25.4.51.
“Ich kann mich darin nicht
irren” ist ein gewöhnlicher Satz,
der dazu dient den Gewißheitswert einer Aussage
anzugeben. Und nur in seinem alltäglichen Gebrauch ist
er berechtigt. |
Aber was
zum Teufel hilft er, wenn ich mich –
zugegebenermaßen – in ihm irren kann &
also auch in dem Satz, den er stützen sollte? |
Oder soll ich sagen, der Satz
schließe eine bestimmte Art des Fehlers aus.
|
“Er hat mir das heute gesagt; – darin kann
ich mich |
Wenn man aber
sagt: || Wenn man aber mit dem Einwurf || Bedenken kommt: Wie, wenn ich
plötzlich sozusagen aufwachte & sagte “Jetzt hab ich mir eingebildet, ich
heiße L.W.!” – –
wer sagt denn, daß ich nicht nocheinmal aufwache & nun
dies als sonderbare Einbildung
erkläre,
u.s.f.? 2 |
Man kann sich
freilich einen Fall vorstellen & es gibt Fälle,
wo man nach dem ‘Aufwachen’
nie mehr einen
Zweifel daran hat, || daran zweifelt, was
Einbildung & was Wirklichkeit war. ||
nie mehr einen Zweifel dran hat, was
Einbildung
& was Wirklichkeit war.
Aber so ein Fall, oder
seine Möglichkeit, diskreditiert den Satz “Ich kann mich darin nicht
irren” nicht. |
Würde denn sonst nicht alle
Behauptung so diskreditiert? |
Ich kann mich darin nicht irren, –
aber ich mag wohl einmal, mit Recht oder mit Unrecht,
entscheiden || einzusehen glauben, ich sei nicht
urteilsfähig gewesen. |
Wenn das immer oder oft
vorkäme würde es allerdings den Charakter des Sprachspiels
gänzlich ändern || verändern. |
Es ist ein Unterschied zwischen einem
Irrtum für den, sozusagen, ein Platz im Spiel
vorgesehen ist, & einer vollkommenen
Regelwidrigkeit, die ausnahmsweise vorkommt. ||
& einer Verwirrung, die ausnahmsweise || als Ausnahme
einmal vorkommt. |
Ich kann auch den Andern davon überzeugen,
daß ich mich ‘darin nicht irren
kann’. Ich sage Einem: “Der & der war heute vormittag bei mir & hat mir das & das erzählt.” Wenn es erstaunlich ist, so fragt er mich 3 vielleicht: “Du
kannst Dich nicht darin irren?” Das mag heißen: “Ist das auch gewiß heute
vormittag geschehen?”, oder
aber: “Hast Du ihn auch
gewiß recht verstanden?”
– Es ist leicht zu sehen, durch welche weiteren
Angaben || Ausführungen ich zeigen
könnte, daß ich mich in der Zeit nicht irre || geirrt habe, & ebenso || ähnlich, durch welche Ausführungen || wie ich zeigen könnte, daß ich
jene || die Erzählung nicht
mißverstanden habe. Aber alles dies || das
kann nicht zeigen, daß ich die ganze Sache nicht
geträumt, oder sie mir traumartig || traumhaft eingebildet
habe. Es kann auch nicht zeigen, daß ich mich nicht
etwa || vielleicht durchgehends versprochen
habe. (So etwas kommt |
(Ich sagte
einmal jemandem ¤ – auf Englisch – die Form
eines bestimmten Zweiges sei charakteristisch für den Zweig
einer Ulme [elm], was der Andre bestritt.
Wir kamen dann an Eschen vorbei, & ich sagte “Siehst Du, hier sind die Zweige, von denen
ich gesprochen habe.” Worauf
er: “But
that's an ash” –
& ich: “I
always meant ash when I said elm”.) |
Das heißt doch: die Möglichkeit eines
Irrtums läßt sich in gewissen (&
häufigen) Fällen eliminieren. – So
eliminiert man (ja auch)
Rechnungsfehler. 4 Denn wenn eine Rechnung
unzählige Male nachgerechnet worden ist, so kann
man nun nicht sagen: “Ihre Richtigkeit ist immer || dennoch nur sehr wahrscheinlich, – da
sich immer noch ein Fehler eingeschlichen haben
kann.” || da
immer noch ein Fehler der Aufmerksamkeit entgangen sein
kann.”
Denn angenommen es schiene nun einmal, daß
wir einen Fehler entdeckt haben || ein Fehler
entdeckt worden sei – warum sollen wir nun hier
nicht || nicht hier einen Fehler
vermuten? |
Ich
kann mich nicht darin irren, daß 12 × 12 = 144
ist. Und man kann nun nicht mathematische
Sicherheit der |
Kann ich nun
prophezeien, daß Menschen die heutigen Rechensätze nie
umstürzen werden, nie sagen werden, jetzt wüßten sie
erst, wie es sich verhalte? Aber würde das einen
Zweifel unsrerseits rechtfertigen? 5 |
Wenn der
Satz 12 × 12 = 144 vom Zweifel ausgenommen ist, dann
müssen's auch nicht-mathematische Sätze
sein. |
26.4.51.
Aber darauf kann man manches einwenden. – Erstens
ist eben “12 × 12
etc.” ein
mathematischer Satz, & daraus kann man
folgern, daß nur solche Sätze in dieser Lage sind.
Und wenn diese Folgerung nicht berechtigt ist, so sollte es
einen ebenso sichern || gewissen Satz geben, der vom
Vorgang der || jener Rechnung handelt, aber nicht
mathematisch ist. – Ich denke an einen Satz etwa
dieser Art: “Die Rechnung
‘12 × 12’ wird, wenn Rechenkundige sie ausführen, in der
großen Mehrzahl der |
Dem mathematischen Satz ist gleichsam
offiziell der Stempel der
Unbestreitbarkeit aufgedrückt worden.
D.h.: “Streitet Euch um andre
Dinge; das steht fest, ist eine Angel, um die sich
Euer Streit drehen kann.” |
Und das kann man
nicht vom Satz sagen, daß ich
L.W.
heiße. Auch nicht von dem Satze, daß die
& die Menschen die & die Rechnung richtig gerechnet
haben. 6 |
Die Sätze der Mathematik,
könnte man sagen, sind Petrefakten. – Der
Satz “Ich
heiße …” ist dies || das nicht. Aber er wird auch von denen, die, wie ich (die)
überwältigende Evidenz haben || von
denen, die, wie ich, die überwältigende Evidenz
haben, wird auch er als unumstößlich
betrachtet. Und das nicht aus
Gedankenlosigkeit. Denn, daß die
Evidenz überwältigend ist, besteht eben darin, daß wir
uns vor keiner entgegenstehenden Evidenz beugen
müssen. Wir haben also hier einen Widerhalt
ähnlich wie den, der die Sätze der Mathematik
unumstößlich macht. |
Die Frage ‘Aber könntest Du nicht jetzt in einem
Wahn befangen sein, & vielleicht später
herausfinden, daß Du's warst?” |
“Ich kann mich darin nicht irren, daß ich
jetzt gerade zu mittag gegessen habe.” Ja, wenn ich Einem sage “Ich habe gerade zu mittag gegessen”, mag er glauben, daß ich lüge, oder gar nicht || jetzt nicht bei Sinnen bin, aber er wird nicht glauben, ich irre mich. Ja, die Annahme, ich könnte mich irren, hat hier keinen Sinn.1 |
Aber das stimmt nicht ganz. Ich könnte z.B.
gleich nach Tisch, ohne es zu wissen, eingenickt sein &
eine Stunde geschlafen haben, & nun
glaube ich || glauben, 7 ich hätte gerade gegessen.
Aber ich unterscheide hier immerhin zwischen verschiedenen Arten des Irrtums. |
Ich
könnte fragen: “Wie könnte
ich mich darin irren, daß ich L.W. heiße?”
Und ich kann sagen: “Ich sehe
nicht, wie es möglich wäre. |
Wie könnte ich mich in der
Annahme irren, daß ich nie auf dem Mond war? |
Wenn
ich jemandem sagte “Ich
bin nicht auf dem Mond gewesen – aber ich kann mich
irren”, so wäre das
blödsinnig. Denn selbst der Gedanke, |
Ich habe ein
Recht zu sagen “Ich kann mich
hier nicht irren”, auch wenn ich im
Irrtum bin. |
Es ist ein
Unterschied: ob man in der Schule lernt, was in der Mathematik
richtig & falsch ist, oder ob ich selbst erkläre, ich
könne 8 mich in einem Satz nicht irren. |
Ich setze hier dem, was allgemein
festgelegt ist, besonderes hinzu. |
Aber wie ist es
z.B. mit der Anatomie (oder
einem großen Teil derselben)? Ist nicht auch,
was sie beschreibt, von allem Zweifel
ausgeschlossen || ausgenommen? |
Auch wenn ich zu einem Volk
käme, das die Lehre bekennt || glaubt,
die Menschen würden im Traum auf den Mond versetzt, könnte
ich ihnen nicht sagen: “Ich war nie auf dem Mond.
– Natürlich
kann ich mich irren.” Und
auf ihre Frage “Kannst Du Dich
nicht irren?” müßte ich
sagen || antworten:
“Nein”. |
Welche praktischen Folgen hat
es, wenn ich jemandem eine Mitteilung mache &
dazusetze, ich könne mich darin nicht irren?
(Ich könnte statt dessen auch hinzusetzen: “Ich kann mich darin sowenig irren, wie darin, daß ich L.W. heiße.”) Der Andre könnte dennoch an meiner Aussage zweifeln. Aber nicht nur wird er, wenn er mir traut, sich von mir belehren lassen, sondern er wird auch bestimmte Schlüsse über || aus meiner Überzeugung auf mein Verhalten ziehen. |
Der Satz “Ich kann mich darin nicht
irren” wird sicher in der Praxis
gebraucht. Man könnte || kann aber
9 bezweifeln, ob er dann in
ganz strengem Sinne zu verstehen ist, oder ob er eher
eine || von der Art einer Übertreibung ist, die
vielleicht nur zum Zweck der
Überredung gebraucht wird. || die
vielleicht nur den Zweck der Überredung hat.
27.4. || , oder nur eine Art Übertreibung ist, zum
Zweck der Überredung || des
Überredens. || Übertreibung ist,
die der Überredung dient. |
Man könnte von
Grundprinzipien der menschlichen Forschung reden. |
Ich fliege von hier nach einem
Weltteil, wo die Menschen nur unbestimmte, oder wo sie gar keine
Nachricht von der Möglichkeit des Fliegens
haben. Ich sage ihnen, ich sei 10 Zauber habe mir
das eingebildet. |
‘Wenn ich der || dieser Evidenz nicht traue, warum soll ich dann irgend
einer Evidenz trauen?’ |
Ist es nicht schwer zu
unterscheiden zwischen den Fällen, in denen ich mich
nicht, || – &
solchen in denen || worin ich mich schwerlich
irren kann? Ist es immer klar, zu welcher Art ein Fall
gehört? Ich glaube nicht. |
Es gibt nun aber bestimmte typische
Fälle, || Typen von Fällen, in denen ich mit Recht
sage, ich könne mich nicht irren, &
Moore hat ein paar
Beispiele solcher Fälle gegeben. Ich kann verschiedene typische |
Wenn Einer glaubt, vor
wenigen Tagen von Amerika nach England
geflogen zu sein, so glaube ich, daß er sich darin nicht
irren kann. Ebenso, wenn Einer sagt, er sitze jetzt am Tisch & schreibe. |
“Aber wenn ich mich auch in solchen
Fällen nicht irren kann, – ist es nicht
möglich, daß ich in der Narkose bin?” Wenn
ich es bin, & wenn die Narkose 11 mir das Bewußtsein raubt, dann
rede & denke ich jetzt nicht
wirklich. Ich kann nicht im Ernst annehmen, ich
träume jetzt. Wer im Traum || träumend sagt “Ich träume”, hat auch wenn er
dabei im Schlaf redete, || auch wenn er dabei hörbar
redete, hat sowenig recht, wie wenn er im Traum
vom Regen spräche || sagt “Es regnet”, während es tatsächlich regnet.
Auch wenn sein Traum wirklich mit dem Geräusch des Regens
zusammenhängt.
2
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