben seines Verständnisses im Zahlenraum bis 1000 gemacht. Wir lassen nun den Schüler einmal eine Reihe (etwa ‘ + 2’) über 1000 hinaus fortsetzen, – da schreibt er: 1000, 1004, 1008, 102 1012. Wir sagen ihm: “Schau, was du machst!” – Er versteht uns nicht. Wir sagen: “Du solltest doch zwei addieren; schau, wie du die Reihe begonnen hast!” – Er antwortet: “Ja! Ist es denn nicht richtig? Ich dachte, so soll ich's machen.”‒ ‒ Oder nimm an, er sagte, auf die Reihe weisend: “Ich bin doch auf die gleiche Weise fortgefahren!” – Es würde uns nun nichts nützen, zu sagen, “Aber siehst du denn nicht …?”– und ihm die alten Erklärungen und Beispiele zu wiederholen. – Wir könnten in so einem Falle etwa sagen: Dieser Mensch versteht von Natur aus jenen Befehl, auf unsre Erklärungen hin, so, wie wir den Befehl: “Addiere bis 1000 immer 2, bis 2000 4, bis 3000 6, etc.” Dieser Fall hätte Ähnlichkeit mit dem, als reagierte ein Mensch von Natur auf eine zeigende Gebärde der Hand von Natur damit, daß er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel blickt, statt in der Richtung zur – 133
– Fingerspitze. |
| 18
“Was du sagst, läuft also darauf hinaus, es
sei zum richtigen Befolgen des Befehls
‘ + n’ auf jeder Stufe eine neue
Einsicht – Intuition – nötig.” –
Zur richtigen Befolgung! Wie wird denn entschieden,
welches an einem bestimmten Punkt der richtige Schritt ist? – “Der richtige Schritt ist der, welcher mit
dem Befehl – wie er gemmeint war –
übereinstimmt.” – Du hast also zur
Zeit, als du den Befehl “ + 2” gabst, gemeint,
er solle auf 1000 1002 schreiben – und hast du damals auch
gemeint, er solle auf 1866 1868 schreiben, und auf 100034 100036,
u.s.f.?– eine unendliche
Anzahl solcher Sätze? – “Nein; ich
habe gemeint, er solle nach jeder Zahl, die er
schreibt, die zweitnächste schreiben; und daraus folgen ihres
Orts alle jene Sätze.” – Aber es ist
ja gerade die Frage, was, an irgendeinem Ort, aus jenem Satz
folgt. Oder auch – was wir an irgend einem Ort
“Übereinstimmung” mit n jenem Satz
nennen sollen (und auch mit der Meinung, die du
damals dem Satz gegeben hast,– worin immer diese bestanden
haben mag). Richtiger, als zu sagen, es sei an jedem
Punkt eine neue Intuition nötig, wäre beinah, zu
sagen: es sei an jedem Punkt eine neue Entscheidung
nötig.
|
| 18
“Ich habe aber doch auch damals, als ich den
Befehl gab, schon gewußt, daß er auf 1000 1002 schreiben
soll!” – Gewiß; und du kannst sogar
sagen, du habest es damals
– 134
– gemeint; nur sollst du dich
nicht von der Grammatik der Wörter “wissen”
und “meinen” irreführen lassen.
Denn du meinst ja nicht, // Denn das willst du ja nicht
sagen, // daß du damals an den Übergang
von 1000 auf 1002 gedacht hast – und wenn auch an diesen
Übergang, so doch an andre nicht. Dein
“Ich habe damals schon gewußt …”
heißt etwa: “Hätte man mich damals
gefragt, welche Zahl er nach 1000 schreiben soll, so hätte ich
geantwortet ‘1002’.” Und
daran zweifle ich nicht. Es ist das eine Annahme etwa
von der Art dieser: “Wenn er damals ins Wasser
gefallen wäre, so wäre ich ihm
nachgesprungen.” – Worin lag nun das
Irrige deiner Idee? |
| 18
Da möchte ich zuerst sagen: Deine Idee sei
die gewesen, jenes Meinen des Befehls habe auf seine Weise
alle jene die Übergänge doch
schon gemacht
Du warst also zu Ausdrücken geneigt, wie: “Die Übergänge sind eigentlich schon gemacht; auch ehe ich sie schriftlich, mündlich, oder in Gedanken, mache”. Und es schien, als wären sie in einer einzigartigen Weise vorausbestimmt, antizipiert – wie nur das Meinen die Wirklichkeit antizipieren könne. |
| 18
“Aber sind die Übergänge also durch die
algebraische Formel nicht
bestimmt?” – In der Frage liegt
– 135 – ein
Fehler. Wir verwenden den Ausdruck: “die Übergänge sind durch die Formel … bestimmt”. Wie wird er verwendet? – Wir können etwa davon reden, daß Menschen durch Erziehung (Abrichtung) dahin gebracht werden, die Formel y = x² so zu verwenden, daß Alle, wenn sie die gleiche Zahl für x einsetzen, immer die gleiche Zahl
Wir können anderseits verschiedene Arten von Formeln, und zu ihnen gehörige verschiedene Arten der Verwendung (verschiedene Arten der Abrichtung) einander entgegensetzen. Wir nennen dann Formeln einer bestimmten Art (und der dazugehörigen Verwendungsweise) “Formeln,
–
136. – bestimmt eine
Zahl y” ist dann eine
Aussage über die Form der Formel
|
| 1890.
Man kann nun sagen: “Wie die Formel
gemeint wird, das bestimmt, welche Übergänge zu machen
sind.” Was ist das Kriterium dafür, wie
die Formel gemeint ist? Etwa die Art und Weise, wie
wir sie ständig gebrauchen, wie uns gelehrt wurde, sie zu
gebrauchen. Wir sagen z.B. Einem, der ein uns unbekanntes Zeichen gebraucht: “Wenn du mit “‘x!2” ’ meinst x², so erhälˇtst du diesen Wert für y, wenn du “2x” damit meinst, jenen.” – Frage dich nun: Wie macht man es, mit “x!2” das eine, oder das andere meinen? – 137 –
So kann also das Meinen die Übergänge zum Voraus bestimmen. |
| 19
“Es ist, als könnten wir die ganze Verwendung
des Wortes mit einem Schlage erfassen.” –
Wie was z.B.? –
Kann man sie nicht – in gewissem Sinne
– mit einem Schlag erfassen? Und in
welchem Sinne kannst du dies nicht? –
Es ist eben, als könnten wir sie in einem noch viel
direkteren Sinne ‘mit einem Schlag
erfassen’. – Aber hast du dafür ein
Vorbild? Nein. Es bietet sich uns nur diese
Ausdrucksweise an. Als das Resultat sich
kreuzender Bilder. // einander
kreuzender Bilder //
|
| 19
Du hast kein Vorbild dieser übermäßigen
Tatsache, aber du wirst dazu verführt, einen
Über-Ausdruck zu gebrauchen. (Man
könnte das einen philosophischen Superlativ
nennen.)
|
| 19
Die Maschine als Symbol
Wir reden so, als könnten sich diese Teile nur so bewegen, als könnten sie nichts anderes tun. Wie ist es – vergessen wir also die Möglichkeit, daß sie sich biegen, abbrechen, schmelzen, etc.? Ja; wir denken in vielen Fällen – 138
– garnicht
daran. Wir gebrauchen eine Maschine, oder das Bild einer
Maschine, als Symbol für eine bestimmte
Wirkungsweise. Wir teilen z.B.
Einem dieses Bild mit und setzen voraus, daß er die
Erscheinungen der Bewegung der Teile
aus ihm ableitet. (So wie wir jemand eine Zahl
mitteilen können, indem wir sagen, sie sei die
fünfundzwanzigste der Reihe 1, 4, 9, 16, …)
“Die Maschine scheint ihre Wirkungsweise schon in sich zu haben” heißt: wir sind geneigt, die künftigen Bewegungen der Maschine in ihrer Bestimmtheit mit Gegenständen zu vergleichen, die schon in einer Lade liegen und nun von uns herausgeholt werden. ‒ ‒ [s|S]o aber reden wir nicht, wenn es sich darum handelt, das wirkliche Verhalten einer Maschine vorauszusagen. Da vergessen wir, im allgemeinen, nicht die Möglichkeit der Deformation der Teile, etc..‒ ‒ Wohl aber, wenn wir uns darüber wundern, wie wir denn die Maschine als Symbol einer Bewegungsweise verwenden können,– da sie sich doch auch ganz anders bewegen kann.
Wenn wir aber bedenken, daß sich die Maschine auch anders hätte bewegen können, so kann es nun scheinen, als müßte in der Maschine, als Symbol, ihre Bewegungsart – 139 – noch viel
bestimmter enthalten sein, als in der wirklichen
Maschine. Es genüge da nicht, daß dies die
Er erfahrungsmäßig
vorausbestimmten Bewegungen seien // sind // ,
sondern sie müßten eigentlich – in einem
mysteriösen Sinne – bereits
gegenwärtig sein. Und es ist ja
wahr: die Bewegung des Maschinensymbols ist in anderer Weise
[c|v]orausbestimmt, als die einer gegebenen wirklichen
Maschine. |
| 19
Wann denkt man denn: die Maschine habe ihre
möglichen Bewegungen schon in
iregendeiner mysteriösen Weise in
sich? – Nun, wenn man philosophiert. Und
was verleitet uns, das zu denken? Die Art und Weise,
wie wir von der Maschine reden. Wir sagen
z.B., die Maschine habe
(besäße) diese Bewegungsmöglichkeiten; wir
sprechen von der ideal starren Maschine, die sich nur so und so
bewegen könne. ‒ ‒ Die
Bewegungsmöglichkeit, was ist sie? Sie
ist nicht die Bewegung; aber sie scheint auch
nicht die bloße physikalische Bedingung der Bewegung zu sein
– etwa, daß zwischen zwischen Lager und Zapfen
ein Spielraum ist, der Zapfen nicht zu streng ins Lager
paßt. Denn dies ist zwar erfahrungsmäßig die
Bedingung der Bewegung, aber man könnte sich die Sache auch
anders vorstellen. Die Bewegungsmöglichkeit soll
– 140 –
Bewegung,– denn dies Bild müßte ja nicht das Bild
gerade dieser Bewegung sein. Aber die
Möglichkeit dieser Bewegung muß die Möglichkeit gerade
dieser Bewegung sein. (Sieh, wie hoch die Wellen der
Sprache hier gehen!)
Die Wellen legen sich, [d|s]owie wir uns fragen: Wie gebrauchen wir denn, wenn wir von einer Maschine reden, das Wort “ // den Ausdruck // “Möglichkeit der Bewegung”? ‒ ‒ Woher kamen aber dann die seltsamen Ideen? Nun, ich zeige dir die Möglichkeit der Bewegung, etwa durch ein Bild der Bewegung: ‘[A|a]lso ist die Möglichkeit etwas der Wirklichkeit Ähnliches’. Wir sagen: “es bewegt sich noch nicht, aber es hat schon die Möglichkeit, sich zu bewegen”‒ ‒ ‘also ist die Möglichkeit etwas der Wirklichkeit sehr Nahes’. Wir mögen zwar bezweifeln, ob die und die physikalische Bedingung diese Bewegung möglich mach[,|t], aber wir diskutieren nie, ob dies die Möglichˇkeit dies[r|e]r, oder jener Bewegung sei: ‘also steht die Möglichkeit der Bewegung zur Bewegung selbst in einer einzigartigen Relation; enger, als die des Bildes zu seinem Gegenstand’; denn es kann bezweifelt werden, ob dies das Bild diese[r|s], oder jenes Gegenstandes ist. Wir sagencolon “[d|D]ie Erfahrung wird lehren, ob dies dem Zapfen diese Bewegungsmöglichkeit gibt”, aber wir sagen nicht: “Die Erfahrung wird lehren, ob dies die Möglichkeit dieser Bewegung ist”: ‘also ist es nicht Erfahrungstatsache, daß diese Möglichkeit die – 141
– Möglichkeit gerade dieser Bewegung
ist!’. Wir achten auf unsere eigene Ausdrucksweise, diese Dinge betreffend, verstehen sie aber nicht, sondern mißdeuten sie. Wir sind, wenn wir philosophieren, wie Wilde, wie primitive Menschen, die die Ausdrucksweise zivilisierter Menschen hören, sie mißdeuten und nun die seltsamsten Schlüsse aus
|
| 19
“Aber ich meine nicht, daß, was ich jetzt
(beim Erfassen) tue, die künftige Verwendung
kausal und erfahrungsmäßig bestimmt, sondern
daß, in einer seltsamen Weise, diese
Verwendung selbst in irgend einem Sinne, gegenwärtig
ist.” – Aber ‘in irgend
einem Sinne’ ist sie es ja! Eigentlich ist an
dem, was du sagst, falsch nur der Ausdruck “in seltsamer
Weise”. Das Übrige ist richtig; und
seltsam erscheint der Satz nur, wenn man sich zu ihm ein anderes
[A|S]prachspiel vorstellt, als das, worin wir ihn
tatsächlich verwenden. (Jemand sagte mir, er
habe sich als Kind darüber gewundert,
|
| 19
[–|D]ie unverstandene Verwendung des Wortes
wird als Ausdruck eines seltsamen Vorgangs
gedeutet. (Wie man sich die Zeit als seltsames
Medium, oder die Seele als seltsames
Wesen denkt.)
– 142
– |
| 19
“Es ist, als könnten wir
G die ganze Verwendung des Wortes mit einem
Schlag erfassen.” – Wir sagen ja, daß
wir es tun. D.h., wir beschreiben ja
manchmal, was
geschieht
– 143
– lens. |
| 19
“Aber wie kann [i|m]ich eine Regel
lehren, was ich an dieser Stelle zu tun
habe? Was immer ich tue, ist doch durch irgend eine
Deutung mit der Regel zu vereinbaren.” –
Nein, so sollte es nicht heißen. Sondern so:
Jede Deutung hängt, mitsamt dem Gedeuteten, in der Luft;
sie kann ihm nicht als Stütze dienen. Die Deutungen
allein bestimmen die Bedeutung nicht.
“Also ist, was immer ich tue, mit der Regel vereinbar?” – Laß mich so fragen: Was hat der Ausdruck der Regel – sagen wir, der Wegweiser – mit meinen Handlungen zu tun? Was für eine Verbindung besteht da? – Nun, etwa diese: ich bin zu einem bestimmten Reagieren auf dieses Zeichen abgerichtet worden, und so reagiere ich nun. Aber damit hast du nur einen kausalen Zusammenhang angegeben, nur erklärt, wie es dazu kam, daß wir uns jetzt nach dem Wegweiser richten; nicht, worin dieses Dem-Zeichen-Folgen eigentlich besteht. Nein; ich habe auch noch angedeutet, daß sich Einer nur insofern nach einem Wegweiser richtet, als es einen solchen ständigen Gebrauch, eine Gepflogenheit, gibt. |
| 19[8|9].
Ist, was wir “einer Regel folgen” nennen,
etwas, was nur ein Mensch, nur einmal
im Leben, tun könnte? –
ˇUnd das Das ist natürlich
eine Anmerkung zur Grammatik des Ausdrucks
“der Regel folgen”. – 144 – Es kann nicht, ein einziges Mal nur, ein Mensch einer Regel gefolgt sein. Es kann nicht, ein einziges Mal nur, eine Mitteilung gemacht, ein Befehl gegeben, oder verstanden worden sein, etc..– Einer Regel folgen, eine Mitteilung machen, einen Befehl geben, eine Schachpartie spielen, sind Gepflogenheiten (Gebräuche, Institutionen). Einen Satz verstehen, heißt, eine Sprache verstehen. Eine Sprache verstehen, heißt eine Technik beherrschen. |
| 199 ⌊⌊200⌋⌋.
Es ist natürlich denkbar, daß in einem Volke, das
Spiele nicht kennt, zwei Leute si[s|c]h an ein
Schachbrett setzen und die Züge einer Schachpartie
ausführen; ja auch mit allen seelischen
Begleiterscheinungen. Und sähen wir
dies, so würden wir sagen, sie spielten Schach.
Aber nun denk dir eine Schachpartie nach gewissen Regeln in eine
Reihe von Handlungen übersetzt, die wir nicht
gewöhnt sind, mit einem
Spiel Spiel zu
assoziieren,– etwa
200 ⌊⌊201⌋⌋.
Ich kann etwa, wie die Sachen stehen, ein Spiel er
– 145
– |
| 20
Unser Paradox war dies: eine Regel könnte keine
Handlungsweise bestimmen, da jede Handlungsweise mit der
Regel in Übereinstimmung zu bringen sei. Die
Antwort war: Ist jede mit der Regel in
Übereinstimmung zu bringen, dann auch zum Widerspruch.
Daher gäbe es hier weder Übereinstimmung noch
Widerspruch.
Daß da ein Misverständnis ist, zeigt sich schon darin, daß wir in diesem Gedankengang Deutung hinter Deutung setzen; als beruhige uns eine jede wenigstens für einen Augenblick, bis wir an eine Deutung denken, die wieder hinter dieser liegt. Dadurch zeigen wir nämlich, daß es eine Auffassung einer Regel gibt, die nicht eine Deutung ist; sondern sich, von Fall zu Fall der Anwendung,
Darum besteht eine Neigung, zu sagen: jedes Handeln nach der Regel sei ein Deuten. “Deuten” aber sollte man nur nennen: einen Ausdruck der Regel durch einen anderen ersetzen. |
| 20
Darum ist ‘der Regel folgen’ eine
Praxis. Und der Regel zu folgen
glauben, ist nicht: der
Regl Regel folgen. Und
darum kann man nicht der Reg[l|e]l
‘privatim’ folgen, weil sonst der Regel zu folgen
glauben dasselbe wäre, wie der Regel folgen.
|
| 20
Die Sprache ist ein Labyrinth von Wegen. Du
kommst von ei einer Seite und
kennst dich aus; du kommst
– 146
– von einer andern zur selben Stelle, und
kennst dich nicht mehr aus. |
| 20
Ich kann etwa, wie die Sachen stehen, ein Spiel
erfinden, das nie von jemandem gespielt wird. –
–
1457
– finden, das nie von jemandem gespielt
wird. – Wäre aber auch dies
möglich: Die Menschheit habe nie Spiele
gespielt; einmal aber hat Einer ein Spiel erfunden,–
das dann allerdings nie gespielt wurde? |
| 201
“Das ist ja das Merkwürdige an der
Intentition, am seelischen Vorgang, daß
für ihn das Bestehen der Gepflogenheit, der Technik, nicht
nötig ist. Daß es z.B.
denkbar ist, zwei
Ist aber das Schachspiel nicht durch seine Regeln defiiert definiert? Und wie sind diese Regeln im Geist dessen
|
| 202
Einer Regel folgen
Denke, du kämst als Forscher in ein unbekanntes Land mit einer dir gänzlich fremden Sprache. Unter welchen Umständen würdest du sagen, daß die Leute dort Befehle geben, Befehle verstehen, befolgen, sich gegen Befehle auflehnen, u.s.w.? Die gemeinsame menschliche Handlungsweise ist das – 1468
– Bezugssystem, mittels welches wir uns eine
fremde Sprache deuten. |
| 203
Denken wir uns, die Leute in jenem Land verrichteten
gewöhnliche menschliche Tätigkeiten und
bedienten
sich dabei, wie es scheint, einer artikulierten Sprache.
Sieht man ihrem Treiben zu, so ist es verständlich,
erscheint uns ‘logisch’. Versuchen wir
aber, ihre Sprache zu erlernen, so finden wir, daß es
unmöglich ist. Es besteht nämlich bei
ihnen
Sollen wir sagen, diese Leute
Zu dem, was wir “Sprache” nennen, fehlt die Regelmäßigkeit. |
| 204
So erkläre ich also, was “Befehl” und
was “Regel” heißt, durch
“Regelmäßigkeit”? – Wie
erkläre ich jem[e|a]ndem die Bedeutung von
“Rregelmäßig?”,
“gleichförmig”,
“gleich”? –Einem der, sagen
wir, nur Französisch spricht, werde ich diese Wörter
durch die entsprechenden französischen erklären.
Wer aber diese Begriffe noch nicht besitzt,
– 1479
– sitzt, den werde ich
die Worte durch Beispiele und durch
Übung gebrauchen lehren. – Und dabei
teile ich ihm nicht weniger mit, als ich selber weiß.
Ich werde ihm also in diesem Unterricht gleiche Farben[m|,] gleiche Längen, gleiche Figuren zeigen, ihn sie finden und herstellen lassen, u.s.w.. Ich werde ihn etwa dazu anleiten, Reihenornamente auf einen Befehl hin ‘gleichmäßig’ f[i|o]rtzusetzen. – Und auch dazu, Progressionen fortzusetzen. Also etwa auf . .. ... so fortzufahren: .... ..... ...... Ich mach's ihm vor, er macht es mir nach; und ich beeinflusse ihn durch Äußerungen der Zustimmung, der Ablehnung, der Erwartung, der Aufmunterung. Ich lasse ihn gewähren, oder halte ihn zurück; u.s.w.. Denke, du wärest Zeuge eines solchen Unterrichts. Es würde darin kein Wort durch sich selbst erklärt, kein logischer Zirkel [f|g]emacht. Auch die Ausdrücke “und so weiter” und “und so weiter ad infinitum” werden in diesem Unterricht erklärt werden. (Es kann dazu unter anderem auch eine Gebärde dienen .) 2◇. “Aber erklärst du ihm wirklich, was du selber verstehst? Läßt du ihn das Wesentliche nicht erraten? Du gibst ihm Beispiele,– er aber muß ihre Tendenz erraten. Also deine Absicht.” – Jede Erklärung, die ich mir selbst –
148150
–
nen. Die Gebärde, die
bedeutet “fahr so fort!”, oder
“und so weiter” hat eine Funktion, vergleichbar der
des Zeigens // Hinweisens // auf einen
Gegenstand, oder auf einen Ort. Es ist zu unterscheiden: das “u.s.w.”, das eine Abkürzung der Schreibweise ist, von demjenigen, welches dies nich nicht ist. Das “u.s.w. ad inf.” ist keine ˇkeine Abkürzung der Schreibweise. Daß wir nicht alle Stellen von π anschreiben können, ist nicht eine menschliche Unzulänglichkeit, wie Mathematiker manchmal glauben. Ein Unterricht, der bei den vorgeführten Beispielen stehen bleiben will, unterscheidet sich von einem, der über sie ‘hinausweist’. |
| 206
“Aber reicht denn nicht das Verständnis weiter,
als alle Beispiele?” – Ein sehr
merkwürdiger Ausdruck, und ganz
natürlich! –
Aber ist das alles? Gibt es nicht eine noch tiefere Erklärung; oder muß nicht doch das Verständnis der Erklärung tiefer sein? – Ja, habe ich denn selbst ein tieferes Verständnis? Habe ich mehr, als ich in der Erklärung gebe? – Woher aber dann das Gefühl, ich hätte mehr? Ist es, wie wenn ich das nicht Begrenzte als Länge deute, die über jede Länge hinausreicht? |
| 207
“Aber erklärst du ihm wirklich, was du selber
ver-
–
14951
– stehst? Läßt du ihn das
Wesentliche nicht erraten? Du gibst ihm
Beispiele,– er aber muß ihre Tendenz erraten, also deine
Absicht.” – Jede Erklärung, die ich mir
selbst geben kann, gebe ich auch ihm. – “Er
errät, was ich meine” würde heißen: ihm
schweben verschiedene Deutungen meiner Erklärung vor, und er
rät auf eine von ihnen. Er könnte also in
diesem Falle fragen; und ich könnte, und würde, ihm
antworten. |
| 2
“Wie immer du ihn im Fortführen des
Reihenornaments unterrichtest,– wie kann er
wissen, wie er selbständig fortzusetzen
hat?” – Nun, wie weiß
ich's? ‒ ‒ Wenn das
heißt “Habe ich Gründe?”, so
ist die Antwort: die Gründe werden mir bald
ausgehen. Und ich werde dann, ohne Gründe,
handeln.
|
| 2
Wenn jemand, den ich fürchte, mir den Befehl gibt,
die Reihe fortzusetzen, so werde ich schleunig, mit
völliger Sicherheit, handeln, und das Fehlen der
Gründe stört mich nicht.
|
| 2
“Aber dieser Reihenanfang konnte offenbar
verschieden gedeutet werden (z.B.
durch algebraische Ausdrücke) und du mußtest also erst
eine solche Deutung wählen.” –
Durchaus nicht! Es war, unter Umständen, ein
Zweifel möglich. Aber das sagt nicht, daß
ich gezweifelt habe, oder auch nur zweifeln konnte.
(Damit steht im Zusammenhang, was über die
psychologische ‘Atmosphäre’ eines Vorgangs
– 152 – zu sagen
ist.) Nur Intuition konnte diesen Zweifel heben? – Wenn sie eine innere Stimme ist,– wie weiß ich, wie ich ihr folgen soll? Und wie weiß ich, daß sie mich nich[z|t] irreleitet? Denn, kann sie mich richtig leiten, dann kann sie mich auch irreleiten. ((Die Intuition eine unnötige Ausrede.)) |
| 2
Ist eine Intuition zum Entwickeln der Reihe
1 2 3 4 …
nötig, dann auch zum Entwickeln der Reihe
2 2 2 2
….
|
| 21
Aber ist nicht gleich:
gleich? // Aber
ist nicht wenigstens gleich:
gleich? //
Für die Gleichheit scheinen wir ein unfehlbares Paradigma zu haben in der Gleichheit eines Dinges mit sich selbst. Ich will sagen: “Hier kann es doch nicht verschiedene Deutungen geben. Wenn er ein Ding vor sich sieht, so sieht er auch Gleichheit.” Also sind zwei Dinge gleich, wenn sie so sind, wie ein Ding? Und wie so[o|l]l ich nun das, was wir mir das eine Ding zeigt, auf den Fall der zwei anwenden? |
| 21
“Ein Ding ist mit sich selbst
identisch.” – Es gibt kein schöneres
Beispiel eines nutzlosen Satzes, der aber doch mit einem Spiel der
Vorstellung verbunden ist. Es ist, als legten wir das
Ding, in der Vorstellung, in seine eigene Form hinein, und
sähen, daß es paßt.
– 153 – Wir könnten auch sagen: “Jedes Ding paßt in sich selbst.” –Oder anders: “Jedes Ding paßt in seine eigene Form hinein.” Man schaut dabei ein Ding an und stellt sich vor, daß der Raum dafür ausgespart war und es nun genau hineinpaßt. ‘Paßt’ dieser Fleck in seine weiße Umgebung? – Aber genau so würde es aussehen, wenn statt seiner erst ein Loch gewesen wäre, und er nun hineinpaßte. Mit dem Ausdruck “er paßt” wird eben nicht einfach diese Bild beschrieben. Nicht einfach diese Situation. “Jeder Farbfleck paßt genau in seine Umgebung” ist ein etwas spezialisierter Satz der Identität. |
| 21 “Wie kann
ich einer Regel folgen?”– wenn das nicht eine
Frage nach den Ursachen ist, so ist es eine nach der
Rechtfertigung dafür, daß ich so nach ihr
handle.
Habe ich die
(Erinnere dich, daß wir manchmal [e|E]rklärungen fordern nicht ihres Inhalts wegen, sondern der Form der Erklärung wegen. Unsere Forderung ist eine architektonische; die Erklärung eine Art Scheingesims, das nichts trägt.) |
| 21 Woher die Idee, es
wäre die angefangene Reihe ein sichtbares Stück
unsichtbar bis ins Unendliche gelegter Geleise? Nun,
statt der Regel könnten wir uns Geleise denken.
– 154 – Und der
nicht begrenzten Anwendung der Regel entsprechen unendlich lange
Geleise. |
| 21 “Die
Übergänge sind eigentlich alle schon gemacht”
heißt
Nein; meine Beschreibung hatte nur Sinn, wenn sie symbolisch zu verstehen war. – So kommt es mir vor – sollte ich sagen. Wenn ich der Regel folge, wähle ich nicht.
2
Ich folge der Regel blind. , könnte ich auch sagen. |
| 22
Welchen Zweck hat aber jener symbolische Satz? Er
sollte einen Unterschied hervorheben zwischen kausaler
Bedingtheit und logischer Bedingtheit.
|
| 22
Mein symbolischer Ausdruck war eigentlich eine mythologische
Beschreibung des Gebrauchs einer Regel.
|
| 22
Die Linie, könnte man sagen sagen,
gibt's mir ein, wie ich gehen soll. – Aber
das ist natürlich nur ein Bild. Und urteile
ich, sie gebe mir, gleichsam verantwortungslos, dies oder das ein,
so würde ich nicht sagen, ich folgte ihr als einer
Regel.
– 155
– |
| 223. Man fühlt
nicht, daß man immer des Winkes (der
Einflüsterung) der Regel gewärtig sein
muß. Im Gegenteil. Wir sind nicht gespannt
darauf, was sie uns wohl jetzt sagen befehlen eingeben
wird, sondern sie
Man könnte sagen:
Man könnte dem, den man abrichtet, sagen: “Sieh, ich tue immer das Gleiche: ich …” |
| 224. Das Wort
“Übereinstimmung” und das Wort
“Regel” sind miteinander verwandt,
sie sind Vettern. Lehre ich Einen den Gebrauch
des einen Wortes, so lernt er damit auch den Gebrauch des
andern. |
| 225. Die Verwendung des
Wortes “Regel” ist mit der Verwendung des Wortes
“gleich” verwoben. (Wie die Verwendung
von “Satz” mit der Verwendung von
“wahr”.) |
| 226. Nimm an, Einer
folgt der Reihe x = 1,3,5,7,
…⌊⌊Emended by editors.
This reading is however in MS⌋⌋
indem er die Reihe der 2x² + 1
hinschreibt;. Und er fragte sich:
“aber tue ich auch immer das [g|G]leiche, oder
jedesmal etwas anderes?” Wer von einem Tag auf den andern verspricht “Morgen will ich dich besuchen”– sagt der jeden Tag das Gleiche; oder jeden Tag etwas anderes? |
| 227.
Hätte es einen
Sinn zu sagen: “Wenn er jedesmal etwas
– 156 –
anderes täte, würden wir nicht sagen: er
folge einer Regel”? Das hat
keinen Sinn. |
| 228. “Eine
Reihe hat für uns ein
Gesicht!” – Wohl; aber welches?
Nun doch das algebraische, und das eines Stücks der
Entwicklung. Oder hat sie sonst noch eins? –
“Aber in dem liegt doch schon
alles!” – Aber das ist keine Feststellung
über das Reihenstück, oder über etwas, was wir darin
erblicken; sondern der Ausdruck dafür, daß wir nur auf
den Mund der Regel schauen und tun, und an keine
weitere Anleitung appellieren. |
| 229. Ich glaube, im
Reihenstück ganz fein eine Zeichnung wahrzunehmen, einen
charakteristischen Zug, der nur mehr noch
das
“u.s.w.” bedarf, um in
die Unendlichkeit zu reichen. |
| 230. “Die Linie
gibt's mir ein, wie ich gehen soll”: das
paraphrasiert nur: sie sei meine letzte Instanz
dafür, wie ich gehen soll. |
| 231. “Aber du
siehst doch …!” Nun, das ist eben die
charakteristische Äußerung Eines, der von der Regel
gezwungen ist. |
| 232. Nimm an, eine Regel
gebe mir ein, wie ich ihr folgen soll; d.h.,
wenn ich
– 157
– zu folgen, und dem, einer Regel zu
folgen? Denn sie sind doch nicht das Gleiche.
In dem Fall der Inspiration warte ich auf die
Anweisung. Ich werde einen Andern nicht meine
‘Technik’ lehren können, der Linie zu
folgen. Es sei denn, ich lehrte ihn eine Art des
Hinhorchens, der Rezeptivität. Aber dann kann
ich natürlich nicht verlangen, daß eer der Linie so
folge, wie ich. Dies sind nicht meine Erfahrungen vom Handeln nach einer Inspiration und nach einer Regel; sondern grammatische Anmerkungen. |
| 233. Man könnte
sich auch so einen Unterricht in einer Art von Arithmetik
denken. Die Kinder können dann, ein jedes auf seine
Weise, rechnen,– solange sie nur auf die innere Stimme
horchen und ihr folgen. Dieses Rechnen wäre wie
ein Komponieren. |
| 234. Aber könnten
wir nicht au[v|c]h rechnen, wie wir rechnen (Alle
übereinstimmend, etc.), und doch
bei jedem Schritt das Gefühl haben, von den Regeln wie von
einem Zauber geleitet zu werden; erstaunt darüber
vielleicht, daß wir übereinstimmen?
(Der Gottheit etwa für diese Übereinstimmung
dankend.) |
| 235. Daraus siehst du
nur, wi
– 158
– |
| 236. Die Kunstrechner,
die zum richtigen Resultat gelan[f|g]en, aber nicht
sagen können, wie. Sollen wir sagen, sie rechnen
nicht[,|?] (Eine Familie von
Fällen.) |
| 237. Denke dir, Einer
folgte einer R Linie als Regel auf diese
Weise: Er hält einen Zirkel, dessen eine Spitze er
der Regel-Linie entlang führt, während die andre
Spitze die Linie zieht,
|
| 238. Damit es mir
erscheinen kann, als hätte [i|d]ie Regel alle ihre
V Folgesätze zum Voraus erzeugt,
müssen sie mir selbs
selbstverständlich sein. So
selbstverständlich, wie es mir ist, diese Farbe
“blau” zu nennen. (Kriterien
dafür, daß dies mir
‘selbstverständlich’ ist.) |
| 239.
Wie soll er wissen,
welche Farbe er zu wählen hat, wenn er “rot”
hört? – Sehr einfach: er soll die Farbe
nehmen, deren Bild ihm beim Hören des Wortes
einfällt. – Aber wie soll er wissen, welche
Farbe das ist, ‘deren Bild ihm – 159 –
einfällt’? Braucht es dafür ein
weiteres Kriterium? (Es gibt allerdings einen
Vorgang: die Farbe wählen, die einem beim Wort …
einfällt.)
“‘Rot’ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des Wortes ‘rot’ einfällt”– wäre eine Definition. Keine Erklärung des Wesens der Bezeichnung durch ein Wort. |
| 240. Es bricht kein
Streit darüber aus, ˇ(etwa zwischen
Mathematikern), ob der Regel gemäß vorgegangen
wurde, oder nicht. Es kommt darüber
z.B. nicht zu Tätlichkeiten.
Das gehört zu dem Gerüst, von welchem aus unsere
Sprache wirkt (z.B. eine Beschreibung
gibt). |
| 241. “So sagst
du also, daß die Übereinstimmung der Menschen
entscheide, was richtig und was falsch ist?” –
Richtig und falsch ist, was Menschen sagen; und in
der Sprache stimmen die Menschen
überein. Dies ist keine Übereinstimmung
der Meinungen, sondern der Lebensform. |
| 242. Zur
Verständigung durch die Sprache gehört nicht nur eine
Übereinstimmung in den Definitionen, sondern (so
seltsam dies klingen mag) eine Übereinstimmung in den
Urteilen. Dies scheint die Logik aufzuheben; hebt sie
aber nicht auf. – Eines ist, die Meßmethode zu
beschreiben, ein Anderes, Messungsergebnisse zu finden und
auszusprechen. Aber was wir
“messen” nennen, ist auch durch eine gewisse
Konstanz der Messungsergebnisse bestimmt. // Aber zu dem, was wir
“messen” – 160
– nennen, gehört auch eine gewisse
Übereinstimmung der
‘Messungsergebnisse’.
// –
15160161
– |
| 215 42 3.
Ein Mensch kann sich selbst ermutigen, sich selbst
befehlen, gehorchen, tadeln, bestrafen, eine Frage vorlegen und
auf sie antworten. Man könnte sich also auch
Menschen denken, die nur monologisch sprächen. Ihre
Tätigkeiten mit Selbstgesprächen
begleiteten. – Einem Forscher, der sie
beobachtet und ihre Reden belauscht, könnte es gelingen,
ihre Sprache in die unsre zu übersetzen. (Er
wäre übrigens dadurch in den Stand gesetzt,
Handlungen dieser Leute richtig vorherzusagen, denn er
hört sie auch Vorsätze und Entschlüsse
fassen.) Wäre aber auch eine Sprache denkbar, in der Einer seine inneren Erlebnisse – seine Gefühle, Stimmungen, etc. – für den eigenen Gebrauch aufschreiben, oder aussprechen könnte? ‒ ‒ Können wir denn das in unserer gewöhnlichen Sprache nicht tun? – Aber so meine ich's nicht. Die Wörter dieser Sprache sollen sich auf das beziehen, wovon nur der Sprechende wissen kann; auf seine unmittelbaren, privaten, Empfindungen. Ein Anderer kann diese Sprache
|
| 244. Wie
beziehen sich Wörter auf
Empfindungen? – Darin scheint kein Problem zu
liegen; denn reden wir nicht täglich von Empfindungen, und
(be)nennen sie? Aber wie wird die Verbindung
des Namens mit dem benannten hergestellt? Die
Frage ist die gleiche, wie die: Wie lernt ein Mensch
die Bedeutung der Namen von Empfindungen?
Z.B.
¤
–
168 – ⇒626 244 5. Wie kann ich denn mit der Sprache noch zwischen die Schmerzäußerung und den Schmerz treten wollen? –
15261162
– des Wortes
“Schmerz”. Dies ist eine
Möglichkeit: Es werden Worte mit dem
ursprünglichen, natürlichen, Ausdruck der Empfindung
verbunden und an dessen Stelle gesetzt. Ein Kind hat
sich verletzt, es schreit; und nun sprechen ihm die Erwachsenen zu
und bringen ihm Ausrufe und später Sätze bei.
Sie lehren das Kind ein neues Schmerzbenehmen.
“So sagst du also, daß das Wort ‘Schmerz’ eigentlich das Schreien bedeute?” – Im Gegenteil; der Wortausdruck des Schmerzes ersetzt das Schreien und beschreibt es nicht. |
|
| 2 In wiefern sind nun
meine Empfindungen privat? – Nun,
nur ich kann wissen, ob ich wirklich Schmerzen habe; der Andere
kann es nur vermuten. – Das ist in einer Weise
falsch, in einer andern unsinnig. Wenn wir das Wort
“wissen gebrauchen, wie es normalerweise gebraucht
wird (und wie sollen wir es denn
gebrauchen!), dann wissen es Andere sehr
häufig, wenn ich Schmerzen habe. – Ja, aber
doch nicht mit der Sicherheit, mit der ich selbst es
weiß! – Von mir kann man überhaupt nicht
sagen (außer etwa im Spaß) ich wisse,
daß ich Schmerzen habe. Was soll es denn
heißen
Man kann nicht sagen, die Andern lernen meine Empfindung nur durch mein Benehmen
Das ist richtig: es hat Sinn, von Andern zu sagen, – 163
– 245.
sie seien im Zweifel darüber, ob ich Schmerzen
habe; aber nicht, es von mir selbst zu sagen. |
| 24
“Nur du kannst wissen, ob du die Absicht
hattest.” Das könnte man jemandem sagen,
wenn man ihm die Bedeutung des Wortes “Absicht”
erklärt. Es heißt dann nämlich:
so gebrauchen wir es.
(Und “wissen” heißt hier, daß der Ausdruck der Ungewißheit sinnlos ist.) |
| 24
Der Satz “Empfindungen sind privat” ist
vergleichbar dem: “Patie[v|n]ce spielt
man allein”.
|
| 24
Sind wir vielleicht voreilig in der Annahme, daß das
Lächeln des Säuglings nicht Verstellung ist? –
Und auf welcher Erfahrung beruht unsre Annahme?
(Das Lügen ist ein Sprachspiel, das gelernt sein will, wie jedes andre.) |
| 2
Warum kann ein Hund nicht Schmerzen heucheln? Ist
er zu ehrlich? Könnte man einen Hund Schmerzen
heucheln lehren? Man kann ihm vielleicht
beibringen, bei bestimmten Gelegenheiten wie im Schmerz
aufzuheulen, ohne daß er Schmerzen hat. Aber zum
eigentlichen Heucheln fehlte diesem Benehmen noch immer die
richtige Umgebung.
|
| 25
Was bedeutet es, wenn wir sagen: “Ich kann mir
das Gegenteil davon nicht vorstellen”, oder:
“Wie wäre es denn, wenn's anders
wäre?” – Z.B.,
wenn jemand gesagt hat, daß
– 164
– meine Vorstellungen privat seien; oder,
daß nur ich selbst wissen kann, ob ich einen Schmerz empfinde;
und dergleichen. “Ich kann mir ˇdas Gegenteil nicht vorstellen” ,“ heißt hier natürlich nicht: meine Vorstellungskraft reicht nicht hin. Wir wehren uns mit diesen Worten gegench eine Aussage etwas, die was uns durch ihre seine Form einen Erfahrungssatz nachahmt vortäuscht, die in Wirklichkeit aber nun aber in eine grammatischer ist. Satz ist.. Aber warum sage ich “Ich kann mir das Gegenteil nicht vorstellen? Warum nicht: “Ich kann mir, was du sagst, nicht vorstellen”? Ein Beispiel: “Jeder Stab hat eine Länge”. Das heißt etwa: wir nennen etwas (oder dies) “die Länge eines Stabes”– aber nichts “die Länge einer Kugel”. Kann ich mir nun vorstellen, daß ‘jeder Stab eine Länge hat’? Nun, ich stelle mir eben einen Stab vor; und das ist alles. Nur spielt dieses Bild in Verbindung mit diesem Satz eine ganz andere Rolle, als ein Bild in Verbindung mit dem Satz “Dieser Tisch hat die gleiche Länge wie der dort”. Denn hier verstehe ich, was es heißt, sich ein Bild vom Gegenteil zu machen (und es muß kein Vorstellungsbild sein). Das Bild aber zum grammatikalischen Satz konnte nur etwa zeigen, was man “Länge eines Stabes” nennt. Und was sollte davon das entgegengesetzte Bild sein? ((Bemerkung über die Verneinung eines Satzes a priori.)) |
| 25
Wir könnten auf den Satz “Dieser Körper
hat eine Aus-
– 165
– dehnung” antworten:
“Unsinn!”– neigen aber dazu, zu
antworten:
“Freilich!” –
Warum? |
| 25
“Der Andre kann nicht meine Schmerzen
haben.” – Welches sind meine
Schmerzen? Was gilt hier als Kriterium der
Identität? Überlege, was es möglich macht,
im Falle physikalischer Gegenstände von “zwei
genau gleichen” zu sprechen.
Z.B. zu sagen: “Dieser
Sessel ist nicht derselbe, den du gestern hier gesehen hast, aber
er ist ein genau gleicher.”
Soweit es Sinn hat, zu sagen, mein Schmerz sei der gleiche, wie seiner, soweit können wir auch beide den gleichen Schmerz haben. (Ja es wäre auch denkbar, daß zwei Menschen an der gleichen – nicht nur homologen – Stelle Schmerz empfänden. Bei siamesischen Zwillingen, z.B., könnte das der Fall sein.) Ich habe gesehen, wie jemand in einer Diskussion über diesen Gegenstand sich an die Brust schlug und sagte: “Aber der Andre kann doch nicht diesen Schmerz haben!” – Die Antwort darauf ist, daß man durch das emphatische Betonen des Wortes “diesen” kein Kriterium der Identität definiert. Die Emphase spiegelt uns vielmehr nur den Fall vor, daß ein solches Kriterium uns geläufig ist, wir aber daran erinnert werden müssen. |
| 24
Auch das Ersetzen des Wortes “gleich” durch
“identisch”
(z.B.) ist ein typisches Auskunftsmittel
in der Philosophie. Als redeten wir von
Abschattungen der Bedeutung und
– 166
– es handle sich nur darum, mit unsern Worten
die richtige Nuance zu treffen. Und darum handelt
sich's beim Philosophieren nur, dort, wo es unsre
Aufgabe ist, die Versuchung, eine bestimmte Ausdrucksweise zu
[b|g]ebrauchen, psychologisch genau
darzustellen. Was wir in so einem Fall ‘zu sagen
versucht sind’, ist natürlich nicht
Ph[y|i]losophie; sondern es ist ihr
Rohmaterial. Was also ein Mathematiker,
z.B., über Objektivität und
Realität der mathematischen Tatsachen zu sagen geneigt ist,
ist nicht eine Philosophie der Mathematik, sondern etwas, was
Philosophie zu behandeln hätte. |
| 25
Der Philosoph behandelt eine Frage; wie eine
Krankheit.
|
| 25
Wie ist es nun mit der Sprache, die meine innern Erlebnisse
beschreibt und die nur ich selbst verstehen kann?
Wie bezeichne ich meine Empfindungen mit
Worten? – So wie wir's gewöhnlich
tun? Sind also meine Empfindungsworte mit meinen
natürlichen Empfindungsäußerungen
verknüpˇft? – In diesem Falle
|
| 25
“Wie wäre es, wenn die Menschen ihre Schmerzen
nicht
– 167
– äußerten (nicht stöhnten,
das Gesicht nicht verzögen, etc.)?
Dann könnte man einem Kind nicht den Gebrauch des
Wortes ‘Zahnschmerzen’
beibringen.” – Nun, nehmen wir an, das Kind
sei ein Genie und erfinde selbst einen Namen für die
Empfindung! – Aber nun könnte es sich
freilich mit diesem Wort nicht verständlich
machen. – Also versteht es den Namen, kann aber
seine Bedeutung niemand erklären? – Aber was
heißt es denn, daß er ‘seinen
Schmerz’ benannt hat’? –
Wie hat er das gemacht: den Schmerz
benennen?! Und, was immer er getan hat, was hat es
für einen Zweck? – Wenn man sagt
“Er hat der Empfindung einen Namen
gegeben”, so vergißt man, daß schon viel in der
Sprache vorbereitet sein muß, damit das bloße Benennen einen
Sinn hat. Und wenn wir davon reden, daß
|
| 25
Stellen wir uns diesen Fall vor. Ich will über das
Wiederkehren einer gewissen Empfindung ein Tagebuch
führen.
–
155168
– ein Tagebuch anlegen
führen. Dazu assoziiere
ich sie mit dem Zeichen “E” und schreibe in
einem Kalender zu jedem Tag, an dem ich die Empfindung habe, dieses
Zeichen. ‒ ‒ Ich will zuerst bemerken, daß
ich sich eine Definition des Zeichens nicht
aussprechen läßt. – Aber ich kann sie doch
mir selbst als eine Art hinweisende Definition
geben! – Wie? Kann ich auf die
Empfindung zeigen? – Nicht im
gewöhnlichen Sinne;. Aber ich
spreche, oder schreibe das Zeichen, und dabei konzentriere ich
meine Aufmerksamkeit auf die Empfindung – zeige also gleichsam
im Innern auf sie. – Aber wozu diese
Zeremonie? denn nur eine solche scheint es zu
sein! Eine Definition dient doch dazu, die Bedeutung
eines Zeichens festzulegen. – Nun, das geschieht eben
durch das Konzentrieren der Aufmerksamkeit; denn dadurch
präge ich mir die Verbindung des Zeichens mit der
Empfindung ein. – “Ich präge sie mir
ein” kann doch nur heißen: dieser Vorgang
bewirkt, daß ich mich in Zukunft richtig an
die Verbindung erinnere. Aber in unserm Falle habe ich
ja kein Kriterium für die Richtigkeit. Man
möchte hier sagen: richtig ist, was immer mir als
richtig erscheinen wird. Und das heißt nur,
daß hier von ‘richtig’ nicht geredet
werden kann. 218.1.(S.160) 219. “Nun, ich glaube, daß dies wieder die Empfindung E ist.” – Du glaubst es wohl zu glauben! So hätte sich also, der das Zeichen in den Kalender – 169 – |
| 25
Sind die Regeln der privaten Sprache
Eindrücke von Regeln? – Die
Wage, auf der man die Eindrücke wägt, ist
nicht der Eindruck von einer Wage.
|
| 2
“Nun, ich glaube, daß dies wieder die
Empfindung E ist.” – Du
glaubst es wohl zu glauben!
So hätte sich also, der das U Zeichen in den Kalender eintrug, gar nichts notiert? – Sieh's nicht als selbstverständlich an, daß Einer sich etwas notiert, wenn er Zeichen in e– in einen Kalender z.B. – einträgt. Eine Notiz hat ja eine Funktion; und das “E” hat, soweit, noch keine. (Man kann zu sich selber reden. – Spricht [J|j]eder zu sich selbst, der redet, wenn niemand anderer zugegen ist?) |
| 26
Welchen Grund haben wir,
““E” das Zeichen für
eine Empfindung zu nennen?
“Empfindung” ist nämlich ein Wort
unserer allgemeinen, nicht mir allein verständlichen,
Sprache. Der Gebrauch dieses Worts bedarf also einer
Rechtfertigung, die Alle verstehen. – Und es hülfe
auch nichts, zu sagen: es müsse keine Emp
Empfindung sein, wenn er “E”
schreibe, habe er Etwas – und mehr
könnten wir nicht sagen. Aber
“haben” und “etwas” gehören
auch zur allgemeinen Sprache. – So gelangt man beim
Philosophieren am Ende dahin, wo man nur noch einen unartikulierten
Laut ausstoßen möchte. – Aber ein solcher
Laut ist ein Ausdruck nur in einem bestimmten Sprachspiel, das nun
zu beschreiben
– 170
– ist. |
| 26
Man könnte sagen: Wer sich eine private
Worterklärung gegeben hat, der muß sich nun im Innern
vornehmen, das Wort so und so zu gebrauchen.
Und wie nimmt er sich das vor? Soll ich annehmen,
daß er die Technik dieser Anwendung erfindet; oder daß er sie
schon fertig vorgefunden hat?
|
| 26
“Ich kann mir (im Innern) doch vornehmen, in
Zukunft das ‘Schmerz’
zu nennen.” – “Aber hast du es dir
auch gewiß vorgenommen? Bist du sicher, daß es dazu
genug war, die Aufmerksamkeit auf dein Gefühl zu
konzentrieren?” – Seltsame
Frage. –
|
| 26
“Wenn du einmal weißt, was das Wort
bezeichnet, versteht du es, kennst du seine ganze
Anwendung.”
|
| 26
Denken wir uns eine Tabelle, die nur in unsrer Vorstellung
existiert; ( etwa ein Wörterbuch).
Mittels eines Wörterbuchs kann man die Übersetzung
eines Wortes x durch ein Wort Y rechtfertigen.
Sollen wir es aber auch eine Rechtfertigung nennen, wenn
diese Tabelle nur in der Vorstellung nachgeschlagen
wird? – “Nun, es ist dann eben eine
subjektive Rechtfertigung.” – Aber die
Rechtfertigung besteht doch darin, daß man an eine
unabhängige Stelle appelliert. – “Aber
ich kann doch auch von einer Erinnerung an eine andre
appellieren. Ich weiß
(z.B.) nicht, ob ich mir die Abfahrzeit
des Zuges richtig gemerkt habe und rufe mir zur Kontrolle
– 171 – das Bild der
Tabelle der Seite des Fahrplans [n|i]ns
Gedächtnis. Haben wir hier nicht den gleichen
Fall?” – Nein; denn dieser Vorgang muß
nun wirklich die richtige Erinnerung
hervorrufen. Wäre das Vorstellungsbild des
Fahrplans nicht selbst auf seine Richtigkeit zu
prüfen, wie könnte es die Richtigkeit der
ersten Erinnerung bestätigen? (Als kaufte
Einer mehrere Exemplare der heutigen Morgenzeitung, um sich zu
vergewissern, daß sie die Wahrheit
sch schreibt.) In der Vorstellung eine Tabelle nachschlagen ist so wenig ein Nachschlagen einer Tabelle, wie die Vorstellung des Ergebnisses eines vorgestellten Experiments das Ergebnis eines Experiments ist. |
| 26
Ich kann auf die Uhr schaun, um zu sehen, wieviel Uhr es
ist. Aber ich kann auch, um zu raten,
wieviel Uhr es ist, auf das Zifferblatt einer Uhr sehen; oder zu
diesem Zweck die Zeiger einer Uhr verstellen, bis mir die Stellung
richtig vorkommt. So kann das Bild der Uhr auf mehr als
eine Weise dazu dienen, die Zeit zu bestimmen. (In
der Vorstellung auf die Uhr schaun.)
|
| 26
Angenommen, ich wollte die Dimensionierung einer Brücke,
die in meiner Vorstellung gebaut wird, dadurch rechtfertigen,
daß ich zuerst in der Vorstellung Zerreißproben mit dem
Material der Brücke mache. Dies wäre
natürlich die Vorstellung von dem, was man die Rechtfertigung
der Dimen-
– 172
– sionierung einer Brücke nennt.
Aber würden wir es auch eine Rechtfertigung der Vorstellung
einer Dimensionierung nennen? |
| 26
Warum kann meine rechte Hand nicht meiner linken Geld
schenken? – Meine rechte Hand kann es in meine
linke geben. Meine rechte Hand kann eine
Schenkungsurkunde schreiben und meine linke eine
Quittung. – Aber die weitern praktischen Folgen
wären nicht die einer Schenkung. Wenn die linke
Hand das Geld von der rechten genommen hat, etc.,
wird man fragen: “Nun, und was
weiter?” Und das Gleiche könnte man
fragen, wenn Einer sich eine private Worterklärung gegeben
hätte; ich meine, wenn er sich ein Wort vorgesagt und dabei
seine Aufmerksamkeit auf eine Empfindung gerichtet hat.
|
| 26
Erinnern wir uns daran, daß es gewisse Kriterien des
Benehmens dafür gibt, daß Einer ein Wort nicht
versteht: daß es ihm nichts sagt, er nichts damit
anzufangen weiß. Und Kriterien dafür, daß er
das Wort ‘zu verstehen glaubt’, eine Bedeutung
mit ihm verbindet, aber nicht die richtige. Und endlich
Kriterien dafür, daß er das Wort richtig
versteht. Im zweiten Falle könnte man von einem
subjektiven Verstehen reden. Und eine “private
Sprache” könnte man Laute nennen, die kein Andrer
versteht, ich aber ‘zu verstehen
scheine’.
|
| 2
Denken wir uns nun eine Verwendung des Eintragens
– 173 – des Zeichens
“E” in mein Tagebuch. Ich mache
folgende Erfahrung: Wenn immer ich eine bestimmte
Empfindung habe, zeigt mir ein Manometer, daß mein Blutdruck
steigt. So werde ich in den Stand gesetzt, ein Steigen
meines Blutdrucks ohne Zuhilfenahme
–
15774
– ob ich die Empfindung
richtig wiedererkannt habe, oder nicht.
Nehmen wir an, ich irre mich beständig bei ihrer
Identifizierung, so macht es garnicht. Und das zeigt schon, daß die Annahme
dieses Irrtums nur ein Schein war. (Wir drehten,
gleichsam, an einem Knopf, der aussah, als könnte man mit ihm
etwas an der Maschine einstellen; aber er war ein bloßes
Zierrat, mit dem Mechanismus garnicht verbunden.) Und welchen Grund haben wir hier, “E” die Bezeichnung
|
| 222 70 1.
“Denke dir einen Menschen, der es nicht im
Gedächtnis behalten könnte, was das Wort
‘Schmerz’ bedeutet – und der daher immer
wieder etwas Anderes so nennt – das Wort aber dennoch in
Übereinstimmung mit dem gewöhnlichen Anzeichen und
Voraussetzungen ˇdes Schmerzes
verwendete!” – der es also verwendet, wie
wir Alle.
|
| 239.l. 223. “Wenn ich
sage ‘Ich habe
–
15875–
was ich “Schmerzen” nenne, würde er zugeben,
daß ich das Wort richtig verwende”?
Ein Wort ohne Rechtfertigung gebrauchen, heißt nicht, es zu Unrecht gebrauchen. |
| 224 71 2.
Das Wesentliche am privaten Erlebnis ist eigentlich nicht,
daß Jeder sein eigenes Exemplar besitzt, sondern, daß
Keiner weiß, ob der Andere auch dies hat,
oder etwas anderes. Es wäre
|
| 225 72 3.
Wie ist es nun mit dem Worte “rot” – soll
ich sagen, dies bezeichne etwas ‘uns Allen
Gegenüberstehendes’, und Jeder sollte eigentlich
außer diesem Wort noch eines haben zur Bezeichnung seiner
eigenen Empfindung von Rot?
Oder ist es so: das Wort “rot” bezeichnet
etwas uns gemeinsam Bekanntes; und für jeden, außerdem,
etwas nur ihm Bekanntes? (Oder vielleicht
besser: es bezieht sich auf etwas nur ihm
Bekanntes.) |
| 226 73 4.
Es hilft uns natürlich nichts zum Begreifen der Funktion
von “rot”, zu sagen, es
“beziehe sich auf”, statt
“es bezeichne” das Private; aber es ist der
psychologisch treffendere Ausdruck für ein bestimmtes Erlebnis
beim Philosophieren. Es ist, als werfe ich beim
Aussprechen des Worts einen Seitenblick auf die eigene Empfindung,
gleichsam um mir zu sagen: ich wisse schon, –
15976
– was ich damit meine. |
| 227 74 5.
Schau auf das Blau des Himmels, und sag zu dir selbst
“Wie blau der Himmel ist!” –
Wenn du es spontan tust – nicht mit philosophischen
Absichten – so kommt es dir nicht in den Sinn, dieser
Farbeneindruck gehöre nur dir. Und du
hast kein Bedenken, diesen Ausruf an einen Andern zu
richten. Und wenn du bei den Worten auf etwas zeigst, so
ist ˇes der Himmel. Ich meine: Du
hast nicht das Gefühl des In-dich-selber-Zeigens,
das oft das ‘Benennen der Empfindung’ begleitet,
wenn man über die ‘private Sprache’
nachdenkt. Du denkst auch nicht, du solltest eigentlich
nicht mit der Hand, sondern nur mit der Aufmerksamkeit auf die
Farbe zeigen. (Überlege, was es heißt,
“mit der Aufmerksamkeit auf etwas
zeigen”.) |
| 228 75 6.
“Aber meinen wir denn nicht wenigstens
etwas ganz Bestimmtes, wenn wir ˇauf eine Farbe
hinschauen und den Farbeindruck benennen?” Es
ist doch förmlich, als lösten wir den
Farbeindruck, wie ein Häutchen, von dem
[G|g]esehenen Gegenstand ab. (Dies sollte
unsern Verdacht erregen.) |
| 229 76 7.
Aber wie ist es überhaupt möglich, daß man in
Versuchung ist, zu glauben, man meine einmal mit
einem Wort die Allen bekannte Farbe,– einmal: den
‘visuellen Eindruck’, den ich jetzt
erhalte? Wie kann hier auch nur eine Versuchung
bestehen? ‒ ‒ Ich wende in diesen Fällen
der Farbe nicht die gleiche Art der
Auf-
¤
⇒695 278
9
Denke dir Einen, der sagte: “Ich weiß
doch, wie hoch ich bin!” und dabei die Hand als
Zeichen auf seinen Scheitel legt!
(Vergleiche: “Ich bin
hier.”)
Oder auch: “Jeder Mensch weiß, wie hoch er ist.” (Beispiel von der Straßenwalze.) [“Ich weiß doch was ich sehe!”] – 16077
– merksamkeit zu.
Meine ich (wie ich sagen möchte) den mir zu eigen
gehörenden Farbeindruck, so vertiefe ich mich in die
Farbe; – ungefähr so, wie wenn ich mich an einer
Farbe ‘nicht sattsehen kann’. Daher
ist es leichter, dieses Erlebnis zu erzeugen, wenn man auf eine
leuchtende Farbe sieht, oder auf eine Farbenzusammenstellung, die
sich uns einprägt. |
| 230 77 8. “Ich weiß, wie mir die Farbe Grün erscheint” – nun, das hat doch Sinn! – Gewiß; welche Verwendung des Satzes denkst du dir? |
|
| 2
Einer malt ein Bild, um zu zeigen, wie er sich, etwa, eine
Scene auf dem Theater vorstellt. Und
nun sage ich: “Dies Bild hat eine doppelte
Funktion; es teilt Andern etwas mit, wie Bilder, oder Worte
eben etwas mitteilen
|
| 218.1.
Sind die Regeln der privaten Sprache
Eindrücke von Regeln? Die
Wage, auf der man die Ein-– 16178
– drücke wägt, ist nicht der
Ei Eindruck von einer
Wage.
|
|
|
| 2
“Aber im Märchen kann doch auch der Topf sehen und
hören!” (Gewiß; aber er
kann auch sprechen.)
“Aber das Märchen erdichtet doch nur, was nicht der Fall ist; es spricht doch nicht Unnsinn.” –
Ja; wir sagen von Leblosem, es habe Schmerzen: im Spiel mit Puppen z.B.. Aber diese Verwendung des Schmerzbegriffs ist eine sekundäre. Stellen wir uns doch den Fall vor, Leute sagten nur von Leblosem, es habe Schmerzen; bedauerten nur Puppen! (Wenn Kinder Eisenbahn Spielen, hängt ihr Spiel mit ihrer Kenntnis der Eisenbahn zusammen. Es könnten aber Kinder eines Volks- –
16279
– stammes, dem die Eisenbahn unbekannt ist,
dies Spiel von andern übernommen haben, und es spielen, ohne
zu wissen, daß damit etwas nachgeahmt wird. Man
könnte sagen, das Spiel habe für sie nicht den
gleichen Sinn, wie für uns.) |
| 234 82 3.
Woher kommt uns au auch nur der
Gedanke: Wesen, Gegenstände, könnten
etwas fühlen?? Meine Erziehung hätte mich darauf geführt, indem sie mich auf die Gefühle in mir aufmerksam machte, und nun übertrage ich die Idee auf Objekte außer mir? Ich erkenne, es ist da (in mir) etwas, was ich, ohne mit dem Wortgebrauch der Andern in Widerspruch zu geraten, “Schmerzen” nennen kann? – Auf Steine und Pflanzen, etc. übertrage ich meine Idee nicht. Könnte ich mir denken, ich hätte fürchterliche Schmerzen und würde, während sie andauern, zu einem Stein? Ja, wie weiß ich, wenn ich die Augen schließe, ob ich nicht zu einem Stein geworden bin? – Und wenn das nun geschehen ist, in wiefern wird der Stein Schmerzen haben? In wiefern wird man es vom Stein aussagen können? Ja warum soll der Skei Schmerz hier überhaupt einen Träger haben?! Und kann man von dem Stein sagen, er habe eine Seele und die hat Schmerzen? Was hat eine Seele, was haben Schmerzen, mit einem Stein zu tun? Nur von dem, –
16380
– Nur von dem, was sich benimmt wie ein
Mensch, kann man sagen, daß es Schmerzen
hat. Denn man muß es von einem Körper sagen, oder, wenn du willst, von einer Seele, die ein Körper hat. Und wie kann ein Körper eine Seele haben haben? |
| 235 83 4.
Schau einen Stein an und denk dir, er hat Empfindungen!
–Man sagt sich: Wie konnte man auch nur auf
die Idee kommen, einem Di Ding
eine Empfindung zuzuschreiben? Man
könnte sie ebensogut einer Zahl
zuschreiben! – Und nun schau ein
auf eine zappelnde Fliege, und sofort ist diese Schwierigkeit
verschwunden und der Schmerz scheint dir a
hier angreifen zu können, wo vorher alles
gegen ihn, sozusagen, glatt war.
Und so scheint uns auch ein Leichnam dem Schmerz gänzlich unzugänglich. – Unsre Einstellung zum Lebenden ist nicht die zum Toten. Alle unsre Reaktionen sind verschieden. – Sagt Einer: “Das kann nicht einfach daran liegen, daß das Lebendige sich so und so bewegt und das Tote nicht”– so will ich ihm bedeuten, hier liege ein Fall des Übergangs ‘von der Quantität zur Qualität’ vor. |
| 236 84 5.
Denk an das Erkennen des
Gesichtsausdrucks. Oder an die
Beschreibung des Gesichtsausdrucks,– die nicht darin
besteht, daß man die Maße des Gesichts
–
16481 –
Spiegel zu sehen. |
| 237 85 6.
Aber ist es nicht absurd, von einem Körper zu
sagen, er habe Schmerzen? ‒ ‒ Und warum
fühlt man darin eine Absurdität? In wiefern
fühlt meine Hand nicht Schmerzen; sondern ich in meiner
Hand? Was ist das für eine Streitfrage: Ist es der Kör Körper, der Schmerzen fühlt? – Wie ist sie zu entscheiden? Wie macht es sich geltend, daß es nicht der Körper ist? – Nun, etwa so: Wenn Einer in der Hand Schmerzen hat, so sagt's die han Hand nicht (außer sie schreibt's), und man spricht nicht der Hand Trost zu, sondern dem Leidenden; man sieht ihm in die Augen. |
| 238 86 7.
Wie bin ich von Mitleid für diesen Menschen
erfüllt? Wie zeigt es sich, welches Objekt
das Mitleid hat? (Das Mitleid, kann man sagen, ist
eine Form des
Glaubens // der
Überzeugung // , daß ein Andrer
Schmerzen hat.) |
| 239 87 8.
Ich erstarre zu Stein und meine Schmerzen dauern
an. – Und wenn ich mich nun irrte und es nicht mehr
Schmerzen wären! ‒ ‒ Aber ich
kann mich doch hier nicht irren; es heißt doch nichts, zu
zweifeln, ob ich Schmerzen habe! –
D.h.: wenn Einer sagte
“Ich weiß nicht, ist das ein Schmerz, was ich
habe, oder ist es etwas anderes?”, so dächten
wir etwa, er wisse nicht, was das deutsche Wort
“Schmerz” bedeute und würden's ihm
–
16582
– erklären. –
Wie? Vielleicht durch Gebärden, oder indem wir
ihm mit einer Nadel stächen und sagten
“Siehst du, das ist Schmerz”. Er
könnte diese Worterklärungen, wie jede andere,
richtig, falsch, oder garnicht
verstehen. Und welches er tut, wird er im Gebrauch des
Wortes zeigen, wie es auch sonst geschieht.
Wenn er nun z.B. sagte: “
Jener Ausdruck des Zweifels gehört nicht zu dem Sprachspiel; aber wenn nun der Ausdruck der Empfindung, das menschliche Benehmen, ausgeschlossen ist, dann scheint es, ich dü dürfe wieder zweifeln. Daß ich hier versucht bin, zu sagen, man könne die Empfindung für etwas andres halten, als was sie ist, kommt daher: Wenn ich das normale Sprachspiel mit dem Ausdruck der Empfindung ˇEmpfindung abgeschafft denke, brauche ich nun ein Kriterium der Identität für sie; und dann bestünde auch die Möglichkeit des Irrtums. |
| 239.1.(S.157) 240. Ich identifiziere meine
Empfindung freilich nicht – 174– –183
– |
| 28
“Wenn ich sage ‘Ich habe
Schmerzen’, bin ich jedenfalls vor mir
selbst gerechtfertigt.” – Was
heißt das? Heißt es: “Wenn ein
Anderer wissen könnte, was ich ‘Schmerzen’
nenne, würde er zugeben, daß ich das Wort richtig
verwende”?
Ein Wort ohne Rechtfertigung gebrauchen, heißt nicht, es zu Unrecht gebrauchen. |
| 2890.
Ich identifiziere meine Empfindung freilich nicht durch
Kriterien, sondern ich gebrauche den gleichen Ausdruck.
Aber damit endet ja das Sprachspiel nicht; damit
fängt es an. Aber fängt es nicht mit der Empfindung an,– die ich beschreibe? – Das Wort “beschreiben” hat uns da vielleicht zum Besten. Ich sage “Ich beschreibe meinen Seelenzustand” und “Ich beschreibe meine Zimmer”. Man muß sich die Verschiedenheiten der Sprachspiele ins Gedächtnis rufen. |
| 29
Was wir “Beschreibungen” nennen,
sind Instrumente für besondere Verwendungen. Denke
dabei an eine Maschinenzeichnung, einen Schnitt, einen Aufriß
mit den Maßen, den der Mechaniker vor sich hat. Wenn
man an eine Beschreibung als ein Wortbild der Tatsachen denkt, so
hat das etwas Irreführendes: Man denkt etwa nur an
Bilder, wie sie an unsern Wänden hängen; die schlechtweg
abzubilden scheinen, wie ein Ding aussieht, wie es beschaffen
ist. (Diese Bilder sind gleichsam
müßig.)
– 184
– |
| 29
Glaub nicht immer, daß du deine Worte von Tatsachen abliest;
diese nach Regeln in Worte abbildest! Denn die
Anwendung der Regel im besondern Fall müßtest du ja
doch ohne Führung machen.
|
| 29
Wenn ich von mir selbst sage, ich wisse nur vom eigenen
Fall, was das Wort “Schmerz” bedeutet,– muß
ich das nicht auch von den Andern sagen?
Und wie kann ich denn den einen Fall in so
unverantwortlicher Weise verallgemeinern?
Nun, ein Jeder sagt es ˇmir von sich, er wisse nur von sich selbst, was Schmerzen seien. ‒ ‒ An[f|g]enommen, es hätte Jeder eine Schachtel, darin wäre etwas, was wir “Käfer” nennen. Niemand kann je in die Schachtel des Andern schaun; und Jeder sagt, er wisse nur vom Anblick seines Käfers, was ein Käfer ist. – Da könnte es ja sein, daß jeder ein anderes Ding in seiner Schachtel hätte. Ja, man könnte sich vorstellen, daß sich ein solches Ding fortwährend veränderte. – Aber wenn nun das Wort “Käfer” dieser Leute doch einen Gebrauch hätte? – So wäre er nicht der der Bezeichnung eines Dings. Das Ding in der Schachtel gehört überhaupt nicht zum Sprachspiel; auch nicht einmal als ein Etwas: denn die Schachtel könnte auch leer sein. – Nein, durch dieses Ding in der Schachtel kann ‘gekürzt werden’; es hebt sich weg, was immer es ist. Das heißt: [W|w]enn man die Grammatik des Ausdrucks der Empfindung nach dem Muster von ‘Gegenstand und Bezeichnung’ ko – 185
– konstruiert, dann fällt der Gegenstand
als irrelevant aus der Betrachtung heraus. |
| 29
Wenn du sagst, er sähe ein privates Bild vor sich, das er
beschreibe, so hast du immerhin eine Annahme gemacht über
das, was er vor sich hat. Und das heißt, daß du es
näher beschreiben kannst, oder beschreibst. Gibst du
zu, daß du gar keine Ahnung hast, von welcher Art, was er vor
sich hat, sein könnte,– was verführt dich dann dennoch
zu sagen, er habe etwas vor sich? Ist das nicht, als
sagte ich von Einem: “Er hat
etwas. Aber ob es Geld, oder Schulden, oder eine
leere Kasse ist, weiß ich nicht.”
|
| 29
Und was soll “Ich weiß nur vom
eigenen Fall … ” überhaupt
für ein Satz sein? Ein Erfahrungssatz?
Nein. – Ein grammatischer?
Ich denke mir also: Jeder sage von sich selbst, er wisse nur vom eigenem Schmerz, was Schmerz sei. – Nicht, daß die Menschen das wirklich sagen, oder auch nur bereit sind, zu sagen. Aber wenn nun Jeder es sagte– –es könnte eine Art Ausruf sein. Und wenn er auch als Mitteilung nichtssagend ist, so ist er doch ein Bild; und warum sollten wir uns so ein Bild nicht vor die Seele rufen wollen? Denke dir statt der Worte ein gemaltes allegorisches Bild. Ja, wenn wir beim Philosophieren in uns schauen, bekommen wir oft gerade so ein Bild zu sehen. Förmlich, eine bildliche Darstellung unsrer Grammatik. Nicht Fakten; sondern – 186 – gleichsam
illustrierte Redewendungen. |
| 29
“Ja, aber es ist doch da ein Etwas, was meinen
Ausruf des Schmerzes begleitet! Und um
dessentwi[ss|ll]en ich ihn
mache. Und dieses
Etwas ist das, was wichtig ist,– und
schrecklich.” – Wem teilen wir das nur
mit? Und bei welcher Gelegenheit?
|
| 29
Freilich, wenn das Wasser im Topf kocht, so steigt der Dampf aus
dem Topf und auch das Bild des Dampfes aus dem Bild des
Topfes. Aber wie, wenn man sagen wollte, im Bild des
Topfes müsse // müsse
also // auch etwas kochen?
|
| 29
Daß wir so gerne sagen möchten “Das
|
| 29
Nicht umhin können – wenn wir uns philosophischen
Gedanken hingeben – das und das zu sagen, unwiderstehlich
dazu neig[a|e]n, dies zu sagen, heißt nicht, zu einer
An Annahme gezwungen sein,
oder einen Sachverhalt unmittelbar einsehen, oder wissen.
|
|
– 187
–
Sprachspiel mit dem Worte ‘Schmerz’ ein”,
ist ein
Misßverständnis3. Die Vorstellung
|
| 30
|
| 30
Wenn man sich den Schmerz des Andern nach dem Vorbild des
eigenen vorstellen muß, dann ist das keine so leichte
Sache: da ich mir nach de[m|n] Schmerzen, die ich
fü[g|h]le, Schmerzen vorstellen soll,
die ich nicht fühle. Ich habe
nämlich in der Vorstellung nicht einfach einen Übergang
von einem Ort des Schmerzes zu einem andern zu machen.
Wie von Schmerzen in der Hand zu Schmerzen im Arm.
Denn ich soll mir nicht vorstellen, daß ich an einer Stelle
seines Körpers Schmerz empfinde. (Was auch
möglich wäre.)
Das Schmerzbenehmen kann auf eine schmerzhafte Stelle deuten,– aber die leidende Person, ist die, welche Schmerz äußert. |
| 30
“Ich kann nur glauben, daß der Andre
Schmerzen hat, aber ich weiß es, wenn ich sie
habe.” – Ja; man kann sich dazu
entschließen, zu sagen “Ich glaube, er hat
Schmerzen” statt “
– 188 – les. – –
Was hier wie eine Erklärung, oder Aussage über die
seelischen Vorgänge ausschaut, ist in Wahrheit ein
Vertauschen einer Redeweise für eine andere, die,
während wir philosophieren, uns die treffendere
scheint. Versuch einmal – in einem wirklichen Fall – die Angst, die Schmerzen des Andern zu bezweifeln! |
| 30
“Aber du wirst d[i|o]ch zugeben, daß ein
Unterschied ist, zwischen Schmerzbenehmen mit Schmerzen und
Schmerzbenehmen ohne Schmerzen.” –
Zugeben? Welcher Unterschied könnte
größer sein! – “Und doch
gelangst du immer wieder zum Ergebnis, die Empfindung selbst sei
ein Nichts.” – Nicht doch. Sie
ist kein Etwas, aber auch nicht ein Nichts! Das
Ergebnis war nur, daß ein Nichts die gleichen Dienste täte,
wie ein Etwas, worüber sich nichts aussagen
läßt. Wir verwarfen nur die Grammatik, die sich
uns hier aufdrängen will.
Das Paradox verschwindet nur dann, wenn wir radikal mit der Idee brachen, die Sprache funktionniere immer auf eine Weise, diene immer dem gleichen Zweck: Gedanken zu übertragen – seien diese nun Gedanken über Häuser, Schmerzen, Gut und Böse, oder was immer. |
| 30
“Aber du kannst doch nicht leugnen, daß,
z.B., beim Erinnern ein innerer Vorgang
stattfindet.” – Warum macht es denn den
Eindruck, als wollten wir etwas leugnen? Wenn man sagt
“Es findet doch dabei ein innerer Vorgang
statt”– so
– 189
– ist doch
|
| 30
Warum soll ich denn leugnen, daß ein geistiger Vorgang da
ist?! Nur heißt “Es hat jetzt in
mir der geistige Vorgang der Erinnerung an …
stattgefunden” nichts andres als:
“Ich habe mich je[z|t]zt an …
erinnert”. Den geistigen Vorgang leugnen,
hieße, das Erinnern leugnen; leugnen, daß irgend jemand sich
je an irgend etwas erinnert.
|
| 30
“Bist du nicht doch ein verkappter Behaviourist?
Sagst du nicht doch, im Grunde, daß alles Fiktion ist,
außer dem menschlichen Benehmen?” –
Wenn ich von einer Fiktion rede, dann von einer
grammatischen Fiktion.
|
| 30
Wie kommt es nur zum philosophischen Problem der seelischen
Vorgänge und Zustände und des Behaviourism? – – Der erste Schritt ist der ganz
unauffällige. Wir reden von Vorgängen und
Zuständen, und lassen ihre Natur unentschieden!
Wir werden vielleicht einmal mehr über sie wissen –
meinen wir. Aber eben dadurch haben wir uns auf
eine bestimmte Betrachtungsweise festgelegt. Denn
wir haben einen
– 190 –
bestimmten Begriff
davon, was es heißt: einen Vorgang näher kennen zu
lernen. (Der entscheidende Schritt im
Taschenspielerkunststück ist getan, und gerade er schien
uns unschuldig.) – Und nun zerfällt der
Vergleich, der uns unsere Gedanken hätte begreiflich machen
sollen. Wir müssen also den noch unverstandenen
Prozeß im noch unerforschten Medium leugnen. Und so
scheinen wir also die geistigen Vorgänge geleugnet zu
haben. Und wollen sie doch natürlich nicht
leugnen! |
| 30
Was ist dein Ziel in der Philosophie? – Der
Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.
|
| 3
Ich sage jemandem, ich habe Schmerzen. Seine
Einstellung zu mir wird nun die des Glaubens sein; des
Unglaubens; des Mißtrauens;
u.s.w..
Nehmen wir an, er sagt: “Es wird nicht so schlimm sein.” – Ist das nicht der Beweis dafür, daß er an etwas glaubt, das hinter der Schmerzäußerung steht? ‒ ‒ Seine Einstellung ist ein Beweis seiner Einstellung. Denke dir nicht nur den Satz “Ich habe Schmerzen”, sondern auch die Antwort “Es wird nicht so schlimm sein” durch Naturlaute und Gebärden ersetzt! |
| 31
“Welcher Unterschied könnte größer
sein!” – Im Falle der Schmerzen glaube
ich, ich könnte mir diesen Unterschied privatim
vorführen. Den Unterschied aber zwischen einem
abgebrochenen und einem nicht abgebrochenen Zahn kann ich
Jedem
– 191
– vorführen. – Aber zu
der privaten Vorführung brauchst du dir
garnicht Schmerzen hervorzurufen, sondern es
genügt, wenn du dir sie vorstellst,–
z.B. ein wenig das Gesicht verziehst.
Und weißt du, daß, was du dir so vorführst,
Schmerzen sind, und nicht z.B. ein
Gesichtsausdruck? Wie weißt du auch, was du dir
vorführen sollst, ehe du dir's
vorführst? Diese private
Vorführung ist eine Illusion. – 171
92 – so
vorführst, Schmerzen sind, und nicht z.B.
ein Gesichtsausdruck? Wie weißt du auch, was du
dir vorführen sollst, ehe du du dir's
vorführst? Diese private
Vorführung ist eine Illusion. |
|
Denken wir uns diesen Fall: Die Oberflächen der Dinge unsrer Umgebung (Steine, Pflanzen, etc. etc.) hätten Flecken und Zonen, die unsrer Haut bei der Berührung Schmerz verursachten;. (Etwa durch die chemische Beschaffenheit dieser Oberflächen. Aber das brauchen wir nicht zu wissen.) Wir würden nun, wie heute von einem rotgefleckten Blatt einer bestimmten Pflanze, von einem Blatt mit Schmerzflecken reden. Ich denke mir, daß die Wahrnehmung dieser Flecken und ihrer Gestalt für uns von Nutzen wären, daß wir aus ihr Schlüsse auf wichtige Eigenschaften der Dinge ziehen könnten. |
|
|
|
– 193 –
317 Irreführende Parallele: Der Schrei, ein Ausdruck des Schmerzes – der Satz, ein Ausdruck des Gedankens! Als wäre es der Zweck des Satzes, Einen wissen zu lassen, wie es dem Andern zu Mute ist: Nur, sozusagen, im Denkapparat und nicht im Magen. –
17293
– trachten geneigt bin, um
ˇüber das philosophische Problem der Empfindung ins
Klare zu kommen. // Es zeigt ein
fundamentales Misverständnis an,
daß ich // |
|
|
|
|
|
|
– 194
– fragen: Geschieht beim
blitzartigen Denken das gleiche, wie beim nicht gedankenlosen
Sprechen,– nur äußert beschleunigt?
So daß also im ersten Fall das Uhrwerk gleichsam mit
einem Ruck abläuft, im zweiten aber, durch die Worte
gehemmt, Schritt für
Schritt. // mit einem Ruck
abläuft, welches im zweiten, durch die Worte
gehemmt, Schritt für Schritt
geht. // |
| 31 Ich kann in
demselben Sinn blitzartig einen Gedanken ganz vor mir sehen, oder
verstehen, wie ich ihn mit wenigen Worten, oder Strichen notieren
kann.
Was macht diese Notiz zu einer Zusammenfassung dieses Gedankens? |
| 3 Der blitzartige
Gedanke kann sich zum ausgesprochenen verhalten, wie die
algebraische Formel zu einer Zahlenfolge, die ich aus ihr
entwickle.
Wird mir z.B. eine algebraische Funktion gegeben, so bin ich sicher, ich werde ihre Werte für die Argumente ,2 1, 2, 3 bis 10 berechnen können. Man wird diese Sicherheit ‘wohlbegründet’ nennen, denn ich habe gelernt, solche Funktionen zu berechnen, u.s.w.. In andern Fällen wird sie nicht begründet sein,– aber durch den Erfolg dennoch gerechtfertigt. |
| 32 “Was
geschieht, wenn ein Mensch plötzlich
versteht?” – Die Frage ist schlecht
gestellt. Fragt sie nach der Bedeu-
– 195 – tung des Ausdrucks
“plötzlich verstehen”, so ist die Antwort
nicht das Hinweisen auf einen Vorgang, den wir so
nennen. – Die Frage könnte bedeuten:
Was sind Anzeichen dafür, daß Einer plötzlich
versteht; welches sind die charakteristischen psychischen
Begleiterscheinungen des plötzlichen Verstehens?
(Es ist kein Grund, anzunehmen, daß ein Mensch die Ausdrucksbewegungen seines Gesichts, z.B., oder die für eine Gemütsbewegung charakteristischen Veränderungen in seiner Atmung, fühle. Auch wenn er sie fühlt, sobald er seine Aufmerksamkeit auf sie lenkt.) ((Positur)) |
| 32 1
2 3 322.
Daß die Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des
Ausdrucks mit dieser Beschreibung nicht gegeben ist, verleitet dann
zu der Folgerung, das Verstehen sei eben ein spezifisches,
undefinierbares, Erlebnis. Man vergißt aber, daß,
was uns interessieren muß, die Frage ist: Wie
vergleichen wir diese Erlebnisse; was legen wir
fest als Kriterium der Identität des
Geschehnisses? |
| 322 3 4 323.
“Jetzt weiß ich weiter!”
ist ein Ausruf; er entspricht einem Naturlaut, einem freudigen
Aufzucken. Aus meiner Empfindung folgt natürlich
nicht, daß ich nicht stecken bleibe, [S|s]owie ich
versuche,
– 174
96 –
weiter, da war es so.” Das
wird man z.B. sagen, wenn eine
unvorhergesehene Störung eingetreten ist. Aber das
Unvorhergesehene durfte nicht einfach das sein, daß ich
steckenblieb. Es wäre auch denkbar, daß Einer immer wieder Scheinerleuchtungen hätte,– ausriefe “Jetzt hab ich's!” und es dann nie durch die Tat rechtfertigen könnte. – Es könnte ihm scheinen, als vergäße er augenblicklich wieder die Bedeutung des Bildes, das ihm vorschwebte. |
| 260 323 4.
Wäre es richtig zu sagen, es handle sich hier um
Induktion, und ich sei so sicher, daß ich die Reihe werde
fortsetzen können, wie ich es bin, daß dieses Buch zur Erde
fallen wird, wenn ich es auslasse; und ich wäre nicht
erstaunter, wenn ich plötzlich ohne offenbare Ursache im
Entwickeln der Reihe steckenbliebe, als ich es wäre, wenn das
Buch, statt zu fallen, in der Luft schweben
bliebe?– Darauf will ich antworten, daß
wir eben auch zu dieser Sicherheit keiner
Gründe bedürfen. Was könnte die
Sicherheit mehr rechtfertigen, als der Erfolg?
|
| 261 324 5.
“Die Gewißheit, daß ich werde fortsetzen
können, nachdem ich dies Erlebnis gehabt habe –
z.B. diese Formel gesehen habe –
gründet sich einfach auf Induktion”. Was
heißt das? – “Die Gewißheit, daß
das Feuer mich brennen wird, gründet sich auf
Induktion.” Heißt dies, daß ich bei mir
schließe “Ich habe mich immer an einer Formel Flamme
¤
– 197 –
329 Wenn ich in der Sprache denke, so
schweben mir nicht neben dem sprachlichen Ausdruck noch
‘Bedeutungen’ vor; sondern die Sprache selbst ist
das Vehikel des denkens
– 175
97 – verbrannt,
also wird es auch jetzt geschehen”? Oder ist
die frühere Erfahrung die Ursache meiner
Gewißheit, nicht ihr Grund? Ist die frühere
Erfahrung die Ursache der Gewißheit – das kommt auf das
System von Hypothesen, Naturgesetzen an, in welchem wir das
Phänomen der Gewißheit betrachten.
Ist die Zuversicht gerechtfertigt? – Was die Menschen als Rechtfertigung gelten lassen,– zeigt, wie sie denken und leben. |
|
325 =
⇒№ 256 MS
I Wir erwarten … 326 ⌊⌊ˇ 326 Wir erwarten
dies und werden von dem überrascht;
aber die Kette der Gründe hat ein Ende.
⌋⌋ |
| 262 326 7.
“Kann man denken, ohne zu
reden?” – Und was ist
denken? – Nun, denkst du nie?
Kannst du dich nicht beobachten und sehen, was da
vorgeht? Das sollte doch einfach sein.
Du mußt ja darauf nicht, wie auf ein astronomisches
Ereignis warten und dann etwa in Eine deine
Beobachtung machen. |
| 263 327 8.
Nun, was nennt man noch “denken”?
Wofür hat man gelernt, das Wort zu
benützen? – Wenn ich sage, ich
|
|
| 264 329 30.
Ist Denken eine Art Sprechen? Man möchte
sagen, es – 198
– ist das, was denkendes Sprechen vom
gedankenlosen Sprechen unterscheidet. – Und da
scheint es eine Begleitung des Sprechens zu sein.
Ein Vorgang, der vielleicht auch etwas anderes begleiten, oder
selbständig ablaufen kann.
Sprich die Zeile: “Die Feder ist wohl stumpft. Nu, nu, sie geht.”– [o|E]inmal denkend; dann gedankenlos; dann denk nur den Gedanken, aber ohne die Worte. – Nun, ich könnte, im Laufe einer Handlung, die Spitze meiner Feder prüfen, mein Gesicht verziehen,– dann mit einer Gebärde der Resignation weiterschreiben. – Ich könnte auch, mit irgendwelchen Messungen beschäftigt, so handeln, daß, wer mir zusieht, sagen würde, ich habe – ohne Worte – gedacht: Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander gleich. – Aber was da vor sirch geht, hier das Denken ausmacht, ist nicht etwas, was die Worte begleiten muß, damit sie nicht gedankenlos ausgesprochen werden. // ist nicht ein Vorgang, der die Worte begleiten muß, wenn sie nicht gedankenlos ausgesprochen sein sollen. // |
| 33
Stell dir Menschen vor, die nur laut denken
könnten! (Wie es Menschen gibt, die nur laut
lesen können.)
|
| 33
“Denken” nennen wir wohl manchmal, den Satz
mit einem seelischen Vorgang begleiten, aber
“Gedanke” nennen wir nicht jene
Begleitung. ‒ ‒ Sprich einen Satz und denke ihn;
sprich ihn mit Verständnis! – Und nun sprich ihn
nicht, und tu nur das, womit du ihn beim verständnisvollen
Sprechen be-
– 199
– gleitet hast! – (Sing
dies Lied mit Ausdruck! Und nun sing es nicht, aber
wiederhole den Ausdruck! – Und man könnte
auch hier etwas wiederholen; z.B. Schwingungen
des Körpers, langsameres und schnelleres Atmen,
etc..) |
| 33
“Das kann nur Einer sagen, der davon
überzeugt ist.” – Wie
hilft ihm die Überzeugung, wenn er es sagt? –
Ist sie dann neben dem gesprochenen Ausdruck
vorhanden? (Oder wird sie von diesem zugedeckt, wie
ein leiser Ton von einem lauten, sodaß sie gleichsam nicht mehr
gehört werden kann, wenn man sie laut
ausdrückt?) Wie, wenn Einer sagte:
“Damit man eine Melodie nach dem Gedächtnis
singen kann, muß man sie im Geiste hören und sie
nachsingen”?
|
| 33
“Du wolltest also eigentlich sagen
…” – Mit dieser Redeweise
leite[|n] wir Jemand von einer Ausdrucksform zu
einer andern. Man ist versucht, das Bild zu
gebrauchen: das, was er eigentlich ‘sagen
wollte’, was er ‘meinte’, sei, noch ehe
wir es aussprachen, in seinem Geist vorhanden
gewesen. Was uns dazu [g|b]ewegt, einen
Ausdruck aufzugeben und an seiner Stelle einen andern
anzunehmen, kann von mannigfacher Art sein. Das zu
verstehen, ist es nützlich, das Verhältnis zu betrachten,
in welchem Lösungen mathematischer Probleme zum Anlaß und
Ursprung ihrer Fragestellung stehen. Der Begriff
‘Dreiteilung des Winkels mit Lineal und Zirkel’,
wenn Einer nach der Dreiteilung sucht, und anderseits, wenn
bewiesen ist, daß es sie nicht gibt.
– 200 – |
| 33
Was geschieht, wenn wir uns bemühen,– etwa
beim S[v|c]hreiben eines Briefes – den richtigen
Ausdruck
Wenn man nun fragte “Hast du den Gedanken, ehe du den Ausdruck hattest?”– was müßte man da antworten? Und was auf die Frage: “Worin bestand der Gedanke, wie er vor dem Ausdruck vorhanden war?” |
| 33[5|6].
Es liegt hier ein
Fall vor, ähnlich dem, wenn jemand sich vorstellt,
man könne einen Satz mit der merkwürdigen Wortstellung
der deutschen oder lateinischen Sprache nicht einfach denken, wie
er dasteht. Man müsse ihn zuerst denken, und
dann bringt man die Wörter in jene seltsame
Ordnung.
(Ein französischer Politiker
schr[e|i]eb einmal, es sei eine Eigentümlichkeit
der französischen Sprache, daß in ihr die Worte in der
Ordnung stehen, in welcher man sie denkt.)– 201 – |
| 336 7.
Aber habe ich nicht die [g|G]esamtform des Satzes,
z.B., schon an seinem Anfang
beabsichtigt? Also war er mir doch schon im Geiste,
ehe er noch ausgesprochen war,! – Wenn
er mir im Geiste war, dann, im allgemeinen, nicht mit anderer
Wortstellung. Aber wir machen uns hier wieder ein
irreführendes Bild vom ‘Beabsichtigen’;
d.h., vom Gebrauch dieses Worts.
Die Absicht ist eingebettet in der Situation, den menschlichen
Gepflogenheiten und Institutionen. Gäbe es nicht
die Technik des Schachspiels, so könnte ich nicht
beabsichtigen, eine Schachpartie zu spielen. Soweit
ich die Satzform im Voraus beabsichtige, ist dies dadurch
e rmöglichst ermöglicht, daß ich
deutsch sprechen kann. |
| 33[7|8]. Man kann
doch nur etwas sagen, wenn man sprechen gelernt hat.
Wer also etwas sagen will, muß dazu auch
gelernt haben, eine Sprache beherrschen; und doch ist es klar,
daß er beim Sprechenwollen nicht sprechen mußte.
Wie er auch beim Tanzenwollen nicht tanzt. Und wenn man darüber nachdenkt, so greift der Geist nach der Vorstellung des Tanzens, Redens, etc.. |
| 33[8|9].
Denken ist
kein unkörperlicher Vorgang, der dem Reden Leben und Sinn
leiht, und den man vom Reden ablösen könnte,
gleichsamch wie der Böse den Schatten
Schlemiehls vom
Boden abnimmt. ‒ ‒ Aber wie:
“kein körperlicher Vorgang”?
Kenne ich also unkörperliche Vorgänge, das Denken aber
ist nicht einer von ihnen? Nein; das Wort
“unkörperlicher Vorgang” – 202 – nahm ich mir zu Hilfe,
in meiner Verlegenheit, da ich dem Wort
“denken” eine Bedeutung auf primitive Weise
beilegen wollte. // da ich die
Bedeutung des Wortes “denken” auf primitive
Weise erklären wollte. //
Man könnte aber sagen “Denken ist ein unkörperlicher Vorgang”, wenn man dadurch die Grammatik des Wortes “denken” von der des Wortes “essen”, z.B., unterscheiden will. Nur erscheint dadurch der Unterschied der Bedeutungen zu gering. (Ähnlich ist es, wenn man sagt: die Zahlzeichen seien wirkliche, die Zahlen nicht wirk nicht-wirkliche Gegenstände.) Eine unpassende Ausdrucksweise ist ein sicheres Mittel, in einer Verwirrung stecken zu bleiben. Sie verriegelt gleichsam den Ausweg aus ihr. |
| 3
Wie ein Wort funktionniert, kann man nicht
erraten. Man muß seine Anwendung
ansehen und daraus lernen.
Die Schwierigkeit aber ist, das Vorurteil zu beseitigen, das diesem Lernen entgegensteht. Es ist kein dummes Vorurteil. |
| 34[0|1].
Gedankenloses und nicht gedankenloses Sprechen ist zu
vergleichen dem gedankenlosen und nicht gedankenlosen Spielen eines
Musikstücks. |
| 34[1|2].
William James, um zu
zeigen, daß Denken ohne Sprechen möglich ist, zitiert
die Erinnerung eines Taubstummen,
Mr. Ballard, welcher schreibt, er habe in seiner frühen
Ju-– 203
– gend, noch ehe er sprechen konnte, sich
über Gott und die Welt Gedanken
gemacht. – Was das wohl heißen mag! –
Ballard
schreibt: “It was during those
delighful rides, some two or three years before my
initiation into the rudiments of written language, that I began to
ask myself the question: how came the world into
being?” – –
178204
– came the world in
into being?”– Bist du sicher,
daß dies die richtige Übersetzung deiner wortlosen Gedanken
in Worte ist? – möchte
343 = ⇒№ 304 MS I Die Worte … ⌊⌊ˇ (Die Worte mit denen ich meine Erinnerung ausdrücke, sind meine Erinnerungsreaktion.) ⌋⌋ |
|
“Wenn die Menschen immer nur in ihrem Innern zu sich selbst sprächen, so täten sie bloß ˇschließlich nur dasjenige dasjenige beständig, was sie auch heute manchmal tun.” Es ist also ganz leicht, sich dies vorzustellen; man braucht nur den leichten Übergang von Einigen zu Allen zu machen. (Ähnlich: “Eine unendlich lange Baumreihe ist einfach eine, die nicht zu einem Ende kommt”.) Unser Kriterium dafür, daß Einer zu sich selbst spricht, ist das, was er uns sagt, und sein übriges Verhalten; und wir sagen nur von dem, er spräche zu sich selbst, der, im gewöhnlichen Sinne, sprechen kann. Und wir sagen es auch nicht von einem Papagei; und nicht von einem Grammophon. – 179
205– |
|
“Wenn es vorkommen kann, daß Einer in einem Spiel falsch zieht, so könnte es sein, daß alle Menschen, in allen Spielen nichts als falsche Züge machten.” – Wir sind also in der Versuchung, hier die Logik unsrer Ausdrücke mißzuverstehen, den Gebrauch unsrer Worte falsch ˇdarzustellen. Befehle werden manchmal nicht befolgt. Wie [h|a]ber würde es aussehen, wenn Befehle nie befolgt würden? Der Begriff ‘Befehl’ hätte seinen Zweck verloren. |
| 270 34
Aber könnten wir uns nicht vorstellen, daß
Gott einem Papagei plötzlich
Verstand schenkte, und dieser nun zu sich selbst
redete? – Aber hier ist es wichtig, daß ich zu
dieser Vorstellung die Vorstellung von
Gott zu Hilfe
nahm. // von einer
Gottheit zu Hilfe nahm. //
|
| 271 346 7.
“Aber ich weiß doch von mir selbst, was es
heißt ‘zu sich selbst sprechen’.
Und würde ich der Organe des lauten Sprechens beraubt, so
könnte ich dennoch in mir Selbstgespräche
führen.” Weiß ich's nur von mir selbst, dann weiß ich also nur, was ich so nenne, nicht, was ein Andrer so nennt. |
|
– 206 – Nun, verstehst du
das nicht? – Wie weiß ich nur, ob
ich's verstehe?! – Was kann ich
mit dieser Mitteilung (wenn's eine ist)
anfangen? Die ganze Idee des Verstehens erhält
hier einen verdächtigen Geruch. Ich weißt nicht,
ob ich sagen soll, ich versteh's, oder ich
versteh's nicht. Ich möchte
antworten: “Es ist ein deutscher
Satz;– scheinbar ganz in
Ordnung;– ehe man nämlich mit ihm arbeiten
will; er steht mit andern Sätzen in einem Zusammenhang, der
es uns schwer macht, zu sagen, man wisse eigentlich nicht, was
er uns mitteilt; Jeder, der nicht durch
[Philosophie] // Phi[s|l]osophieren //
empfindungslos geworden ist, merkt, daß hier etwas nicht
stimmt.” |
| 34[8|9].
“Aber diese Annahme hat doch gewiß einen guten
Sinn!” – Ja; diese Worte und dies Bild
haben unter gewöhnlichen Umständen eine uns
geläufige Anwendung. – Nehmen wir aber einen
Fall an, in welchem diese Anwendung wegfällt, so werden wir
uns nun gleichsam zum ersten Male der Nacktheit der Worte und des
Bildes bewußt. |
| 3
“Aber wenn ich annehme,
– 207
– der Gleichheit funktioniert
hier nicht. Weil ich zwar weiß, daß man 5 Uhr hier
“die gleiche Zeit” nennen kann, wie 5 Uhr
dort, aber eben nicht weiß, in welchem Falle man von
Zeitgleichheit hier und dort sprechen soll.
Geradeso ist es keine Erklärung, zu sagen: die Annahme, er habe Schmerzen, sei eben die Annahme, er habe das Gleiche wie ich. Denn dieser Teil der Grammatik ist mir wohl klar: daß man nämlich sagen werde, der Ofen habe das gleiche Erlebnis wie ich, wenn man sagt: er habe Schmerzen und ich habe Schmerzen. |
| 35
Wir möchten doch immer sagen:
“Schmerz is
“Schmerzgefühl ist Schmerzgefühl– ob
er es hat, oder ich es habe; und wie
immer ich erfahre, ob er eines hat oder nicht.” –
Damit könnte ich mich einverstanden
erklären. – Und wenn du mich
fragst fragst:
“Weißt du denn nicht, was ich meine, wenn ich
sage, der Ofen habe Schmerzen?”– so kann ich
antworten: Diese Worte können mich zu allerlei
Vorstellungen führen; aber weiter geht ihr Nutzen
nicht. Und ich kann mir auch etwas bei den Worten
vorstellen “Es war gerade 5 Uhr nachmittag auf der
Sonne”– nämlich etwa eine Pendeluhr, die auf 5
zeigt. – Noch besser wäre aber das Beispiel der
Anwendung von “oben” und “unten”
auf die Erdkugel. Hier haben wir alle eine ganz deutliche
Vorstellung davon, was “oben” und
“unten” bedeutet. Ich sehe doch, daß
ich oben bin; Die Erde ist doch unter mir!
(Lächle ja nicht über dieses Beispiel.
Es wird uns zwar schon in der Volksschule
– 208 – beigebracht, daß es
dumm ist, so etwas zu sagen. Aber es ist eben viel
leichter, ein Problem zuzuschütten, als es zu
lösen.) Und erst eine Überlegung zeigt uns,
daß hier in diesem Fall
“oben” und “unten” nicht auf die
gewohnte Weise zu gebrauchen sind. (Daß wir
z.B. von den Antipoden als den Menschen
‘unter’ unserem Erdteil reden können, es
aber nun für richtig anerkennen müssen, wenn sie auf
uns den gleichen Ausdruck anwenden.) |
| 35
Hier geschieht
es nun, daß uns unser Denken einen seltsamen Streich
spielt. Wir wollen nämlich das Gesetz vom
ausgeschlossenen Dritten zitieren und sagen:
“Entweder es hal ib schwebt
ihm ein solches Bild vor, oder nicht; ein [d|D]rittes
gibt es nicht!” –
Dieses seltsame Argument
treffen wir auch in andern Gebieten der
Philosophie.” “In der
unendlichen Entwicklung von π kommt
einmal die Gruppe “7777” vor, oder nicht –
ein Drittes gibt es nicht.”
D.h.: Gott sieht es – aber wir wissen es nicht. Was
bedeutet das aber? – Wir gebrauchen ein Bild; das
Bild einer sichtbaren Reihe, die der Eine übersieht, der Andre
nicht. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten sagt
hier: Es muß entweder so ausschaun,
oder so. Er sagt also eigentlich –
und das ist ja selbstverständlich – garnichts, sondern gibt uns ein Bild. Und das
Problem soll nun sein
– 209
– nach wir zu suchen haben, zu bestimmen
– tut es aber nicht, weil wir eben nicht wissen, wie es zu
applizieren ist. Wenn wir hier sagen “Es
gibt kein Drittes”, oder “Es gibt doch kein
Drittes!”– so drückt sich darin aus,
daß wir den Blick von diesem Bild nicht wenden
können,– das ausschaut, als müßte in ihm schon
das Problem und seine Lösung liegen, während wir doch
fühlen, daß es nicht der Fall ist.
Ebenso, wenn man sagt “Entweder hat er diese Empfindung, oder er hat sie nicht!”– so schwebt uns dabei vor allem ein Bild vor, das schon den Sinn der Aussagen unmi[s|ß]verständlich zu bestimmen scheint. “Du weißt jetzt, worum es sich handelt”– möchte man sagen. Und gerade das weiß er damit noch nicht. |
| 35[2|3].
Die Frage nach der Art und Möglichkeit der Verifikation
eines Satzes ist nur eine besondere Form der Frage
“Wie meinst du das?” Die
Antwort ist ein Beitrag zur Grammatik des Satzes. |
| 35[3|4].
Das Schwanken in der Grammatik zwischen Kriterien und Symptomen
läßt den Schein entstehen, als gäbe es überhaupt
nur Symptome. Wir sagen etwa: “Die
Erfahrung lehrt, daß es regnet, wenn das Barometer fällt,
aber sie lehrt auch, daß es regnet, wenn wir bestimmte
Gefühle der Nässe und Kälte haben, oder
–
1210 –
Sinneseindrücke uns täuschen können. Aber
man bedenkt dabei nicht, daß die Tatsache, daß sie uns gerade
den Regen vortäuschen, auf einer Definition
beruht. |
| 35[4|5].
Nicht darum handelt es sich, daß unsre Sinneseindrücke
ˇuns belügen können, sondern, daß wir ihre
Sprache verstehen. (Und diese Sprache beruht, wie
jede andere, auf Übereinkunft.) |
| 35[5|6].
Man ist geneigt zu sagen: “Es regnet, oder es
regnet nicht – wie ich das weiß, wie mich die Kunde davon
erreicht hat, ist eine andere Sache.” Aber
stellen wir also die Frage so: Was nenne ich
“eine Kunde davon, daß es
regnet”? (Oder habe ich auch von
dieser Kunde nur Kunde erhalten?) Und was
kennzeichnet denn diese ‘Kunde’ als Kunde von
etwas? Leitet uns da nicht die Form unseres Ausdrucks
irre? Ist das eben nicht eine irreführende
Metapher: “Mein Auge gibt mir Kunde davon,
daß dort ein Sessel stehe”? |
| 35[6|7].
Wir sagen nicht, ein Hund spräche
möglicherweise zu sich selber.
Ist das, weil wir seine Seele so genau kennen? Nun,
man könnte so sagen: Wenn man das Benehmen des
Lebewesens sieht, sieht man seine Seele. – Aber sage
ich auch von mir, ich spreche zu mir selber, weil ich mich so und
so benehme? – Ich sage es nicht auf
die Beobachtung meines Benehmens hin. Aber es hat nur
Sinn, weil ich mich so benehme. – So hat es also nicht
darum – 211
– Sinn, weil ich es
meine? |
| 35[7|8].
Aber ist es nicht unser Meinen, das dem Satz Sinn
gibt? (Und dazu gehört
[h|n]atürlich: Sinnlose Wortreihen kann
man nicht meinen.) Und das Meinen ist etwas im
seelischen Bereich. Aber es ist auch etwas
Privates! Es ist das ungreifbare Etwas; vergleichbar
nur dem Bewußtsein selbst. Wie könnte man das lächerlich finden! es ist ja, gleichsam, ein Traum unserer Sprache. |
| 35[8|9].
Könnte eine Maschine denken? ‒ ‒
Könnte sie Schmerzen h[b|a]ben? –
Nun, soll der menschliche Körper so eine Maschine
heißen? Er kommt doch am nächsten dazu, so eine
Maschine zu sein. |
| 3[59|60].
Aber eine Maschine kann doch nicht denken! – Ist
das ein Erfahrungssatz? Nein. Wir sagen nur
vom Menschen, und was ihm ähnlich ist, es denke.
Wir sagen es auch von Puppen und wohl auch von Geistern.
Sieh das Wort “denken” als Instrument
an! |
| 36[0|1].
Der Sessel denkt bei sich selber: …
Wo? In einem seiner Teile? Oder außerhalb seiness Körpers; in der Luft um ihn? Oder garnicht irgendwo? Aber was ist dann der Unterschied zwischen dem inneren Sprechen dieses Sessels und eines andern, der daneben steh[n|t]? – Aber wie ist es dann mit dem Menschen: Wo spricht er zu sich selber? Wie – 212
– zu sich selber? Wie kommt es,
daß diese Frage sinnlos scheint; und keine Ortsbestimmung
nötig ist, außer der, daß eben dieser Mensch zu sich
selbst spricht? Während die Frage,
wo der Sessel mit sich selbst spreche, eine Antwort
zu verlan[f|g]en scheint. – Der Grund
ist: Wir wollen wissen, wie der Sessel
hier einem Menschen gleichen soll; ob der Kopft
z.B. am obern Ende der Lehne ist,
u.s.w.. Wie ist das, wenn man im Innern zu sich selbst spricht; was geht da vor? – Wie soll ich's erklären? Nun, nur so, wie du [e|E]inen die Bedeutung des Ausdrucks “zu sich selbst sprechen” lehren kannst. Und als Kinder lernen wir ja diese Bedeutung. – Nur, [t|d]aß niemand sagen wird, wer sie uns lehrt, sage uns, ‘was da vorgeht’. –
182213
– |
|
|
|
Ich möchte sagen: du siehst es für viel zu selbstverständlich an, daß man
Man möchte sagen “Die Mitteilung bewirkt, daß er weiß, daß ich Schmerzen habe; sie bewirkt dies geistige Phänomen; alles Andere ist der Mitteilung unwesent- – 214
– lich.” Was dieses
merkwürdige Phänomen des Wissens ist – damit
läßt man sich Zeit. Seelische Vorgänge sind
eben merkwürdig. (Es ist, als sagte
man: was die Zeit ist, ist noch nicht
entschieden “Die Uhr zeigt uns die Zeit
an. Was die Zeit ist, ist noch nicht
entschieden. Und wozu man die Zeit
abliest – das gehört nicht hieher.”)
|
| 36[3|4].
Jemand macht eine Berechnung im Kopf. Das Ergebnis
verwendet er, sagen wir, beim Bauen einer Brücke, oder
Maschine. – Willst du sagen, er habe diese Zahl
eigentlich nicht durch Berechnung
gefunden? Sie sei ihm etwa, nach einer
|
| 364. –
184215
– nicht unverständlich
genug, daß er ohne ein Wort, oder ein Schriftzeichen,
rechnen konnte?” –
280. Ist das Rechnen in der Vorstellung in gewissem Sinne unwirklicher, als das auf dem Papier? Es ist das wirkliche – Kopfrechnen // – Rechnen in der Vorstellung // . – Ist es ähnlich dem Rechnen auf dem Papier? – Ich weiß nicht, ob ich es ähnlich nennen soll. Ist ein Stück weißes Papier mit schwarzen Strichen drauf einem menschlichen Körper ähnlich? |
|
|
|
“Ich habe die Multiplikation … im Kopfe ausge[g|f]ührt”– glaube ich etwa so eine Aussage nicht? – Aber war es wirklich eine Multiplikation? Es war nicht bloß ‘eine’ Multiplikation, sondern diese – im Kopfe. Dies ist der Punkt, an dem ich irregehe. Denn ich will – 216 – jetzt sagen:
Es war irgend ein, dem Multiplizieren auf dem Papier
entsprechender, geistiger Vorgang. So
daß es Sinn hätte, zu sagen:
“Dieser Vorgang im Geiste entspricht
diesem Vorgang auf dem Papier.”
Und es hätte dann Sinn, von einer Methode der Abbildung zu
reden, nach welcher die Vorstellung des Zeichens das Zeichen selbst
darstellt. |
| 367. Das
Vorstellungsbild, ist das Bild, das beschrieben wird,
wenn Einer seine Vorstellung beschreibt. |
| 368. Ich beschreibe
Einem ein Zimmer, und lasse ihn dann, zum Zeichen, daß er meine
Beschreibung verstanden hat, ein impressionistisches
Bild nach dieser Beschreibung malen. Er malt nun die
Stühle, die in meiner Beschreibung grün hießen,
dunkelrot
|
| 369.
G.E.M.A.
|
| 370. Nicht, was
Vorstellungen sind, oder was da geschieht, – 217 – wenn man sich etwas
vorstellt, muß man fragen, sondern: wie das Wort
“Vorstellung” gebraucht wird. Das
heißt aber nicht, daß ich nur von Worten reden will.
Denn soweit in
|
| 371. Das
Wesen ist in der Grammatik ausgesprochen. |
| 372.
Überlege: “Das einzige Korrelat in der
Sprache zu einer Naturnotwendigkeit ist eine willkürliche
Regel. Sie ist das Einzige, was man von dieser
Naturnotwendigkeit in
Sätze // in einen
Satz // abziehen kann.”
|
| 373.
Welche Art von Gegenstand etwas ist, sagt die
Grammatik. (Theologie als
Grammatik.) |
| 374. Die große
Schwierigkeit ist hier, die Sache nicht so darzustellen, als
könne könne man etwas nicht. Als
wäre da wohl ein Gegenstand, von dem ich die Beschreibung
abziehe, aber ich wäre nicht im Stande, ihn jemandem zu
zeigen. ‒ ‒ Und das Beste, was ich vorschlagen
kann, ist wohl, daß wir der Versuchung, dies Bild zu gebrauchen,
nachgeben: aber – 218
– nun untersuchen, wie die
Anwendung dieses Bildes aussieht. |
| 375. Wie
lehrt man jemand, leise für sich selbst lesen?
Wie weiß man, wenn er's kann?
[w|W]ie weiß er selbst, daß er tut, was
man von ihm verlangt? |
| 376. Wenn ich mir im
Innern das ABC vorsage, was ist das Kriterium dafür, daß
ich das Gleiche tue, wie ein Andrer, der es sich im Stillen
vorsagt? Es könnte gefunden werden, daß in
meinem Kehlkopf und in seinem das Gleiche dabei
vorgeht. (Und ebenso, wenn wir beide an das
Gleiche denken, das Gleiche wünschen,
etc.) Aber lernten wir denn die
Verwendung der Worte “sich im Stillen das und das
vorsagen”, indem auf einen Vorgang im Kehlkopf, oder im
Gehirn, hingewiesen wurde? Ist es nicht auch wohl
möglich, daß meiner Vorstellung vom Laute a und
seiner v[o|e]rschiedene physiologische Vorgänge
entsprechen? Die Frage ist: Wie
vergleicht man Vorstellungen? |
| 377. Ein Logiker
denkt vielleicht: Gleich ist gleich – es ist eine
psychologische Frage, wie
Was ist das Kriterium der Gleichheit zweier Vorstellungen? – Was ist das Kriterium der Röte einer Vorstel- – 219 – lung?
Für micht, wenn der Andre sie hat: was er sagt
und tut. Für mich, wenn ich sie habe:
garnichts. Und was für
“rot” gilt, gilt auch für
“gleich”. |
| 378. “Ehe ich
urteile, daß zwei meiner Vorstellungen gleich sind, muß ich
sie doch als gleich erkennen.” Und wenn das
geschehen ist, wie werde ich dann wissen, daß das Wort
“gleich” meine Erkenntnis
beschreibt?“ Nur dann, wenn ich diese
Erkenntnis auf andere Weise ausdrücken, und ein Andrer mich
lehren kann, daß hier “gleich” das richtige Wort
ist. Denn, bedarf ich eine Berechtigung dafür, ein Wort zu gebrauchen, dann muß es eine auch für den Andern sein. |
| 379. Ich erkenne es erst
als das; und nun erinnere ich mich daran, wie das
genannt wird. – Bedenke: In welchen
Fällen kann man dies mit Recht sagen? |
| 380. Wie erkenne
ich, daß dies rot ist? – “Ich sehe,
daß es dies ist; und nun weiß ich, daß dies
so heißt.” Dies? –
Was?! Welche Art der Antwort hat auf diese
Frage Sinn? (Du steuerst immer wieder auf eine innere hinweisende Erklärung hin.) Auf den privaten Übergang von dem Gesehenen zum Wort könnte ich keine Regeln anwenden. Hier hingen die Regeln wirklich in der Luft; da die Institution ihrer Anwendung fehlt. – 220 – |
| 381. Wie erkenne ich,
daß diese Farbe Rot ist? – Eine Antwort
wäre: “Ich habe Deutsch
gelernt.” |
| 382. Wie kann ich es
rechtfertigen, daß ich mir auf diese Worte hin
diese Vorstellung mache? Hat mir jemand die Vorstellung der blauen Farbe gezezeigt, und gesagt, daß sie es sei? Was bedeuten die Worte “diese Vorstellung”? Wie zeigt man auf eine Vorstellung? Wie zeigt man zweimal auf die gleiche Vorstellung? |
| 383. Wir analysieren
nicht ein Phänomen (z.B. das
Denken), sondern einen Begriff (z.B.
den des Denkens), und also die Anwendung eines Worts.
So kann es scheinen, als wäre, was wir treiben,
[n|N]ominalismus. Nominalisten machen
den Fehler, daß sie alle Wörter als Namen
deuten, also ihre Verwendung nicht wirklich beschreiben, sondern
sozusagen nur eine papierene Anweisung auf so eine
Beschreibung geben. |
| 384. Den
Begriff ‘Schmerz’ hast du mit der
Sprache gelernt. |
| 385.
–
186 221
– daß man's
kann. Und es fragt sich nur, was als Kriterium
dafür gelten wird, daß jemand dies kann. ‒ ‒
Ist aber auch dies möglich, daß einem Volksstamm nur das
Kopfrechnen bekannt ist, und kein andres? Hier muß
man sich fragen: “Wie wird das
aussehen?” – Man wird sich dies also als
einen Grenzfall ausmalen müssen. Und es wird sich
dann fragen, o[h|b] wir hier noch den Begriff des
‘Kopfrechnens’ anwenden wollen –
|
|
– 222 – keine Schwierigkeit
macht, zu zeigen oder zu beschreiben, welche Farbe ich mir
vorgestellt habe, die Vorstellung in die Wirklichkeit
abzubilden. // Sondern
dies: daß wir so ohne weiteres zeigen oder
beschreiben können, welche Farbe wir uns vorgestellt haben,
daß uns das Abbilden der Vorstellung in die Wirklichkeit gar
keine Schwierigkeit
bereitet. // Sehen sie sich
denn zum Verwechseln ähnlich? – Aber ich
kann ja auch ohne weiteres einen
Men[y|s]schen nach einer Zeichnung
erkennen. – Aber kann ich denn fragen
“Wie schaut eine richtige Vorstellung dieser Farbe
aus?”, oder “Wie ist sie
beschaffen?”; kann ich dies
lernen? (Ich kann sein Zeugnis nicht annehmen, weil es kein Zeugnis ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen geneigt ist.) |
| 387. Der
tiefe Aspekt entschlüpft leicht. |
| 388,
“Ich sehe zwar hier nichts Violettes, aber wenn
du mir einen Farbkasten gibst, so kann ich's dir darin
zeigen.” Wie kann man wissen,
daß man es zeigen kann, wenn … , daß man es also
erkennen kann, wenn man es sieht? Wie weiß ich von meiner Vorstellung her, wie die Farbe wirklich ausschaut? Wie weiß ich, daß ich etwas werde tun können? d.h., daß der Zustand, in welchem ich jetzt bin, der ist, ⌊:⌋ jenes tun zu können? – 223 – |
| 389.
“Die
Vorstellung muß ihrem Gegenstand ähnlicher sein, als jedes
Bild: Denn wie ähnlich ich auch das Bild dem
mache, was es darstellen soll, es kann immer noch das Bild von
etwas anderm sein. Aber die Vorstellung hat es in sich,
daß sie die Vorstellung von diesem, und von nichts
anderem, ist.” Man könnte so
dahinkommen kommen, die Vorstellung als ein
Über-Bildnis anzusehen. |
| 390.
Könnte man
sich vorstellen, daß ein Stein Bewußtsein
hätte? Und wenn's Einer kann – warum
soll das nicht bloß beweisen, daß diese Vorstellerei für
uns kein Interesse hat? |
| 391. Ich kann mir
vielleicht auch vorstellen (obwohl es nicht leicht ist),
jeder der Leute, die ich auf der Straße sehe, habe furchtbare
Schmerzen, verberge sie aber kunstvoll. Und es ist
wichtig, daß ich mir hier ein kunstvolles Verbergen
vorstellen muß. Daß ich mir also nicht
ei[h|n]fach sage: “Nun, seine Seele
hat Schmerzen; aber was hat das mit seinem Leib zu
tun!” oder “das muß sich
schließlich am Leib nicht zeigen!” –
Und wenn ich mir das nun vorstelle,– was tue ich; was
sage ich zu mir selbst; wie sehe ich die Leute an? Ich
schaue etwa Einen an und denke mir “Das
[j|m]uß schwer sein, zu lachen, wenn man solche
Schmerzen hat”, und vieles dergleichen. Ich
spiele gleichsam eine Rolle, tue so, als hätten
die Andern Schmerzen.
[w|W]enn ich das tue, sagt
man etwa, ich stelle mir vor, …. – 224 – |
| 392. “Wenn ich
mir vorstelle, er habe Schmerzen, geht eigentlich nur … in
mir vor.” Ein Andrer sagt dann:
“Ich glaube, ich kann es mir auch vorstellen,
ohne dabei … zu denken”.
(“Ich glaube, ich kann denken, ohne zu
reden.”) Das führt zu nichts.
Die Analyse schillert zwischen einer naturwissenschaftlichen und
einer grammatis[v|c]hen. |
| 393. “Wenn ich
mir vorstelle, daß Einer, der lacht, in Wirklichkeit Schmerzen
hat, so stelle ich mir doch kein Schmerzbenehmen vor, denn ich sehe
eben das Gegenteil. Was stelle ich mir
also vor?” – Ich habe es schon
gesagt. Und ich stelle mir dazu nicht notwendigerweise
vor, daß ich Schmerzen
fühle. ‒ ‒ “Aber wie geht es also vor
sich
Man kann sagt z.B. dem, der eine Theaterrolle zu spielen hat: “Du mußt dir hier vorstellen, daß dieser Mensch …”–
– 225
– der sich diese Situation vorstellt.
|
| 394.
Unter was für Umständen würden wir jemand
fragen: “Was ist da eigentlich in dir
vorgegangen, wie du dir dies vorgestellt
hast?” – Und was für eine Antwort
erwarten wir uns da? |
| 395. Es besteht
Unkla[t|r]heit darüber, welche Rolle
Vorstellbarkeit in unserer
Un[e|t]ersuchung spielt. Inwiefern sie
nämlich den Sinn eines Satzes sicherstellt. |
| 396. Es
ist so wenig für das Verständnis eines Satzes wesentlich,
daß man sich bei ihm etwas vorstelle, als daß man nach ihm
eine Zeichnung entwerfe. |
| 397. Statt
“Vorstellbarkeit” kann man hier auch sagen:
Darstellbarkeit in einem bestimmten Mittel der Darstellung.
Und von einer solchen Darstellung
kann allerdings ein sicherer Weg zur weitern
Verwendung führen. Anderseits kann sich uns ein
Bild aufdrängen udn und
garnichts nützen.
|
| 398.
“Aber wenn ich mir [s|e]twas vorstelle, oder
auch wirklich Gegenstände sähe, so habe
ich doch etwas, was mein Nachbar nicht hat.” –
Ich verstehe dich. Du willst um dich schaun und
sagen: “Nur ich habe doch
dieses.” – Wozu
diese Worte? Sie taugen zu nichts. – Ja,
kann man nicht auch sagen “Es ist hier von einem
‘Sehen’ – und daher auch von einem
‘Haben’ – und von einem Subjekt, also
– 226 – auch vom
ich, nicht die Rede”? Könnte Ich
nicht fragen: Das, wovon du redest und sagst, nur du
habest es,– in wiefern hast du es
denn? Besitzt du es? Du
siehst es nicht einmal. Ja,
müßtest du nicht davon sagen, niemand habe
es? Es ist ja auch klar: wenn du logisch
ausschließt, daß ein Andrer etwas hat, so verliert es
auch seinen Sinn, zu sagen, du habest es.
Aber was ist dann das // dasjenige // , wovon du redest? Ich sagte ja, ich wisse in meinem Innern, was du meinst. Aber das hieß: ich weiß, wie man diesen Gegenstand aufzufassen, zu sehen, wie man ihn sozusagen durch Blick und Gesten zu bezeichnen meint. Ich weiß, in welcher Weise man in diesem Fall vor sich und um sich schaut,– und anderes. Ich glaube, man kann sagen: Du redest (wenn du z.B. im Zimmer sitzt) vom ‘visuellen Zimmer’. Das, was keinen Besitzer hat, ist das ‘visuelle Zimmer’. Ich kann es so wenig besitzen, als ich darin umhergehen, oder es anschaun, oder darauf zeigen kann. Es gehört insofern nicht mir an, als es niemand anderm angehören kann;. Oder: es gehört insofern nicht mir an, als ich ja darauf die gleiche Ausdrucksform anwenden will, wie auf das materielle Zimmer selbst, in dem ich sitze. Die Beschreibung des letztern braucht keinen Besitzer zu erwähnen, es muß ja auch keinen Besitzer haben. Dann aber kann das visuelle Zimmer keinen haben. “Denn es hat [j|k]einen Herrn außer sich und keinen in sich” – könnte man sagen. – 227
– Denk dir ein Landschaftsbild, eine Phantasielandschaft, und in ihr ein Haus – und jemand fragte “Wem gehört das Haus?” – Es könnte übrigens die Antwort darauf sein: “Dem Bauer, der auf der Bank davor sitzt”. Aber dieser kann sein Haus dann, z.B., nicht betreten. |
| 399. Man
könnte auch sagen:
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|
|
Aber mein Ausdruck ist nicht einwandfrei: Du habest eine ‘grammatische’ Bewegung gemacht. Du hast vor allem eine neue Auffassung gefunden. So, als hättest du eine neue Malweise erfunden; oder auch ein neues Metrum, oder eine neue Art von Gesängen. – |
|
– 228
–
den Andern;
die Vorstellungswelt ist ganz in der Beschreibung der
Vorstellung dargestellt.” – Du
meinst: “ das “Ich
habe”
Denn so sehen ja die Streitigkeiten zwischen Idealisten, Sollipsisten und Realisten aus. Die Einen greifen die normale Ausdrucksform an, so als griffen sie eine Behauptung an; die Andern verteidigen sie, als konstatierten sie Tatsachen, die jeder vernünftige Mensch anerkennt. |
| 3 403.
Wenn ich das Wort “Schmerz” ganz für
– 229
– eine Notation vorgesehen wäre, in der
der Ausfall des Wortes “Schmerz” in anderen
Verbindungen irgendwie ersetzt würde.
[A|D]ie Andern werden dann dennoch bedauert, vom
Arzt behandelt, u.s.w.. Es
wäre natürlich auch kein Einwand gegen
diese Ausdrucksweise, zu sagen: “Aber die Andern
haben ja genau dasselbe, was du hast!”
Aber was hätte ich dann von dieser neuen Art der Da[|r]stellung? Nichts. Aber der Sollipsist will ja auch keine praktischen Vorteile, wenn er seine Anschauung vertritt! |
| 3 404.
“Wenn ich sage ‘ich habe
Schmerzen’, weise ich nicht auf eine Person, die die
Schmerzen hat, da ich in gewissem Sinne garnicht weiß, wer sie hat.”
Und das läßt sich rechtfertigen. Denn vor
allem: Ich sagte ja nicht, die und die Person habe
Schmerzen, sondern “ich habe … ”.
Nun, damit nenne ich ja keine Person. So wenig, wie
dadurch, daß ich vor Schmerz stöhne.
Obwohl der Andre aus dem stöhnen
ersihet, ersieht, wer die Schmerzen
hat. Was heißt es denn: wissen, wer Schmerzen hat? Es heißt, z.B., wissen, welcher Mensch in diesem Zimmer Schmerzen hat: also, der dort sitzt, oder, der in dieser Ecke steht, der Lange mit den blonden Haaren dort, etc..– Worauf will ich hinaus? Darauf, daß es sehr verschiedene Kriterien der ‘Identität’ der Person gibt. Nun, welches ist es, das mich bestimmt, zu sagen, – 230
– ‘ich’ habe
Schmerzen? Gar keins. |
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|
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– 231
– der Andern und trachte zu
erkennen, welcher von uns jetzt gerade elektrisiert
wird. – Einmal sage ich: “Jetzt
weiß ich, welcher es ist; ich
bin's nämlich.” In diesem Sinne
könnte ich auch sagen“ sagen:
“Jetzt weiß ich, wer die Schläge spürt;
ich nämlich”. Dies wäre eine etwas
seltsame Ausdrucksweise. – Nehme ich aber hier an,
daß ich Schläge auch dann fühlen kann, wenn Andre
elektrisiert werden, dann wird nun die Ausdrucksweise
“Jetzt weiß ich, wer … ” ganz
unpassend. Sie gehört nicht zu diesem
Spiel. |
|
|
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1) “Sind diese Bücher meine Bücher?” 2) “Ist dieser Fuß mein Fuß?” 3) “Ist dieser Körper mein Körper?” 4)“Ist diese Empfindung meine Empfindung?” Jede dieser Fragen hat praktische (unphilosophische)
Zu 2): Denk an Fälle, in denen mein Fuß anästhesiert oder gelähmt ist. [I|U]nter gewissen Umständen könnte die Frage – 232
– dadurch entschieden werden, daß
festgestellt wird, ob ich in diesem Fuß Schmerzen
empfinde. Zu 3): Dabei könnte man auf ein Bild im Spiegel weisen. Unter gewissen Umständen aber könnte man einen Körper betasten und die Frage stellen. Unter andern Umständen bedeutet sie das gleiche, wie: “Sieht so mein Körper aus?” Zu 4): Welche ist denn diese Empfindung? D.h.: wie verwendet man hier das hinweisende Fürwort? Doch anders, als z.B. im ersten Beispiel! Verirrungen entstehen hier wieder dadurch, daß man sich einbildet, man zeige auf eine Empfindung, indem man
|
| 3 412.
Das Gefühl der Unüberbrückbarkeit der Kluft
zwischen Bewußtsein und Gehirnvorgang:
Wie kommt es, daß das in die
Betrachtungen des gewöhnlichen Lebens nicht
hineinspielt? Die Idee dieser Artverschiedenheit ist
mit einem leisen Schwindel verbunden,– der auftritt, wenn wir
logische Kunststücke ausführen. (Der
gleiche Schwindel erfaßt uns bei gewissen Theoremen der
Mengenlehre.) Wann tritt, in unserm Fall, dieses
Gefühl auf? Nun, wenn ich z.B.
meine Aufmerksamkeit in bestimmter Weise auf mein Bewußtsein
lenke und mir dabei staunend // mit
Staunen // sage:
dies solle durch einen Gehirnvorgang
erzeugt werden! – indem ich mir gleichsam an
die Stirne greife. – // erzeugt
werden! Dabei greife ich mir gleichsam an die
Stirn. – // Aber was kann das
– 233 –
heißen: “meine Aufmerksamkeit auf mein Bewußtsein
lenken”? Es ist doch nichts
merkwürdiger, als daß es so etwas gibt! Was
ich so nannte (denn diese Worte werden ja im
gewöhnlichen Leben nicht gebraucht) war ein Akt
des Schauens. Ich schaute steif vor mich hin
– aber nicht auf irgend einen bestimmten Punkt,
oder Gegenstand. Meine Augen waren weit offen, meine
Brauen nicht zusammengezogen (wie sie es meistens sind, wenn ein
bestimmtes Objekt mich interessiert). Kein
solches Interesse war dem Schauen vorangegangen.
Mein Blick war ‘vacant’; oder
ähnlich dem eines Menschen, der die Beleuchtung
des Himmels bewundert und das Licht eintrinkt.
Bedenk nun, daß an dem Satz, den ich als Paradox aussprach (dies werde durch einen Geh[o|i]irnvorgang erzeugt!) garnichts [k|P] paradoxes war. Ich hätte ihn während eines Experiments aussprechen können, dessen Zweck es war zu zeigen, der Beleuchtungseffekt, den ich sehe, werde durch die Erregung einer bestimmten Gehirnpartie erzeugt. – Aber ich sprach den Satz nicht in der Umgebung aus, in welcher er einen alltäglichen und
|
| 3 413.
Hier haben wir einen Fall von Introspektion; nicht
unähnlich derjenigen, durch welche William
James heraus-– 234 – brachte, das
‘Selbst’ bestehe hauptsächlich aus
‘peculiar motions in the head and between the
head and throat’. Und was die
Introspektion James'
zeigte, war nicht die Bedeutung des Wortes
“Selbst” (sofern dies etwas ähnliches
bedeutet, wie “Person”,
“Mensch”, “er selbst”,
“ich selbst”), noch eine Analyse eines solchen
Wesens, sondern
|
| 3 414.
Du denkst, du mußt doch einen Stoff weben: weil
du vor einem – wenngleich leeren – Webstuhl sitzt und
die Bewegungen des Webens machst. |
| 3 415.
Was wir liefern, sind eigentlich Bemerkungen zur
Naturgeschichte des Menschen; aber nicht kuriose
Beiträge, sondern Feststellungen, an denen niemand gezweifelt
hat, und die dem Bemerktwerden nur entgehen, weil sie
ständig vor unsern Augen sind. |
| 3 416.
“Die Menschen
–
193235
– wirklich ihren Gebrauch.
Dem Arzt sage ich “Jetzt höre ich wieder auf
diesem Ohr”; dem, der mich ohnmächtig glaubt, sage
ich “ich bin wieder bei Bewußtsein”,
u.s.w.. |
|
Aber ist es denn nicht eine bestimmte Erfahrung, die mich veranlaßt, zu sagen “Ich bin hin wieder bei Bewußtsein”? – Welche Erfahrung? In welcher Situation sagen wir es? |
|
Aber sagt man nicht vom Menschen, er habe Bewußtsein; vom Baum, oder Stein aber, sie haben keines? – Wie wäre es, wenn's anders wäre? – Wären die Menschen alle bewußtlos? – Nein; nicht im gewöhnlichen Sinn des Worts. Aber ich, z.B., hätte nicht Bewußtsein – – wie ich's jetzt ¤ 419(
Unter welchen Umständen werde ich sagen, ein Stamm habe
einen Häuptling? Und der Häuptling
muß doch Bewußtsein haben. Er darf doch
nicht ohne Bewußtsein sein! – 194
236 – tatsächlich
habe. |
|
|
Einen lebenden Menschen als Automaten sehen, ist analog dem, irgend eine Figur als Grenzfall, oder Variation einer andern zu sehen, z.B. ein Fensterkreuz als Swastika. |
|
– 237 – etwas dabei,
wenn ich sage: “Diese
3 Stützen
geben dem Bau Festigkeit”? Sind Drei und
Festigkeit greifbar?‒ ‒ ‒ Sieh den Satz als
Instrument an, und seinen Sinn als seine Verwendung! |
| 3 422.
Woran glaube ich, wenn ich an eine Seele im Menschen
glaube? Woran glaube ich, wenn ich glaube, diese
Substanz enthalte zwei Ringe von Kohlenstoffatomen? In
beiden Fällen ist ein Bild im Vordergrund, der Sinn aber weit
im Hintergrund; d.h., die Anwendung des
Bildes nicht leicht zu übersehen. |
| 3 423.
Gewiß, in dir geschehen alle diese
Dinge. – Und nun laß mich nur den Ausdruck
verstehen, den wir gebrauchen. – Das Bild ist
da. Und seine Gültigkeit im besondern Falle
bestreite ich nicht. – Nur laß mich jetzt noch die
Anwendung des Bildes verstehen. |
| 3 424.
Das Bild ist da; und ich bestreite seine
Richtigkeit nicht. Aber
was ist seine Anwendung? Denke an das
Bild der Blindheit als einer Dunkelheit in der Seele oder im Kopf
des Blinden. |
| 3 425.
Während wir nämlich in unzähligen
Fällen uns bemühen, ein Bild zu finden, und ist dieses
gefunden, die Anwendung sich gleichsam von selbst macht, so haben
wir hier bereits ein Bild, das sich uns auf Schritt und Tritt
aufdrängt,– uns aber nicht aus der Schwierigkeit hilft,
die nun erst anfängt. – 238 –
Frage ich z.B.: “Wie soll ich es mir vorstellen, daß dieser Mechanismus in dieses Gehäuse geht?”– so kann als Antwort etwa eine Zeichnung in verkleinertem Maßstab dienen. Man kann mir dann sagen “Siehst du, so geht er hinein”; oder vielleicht auch: “Warum wundert es dich? So, wie du es hier siehst, so geht es auch dort.” – Das letztere erklärt freilich nichts mehr, sondern fordert mich nur auf, nun die Anwendung von dem Bild, das man mir gegeben hat, zu machen. |
| 3 426.
Ein Bild wird heraufbeschworen, das eindeutig
den Sinn zu bestimmen scheint. Die wirkliche
Verwendung scheint etwas Verunreinigtes der gegenüber, die
das Bild uns vorzeichnet. Es geht hier wieder, wie in
der Mengenlehre: Die Ausdrucksweise scheint
für einen Gott
zugeschnitten zu sein, der weiß, was wir nicht wissen
können; er sieht die ganzen unendlichen Reihen und sieht in
das Bewußtsein des Menschen hinein. Für uns
freilich sind diese Ausdrucksformen quasi ein Ornat, das wir wohl
anlegen, mit dem wir aber nicht viel an[g|f]angen
können, da uns die reale Macht fehlt, die dieser Kleidung Sinn
und Zweck geben würde. In der wirklichen Verwendung der Ausdrücke machen wir gleichsam Umwege, gehen durch Nebengassen; während wir wohl die gerade breite Straße vor uns sehen, sie aber freilich nicht benützen können, weil sie permanent gesperrt ist. – 239
– |
| 3 427.
“Während ich zu ihm sprach, wußte ich nicht, was
hinter seiner Stirn vorging.” Dabei denkt
man nicht an Ge[g|h]irnvorgänge, sondern an
Denkvorgänge. Das Bild ist ernst zu nehmen.
Wir möchten wirklich hinter diese Stirne schauen.
Und doch meinen wir nur das, was wir auch s[i|o]nst mit
den Worten meinen: wir möchten wissen, was er
denkt. Ich will sagen: wir haben das lebhafte Bild
– und denjenigen Gebrauch, der dem Bild zu widersprechen
scheint, und das [p|P]sychische ausdrückt.
|
| 3 428.
“Der Gedanke, dieses seltsame Wesen”– aber
er kommt uns nicht seltsam vor, wenn wir denken. Der
Gedanke kommt uns nicht geheimnisvoll vor, während wir denken,
sondern nur, wenn wir gleichsam retrospektiv sagen: ”Wie war das möglich?”
Wie war es möglich, daß der Gedanke von diesem
Gegenstand selbst handelte? Es scheint uns,
als hätten wir mit ihm die Realität eingefangen.
|
| 3 429.
Die Übereinstimmung, Harmonie, von Gedanke und
Wirklichkeit liegt darin, daß, wenn ich fälschlich
sage, etwas sei rot, es doch immerhin nicht
rot ist. Und wenn ich jemandem das Wort
“rot” im Satze “Das ist nicht
rot” erklären will, ich dazu auf etwas Rotes
nzeige. |
| 3 430.
“Lege einen Maßstab an diesen Körper an; er
sagt nicht, daß der Körper so lang ist. Vielmehr
ist er an sich – ich möchte sagen – tot, und leistet
nichts von dem, was der – 240
– Gedanke leistet.” –
Es ist, als hätten wir uns eingebildet, das Wesentliche am
lebenden Menschen sei die äußere Gestalt, und
hätten nun einen Holzblock von dieser Gestalt hergestellt und
sähen mit Beschämung den toten Klotz, der auch keine
Ähnlichkeit mit einem Lebewesen hat. |
| 3 431.
“Zwischen dem Befehl und der Ausführung ist eine
Kluft. Sie muß durch das Verstehen geschlossen
werden.” “Erst im Verstehen heißt es, daß wir das zu tun haben. Der Befehl
|
| 3 432.
Jedes Zeichen scheint allein tot.
Was gibt ihm Leben? – Im Gebrauch
lebt es. Hat es da den lebenden Atem in
sich? – Oder ist der Gebrauch sein
Atem? |
| 3 433.
Wenn wir einen Befehl geben, so kann es scheinen, als ob das
Letzte, was der Befehl wünscht, undausgedrückt
bleiben muß, da immer noch eine Kluft zwischen dem Befehl
und seiner Befolgung bleibt. Ich wünsche etwa,
daß Einer eine bestimmte Bewegung macht, etwa den Arm
hebt. Damit es ganz deutlich wird, mache ich ihm die
Bewegung vor. Dieses Bild scheint unzweideutig; bis auf
die Frage: wie weiß er, daß er diese Bewegung
machen soll diese Bewegung machen
soll? – Wie weiß er überhaupt,
wie er die Zeichen, welche immer ich ihm gebe, gebrauchen
soll? – Ich werde nun etwa trachten, den Befehl
durch weitere Zeichen zu – 241
– ergänzen, indem ich von mir auf den
Andern deute, Gebärden der Aufmunterung mache,
etc.. Hier scheint es, als finge der
Befehl zu stammeln an. Als t[i|r]achtete das Zeichen mit unsichern Mitteln in uns ein Verständnis hervorzurufen. – Aber wenn wir es nun verstehen, in welchem Zeichen tun wir das? |
| 3 434.
Die Gebärde versucht vorzubilden –
möchte man sagen – aber kann es nicht. |
| 3 435.
Wenn man fragt “Wie macht der Satz das, daß er
darstellt?”– so könnte die Antwort
sein: “Weißt du es denn nicht?
Du siehst es doch, wenn du ihn benützt.”
Es ist ja nichts verborgen. Wie macht der Satz das? – Weißt du es denn nicht? Es ist ja nichts versteckt. Aber auf die Antwort “Du weißt ja, wie es der Satz macht, es ist ja nichts verborgen” möchte man sagen // erwidern // : “Ja, aber es fließt alles so rasch vorüber, und ich möchte es gleichsam breiter auseinander gelegt sehen.” |
| 3 436.
Hier ist es leicht, in jene Sackgasse des Philosophierens zu
geraten, wo man glaubt, die Schwierigkeit der Aufgabe liege darin,
daß schwer erhaschbare Erscheinungen, die schnell
entschlüpfende gegenwärtige Erfahrung oder
dergleichen, von uns beschrieben werden sollen. Wo
die gewöhnliche Sprache uns zu roh erscheint, und es
scheint, als – 242
– hätten wir es nicht mit den
Phänomenen zu tun, von denen der Alltag redet, sondern
“mit den leicht entschwindenden, die mit ihrem Auftauchen
und Vergehen jene ersteren annähernd
erzeugen”.
(Augustinus: Mani[s|f]estissima et usitatissima sunt, et eadem rusus nimis latant latentm, et nova est inventio eorum.) |
| 3 437.
Der Wunsch scheint schon zu wissen, was ihn erfüllen wird,
oder würde; der Satz, der Gedanke, was ihn wahr macht,
auch wenn es gar nicht
|
| 3 438.
“Der Plan ist als Plan etwas Unbefriedigtes.
(Wie der Wunsch, die Erwartung, die Vermutung,
u.s.f.) Und hier meine ich: die Erwartung ist unbefriedigt, weil sie die Erwartung von etwas ist; der Glaube, die Meinung, unbefriedigt, weil sie die Meinung ist, daß etwas der Fall ist, etwas Wirkliches, etwas außerhalb dem Vorgang des Meinens. |
| 3 439.
In wiefern kann man den Wunsch, die Erwartung, den Glauben,
etc. “unbefriedigt”
nennen? Was ist unser Urbild der
Unbefriedigung? Ist es ein Hohlraum? Und
würde man von einem solchen sagen, er sei
unbefriedigt? Wäre das nicht auch eine
Metapher? – Ist es nicht ein Gefühl, was wir
Un-– 243
– befriedigung nennen,– etwa den
Hunger? Wir können in einem bestimmten System des Ausdrucks einen Gegenstand mittels der Worte “befriedigt” und “unbefriedigt” beschreiben. Wenn wir z.B. festsetzen, den Hohlzylinder einen “unbefriedigten Zylinder” zu nennen, und den ihn ergänzenden Vollzylinder “seine Befriedigung”. |
| 3 440.
Zu sagen “Ich habe Lust auf einen Apfel”
heißt nicht: Ich glaube, ein Apfel wird mein
Gefühl der Unbefriedigung stillen.
Dieser Satz ist keine Äußerung des
Wunsches, sondern der Unbefriedigung. |
| 3 441.
Wir sind von Natur und durch eine bestimmte Abrichtung,
Erziehung, so eingestellt, daß wir unter bestimmten
Umständen Wunschäußerungen von uns
geben // machen // .
(Ein solcher ‘Umstand’ ist natürlich
nicht der Wunsch.) Eine
Frage, ob ich weiß, was ich wünsche, ehe mein Wunsch
erfüllt ist, kann in diesem Spiele gar nicht
auftreten. Und daß ein Ereignis meinen Wunsch zum
Schweigen bringt, bedeutet nicht, daß es den Wunsch
erfüllt. Ich wäre vielleicht nicht
befriedigt, wäre mein Wunsch befriedigt worden.
Anderseits wird auch das Wort “wünschen” so gebraucht: “Ich weiß selbst nicht, was ich mir wünsche.” (“Denn die Wünsche verhüllen uns selbst das Gewünschte.”) Wie, wenn man fragte: “Weiß ich, wonach ich lange, ehe ich es erhalte?” Wenn ich sprechen gelernt habe, so weiß ich's. – 244 – |
| 3 442.
Ich sehe, wie Einer das Geweh[t|r] anlegt, und
ssage: “Ich erwarte mir einen
Knall.” Der Schuß fällt. –
Wie, das hast du dir erwartet; war also dieser Knall irgendwie
schon in deiner Erwartung? Oder stimmt deine Erwartung
nur in anderer Hinsicht mit dem [e|E]ingetretenen
überein; war dieser Lärm nicht in deiner Erwartung
erenthalten und kam nur als
Accidens hinzu, als die Erwartung
erfüllt wurde? – Aber nein, wenn der
Lärm nicht eingetreten wäre, so wäre meine Erwartung
nicht erfüllt worden; der Lärm hat sie erfüllt;
er
“Der Knall war nicht so laut, als ich ihn erwartet hatte.” – “Hat er also in deiner Erwartung lauter geknallt?” |
| 3 443.
“Das Rot, das du dir vorstellst, ist doch gewiß
nicht Dasselbe (nicht dieselbe Sache) wie das, was du
vor dir siehst; wie kannst du dann sagen, es sei das, was du dir
vorgestellt hattest?” – Aber verhält es
sich nicht analog in den Sätzen “Hier ist ein roter
Fleck” und “Hier ist kein roter
Fleck”? In beiden kommt das Wort
“rot” vor; also kann dieses Wort nicht das
Vorhandensein von etwas Rotem – 245
– anzeigen. |
| 3 444.
Man hat vielleicht das Gefühl, daß man sich im Satz
“Ich erwarte, daß er kommt” der Worte
“er kommt” in anderer Bedeutung bedient, als in
der Behauptung “Er kommt”. Aber
wäre es so, wie könnte ich davon reden, daß meine
Erwartung in Erfüllung gegangen ist? Wollte ich
die beiden Wörter “er” und
“kommt” erklären, etwa durch hinweisende
Erklärungen, so würden die gleichen Erklärungen
dieser Wörter für beide Sätze gelten.
Nun könnte man aber fragen: Wie schaut das aus, wenn er kommt? – Es geht die Tür auf, jemand tritt herein, etc.– Wie schaut das aus, wenn ich erwarte, daß er kommt? – Ich gehe im Zimmer auf und ab, sehe zuweilen
|
| 3 445.
In der Sprache berühren sich Erwartung und
Erfüllung. |
| 3 446.
Komisch wäre es, zu sagen: “Ein Vorgang
sieht anders aus, wenn er geschieht, als wenn er nicht
geschieht.” Oder: “Ein
roter Fleck sieht anders aus, wenn er da ist, als wenn er nicht da
ist – aber die Sprache abstrahiert von diesem – 246 – Unterschied,
denn sie spricht von einem roten Fleck, ob er da ist, oder
nicht.” |
| 3 447.
Das Gefühl ist, als müßte der verneinende Satz, um
einen Satz zu verneinen, ihn erst in gewissem Sinne wahr
machen. (Die Behauptung des V verneinenden Satzes enthält den verneinten Satz, aber nicht dessen Behauptung.) |
| 3 448.
“Wenn ich sage, ich habe heute nacht nicht
geträumt, so muß ich doch wissen, wo nach dem Traum zu
suchen wäre; d.h.:
der Satz ‘Ich habe geträumt’ darf, auf
die tatsächliche Situation angewendet, falsch, aber nicht
unsinnig sein.” – Heißt das also, daß
du doch etwas gespürt hast, sozusagen die Andeutung eines
Traums, die dir die Stelle bewußt macht, an der ein Traum
gestanden hätte? Oder: wenn ich sage “Ich habe keine Schmerzen im Arm”, heißt das, daß ich einen Schatten eines Schmerzgefühls habe, der gleichsam die Stelle andeutet, in die der Schmerz eintreten könnte? Inwiefern enthält der g[g|e]genwärtige, schmerzlose Zustand die Möglichkeit der Schmerzen? Wenn einer sagt: “Damit das Wort ‘Schmerzen’ Bedeutung habe, ist es notwendig, daß man Schmerzen als solche erkennt, wenn sie auftreten”– so kann man antworten: “Es ist nicht notwendiger, als daß man das Fehlen der Schmerzen erkennt.” – 247 – |
| 3 449.
“Aber muß ich nicht wissen, wie es wäre, wenn
ich Schmerzen hätte?” – Man kommt
nicht davon weg, daß die Benützung des Satzes darin
besteht, daß man sich bei jedem Wort etwas vorstelle.
Man bedenkt nicht, daß man mit den Worten rechnet, operiert, sie mit der Zeit in dies oder jenes Bild überführt. – Es ist, als glaubte man, daß etwa die schriftliche Anweisung auf eine Kuh, die mir Einer ausfolgen soll, immer von einer Vorstellung einer Kuh begleitet sein mü[|ss]e, damit diese Anweisung nicht ihren Sinn verliere. |
| 3 450.
Wissen, wie jemand ausschaut: es
[i|s]sich vorstellen können
– aber auch: es nachmachen
können. Muß man sich's vorstellen, um
es nachzumachen? Und ist, es nachmachen, nicht
ebenso stark, als es sich vorstellen? |
| 3 451.
Wie ist es, wenn ich Einem den Befehl gebe “Stell
dier hier einen roten Kreis
vor!”– und ich sage nun: den Befehl
verstehen, heiße, wissen, wie es ist, wenn er
ausgeführt
|
| 3 452.
Ich will sagen: “Wenn Einer die Erwartung, den
geistigen Vorgang, sehen könnte, müßte er sehen,
was erwartet wird.” –
Aber so ist es ja auch: Wer den Ausdruck der
Erwartung sieht, sieht, was erwartet wird. Und wie
könnte man es auf andere Weise, in anderem Sinne,
sehen? |
| 3 453.
Wer mein Erwarten wahrnähme, mußte unmittelbar
wahr-– 248
– nehmen, was erwartet
wird. D.h.: nicht aus dem
wahrgenommenen Vorgang darauf
schließen! – Aber zu sagen, Einer
nehme die Erwartung wahr, hat keinen Sinn.
Es sei denn etwa den: er nehme den Ausdruck der Erwartung
wahr. Vom Erwartenden zu sagen, er nähme die Erwartung
wahr, statt, er erˇwarte, wäre
blödsinnige Verd[e|r]ehung des Ausdrucks.
|
| 3 454.
“Es liegt alles schon in …” Wie
kommt es, daß der Pfeil
zeigt? Scheint er nicht schon etwas
außerhalb seiner selbst in sich zu tragen? –
“Nein, es ist nicht der tote Strich; nur das
Psychische, die Bedeutung, kann dies.” –
Das ist wahr und falsch. Der Pfeil zeigt nur in der
Anwendung, die das Lebewesen von ihm macht.
Dieses zeigen ist nicht ein Hokuspokus,
|
| 3 455.
Wir wollen sagen: “Wenn wir meinen, so ist
hier kein totes Bild (welcher Art immer), sondern es ist, als
gingen wir auf jemand zu.” Wir gehen auf das
Gemeinte zu. |
| 3 456.
“Wenn man meint, so meint man selber”; so bewegt
man sich selber. Man stürmt selber vor und kann
daher das Vorstürmen nicht auch beobachten.
Gewiß nicht. |
| 3 457.
Ja; meinen ist, wie wenn man auf jemandem zugeht. |
| 3 458.
“Der Befehl befiehlt seine Befolgung.”
So kennt er seine Befolgung, schon ehe sie da
ist? – Aber dies war ein – 249 – grammatischer
Satz und er sagt: Wenn ein Befehl lautet
“Tu das und das!”, dann nennt man
“das und das tun” das Befolgen
|
| 3 459.
Wir sagen “Der Befehl befiehlt dies
–” und tun es; aber auch: “Der
Befehl befiehlt dies: ich soll … ”.
Wir übertragen ihn einmal in einen Satz, einmal in eine
Demonstration, und einmal in die Tat. |
| 3 460.
Könnte die Rechtfertigung einer Handlung als Befolgung
eines Befehls so lauten: “Du hast
gesagt“ ‘Bring mir eine gelbe
Blume’ und diese hier hat mir daraufhin ein Gefühl
der Befriedigung gegeben, darum habe ich sie
gebracht”? Müßte man da nicht
antworten: “Ich habe dir do[v|c]h
nicht geschafft, mir die Blume zu bringen, die dir auf meine
Worte hin ein solches Gefühl geben wird!”
|
| 3 461.
Inwiefern antizipiert denn der Befehl die
Ausführung? – Dadurch, daß er
das jetzt befiehlt, was später
ausgeführt wird? – Aber es müßte
ja heißen: “was später ausgeführt,
oder auch nicht ausgeführt wird”. Und das
sagt nichts. “Aber, wenn auch mein Wunsch nicht bestimmt, was der Fall sein wird, so bestimmt er doch sozusagen das Thema einer Tatsache; ob die nun den Wunsch erfüllt, oder nicht.” Wir wundern uns – gleichsam – nicht darüber, daß Einer die Zukunft weiß; sondern darüber, daß er überhaupt prophezeihen kann (richtig oder falsch). – 250
– Als nähme die bloße Prophezeihung, gleichgültig ob richtig oder falsch, schon einen Schatten der Zukunft voraus; während sie über die Zukunft nichts weiß, und weniger als nichts nicht wissen kann. |
| 3 462.
Ich kann ihn suchen, wenn er nicht da ist, aber ihn nicht
hängen, wenn er nicht da ist. Man könnte sagen wollen: “Da muß er doch auch dabei sein, wenn ich ihn suche”. – Dann muß er auch dabei sein, wenn ich ihn nicht finde, und auch, wenn es ihn gar nicht gibt. |
| 3 463.
“Den hast du gesucht? Du
konntest ja nicht einmal wissen, ob er da
ist!” – Dieses Problem aber entsteht
wirklich
|
| 3 464.
Was ich lehren will, ist: von einem nicht offenkundigen
Unsinn zu einem offenkundigen übergehen. |
| 3 465.
“Eine Erwartung ist so gemacht, daß, was immer
kommt, mit ihr übereinstimmen muß oder
nicht.” Wenn man nun fragt: Ist also die Tatsache durch die Erwartung auf ja und nein bestimmt, oder nicht,– d.h., ist es bestimmt, in welchem Sinne die Erwartung durch ein Ereignis – welches immer eintreffen mag – beantwortet werden wird; – 251
– so muß man antworten “Ja;
[E|e]s sei denn, daß der Ausdruck der Erwartung
unbestimmt ist;, daß er etwa eine Disjunktion
versch[e|i]edener Möglichkeiten
enthält.” |
| 3 466.
Wozu denkt der Mensch? wozu ist es
nütze? – Wozu berechnet er
[d|D]ampfkessel und überläßt ihre
Wandstärke nicht dem Zufall? Es ist doch nur
Erfahrungstatsache, daß Kessel, die so berechnet wurden, nicht
so oft explodieren! Aber so, wie er alles eher
[r|t]äte, als die Hand ins Feuer stecken, das ihn
früher gebrannt hat, so wird er alles eher tun, als den Kessel
nicht berechnen. – Da uns Ursachen aber nicht
interessieren,– werden wir sagen: Die Menschen
denken tatsächlich: sie gehen, z.B.,
auf diese Weise vor, wenn sie einen Dampfkessel
bauen. – Kann nun ein so erzeugter Kessel nicht
explodieren? O doch. |
| 3 467.
Denkt der Mensch also, weil Denken sich bewährt
hat? – Weil er denkt, es sei vorteilhaft, zu
denken? (Erzieht er seine Kinder, weil es sich bewährt hat?) |
| 3 468.
Wie wäre herauszubringen: warum er
denkt? |
| 3 469.
Und doch kann man sagen, das Denken habe sich
bewährt. Es seien jetzt weniger
Kesselexplosionen als früher, seit etwa die Wandstärken
nicht mehr nach dem Gefühl bestimmt, sondern auf die und die
Weise berechnet werden. Oder, seit man jede Berechnung
eines Ingenieurs durch einen zweiten kontrollieren
läßt. – 252
– |
| 3 470.
Manchmal also denkt man, weil es sich bewährt
hat. |
| 3 471.
Wenn wir die Frage “warum” unterdrücken,
werden wir oft erst die wichtigen Tatsachen gewahr;
die dann in unseren Untersuchungen zu einer Antwort
führen. |
| 3 472.
Die Natur des Glaubens an die Gleichförmigkeit des
Geschehens wird bvielleicht am klarsten im Falle,
in dem wir Furcht vor dem Erwarteten empfinden. Nichts
könnte mich dazu bewegen, meine Hand in die Flamme zu
stecken,– obwohl ich mich doch nur in
de der Vergangenheit verbrannt
habe. |
| 3 473.
Der Glaube, daß mich das Feuer brennen wird, ist von der Art
der Furcht, daß es mich brennen wird. |
| 3 474.
Daß mich das Feuer brennen wird, wenn ich die Hand
hineinstecke: das ist Sicherheit.
D.h., da sehen wir, was Sicherheit bedeutet. (Nicht nur, was das Wort “Sicherheit” bedeutet, sondern auch, was es mit ihr auf sich.) hat.) |
| 3 475.
Nach den Gründen zu einer Annahme gefragt,
besinnt man sich auf diese
[F|G]ründe. Geschieht hier
dasselbe, wie, wenn man darüber nachdenkt, was die
Ursachen eines Ereignisses
Ereignisses gewesen sein mögen?
– 253
– |
| 3 476.
Es ist zu unterscheiden zwischen dem Gegenstand der Furcht und
der Ursache der Furcht. So ist das Gesicht, das uns Furcht, oder Entzücken, einflößt (der Gegenstand der Furcht, des Entzückens) darum nicht ihre Ursache, sondern – man könnte sagen – ihre Richtung. |
| 3 477.
“Warum glaubst du, daß du dich an der heißen
Herdplatte verbrennen wirst?” – Hast
du Gründe für diesen Glauben; und brauchst du
Gründe? |
| 3 478.
Was für einen Grund habe ich, anzunehmen, daß mein
Finger, wenn er den Tisch berühren, einen Widerstand
spüren wird? Was für einen Grund, zu
glauben, daß dieser Bleistift sich nicht schmerzlos durch meine
Hand wird stecken lassen? – Wenn ich dies Frage,
melden sich hundert Gründe, die einander kaum zu Wort kommen
lassen wollen. “Ich habe es doch selbst
unzählige Male [r|e]rfahren; und ebenso oft von
ähnlichen Erfahrungen gehört; wenn es nicht so
wäre, würde …; etc.”
|
| 3 479.
Die Frage “Aus
|
| 3 480.
Man könnte also unter “Gründen” zu
einer Meinung tatsächlich nur das verstehen, was Einer
sich vorgesagt hat, ehe er zu der Meinung kam. Die
Rechnung, die er tatsächlich – 254
– aus[f|g]eführt hat.
Wenn man nun fragte: Wie kann aber
frühere Erfahrung ein Grund zur Annahme sein, es werde
später das und das eintreffen? – so ist die
Antwort: Welchen allgemeinen Begriff vom Grund zu solch
einer Annahme haben wir denn? Diese Art Angabe
über die Vergangenheit nennen wir eben Grund zur Annahme, es
werde das in Zukunft geschehen. – Und wenn man sich
wundert, daß wir ein so[c|l]ches Spiel spielen, dann
berufe ich micht auf die W,irkung
einer vergangenen Erfahrung (darauf, daß ein gebranntes
Kind das Feuer fürchtet). |
| 3 481.
Wer sagte, er sei durch Angaben über Vergangenes nicht
davon zu überzeugen, daß irgend etwas in Zukunft
geschehen werde,– den würde ich nicht
verstehen. Man könnte ihn fragen:
Was willst du denn hören? Was
für Angaben nennst du Gründe dafür, das zu
glauben? Was nennst du denn “Ü
überzeugen”? Welche Art des
Überzeugens erwartest du dir? – Wenn
das keine Gründe sind, was sind denn
Gründe? – Wenn du sagst, das seien keine
Gründe, so mußt du doch angeben können, was der Fall
sein müßte, damit wir mit Recht sagen könnten, es
seien Gründe für unsre Annahme vorhanden.
Denn wohlgemerkt: Gründe sind hier nicht Sätze, aus denen das Geglaubte logisch folgt. Aber nicht, als ob man sagen könnte: [f|F]ürs Glauben genügt eben weniger als für das Wissen. – Denn hier handelt es sich nicht um eine Annäherung an das logische Folgen. – 255 – |
| 3 482.
Wir werden irregeführt durch die Ausdrucksweise:
“Dieser Grund ist gut, denn er macht das
Eintreffen des Ereignisses wahrscheinlich.”
Hier ist es, als ob wir nun etwas weiteres über den Grund
ausgesagt hätten, was ihn als Grund rechtfertigt; während
mit dem Satz, daß dieser Grund das Eintreffen wahrscheinlich
macht, nichts gesagt ist, wenn nicht, daß dieser Grund einem
bestimmten Maßstab des guten Grundes entspricht,– der
Maßstab aber nicht begründet ist! |
| 3 483.
Ein guter Grund ist einer, der so aussieht.
|
| 3 484.
Man möchte sagen: “Ein guter Grund ist er
nur darum, weil er das Eintreffen wirklich
wahrscheinlich macht”. Weil er sozusagen
wirklich einen Einfluß auf das Ereignis hat; also quasi einen
erfahrungsmäßigen. |
| 3 485.
Die Rechtfertigung durch die Erfahrung hat ein Ende.
Hätte sie keins, so wäre sie keine
Rechtfertigung. |
| 3 486.
Folgt, daß dort ein Sessel steht, aus den
Sinneseindrücken, die ich empfange? – Wie
kann denn ein Satz aus Sinneseindrücken
folgen? Nun, folgt er aus den Sätzen, die die
Sinneseindrücke beschreiben? Nein. –
Aber schließe ich denn nicht aus den Eindrücken,
Sinnesdaten, daß ein Sessel dort steht? – Ich
ziehe keinen Schluß! – Manchmal aber
doch. Ich sehe z.B. eine Photographie
und sage “Es muß also dort ein Sessel gestanden
– 256 – ein
Schluß; aber keiner der Logik. Ein Schluß ist der
Übergang zu einer Behauptung; also auch zu dem der
Behauptung entsprechenden Benehmen. ‘Ich ziehe
die Konsequenzen’ nicht nur in Worten, sondern auch in
Handlungen. War ich dazu berechtigt, diese Konsequenzen zu ziehen? Was nennt man hier eine Berechtigung? – Wie wirdo das Wort “Berechtigung” gebraucht? Beschreibe Sprachspiele! Aus ihnen wird sich auch die Wichtigkeit der Berechtigung entnehmen lassen. // die Wichtigkeit des Berechtigtseins entnehmen lassen. // |
| 3 487.
“Ich verlasse das Zimmer, weil du es
befiehlst.” “Ich verlasse das Zimmer, aber nicht, weil du es befiehlst.” Beschreibt dieser Satz einen Zusammenhang meiner Handlung mit seinem Befehl; oder macht er den Zusammenhang? Kann man fragen: “Woher weißt du, daß du es deswegen tust, oder nicht deswegen tust?” Und ist die Antwort gar: “Ich fühle es”? |
| 3 488.
Wie beurteile ich, ob es so ist[,|?] Nach
Indizien? |
| 3 489.
Frage dich: Bei welcher Gelegenheit, zu welchem
Zweck, sagen wir das? Welche Handlungsweisen begleiten diese Worte? (Denk ans Grüßen!) In welchen Scenen werden sie gebraucht; und wozu? – 257
– |
| 3 490.
Wie weiß ich, daß dieser Gedankengang
mich zu dieser Handlung geführt hat? – Nun, es
ist ein bestimmtes Bild: z.B., in einer
experimentellen Untersuchung durch eine Rechnung zu einem
weitern Experiment geführt werden. Es sieht
so aus– –und nun könnte ich ein
Beispiel beschreiben. |
| 3 491.
Nicht: “ohne Sprache könnten wir uns nicht
miteinander verständigen”– wohl aber:
“ohne Sprache können wir andre Menschen
nicht so und so beeinflussen; können wir nicht Straßen und
Maschinen bauen, etc.. Und auch:
[o|O]hne den Gebrauch der Rede und der Schrift
könnten sich Menschen nicht verständigen. |
| 3 492.
Eine Sprache erfinden könnte heißen, auf Grund von
Naturgesetzen (oder in Übereinstimmung mit ihnen) eine
Vorrichtung zu bestimmtem Zweck erfinden; es hat aber auch
den andern Sinn, dem analog, in welchem wir von der Erfindung
eines Spiels reden. Ich sage hier etwas über die Grammatik des Wortes “Sprache” aus, indem ich sie mit der Grammatik des Wortes “erfinden” in Verbindung bringe. |
| 3 493.
Man sagt: “Der Hahn ruft die Hühner durch
sein Krähen herbei” – aber liegt dem nicht schon
der Vergleich mit unsrer Sprache zu Grunde? –
Wird der Aspekt nicht ganz verändert, wenn wir uns
vorstellen, durch irgend eine physika-– 258 – lische
Einwirkung setze das Krähen die Hühner in
Bewegung? Wenn aber gezeigt würde, in welcher Weise die Worte “Komm zu mir!” auf den Angesprochenen einwirken, sodaß am Schluß unter gewissen Bedingungen seine Beinmuskeln innerviert werden, etc. – würde jener Satz damit für uns den Charakter des Satzes verlieren? |
| 3 494.
Ich will sagen: Der Apparat unserer gewöhnlichen
Sprache, unserer Wortsprache, ist vor allem das,
was wir “Sprache” nennen; und dann anderes nach
seiner al Analogie oder Vergleichbarkeit
mit ihr. |
| 3 495.
Es ist klar, ich kann durch Erfahrung feststellen, daß ein
Mensch (oder Tier) auf ein Zeichen so reagiert, wie ich es
will, auf ein anderes nicht. DaSß
z.B. ein Mensch auf das Zeichen “→” hin nach
rechts, auf das Zeichen “←” nach links
geht; daß er aber auf das Zeichen “o–|” nicht so
reagiert, wie auf “←”,
etc. Ja, ich brauche gar keinen Fall zu erdichten, und nur den tatsächlichen betrachten, daß ich einen Menschen, der nur Deutsch gelernt hat, nur mit der deutschen Sprache lenken kann. (Denn das Lernen der deutschen Sprache betrachte ich nun als ein Einstellen des Mechanismus auf eine gewisse Art der Beeinflussung; und es kann uns gleich sein, ob der Andre die Sprache gelernt hat, oder vielleicht schon von Geburt so gebaut ist, daß er auf die Sätze der deutschen – 259
– Sprache so reagiert, wie der
gewöhnliche Mensch, wenn er Deutsch gelernt hat.)
|
| 3 496.
Grammatik sagt nicht, wie die Sprache gebaut sein muß,
um ihren Zweck zu erfüllen, um so und so auf Menschen zu
wirken. Sie beschreibt nur, aber erklärt in keiner
Weise, den Gebrauch der Weise Zeichen. |
| 3 497.
Man kann die Regeln der Grammatik
“willkürlich” nennen, wenn damit gesagt
sein soll, der Zweck der Grammatik sei nur der
der Sprache. Wenn einer sagt “Hätte unsere Sprache nicht diese Grammatik, so könnte sie diese Tatsachen nicht ausdrücken”– so frage man sich, was hier das “könnte” bedeutet. |
| 3 498.
Wenn ich sage, der Befehl “Brin[d|g] mir
Zucker!” und “Bring mir
Milch!”, hat Sinn, aber nicht die Kombination
“Milch mir Zucker”, so heiß das nicht, daß das
Aussprechen dieser Wortverbindung keine Wirkung hat. Und
wenn sie nun die Wirkung hat, daß der Andre mich anstarrt und
den Mund aufsperrt, so nenne ich sie deswegen nicht den Befehl,
mich anzustarren etc., auch wenn ich gerade diese
Wirkung hätte hervorbringen wollen. |
| 3 499.
Zu sagen “Diese Wortverbindung hat keinen
Sinn” schließt sie aus dem Bereich der Sprache aus und
umgrenzt dadurch das Gebiet der Sprache. Wenn man aber
eine Graenze zieht, so kann das verschiedenerlei
Gründe haben. Wenn ich – 260 – einen Platz
mit einem Zaun, einem Strich, oder sonst irgendwie umziehe, so
kann das den Zweck haben, jemand nicht hinaus, oder nicht hinein zu
lassen; es kann aber auch zu einem Spiel gehören und die
Grenze soll etwa von den Spielern übersprungen werden;
oder es kann andeuten, wo der Besitz eines Menschen
aufhört und der des andern anfängt;
etc.. Ziehe ich also eine Grenze, so
ist damit noch nicht gesagt, weshalb ich sie ziehe. |
| 4 500.
Wenn gesagt wird, ein Satz sei sinnlos, so ist nicht, quasi,
sein Sinn sinnlos. Sondern der Ausdruck wird
aus der Sprache ausgeschieden. // Sondern eine Wortverbindung wird
aus der Sprache aus[s|g]eschlossen, aus dem
Verkehr gezogen. // |
| 4 501.
“Der Zweck der Sprache ist, Gedanken
auszudrücken.” – So ist es wohl der
Zweck jedes Satzes, einen Gedanken auszudrücken.
Welchen Gedanken drückt also z.B. der
Satz “Es regnet” aus? – |
| 4 502.
Die Frage nach dem Sinn. Vergleiche:
“Dieser Satz hat Sinn.” – “Welchen?” “Diese Wortreihe ist ein Satz.” – “Welcher?” |
| 4 503.
Wenn ich jemandem einen Befehl gebe, so ist es mir ganz
genug, ihm Zeichen zu geben. Und ich würde
nie sagen: Das sind ja Worte, und ich muß hinter die
Worte dringen. Ebenso, wenn ich jemand etwas gefragt
hätte – 261
– und er gibt mir eine Antwort (also ein
Zeichen) bin ich zufrieden – Das war es, was ich
erwartete – und wende nicht ein: Das ist ja eine
bloße Antwort. |
| 4 504.
Wenn man aber sagt: “Wie soll ich wissen, was
er meint, ich sehe ja nur seine Zeichen”, so sage
ich: “Wie soll er wissen, was er
meint, er hat ja auch nur seine Zeichen.” |
| 3 405.
Muß ich einen Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln
kann? – Gewiß! s[i|o]nst
wüßtest du ja nicht, was du zu tun hast. –
Aber vom Wissen zum Tun ist ja wieder ein
Sprung! – |
| 4 506.
Der Zerstreute, der auf den Befehl “Rechts
um!” sich nach links dreht, und nun, an die Stirn
greifend, sagt “Ach so – rechts um”
und rechts um macht. – Was ist ihm
eingefallen? Eine Deutung? |
| 4 507.
“Ich sage das nicht nur, ich meine auch etwas
damit.” – Wenn man sich überlegt, was
dabei in uns vorgeht, wenn wir Worte meinen (und
nicht nur sagen) so ist es uns, als wäre dann etwas mit
diesen Worten gekuppelt, während sie sonst
leerliefen. – Als ob sie gleichsam in uns
eingriffen. |
| 4 508.
Ich sage einen Satz: “Das Wetter ist
schön”; aber die Worte sind doch willkürliche
Zeichen – setzen wir also an ihrer Statt diese:
“a b c d”. Aber nun kann ich, wenn
ich – 262
– dies lese, mit ihm nicht ohne Weiteres den
obigen Sinn verbinden. – Ich bin nicht
gewöhnt, könnte ich sagen, statt “das”
“a”, statt “Wetter”
“b” zu sagen, etc..
Aber damit meine ich nicht, ich sei nicht gewöhnt, mit
“a” sofort das Wort “das”
zu assoziieren, sondern ich bin nicht gewöhnt,
“a” an der Stelle von
“das” zu gebrauchen –
(Ich bin nicht gewöhnt, Temperaturen in Fahrenheit-Graden zu messen. Darum ‘sagt’ mit mir eine solche Temperaturangabe nichts.) |
| 4 509.
Wie, wenn wir jemanden fragten “In wiefern sind
diese Worte eine Beschreibung dessen, was du
siehst?”– und er antwortet:
“Ich meine das mit diesen
Worten.” (Er sah etwa auf eine
Landschaft.) Warum ist diese Antwort
“Ich meine das … ” gar
keine Antwort? Wie meint man, was man vor sich sieht, mit Worten? Denke, ich sagte “a b c d” und meine damit: Das Wetter ist schön. Ich hatte nämlich beim Aussprechen dieser Zeichen das Erlebnis, welchess normalerweise nur der hätte, der jahraus jahrein “a” in der Bedeutung von “das”, “b” in der Bedeutung von “Wetter”, u.s.w., gebraucht hat. – Sagt dann “abcd” “abcd”: das Wtter Wetter ist schön? Welches soll das Kriterium dafür sein, daß ich dies – 263
– Erlebnis hatte? // daß dies mein Erlebnis
war? // |
| [4|5]10.
Mach diesen Versuch: Sag “Hier
ist es kalt” und meine “Hier ist es
warm”. Kannst du es? – Und was
tust du dabei? Und gibt es nur eine Art, das zu
tun? |
| [4|5]11.
Was heißt es denn: “entdecken, daß eine
Aussage keinen Sinn hat”? – Und was
heißt das: “Wenn ich etwas damit meine,
muß es doch Sinn haben”? – Wenn ich etwas
damit meine? – Wenn ich was damit
meine?! – Man will sagen: der
sinnvolle Satz ist der, den man nicht nur sagen, sondern den
man auch denken kann. |
| [4|5]12.
Es scheint, als könnte man sagen: “Die
Wortsprache läßt unsinnige Wortzusammenstellungen zu, die
Sprache der Vorstellungen aber nicht unsinnige
Vorstellungen.” – Also die Sprache der
Zeichnung auch nicht unsinnige Zeichnungen? Denke, es
wären Zeichnungen, nach denen Körper modelliert werden
sollen. Dann haben manche Zeichnungen Sinn, manche
keinen. – Wie, wenn ich mir unsinnige
Wortzusammenstellungen vorstelle? |
| [4|5]13.
Betrachte diese Ausdrucksform: “Mein Buch hat
soviel Seiten, wie eine Lösung der Gleichung
x³ + 2x
‒ 3 = 0 beträgt.”
Oder: “Die Zahl meiner Freunde ist n
und n² + 2n
+ 2 = 0.” Hat dieser Satz
Sinn? Es ist ihm unmittelbar nicht
anzukennen. Man sieht an diesem Beispiel,
wie es zugeht, daß etwas wie ein Satz aussieht,
den wir ver-– 264
– stehen, was doch keinen Sinn
ergibt. // , wie es zugehen
kann, daß etwas aussieht, wie ein Satz, den wir verstehen,
was doch keinen Sinn ergibt. //
(Dies wirft ein Licht auf den Begriff ‘Verstehen’ und ‘Meinen’.) |
| 514.
Ein Philosoph sagt: er verstehe den Satz “Ich
bin hier”, meine etwas mit ihm, denke etwas,– auch
wenn er sich gar nicht darauf besinnt, wie, bei welcher
Gelegenheit, dieser Satz verwendet wird. Und wenn ich
sage “[d|D]ie Rose ist auch im Finstern
rot”, so siehst du diese Röte im Finstern
förmlich vor dir. |
| 515. Zwei
Bilder der Rose im Finstern. Das eine ist ganz schwarz;
denn die Rose ist unsichtbatr. Im
andern ist sie in allen Einzelheiten gemalt und von Schwärze
umgeben. Ist eines von
|
| 516.
Es scheint klar: wir verstehen, was die Frage bedeutet
“Kommt die Ziffernfolge
7777 in der
[D|E]ntwicklung von π
vor?” Es ist ein deutscher Satz; man kann
zeigen, was es heißt,
415 komme in der
Entwicklung von π vor; und
ähnliches. Nun, soweit solche Erklärungen
reichen, soweit, kann man sagen, verts
versteht man jene Frage. Es – 265 – |
| 517. Es
frägt sich: Können wir uns denn darin nicht
irren, daß wir eine Frage verstehen? Denn mancher mathematische Beweis führt uns eben dazu, zu sagen, daß wir uns nicht vorstellen können, was wir glaubten, uns vorstellen zu können. (Z.B. die Konstruktion des Siebenecks.) Er führt uns dazu, zu revidieren, was uns als der Bereich des Vorstellbaren galt. |
| 518.
Sokrates zu
Theaitetos:
“Und wer vorstellt, sollte nicht etwas
vorstellen?” –
Th.:
“Notwendig.” –
Sok.: “Und wer etwas vorstellt,
nichts Wirkliches?” –
Th.: “So scheint
es.” Und wer malt, sollte nicht etwas malen – und wer etwas malt, nichts Wirkliches? – Ja, was ist das Objekt des Malens: das Menschenbild (z.B.) oder der Mensch, den das Bild darstellt? |
| 519. Man will
sagen: ein Befehl sei ein Bild der Handlung, die nach ihm
ausgeführt wurde; aber auch, ein Bild der Handlung, die nach
ihm ausgeführt werden soll. |
| 520.
“Wenn man auch den Satz als Bild eines möglichen
Sachverhalts auffaßt und sagt, er zeige die Möglichkeit
des Sachverhalts, so kann doch der Satz
– 266
– was (logisch) möglich genannt
wird, und was nicht,– nämlich eben was sie
zuläßt?” – Aber das ist doch
willkürlich! – Ist es
willkürlich? – Nicht mit jeder
Sat satzartigen Bildung wissen wir etwas
anzufangen, nicht jede Technik hat eine Verwendung in unserm
Leben, und wenn wir in der Philosophie versucht sind, etwas ganz
Unnützes unter die Sätze zu zählen, so geschieht
es oft, weil wir sei uns seine Anwendung nicht
genügend überlegt haben. |
| 521.
Vergleiche ‘logisch möglich’ mit
‘chemisch möglich’. Chemisch
möglich könnte man etwa eine Verbindung nennen, für
die es eine Strukturformel mit den richtigen Valenzen gibt (etwa
H-O-O-O-H).
Eine solche Verbindung muß natürlich nicht
existieren; aber auch einer Formel HO2 kann nicht
weniger in der Wirklichkeit entsprechen, als keine
Verbindung. |
| 522. Wenn wir
den Satz mit einem Bild vergleichen, so müssen wir bedenken,
ob mit einem Porträt (einer historischen
Darstellung) oder eine mit einem Genrebild.
Und beide Vergleiche haben Sinn. Wenn ich ein Genrebild anschaue, so ‘sagt’ es mir etwas, auch wenn ich keinen Augenblick glaube (mir einbilde), die Menschen, die ich darin sehe, seien wirklich, oder es habe wirkliche Menschen in dieser Situation gegeben. Denn wie, wenn ich fragte: “Was sagt es mir denn?” // Welcher Art wäre die Antwort auf die Frage: “Was sagt es mir – 267 –
denn?” // 323. 4 523. |
| “Das Bild sagt mir sich
selbst”,– möchte ich
sagen. D.h., daß es mir etwas
sagt, besteht in seiner eigenen Struktur, in seinen
Formen und Farben. (Was hieße es, wenn man sagte
“Das musikalische Thema sagt mir sich
selbst”?) |
| 4 524.
Sieh es nicht als selbstverständlich an, sondern als ein
merkwürdiges Faktum, daß uns Bilder und erdichtete
Erzählungen Vergnügen bereiten; unsern Geist
beschäftigen. (“Sieh es nicht als selbstverständlich an”– das heißt: Wundere dich darüber so, wie über anderes, was dich beunruhigt. Dann wird das Problematische verschwinden, indem du die eine Tatsache so wie die andere hinnimmst.) ((Übergang von einem offenkundigen zu einem nichtoffenkundigen Unsinn.)) |
| 4 525.
“Nachdem er das gesagt hatte, verließ er sie wie am
vorigen Tage.” – Verstehe ich diesen
Satz? Verstehe ich ihn ebenso, wie ich es täte,
wenn ich ihn im Verlau[g|f]e einer Mitteilung
hörte? Steht er isoliert da, so würde ich
sagen, ich weiß nicht, wovon er handelt. Ich
wüßte aber doch, wie man diesen Satz etwa gebrauchen
könnte; ich könnte selbst einen Zusammenhang für ihn
erfinden. (Eine Menge wohlbekannter Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richt[i|u]ngen. |
| 4 526.
Was heißt es, ein Bild, eine Zeichnung zu verstehen?
– 268 – Auch da
gibt es Verstehen und Nichtverstehen. Und auch da
können diese Ausdrücke verschiedenerlei bedeuten.
Das Bild ist etwa ein Stilleben; einen Teil davon aber verstehe
ich nicht: ich bin nicht fähig, dort Körper zu
sehen, sondern sehe nur Farbflecke auf der Leinwand. –
Oder ich sehe alles körperlich, aber es sind
Gegenstände, die ich nicht kenne (sie schauen aus wie
Geräte, aber ich kenne ihren Gebrauch nicht). –
Vielleicht aber kenne ich die Gegenstände, verstehe aber,
in anderem Sinne – ihre Anordnung nicht. |
| 4 527.
Das Verstehen eines Satzes der Sprache ist dem Verstehen
eines Themas in der Musik viel verwandter, als man etwa
glaubt. Ich meine es aber so: daß das Verstehen
des sprachlichen Satzes näher, als man denkt, dem liegt,
was man gewöhnl[c|i]ch Verstehen
|
| 4 528.
Man könnte sich Menschen denken, die etwas einer
– 269 – Sprache nicht
ganz unähnliches besäßen: Lautgebärden,
ohne Wortschatz oder Grammatik.
(‘Mit Zungen
reden’) |
| 4 529.
“Was wäre aber hier die Bedeutung der
Laute?” – Was ist sie in der
Musik? Wenn ich auch gar nicht sagen will, daß
diese Sprache der klanglichen Gebärden mit Musik verglichen
werden müßte. |
| 4 530.
Es könnte auch eine Sprache geben, in deren Verwendung
die ‘Seele’ der Worte keine Rolle
spielt. In der uns z.B.
nichts daran liegt, ein Wort durch ein beliebig erfundenes
neue zu ersetzen. (?) |
| 4 531.
Wir reden vom Verstehen eines Satzes in dem Sinne, in welchem er
durch einen andern ersetzt werden kann, der das
[g|G]leiche sagt; aber auch in dem Sinne, in welchem er
durch keinen andern ersetzt werden kann. (So wenig,
wie ein musikalisches Thema durch ein anderes.)
In Im einen Fall ist der Gedanke des Satzes, was verschiedenen Sätzen gemeinsam ist; im andern, etwas, was nur diese Worte, in diesen Stellungen, ausdrücken. (Verste[e|h]en eines Gedichts.) |
| 4 532.
So hat also “verstehen” hier zwei verschiedene
Bedeutungen? – Ich möchte
sagen // Ich will lieber
sagen // , diese Gebrauchsarten von
“verstehen” bilden seine Bedeutung, meinen
Begriff des Verstehens. Denn ich will “verstehen” auf alles das anwenden. – 270
– |
| 4 533.
Wie kann man aber in jenem zweiten Falle den Ausdruck
erklären, das Verständnis übermitteln?
Frage dich: Wie führt man jemand
zum Verständnis eines Gedichts, oder eines Themas?
Die Antwort darauf sagt, wie man hier den Sinn
erklärt. |
| 4 534.
Ein Wort in dieser Bedeutung hören.
Wie seltsam, daß es so etwas gibt!
So phrasiert, so betont, so gehört, ist der Satz der Anfang eines Übergangs zu diesen Sätzen, Bildern, Handlungen. ((Eine Menge wohlbekannter Pfade führen f von diesen Worten aus nach in allen Richtungen.)) |
| 4 535.
Was geschieht, wenn wir lernen, den Schluß einer
Kirchentonart als Schluß zu empfinden?
|
| 4 536.
Ich sage: “Dieses Gesicht (das den Eindruck
der Furchˇtsamkeit macht) kann ich mir auch als
ein mutiges denken.” Damit meinen wir nicht,
daß ich mir vorstellen kann, wie jemand mit diesem Gesicht etwa
einemm Andern das Leben retten kann
(das kann man sich natürlich zu jedem Gesicht
vorstellen). Ich rede vielmehr von
einˇem Aspekt des Gesichtes
selb[t|s]t. Was ich meine, ist auch nicht, ich
könne mir vorstellen, daß dieser Mensch sein Gesicht in
ein mutiges, im gewöhnlichen Sinn, verändern kann;
– 271
– Umdeutung eines Gesichtsausdrucks ist zu
vergleichen der Umdeutung eines Akkords in der Musik, wenn wir ihn
einmal als Überleitung in diese in die
eine, einmal in jene in die
andere Tonart empfinden. |
| 4 537. Man kann sagen: “Ich lese die Furchtsamkeit in diesem Gesicht,”, aber jedenfalls scheint mit dem Gesicht Furchtsamkeit nicht bloß assoziiert, äußerlich verbunden; sondern die Furcht lebt in den Gesichtszügen. // spiegelt sich in den Gesichtszügen. //
|
| 4 538.
Es ist ein verwandter Fall (obwohl es vielleicht nicht so
scheinen möchte) wenn wir uns z.B.
darüber wundern, daß im Französischen das
prädikative Adjektiv mit dem Substantiv im Geschlecht
übereinstimmt, und wenn wir uns dies so erklären:
Sie meinen “der Mensch
sei ˇist ein
guter”. – 272 – |
| 4 539.
Ich sehe ein Bild, das einen lächelnden Kopf
darstellt. Was tue ich, wenn ich das Lächeln
einmal als ein freundliches, einmal als ein böses
auffasse? Stelle ich es mir nicht oft in einer
räumlichen und zeitlichen Umgebung vor, die freundlich oder
böse ist? So könnte ich mir zu dem Bild
vorstellen, daß der Lächelnde auf ein spielendes Kind
herunterlächelt, oder aber auf das Leiden eines Feindes.
Daran wird nichts geändert dadurch, daß ich mir auch die auf den ersten Blick liebliche Situation durch eine weitere Umgebung wieder anders deuten kann. – Ein gewisses Lächeln werde ich, wenn keine besondern Umstände meine Deutung umstellen, als freundliches auffassen, ein “freundliches” nennen, entsprechend reagieren. ((Wahrscheinlichkeit, Häufigkeit)) |
| 440. |
| – 273 –
|
|
|
|
– 274 – Und nun
sag ja nicht: “Die Wörter
einer uns geläufigen Sprache fühlen sich eben in ganz
bestimmter Weise an”. (Was ist der
Ausdruck dieses Gefühls?) |
| 4 543.
Kann ich nicht sagen: der Schrei, das Lachen, seien voll
von Bedeutung? Und das heißt ungefähr: [e|E]s ließe sich viel aus ihnen ablesen. |
| 4 544.
Wenn die Sehnsucht aus mir spricht “Wenn er doch
nur käme!”–, gibt das
Gefühl den Worten ‘Bedeutung’. Gibt
es aber den einzelnen Worten ihre Bedeutungen?
Man könnte hier aber auch sagen: das Gefühl gebe den Worten Wahrheit. Und da siehst du, wie hier die Begriffe ineinander fließen. (Dies erinnert an die Frage: Was ist der Sinn eines mathematischen Satzes?) |
| 4 545.
Wenn man aber sagt “Ich hoffe, er wird
kommen”– gibt das Gefühl nicht dem Worte
“hoffen” seine Bedeutung? (Und
wie ist es mit dem Satz “Ich hoffe nicht
mehr, daß er kommen wird”?) Das
Gefühl gibt dem Worte “hoffen” vielleicht
seinen besondern Klang; d.h., es hat seinen
Ausdruck im Klang. – Wenn das Gefühl dem
Wort seine Bedeutung gibt, so heißt
“Bedeutung” hier: das, worauf es
ankommt. Warum aber kommt es aufs Gefühl
an? Ist die Hoffnung ein Gefühl? (Kennzeichen.) |
| 4 546.
So, möchte ich sagen, sind die Worte
“Möchte er doch – 275
– kommen!” mit meinem Wunsche
geladen. Und [w|W]orte können sich uns
entringen,– wie ein Schrei. Worte können
schwer auszusprechen sein: solche
z.B., mit denen man auf etwas Verzicht
leistet, oder eine Schwäche eingesteht.
(Worte sind auch Taten.) |
|
Will man es bildlich darstellen, so wird man mit dem Bild des Ereignisses verschiedenes vornehmen: es durchstreichen, es abzäunen, und dergleichen. Aber das, kommt uns vor, ist eine rohe Methode des Ausdrucks. In der Wortsprache gar verwenden wir das Zeichen “nicht”. Dies ist wie ein ungeschickter Behelf. Man meint: im Denken geschieht es schon anders. |
|
|
|
– 276
– anlassung, etwas – möglicherweise
sehr kompliziertes – zu tun. Es ist, als
veranlaßte uns das Zeichen der Negation zu etwas.
Aber wozu? Das wird nicht gesagt. Es ist,
als brauchte es nur angedeutet werden; als wüßten wir es
schon. Als sei eine Erklärung unnötig, da wir
die Sache ohnehin schon kennen. |
| 4 550.
Die Negation, könnte man sagen, ist eine ausschließende,
abweisende, Gebärde. Aber eine solche
Gebärde verwenden wir in sehr verschiedenen
Fällen! |
| 4 551.
“Ist es die gleiche Verneinung:
‘Eisen schmilzt nicht bei 100 Grad C’ und
‘2 mal 2 ist nicht 5’?” Soll
das durch Introspektion
|
| 4 552.
Wie, wenn ich fragte: Zeigt es sich uns klar,
während wir die Sätze aussprechen “Dieser
Stab ist 1 m lang” und “Hier steht
1 Soldat”, daß wir mit “1” Verschiedenes
meinen, daß “1” verschiedene Bedeutungen
hat? – Es zeigt sich uns gar nicht. –
Sag etwa einen Satz wie “Auf je 1 m steht
ein Soldat, auf je 2 m also 2
Soldaten”. Gefragt “Meinst du
dasselbe mit den beiden Einsern?”, würde
man etwa antworten: “Freilich meine ich
dasselbe: eins!” (Dabei
hebt man etwa einen Finger in die Höhe.) |
| 4 553.
Hat nun die “1”
verschiedene Bedeutung, wenn sie einmal für die Maßzahl,
ein andermal für die Anzahl steht? – 277 – Wird die
Frage so gestellt, so wird man sie bejahen.
|
| 4 554.
Wir können uns leicht Menschen mit einer
‘primitiveren’ Logik denken, in der es etwas
unserer Verneinung entsprechendes nur für bestimmte Sätze
gibt; für solche etwa, die noch keine Verneinung
enthalten. In dieser Sprache Man
könnte den Satz “Er geht in das Haus”
verneinen, eine Verneinung des negativen Satzes aber wäre
sinnlos, oder würde nur sie gilt nur als
Wiederholung der Verneinung. Denk an andere Mittel, als
die unseren, eine Verneinung auszudrücken: etwa durch die
Tonhöhe des Satzes. Wie sähe hier eine
doppelte Verneinung aus? |
| 4 555.
Die Frage, ob für diese Menschen die Verneinung
dieselbe Bedeutung hat, wie für uns, wäre analog der,
ob die Ziffer “5” für Menschen, deren
Zahlenreihe mit 5 endigt, dasselbe bedeutet, wie für
uns. |
| 4 556.
Denk dir eine Sprache mit zwei verschiedenen Worten für die
Verneinung, das eine ist “X”, das andere
“Y”. Ein doppeltes
“X” gibt eine Bejahung, ein doppeltes
“Y” aber eine verstärkte
Verneinung. Im übrigen werden die beiden
Wörter gleich verwendet. – Haben nun
“X” und “Y” die
gleiche Bedeutung, wenn sie ohne Wiederholung in Sätzen
vorkommen? – Darauf könnte man
[v|V]erschiedenes antworten.
a) Die beiden Wörter haben verschiedenen Gebrauch. Also verschiedene Bedeutung. Sätze aber, in denen sie ohne – 278 – Wiederholung
stehen, und die im übrigen gleich lauten, haben gleichen
Sinn. b) Die beiden Wörter haben die gleiche Funktion in Sprachspielen, bis auf die eine Verschiedenheit, die eine unwichtige Sache des Herkommens ist. Der Gebrauch beider Wörter wird auf die gleiche Weise gelehrt, durch die gleichen Handlungen, Gebärden, Bilder, etc.; und der Unterschied in ihrer Gebrauchsweise wird als etwas [n|N]ebensächliches, als einer von den kapriziösen Zügen der Sprache, der Erklärung der Wörter hinzugefügt. Darum werden wir sagen: “X” und “Y” haben die gleiche Bedeutung. c) Mit den beiden Verneinungen verbinden wir verschiedene Vorstellungen. “X” dreht gleichsam den Sinn um 180 Grad. Und darum bringen zwei solche Verneinungen den Sinn in seine alte Lage zurück. “Y” ist wie ein Kopfschütteln. Und wie man nicht ein Kopfschütteln durch ein zweites aufhebt, so auch nicht ein “Y” durch ein zweites. Und wenn also auch Sätze mit den beiden Verneinungen praktisch auf's selbe hinauskommen, so drücken “X” und “Y” doch verschiedene Ideen aus. |
| 4 557.
Worin mag das gelegen haben, als ich die doppelte Verneinung
aussprach, daß ich sie als verstärkte Verneinung und nicht
als Bejahung meinte? Es gibt keine Antwort, die
lautet: “Es lag darin, daß
…”. Statt zu sagen:
“Diese Verdoppelung ist als Verstärkung
gemeint” kann ich sie unter – 279
– gewissen Umständen als
Verstärkung aussprechen. Statt zu
sagen “Die Verdopplung der Verneinung ist als
Aus ihre Aufhebung gemeint”, kann ich
z.B. Klammern setzen. –
“Ja, aber diese Klammern selbst können doch
verschiedene Rollen spielen; denn wer sagt, daß sie als
Klammern aufzufassen seien?”
Niemand sagt es. Und du hast ja deine Auffassung
wieder
|
| [4|5]58.
Was heißt es, daß im Satze “Die Rose ist
rot” das “ist” eine andere Bedeutung hat,
als in “zwei mal zwei ist vier”?
Wenn man antwortet, es heiße, daß verschiedene Regeln
v[i|o]n diesen beiden Wörtern gelten, so ist zu
sagen, daß wir hier nur ein Wort
haben. – Und wenn ich nur auf die grammatischen
Regeln achte, so erlauben diese eben die Verwendung des Wortes
“ist” in
|
| [4|5]59.
Man möchte etwa von der Fu[m|n]ktion des Wortes in
diesem Satz ree n
reden. Als sei der Satz ein Mechanismus, – 280 – in welchem
das Wort eine bestimmte Funktion habe. Aber worin
besteht diese Funktion? Wie tritt sie zu Tage?
Denn es ist ja nichts verborgen, wir sehen ja den ganzen
Satz! Die Funktion muß sich im Laufe
des Kalkülsch // in der
Anwendung // zeigen.
((Bedeutungˇskörper)) |
| [4|5]60.
“Die Bedeutung des Wortes ist das, was die
Erklärung der Bedeutung erklärt.”
D.h.: willst du den Gebrauch des
Worts “Bedeutung” verstehen, so sieh nach, was man
“Erklärung der Bedeutung” nennt.
(?) |
| [4|5]61.
Ist es nun nicht merkwürdig, daß ich sage, das Wort
“ist” werde in zwei verschiedenen Bedeutungen
(als Kopula und als Gleichheitszeichen) gebraucht, und nicht
sagen möchte, seine Bedeutung sei sein Gebrauch:
nämlich als Kopula und Gleichheitszeichen?
Man möchte sagen, diese beiden Arten des Gebrauchs geben nicht eine Bedeutung; // eine einzige Bedeutung // ; die Personalunion durch das gleiche Wort sei ein unwesentlicher Zufall. |
| [4|5]62.
Aber wie kann ich entscheiden, welches ein wesentlicher und
welches ein unwesentlicher, zufälliger Zug der Notation
ist? Liegt denn eine Realität hinter der
Notation, nach der sich ihre Grammatik richtet?
Denken wir an einen ähnlichen Fall im Spiel: im Damespiel wird eine Dame dadurch gekennzeichnet, daß man zwei – 281
– Spielsteine aufeinanderlegt.
Wird man nun nicht sagen, daß es für das Spiel
unwesentlich ist, daß eine Dame aus zwei Steinen
besteht? |
| [4|5]63.
Sagen wir: die Bedeutung eines Steines (einer Figur)
ist ihre Rolle im Spiel. – Nun werde vor Beginn jeder
Schachpartie durch das Los entschieden, welcher der Spieler
Weiß erhält. Dazu halte der [e|E]ine
in jeder geschlossenen Hand einen Schachkönig, der
[A|a]ndre wählt auf gut Glück eine der beiden
Hände. Wird man es nun zur Rolle des Schachkönigs
im Schachspiel rechnen, daß er so zum Auslosen verwendet
wird? |
| [4|5]64.
Ich bin also geneigt, auch im Spiel zwischen
Wwesentlichen und unwesentlichen Regeln zu
unterscheiden. Das Spiel, möchte man sagen, hat
nicht nur Regeln, sondern auch einen Witz.
|
| [4|5]65.
Wozu das gleiche Wort? Wir machen ja im Kalkül
keinen Gebrauch von dieser Gleichheit! – Warum
für beide Zwecke die gleichen Spielsteine? –
Aber was heißt es hier “von der Gleichheit
Gebrauch machen”? Ist es denn nicht ein
Gebrauch, wenn wir eben das gleiche Wort gebrauchen?
|
| [4|5]66.
Hier scheint es nun, als hätte der Gebrauch des
gleei gleichen Worts, des gleichen Steins,
einen Zweck – wenn die Gleichheit nicht
zufällig, unwesentlich, ist. Und als sei der Zweck,
daß man den Stein wiedererkennen, und wissen könne, wie
man zu spielen hat. – Ist da von einer
phy-– 282
– sischen, oder einer logischen
Möglichkeit die Rede? Wenn das Letztere, so
gehört eben die Gleichheit der Steine zum Spiel. |
| [4|5]67.
Das Spiel soll doch durch die Regeln bestimmt sein!
Wenn also eine Spielregel vorschreibt, daß zum Auslosen vor
der Schachpartie die Könige zu verwenden sind, so
gehört das, wesentlich, zum Spiel. Was
könnte man dagegen einwenden? Daß man den
Witz dieser Vorschrift nicht einsehe. Etwa, wie wenn
man auch den Witz einer Regel nicht einsähe, nach der jeder
Stein dreimal umzudrehen wäre, ehe man mit ihm zieht.
Fänden wir diese Regel in einem Brettspiel, so würden
wir uns wundern und Vermutungen über den Zweck der Regel
anstellen. (“Sollte diese Vorschrift
verhindern, daß man ohne Überlegung
zieht?”) |
| [4|5]68.
Wenn ich den Charakter des Spiels richtig verstehe, –
könnte ich sagen – so gehört das nicht wesentlich
dazu. ((Die Bedeutung eine Physiognomie)) |
| [4|5]69.
Die Sprache ist ein Instrument. Ihre Begriffe sind
Instrumente. Man denkt nun etwa, es könne keinen
großen Unterschied machen,
welche Begriffe wir verwenden. Wie man
schließlich mit Fuß und Zoll Physik treiben kann, sowie mit
m und cm; der Unterschied sei doch nur einer
der Bequemlichkeit. Aber auch das ist nicht wahr, wenn,
z.B., Rechnungen in einem Maßsystem mehr Zeit
und Mühe er-– 283
– forfordern, als wir aufwenden
können. |
| [4|5]70.
Begriffe leiten uns zu Untersuchungen. Sind der
Ausdruck unseres Interesses, und lenken unser
Interesse. |
| [4|5]71.
Irreführende Parallele: Psychologie handelt von den
Vorgängen in der psychischen Sphäre, wie Physik in der
physischen. Sehen, Hören, Denken, Fühlen, Wollen, sind nicht im gleichen Sinne die Gegenstände der Psychologie, wie die Bewegungen der Körper, die elektrischen Erscheinungen, etc., Gegenstände der Physik. Das siehst du daraus, daß der Physiker diese Erscheinungen sieht, hört, über sie nachdenkt, sie uns mitteilt, und der Psychologe die Äußerungen (das Benehmen) des Subjekts beobachtet. ( |
| [4|5]72.
Erwartung ist, grammatikalisch, ein Zustand:
wie: einer Meinung sein, etwas hoffen, etwas wissen, etwas
können. Aber die um die Grammatik
dieser Zustände zu verstehen, muß man fragen:
“Was gilt als Kriterium dafür, daß sich
jemand in diesem Zustand befindet?”
(Zustand der Härte, des Gewichts, des
Passens.) |
| [4|5]73.
Eine
Man darf eben von der Antwort auf die Frage noch keinen – 284
– noch Aufschluß
erwarten. Fragen, welche tiefer dringen, sind:
Was sehen wir, in bes[i|o]ndern Fällen, als
Kriterien dafür an, daß Einer die und die Meinung
hat? Wann sagen wir: er sei damals zu dieser
Meinung gekommen? Wann: er habe seine
Meinung geändert?
U.s.w. Das Bild, welches die
Antworten auf diese Fragen uns geben, zeigt, was hier
grammatisch als Zustand behandelt wird. |
| [4|5]74.
Ein Satz, und daher in anderm Sinne ein Gedanke, kann der
‘Ausdruck’ des Glaubens, Hoffens, Erwartens,
etc., sein. Aber Glauben ist nicht
Denken. (Eine grammatische Bemerkung.)
Die Begriffe des Glaubens, Erwartens, Hoffens, sind einander
weniger artfremd, als die sie dem Begriff des Denkens
sind. |
| [4|5]75.
Als ich mich auf diesen Stuhl setzte, glaubte ich
natürlich, er werde mich tragen. Ich dachte gar
nicht, daß er zusammenbrechen könnte.
Aber: “Trotz allem, was er tat, hielt ich an dem Glauben fest, …” Hier wird gedacht,, und etwa immer wieder eine bestimmte Einstellung erkämpft. |
| [4|5]76.
Ich schaue auf die brennende Lunte, folge mit höchster
Spannung Fortschreiten des Brandes und wie er sich
dem Explosivstoff nähert. Ich denke vielleicht
überhaupt nichts, oder eine Menge abgerissener
Gedanken. Das ist ein gewiß ein Fall des
Erwartens. – 285
– |
| [4|5]77.
Wir sagen “Ich erwarte ihn”, wenn wir
glauben, er w[w|e]rde kommen, sein Kommen uns aber nicht
beschäftigt.
¥
Wir sagen aber auch “Ich erwarte ihn”, wenn
dies heißen soll: Ich harre auf ihn. Wir
könnten uns eine Sprache denken, die in diesen Fällen
konsequent verschiedene Verben benützt. Und ebenso
mehr als ein Verbum dort, wo wir von ‘glauben’,
‘hoffen’, u.s.w.
reden. Die Begriffe dieser Sprache wären für
ein Verständnis der Psychologie vielleicht
geeigneter, als die Begriffe unsrer Sprache. |
| ⍈↺⋎
(I (“Ich erwarte
ihn” hieße hier “Ich wäre erstaunt,
wenn er nicht käme”– und das wird man nicht die
Beschreibung eines Seelenzustands nennen.)
|
| [4|5]78.
Frage dich: Was heißt es, den
Goldbach'schen Satz glauben? Worin besteht
dieser Glaube? In einem Gefühl der
Sicherheit, wenn wir den Satz aussprechen, hören, oder
denken? // In einem Gefühl
der Sicherheit, das das Aussprechen, Hören, oder Denken
des Satzes begleitet? // Und
was sind die Kennzeichen (Das interessierte uns
nicht.) Und was sind die Kennzeichen dieses
Gefühls? Ich weiß ja auch nicht, wie weit das
Gefühl durch den Satz selbst hervorgerufen sein
mag. Soll ich sagen, der Glaube ist ein Farbton der Gedanken? Woher diese Idee? Nun, es gibt einen Tonfall des Glaubens, wie des Zweifels. Ich möchte fragen: Wie greift der Glaube in diesen – 286
– Satz ein? Sehen wir nach,
welche Konsequenzen
|
| [4|5]79.
Das Gefühl der Zuversicht. Wie äußert es
sich im Benehmen? |
| [4|5]80.
Ein ‘innerer Vorgang’ bedarf äußerer
Kriterien. |
| [4|5]81.
Eine Erwartung ist in einer Situation eingebettet, aus der sie
entspringt. Die Erwartung einer Explosion kann
z.B. aus einer Situation entspringen, in der
eine Explosion zu erwarten ist.
(?) |
| [4|5]82.
Wenn Einer, statt zu sagen “Ich erwarte jeden
Moment die Explosion”, flüstert:
“Es wird gleich losgehen.”,
so beschreiben doch seine Worte keine Empfindung; obgleich sie
und ihr Ton eine Äußerung seiner Empfindung sein
können. |
| [4|5]83.
“Aber du sprichst ja, als erwartete, hoffte, ich nicht
eigentlich jetzt – da ich zu hoffen glaube.
Als wäre, was jetzt geschieht, ohne tiefe
Bedeutung.” – Was heißt es:
“Was jetzt geschieht, hat Bedeutung” oder
“hat tiefe Bedeutung”? Was ist eine
tiefe Empfindung? Könnte Einer eine
Sekunde lang innige Liebe oder Hoffnung empfinden,–
was immer dieser Sekunde voranging, – 287 – oder ihr folgt?
‒ ‒ Was jetzt geschieht, hat Bedeutung – in
dieser Umgebung. Die Umgebung gibt ihm die
Wichtigkeit. Und das Wort “hoffen”
bezieht sich auf ein Phänomen im
menschlichen Leben // des
menschlichen Lebens // . (Ein
lächelnder Mund lächelt nur in einem
menschlichen Gesicht.) |
| [4|5]84.
Wenn ich nun in meinem Zimmer sitze und hoffe,
N.N. werde kommen und mir Geld bringen, und
eine Minute dieses Zustands könnte isoliert, aus ihrem
Zusammenhang herausgeschnitten werden: wäre, was in
ihr geschieht, dann kein Hoffen? – Denke,
z.B., an die Worte, die du etwa in dieser
Zeit ausspricht. Sie gehören nun nicht mehr dieser
Sprache an. Und die Institution des Geldes gibt es in
einer andern Umgebung auch nicht. Eine Königskrönung ist das Bild der Pracht und Würde. Schneide eine Minute dieses Vorgangs aus ihrer Umgebung heraus: dem König im Krönungsmantel wird die Krone aufs Haupt gesetzt. – In einer andern Umgebung aber ist Gold das billigste Metall, sein Glanz gilt als gemein. Das Gewebe des Mantels ist dort billig herzustellen. Die Krone ist die Parodie eines anständigen Huts. Etc. |
| [4|5]85.
Wenn Einer sagt “Ich hoffe, er wird
kommen”– ist das ein Bericht über
seinen Seelenzustand, oder eine Äußerung
seiner Hoffnung? – Ich kann es
z.B. zu mir selbst sagen. Und mir
mache ich doch keinen Bericht. Es kann – 288 – ein Seufzer sein; aber
muß kein Seufzer sein. Sage ich jemandem
“Ich kann heute meine Gedanken b
nicht bei der Arbeit halten; ich denke immer an sein
kommen”– so wird man das eine
Beschreibung meines Seelenzustandes nennen. |
| 4 586.
“Ich habe gehört, er wird kommen; ich erwarte ihn
schon den ganzen Tag.” Dies ist ein Bericht
darüber, wie ich den Tag verbracht habe. ‒ ‒
Ich komme in einem Gespräch zum Ergebnis, daß ein
bestimmtes Ereignis zu erwarten sei, und ziehe diesen Schluß mit
den Worten: “Ich muß also jetzt sein Kommen
erwarten”. Das kann man den ersten Gedanken,
den ersten Akt, dieser Erwartung nennen. ‒ ‒ Den
Ausru[g|f] “Ich erwarte ihn
sehnsüchtig!” kann man einen Akt des Erwartens
nennen. Ich kann aber die selben Worte als das Resultat
einer Selbstbeobachtung aussprechen, und sie hießen dann
etwa: “Also nach allem, was vorgegangen ist,
erwarte ich ihn dennoch mit Sehnsucht”. Es
kommt darauf an: Wie ist es zu diesen Worten
gekommen? |
| [4|5]87.
Hat es Sinn, zu fragen “Woher weißt du, daß du
das glaubst?”– und ist die Antwort:
“Ich erkenne es durch
Introspektion”? In manchen Fällen wird man so etwas sagen können, in den meisten nicht. Es hat Sinn, zu fragen: “Liebe ich sie wirklich, mache ich mir das nicht nur vor?” und der Vorgang der Introspektion ist das Wachrufen von Erinnerungen; von Vorstellungen mögli – 289 – möglicher
Situationen und der Gefühle, die man hätte, wenn
… |
| [4|5]88.
“Ich wälze den Entschluß in mir herum, morgen
abzureisen.” (Dies kann man eine
Beschreibung des Gemü[r|t]szustandes
nennen.)‒ ‒ “Deine Gründe
überzeugen mich nicht; Ich bin nach wie vor der Absicht,
morgen abzureisen.” Hier wird man versucht
sein, die Absicht ein Gefühl zu nennen. Das
Gefühl ist das einer gewissen Steifigkeit; des
unabänderlichen Entschlusses. (Aber es gibt auch
hier viele verschiedene charakteristische Gefühle, und
Haltungen.)‒ ‒ Man fragt mich:
“Wie lange bleibst du hier?” Ich
antworte: “Morgen reise ich ab; meine Ferien
gehen zu Ende.” – Dagegen aber:
Ich sage am Ende eines Streits “Nun gut; dann
reise ich morgen ab!” Ich fasse einen
Entschluß. |
| [4|5]89.
“Ich habe mich ent in meinem Herzen
dazu entschlossen.” Und man ist dabei auch
geneigt, auf die Brust zu zeigen. Diese Redeweise ist
psychologisch ernst zu nehmen. Warum sollte sie weniger
ernst zu nehmen sein, als die Aussage, der Glaube sei ein Zustand
der Seele? (Luther: “Der Glaube ist unter der
linken Brustzitze.”) |
| [4|5]90.
Es könnte sein, daß jemand die Bedeutung des
Ausdrucks “was man sagt, ernstlich
meinen” durch ein Zeigen auf das Herz
verstehen lernen. Aber nun muß man
fragen “Wie zeigt sich's, daß er es
gelernt hat?” – 290 – |
| [4|5]91.
Soll ich sagen, wer eine Absicht hat, erlebt eine
Tendenz? Es gebe bestimmte
Tendenzerlebnisse? – Erinnere dich an diesen
Fall: Wenn man in einer Diskussion dringend eine
Bemerkung, einen Einwurf, machen will, geschieht es häufig,
daß man den Mund öffnet, den Atem anzieh
einzieht und anhält; entscheidet man sich dann, den Einwurf
[u|z]u unterlassen, so läßt man den Atem
aus. Das Erlebnis dieses Vorgangs ist offenbar das
Erlebnis einer Tendenz, zu sprechen. Wer mich
beobachtet, wird erkennen, daß ich etwas sagen wollte und mich
dann anders besonnen habe. In dieser
Situation nämlich. In einer andern würde er
mein Benehmen so nicht deuten, so charakteristisch es auch in
der gegenwärtigen Situation für die Absicht, zu sprechen,
ist. Und ist irgend ein Grund vorhanden, anzunehmen,
dieses selbe Erlebnis könnte in einer ganz andern Situation
nicht auftreten,– in der es mit einer Tendenz nichts zu tun
hat? |
| [4|5]92.
“Aber wenn du sagst ‘Ich habe die Absicht,
abzureisen’, so meinst du's doch!
Es ist eben hier wieder das geistige Meinen, das den Satz
belebt. Sprichst du den Satz bloß einem Andern nach,
etwa um seine Sprechweise zu verspotten, so sprichst du ihn
ohne dieses geistige Meinen // ohne dieses
Meinen // .” – Wenn
wir philosophieren, so kann es manchmal so scheinen.
Aber denken wir uns doch wirklich
verschiedene Situationen aus, und
Gespräche, und wie jener Satz – 291
– in ihnen ausgesprochen
wird! – “Ich entdecke immer einen
geistigen Unterton; vielleicht nicht immer den
gleichen.” – Und war da kein
Unterton vorhanden, als du den Satz dem Andern
nachsprachst? Und wie nun den“
‘Unterton’ von dem übrigen Erlebnis des
Sprechens trennen? |
| [4|5]93.
Eine Hauptursache philosophischer Krankheiten –
einseitige Diät: man nährt sein Denken mit nur
einer Art von Beispielen. |
| [4|5]94.
“Aber die Worte, sinnvoll ausgesprochen, haben doch
nicht nur Fläche, sondern auch eine
Tiefendimension!” Es findet eben doch etwas
anderes statt, wenn sie sinnvoll ausgesprochen werden, als wenn sie
bloß ausgesprochen werden. – Wie ich das
ausdrücke, darauf kommt's nicht an. Ob
ich sage, sie haben im ersten Fall Tiefe; oder, es geht dabei
etwas in mir, in meinem Innern, vor; oder, sie haben eine
Atmosphäre – es kommt immer aufs gleiche hinaus.
“Wenn wir nun Alle hierin übereinstimmen, wird es da nicht wahr sein?” (Ich kann des Andern Zeugnis nicht annehmen, weil es 495. kein Zeugnis
ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen
geneigt ist.) |
| [4|5]95.
Es ist uns natürlich, den Satz in diesem
Zusammenhang auszusprechen; und unnatürlich, ihn isoliert zu
sagen. Sollen wir sagen // Es ist uns natürlich, den Satz in diesem
Zusam-– 292
– menhang,– unnatürlich, ihn
isoliert auszusprechen. // Sollen
wir sagen: Es gibt ein bestimmtes Gefühl, das das
Aussprechen jedes Satzes begleitet, dessen Aussprechen uns
natürlich ist? |
| [4|5]96.
Das Gefühl der ‘Bekanntheit’ und der
‘Natürlichkeit’. Leichter ist es,
ein Gefühl der
– 293
– |
| [4|5]97.
Wie dem Deutschen, der gut Englisch spricht, Germanismen
unterlaufen, obgleich er nicht erst den deutschen
Ausdruck bildet und ihn dann ins Englische übersetzt; wie er
also Englisch spricht, als übersetze er,
‘unbewußt’, aus dem Deutschen, so denken wir oft,
|
| [4|5]98.
Wenn wir philosophieren, möchten wir Gefühle
hypostasieren, wo keine sind. Sie dienen dazu, uns
unsere Gedanken zu erklären.
‘Hier verlangt die Erklärung unseres Denkens ein Gefühl!’ Es ist, als ob unsre Übersetzung Überzeugung auf diese Forderung hin ihr nachkäme. // dieser Forderung nun nachkäme. // |
| [4|5]99.
In der Philosophie werden nicht Schlüsse gezogen.
“Es muß sich doch so
verhalten!” ist kein Satz der
Philosophie. Sie stellt nur fest, was Jeder ihr
zugibt. |
| [5|6]00.
Macht alles, was uns nicht auffällt, den Eindruck der
Unauffälligkeit? Macht uns das Gewöhnliche
immer den Eindruck der
Gewöhnlichkeit? |
| [5|6]01.
Wenn ich von diem diesem Tisch rede,–
|
| [5|6]02.
Wenn man mich fragt “Hast du deinen Schreibtisch
wie-– 294
– dererkannt, wie du heute morgens
in dein Zimmer getreten bist?” – so würde
ich wohl sagen “Gewiß!” Und
doch wäre es irreführend, zu sagen, es habe sich da
ein Wiedererkennen abgespielt. Der Schreibtisch war
mir natürlich nicht fremd; ich war nicht überrascht, ihn
zu sehen, wie ich es gewesen wäre, wenn ein Anderer da
gestanden hätte, oder ein fremdartiger Gegenstand.
|
| [5|6]03.
Niemand wird sagen, daß jedesmal, wenn ich in mein Zimmer
komme, in die altgewohnte Umgebung, sich ein Wiedererkennen
alles dessen, was ich sehe und hundertmal gesehen habe,
abspielt. |
| [5|6]04.
Von den Vorgängen, die man “Wiedererkennen”
nennt, haben wir leicht ein falsches Bild; als bestünde das
Wiedererkennen immer darin, daß wir zwei Eindrücke
miteinander vergleichen. Es ist, als trüge ich ein
Bild eines Gegenstands bei mir und agnoszierte danach einen
Gegenstand als den, welchen das Bild darstellt. Unser
Gedächtnis scheint uns so einen Vergleich zu vermitteln, indem
es uns ein Bild des früher Gesehenen aufbewahrt, oder uns
erlaubt (wie durch ein Rohr) in die Vergangenheit zu
blicken. |
|
– 295
– |
| [5|6]06.
Wir sagen “Der Ausdruck seiner Stimme war
echt”. War er unecht, so denken
wir uns quasi hinter ihm einen anderen
stehend. – Er macht nach außen
dieses Gesicht, im Innern aber ein
anderes. – Das heißt aber nicht, daß, wenn
sein Ausdruck echt ist, er zwei gleiche Gesichter
macht. ((“Ein ganz bestimmter Ausdruck”)) |
| [5|6]07.
Wie schätzt man:, wieviel Uhr es ist?
Ich meine aber nicht, nach äußeren Anhaltspunkten, dem
Stand der Sonne, der Helligkeit im Zimmer, u.
dergl.– Man fragt sich etwa
“Wieviel Uhr kann es sein?”, hält
einen Augenblick inne, stellt sich etw
vielleicht das Zifferblatt vor; und dann spricht man eine Zeit
aus. – Oder man überlegt sich mehrere
Möglichkeiten; man denkt sich eine Zeit, dann
eine andre, und bleibt endlich bei einer stehen. So und
ähnlich geht es vor sich. ‒ ‒ Aber ist
nicht der Einfall von einem Gefühl der Überzeugung
begleitet; und heißt das nicht, daß er nun mit einer inneren
Uhr übereinstimmt? – Nein, ich lese die Zeit
von keiner Uhr ab; ein Gefühl der Überzeugung ist
insofern da, als ich mir ohne Empfindung des
Zweifels, mit Ruhe und Sicherheit, eine Zeit
sage. – Aber schnappt nicht etwas bei dieser
Zeitangabe ein? – Nichts das ich wüßte;
wenn du nicht das Zur-Ruhe-Kommen der Überlegung, das
Stehenbleiben bei einer Zahl so nennst. Ich hätte
auch hier // hier
auch // nie von einem
‘Gefühl der Überzeugung’ – 296 – geredet, sondern
gesagt: ich habe eine Weile überlegt und mich dann
dafür entschieden, daß ˇes viertel sechs
ist. – Wonach aber hab ich mich
entschieden? Ich hätte vielleicht gesagt:
“bloß nach dem Gefühl”; das heißt
nur: ich habe es dem Einfall
überlassen. ‒ ‒ Aber du mußtest dich doch
wenigstens zum Schätzen der Zeit in einen bestimmten Zustand
versetzen; und du nimmst doch nicht jede Vorstellung einer
Zeitangabe als Angabe der richtigen Zeit! – Wie
gesagt: ich hatte mich gefragt
“Wieviel Uhr mag es sein?”
D.h., ich habe diese Frage nicht,
z.B., in einer Erzählung gelesen; noch
sie als Ausspruch eines Andern zitiert; noch mich im
Aussprechen dieser Wörter geübt;
u.s.f. Nicht unter
diesen Umständen habe ich die Worte
gesprochen. – Aber unter welchen
also? – Ich dachte an mein Frühstück und ob
es heute spät damit würde. Solcherart
waren die Umstände. – Aber siehst du denn
wirklich nicht, daß du doch in einem, wenn auch ungreifbaren,
für das Schätzen der Zeit charakteristischen Zustand,
gleichsam in einer dafür charakteristischen Atmosphäre
warst? – Ja, das Charakteristische war, daß ich
mich fragte “Wieviel Uhr mag es
sein?” – Und hat dieser Satz eine
bestimmte Atmosphäre,– wie soll ich sie von ihm selbst
trennen können? Es wäre mir nie eingefallen,
der Satz hätte einen solchen Dunstkreis, hätte ich nicht
daran gedacht, wie man ihn auch anders – als Zitat, im
Scherz, als Sprechübung, etc.– sagen
könnte. Und da wollte ich auf einmal
sagen, da erschien es mir auf einmal, ich müßte
– 297 – die Worte
doch irgendwie besonders gemeint haben;
Und was das Gefühl der Sicherheit anbelangt: so sage ich mir manchmal “Ich bin sicher, es ist … Uhr”, und in mehr oder weniger sicherem Tonfall, etc. Fragst du nach dem Grund für diese Sicherheit, so habe ich keinen. Wenn ich sage: ich lese es auf
|
| [5|6]08.
Von größter Wichtigkeit ist die Idee der
Ungreifbarkeit jenes Zustands ge[s|i]stigen Zustands beim Schätzen der
Zeit. Warum ist er ungreifbar?
Ist es nicht, weil wir, was an unserm Zustand greifbar ist, uns
weigern, zu dem spezifischen Zustand zu rechnen, den wir
postulieren? |
| [5|6]09.
Die Beschreibung einer Atmosphäre ist eine spezielle
Sprachanwendung, zu speziellen Zwecken.
((Deuten des ‘Verstehens’ als Atmosphäre; als seelischer Akt. Man kann zu allem eine Atmosphäre hinzukonstruieren. ‘Ein unbeschreiblicher Charakter’.)) – 298 – |
| [5|6]10.
Beschreib das Aroma des Kaffees! – Warum geht es
nicht? Fehlen uns die Worte? Und
wofür fehlen sie uns? – Woher
aber der Gedanke, es müsse doch so eine Beschreibung
möglich sein? Ist dir so eine Beschreibung je
abgegangen? Hast du versucht, das Aroma zu
beschreiben, und es ist nicht gelungen?
((Ich möchte sagen “Diese Töne sagen etwas herrliches, aber ich weiß nicht was.” Diese Töne sind eine starke Geste, aber ich kann ihr nichts erklärendes an die Seite stellen. Ein tief ernstes Kopfnicken. James: “Es fehlen uns die Worte”. Warum führen wir sie dann nicht ein? Was müßte der Fall sein, damit wir es könnten?)) |
| [5|6]11.
“Das Wollen ist auch nur eine Erfahrung”,
möchte man sagen (der ‘Wille’ auch nur
‘Vorstellung’). Er kommt, wenn er
kommt, und ich kann ihn nicht herbeiführen.
Nicht herbeiführen? – Wie was? Was kann ich denn herbeiführen? Womit vergleiche ich das Wollen, wenn ich dies sage? |
| [5|6]12.
Von der Bewegung meines Armes, z.B.,
würde ich nicht sagen, sie komme, wenn sie komme,
etc. Und hier ist das Gebiet, in welchem wir
sinnvoll sagen, daß uns etwas nicht einfach geschieht,
sondern daß wir es
– 299
– zens legen wird. |
| [5|6]13.
In dem Sinne, in welchem ich überhaupt etwas
herbeiführen kann (etwa Magenschmerzen durch
Überessen) kann ich auch das Wollen
herbeiführen. In diesem Sinne führe ich das
Schwimmen-Wollen herbei, indem ich ins Wasser springe.
Ich wollte wohl sagen: ich könnte das Wollen nicht
wollen; d.h., es hat keinen Sinn, vom
Wollen-Wollen zu sprechen.
“Wollen” ist nicht der Name für eine
Handlung und also auch für keine willkürliche.
Und mein falscher Ausdruck kam daher, daß man sich das
Wollen als ein unmittelbares, nichtkausales,
Herbeiführen // Bewegen // denken
will. Dieser Idee aber liegt eine irreführende
Analogie zu Grunde; der kausale Nexus erscheint durch einen
Mechanismus hergestellt, der zwei Maschinenteile verbindet.
Die Verbindung kann auslassen, wenn der Mechanismus
gestört wird. (Man denkt nur an die
Störungen, denen ein Mechanismus normalerweise ausgesetzt
ist; nicht daran, daß etwa die Zahnräder plötzlich
weich werden, oder einander durchdringen, etc.)
|
| [5|6]14.
Wenn ich meinen Arm ‘willkürlich’ bewege, so
bediene ich mich nicht eines Mittels, die Bewegung
herbeizuführen. Auch mein
Wunsch ist nicht ein solches Mittel. |
| [5|6]15.
“Das Wollen, wenn es nicht eine Art Wünschen sein,
soll, muß das Handeln selber sein. Es darf nicht vor
dem Handeln stehen bleiben.” Ist es das
Handeln, so ist es dies – 300
– im gewöhnlichen Sinne
des dieses Worts; also:
sprechen, schreiben, gehen, etwas heben, sich etwas
|
| [5|6]16.
Wenn ich meinen Arm hebe, so habe ich nicht
gewünscht, er möge sich heben. Die
willkürliche Handlung schließt diesen Wunsch aus.
Man kann allerdings sagen: “Ich hoffe, ich
werde den Kreis fehlerlos zeichnen”. Und damit
drückt man einen Wunsch aus, die Hand möge sich so und so
bewegen. |
| [5|6]17.
Wenn wir unsere Finger in
– 301
– wenn das Gefühl nicht die Stelle
bezeichnet?” Aber wie weiß man denn, wenn
das Gefühl da ist, wohin ich den Willen zu lenken
habe? Daß der Finger in diesem Falle gleichsam gelähmt ist, ehe wir eine Berührung in ihm fühlen, das zeigt die Erfahrung; es war aber nicht a priori einzusehen. |
| [5|6]18.
Das wollende Subjekt stellt man sich hier als etwas Masseloses
(Trägheitsloses) vor; als einen Motor, der in sich
selbst keinen Trägheitswiderstand zu überwinden hat.
Und also nur Treibendes und nicht Getriebenes ist.
D.h.: Man kann sagen
“Ich will, aber mein Körper folgt mir
nicht”– aber nicht:
“Mein Wille folgt mir
nicht”. (Augustinus) Aber in dem Sinn, in welchem es mir nicht mißlingen kann, zu wollen, kann ich es auch nicht versuchen. |
| [5|6]19.
Und man könnte sagen: “Ich kann nur
insofern jederzeit wollen, als ich nie versuchen
kann, zu wollen.” |
| [5|6]20.
Tun scheint selbst kein Volumen der Erfahrung zu
haben. Es scheint wie ein ausdehnungsloser Punkt, die
Spitze einer Nadel. Diese Spitze scheint das eigentliche
Agens. Und das Geschehen in der Erscheinung nur Folge
dieses Tuns. “Ich
tue” scheint einen bestimmten Sinn zu haben,
abgelöst von jeder Erfahrung. |
| [5|6]21.
Aber vergessen wir eines nicht: wenn ‘ich meinen
Arm hebe’, hebt sich mein Arm. Und das Problem
entsteht: – 302
– was ist das, was übrigbleibt, wenn ich
von der Tatsache, daß ich meinen Arm hebe, die abziehe, daß
mein Arm sich hebt?
522. ((Sind nun die kinaesthetischen
|
| [5|6]22.
Wenn ich meinen Arm hebe, versuche ich meistens
nicht, ihn zu heben. |
| [5|6]23.
“Ich will unbedingt dieses Haus
erreichen.” Wenn aber keine Schwierigkeit da
ist,– kann ich da trachten, unbedingt dies Haus
zu erreichen? |
| [5|6]24.
Im Laboratorium, unter dem Einfluß elektrischer
Ströme etwa, sagt Einer mit geschlossenen Augen
“Ich bewege meinen Arm auf
uns ab”– obgleich sich der Arm
nicht bewegt. “Er hat also das besondere
Gefühl
|
| [5|6]25.
“Wie weißt du, daß du deinen Arm gehoben
hast?” – “Ich fühle
es.” Was du also wiedererkennst, ist die
Empfindung? Und bist du sicher, daß du sie richtig
wiedererkennst? – Du bist sicher, daß du
deinen Arm gehoben hast; ist nicht dies das Kriterium, das Maß,
des Wiedererkennens? |
| [5|6]26.
“Wenn ich mit einem Stock diesen Gegenstand abtaste,
– 303 – habe ich die
Tastempfindung in der Spitze des Stockes, nicht in der Hand, die
ihn hält.” Wenn Einer sagt
“Ich habe nicht hier in der Hand, sondern im
Handgelenk
Schmerzen,”–”, so
ist die Konsequenz, daß der Arzt das Handgelenk untersucht.
Welchen Unterschied macht es aber, ob ich sage, ich
fühle die Härte des Gegenstands in der Stockspitze, oder
in der Hand? Heißt, was ich sage:
“Es ist, als hätte ich Nervenenden in der
Stockspitze”? Inwiefern ist es
so? – Nun, ich bin jedenfalls geneigt, zu sagen
“Ich fühle die Härte, etc.
in der Stockspitze”. Und damit geht zusammen,
daß ich beim Abtasten nicht auf meine Hand, sondern auf die
Stockspitze sehe; daß ich, was ich fühle, mit den
Worten beschreibe “Ich fühle dort etwas
Hartes, Rundes”– nicht mit den Worten
“Ich fühle einen Druck gegen die Fingerspitze
des Daumens, Mittelfingers und Zeigefingers …”
Wenn mich etwa jemand fragte “Was fühlst du
jetzt in den Fingern, die die Sonde halten?”, so
könnte ich ihm antworten: “Ich weiß
nicht– –ich fühle dort etwas Hartes,
Rauhes.” |
| [5|6]27.
Betrachte diese Beschreibung einer willkürlichen
Handlung: “Ich fasse den Entschluß, um 5 Uhr
die Glocke zu ziehen; und wenn es 5 schlägt, macht mein Arm
nun diese Bewegung.” – Ist das die
richtige Beschreibung, und nicht die:
“ … und wenn es 5 schlägt, hebe ich meinen
Arm”? ‒ ‒ Die erste Beschreibung
möchte man so ergänzen: “und siehe
da! mein Arm hebt sich, wenn es 5
schlägt.” Und dies “siehe
– 304 – da”
ist gerade, was hier wegfällt. Wir sagen
nicht
|
| [5|6]28.
Man könnte also sagen: die willkürliche Bewegung
sei durch die Abwesenheit des Staunens charakterisiert.
Und nun will ich nicht, daß man frägt
“Aber warum erstaunt man hier
nicht?” |
| [5|6]29.
Wenn Leute über die Möglichkeit eines Vorherwissens
der Zukunft reden, vergessen sie immer die Tatsache des
Vorhersagens der willkürlichen Bewegungen. |
| [5|6]30.
Betrachte die beiden Sprachspiele: a) Einer gibt einem Andern den Befehl, bestimmte Armbewegungen zu machen, oder Körperstellungen einzunehmen (Turnlehrer und Schlüler). Und eine Variante dieses Sprachspiels ist dies: Der Schüler gibt sich selbst Befehle und führt sie dann aus. b) Jemand beobachtet gewisse regelmäßige Vorgänge – z.B. die Reaktionen verschiedener Metalle auf Säuren – und macht daraufhin Vorhersagen über die Reaktionen, die in bestimmten Fällen eintreten werden. Es ist zwischen diesen beiden Sprachspielen eine offenbare Verwandtschaft, und auch Grundverschiedenheit. In beiden könnte man die ausgesprochenen Worte
– 305
– |
| [5|6]31.
“Ich werde jetzt zwei Pulver einnehmen; eine halbe
Stunde darauf werde ich erbrechen.” – Es
erklärt nichts, wenn ich sage, im ersten Fall sei ich das
Agens, im zweiten bloß der Beobachter. Oder: im
ersten Falle sähe ich den kausalen Zusammenhang von innen, im
zweiten von außen. Und vieles ähnliche.
Es ist auch nicht zur Sache, zu sagen, daß eine Vorhersage der ersten Art so wenig unfehlbar ist, wie eine der zweiten Art. Nicht auf Grund von Beobachtungen meines Verhaltens sagte ich, ich würde jetzt zwei Pulver einnehmen. Die Antezedentien dieses Satzes waren andere. Ich meine die Gedanken, Handlungen, etc., die zu ihm hinleiten. Und es ist nur irreführend, zu sagen: “Die einzige wesentliche Voraussetzung deiner Äußerung war eben dein Entschluß.” |
| [5|6]32.
Ich will nicht sagen: im Falle der
Willensäußerung, “Ich werde Pulver
einnehmen” sei die Voraussage Ursache – und ihre
Erfüllung der Effekt. (Das könnte vielleicht
eine physiologische Untersuchung entscheiden.) Soviel
aber ist wahr: Wir können häufig aus der
Äußerung des Entschlusses die Handlung eines Menschen
vorhersagen. Ein wichtiges Sprachspiel.
|
| [5|6]33.
“Du würdest früher unterbrochen; weißt du
noch, was du sagen wolltest?” – Wenn
ich's nun weiß und es sage – heißt das, daß
ich es schon früher gedach[s|t], und nur nicht
– 306 – gesagt
hatte? Nein. Es sei denn, daß du die
Sicherheit, mit der ich den unterbrochenen Satz weiterführe,
als Kriterium dafür nimmst, daß der Gedanke damals
bereits fertig war. – Aber es lag freilich schon
alles mögliche in der Situation und in meinen Gedanken, das
dem Satz weiterhilft. |
| [5|6]34.
Wenn ich den unterbrochenen Satz fortsetze und sage,
so hätte ich ihn damals fortsetzen wollen, so ist
das ähnlich, wie wenn ich einen Gedankengang nach kurzen
Notizen ausführe. Und deute ich also diese Notizen nicht? War nur eine Fortsetzung unter jenen Umständen möglich? Gewiß nicht. Aber ich wählte nicht unter diesen Deutungen. Ich erinnerte mich: daß ich das sagen wollte. |
| [5|6]35.
“Ich wollte sagen …” – Du
erinnerst dich an verschiedene Einzelheiten. Aber
sie alle zeigen nicht diese Absicht. Es ist, als
wäre das Bild einer Scene aufgenommen
worden, aber es sind von ihm nur einige verstreute Einzelheiten
zu sehen; hier eine Hand, dort ein Stück eines Gesichts, oder
ein Hut,– das übrige ist dunkel. Und nun ist
es, als wüßte ich doch ganz gewiß, was das ganze Bild
darstellt. Als könnte ich das Dunkel lesen.
|
| [5|6]36.
Diese ‘Einzelheiten’ sind nicht irrelevant in
dem Sinne, in welchem andere Umstände, an die ich mich
gleich-– 307
– falls erinnern kann, es sind.
Aber wem ich mitteile “Ich wollte für einen
Augenblick sagen … ”, der erfährt dadurch
diese Einzelheiten nicht und muß sie auch nicht
erraten. Er muß z.B. nicht
wissen, daß ich schon den Mund zum Sprechen geöffnet
hatte. Er kann sich aber den Vorgang
so ‘ausmalen’. (Und diese
Fähigkeit gehört zum Verstehen meiner
Mitteilung.) |
| [5|6]37.
“Ich weiß genau, was ich sagen
wollte!” Und doch hatte ich's nicht
gesagt. – Und doch lese ich's nicht von
irgend einem andern Vorgang ab, der damals stattfand und mir in
der Erinnerung ist. Und ich deute auch nicht die damalige Situation und ihre Vorgeschichte. Denn ich überlege mir sie nicht und beurteile sie nicht. |
| [5|6]38.
Ich bin geneigt, ein Deuten darin zu sehen, wenn
ich sage “Einen Augenblick lang wollte ich ihn
betrügen”. // Wie kommt es, daß ich dann trotzdem
geneigt bin, ein Deuten darin zu sehen, wenn ich sage
“Einen Augenblick lang wollte ich ihn
betrügen”? //
Wie kannst du sicher sein, daß du einen Augenblick lang ihn betrügen wolltest? Waren nicht deine Handlungen und Gedanken viel zu rudimentär?” Kann denn die Evidenz nicht zu spärlich sein? Ja, wenn man ihr nachgeht, scheint sie außerordentlich spärlich; aber ist das nicht, weil man die Geschichte dieser – 308 – Evidenz außer
läßt? Wenn ich einen Augenblick lang die
Absicht hatte, demm Andern Unwohlsein
vorzuheucheln, so brauchte es dazu eine Vorgeschichte.
Beschreibt der, der sagt “Für einen Augenblick … ” wirklich nur einen momentanen Vorgang? Aber auch die ganze Geschichte war nicht die Evidenz, auf Grund derer ich sagte “Für einen Augenblick …” |
| [5|6]39.
Die Meinung, möchte man sagen, entwickelt
sich. Aber auch darin liegt ein Fehler.
|
| [5|6]40.
“Dieser Gedanke knüpft an Gedanken an, die ich
früher einmal gehabt habe.” – Wie
tut er das? Durch ein Gefühl der
Anknüpfung? Aber wie kann das Gefühl die
Gedanken wirklich verknüpfen? – Das Wort
“Gefühl” ist hier sehr irreleitend.
Aber es ist möglich, daß Einer mit
Bestimmtheit sagt: “Dieser Gedanke
hängt mit jenem früheren zusammen”, ohne doch
den Zusammenhang angeben zu können. // Aber es ist manchmal möglich, mit
Sicherheit zu sagen “Dieser Gedanke hängt mit
jenen früheren zusammen”, ohne daß man doch im
Stande ist, den Zusammenhang zu
zeigen. // Dies gelingt
vielleicht später. |
| [5|6]41.
“Wenn ich die Worte gesagt hätte ‘Ich
will ihn jetzt betrügen’, hätte ich die Absicht
nicht gewisser gehabt, als so.” – Aber wenn
du jene Worte gesagt hättest, mußtest du sie im vollen
Ernste gemeint haben? (So ist also der am
– 309 – meisten
explizite Ausdruck der Absicht allein keine genügende Evidenz
der Absicht.) |
| [5|6]42.
“Ich habe ihn in diesem Augenblick
gehaßt”– was geschah da? Bestand
es nicht in Gedanken, Gefühlen und Handlungen?
Und wenn ich mir nun diesen Augenblick vorführte,
würde ich ein bestimmtes Gesicht machen, dächte an
gewisse Geschehnisse, atmete in bestimmter Weise, brächte in
mir gewisse Gefühle hervor. Ich könnte ein
Gespräch, eine ganze Scene erdenken, in
der dieser Haß zum Aufflammen käme. Und ich
könnte diese Scene mit Gefühlen
spielen, die denen eines wirklichen Vorfalls // die denen in einem wirklichen
Vorfall // nahekämen. Dabei
wird mir natürlich helfen, daß ich Ähnliches wirklich
durchlebt habe. (?) |
| [5|6]43.
Wenn ich mich nun des Vorfalls schäme, schäme ich mich
des Ganzen: der Worte, des giftigen Tones,
u.s.w. |
| [5|6]44.
“Ich schäme mich nicht dessen, was ich damals tat,
sondern der Absicht, die ich hatte.” – Und lag
die Absicht nicht auch in dem, was ich tat?
Was rechtfertigt die Scham? Die ganze Geschichte
des Vorfalls. |
| [5|6]45.
“Einen Augenblick lang wollte ich … ”
D.h., ich hatte ein bestimmtes
Gefühl, inneres Erlebnis; und ich erinnere mich
dran. ‒ ‒ Und nun erinnere dich recht
genau! Da scheint das ‘innere
Erlebnis’ des Wollens wieder zu ver-– 310 – schwinden.
Stattdessen erinnert man sich an Gedanken, Gefühle,
Bewegungen, auch an Zusammenhänge mit früheren
Situationen. Es ist, als hätte man die Einstellung eines Mikroskops verändert, und was jetzt im Brennpunkt liegt, sah man früher nicht. |
| [5|6]46.
“Nun, das zeigt nur, daß du dein
Mikrosk[p|o]p falsch eingestellt hast. Du
solltest eine bestimmte Schicht des Präparats anschaun, und
siehst nun eine andere.” Daran ist etwas richtig. Aber nimm an, ich erinnerte mich (mit einer bestimmten Einstellung der Linsen) an eine Empfindung; wie darf ich sagen, daß sie das ist, was ich die “Absicht” nenne? Es könnte sein, daß ein bestimmter Kitzel z.B. jede meiner Absichten begleitete. |
| [5|6]47.
Was ist der natürliche Ausdruck einer Absicht? –
Sieh eine Katze an, wenn sie sich an einen Vogel
heranschleicht; oder ein Tier, wenn es entfliehen will.
((Verbindung mit Sätzen über Empfindungen.)) |
| [5|6]47.
“Ich erinnere mich nicht mehr an meine Worte, aber ich
erinnere mich genau an meine Absicht: ich wollte ihn mit
meinen Worten beruhigen.” Was zeigt
mir meine Erinnerung; was führt sie mir vor die
Seele? Nun, wenn sie nichts täte, als mir diese
Worte einzugeben! und vielleicht noch andere, die die
Situation noch genauer ausmalen. – – 311 – (“Ich
[(|e]rinnere mich nicht mehr meiner Worte, aber wohl
an den Geist meiner Worte.”) |
| [5|6]49.
“So kann also der gewisse Erinnerungen nicht haben, der
keine Sprache gelernt hat?” Freilich,–
eer kann keine sprachlichen
Erinnerungen, sprachlichen Wünsche oder
Befürchtungen, etc. haben. Und
Erinnerungen, etc., in der Sprache sind ja nicht
bloß die fadenscheinigen Darstellungen,
eigentlicher // der
eigentlichen //
Erlebnisse; ist denn das Sprachliche kein Erlebnis?
|
| [5|6]50.
Wir sagen, der Hund fürchtet, sein Herr werde ihn schlagen;
aber nicht: er fürchte, sein Herr werde ihn morgen
schlagen. Warum nicht? |
| [5|6]51.
“Ich erinnere mich, ich wäre damals gerne noch
länger geblieben.” – Welches Bild
dieses Verlangens tritt mir vor die Seele? Gar
keins. Was ich in der Erinnerung vor mir sehe,
läßt keinen Schluß auf meine Gefühle zu.
Und doch erinnere ich mich ganz deutlich daran, daß sie
vorhanden waren. |
| [5|6]52.
“Er maß ihn mit feindseligem Blick und sagte
…” Der Leser der Erzählung versteht
dies; er hat keinen Zweifel in seiner Seele. Nun
sagst du: “Wohl, er denkt sich die Bedeutung
hinzu, er errät sie.” – Im
allgemeinen: Nein. Im allgemeinen denkt er
sich nichts hinzu, errät nichts. – Es ist aber
auch möglich, daß der feind[l|s]elige Blick und
die – 312
– Worte sich später als Verstellung
erweisen, oder daß der Leser im Zweifel darüber erhalten
wird, ob sie es sind oder nicht, und daß er also wirklich auf
eine mögliche Deutung rät. – Aber dann
rät er vor allem auf einen Zusammenhang. Er
sagt sich etwa: die Beiden, die hier so feindlich tun,
sind in Wirklichkeit Freunde, etc.
etc. ((“Wenn du den Satz verstehen willst, mußt du dir die seelische Bedeutung, die Seelenzustände, dazu vorstellen.”)) |
| [5|6]53.
Denk dir diesen Fall: Ich sage [E|E]inem,
ich sei einen gewissen Weg gegangen, einem Plan gemäß, den
ich zuvor angefertigt habe. Ich zeige ihm auf
disen diesen darauf diesen Plan, und er besteht aus
Strichen auf einem Papier; aber ich kann nicht erklären,
inwiefern diese Striche der Plan meiner Wanderung sind, dem Andern
keine Regel sagen, wie der Plan zu deuten ist. Wohl aber
bin ich jener Zeichnung mit allen charakteristischen Anzeichen des
Kartenlesens nachgegangen. Ich könnte so eine
Zeichnung einen ‘privaten’ Plan nennen; oder die
Erscheinung, die ich beschrieben habe: “einem
privaten Plan folgen”. (Aber dieser Ausdruck
wäre natürlich sehr leicht mißzuverstehen.)
Könnte ich nun sagen: “Daß ich damals so und so handeln wollte, lese ich gleichsam wie von einem Plan ab, obgleich kein Plan da ist”? Aber das heißt doch nichts anderes, als: Ich bin jetzt geneigt, zu sagen: “Ich lese die Absicht, so zu handeln, in ge- – 313
– wissen Seelenzuständen, an die ich mich
erinnere.” |
| [5|6]54.
Unser Fehler ist, dort nach einer Erklärung zu suchen, wo
wir die Tatsachen als ‘Urphänomene’ sehen
sollten. D.h., wo wir sagen
sollten: dieses Sprachspiel wird
gespielt. |
| [5|6]55.
Nicht um die Erklärung eines Sprachspiels durch unsre
Erlebnisse handelt sich's, sondern um die Feststellung
|
| [5|6]56.
Wozu sage ich jemandem, ich hätte früher
den und den Wunsch gehabt? – Sieh auf das
Sprachspiel als das Primäre! Und auf die Gefühle, etc. als auf eine
Betrachtungsweise, eine
// Deutung // , des Sprachspiels! // Und auf die “Gefühle”,
etc. als auf eine Betrachtungsweise, eine
Deutung, des Sprachspiels! //
Man könnte fragen: Wie ist der Mensch je dahin gekommen, eine sprachliche Äußerung zu machen, die wir “Berichten eines vergangenen Wunsches”, oder einer vergangenen Absicht, nennen? // nennen können? // |
| [5|6]57.
Denken wir uns, diese Äußerung nehme immer die Form
an: “Ich
[5|6]58. – 314 – |
| [5|6]58.
Denk, wir drückten die Absicht eines Menschen immer so aus,
indem wir sagen: “Er sagte gleichsam zu sich
selbst ‘Ich will
…’” – Das ist das Bild.
Und nun will ich wissen: Wie verwendet man den
Ausdruck “etwas gleichsam zu sich selbst
sagen”? Denn er bedeutet nicht: etwas zu
sich selbst sagen. |
| [5|6]59.
Warum will ich ihm außer dem, was ich tat, auch noch eine
Intention mitteilen? – Nicht, weil die Intention
auch noch etwas war, was damals vor sich ging. Sondern,
weil ich ihm etwas über mich mitteilen will, was
darü über das hinausgeht, was
damals geschah. Ich erschließe ihm mein Inneres, wenn ich sage, was ich tun wollte. – Nicht aber auf Grund
|
| [5|6]60.
Die Grammatik des Ausdrucks “etwas sagen
wollen” ist verwandt der des Ausdrucks “etwas
sagen können”. // Die Grammatik des Ausdrucks
“Ich wollte damals sagen … ” ist
verwandt der des Ausdrucks “Ich hätte damals
fortsetzen
können”. //
Im einen Fall die Erinnerung an eine Absicht, im andern, an ein Verstehen. |
| [5|6]61.
Ich erinnere mich, ihn gemeint zu haben.
Erinnere ich mich eines Vorgangs oder Zustands? –
Wann fing er an; – 315
– wie verlief er;
etc.? |
| [5|6]62.
In einer nur um weniges verschiedenen Situation hätte er,
statt stumm mit dem Finger zu winken, jemandem gesagt
“Sag dem N., er soll zu mir
kommen”. Man kann nun sagen, die Worte
“Ich wollte, N. solle zu mir
kommen” beschreiben den damaligen Zustand meiner Seele,
und mann es auch wieder
nicht sagen. |
| [5|6]63.
Wenn ich sage “Ich meinte ihn, da mag
mir wohl ein Bild vorschweben, etwa davon, wie ich ihn ansah,
etc.; aber das Bild ist nur wie eine Illustration
zu einer Geschichte. Aus ihr allein wäre
meistens gar nichts zu erschließen; erst wenn man die
Geschichte kennt, weiß man, was es mit dem Bild soll.
|
| [5|6]64.
Man könnte im Gebrauch eines Worts eine
‘O[v|b]erflächengrammatik’
von einer ‘Tiefengrammatik’ unterscheiden.
Das, was sich uns am Gebrauch eines Worts unmittelbar
einprägt, ist seine Verwendungsweise im Satzbau,
der Teil seines Gebrauches – könnte man sagen – den
man mit dem Ohr erfassen kann. ‒ ‒ Und nun
vergleiche die Tiefengrammatik, des Wortes
“meinen” etwa, mit dem, was seine
Oberflächengrammatik uns würde vermuten
lassen. Kein Wunder, wenn man es schwer findet, sich
auszukennen. |
| [5|6]65.
Denke, jemand zeigte mit dem Gesichtsausdruck des – 316 – Schmerzes auf seine
Wange und sagte dabei “abrakadabra!” –
Wir fragen “Was meinst du?”
Und er antwortet “Ich meinte damit
Zahnschmerzen.” – Du denkst dir sofort:
Wie kann man denn mit diesem Wort ‘Zahnschmerzen
mei meinen’?
Oder was hieß es denn: Schmerzen mit dem
Wort meinen? Und doch hättest
du, in anderem Zusammenhang, behauptet, daß die geistige
Tätigkeit, das und das zu meinen, gerade das
Wichtigste beim Gebrauch der Sprache sei. Aber wie,– kann ich denn nicht sagen “Mit ‘abrakadabra’ meine ich Zahnschmerzen”? Freilich; aber das ist eine Definition; nicht eine Beschreibung dessen, was in mir beim Aussprechen des Wortes vorgeht. |
| [5|6]66.
Denke, du habest Schmerzen und zugleich hörst du, wie
nebenan Klavier gestimmt wird. Du sagst “Es
wird bald aufhören.” Es ist doch wohl ein
Unterschied, ob du den Schmerz meinst, oder das
Klavierstimmen! – Freilich; aber worin besteht
dieser Unterschied? Ich gebe zu: es wird in
vielen Fällen der Meinung eine Richtung der Aufmerksamkeit
entsprechen, sowie auch oft ein Blick, eine Geste, oder ein
Schließen der Augen, das man ein
“Nach-Innen-Blicken” nennen
könnte. |
| [5|6]67.
Denke, es simuliert Einer Schmerzen und sagt nun
“Es wird bald nachlassen”–.
Kann man nicht sagen, er meine den Schmerz? Und
doch konzentriert er seine Aufmerksamkeit auf keinen
Schmerz. – Und wie, wenn ich endlich sage
“Er hat – 317
– schon aufgehört”?
|
| [5|6]68.
Aber kann man nicht auch so lügen, indem man sagt
“Es wird bald aufhören” und den Schmerz
meinst,– aber auf die Frage “Was hast
du gemeint?” zur Antwort gibt:
“Den Lärm im Nebenzimmer”?
In Fällen dieser Art sagt man etwa:
“Ich wollte antworten … , habe mir's
aber überlegt und geantwortet …” |
| [5|6]69.
Man kann sich beim Sprechen auf einen Gegenstand beziehen,
indem man auf ihn zeigt. Das Zeigen ist hier ein
Teil des Sprachspiels. Und nun kommt es uns
vor, als spreche man von einer Empfindung dadurch, daß man seine
Aufmerksamkeit beim Sprechen auf sie richtet. Aber wo
ist die Analogie? Sie liegt offenbar darin, daß
man durch Schauen und Horchen auf etwas
zeigen kann. Aber auch auf den Gegenstand zeigen, von dem man spricht, kann ja für das Sprachspiel, für den Gedanken, unter Umständen ganz unwesentlich sein. |
| [5|6]70.
Denk, du telephonierst jemandem und sagst ihm:
“Dieser Tisch ist zu hoch”, wobei du mit
dem Finger auf den Tisch zeigst. Welche Rolle spielt
hier das Zeigen? Kann ich sagen: ich
meine den betreffenden Tisch, indem ich auf ihn
zeige? Wozu dieses Zeigen, und wozu diese Worte und
was sonst sie begleiten mag? |
| [5|6]71.
Und
– 318
– des Horchens? Auf den Laut,
der mir zu Ohren kommt, und auf die Stille, wenn ich
nichts höre? Das Horchen sucht gleichsam einen Gehörseindruck und kann daher auf ihn nicht zeigen, sondern nur auf den Ort, wo es ihn sucht. |
| [5|6]72.
Wenn die rezeptive Einstellung ein ‘Hinweisen’
auf etwas genannt wird,– dann nicht auf die Empfindung, die
wir durch diese Einstellung erhalten. // wir dadurch
er halten . // |
| [5|6]73. Die geistige
Einstellung ‘begleitet’ das Wort
nicht in demselben Sinne, wie eine Gebärde es
begleitet. (Ähnlich, wie [e|E]iner
allein reisen kann, und doch von meinen Wünschen
begleitet, und wie ein Raum leer sein kann und doch vom Licht
durchflossen.) |
| [5|6]74.
Sagt man z.B.: “Ich habe
jetzt eigentlich nicht meinen Schmerz gemeint; ich habe nicht
genügend auf ihn Acht
gegeben” Frage ich mich etwa:
“Was habe ich denn jetzt mit diesem Wort
gemeint? meine Aufmerksamkeit war zwischen meinem Schmerz
und dem Lärm geteilt–” |
| [5|6]75.
“Sag mir, was ist in dir vorgegangen, als du die Worte
… aussprachst?” – Darauf ist die
Antwort nicht “Ich habe gemeint
…”! |
| [5|6]76.
“Ich meinte mit dem Wort dies” ist
eine Mittei-– 319
– lung, die anders verwendet wird, als die
einer Affektion der Seele. |
| [5|6]77.
Aner Anderseits:
“Als du vorhin fluchtest, hast du es wirklich
gemeint?” Dies heißt etwa soviel wie:
“Warst du dabei wirklich
ärgerlich?” Und die Antwo[t|r]t
[j|k]ann auf Grund einer Introspektion gegeben werden,
und ist oft von der Art: “Ich habe es nicht
sehr ernst gemeint”, “Ich habe es halb im
Schmerz gemeint” etc. Hier gibt es
Gradunterschiede. Und man sagt allerdings auch: “Ich habe bei diesem Wort halb und halb an ihn gedacht.” |
| [5|6]78.
“Worin besteht dieses
Meinen” (der Schmerzen oder des
|
| [5|6]79.
“Kannst du aber zweifeln, daß du das
mein[s|t]est?” – Nein; aber
sicher sein, es wissen, kann ich auch nicht. |
| [5|6]80.
Wenn du mir sagst, du habest geflucht und dabei den
N. gemeint, so wird es mir gleichgültig sein, ob
du dabei sein Bild angeschaut, ob du dir ihn vorgestellt hast,
seinen Namen aussprachst, etc. Die
Schlüsse aus dem Faktum, die mich interessieren, haben damit
nichts zu tun. Anderseits – 320
– aber könnte es sein, daß Einer mir
erklärt, der Fluch sei nur dann wirksam, wenn
man sich den Menschen klar vorstellt, oder seinen Namen laut
ausspricht. Aber man würde nicht sagen
“Es kommt darauf an, wie der Fluchende sein Opfer
meint.” |
| [5|6]81.
Man fragt natürlich auch nicht: “Bist du
sicher, daß du ihn verflucht hast, daß die
Verbindung mit ihm hergestellt war?”
So ist also wohl diese Verbindung sehr leicht herzustellen, daß man ihrer so sicher sein kann?! Wissen kann, daß sie nicht daneben geht. – Nun, kann es mir passieren, daß ich an demn Einen schreiben will und tatsächlich an den Andern schreibe?
|
| [5|6]82.
“Du sagtest ‘Es wird bald
aufhören’. – Hast du an den Lärm
gedacht, oder an deine Schmerzen?” Wenn er nun
antwortet “Ich habe ans Klavierstimmen
gedacht”– konstatiert er, es habe diese Verbindung
bestanden, oder schlägt er sie mit diesen
Worten? – Kann ich nicht beides
sagen? Wenn, was er sagte, wahr war, bestand da nicht
jene Verbindung – und schlägt er nicht dennoch eine,
die nicht bestand? |
| [5|6]83.
Ich zeichne einen Kopf. Du fragst “Wen
soll das vorstellen?” – Ich:
“Das soll N.
sein.” – Du: “Es sieht
ihm aber nicht ähnl[n|i]ch; eher
d noch dem
M.” – Als ich sagte, es
stelle den N. vor,– machte ich einen
Zusammenhan[h|g], oder berich-– 321 – tete ich von
einem? Welcher Zusammenhang hatte denn
bestanden? |
| [5|6]84.
Was ist dafür zu sagen, daß meine Worte einen
Zusammenhang, der bestanden hat, beschreiben? Nun,
sie bez[e|i]ehen sich auf Verschiedenes, was nicht erst
mit ihnen in die Erscheinung trat. Sie sagen,
z.B., daß ich damals eine bestimmte
Antwort gegeben hätte, wenn ich gefragt worden
wäre. Und wenn dies auch nur konditional ist, so sagt
es doch etwas über die Vergangenheit. |
| [5|6]85.
“Suche den A” heißt nicht
“Suche den B”; aber ich mag, indem
ich die beiden Befehle befolge, genau das gleiche tun.
Zu sagen, es müsse dabei etwas anderes geschehen, wäre ähnlich, als sagte man: die Sätze “Heute ist mein Geburtstag” und “Am 26. April ist mein Geburtstag” müßten sich auf verschiedene Tage beziehen, da ihr Sinn nicht der gleiche sei. |
| [5|6]86.
“Freilich habe ich den B. gemeint; ich
habe gar nicht an A. gedacht!”
“Ich wollte, B. sollte zu mir kommen, damit …” – Alles dies deutet auf einen größern Zusammenhang. |
| [5|6]87.
Statt “Ich habe ihn gemeint” kann man
freilich manchmal sagen “Ich habe an ihn
gedacht:”; manchmal auch
“Ja, wir haben von ihm geredet”.
Also frag dich, worin es besteht – 322
– ‘von ihm
reden’! |
| [5|6]88.
Man kann unter Umständen sagen: “Als ich
sprach, empfand ich, ich sagte es
dir.” Aber das würde
nicht ich nicht sagen, wenn ich ohnehin mit dir
sprach. |
| [5|6]89.
“Ich denke an N.”
“Ich rede von N.”
Wie rede ich von ihm? Ich sage etwa “Ich muß heute N. besuchen.”‒ ‒ Aber das ist doch nicht genug! Mit “N.” könnte ich doch verschiedene Personen meinen, die diesen Namen haben. – “Also muß noch eine andere Verbindung meiner Rede mit dem N. bestehen, denn sonst hätte ich doch nicht ihn gemeint.” Gewiß, eine solche Verbindung besteht. Nur nicht, wie du sie dir vorstellst: nämlich durch einen geistigen Mechanismus. (Man vergleicht “ihn meinen” mit “auf ihn zielen”.) |
| [5|6]90.
Wie, wenn ich einmal eine scheinbar unschuldige Bemerkung
mache und sie mit einem verstohlenen Seitenblick auf jemand
begleite; ein andermal, vor mich niedersehend, offen über
einen Anwesenden rede, indem ich seinen Namen nenne,– denke
ich wirklich eigens an ihn, wenn ich seinen Namen
gebrauche? |
| [5|6]91.
Wenn ich das Gesicht des N. nach dem
Gedächtnis für mich hinzeichne, so kann man doch sagen,
ich meine ihn mit meiner Zeichnung. Aber
von welchem Vorgang, der – 323
– während des Zeichnens stattfindet
(oder vor– oder nachher) könnte ich sagen, er
wäre das Meinen? Denn man möchte natürlich sagen: als er ihn meinte, habe er auf ihn gezielt. Wie aber macht das Einer, wenn er sich das Gesicht des Andern in die Erinnerung ruft? Ich meine, wie ruft er sich ihn ihn ins Gedächtnis? Wie ruft er ihn? |
| [5|6]92.
Ist es richtig, wenn Einer sagt: “Als ich dir
diese Regel gab, meinte ich, du solltest in diesem Falle
…”? Auch wenn er, als er die Regel
gab, an diesen Fall gar nicht dachte // gedacht hatte // ?
Freilich ist es richtig. “Es
meinen” hieß eben nicht: daran denken.
Die Frage ist nun aber: Wie haben wir zu beurteilen,
ob Einer dies gemeint hat? – Daß er
z.B. eine bestimmte Technik der Arithmetik
und Algebra beherrschte und denm Andern den
gewöhnlichen Unterricht im Entwickeln einer Reihe gab, ist
so ein Kriterium. |
| [5|6]93.
“Wenn ich Einen die Bildung der Reihe … lehre,
meine ich doch, er solle an der hundertsten Stelle …
schreiben.” – Ganz richtig: du
meinst es. Und offenbar, ohne notwendigerweise auch
nur daran zu denken. Das zeigt dir, wie verschieden
die Grammatik des Zeitworts “meinen” von der des
Zeitworts “denken” ist. Und nichts
Verkehrteres, als Meinen eine geistige Tätigkeit
nennen! Wenn man nämlich nicht darauf
ausgeht, Verwirrung zu erzeugen. (Man könnte
auch von einer – 324
– Tätigkeit der Butter reden, wenn sie
im Preise steigt; und wenn dadurch keine Probleme erzeugt werden,
so ist es harmlos.) |
1) Wittgenstein first writes an instruction to include the the quote from Faraday on page 85a, but the instrcution seems later to have been deleted.
2) See facsimile; this representation deviates slightly from the original.
3) See facsimile; arrow pointing left, probably indicating that the mistaken indentation shall be canceled.
To cite this element you can use the following URL:
BOXVIEW: http://wittgensteinsource.org/BTE/Ts-227b_d