| 1
26.4.30
Ohne etwas Mut kann man nicht einmal eine vernünftige
Bemerkung über sich selbst schreiben.
Ich glaube manchmal Ich leide unter einer Art geistiger Verstopfung. Oder ist das nur eine Einbildung ähnlich der wenn man fühlt man möchte erbrechen wenn tatsächlich nichts mehr drin ist? Ich bin sehr oft oder ˇbeinahe immer voller Angst. Mein Gehirn ist sehr reizbar. Habe heute von der Marguerite Taschentücher zum Geburtstag bekommen. Sie haben mich gefreut, wenn mir auch jedes Wort noch lieber gewesen wäre & ein Kuss ˇnoch viel lieber als alles. Von allen Menschen die 2 jetzt leben
würde mich ihr Verlust am schwersten treffen, das will ich nicht
frivol sagen, denn ich liebe sie oder hoffe daß ich sie
liebe. Ich bin müde & Ideenlos das ist freilich immer so in den ersten Tagen nach meiner Ankunft bis ich mich an das Klima gewöhnt habe. Aber freilich ist nicht gesagt daß ich nicht überhaupt vor einer leeren Periode stehe. Es ist mir immer fürchterlich wenn ich denke wie ganz mein Beruf von einer Gabe abhängt die mir jeden Moment entzogen werden kann. Ich denke sehr oft, immer wieder, hieran & überhaupt daran wie einem alles entzogen werden kann & man gar nicht weiß was man alles hat & das aller Wesentlichste eben erst 3 dann gewahr wird wenn man es
plötzlich verliert. Und man merkt es nicht eben weil
es so wesentlich, daher so gewöhnlich ist. Wie man
auch nicht merkt daß man fortwährend atmet als bis man
Bronchitis hat & sieht daß was man für
selbstverständlich gehalten hat gar nicht so
selbstverständlich ist. Und es gibt noch viel mehr
Arten geistiger Bronchitis. Oft fühle ich daß etwas in mir ist wie ein Klumpen der wenn er schmelzen würde mich weinen ließe oder ich fände dann die richtigen Worte (oder vielleicht sogar eine Melodie). Aber dieses Etwas[,| (]ist es das Herz?) fühlt sich bei mir an wie Leder & |
| Es gibt Menschen die zu schwach zum Brechen
sind. Zu denen gehöre auch ich. |
| Das Einzige was vielleicht ein Mal
an mir brechen wird & davor fürchte ich mich
manchmal ist mein Verstand. |
|
Ich glaube manchmal daß mein Gehirn die Beanspruchung einmal
nicht aushalten wird & nachgeben wird.
Denn es ist furchtbar beansprucht für seine Stärke –
so scheint es mir wenigstens oft. |
| 27.
Bis etwa zu meinem 23ten Lebensjahr wäre
5 es mir unmöglich
gewesen in einem freistehenden Bett zu schlafen & auch
sonst nur mit dem Gesicht zur Wand. Ich weiß
nicht wann mich diese Furcht verlassen hat. War es
erst im Krieg? |
|
Vor einigen Tagen träumte ich folgendes:
Ich führte ein Maultier dessen Wärter ich zu sein schien. Zuerst auf einer Straße – ich glaube in einer orientalischen Stadt; dann in ein Büro wo ich in einem großen Zimmer warten mußte. Vor diesem war noch ein kleineres mit vielen Leuten. Das Maultier war unruhig & storrisch. Ich hielt es an einem kurzen Strick & dachte ich möchte daß es sich den Kopf an die Wand anrennt – an der ich saß – dann wird es ruhiger werden. Ich sprach
|
| Ramseys Geist war mir sehr zuwider. Als ich
vor 15 Monaten nach Cambridge kam da glaubte ich,
ich würde nicht mit ihm verkehren können denn ich hatte ihn
von meinen unserer letzten Begegnung vor etwa 4 Jahren bei
7 Keynes in Sussex in so schlechter
Erinnerung. Keynes ◇◇◇ dem ich dies sagte sagte mir aber
er glaube ich sollte sehr wohl mit ihm reden können &
nicht blos über Logik. Und ich
fand Keynes's Meinung bestätigt. Denn ich konnte
mich über manches ganz gut mit
R. verständigen. Aber auf die Dauer ging
es doch nicht wirklich gut. Die Unfähigkeit
R.'s zu wirklichem Enthusiasmus oder zu
wirklicher Verehrung was das selbe ist
widerte mich endlich mehr & mehr an.
Andererseits hatte ich eine gewisse Scheu vor
R.. Er war ein sehr rascher &
geschickter Kritiker wenn man ihm Ideen vorlegte. Aber
seine Kritik half nicht weiter sondern hielt auf &
ernüchterte.
Der kurze Zeitraum wie
Schopenhauer ihn nennt
zwischen den beiden langen
9 |
|
Freud
irrt sich gewiss sehr oft & was seinen
Charakter betrifft so ist er
|
|
Ich trödle gerne. Vielleicht jetzt nicht mehr so
sehr wie in früherer Zeit. |
| 28.
Ich denke oft das Höchste was ich erreichen möchte
wäre eine Melodie zu komponieren. Oder es
wundert mich daß
|
| 29.
Mir ist nur dann wohl wenn ich, in irgend einem
ˇgewissen Sinn, begeistert bin. Und dann habe ich wieder
Angst vor dem Zusammenbruch dieser Begeisterung.
Heute zeigte mir Mrs Moore eine dumme Kritik einer Aufführung der 4ten Symphonie von Bruckner wo der Kritiker über Bruckner schimpft & auch von Brahms & Wagner respectlos redet. Es machte mir zuerst keinen Eindruck da es das Natürliche ist daß alles 11 – großes &
kleines – von Hunden angebellt wird. Dann
schmerzte es mich doch. In gewissem Sinne fühle
ich mich berührt (seltsamerweise) wenn ich denke daß der
Geist nie verstanden wird. |
| 30.
Unfruchtbar & träg. Zu dem
Geistigen: Ich denke mir dann immer: haben diese
Großen
da[rum|zu]
so unerhört viel gelitten, daß heute ein Arschgesicht kommt
& seine Meinung über sie abgibt.
Geste Dieser Gedanke
erfüllt mich oft mit einer Art von Hoffnungslosigkeit. – Gestern [S|s]aß ich eine Zeit lang im
Garten von Trinity & da kam dachte ich
merkwürdig wie die gute körperliche Entwicklung aller dieser
Leute mit völ[l|]liger Geistlosigkeit
zusammengeht (Ich meine nicht
Verstand-Ich möchte den ganzen Tag nur essen & schlafen. Es ist als wäre mein Geist müde. Aber wovon? Ich habe in allen diesen Tagen nichts wirkliches gearbeitet. Ich [f|F]ühle mich blöd & feig. |
| 1.5.
Bis mir etwas klar
13 zieht & der Gegenstand selbst
sichtbar wird. Während dieser Zeit aber bin ich mir
meiner Unklarheit nicht einmal ganz klar bewußt. Und auf
einmal sehe ich dann wie die Sache wirklich ist oder war.
Darum
|
| 2.5
In meinen Vorlesungen trachte ich oft die Gunst
meiner Zuhörer durch eine etwas komische Wendung zu
gewinnen; sie zu unterhalten damit sie mir willig Gehör
schenken. Das ist gewiß etwas Schlechtes.
Ich leide oft unter dem |
|
Da ich sehr schwach bin, bin ich ungemein abhängig von der
Meinung Anderer. Wenigstens im Moment des
Handelns. Es sei denn daß ich lange Zeit habe mich zu
[d|t]erfangen.
Ein gutes Wort [w|d]as mir jemand sagt oder ein freundliches Lächeln wirken lange angenehm & ermunternd & versichernd auf mich nach & ein unangenehmes d.h. 15 unfreundliches Wort ebenso
lange bedrückend auf mich. Am [W|w]ohltätigsten ist dann das Alleinsein in meinem Zimmer dort stelle ich das Gleichgewicht wieder her. Zum mindestens das geistige wenn auch die Nerven den Eindruck noch behalten. |
| Der
Beste Zustand bei mir ist der der Begeisterung weil
der die lächerlichen Gedanken wenigstens teilweise
gl aufzehrt & unschädlich
macht. |
| Alles oder beinahe
alles was ich tue auch diese Eintragungen sind von Eitelkeit
gefärbt & das beste was ich tun kann ist gleichsam die
Eitelkeit abzutrennen, zu isolieren & trotz ihr
daß [r|R]ichtige zu tun obwohl sie
immer zuschaut. Verjagen kann ich sie nicht. Nur
manchmal |
| Ich
liebe die Marguerite
sehr & bin habe große Angst sie
möchte nicht gesund sein da ich schon über eine Woche keinen
Brief von [I|i]hr habe. Ich denke wenn ich
allein bin wieder & wieder an sie aber auch
sonst[,| .]am meisten
Wäre ich anständiger so wäre auch meine Liebe
zu ihr anständiger. Und dabei liebe ich sie jetzt so
innig als ich kann. An Innigkeit fehlt es mir
vielleicht auch nicht. [a|A]ber an
Anständigkeit. |
| 6.5.
Lese Spengler
Untergang etc. & finde trotz des vielen
Unverantwortlichen im Einzelnen, viele wirkliche,
bedeutende Gedanken. Vieles, vielleicht das Meiste
be-17 rührt sich ganz mit dem was ich
selbst oft gedacht habe. Die Möglichkeit der
ab einer Mehrzahl abgeschlossener Systeme welche
wenn man sie einmal hat ausschauen als sei das eine die Fortsetzung
des Anderen. Und das hängt alles auch m⌊i⌋t dem Gedanken zusammen, daß wir gar nicht wissen (bedenken) wieviel dem Menschen genommen – oder auch gegeben – werden kann. |
|
Neulich las ich zufällig in den
Budenbrooks vom Typh[y|u]s & wie Hanno
B. in seiner letzten
Krankheit niemand mehr erkannte außer einem
Freund. Und da fiel mir auf daß man das
gemeinhin als selbstverständlich ansieht & denkt,
19 verwan[d|t],
mit dem, daß z.B. über
die Fehlleistungen) |
| D.h. wir halten alles was wir
haben für selbstverständlich &
wissen gar nicht daß wir compett
sein können auch ohne dem & dem was wir gar nicht als
besondere Fähigkeit erkennen weil es uns zur
Vollständigkeit
desse unseres Verstandes zu
gehören scheint. |
|
Es ist
schade daß Spengler
nicht bei seinen Guten Gedanken geblieben ist
& weiter gegangen ist als er verantworten kann.
Allerdings wäre durch die größere Reinlichkeit sein
Gedanke schwerere zu verstehen gewesen aber auch dadurch
erst wirklich nachhaltig wirksam. So ist der Gedanke daß
die 21 |
| Als ich
vor 16 Jahren den Gedanken hatte, daß das Gesetz der
Kausalität be an sich bedeutungslos
sei & es eine Betrachtung gibt der Welt gibt
die es nicht im Auge hat da hatte ich das Gefühl vom
[a|A]nbrechen einer Neuen Epoche.
|
|
In einer [b|B]eziehung
muß ich ein sehr moderner Mensch sein weil das Kino
so außerordentlich wohltätig auf mich wirkt.
Ich kann mir keine Form des
Ausruhens des Geistes denken was mir adäquater wäre
als ein amerikanischer Film. Was ich sehe & die
Musik geben mir eine seelige Empfindung
vielleicht
|
| Eine Entdeckung ist weder groß noch
klein; es kommt darauf an was sie uns bedeutet. |
| Wir sehen in der
Kopernicanischen Entdeckung etwas Großes – weil wir wissen
daß sie ihrer Zeit etwas Großes bedeutete &
viellleicht auch weil noch ein Ausklang dieser Bedeutung
zu uns herüber kommt – & nun schließen
wir per analogiam daß die
Entdekkungen Einsteins etc. zum mindesten
etwas ebenso Großes sind. Aber sie sind – wenn auch
von noch so großem praktische[m|r]
Interesse, Wert
Wichtigkeit, vielseitigem
Inter- 23 esse etc
– doch nur so groß als sie bedeutend
(symbolisch) sind. Es verhält sich damit
natürlich wie – z.B. – mit dem
Heldentum. Eine Waffentat ˇfrüherer Zeiten wird
ˇ– mit Recht – als Heldentat
gerühmt. [a|A]ber es ist
ganz wohl möglich daß eine ebenso schwierige oder noch
schwierigere Waffentat heute eine reine Sportsache ist und zu Unrecht
mit den Namen Heldentat erhält.
Die Schwierigkeit, die praktische Bedeutung alles das
was man kann man, gleichsam, von außen
beurteilen; die Größe das Heldentum
wird von der Bedeutung bestimmt die die Handlung
hat. Von dem Pathos das mit der Handlungsweise
verbunden ist. Darum Weil aber eine bestimmter Zeitabschnitt eine bestimmte Rasse ihr Patos mit ganz bestimmten Handlungsweisen verbindet so werden die Menschen irrege- |
| Das Trinken, zu einer Zeit symbolisch ist zu
einer anderen Zeit Suff. |
|
D.h. der Nymbus, nämlich der echte
25 Nymbus haftet nicht an der
äußern Tatsache d.h. nicht an der
Tatsache. |
|
Beim Lehren der Philosophie kann man oft sagen „Spitzbuben
selbst, die uns zu Schelmen machen!” |
| 8.
Ich habe nie einen Streich gemacht & werde wohl nie einen
machen. Es ist meiner Natur nicht
gemäß. (Ich halte das wie alles
Natürliche weder für einen Fehler noch für einen
Vorzug) |
| 9
Ich bin sehr verliebt in die
R. freilich schon seit langem aber jetzt
besonders stark. Dabei weiß ich aber daß die Sache
aller Wahrscheinlichkeit nach hoffnungslos ist.
D.h. ich muß gefaßt sein, daß sie
jeden Moment sich 27 kannst Du freilich nie
abgeworfen werden aber auch nie hoffen je zu reiten. Und
man kann darauf nur sagen: Du mußt Dich dem Pferd ganz widmen
& doch gefaßt sein daß Du jederzeit abgeworfen
werden kannst. |
| Man glaubt oft
– und ich selber verfalle oft in diesen Fehler –
daß alles aufgeschrieben werden kann was man denkt.
In Wirklichkeit kann man nur das aufschreiben –
d.h. ohne etwas
blödes &
unpassendes zu tun – was in der
Schreibeform in uns entsteht. Alles
andere wirkt komisch & gleichsam wie
|
|
Vischer sagte „eine Rede ist keine Schreibe” und
eine Denke ist auch schon erst recht keine. |
| (Ich bin immer froh eine neue Seite anfangen
zu können.) |
| Ich
denke: Werde ich die
R. je wieder in den Armen halten & küssen
können? Und muß auch darauf gefaßt sein
& mich damit aussöhnen können daß es nicht
geschehen wird. |
|
Stil ist der Ausdruck einer allgemein menschlichen
Notwendigkeit. Das gilt vom Schreibstil wie vom Baustil
(und jedem anderen). Stil ist die allgemeine Notwendigkeit sub spe[z|c]ie eterni gesehen. |
| Gretl machte ˇeinmal über
Klara Schumann eine sehr gute Bemerkung: wir sprachen
darüber daß es ihr – wie es uns scheint – an irgend
etwas Menschlichem gefehlt haben muß, über ihre Prüderie
etc. Da sagte Gretl 29 „sie war eben nicht was die
Ebner Eschenbach war” und das sagt alles. |
| Loos,
Spengler,
Freud & ich
gehören alle in dieselbe Klasse die für diese Zeit
charakteristisch ist. |
| 12.
Ich habe immer Angst vor meinen Vorlesungen obwohl es bis jetzt
immer ziemlich gut gegangen ist. Diese Angst besitzt mich
dann wie eine Krankheit. Es ist übrigens
nichts anderes als Prüfungsangst. Die Vorlesung war mäßig. Ich bin eben schon müde denn ich habe kein ordentlichen Ferien gehabt. . Keiner meiner Hörer ahnt wie mein Gehirn arbeiten muß um das zu leisten, was es leistet. Wenn meine Leistung nicht erstklassig ist, so ist sie doch das Äußerste was ich leisten kann. |
| 16.
Ich glaube es gehört heute Heroismus dazu die Dinge
nicht als Symbole im Krausschen Sinn zu sehen. Das heißt sich
freizumachen von einer Symbolik, z die zur
Routine werden kann. Das heißt freilich nicht
sie versuchen sie ˇwieder flach zu sehen sondern
die Wolken des, sozusagen, billigen Symbolismus in einer
höheren Sphäre wieder zu verdampfen (so daß die
Luft wieder durchsichtig wird) Es ist schwer sich diesem Symbolismus heute nicht hinzugeben. |
| Mein Buch die
log. phil.
Abhandlung enthält neben gutem & echtem auch Kitsch
d.h. Stellen mit denen ich Lücken
ausgefüllt habe und sozu- 31 sagen in meinem eigenen Stil.
Wie viele solche Stellen von dem Buch
solche Stellen sind weiß ich nicht & es ist schwer es jetzt
gerecht zu schätzen. |
| 26.5.
Ein Mann mit mehr Talent als ich ist der, der
|
| 2.10.
In Cambridge angekommen. Fuhr von
Wien am 26ten ab & zu
Tante Clara in
Thumersbach & wenn es auch nicht so rein herrlich
ˇdort bei ihr war wie sonst in Laxenburg so war es
doch schön & ich schied mit guten Gefühlen.
Am 27ten abend kam ich in
Gottlieben an & da war es erst gespannt
das so viel 33 Wien zu kommen &
dort zu arbeiten. Erst als wir (besonders ich) schon
ziemlich viel geredet hatten sah ich daß sie sehr
unglücklich sei. Im Grunde war der Gedanke an
das Heiraten in ihr obenauf. Das schien für sie doch
die einzige wirkliche Lösung. Das
brauche sie & sonst nichts. Ich bat sie Geduld
zu haben. es werde sich das
Richtige – ihr angemessene – für sie
finden. Sie solle jetzt vor allem einmal wieder
anständig arbeiten & das weitere
abwarten. Erst bei einer anständigen
Arbeit werde ihr alles klarer & leichter
erträglich werden. – Am nächsten
Morgen Sie war bei diesem Gespräch wieder recht fremd
gegen mich wich meinen Küssen eher aus &
35 gegen meinen ursprünglichen
Plan. Ich hatte das Gefühl es werde für sie
(& überhaupt) gut sein Auch sie war –
glaube ich – froh darüber. Am Nachmittag
gingen wir nach Konstanz um ein Paket mit zwei
Sweatern aufzugeben die sie für
Talla
gestrickt hatte. Ich mußte eine
39
guten &
herzliche Art mir [H|h]alf. Dann brachte ich den
Abend mit Gilbert zu
& wir waren eigentlich lustig wenn mich auch mein
schweres Gefühl nie verließ wie es natürlich ist.
Heute vormittag schrieb ich einen langen Brief an
Gretl worin
ich so gut ich konnte das Ergebnis meines Aufenthalts bei
M. & den Aufenthalt selbst
beschrieb. Dann nach Cambridge wo ich
bei Lettice wohne die sehr
freundlich ˇ& gut mit mir ist. Ich
erzählte ihr von Marguerite & unseren Schwierigkeiten. – Ich bin mir über die Bedeutung aller meiner
Erlebnisse mit M. sehr im Unklaren. Ich weiß
nicht wohin das führen soll, noch was ich tun soll um es in der
besten Weise zu beeinflussen und auch mein Egoismus spielt
|
| 3.
An M.
geschrieben. Ich halte ihr – in
Gedanken – die Hand, wie ich es auf der Fahrt nach
Basel tat, obwohl ich wußte daß sie nicht an mich
dachte, nur damit sie unbewußt eine Stütze oder Hilfe
hat. Oder sich vielleicht einmal mit guten Gefühlen
daran erinnert. |
| 4.
Bin traurig in dem Gedanken
M. nicht helfen zu können. Ich bin
sehr schwach & wetterwendisch. Wenn
ich stark bleibe d G.H. werde ich ihr
vielleicht dadurch helfen können. – Es ist
möglich, daß, was sie braucht, vor allem ein starker
& fester Pflock ist der stehen 41 bleibt, wie sie auch
flattert. Ob ich die Kraft dazu haben werde?
Und die nötige Treue? Möge mir
Gott das Nötige geben.
|
| Ich sollte mich nicht
wundern wenn die Musik der Zukunft einstimmig wäre.
Oder ist das nur, weil ich mir mehrere Stimmen
nicht klar vorstellen kann? Jedenfalls kann ich
mir nicht denken daß die alten großen Formen
(Stre⌊i⌋chquartett, Symphonie, Oratorium
etc) irgend eine Rolle werden
spielen können. Wenn etwas kommt so
wird es – glaube ich – einfach sein müssen,
durchsichtig. In gewissem Sinne nackt. Oder wird das nur für eine gewisse Rasse, nur für eine Art der Musik gelten(?) |
| 7.10.
|
|
Ich habe manchmal über mein seltsames
Verhältnis zu Moore nachgedacht. Ich achte ihn hoch
43 & habe eine gewisse
nicht ganz geringe Zuneigung zu ihm.
Er dagegen? Er schätzt meinen Verstand, mein
philosophisches Talent hoch, ˇd.h.
d.h. er glaubt daß ich
sehr gescheidt bin aber seine Zuneigung zu mir ist
wahrscheinlich recht gering. Und ich
konstruiere dies mehr als ich es fühle, denn er ist
freundlich zu mir, wie zu jedem & wenn er hierin mit
verschiedenen Leuten verschieden ist so merke ich doch
keinen den Unterschied nicht weil ich
fü gerade für
diese Nuance keine A nicht
verstehe. Ich bin aktiv oder aggressiv er aber passiv
& darum merke ich während unseres Verkehrs gar nicht wie
fremd ich ihm bin. Ich erinnere mich darin an meine
Schwester Helene
der es mit Menschen geradeso geht. Es kommt dann
die peinliche 45 ich könne nicht
versprechen daß mich die Antwort nicht traurig machen
werde, wohl aber daß sie mich nicht kränken werde. – Und ich glaube daß es Gottes Wille mit mir ist, daß ich ⌊das⌋ hören
& es tragen soll. |
| Immer wieder glaube ich daß ich
|
| 8.10.
In der neuen Wohnung, sie paßt mir noch nicht, wie ein neuer
Anzug. Ich fühle m⌊i⌋ch kalt &
ungemütlich. Schreibe das nur um etwas zu schreiben
& mit mir selbst zu reden. Ich könnte
sagen: jetzt bin ich endlich mit |
| In der
Großstadt-großstädtischenZivilisation kann sich der Geist nur in einen Winkel
drücken. Dabei ist er aber nicht etwa
atavistisch & überflüssig sondern er schwebt
über der Asche der Kultur als
(ewiger) Zeuge – – quasi als
Rächer
|
| Als erwarte
er
|
| Wie müßte der große Satiriker
dieser Zeit ausschauen? |
| Es ist 3 Wochen seit ich
an Philosophie gedacht habe aber jeder Gedanke an sie ist
mir so fremd als hatte ich durch Jahre
nichts solches 47 mehr gedacht. Ich
soll will in meiner ersten Vorlesung über
die spezifischen Schwierigkeiten der
Gegenst der Philosophie sprechen &
habe das Gefühl: wie kann ich darüber etwas
sagen, ich kenne sie ja gar nicht mehr. |
| 9.
Obwohl ich bei recht freundlichen Leuten bin (oder gerade
deshalb?) fühle ich mich andauernd gestört
– obwohl sie mich nicht tätlich stören – &
kann nicht zu mir kommen. Das ist ein scheußlicher
Zustand. Jedes Wort das ich sie sprechen höre
stört mich. Ich fühle mich umgeben &
verhindert
|
| Ich
fühle mich in meinem Zimmer nicht allein sondern
exiliert. |
| 16.
Fühle mich im allgemeinen etwas besser. Für
mich arbeiten kann ich noch nicht, & das macht zum Teil der
Zwiespalt
|
| Ich ◇◇◇ bin im Stande
es mir in allen Lagen einzurichten. Wenn ich in eine
neue Wohnung komme so unter andere Umstände so
trachte ich mir so- 49 bald als möglich eine Technik zurechtzulegen
um die verschiedenen Unbequemlichkeiten zu ertragen &
Reibungen zu vermeiden: Ich richte es mir in den gegebenen
Umständen ein. Und so richte ich es mir nach &
nach auch mit dem Denken ein nur daß das nicht einfach durch einen
gewissen Grad von Selbstüberwindung &
|
| Moore hat meine Frage später
|
| Ich werde überhaupt mehr
geachtet als geliebt. (Und das erstere
natürlich nicht mit recht)
während einiger Grund bestünde mich gern zu
haben. |
| Ich
glaube daß mein Denkapparat außergewöhnlich
kompliziert & fein gebaut ist & darum
mehr als
gewohn- 51 lich empfindlich. Vieles
stört ihn, setzt ihn außer Aktion was einen
gröberen Mechanismus nicht stört. ⌊ Wie
ein Stäubchen ein feines Instrument zum Stillstand bringen kann
aber ein gröberes nicht beeinflußt ⌋ |
| Es ˇist merkwürdig, seltsam,
wie sehr es mich beglückt wieder irgend etwas über Logik
schreiben zu können obwohl meine Bemerkung gar nicht
besonders inspiriert ist. Aber das
bloße mit ihr allein beisammen sein zu
können gibt mir das Glücksgefühl.
Wieder geborgen, wieder zu Hause, wieder in der Wärme sein zu
können ist es wonach mein Herz sich sehnt & was ihm so
wohl tut. |
| 18.
Die Manier im Schreiben ist eine Art Maske hinter der das
Herz seine Gesichter schneidet wie es will. |
| Echte Bescheidenheit
ist eine religiöse Angelegenheit. |
| 19.
Wenn man mit Leuten redet die einen nicht wirklich
verstehen, one always makes a fool of oneself
fühlt man immer das man has made
a, wenigstens ich. Und das geschieht mir
hier immer wieder. Man hat die Wahl zwischen
völliger Fremdheit & dieser unangenehmen
Erfahrung. Und ich könnte ja sagen: Ich
habe doch den einen oder den anderen Menschen auch hier mit denen ich
reden kann ohne in diese Gefahr zu kommen; & warum ziehe ich
m⌊i⌋ch von den anderen nicht ganz zurück? Aber
das ist schwer & mir unnatürlich. Die
Schwierigkeit ist mit einem Menschen freundlich zu sprechen ohne
Punkte 53 zu berühren in denen
man sich nicht verstehen kann. Ernst zu sprechen &
so daß keine unwesentliche Sache die zu
[m|M]ißverständnissen führen muß
berührt wird. Es ist mir beinahe
unmöglich. |
| 22.
Unsere Zeit ist wirklich eine Zeit der Umwertung
aller Werte. (Die Prozession der Menschheit biegt
um eine Ecke & was früher die Richtung nach
oben war ist jetzt die Richtung nach unten etc.)
Hat Nietsche das im Sinne gehabt was jetzt geschieht &
besteht sein Verdienst darin es vorausgeahnt & ein Wort
dafür gefunden zu haben? |
|
Es gibt auch in der Kunst Menschen die glauben ihr ewiges Leben
durch gute Werke erzwingen zu können & solche die sich
der |
| Wenn mir etwas fehlt
etwa eine Halsentzündung wie heute so werde ich gleich sehr
ängstlich, denke, was wird werden wenn es schlimmer wird
& ich einen Doktor brauche & die Doktoren hier sind
nichts wert & ich muß vielleicht auf lange meine
Vorlesungen einstellen etc – als ob
der liebe Gott mit mir einen Kontrakt
abgeschlossen hätte daß er mich ungestört hier
läßt. Wenn ich solche Angst bei Anderen sehe, so
sage ich „das muß man eben hinnehmen”; es
fällt mir aber selbst sehr schwer mich auf's
Hinnehmen einzustellen statt auf's
Genießen. Man sieht gerne den Helden ˇim Anderen als Schauspiel (das uns geboten wird) aber selbst einer zu sein auch nur 55 im Geringsten schmeckt anders.
|
| Im durchscheinenden Licht hat das
Heldentum eine andere Farbe als im auffallenden.
(schlecht) Der Unterschied ist eher der zwischen einer gesehenen & einer gegessenen Speise. Weil hier das Erlebnis wirklich ein gänzlich anderes ist. |
| 1.11.
Was mich im Schlafen stört stört mich auch im
Arbeiten. Pfeifen & Sprechen aber nicht
das Geräusch von Maschinen oder doch viel
weniger. |
| 9.
Patriotismus ist die Liebe zu einer
I⌊d⌋ee. |
| 16.
Der Schlaf & die geistige Arbeit entsprechen einander in
vieler Beziehung. Offenbar dadurch daß beide ein
Ab- |
| 26,
Ein Wesen, das mit Gott in Verbindung
steht, ist stark |
| 16.1.31.
Es ist in meinem Leben eine Tendenz dieses Leben zu basieren auf
der Tatsache daß ich viel gescheiter bin
57 ˇeinmal vorstellen
daß alle anderen Menschen ebenso gescheit
wären sind wie ich – damit
womit ich mich gleichsam des Vorteils der Geburt, des
ererbten Reichtums begebe. –
und dann wollen wir sehen wie weit
ich durch die Güte allein komme, wenn ich mir dies sage so werde
ich mir meiner Kleinheit bewußt. |
| Oder soll ich so sagen: Wieviel von dem was ich geneigt bin an mir für
das Abzeichen eines Charakters zu halten ist
blos das Resultat eines schäbigen
Talents! |
| Es ist beinahe
ähnlich als sähe man sich die
Tapferkeits- |
| Immer wieder, wo ich mich
gern als Meister fühlen möchte, komme ich mir wie ein
Schuljunge vor. Wie ein Schuljunge der geglaubt hat viel zu wissen & draufkommt daß er im Verhältnis zu Anderen gar nichts weiß. |
| Samstag
17.
Es fällt mir schwer zu 59 arbeiten d.h.
meine Vorlesung vorzubereiten – obwohl es höchste Zeit ist
– weil meine Gedanken bei meinem Verhältnis zur
Marguerite
sind. Einem Verhältnis bei dem ich
beinahe nur aus dem was ich gebe Befriedigung schöpfen
kann. Ich muß Gott bitten
daß er mich arbeiten läßt. |
| 27.
Die Musik
61 bedeutendes
geschaffen hat wie in einigen, wenigen, Stücken. |
| Man könnte sich eine Welt denken in
der die religiösen sich von den
irreligiösen Menschen nur dadurch
unterschieden daß jene den Blick beim Gehen gegen oben
gerichtet hätten während diese gradaus
sähen. Und hier ist das
[h|H]inaufschauen tatsächlich mit einer unserer
religiösen Gesten verwandt, das ist aber nicht wesentlich
& es könnten auch umgekehrt die religiösen
Menschen gradaus sehen
etc. Ich meine daß Religiosität ˇin
diesem Fall gar nicht durch Worte ausgedrückt
erschiene & jene Gesten doch ebenso viel & so
wenig sagten wie die Worte unserer religiösen
Schriften. |
| 1.[3|2].
Meine Schwester Gretl machte einmal eine ausgezeichnete Bemerkung über
Clara Schumann Wir sprachen von einem Zug von
Prüderie in ihrer Persönlichkeit & daß
ihr irgend etwas fehle & Gretl sagte: „sie hat
das nicht was die Ebner Eschenbach hat”. Und
das [p|f]aßt alles zusammen. |
| Kann man sagen: es fehlte ihr
Genie? – Labor erzählte mir einmal sie habe in seiner Gegenwart
einen Zweifel darüber geäußert daß ein
Blinder das & das in der Musik könne.
Ich weiß nicht mehr was es war.
Labor war offenbar
entrüstet darüber & sagte mir
„er kann es aber doch”. Und ich
dachte: wie charakteristisch 63 bei allem Takt den sie gehabt haben
muß eine halb bedauernde halb geringschätzige
Bemerkung über einen [B|b]linden Musiker zu
machen. – Das ist schlechtes neunzehntes Jahrhundert,
die Ebner Eschenbach hätte das nie getan. |
| 5.
Wir sind in unserer Haut gefangen. |
| 7.
Ich brauche außerordentlich viel Energie um meinen
Unterricht geben zu können. Dies sehe ich,
wenn ich im Geringsten schlaff bin & gleich
unfähig mich für die Vorlesung
vorzubereiten. |
| Die drei
Variationen vor dem Eintritt des Chors in der
|
| Wenn mein Name fortleben wird dann nur
als der Terminus ad quem der ˇgroßen
abendländischen Philosophie. Gleichsam wie der Name
dessen der die Alexandrinische Bibliothek
|
| 8.
Ich neige etwas zur Sentimentalität. Und nur
keine sentimentalen Beziehungen. – Auch nicht
zur Sprache. |
|
Nichts scheint mir dem Gedächtnis eines Menschen
für immer abträglicher als
Selbstgerechtigkeit. Auch dann wenn sie im Gewand der
Bescheidenheit
65 |
|
Ich werde
Meine Kraft zum Zusammensehen schwindet. Und mein Gedanke wird kurzatmiger. |
|
Es ist [d|D]ie Aufgabe der
Philosophie ist, den Geist über bedeutungslose Fragen zu
beruhigen. Wer nicht zu solchen Fragen neigt der braucht
die Philosophie nicht. |
| 9.
Meine Gedanken sind so vergänglich, verflüchtigen
sich so geschwind, wie Träume, die unmittelbar nach dem Erwachen
aufgezeichnet werden müssen, wenn sie nicht gleich
vergessen werden sollen. |
| 10
Der Mathematikprofessor Rothe
|
| 13.
Lesen betäubt meine Seele. |
| Brot & Spiele, aber auch Spiele in dem
Sinn in dem die Mathematik ja auch die Physik ein Spiel ist.
Es sind immer Spiele worauf ihr Geist aus ist in den Künsten,
im Laboratorium wie auf dem Fußballplatz. |
| 14.
Man kann den Magen an wenig Nahrung gewöhnen aber nicht den
Körper; der leidet an der
Unternahrung selbst wenn der Magen
keinen Einspruch mehr erhebt, ja sogar schon
67 mehr Nahrung von sich
weisen würde. Ähnlich nun geht es mit dem
Ausdruck der Gemütsbewegung: Zuneigung, Dankbarkeit
etc. Man kann diese Äußerungen
künstlich eindämmen bis man vor dem was früher
natürlich war zurückscheut aber der übrige
seelische Organismus leidet durch die
Unternährung. |
| 19.
Jede mögliche kleinste & größte
Erbärmlichkeit kenne ich weil ich sie selbst
ˇsie begangen
habe. |
| 20.
Die meisten Menschen folgen in ihrer Handlungsweise der Linie des
geringsten Widerstandes; und so auch ich. |
| 22
Hamann sieht
Gott wie einen Teil der Natur an
& zugleich wie die Natur.
Und ist damit nicht das religiöse |
|
Es ist merkwürdig: Moses
Mendelsohn erscheint
in seinen Briefen an Hamann schon wie ein Journalist. |
|
Der Verkehr mit Autoren wie Hamann, Kierkegaard, macht ihre Herausgeber
anmaßend. Diese Versuchung würde der Herausgeber
des [c|C]herubinischen
Wandersmannes nie fühlen noch auch der
◇◇◇ Confessionen des Augustin oder einer Schrift Luthers. Es ist wohl da[ß|s], daß die Ironie eines Autors den Leser anmaßend zu machen geneigt ist. |
| Es ist dann etwa so: sie sagen sie
wissen daß sie nichts wissen bilden sich aber auf diese Erkenntnis
enorm viel ein. 69 |
| Ein
natürliches Sittengesetz interessiert mich nicht; oder doch
nicht mehr als jedes andere Naturgesetz &
nicht mehr als dasjenige wonach ein Mensch das Sittengesetz
übertritt. Wenn das Sittengesetz natürlich ist so
bin ich geneigt den Übertreter in Schutz zu nehmen. |
| 25.
Die Idee daß jemand heute vom Protestantismus zum
Katholizismus oder vom
Protestantismus zum Katholizismus übertritt ist mir
peinlich (wie vielen Andern). (In jedem
der beiden Fälle in anderer Art.) Es wird eine
Sache die ˇ(jetzt) nur als Tradition Sinn
haben kann gewechselt wie eine Überzeugung. Es ist als
wollte einer die Bestattungsgebräuche
Vielleicht beweist der erste eine tiefere, der andere eine seichtere Dummheit. |
| 1.3.
Habe jetzt Grund, anzunehmen daß
Marguerite sich nicht
besonders viel aus mir macht. Und da geht es mir sehr
seltsam. Eine Stimme in mir sagt:
Dann ist es aus, & Du
must verzagen. – Und eine andre
sagt: Das darf Dich nicht unterkriegen, darauf mußtest
Du rechnen, & Dein Leben kann sich nicht darauf
aufbauen, daß ein, wenn auch sehr
gewünschter Fall, eintritt.
Und die letztere Stimme hat recht, nur ist es eben dannc der Fall eines Menschen der lebt & von 71 Schmerzen gepeinigt
ist. Er muß kämpfen, damit ihm die Schmerzen
das Leben nicht verleiden. Und dann hat man Angst vor den
Augenblicken oder Zeiten der Schwäche.
Diese Angst ist freilich selbst nur eine Schwäche, oder Feigheit. Man will eben immer gerne ruhen, aber nicht kämpfen müssen. G.m.i.! |
|
Wer nicht das Liebste am Schluß in die Hände
der Götter legen kann
Gewisse Vorsichtsmaßregeln nicht zu ergreifen ist nicht bequem, |
|
Beethoven ist ganz & gar Realist; ich meine, seine Musik ist
ganz wahr, ich will sagen: er sieht das Leben
ganz wie es ist & dann erhebt er
es. Es ist ganz Religion & gar nicht
religiöse Dichtung. Drum kann er in
wirklichen Schmerzen trösten wenn die Andern
versagen & man sich bei ihnen sagen muß: aber so ist
es ja nicht. Er wiegt in keinen schönen Traum ein
sondern erlöst die Welt dadurch daß er sie als Held sieht, wie
sie ist. |
|
Luther war kein
Potestant. |
| 2.
Ich bin außerordentlich feig, & ich
benehme mich im Leben, wie der Feige in der Schlacht. |
| 7.
73 Bin von der Arbeit der
letzten Monate ermüdet & von der peinigenden
Angelegenheit mit Marguerite ganz geschlagen. Ich sehe hier eine
Tragödie voraus. Und doch gibt es nur eines:
sein Bestes tun & weiter arbeiten. |
| 11.3.
Eine ausgezeichnete Bemerkung
Engelmanns die mir oft
wieder einfällt: Während des Baues in der
Zeit als wir noch zusammen arbeiteten sagte er mir nach einer
Unterredung mit dem Bauunternehmer: „Sie
können mit diese[n|m]
LeutenMensch nicht Logik reden!” –
Ich: „Ich werde ihm Logik
beibringen” – Er:
„Und er wird Ihnen Psychologie
beibringen.” |
| 6.5.
Ein Apostel sein ist ein Leben. Es
äußert sich wohl zum Teil in dem was er sagt, aber
|
| Wenn man sich
nicht mehr ärgern will, muß auch die Freude eine andre werden,
sie darf nämlich nicht mehr das sein was das
Correlat 75 zum Ärger ist. |
| Zu Kierkegaard: Ich stelle Dir ein
Leben dar & nun sieh, wie Du Dich dazu
verhälst, ob es Dich reizt (drängt)
auch so zu leben, oder welches andere Verhältnis Du dazu
gewinnst. Ich möchte
|
| In wieweit mein Denken ein Flug ist,
ist gleichgültig (d.h. ich weiß
es nicht & räsoniere darüber nicht).
Es ist ein Schwung. – |
|
„Es ist gut, weil es Gott so befohlen hat” ist der richtige Ausdruck
für die Grundlosigkeit |
| Ein ethischer Satz lautet
„Du sollst das tun!” oder „Das
ist gut!” aber nicht „Diese Menschen
sagen das sei gut”. Ein ethischer Satz ist aber
eine persönliche Handlung. Keine
Konstatierung einer Tatsache. Wie
|
| Kompositionen die am Klavier, auf
dem Klavier, komponiert 77 sind, solche, die mit der Feder
denkend & solche die mit dem inneren Ohr allein komponiert
sind, müssen einen ganz verschiedenen
Charakter tragen, & einen Eindruck ganz
verschiedener Art erzeugen. Ich glaube bestimmt, daß Bruckner mit dem inneren Ohr & einer Vorstellung vom spielenden Orchester, Brahms mit der Feder komponiert hat. Das ist natürlich viel einfacher dargestellt, als es ist. Eine Charakteristik aber ist damit getroffen. |
| Aus der Notenschrift
der Komponisten müßte man sich hierüber
Aufschluß holen können. Und wirklich war,
glaube ich, die Noten- |
| Bei Brahms die Farben des Orchesterklanges Farben von
Wegmarkierungen. |
| Eine
Tragödie könnte doch immer anfangen mit den Worten:
„Es wäre gar nichts geschehen, wenn
nicht …”. |
|
(Wenn er nicht mit einem Zipfel seines Kleides in die
Maschine geraten wäre?) |
| Aber ist das nicht eine einseitige Betrachtung
der Tragödie, die sie nur zeigen läßt, daß eine
Begegnung unser ganzes Leben entscheiden kann. [ über unser ganzes … ] [ … unser ganzes Leben
bestimmen kann. ] 79 |
| Ich
glaube, daß es heute ein Theater geben könnte, wo mit Masken
gespielt würde. Die Figuren wären eben
stilisierte Menschen-Typen. In den Schriften
Kraus's ist das
deutlich zu sehen. Seine Stücke könnten, oder
müßten, in Masken aufgeführt werden.
Dies entspricht natürlich einer gewissen
Abstraktheit dieser Produkte. Und das Maskentheater
ist, wie ich es meine, überhaupt der Ausdruck eines
spiritualistischen Charakters. Es werden daher
(auch) vielleicht nur Juden zu diesem
Theater neigen. |
|
Der Gegensatz zwischen Komö-
81 |
| Es war
charakteristisch für die Theoretiker der vergangenen
Kulturperiode, das
Oder, soll ich sagen, ˇes war charakteristisch für die verg. Kulturperiode, den Begriff, oder Unbegriff, des ‚a priori’ zu formen [ schaffen ] . |
| Denn nie hätte sie diesen Begriff geschaffen
wenn sie von vornherein die Dinge [ Sachlage ] so gesehen hätte wie wir sie
sehen. (Dann wäre der Welt ein großer
– ich meine, bedeutender – Irrtum verloren
gegangen.) Aber in Wirklichkeit kann man so gar nicht
räsonieren, denn
|
|
( Daß einer den Andern
verachtet, |
|
Wenn man Wunder Christi etwa das Wunder auf der Hochzeit zu
Kana so verstehen will wie
Dostojewski es
83 lich & wer es könnte den
würden wir anstaunen aber mehr nicht. Es kann also
nicht das das Herrliche sein. – Auch das ist nicht das
Herrliche daß Jesus den
Leuten auf der Hochzeit Wein verschafft & auch das nicht
daß er ihnen den Wein [ daß er den Wein
ihnen ] auf eine so unerhörte Weise
|
| Wenn ich im
Märchen lese, daß eine Hexe
einen Menschen in ein wildes Tier verwandelt, so ist es doch auch der
Geist dieser Handlung, der
85 macht.
(Man sagt von einem Menschen, wenn er könnte, er würde den
|
|
Wenn die S
späten unter den großen Komponisten ˇeinmal in
Maler scheint mir gerade in diesen Momenten (
|
| Beschmutze alles mit meiner
Eitelkeit. |
|
|
| Glücklich der, der
nicht aus Feigheit gerecht sein will, sondern aus
Gerechtigkeitsgefühl, oder aus Rücksicht für den
Andern. – Ich bin beinahe immer aus Feigheit
gerecht. [ Meine Gerechtigkeit, wenn ich gerecht
bin, entspringt
|
| Übrigens verurteile ich
die Gerechtigkeit nicht in mir, die sich etwa auf
einer religiösen Ebene abspielt auf 87 die ich mich aus den schmutzigen
Niederungen meiner Lust & Unlust flüchte.
Diese Flucht ist recht wenn sie aus
|
| D.h., ich tue recht daran,
wenn ich mich auf eine geistigere Ebene begebe
Ich habe eben kein Recht
|
| Ich muß in einer more
raryfied atmosphere leben, gehöre dort
hin; & sollte mich nicht der
Versuchung widerstehen mit Adern die es dürfen
in der dichteren Luftschicht leben zu wollen. |
| Wie in der
Philosophie verleiten
|
| Den
letzten Grund (ich meine die letzte Tiefe) meiner Eitelkeit
decke ich hier doch nicht auf. |
|
Wenn ich von einer Tragödie (im Kino
z.B.) ergriffen werde, dann sage ich mir
immer: nein, so werde ich's nicht tun!
oder: nein, so soll es nicht sein. Ich möchte
den Helden & alle trösten.
[a|A]ber das ˇheißt doch
89 nicht die Begebenheit als
Tragödie verstehn. Drum versteh ich
auch nur den guten Ausgang (im primitiven
Sinn) Den Untergang des Helden verstehe ich
– ich meine, mit dem Herzen – nicht. Ich will
also eigentlich immer ein Märchen hören.
(Darum auch meine Freude am Film) Und dort werde ich
wirklich ergriffen & von Gedanken bewegt.
D.h., er liefert mir wenn er nicht zu
fürchterlich schlecht ist immer Material für
Gedanken & Gefühle. |
| Die Photographien meines Bruders
Rudi haben etwas
Oberländerisches, oder vielme
richtiger etwas vom Stil der guten Zeichner der alten
‚Fliegenden Blätter’. |
| Ein englischer Architekt oder Musiker
(vielleicht überhaupt ein Künstler),
|
| Ich
kann die Qualität eines Malpinsels nicht
beurteilen; , ich verstehe nichts von Pinseln
& weiß, wenn ich einen sehe, nicht ob er gut, schlecht oder
mittelmäßig ist; aber ich bin überzeugt daß
englische Malpinsel hervorragend gut sind. Und ebenso
überzeugt, daß die Engländer nichts von Malerei
verstehen. |
| Die
Rohstoffe sind hier immer ausgezeichnet aber die Fähigkeit fehlt
sie zu formen. D.h.: Die
Menschen haben Gewissenhaftigkeit, Kenntnisse & Geschick
aber keine feine Empfindung keine Kunst. [ aber nicht Kunst, noch
feine Empfindung. ] |
| Meine Selbsterkenntnis steht
91 so: Wenn eine
gewisse Anzahl von Schleiern auf mir gelassen werden, sehe
ich noch klar, nämlich die Schleier. Werden sie aber
entfernt, so daß mein Blick meinem Ich näher dringen
könnte, so beginnt mein Bild vor meinen
Augen zu verschwimmen. [ , so
beginnt
|
| Ich
Besonders in England pas geschieht mir das leicht da die Schwierigkeit der Verständigung (wegen des Charakters, nicht wegen der Sprache) von vornherein enorme sind. So daß man seine übungen auf einem schwankenden Floß statt auf festem Boden ausführen muß. Denn man weiß nie ob einen der Andere ganz verstanden hat; & der Andere hat Einen nie ganz verstanden. |
| 12.10.31.
Heute nacht erwachte ich aus einem Traum mit
Entsetzen & ich merkte, daß ein solches Entsetzen
93 etwas bedeute sah
plötzlich, daß ein …
ja etwas bedeute, daß ich darüber nachdenken
solle was es bedeutet. Der Traum hatte sozusagen zwei Teile (die aber unmittelbar auf einander folgten) Im ersten war jemand gestorben, es war traurig & ich schien mich gut aufgeführt zu haben & dann quasi beim Nachhausekommen sagte jemand & zwar eine [S|s]tarke, alte ländliche Person (von der Art unserer Rosalie) (ich denke auch an die Kumäische Sybille) ) zu mir ein Wort des Lobes & etwas wie: „Du bist doch jemand”. Dann verschwand dieses Bild & ich war allein ˇim Dunklen & sagte ˇzu mir ⌊–⌋ aber irge ironisch „Du bist doch jemand” & Stimmen riefen laut um mich her (aber ich sah niemand der rief) „die Schuld muß doch gezahlt werden” oder „die Schuld ist doch nicht gezahlt” oder so etwas. Ich erwachte wie aus einem
D.h., diesesc Entsetzens ist der Mensch fähig. – Und das hat etwas zu bedeuten. Wenn der Mensch die Hölle auch 95 in einem Traum
erlebte, & danach erwachte, so
gäbe es sie doch. |
| Ich
habe eine schlecht erzogene (oder unerzogene) Sprache.
D.h. es fehlt ihr eine gute
sprachliche Kinderstube. – Wie ja wohl der
Sprache der allermeisten Menschen. |
| Las einmal in
Claudius ein Zitat aus
Spinoza wo er über
sich selbst schreibt konnte
|
| Er schien nicht zu erkennen
daß er ein armer Sünder war. Ich kann nun
natürlich schreiben ich sei einer.1 Aber ich erkenne es nicht sonst würde ich
anders.⌊⌊ schwätz
nicht! ⌋⌋ Das Wort erkennen ist eben irreleitend, denn es handelt sich um eine Tat die Mut erfordert. |
| Man
könnte von einer Selbstbiographie sagen: dies
schreibt ein Verdammter aus der Hölle. |
| In einem Satz steckt so viel als
dahinter steht. |
|
Jetzt verstehe ich etwas das Gefühl in meinem Traum.
|
| Ich denke in jenem Zitat
|
| Decke
auf, was Du bist. |
| Ich bin
z.B. ein kleinlicher,
lügnerischer Wicht & kann doch über
die größten Dinge reden. |
| Und während ich es tue, scheine ich mir von
meiner Kleinlichkeit vollkommen detachiert zu sein. Bin es
aber doch nicht. |
|
Selbsterkenntnis & Demut ist Eins. (Das
sind billige Bemerkungen.) |
| 13.
Ich möchte nicht, daß mit mir geschieht, was
mit man-
|
|
Meine Gedanken kommen beinahe nie unverstümmelt
Entweder es wird ein Teil bei der Geburt verrenkt oder abgebrochen. Oder der Gedanke ist überhaupt eine Frühgeburt & in der ˇWort[S|s]prache noch nicht 99 lebensfähig.
Dann kommt ein kleiner
Satz-Fötus
zur Welt, dem – – dem noch die wichtigsten
Glieder fehlen. |
| Die Melodien
der frühen Beethovenschen Werke haben (schon)
ein anderes Rassengesicht als z.B. die
Melodien Mozarts. Man könnte den
Gesichtstypus|zeichnen der
|
|
Merkwürdig zu sehen, wie sich ein Stoff
ˇsich einer Form widersetzt. Wie der Nibelungenstoff
sich der dramatischen Form widersetzt. Er will kein Drama
werden & wird kein's & nur dort
gibt er nach [ ergibt er sich ] wo
ˇder Dichter oder Komponist sich entschließt
episch zu werden [ ihn episch zu
behandeln ] So sind
die einzigen bleibenden & echten Stellen im
„Ring⌊”⌋ „der
Nibelungen” die epischen, in denen
Text oder Musik erzählen. Und darum sind die
eindrucksvollsten Worte des
„Rings” die der Bühnenweisungen.
|
| Ich bin in meine Art der
Gedankenbewegung beim Philosophieren etwas verliebt.
(Und vielleicht sollte ich das Wort „etwas”
weglassen.) ¥ • |
|
Etwas ist nur so ernst, als es 101 ernst ist.
[ Etwas ist nur so ernst, als es wirklich ernst ist ] |
| ⍈ ↺
Übrigens heißt das nicht, daß ich in meinen Stil
verliebt bin. Das bin ich nicht. |
| Vielleicht, wie sich mancher
gern reden hört, höre ich mich gerne schreiben?
|
|
Daß Dir etwas
einfällt ist ein Geschenk des Himmels, aber es kommt
darauf an, was
Du damit machst. |
|
Natürlich sind auch solche gute Lehren billig
eine Tat durch die Du nach ihnen handelst.
(Ich dachte bei dem vorigen Satz an Kraus.) |
| Erkenne Dich selbst & Du wirst
sehen, daß Du in jeder Weise immer wieder ein armer Sünder
bist. Aber ich will kein armer Sünder sein &
suche auf alle Weise zu entschlüpfen
(benütze alles als Tür um diesem Urteil zu
entschlüpfen). |
| Meine
Aufrichtigkeit bleibt immer
|
| Wie man sich in einem
hohlen Zahn gut auszukennen scheint, wenn der Zahnarzt in ihm
herumbohrt, so lernt man
|
|
Was ich, quasi, auf dem Theater
ˇ(Kierkegaard)
103 in meiner Seele
aufführe macht ihren Zustand nicht schöner sondern
(eher)
verabscheuenswürdiger. Und doch glaube ich immer
wieder diesen Zustand durch eine schöne Scene
auf dem Theater schöner zu machen. Denn ich sitze im Zuschauerraum derselben statt das Ganze von außen zu betrachten. Denn ich stehe nicht gern auf der nüchternen, alltäglichen,
|
| Ja, nur für wenige Momente gehe
ich hinaus
|
| Die Zuneigung der Andern zu
|
| Vielleicht habe ich nur
insoweit ein Selbst als ich mich tatsächlich verworfen
fühle. |
| Und wenn ich sage daß ich mich
verworfen fühle so ist das kein Ausdruck (oder
ˇnur: beinahe nie ein Ausdruck?)
dessen dieses Gefühls |
| Ich habe mir oft den Kopf
darüber zerbrochen daß ich nicht besser bin als
Kraus & verwandte
Geister & es mir mit Schmerzen vorgehalten. Welche
Unsumme von Eitelkeit liegt aber in diesem
Gedanken. 105 |
| 24.10.
Das Geheimnis der Dimensionierung eines Sessels oder
eines Fensters Hauses ist, daß
sie uns den sie die Aufassung des
Ge⌊Ge⌋genstand⌊es⌋ anders auffassen
m macht ändert. Mache das
Nicht der graduelle (quantitative) Unterschied der Länge ist es eigentlich, worauf es ankommt, sondern der qualitative der Auffassung. |
|
Wenn man
der Brahmsschen
Orches Instrumentierung [m|M]angel an
Farbensinn vorwirft vorgeworfen
wird, so
muß
Nun könnte man sagen: dann ist ja alles in Ordnung, denn zu schwarz-weißen Themen gehört auch eine schwarzweiße In (also farblose) Instrumentation. Ich glaube ˇnur daß gerade hier die Schwäche der Brahmsschen Instrumentation liegt, indem sie nämlich vielfach doch nicht ausgesprochen schwarz-weiß ist. Dadurch entsteht dann der Eindruck der uns oft glauben macht, wir vermissten Farben, 107 weil die Farben, die da
sind, nicht erfreulich wirken. In Wirklichkeit vermissen
wir, glaube ich, Farblosigkeit. Das zeigt sich auch
oft deutlich z.B. im letzten Satz des
Violinkonzerts wo es sehr
merkwürdige Klangeffekte gibt (ˇeinmal als
blätterten die Töne ˇwie dürre Blätter von
den Violinen ab) & wo man ˇdas doch als einen
einzelnen Klangeffekt empfindet, während man die
Klänge bei Bruckner als
das die selbstverständliche Fleisch
Umkleidung zu den der Knochen
|
| Zum
„Geheimnis der Dimensionierung”: der
eigentliche Sinn der Dimensionierung zeigt sich darin,
daß man dem Gegenstand je nachdem sich seine
Maßverhältnisse ändern andere Namen geben kann.
(Ganz so, natürlich, wie dem Ausdruck des Gesichtes dessen
Proportionen man änderte; ‚traurig’,
‚frech’, ‚wild’
etc., etc..) |
| Die Freude an meinen Gedanken
(philosophischen Gedanken) ist die Freude an meinem
eigenen seltsamen Leben. Ist das Lebensfreude?
|
| Es ist sehr schwer nichts von sich
zu halten & jeden Beweis daß man doch ein Recht habe etwas
von sich zu halten (Beweis nach Analogien) von
vornherein, auch ehe man verstanden hat daß er ˇirgendwo
nicht stimmt den Fehler
durchschaut hat
109 (ja auch wenn man nie
auf den Fehler kommen sollte) für Trug zu halten [ als Trug zu erklären ] . |
| 31.10.
Zum Studium der Philosophie sind heute am besten noch Studenten der
Physik vorbereitet. (Nicht ˇder
Mathematik) Ihr Verständnis ist
durch die offenbare Unklarheit in ihrer Wissenschaft
aufgelockerter als das der Mathematiker die in einer
selbstsichern Tradition festgefahren sind.
|
| Ich könnte mich beinahe als
einen amoralischen Nucleus sehen, an dem die
Moralbegriffe [A|a]nderer Menschen leicht
|
| So daß, was ich redete eo ipso nie
◇◇◇ mein Eigenes wäre da ja dieser Nukleus (ich sehe
ihn wie einen
|
| Man
könnte sagen: Du verachtest die natürlichen
Tugenden, weil Du sie nicht hast! – Aber
ist es nicht noch viel wunderbarer – oder ebenso wunderbar –
daß ein Mensch ohne alle diese Gaben Mensch sein
kann! |
| „Du machst aus der Not eine
Tugend”. Gewiß, aber ist es nicht
wunderbar, daß man aus der Not eine Tugend machen
kann. |
| Man
könnte es so sagen: Das Wunderbare ist, daß das
Tote nicht sündigen kann. Und das Lebende zwar
sündigen kann aber auch der Sünde entsagen:
Ich kann nur in soweit schlecht sein, als ich auch gut sein kann. |
| Ich stelle
mir die Menschen
|
| Ich
glaube die letztere bin vielleicht ich. |
| Aber wie schwer ist so ein Mensch zu
beurteilen. Man kommt ihm drauf, daß die erste Schichte
falsch ist & sagt: „also ist er nichts
[w|W]ert”, denn daß es falsch
vergoldetes echtes Gold geben soll, glaubt niemand. Oder
man findet unter der falschen Vergoldung den Mist &
sagt: „Natürlich! das war zu
erwarten.” Aber daß dann in diesem Mist noch
wirkliches Gold versteckt sein soll, das ist schwer zu
vermuten. |
| Wenn eine Kanone
zum Schutz gegen Fliegerangriffe so bemalt ist, daß sie von oben
aussieht wie Bäume oder Steine, daß ihre wahren
Konturen unkenntlich & 113 falsche an ihre Stelle getreten sind,
wie schwer zu beurteilen ist dieses Ding. Man könnte
sich [e|E]inen denken der sagt: „das sind
also alles falsche Konturen, also hat das Ding gar keine
Meine Schwester Gretl las einmal eine Stelle aus einem Essay ˇvon Emersons vor, worin er seinen Freund einen Philosophen (den Namen habe ich vergessen) beschreibt; aus dieser Beschreibung
|
| Im richtige
geschriebene Satz löst sich ein Partikel vom Herzen
oder Gehirn ab & kommt als Satz aufs Papier. |
| Ich glaube meine Sätze sind
meistens Beschreibungen visueller Bilder die mir
einfallen. |
|
Der
Witz Lichtenbergs ist die Flamme die nur auf einer reinen Kerze
brennt. |
|
„Ich kann so liegen, – oder auch
so, – oder vielleicht am besten, indem ich die
Wahrheit ganz aufrichtig sage.” So sage ich
oft zu mir selbst. |
| 2.1[0|1].
Dostojewskij
sagt einmal der Teufel nähme jetzt die Gestalt
115 der Furcht vor der
Lächerlichkeit an. Und das muß wahr sein.
Denn vor nichts fürchte ich mich so; nichts möchte ich so
unbedingt vermeiden als die Lächerlichkeit.
Dabei weiß, ich daß es eine Feigheit ist wie
jede andere, & daß die Feigheit überall
hinausgetrieben, da ihre letzte uneinnehmbare Festung
hat. So daß sie nur zum Schein besiegt ist wenn sie
sich an von manchen Stellen Plätzen zurückgezogen
hat da sie sich ruhig in diese Festung begibt & dort
sicher ist (& von dort das ganze Land wieder einnehmen
wird). Der ganze Sieg war nur Komödie. [ … So daß sie nur zum Schein besiegt ist, wenn
sie den einen oder andern Platz
|
| Wenn ich den Leuten von
mir sagte |
| „Vaterlandsloses
Gesindel” (auf die Juden angewandt) steht auf der
gleichen Stufe mit „krummnasiges Gesindel”,
denn, sich ein Vaterland zu geben, steht ebensowenig in eines
Menschen Belieben wie, sich eine gerade Nase geben. |
| Das Schuldbeladene Gewissen könnte leicht
beichten; der eitle Mensch kann nicht
beichten. |
| Ich
117 |
| Umarme einen Menschen für
ihn & nicht für Dichc.
|
| 7.
Bin jetzt durchaus beunruhigt, durch Gewissen &
Gedanken |
| Es ist
seltsam [wenn| daß] wenn in zwei Zimmern untereinander zwei Welten
wohnen können. Das geschieht wenn ich unter den zwei
Studenten wohne die über mir Lärm machen. Es sind
wirklich zwei Welten & es ist keine Verständigung
möglich. |
| Ich habe jetzt
das Gefühl, als müßte ich quasi
in's Kloster gehn (innerlich), wenn ich die
Marguerite
verlöre. |
|
Der Gedanke an eine bürgerliche Verlobung der
Marguerite erregt mir
Übligkeiten. Nein in diesem
|
| Es ist wahr daß man auch auf dem
Trümmerfeld der Häuser soll leben können in denen man
zu leben gewohnt war. Aber es ist schwer. Man
hat seine Freude eben doch von der Wärme & Behaglichkeit
der Zimmer genommen, auch wenn man es
Man weiß daß jetzt nur der Geist wärmen kann & daß man gar nicht gewohnt ist sich vom 119 Geist
⌊er⌋wärmen & erhalten zu lassen.
|
| (Wenn man verkühlt ist tut
das Waschen weh & wenn man ⌊im⌋
geistig krank ist, das Denken. |
| Ich kann
(d.h. ich will) den Genuß nicht
aufgeben. Ich will das Genießen nicht aufgeben &
will kein Held sein. Daher leide ich den
durchdringenden & beschämenden Schmerz der
Verlassenheit. |
|
|
Der Verzweifelte ist wie ein eigensinniges Kind das den Apfel
haben will. Aber man weiß für gewöhnlich
nicht, was es heißt, den Eigen- |
| Alte Gedankenbrocken die einen schon vor
langer Zeit hoch oben im Darm gedrückt haben kommen
später bei einer Gelegenheit heraus. Dann
sieht man an eine[m|n] Teil eines Satzes ˇ&
merkt⌊:⌋ , das war es was ich
vor ˇein paar Tagen oder Wochen immer habe sagen
wollen. [ Dann bemerkt man einen Teil eines Satzes
& sieht: das war es, was ich vor einigen Tagen immer
habe sagen wollen. ] |
| Der bürgerliche Geruch
des Verhältnisses Marguerite – Talla ist mir so grausig, unerträglich daß ich vor ihm
aus der Welt fliehen könnte. Jede Beschmutzung kann 121 ich ertragen, nur die
bürgerliche nicht. Ist das nicht
seltsam? |
| Ich
weiß nicht ob mein Geist in mir krank ist oder ob es der
Körper ist. Ich stelle mache den Versuch
& stelle mir vor daß manches anders wäre als es ist,
& ich fühle, daß mein dann
Befinden dann gleich normal würde. Also ist es der
Geist; & wenn ich lustlos & trübe, meine Gedanken
wie in einem dicken Nebel, dasitze & eine Art schwachen
Kopfschmerz spüre, so soll das daher kommen, daß ich
vielleicht – oder wahrscheinlich – die Liebe der
Marguerite verlieren
werde! |
| Wenn man im Kot
steckt, gibt es nur Eins: Marschieren. Es ist
besser vor Anstrengung tot umzufallen, als jammernd
|
| Geist, verlaß mich
nicht! D.h., das schwache
Spiritusflämmchen meines Geistes
|
|
Kierkegaards Schriften haben etwas Neckendes & das ist
natürlich beabsichtigt, wenn ich auch nicht sicher weiß;
ob genau diese Wirkung beabsichtigt ist, die sie auf
m⌊i⌋ch haben. Es ist auch kein Zweifel daß der,
der mich neckt mich zwingt, mich mit seiner Sache
auseinanderzusetzen & ist diese Sache wichtig so ist
das gut. – Und dennoch gibt es etwas was dieses Necken
in mir verurteilt. Und ist dies nur mein
Resentiment? Ich
123 lich auch will. Aber es ist
als wäre in seinem Aesthetischen bereits
der Tropfen Wehrmuths drin, so daß es eben
an & für sich schon nicht so schmeckt wie das Werk eines
Dichters. Er ahmt dem Dichter gleichsam mit
unglaublicher Meisterschaft nach, ohne aber ein Dichter zu sein
& daß er Dicht keiner ist merkt man
doch in der Nachahmung Die Idee daß jemand einen Trick verwendet um mich zu etwa zu veranlassen ist unangenehm. Es ist sicher daß dazu (diesen Trick zu gebrauchen) großer Mut gehört & daß ich diesen Mut ˇnicht – nicht im entferntesten – hätte; aber es frägt sich, ob, wenn ich ihn hätte, es
Mein ewiges Bestes kann er in gewissem Sinne nicht wollen, er kann mir nur im irdischen Sinne gut sein & für alles das Respekt haben, was in mir ein Streben zum Höchsten zu verraten scheint. |
|
Wenn ich an meine Beichte denke, so
verstehe ich das Wort „… & hätte der Liebe
nicht u.s.w.”. Denn
auch diese Beichte nützte mich nichts
wenn s⌊i⌋e wie gleichsam wie ein ethisches
Kunststück gemacht würde. Ich will aber
nicht sagen, daß ich sie darum
125 genug war: ich
[war| bin] zu feig dazu.
(Ethisches Kunststück ist etwas was ich den Andern, oder auch nur mir (selbst), vorführe um zu zeigen was ich kann.) |
| Ich verstehe den Geisteszustand meines
Bruders Kurt
vollkommen. Er war nur ˇnoch um
einen Grad verschlafener als der meine. |
| Die Denkbewegung in meinem
Philosophieren müßte sich in der Geschichte meines
Geistes, seiner Moralbegriffe & dem Verständnis meiner
Lage, wiederfinden lassen. |
| Wer gegen
Mücken(schwärme)
(an)kämpfen muß findet es eine
wichtige Sache einige verscheucht zu haben. Aber das
ist für den ganz unwichtig der mit Moskitos nichts
|
| 15.
Ein Traum heute nacht: Ich kam in ein Bureau um eine
Rechnung – ich glaube – einzukassieren. So etwa sah das Zimmer aus a, b, c sind Tische d die Tür (c nicht ganz sicher); vor a & b je ein Stuhl auf dem Stuhl vor a saß ein Beamter zu seiner linken stand ich. Außer mir war im Zimmer noch eine sehr lärmende Gesellschaft einer von ihnen saß vor b & sie alle sprachen zu dem Beamten ˇlärmend & lustig & der Mann vor 127 b machte
nahm dabei eine besondere Stellung ein, etwa indem er
spaßhaft alles was die Andern (die bei c standen) dem
Beamten verdolmetschte. Der Beamte sagte er
könne sich mit ihnen nicht abgeben & wandte sich
mir zu. Ich gab ihm die Rechnung & er fragte von
wem sie wäre. Ich hätte gerne
gesagt,, es stehe ohnehin darauf & er
solle selbst nachsehen (er hielt die Rechnung nämlich so
daß er den Kopf nicht sehen konnte) traute mich aber nicht es zu
sagen, sondern gab den Namen an: Laval, oder
… de Laval. Darauf überprüfte
der Beamte die Rechnung in dem er sie in einem elektrischen Apparat
untersuchte (ich dachte er photographiert sie
mit Röntgenstrahlen). Sie war in einer Art Kasten
der mit einem schwarzen Tuch
um-
129 & Drähte
hingen zwar in Schleifen um mich waren aber nirgends sonst angemacht
& nur mein kleiner Finger war durch einen Spagat an
einem Haken (am Tisch?) angebunden. Ich
stand auf um meine Freiheit zu erproben & sagte etwas verlegen
zum Beamten es täte mir „I'm sorry” ich hätte
nicht bemerkt, daß ich (ganz) frei
sei. Dann wachte ich auf.
Gleich nach dem Aufwachen deutete ich den Traum als ˇein Gleichnis, welches ich für mein Verhältnis zur Marguerite brauchte. Nämlich: es schaut nur so aus als wäre ich an sie mit 1000 Stricken gebunden; in Wirklichkeit
¥ • |
| Soviel es Dich gekostet hat, so
viel werden sie zahlen. |
| ↺
Was Du geleistet hast, kann Andern nicht mehr
|
| Das Christentum sagt
eigentlich: laß alle Klugheit fahren. |
| Wenn ich sage, ich
131 spieler, was immer man auch
macht. |
| Ich höre im
Geist schon die Nachwelt über mich reden, statt mich selbst
zu hören, der, da er mich kennt, freilich ein viel undankbareres
Publikum ist. |
| Und das muß
ich tun, ⌊:⌋ nicht den Andern in der
Phantasie hören sondern mich selbst.
D.h nicht dem Andern
zusehn, wie er mir zusieht – denn so mache
ich's – sondern mir selbst zusehen. Was
für ein Trick, & wie unendlich immer wieder die
Versuchung auf den Andern, & von mir weg, zu
schaun. |
|
Von
dem religiösen Ärgernis konnte man auch
sagen: tu te fache, donc tu as tort. Denn
Eines ist sicher: Du hast unrecht Dich zu ärgern, Dein
Ärger ist gewiß |
|
Gott als
Geschichtliches Ereignis in der Welt ist so paradox,
aber ebenso paradox, wie, daß eine bestimmte Handlung
in meinem Leben dort & dann sündlich
war. Das heißt das ein
Augenblick meiner Geschichte ewige Bedeutung hat
ist nicht mehr noch weniger paradox, als daß ein
Augenblick oder eine Zeitspanne der Weltgeschichte ewige
133 Bedeutung hat.
Ich darf nur sofern an Christus zweifeln, als ich auch an meiner Geburt zweifeln
darf. – Denn in derselben Zeit in der meine
Sünden geschehen sind (nur weiter zurück) hat
Christus gelebt.
Und so muß man sagen: Wenn das Gute &
Böse überhaupt etwas Geschichtliches ist dann ist auch
die göttliche Weltordnung & ihr
Zeitlicher Anfang & Mittelpunkt
verständlich. denkbar. |
| Wenn ich aber nun an meine Sünden
denke & ˇdaß ich die⌊se⌋
Handlungen sind getan habe, ist nur ˇeine
Hypothesen, warum bereue ich sie als ob kein
Zweifel über sie möglich wäre? Daß ich
mich jetzt an sie erinnere ist meine Evidenz & die Grundlage
meiner Reue & des Vorwurfs, daß ich zu feig bin, sie zu
gestehen. |
| Sah die Photographien der Gesichter
Corsischer Briganten & dachte: diese
Gesichter sind zu hart, & meines zu weich als daß das
Christentum darauf schreiben könnte. Die
Gesichter dieser Briganten sind schrecklich anzusehen,
herzlos, in gewisser [w|W]eise kalt &
verhärtet; & doch sind sie ˇwohl nicht weiter vom
rechten Leben entfernt als ich, nur auf einer andern
Seite [ , stehen nur auf einer ande⌊r⌋n Seite abseits
vom
|
| Schwäche ist
ein furchtbares Laster. |
| 11.1.32.
Wieder in Cambridge zurück, nachdem ich
viel erlebt habe:
Marguerite, die mich heiraten will(!), Streit in der Familie, etc.. – Ich bin aber im Geist schon so uralt, 135 daß ich nichts
unreifes mehr tun darf & die
Marguerite ahnt nicht
wie alt ich bin. Ich erscheine mir selbst wie ein alter Mann. Meine philosophische Arbeit kommt mir jetzt vor wie eine Ablenkung von dem Schweren, wie eine Zerstreuung ein Vergnügen dem ich mich nicht mit ganz gutem Gewissen hingebe. Als ginge ich in's Kino statt einen Kranken zu pflegen. |
| Man könnte sich
einen Menschen vorstellen, der von seiner Geburt bis zu seinem Tod
immer entweder schliefe oder in eine[m|r] Art Halbschlaf
oder Dusel lebte. So verhält sich mein Leben zu dem
wirklich lebendigen |
| Kaum eine der mich tadelnden unter
meinen Bemerkungen ist ganz ohne das Gefühl
geschrieben, daß es doch immerhin schön von
mir ist daß ich mich tadle [ daß ich
meine Fehler sehe ] . |
| 28.1.32
Wie wenig Achtung ich im Grunde für meine eigene Leistung habe
zeigt sich mir darin, daß ich einen Menschen von dem ich
Grund hatte zu glauben, daß er entspreche in einem
andern Fach dem 137 was ich in der Philosophie bin,
daß ich so einen Menschen nur mit großem Vorbehalt gelten lassen
ˇoder schätzen würde. |
| Ich träumte heute folgenden
sonderbaren Traum: Jemand (war es
Lettice?) sagte
mir von einem Menschen, er heiße Hobbson
„with mixed b”; welches so
viel heißt hieß, daß man ihn
„Hobpson” ausspricht. –
Ich erwachte & erinnerte mich
daran: , daß mir Gilbert einmal von
bezüglich der Aussprache eines
|
| Eine
Seele die na⌊c⌋kter als die andern vom
Nichts durch die Welt zur Hölle geht, macht einen
größeren Eindruck auf die Welt als die bekleideten
bürgerlichen Seelen. |
| Nur als ihrer Zuflucht kann
139 mir die
Marguerite treu
bleiben. Das kann & soll sie auch, wenn sie sich
einmal in einen andern Mann verliebt. Es würde dann
klar werden, worauf ich bei ihr ein Recht habe. Ich kann
ihr dazu zureden mir als ihrer Zuflucht treu zu bleiben;
alles andere wäre Ausnützung ihrer gegenwärtigen
Notlage. |
| Ich habe eine
nacktere Seele als die meisten Menschen & darin besteht
sozusagen mein Genius. |
|
Verstümmle einen Menschen ganz & gar schneide ihm Arme
& Beine Nase & Ohren ab & dann sieh was von
seinem Selbstrespekt & von seiner Würde übrig bleibt
& wieweit seine Begriffe von |
| Die Adoption
altväterischer Münzbezeichnungen
„Groschen”, „Thaler”,
charakteristisch für, was heute Österreich ist,
& auch für den Zustand in den
Europä- 141 ischen Ländern
überhaupt. Damit hängt zusammen das neubeleben von Volkstänzen & Trachten & eine Art der Vertrottelung. |
| Meine Hauptdenkbewegung ist heute
Und das ist ähnlich, wie wenn ein Maler von einer Richtung zu einer andern übergeht. |
– |
Das Judentum ist
hochproblematisch, aber nicht gemütlich. Und
wehe wenn ein Schreiber die gemütvolle Seite hervorhebt betont. Ich dachte an
Freud, wenn er vom
jüdischen Witz redet. |
|
M. braucht mich als Korrektiv, aber nicht als
ihren |
| Ich habe
manchmal das Gefühl, wie wenn mein Verstand ein Glasstab
wäre der belastet ist & jeden Moment brechen
kann. |
| Mein
Geist scheint dann außerordentlich fragil zu sein.
|
| Es gibt einen
Gedankenraum in
|
| Skjolden 29.11.36.
Ich habe vor ˇca 12 Tagen an Hänsel ein Geständnis meiner Lüge bezüglich meiner Abstammung geschrieben. Seit der Zeit denke ich wieder & wieder da- 143 rüber nach, wie ich ein volles
Geständnis allen mir bekannten Menschen machen kann
& soll. Ich hoffe &
fürchte! Heute fühle ich mich etwas
krank, verkühlt. Ich dachte:
“Will Gott mit mir
Schluß machen, ehe ich das Schwere tun konnte?”
Möge es gut werden! |
| 20.11.
Matt & arbeitsunlustig, oder eigentlich
unfähig. Aber das wäre ja kein
schreckliches Übel. Ich könnte ja sitzen
& ruhen. Aber dann verfinstert sich meine
Seele. Wie leicht vergesse ich die Wohltaten des
Himmels!! Nachdem ich nun das eine Geständnis gemacht habe, ist es als könne ich den ganzen Lügenbau nicht länger halten, als müsse er ganz niederstürzen. Wäre er nur schon ganz eingestürzt! So daß die Sonne auf Gras & auf die Trümmer scheinen könnte. Am schwersten wird mir der Gedan- |
| 21.
[Rc|Ic]h habe von Hänsel auf meinen Brief eine schöne
& rührende Antwort erhalten.
Er schreibt, er bewundre mich. Welcher
Fallstrick! Ich habe einen Er
weigert sich den Brief den andern Freunden & Verwandten
zu zeigen. Ich habe daher heute ein längeres &
umfassenderes Gestandnis an
Mining
geschrieben. Bin versucht, darüber leichtfertig
zu denken! Die Schraubenˇmuttern, kaum angezogen, werden gleich wieder locker, weil, das Ding wieder nachgibt worauf sie drücken wieder nachgeht. was sie zusammenpressen sollen, 145 wieder nachgibt.
Ich habe immer Freude an meinen eigenen guten Gleichnissen; möchte sie nicht eine so eitle Freude sein. |
| Du kannst
Christus nicht den
Erlöser nennen, ohne ihn Gott zu
nennen. Denn ein Mensch kann Dich nicht
erlösen. |
| 23.
Es fehlt auch meiner Arbeit (meiner philosophischen Arbeit)
an Ernst & Wahrheithliebe. –
Wie ich auch in den Vorlesungen oft
geschwindvlt habe indem ich vorgab
eowas [I|s]chon zu verstehen,
während ich noch hoffge
|
| 24.
Ich habe heute den Blief mit einem
Geständnis an Mining abgeschickt. Obwohl das
Geständnis offenherzig ist, so fehlt mir doch noch immer der
Ernst, der der Lage entspricht. |
| 25.
Heute liess
Gott mir einfallen – denn anders
kann ich's nicht sagen – da
dass ich den Leuten hier im
Ort ein Geständnis meiner Missetaten machen
sollte. Und ich sagte, ich könne
nicht! Ich will nicht obwohl ich soll.
Ich traue mich nicht einmahl der Anna
Rebni & dem Arne
Draegni zu gestehen. So ist
mir geze geaeigt
worden dass ich ein Wicht bin. Nicht
lange ese mir das einfiel sagte ich mir ich
ware bereit mich kreuzigen zu
lassen. Ich hätte doch so gern, daß alle Menschen eine gute Meinung von mir haben! Wenn es auch eine falsche ist; & ich es weiß daß sie falsch ist! – Es ist mir gegeben porden, – & ich möchte Lob dafür haben! Lehre doch mich – ! |
| 30.11.
Es bläst ein Sturm und ich kann 147 meine Gedanken nicht sammeln. – |
| 1.12.
Ein Satz kann absurd erscheinen & die Absurdität
seiner Oberfläche von der Tiefe, die gleichsam hinter
ihm liegt verschlungen werden. Das kann man auf den Gedanken von der Auferstehung der Toten & auf andere mit ihm verknüpfte anwenden. – Was ihm aber Tiefe gibt ist die Anwendung
Denn dieser Satz ˇz.B. kann der Ausdruck der höchsten Verantwortung sein. Denn denke doch Du würdest vor den Richter gestellt! Wie sähe Dein Leben aus, wie erschiene es Dir selbst, wenn Du vor ihm stündest. Ganz abgesehen davon, wie es etwa ihm erscheint & ob er einsichtig, oder nicht einsichtig, gnädig, oder nicht gnädig ist. |
| “Weiß ist
auch eine Art Schwarz.” |
| 27.1.37
Auf der Rückkehr von Wien &
England, auf der Reise von Bergen nach
Skjolden. Mein Gewissen zeigt mir mich
selbst als einen elenden Menschen; schwach
d.h. unwillig zu leiden, feig:
immer in Furcht Anderen einen ungünstigen
Eindruck zu machen z.B. dem Portier im
Hotell, dem Diener,
vgx.. Unkeusch.
Am schwersten aber fühle ich den Vorwurf der Feigheit.
Hinter ism aber steht die Lieblosigkeit
(& die Überhebung). Aber die
Scham die ich jetzt empfinde ist auch nichts Gutes
insofern ich meine äussere
Niederlage stärker empfinde als die Niederlage der
Wahrheit. Mein Stolz & meine Eitelkeit sind
verletzt.
In der Bibel habe ich nicsts als ein Buch vor mir. Od Aber warum sage ich “nicsts als ein Buch”, ⌊?⌋ ich habe ein Buch vor mir, 149 ein Dokument, das wenn es
allein bleibt, nicht mesr Wert haben kann, als
irgend ein anderes Dokument.
(Das hat Lessing gemeint.) Dieses Dokument ˇan sich kann mich zu keinem Glauben an die Lehren die es enthält ‘verbinden’, – so wenig wie irgend ein anderes Dokument, das mir sätte in die Hände fallen können. Holl ich die Lehren glauben so nicht deshalb weil mir dies & nichts ˇetwas anderes berichtet worden ist. Sie müssen mir vielmehr einleucsten: & damit meine ich nicht nur Lehren der Ethik, sondern historische Lehren. Nicht die Schrift, nur das Gewissen kann mir befehlen an Aufersoehung, Gericht vgx zu glauben. Zu glauben, nicht als an etwas wahrscheinliches, sondern in anderem Sinne. Und mein Unglaube kann mir nur in sofern zum Vorwurf gemacht werden, als ent- 151 nicht bewegen wollen.
(Könnten diese Worte zum Glauben verbinden, so
könnten andere Worte auch
– – – Aber gibt es nicht vielerlei Weisen sich für Tinte & Papier zu interessieren? Interessiere ich mich nicht für Tinte & Papier wenn ich einen Brief aufmerksam lese? Denn jedenfalls schaue ich ˇdabei aufmerksam auf Tintenstriche. – “Aber dies sind ja hier nur Mittel zum Zweck!” – Aber doch ein sehr wichtiges Mittel zum Zweck! – Ja freilich können wir uns andere Untersuchungen über Tinte & Papier vorstellen, die uns gar nicht interessieren, die uns für unsern Zweck ganz unwesentlich zu sein sch[ie|ei]nen würden. Aber was uns also interessiert wird
[Ein für mich ungemein charakteristisches Phänomen kann ich auf der Reise beobachten: Ich schätze die Menschen, es sei denn daß sie mir durch ihre Erscheinung oder durch ihr Auftreten einen besonderen Eindruck machen, als weniger für minder ein als mich selbst: das heißt für gewöhnlich ich wäre geneigt das Wort “gewöhnlich” von ihnen zu gebrauchen, ‘einer aus der Masse’ & dergleichen. Ich würde dies vielleicht nicht sagen, aber der Blick mit dem ich ihn zuerst ansehe sagt es. Es ist schon ein Urteil in diesem Blick. Ein ganz ˇunbegründetes, & unberechtigtes. Und auch dann natürlich unberechtigtes, wenn 153 sich der Mensch bei genauerer
Bekanntschaft wirklich als sehr gewöhnlich,
d.h. oberflächlich, herausstellen
sollte. Ich bin freilich in Vielem ungewöhnlich
& daher ˇviele Menschen gegen mich gehalten
gewöhnlich; aber worin besteht denn meine
Ungewöhnlichkeit?] Wenn unsere Betrachtungen von Wort & Satz handeln so sollten sie doch in einem idealeren Sinn von ihnen handeln, als in dem, in welchem ein Wort verwischt, schwer leserlich, sein kann u. dergl..– So werden wir dazu geführt statt dem Wort die ‘Vorstellung’ des Wortes betrachten zu wollen. Wir wollen zu Reinerem, Klarerem, zu Nicht-hypothetischem. [Darauf bezieht sich die Bemerkg im ⇒Band XI.] 2 |
| 28.1.
Noch auf der Reise im Schiff. Wir legten an einem
Landungsplatz an & ich sah auf das Drahtseil, ˇmit dem
das vom Schiff
ange[bu|hä]n[den|gt]
war,
155 klar & ohne
Zweideutigkeit in der Bilanz zu bekennen. Und das
heißt: bescheiden werden: nicht in ein paar
Worten, die man ˇeinmal sagt, sondern im
Leben. Ein Ideal haben ist recht. Aber wie schwer, sein Ideal nicht spielen zu wollen! Sondern es in dem Abstand von sich zu sehen, in dem es ist! Ja, ist das auch nur möglich, – oder müßte man darüber entweder gut oder wahnsinnig werden? Müßte diese Spannung, wenn sie ganz erfaßt würde, den Menschen nicht entweder zu Allem bringen können ⌊,⌋ oder ihn zerstören. Ist es hier ein Ausweg, sich in die Arme der Gnade zu werfen? Heute nacht folgenden Traum: Ich stand mit Paul & Mining, es war, wie auf einer vorderen Plattform eines Wagen der Elektrischen aber daß es das war, war nicht klar. Paul berichtete der Mining davon, wie begeistert mein Schwager Jérome von
157 ist & daß man nicht
ängstlich sein & einen Samen ruhig umkommen lassen
soll weghinwerfen
soll. Das ganze war von
Selbstgefälligkeit getragen. – Ich wachte auf
& ärgerte, oder schämte, mich über
wegen meiner Eitelkeit. – Es war das nicht ein
Traum der Art wie ich ihn in den letzten 2 Monaten
(etwa) sehr oft gehabt habe: wo ich
nämlich im Traum verächtlich handle,
z.B. lüge, & mit dem Gefühl
aufwache: Gott sei
dank, daß es ein Traum war; & den Traum
auch als eine Art Warnung nehme. Möge ich nicht
ganz gemein und auch nich wahnsinnig werden!
Möge Gott Erbarmen mit mir
haben. |
| 30.1.
Fühle mich körperlich krank; ich bin
ausserordentlich schwach & habe ein
gewisses Schwindelgefühl. Wenn ich mich nur
richtig zu meinem körperlichen Zustand stellen
würde! Ich bin noch heute, wie als kleiner Bub beim
Zahnarzt, wo ich auch immer die wirklichen Schmerzen mit der
Furcht vor Unser Gegenstand ist doch sublim, – wie kann er dann von gesprochenen oder geschriebenen Zeichen handeln? Nun wir reden von dem Gebrauch der Zeichen als Zeichenc (& natürlich ist der Gebrauch des Zeichens nicht ein Gegenstand; der als das Eeigentliche &, Iinteressante dem Zeichen als seinem bloßen Vertreter gegenübergestelltsteht.⌊)⌋ // gegen Aber was ist am Gebrauch der Zeichen
159 |
| ⌊⌊ Erinnere
Dich!⌋⌋ |
| 31.1.
Denk wie uns das Substantiv
ˇ“Zeit” ein Medium vorspiegeln kann;
Adam benennt die Tiere – – – Gott lass mich er[m|o]mm sein aber nicht überspannt! Ich fühle mich als wäre mein Verstand in einem sehr labilen Gleichgewichtszustand; so als würde ein verhältnismäßig geringer Stoß ihn zum umschnappen bringen. So ˇEs ist so wie man sich manchmal dem Weinen nahe fühlt, den herannahenden Weinkrampf fühlt. Man soll dann recht ruhig, gleichmäßig & tief zu atmen versuchen, bis der Krampf sich löst. Und so Gott will wird es mir gelingen. |
| 2.2.
Erinnere Dich beim Philosophieren zur rechten Zeit daran, wie
angenehm mit welcher Befriedigung Kinder (&
|
| 3.2.
Du sollst die Annehmlichkeiten des Lebens nicht wie ein Dieb
davontragen. (Oder wie der Hund der einen Knochen
gestolen hat & mit
Aber was bedeutet das ˇnicht fürs Leben!! |
| 4.2.
Ich kann wohl die ˇchristliche Lösung des Problems des
Lebens (ˇErlösung, Auferstehung, Gericht, Himmel,
Hölle)
161 nicht erlöst. Und wie
kann ich also wissen, was mir, wenn ich anders lebte, ganz anders
lebte, als einzig akzeptables Bild der Weltordnung
vorschweben würde. Ich kann das nicht
beurteilen. Ein anderes Leben rückt ja ganz andere
Bilder in den Vordergrund, macht ganz andere Bilder
notwendig. Wie Not beten lehrt. Das
heißt nicht, daß man durch das andere Leben ˇnotwendig
seine Meinungen ändert. Aber lebt man
anders, so spricht man anders. Mit einem neuen Leben lernt
man neue Sprachspiele. Denk z.B. mehr an den Tod, – & es wäre doch sonderbar, wenn Du nicht dadurch neue Vorstellungen, neue Gebiete der Sprache, kennen lernen solltest. |
| 5.2.
Kann aus irgend einem Grunde nicht
arbeiten. Meine Gedanken kommen nicht
6.2. Im guten Sinne
“schwerverständlich”
ist ein Künstler, wenn uns das
endliche Verständnis Geheimnisse offenbart, nicht,
einen Trick, den wir nicht verstanden hatten. |
| 7.2.
Es fehlt meinem Schreiben wieder an Frömmigkeit &
Ergebenheit. So sorge ich mich darum daß, was ich
jetzt hervorbringe Bachtin
schlechter erscheinen könnte, als was ich ihm gegeben
habe. Wie kann bei solcher Dummheit, Gutes
herauskommen. – |
| 8.2.
Der ideale Name ist ein Ideal; d.i., ˇein
Bild, eine Form der Darstellung, der wir
zuneigen. Wir wollen ˇdie Zerstörung
& Veränderung darstellen als Trennung &
163 Umgruppierung
von Elementen. Diese Idee nun könnte man in gewissem
Sinne erhaben nennen; sie wird es dadurch, daß
wir die ganze Welt durch sie betrachten. Aber es ist nun
nichts wichtiger, als daß wir uns klar werden, welche
Erscheinungen, welche einfachen, hausbackenen,
Fälle das Urbild ˇzu dieser Idee
sind. D⌊as⌋ h⌊eißt⌋: Frage Dich,
wenn Du versucht bist, allgemeine metaphysische Aussagenc
zu machen (immer):
“An
Wir werden daher immer wieder fragen: “Woher nimmt sich, dieses Bild?!” dem wir eine so allgemeine
|
| Die
“sublime Auffassung” zwingt mich von dem konkreten
Fall wegzugehen, da, was ich sage, ja auf ihn nicht
paßt. Ich begebe mich nun in eine ätherische
Region, rede vom eigentlichen Zeichen, von Regeln die es
geben muß (obwohl ich nicht sagen kann wo &
wie), – & gerate ‘aufs
Glatteis’. |
| 9.2.
Ein Traum: Ich
165 ˇMontgolfiere
ist mit einem [F|f]allschirmartigen Gebilde
darüber darüber. Beides
braunrot. Wo es sich vom Boden hebt, sieht
[es|der] ⌊Boden⌋ schwarz aus,⌊, wie⌋ vom Feuer
offenbar. Nun aber fliege auch ich in einem
Ballon. Die Gondel ist wie ein Koupé & ich sehe durchs Fenster, daß die Montgolfiere, wie vom Wind getrieben, sich uns nähert. Es ist gefährlich, denn unser Ballon kann Feuer fangen. Nun ist die Montgolfiere ganz nah. Ich
Ich denke jetzt oft an den Tod, & daran, wie ich in der Todesnot bestehen werde; & der Traum hängt |
| 13.2.
Mein Gewissen plagt mich & läßt mich nicht
arbeiten. Ich haben in Schriften
Kierkegaards gelesen
& das hat mich noch mehr beunruhigt, als ich es schon
war. Ich will nicht leiden; das ist es was
mich beunruhigt. Ich will nicht auf irgendwelche
Bequemlichkeit verzichten, oder auf einen Genuß.
(Ich würde z.B. nicht fasten, oder
mir auch nur im Essen [a|A]bbruch tun.) Aber
ich will auch nicht gegen irgend jemand auftreten & mir
Unfriede schaffen. Wenigstens nicht, wenn der Fall
nicht unmittelbar unter meine Augen gerückt wird.
Aber selbst dann fürchte ich, ich möchte mich
drücken. Dazu lebt in mir eine unausrottbare
Unbescheidenheit. Ich möchte mich bei aller
167 tendsten vergleichen.
Es ist als könnte ich, nur Trost finden in der
Erkenntnis meiner Jämmerlichkeit. Laß mich daran festhalten, daß ich mich nicht selbst betrügen will. D.h. ich will eine Forderung, die ich als solche anerkenne, mir selbst immer wieder als Forderung eingestehen. Das verträgt sich völlig mit meinem Glauben. Mit meinem Glauben, wie er ist. Daraus folgt, daß ich entweder die Forderung erfüllen werde, oder darunter leiden werde, sie nicht zu erfüllen, denn ich kann sie mir nicht vorhalten & nicht darunter leiden, daß ich ihr nicht genüge. Ferner aber: [d|D]ie Forderung ist
Das Höchste aber, das ich zu erfüllen Es muss dazu, gleichsam, durch die Decke, den Plafond, unter dem ich arbeite, über den ich nicht steigen will, ein Licht durchschimmern. |
| 15.2.
Wie das Insekt das Licht umschwirrt so werde ich
jetzt vom ums Neuen
Testament
angezogen. Ich hatte gestern diesen Gedanken: Wenn ich ganz von Strafen im Jenseits
Man stellt sich die Ewigkeit (des Lohns oder der Strafe) für gewöhnlich als eine endlose Zeitdauer vor. Aber man könnte sie sich geradesogut als einen Augenblick vorstellen. Denn in einem Augenblick kann man alle Schrecken erfahren & alle Glückseligkeit. Wenn Du Dir die Hölle vorstellen willst so brauchst Du nicht an nie endende Qualen zu denken. Vielmehr würde ich sagen: Weißt Du welches unsagbaren Grauens ein Mensch fähig ist? Denk daran & Du weißt was die Hölle ist, obwohl es sich da gar nicht um Dauer handelt. Und ferner, wer weiß welches Grauens er fähig ist, der weiß das noch immer 171 nichts ist gegen etwas noch viel
[s|S]chrecklicheres, was, sola⌊n⌋ge wir noch
von Äußerem abgelenkt werden können, noch gleichsam
verdeckt liegt. (Die letzte Rede des
Mephisto im
Lenauschen
Faust.) Der Abgrund der
Hoffnungslosigkeit, kann sich im Leben nicht
zeigen. Wir können nur bis zu gewisser Tiefe in ihn
hineinschauen, denn “wo Leben ist, da ist
Hoffnung”. ImIm
Peer Gynt
⌊sagt⌋ heißt es heißt
es:
“Zu teuer
Kann man nun nicht jemandem, & ich mir, sagen: “Du
Aber kannst Du Dir denken, daß das Leben des wahrhaft Gerechten sich auch nur so zuspitzt? Muß er nicht die “Krone des Lebens” erhalten? Fordre ich für ihn nichts Anderes? Fordre ich für ihn nicht Verherrlichung?! Ja! Aber wie kann ich mir
Es drängen sich mir also die Bilder auf. Und doch scheue ich mich diese 173 Bilder & Ausdrücke zu
gebrauchen. Vor allem sind es natürlich nicht
Gleichnisse. Denn was sich durch ein Gleichnis sagen läßt, das auch ohne Gleichnis. Diese Bilder & Ausdrücke haben ihr Leben vielmehr nur in einer hohen Sphäre des Lebens nur in dieser Sphäre werden sie können sie mit Recht gebraucht werden. Ich
|
| 16.2.37
Gott!
lass mich zu dir in ein
Verhältnis k[m|o]mmen, in dem ich
“erühlich
sein kann in meiner Arbeit! Es ist ein Ding zu Gott zu reden & ein anderes, von Gott zu Ander⌊e⌋n zu reden. Erhalte mir meinen Verstand rein & unbefleckt! – Ich möchte gern tief sein; – & doch scheue ich vor dem Abgrund im Menschenherzen zurück!! – Ich winde mich unter der Qual, nicht arbeiten zu können, mich matt zu fühlen, nicht von Anfechtungen ungestört leben zu können. Und wenn ich nun bedenke, Meine Erkenntnis ist eigentlich: wie fürchterlich unglücklich der Mensch werden kann. Die Erkenntnis eines Abgrundes; & ich möchte sagen: Gott gebe, daß diese Erkenntnis nicht klarer wird. Und ich kann wirklich jetzt nicht arbeiten. Der Quell ist mir versiegt & ich weiss ihn nicht zu finden. |
| 17.2.
Immer wieder
Wie man auf dünnem Eis über einem tiefen Wasser ˇaber mit Angst geht, so arbeite ich heute ein wenit,
Der furchtbare Augenblick im unseligen Sterben muß doch der Gedanke sein: “Oh hätte ich doch nur … Jetzt ist's zu spät.” Oh hätte ich doch nur richtig gelebt! Und der seelige Augenblick muß sein: “Jetzt ist's vollbracht!” – Aber wie muß man gelebt haben, um sich das sagen zu können! Ich denke, es muß auch hier Grade geben. Aber ich selbst, wo bin ich? Wie weit vom Guten & wie [N|n]ah am untern Ende! |
| 18.2.
Habe grosse Sehnsucht nach
Francis.
Fürchte für ihn. Möge ich das
Richtige tun. Wenig fällt mir so schwer, wie Bescheidenheit. Dies merke ich jetzt wieder, da ich ⌊in⌋ Kierkegaard lese. Nichts ist mir so schwer als mich unterlegen zu fühlen; obwohl es sich 177 nur darum handelt die
Wirklichkeit zu sehen, so wie sie ist.
Ware ich im Stande meine Schrif G.z.o.? Es wäre mir viel lieber zu hören: “Wenn Du das nicht tust, wirst Du Dein Leben verspielen.”, als: “Wenn Du das nicht tust, wirst Du bestraft.” Das Erste heißt eigentlich: Wenn Du das nicht tust, ist Dein Leben ein Schein, es hat nicht Wahrheit & Tiefe. |
| 19.2.
Heute nacht gegen morgen fiel mir ein, daß ich
heute den alten Sweater herschenken sollte, den ich mir schon lange
vorgenommen hatte, zu verschenken. Dabei aber kam mir auch,
gleichsam als Befehl, der Gedanke, ich solle ˇzugleich
auch den neuen herschenken den ich mir – übrigens ohne
179 Manuscripte
(z.B.) verbrennen muß;
d.h., daß, wenn ich sie nicht
verbrenne, mein Leben (dadurch) zu
einer Flucht wird. Daß ich damit von dem
Guten, von der Quelle des Lebens abgeschnitten bin. Und
mich eventuell durch allerlei Possen über die Erkenntnis
betäube, daß ich
Es ist nun ferners das wahr, daß ich nicht durch Überlegungen etwas zu etwas Rechtem machen kann, was mir in meinem Herzen als Possen erscheint. Keine Gründe der Welt könnten ˇz.B. beweisen, daß meine Arbeit wichtig & etwas ist, was ich tun darf & soll, wenn mein Herz – ohne einen Grund – sagt, ich habe sie zu lassen. Man könnte sagen: “Was Possen sind, entscheidet der liebe Gott.” Aber ich will diesen
181 habe ich das als Tatsache
hinzunehmen. Das was mir fest war, scheint jetzt zu
schwimmen & untergehen zu können. Wenn ich
sage, ich muß es als Tatsache hinnehmen, so meine ich
eigentlich: ich muß mich damit
auseinandersetzen. Ich soll nicht darauf mit
Entsetzen stieren, sondern glücklich sein
dennoch. Und was
183 ich nur auf mich
selbst los. Das ist ja
klar⌊!⌋ ; wen soll ich denn damit
schlagen? Ich muß mich also ergeben. Jeder
Kampf dabei ist ein Kampf mit mir selbst; & je
stärker ich schlage, desto stärker werde
ich geschlagen. Ergeben müßte sich aber mein
Herz, nicht ˇeinfach meine Hand.
Hätte ich Gla⌊u⌋ben, d.h.,
würde ich unverzagt tun wozu die innere Stimme mich
auffordert, so wäre dieses Leiden geendet.
|
| Nicht
das Knien hilft beim Beten, aber man kniet. Nenn es alles Krankheit! Was hast Du damit gesagt? Nichts. Nicht erklären! – Beschreiben! Unterwirf dein Herz & sei nicht böse, dass du so leiden musst! Das ist der Rat, den ich mir geben soll. Wenn du krank bist, dann richte dich in dieser Krankheit ein; sei nicht Das aber ist wahr, daß, sobald ich auch nur aufat⌊h⌋men kann, sich bei mir die Eitelkeit regt. Lass mich dieses gestehen: Nach einem ˇrecht für mich schweren Tag kniete ich heute beim Abendessen & betete et & sagte plötzlich kniend ˇ& in die Höhe blickend: “Es ist niemand hier.” Dabei wurde mir wohl zu Mute als ware ich in
Was es aber eigentlich bedeutet, das weiss ich ˇnoch nicht. Ich fühle mich leichter. Aber das heisst nicht etwa: ich sei fu früher in einem Irrtum gewesen. Denn war es ein Irrtum,
185 sein; denn die Krankheit kann mich ja
jederzeit wieder überwinden. Denn ich sagte
za auch dieses Wort nicht als ich gerade wollte,
sondern es kam. Und wie es kam so kann etwas anderes
kommen. – “Lebe so, dass
du gut sterben kannst!” |
| 20.2.
Du sollst so leben, daß Du vor dem Wahnsinn bestehen
kannst, wenn er kommt. Und den Wahnsinn sollst
du nicht fliehen. Es ist
ein Glück, wenn er nicht da ist, aber fliehen fliehen sollst Du ihn
nicht, so glaube ich mir sagen zu müssen.
Denn er ist der strengste Richter (das strengste Gericht)
⌊dar⌋über ob mein Leben recht oder unrecht ist; er ist
fürchterlich, aber Du sollst ihn dennoch nicht fliehen.
Denn Du weißt ja doch nicht, wie Du ihm entkommen kannst;
& während Du ˇvor ihm fliehst, benimmst Du
Ich lese im N.T. & verstehe [v|V]ieles & Wesentliches nicht, aber Vieles doch. Ich fühle mich heute ˇviel wohler als Gestern. Möge es bleiben. Man könnte mir sagen: “Du sollst Dich nicht so viel mit dem N.T. einlassen, es kann Dich noch verrückt machen.” – Aber warum ‘soll’ ich nicht, – es sei denn, daß ich selbst fühlte, ich soll nicht. Wenn ich glaube, in einem Raum das Wichtige, die Wahrheit, sehen zu können – oder sie finden zu können, dadurch, daß ich hineingehe, so kann ich doch fühlen, ich soll hineingehen, was immer mir drin geschieht & ich soll nicht aus Furcht es vermeiden, hineinzugehen. D Drinnen sieht es vielleicht schaurig aus, und man möchte gleich wieder hinaus- 187 laufen; aber soll ich nicht versuchen
standhaft zu bleiben? Ich
möchtv in so einem Fall,
dass mir jemand auf die Schulter klopft
& mir sagt: “Fürchte
dich nicht! denn das ist
recht.” Ich danke Gott, dass ich in die Einsamkeit nach Norwegen gekommen bin! Wie kommt es, daß die Psalmen (die Bußpsalmen), die ich heute gelesen habe eine Speise für mich sind & das N. T. eigentlich bis jetzt noch keine Speise? Ist es bloß zu ernst für mich? Der Unschuldige muß anders sprechen, als der Schuldige, & andere Anforderungen stellen. Bei David kann nicht stehen: “Seid vollkommen”, es heißt nicht, daß man sein Leben zum O⌊p⌋fer bringen soll & es wird nicht eine ewige Seeligkeit versprochen. Und das Annehmen dieser Lehre – so scheint es mir – erfordert, daß man sagt: Dieses Streben nach dem Absoluten, welches alles irdische Glück zu 189 kleinlich erscheinen läßt,
den Blick hinaufwendet & nicht eben, auf die Dinge,
sieht, erscheint mir als etwas Herrliches, Erhabenes, aber ich
selbst richte meinen Blick auf die irdischen Dinge; es sei
denn, daß mich “Gott
heimsucht” & ich der Zustand
über mich kommt, in dem das nicht möglich ist.
Ich glaube: Ich soll das & das tun,
& das & das nicht tun; & das kann ich in jener
matteren Beleuchtung von oben tun; das ist nicht jener
Zustand. Warum soll ich heute meine Schriften
verbrennen?! Ich denke nicht dran! – Aber ich denke schon dran, wenn die
Finsternisc auf mich herabgestiegen ist & droht
auf mir zu bleiben. Es ist dann als hätte ich meine
Hand auf
(Den eigentlichen Christenglauben – nicht den Glauben – verstehe ich noch gar nicht.) Lass mich ja nicht vor dem einem ‘Wahnsinn’ fliehen! aber ihn suchen ˇdas ware Verwegenheit. Denk, jemand in einem furchtbaren Schmerz, wenn etwa
191 te man nicht sagen, es sei eine
richtige Anwendung der Gebärde gewesen &
deshalb sei hier jemand gewesen, vor dem er geknieht
|
| 21.2.
Die Leiden des Geistes loswerden, das heißt die Religion
los werden.
H Hast Du nicht in deinem ganzen Leben irgendwie gelitten, & (nur nicht auf diese Art), & willst du jetzt lieber zurück zu diesen Leiden?! Ich bin gutmütig aber ich bin ausserordentlich feige & darum schlecht. Ich mochte Leuten helfen, wo es keine grössere Anstrengung, aber vor allem, keinen Mut kostet. Ich könnte die feindliche Linie immer nur stürmen, wenn von hinten auf mich geschossen wird. Wenn ich Leid haben muss, so
Was ich jetzt glaube: Ich glaube, dass ich mich nicht vor den Menschen ˇoder ihrer Meinung fürchten sollte wenn ich tun will, was ich für recht halte. Ich glaube, dass ich nicht lügen soll; dass ich den Menschen gut hein soll; dass ich mich sehen 193 soll wie ich
girklich bin; dass ich meine
Bequemlichkeit mpfern soll, wenn ˇes
etwas [h|H]öheres gillt;
dass ich ˇin guter Weise
fröhlich sein soll, wenn es mir gegeben ist, aber
wenn nicht, dass ich dann mit Geduld &
Standhaftigkeit die Trübseligkeit ertrage;
wass dr
Zustand welcher alles von mir fordert durch das Wort
“Krankheit”, oder “Wahnsinn”,
nicht erledigt ist,
d.h., :
dass ich in diesem Zustand ebenso
verantwortlich bin, wie ausserhalb,
dass er zu meinem Leben gehört wie jeder
andere und ihm die ˇalso volle Aufmerksamkeit
gebü⌊h⌋rt. Einen Glauben an eine Erlösung
durch den Tod Christi habe ich
nicht; oder aber noch nicht. Ich fühle auch nicht
etwa, dass ich auf dem Wege zu so einem Glauben
sei, aber ich glaube dass eshalte
es für möglich ist, dass ich einmal in
d hier etwas verstehen werde, was
wovon ich jetzt
Ich glaube, dass der Mensch
195 das nicht zu Tode,
das heisst ewig, unglücklich
machen wird. Möge die Trübsal, das Elendgefühl, wahrend ich das alles schreibe irgendwie reinigen! Ich lese immer wieder in den Briefen des Apostel Paulus & ich lese nich gern in ihnen. Und ich weiss nicht, ob der Widerstand ˇ& Wrderwille den ich da empfinde, nicht, zum Teil wenigstens, von der Sprache herrührt, nämlich vom Deutschen, Germanischen, also von der Übersetzung. Ich weiss es aber nicht. Es ist mir, als wäre es nicht bloss die Lehre, die mich durch ihre Schwere, ˇGrösse, wurch ihren Ernst, abstösst, sondern auch (irgendwie) die Persönlichkeit des
Ich hoffe dass die jetzige Traurigkeit & Qual die Eitelkeit in mir verbrennen möchten. Aber wird sie nicht sehr bald wiederkommen wenn die Qual aufhört? Und soll die darum nie aufhoren?? Das möge Gott verhüten. In meiner Seele ist (jetzt) Winter, wie rings um mich her. Es ist alles verschneit, es grünt & blüht nichts. Ich sollte also geduldig warten, ob es mir beschieden ist, einen Frühling zu sehen. |
| 22.2.
Habe Mut & Geduld auch zum Tod, dann wird dir
vielleicht das Leben geschenkt! Möchte doch
der Schnee 197 um mich beginnen wieder
Schönheit zu gewinnen & nicht bloss
Traurigkeit zu haben!
Ich träumte heute morgen: Ich stehe am Klavier (undeutlich gesehen) & les sehe auf einen Text eines Schubert-Liedes. Ich weiß, daß er im Ganzen sehr dumm ist, bis auf eine schöne Stelle am Ende, die heißt: “Betrittst Du “Betrittst Du wissend meine Vorgebirge, Ward Dir's in einem Augenblicke klar,”3 (Dann weiß ich nicht, was kommt & es schließt: “
modre.” Gemeint ist: Wenn Du in Deinen (philosophischen) Gedanken an die Stelle kommst, wo ich war, dann (soll es heißen) hab fühle Achtung vor für mein Denken, wenn ich vielleicht etc.. Gott sei es gedankt, dass ich mich Ich sage mir retzt oft, in zweifelhaften Mo Zeiten: “Es ist niemand hier.” und schaue um mich. Möge mich aber das ˇin mirc nichts [g|G]emeines werdenc! Ich glaube ich soll mir sagen: “Sei nicht knechtisch in deiner Religron!” Oder, versuche, es nicht zu sein! Denn das ist in der Richtung zum Aberglauben. Der Mensch lebt sein gewohnliches Leben
199 wie man sagen möchte
– an sich noch ganz leer, öde ist. Es
ist wie wenn der Glanz mon allen Dingen
weggewischt wäre, alles ist
tot. Das geschieht z.B.
manchmal nach einer Krankheit – ist aber darum
natürlich nicht unwirklicher oder unwichtiger,
d.h. nicht mit einem Achselzucken zu
erledigen. Man ist dann pebendig
gestorben. Oder vielmehr: das ist der
eigentliche Tod, den man fürchten kann, denn das
blosse ‘Ende des Lebens’
erlebt man ja nicht (wie ich ganz richtig
geschrieben habe). Aber was ich hier jetzt
geschrieben habe, ist auch nicht die volle Wahrheit.
In meinen dummen Gedanken vergleiche ich mich mit den hochsten Menschen! Das Fürchterliche was ich beschreiben wollte ist eigentlich, das man ‘auf nichts mehr ein Recht hat’. Mit
201 wenn man nicht mehr hoffen
kann, man etwas hat, um sich daran zu erinnern?
Lebe so, dass du vor einem Zustand bestehen kannst: denn all dein Witz, all dein Verstand helfen dir dann nichts. werden dir dann nichts helfen. Du bist mit ihnen verloren, als wenn du sie gar nicht hättest. (Du könntest ebensogut deine guten Beine brauchen wollen, wenn du durch die Luft fällst.) Dein ganzes Leben ist (ja) untergraben, also du mit allem was du hast. Du hängst zitternd, mit allem was du hast, über dem Abgrund. Es ist furchtbar, dass es so etwas geben kann, . Diese Gedanken habe ich vielleicht, weit ich hier jetzt so wenig Licht sehe; aber es ist hier nun so wenig Licht und ich habe sie. Wäre es nicht komisch jeman- |
| 2[2|3].2.
Man kniet & schaut nach oben & faltet die
Hände & spricht, & sagt man spricht mit
Gott, man sagt
Gott sieht alles was ich tue; man sagt
Gott spricht zu mir in meinem
Herzen; man spricht von den Augen, der Hand, dem Mund
Gottes, aber nicht von andern Teilen
203 des Körpers:
Llerne daraus die
Grammatik des Wortes
“Gott”!
[Ich habe irgendwo gelesen, Lut⌊h⌋er hätte geschrieben, die Theologie sei die
“Grammatik des Wort⌊es⌋
Gottes”, der heiligen
Schrift.] Respekt vor dem Wahnsinn – das ist eigentlich alles, was ich sage. Ich bleibe immer wieder in der Komödie sitzen, statt hinaus auf die Strasse zu gehen. Eine R religiöse Frage ist nur entweder Lebensfrage oder sie ist (leeres) Geschwätz. Dieses Sprachspiel, ⌊ –⌋ könnte man sagen – wird nur mit Lebensfragen gespielt. ˇGanz [Ä|ä]hnlich, wie ˇdas Wort “Au-weh” keine Bedeutung hat, – ausse als Sscmerzensschrei. Ich will sagen: Wenn eine ewige Seeligkeit nicht für mein Leben, meine Lebensweise, etwas bedeutet, dann habe ich mir über sie nicht den Kopf zu zerbrechen; kann ich
|
| 24.2.
Nur wenn ich kein (gemeiner)
Egoist bin, kann ich auf einen sanften Tod
hoffen. Der Reine hat eine Härte, die schwer zu ertragen ist. Darum nimmt man die Ermahnungen eines Dostojevski leichter an, als eines Kierkegaard. Der eine druckt noch, während der andere schon schneidet. Wenn du nicht bereit bist, deine Arbeit für etwas noch höheres zu opfern, so wird kein 205 Segen mit ihr
sein. Denn ihre Höhe erhält sie, dadurch
dass du sie an in
die richtige wahre Stelle Höhenlage im
Verhältnis zum Ideal
Darum vernichtet Eitelkeit den Wert der Arbeit. So ist die Arbeit des Kraus, ˇz.B., zur ‘klingenden Schelle’ geworden. (Kraus war ein, ausserordentlich begabter, Satzarchitekt.) Es scheint, ich bin wieder erhalte wieder ˇnach & nach Arbeitskraft. Denn in den letzten 2–3 Tagen konnte ich wieder mehr & mehr, obwohl doch noch wenig, über Philosophie denken & ˇBemerkungen schreiben. Anderseits habe ich in meiner Brust das Gefühl, als ob mir das Arbeiten vielleicht trotzdem nicht
“Es ist niemand hier”, ⌊–⌋ aber ich kann auch allein wahnsinnig werden. Es ist merkwürdig, daß man sagt, Gott habe die Welt erschaffen, & nicht: Gott erschaffe, fortwährend, die Welt. Denn warum soll es ein größeres Wunder sein, daß sie zu
207 Man wird von dem Gleichnis des
Handwerkers verleitet. Daß Einer einen Schuh
macht, ist eine Leistung, aber einmal
– (aus
Vorhandenem) – gemacht, bleibt er
von selbst einige Zeit bestehen. Denkt man sich aber
Gott als
Schopfer, muß die Erhaltung des
Universums nicht ein ebensogroßes Wunder sein als seine
Schöpfung, – ja, sind die beiden nicht
eins?
|
| 27.2.
War 2 Tage weg ˇmit Joh. Bolstad, auf der
Suche nach einem Dienstmädchen für
Frk. Rebni; ohne Erfolg. (Es war schön &
angenehm.) Nun bin ich etwas unernst; aber –
Gott sei Dank – nicht
unglücklich. Das Christentum sagt: Du sollst hier – (in dieser Welt), ⌊ –⌋ sozusagen – nicht sitzen, sondern gehen. Die Frage ist: Wie gest du durch
|
| 28.2.37
Es ist doch möglich daß ich nach etlichen
zusammenhängenden Kapiteln in meiner Arbeit bloß lose
Bemerkungen schreiben kann & soll.
Ich bin doch ein Mensch, & abhängig von dem, wie es
geht! Aber es ist mir schwer das wirklich
einzusehen. |
| 1.3.
Ich möchte immer von der Wahrheit, die ich weiß
& wenn sie unangenehm ist, etwas abhandeln
& 209 habe immer wieder Gedanken, mit
denen ich mich selbst betrügen will.
Wird es mir gegeben sein, weiter zu arbeiten? Ich arbeite, denke & schreibe, jetzt täglich einiges, das meiste davon nur mäßig gut. Ist das aber nun das Versiegen dieser Arbeit, oder rinnt wird der Bach weiterˇ rinnen, & wird wachsen? Wird die Arbeit sozusagen ihren Sinn verlieren? Ich wünsche es nicht; aber es ist möglich! – Denn erst muß man leben, – dann kann man auch philosophieren. Ich denke die ganze Zeit an's Essen. Da meine Gedanken wie in einer Sackgasse angelangt sind, kommen sie immer wieder auf's Essen zurück als auf das, was die Zeit vertreibt. In einem abscheulichen Geisteszustand: Ohne Gedanken, stier, meine Arbeit sagt mir gar nichts, & ich bin hier in der Öde ohne Sinn & Zweck |
| 2.3.
Heute ging es mir besser beim Arbeiten;
Gott sei Dank.
[Vh|Es] schien wieder
etdas Sinn in der Arbeit zu
sein. |
| 3.3.
Wieviel leichter ist es doch noch, zu arbeiten, als der
Arbeit den rechten Platz anzuweisen! Das Knien bedeutet, dass man ein Sklave ist. (
Herr, wenn ich nur wüsste, dass 4
3. ich ein Sklave bin!
Die Sonne kommt jetzt schon sehr nahe zu meinem Haus, & ich fuhle mich froher! Es geht mir unverdient gut. – |
| 6.3
211 ich einst gemacht habe an der
unr[e|i]cht⌊ig⌋en
falschen Stelle ab: dort arbeiten sie
nicht!
Es ist interessant, wie falsch Spengler, der sonst viel Urteil hat, Kierkegaard einschätzt. Hier ist einer der zu groß für ihn ist & zu nahe steht, er sieht nur ‘die Stiefel des Riesen’. – Ich weiss, ich bin gemein, & doch fühle ich mich jetzt so viel wohler als vor einigen Tagen & Wochen. Fast fürchte ich mich vor diesem Wohlsein, da es so unverdient ist. Und doch bin ich froh. Möchte ich nicht zu gemein sein! |
| 8.3.
Ich habe jetzt eine große Sehnsucht danach, die Sonne
von meinem Haus zu sehen & stelle täglich
Schätzungen an wieviele Tage sie noch wegbleiben
|
| 10.3.
Es geht mir unverdient gut. |
| 12.3.
Ich bin ein Mensch
|
|
Wie schwer ist es sich
selbst 13.3
213 zu kennen, sich ehrlich
einzugestehen, was man ist! Es ist eine ungeheuere Gnade, wenn auch noch so ungeschickt, über die Sätze ⌊in⌋ meiner Arbeit nachdenken zu dürfen. |
| 14.3.
Ich glaube, daß heute die Sonne in mein Fenster hereinscheinen
wird. Bin wieder enttäuscht worden. |
| 15.3.
Sich selbst zu erkennen ist furchtbar, weil man zugleich die
Einmal sagst Du nun: “Gott hat die Welt erschaffen” & einmal: “Dieser Mensch ist – Gott”. Aber Du meinst nicht, daß dieser Mensch die Welt erschaffen hat, & doch ist hier eine Einheit. Wir haben zwei verschiedene Vorstellungen von Gott: oder, wir haben zwei 215 verschiedene Vorstellungen
& gebrauchen für beide das Wort
Gott.
Wenn Du nun aber an eine Vorsehung glaubst: d.h., wenn Du glaubst, daß nichts, ˇohne Gottes Willen geschieht was geschieht, anders geschieht, als durch den Willen Gottes; dann mußt Du also auch ˇgewiß glauben, daß dies Größte, daß ein Mensch zur Welt kam, der Gott ist, durch Gottes Willen geschehen ist. Muß dann aber dies Faktum nicht für Dich ‘entscheidende Bedeutung’ haben? Ich meine: muß das dann nicht für Dein Leben Konsequenzen haben, Dich zu etwas verpflichten? Ich meine: mußt Du nicht in ethische Beziehungen zu ihm treten? Denn Du hast doch z.B. dadurch Pflichten, daß Du einen Vater & eine Mutter hast & nicht z.B. ohne sie auf die Welt gesetzt worden bist. Hast Du also Empfinde ich nun aber solche Pflichten? Mein Glaube ist zu schwach. Ich meine, mein Glaube an die Vorsehung, mein Gefühl: “es geschieht alles durch Gottes Willen”. Und dies ist nicht eine Meinung – auch nicht eine Überzeugung, sondern eine Attitude den Dingen & dem Geschehen gegenüber. Möge ich nicht frivol werden! Hast Du eine [W|w]ertvolle Bemerkung 16.3. gefunden; & sei es auch nur ein Halbedelstein, so
mußt Du ihn jetzt richtig fassen.
Ich dachte heute: “Arrangiere ich nicht meine Gedanken, wie meine Schwester Gretl die Möbel in einem Zimmer?” Und dieser Gedanke war mir zuerst nicht angenehm. Ich dachte gestern an den Ausdruck: “ein reines Herz”; warum 217 habe ich keines?
Das heißt doch: warum sind meine Gedanken so
unrein! Eitelkeit, Schwindel, Mißgunst ist immer
wieder in meinen Gedanken. Möge
Gott mein Leben so lenken, daß es
anders wird. |
| 17.3.
Es ist wegen der Wolken unmöglich zu sehen, ob die Sonne schon
über dem Berg steht oder ˇnoch nicht & ich bin vor
Sehnsucht sie endlich zu sehen fast krank. (Ich
möchte mit Gott
rechten.) |
| 18.3.
Die Sonne dürfte jetzt über dem Berg stehen, aber sie ist
des Wetters wegen nicht zu sehen. Wenn Du mit
Gott rechten willst, so heißt das, Du
hast einen falschen Begriffˇ von
Gott, es ist
ein⌊en⌋ Es ist ein
Aberglauben // Du bist in einem
Aberglauben. // Du hast einen
unrichtigen Begriff, wenn Du auf das Schicksal erzürnt
bist. Du sollst
Ich habe heute die Sonne von meinem Fenster gesehen in dem Augenblick, als sie anfing hinter dem westlichen Berg ⌊auf⌋zugehen. • Gott sei Dank. Aber ich glaube nun, ˇzu meiner Schande, daß mir dieses Wort•4 nicht genug vom Herzen gekommen ist. Denn ich war wohl froh, als ich die Sonne nun wirklich erblickte, aber meine Freude war doch zu wenig tief, zu lustig, nicht wahrhaft religiös. Oh, wäre ich doc tiefer! |
| 19.3.
Ca 20
[m|M]in. nach 12 kommt jetzt der Rand der
Sonne über den Berg zum Vorschein. Sie bewegt sich
a[m|n] der Be⌊r⌋gschneide entlang, so daß sie nur
zu einem Teil zu sehen ist, zur Hälfte oder weniger, oder
mehr. Nur auf wenige Augenblicke war sie
beinahe ganz zu sehen. 219 Und das zeigt, daß sie doch nur
gestern erst über den Horizont gekommen ist; wenn nicht gar heute
zum ersten Mal. Um 1h
|
| 20.3.
Ich glaube, ⌊:⌋ ich verstehe,
daß der Geisteszustand des Glaubens den Menschen
seelig machen kann. Denn wenn der Mensch
glaubt, von He ganzem Herzen glaubt, daß der
Vollkommene sich für ihn hingegeben, sein Leben geopfert, hat,
so daß er ihn damit ˇ– von Anfang –
mit Gott ausgesöhnt hat, so daß
Du nun nur noch dieses Opfers würdig weiter leben sollst, –
so muß dies den ganzen Menschen veredeln, sozusagen, in den
Adelstand erheben. Ich verstehe – will ich sagen
– daß dies eine Bewegung der Seele zur
[s|S]eeligkeit ist.
Es heißt – glaube ich –: “Glaubt daran, daß ihr nun ausgesöhnt seid, & sündiget ‘hinfort nicht mehr’!” – Aber es ist auch klar, daß dieser Glauben eine Gnade ist. Und, ich glaube, die Bedingung für ihn ist, daß wir unser Äußerstes tun & sehen, daß es uns zu nichts führt, daß, soviel wir uns auch plagen, wir unversöhnt bleiben. Dann kommt die Versöhnung
Ist nun aber der verloren, der dieses Glaubens nicht ist? Das kann ich nicht glauben; oder ˇaber noch nicht glauben. Denn vielleicht werde ich's glauben. Wenn hier vom ‘Geheimnis’ [dieses|jenes] Opfers gesprochen wird: so müßtest Du die Grammatik
Es ist niemand hier: & doch spreche ich & danke & bitte. Aber ist darum dies Sprechen 221 & Danken & Bitten ein
Irrtum?! Eher könnte ich sagen: “Das ist das Merkwürdige!” Bin im Zweifel, was ich in der nächsten Zukunft tun soll. Eine Stimme in mir sagt mir, daß ich ˇjetzt von hier weg soll, & nach Dublin. Aber anderseits hoffe ich wieder, daß ich das jetzt nicht tun muß. Ich möchte sagen: Möchte es mir vergönnt sein, noch hier zu einige Zeit zu arbeiten! – Ich bin aber, sozusagen, am Schluß eines Abschnittes meiner Arbeit angelangt. Gott, welche Gnade ist es, ohne furchtbare Probleme leben zu können! Möchte sie bei mir bleiben! |
| 21.3.
Bin gemein & niedrig & es geht mir nur zu
gut. Und doch bin ich froh dass es mir
nicht schlechter geht! Lieben Brief von
Max. |
| 22.3.
Heute geht die Sonne hier um 12h auf &
erscheint nun ganz. Die Bäume waren heute
früh dick mit Schnee beladen, nun schmilzt er
aller. – Ich bin immer wieder zur Eitelkeit geneigt
auch über meine Eintragungen hier & ihren Stil.
Möge Gott es
bessern. – Die erste Fliege
aussen an meinem Fenster, wo es die Sonne
bescheint. Um 1s geht
die Sonne wieder unter & kommt aber noch einmal zum
Vorschein. Vor dem Untergehen ist die Sonne noch
einmal für etwa 10 Minuten zu sehen. Es ist niemand hier: Aber es ist eine herrliche Sonne hier, & ein schlechter Mensch. – |
| 23.3.
Ich bin wie ein Bettler, der manchmal
Heute kam die Sonne von ca
223
Hilf & Erleuchte! Aber wenn ich morgen etwas glauben sollte was ich heute nicht glaube, so war ich darum heute nicht
|
| 24.3.
Ich bitte, & ich hab's schon so, wie
ich's haben will: nämlich halb Himmel, halb
Hölle! Die Sonne geht um ca
Ich hatte heute diesen Gedanken: Als ich meine Beichte seinerzeit niedergeschrieben hatte da dachte ich ein paar mal auch an meine Mama & dachte ich könne sie in irgend einem Sinne nachträglich durch mein Geständnis erlösen; auch sie nämlich habe, in irgend einem Sinn, ein solches Geständnis auf dem Herzen gehabt & sei es in ihrem Leben nicht losgeworden, denn sie sei verschlossen geblieben. Und mein Geständnis, kam es mir vor, spreche nun endlich auch in ihrem Namen; & sie könne sich nun
225 lösung
⌊⌊25.3.⌋⌋ durch das Opfer, darin
bestehen, daß er das getan hat, was wir Alle zwar
wollen, aber nicht können. Im Glauben aber
identifiziert man sich mit ihm,
d.h. man entrichtet die Schuld nun
durch in der Form ⌊von⌋
demütige⌊r⌋
Anerkennung; man soll also ganz niedrig werden, weil man
nicht gut werden kann. Mir kam der Gedanke, ich solle morgen (am Charfreitag) fasten & ich dachte,: das will ich tun. Aber gleich drauf schien es mir wie ein Gebot, ich habe es zu tun & dagegen sträubte ich mich. Ich sagte: “Ich will es tun, wenn es mir von Herzen kommt & nicht weil es mir befohlen wird.” Aber dies ist doch kein Gehorsam! Es ist doch nicht Ertötung zu tun, was einem vom Herzen kommt (auch wenn es gütig, oder freundlich ist) oder in gewissem Sinne fromm ist). Dabei Habe ein paar Nächte ˇziemlich schlecht geschlafen & fühle mich wie tot, kann nicht arbeiten; meine Gedanken sind trübe & ich bin deprimiert aber in einer finstern weise. (D.h., ich fürchte mich vor gewissen religiösen Gedanken.) |
| 26.3.
Kritisiere nicht, was
Ich bin (ich meine: meine Religion ist) so erleu⌊ch⌋tet als ich bin; ich meine: meine Religion ist so erleuchtet, als sie ist. Ich habe mich gestern nicht weniger erleuchtet & heute nicht mehr. Denn, hätte ich's gestern so ansehen können, so hätte ich's gewiß getan bestimmt so angesehen. Man verwundert sich darüber, daß eine Zeit nicht an Hexen glaubte & eine spätere an Hexen glaubt & daß dies & Ähnliches geht & wiederkehrt, etc.; aber Du brauchst nur anzusehen, was Dir selbst geschieht um Dich nicht ˇmehr zu verwundern. – An einem Tag kannst Du beten aber an einem andern vielleicht nicht, & an einem mußt Du beten, & an einem andern nicht. Es geht mir aus Gnade heute viel besser als gestern. |
| Nun kommt die Sonne
kurz nach
ˇ
11h herauf & heute ist sie
strahlend. Es fällt mir schwer nicht immer
wieder in sie hinein zu sehen, d.h., ich
möchte immer wieder in sie schauen obwohl ich weiß daß es
für die Augen schlecht ist. 27.3. |
| 30.3.
Hüte Dich vor einem billigen Pathos wenn Du über
Philosophie schreibst! Das ist immer ⌊m⌋eine
Gefahr, wenn mir wenig einfällt. Und so ist
es jetzt. Ich bin zu einem seltsamen Stillstand
gekommen & weiß nicht recht, was ich machen soll.
Die Sonne scheint nun ˇvon heute an von
Ich hatte gehofft meine Arbeitskraft werde sich erholen, wenn ich mehr von der Sonne sehen würde, aber es ist nicht so gekommen. |
|
Mein Gehirn macht
2.4.
229 nur recht träge
Bewegungen. Leider. Ich bin jetzt leicht durch 4.4.
meine Arbeit ermüdbar; oder bin ich träge? –
Manchmal denke ich daran ob ich von hier jetzt schon abreisen
sollte. Etwa: zuerst nach Wien für
einen Monat, dann nach England für einen Monat –
oder länger – dann nach
Russland. Und dann
wieder hierher zurück? – Oder nach
Irland? Das Klügste scheint mir
jetzt daß ich in etwa 3 Wochen hier abreise. – |
| 5.4.
Möge ich doch das Leben sehen, wie es
ist[,|.] [d|D].h. es mehr als Ganzes sehen,
& nicht bloß einen kleinen, winzigen, Ausschnitt, ich meine
ˇz.B.: meine Arbeit. Es
ist dann als ob alles andere durch eine dunkle Blende abgeblendet
wäre & nur dieses Stück sichtbar.
Dadurch erscheint alles falsch. Ich
Ich weiß gar nicht, was ich in Zukunft tun soll. Soll ich hierher, nach Skjolden, zurückkehren? Und was hier, wenn ich hier nicht werde arbeiten können? Soll ich hier auch ohne die Arbeit leben? Und ohne eine geregelte Arbeit, – das kann ich nicht. Oder soll ich unbedingt zu arbeiten versuchen? Wenn das, so muß ich es auch jetzt tun! Ich bin überzeugt, ich sehe alles falsch an, wenn ich so spekuliere. Hat mein norwegischer Aufenthalt seine Schuldigkeit getan? Denn, daß er in eine Art halb gemütlich, halb ungemütliches Einsiedlerleben ausartet, das kann nicht recht sein. Er muß Frucht bringen! – Es gäbe ja nun die Möglichkeit hier jetzt viel länger zu bleiben, mein Kommen nach 231 Wien &
England zu verschieben. Und die Frage
ist: Könnte ich micht dazu entschließen,
ˇetwa noch zwei Monate hier zu bleiben?
Gott, ich glaube
ja! Nur sorge ich mich um meinen Freund &
ich will nicht meine Leute in Wien
enttäuschen. Ich glaube, ich kann es wohl
auf mich nehmen, hier zu bleiben, wenn ich mit ganzem Herzen
hier sein kann; wenn es einfach meine Aufgabe ist,
hier zu bleiben; & zu warten, ob ich werde gut
arbeiten können. Anderseits ist wahr, daß mich jetzt etwas von hier wegtreibt. Ich fühle mich stumpf, möchte weg & nach einiger Zeit erfrischt zurückkommen. – Eines ist sicher ich ermüde jetzt sehr rasch durch meine Arbeit, & dies ist nicht meine Schuld. Nach wenigen Stunden nicht sehr intensiver Arbeit kann ich nicht mehr denken. Es ist so, als wäre ich jetzt müde. Fehlt |
| 6.4.
Eine Auslegung der Christlichen Lehre:
Wach vollkommen auf! Wenn Du das tust, erkennst Du,
daß Du nicht taugst; & damit hört die Freude
an dieser Welt für Dich auf. Und sie kann auch nicht
wiederkommen, wenn Du wach bleibst.
Du brauchst aber nun Erlösung, –
sonst bist Du verloren. Du mußt aber am
Leben bleiben (und diese Welt ist für Dich tot) so brauchst
Du ein neues Licht anderswoher. In diesem Licht kann keine
Klugheit, oder Weisheit, sein; denn für diese Welt bist Du
tot. (Denn sie ist das Paradies, in dem Du aber Deiner
Sündigkeit wegen nichts anfangen kannst.) Du
mußt ‘Alles andere findet sich.’ Gott ser gelobt dass ich heutv klarer bin & mir besser ist. Habe heute wieder gemerkt, wie ich gleich deprimiert werde, wenn Leute, aus irgend einem Grund, nicht sehr, nicht besonders freundlich zu mir sind. Ich fragte mich: warum bin ich so mißmutig darüber? |
| 9.4.
“Du mußt den Vollkommenen lieben über alles,
so bist Du selig.” Das scheint mir die Summe
der christlichen Lehre zu sein. |
| [12|11].4
235 Das Eis
ist nun schon schlecht & ich muß mit dem Boot über den
Fluß fahren. Das bringt
[u|U]nbequemlichkeiten & (geringe)
Gefahren mit sich. Ich bin leicht verzagt &
geängtet. Ich habe jetzt vor in den ersten Tagen des Mai nach Wien zu reisen. Ende Mai nach England. Heute gegen [m|M]orgen träumte mir, ich hätte eine lange [P|p]hilosophische Diskussion mit mehreren Andern. Ich kam dabei zu dem Satz, den ich beim Auffwachen noch ˇungefähr wußte: “Laß uns doch unsre Muttersprache reden, & nicht glauben wir müßten uns an unserm eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen; das war ja, – Gott sei Dank – nur ein Traum. Wir sollen ˇja nur Mißverständnisse beseitigen.” Ich glaube, daß ist ein guter Satz. Gott allein sei Lob! |
| 16.4.
Seit gestern haben die Birken kleine grüne Spitzen. – Ich fühle mich schon einige Tage etwas unwohl, auch
sehr matt. Ich arbeite schlecht, obwohl ich mir
Mühe gebe. Bin nicht klar, wie
viel Sinn 237 es hat, noch 14 Tage hier zu
bleiben. Eine Stimme sagt mir:
‘reise doch früher!’ & eine
sagt: wart & bleib da! – Wenn ich doch
wüßte was richtig ist! In den letzten Tagen oft in “Keiser & Galiläer” gelesen, & mit großem Eindruck. – Für das Fortreisen spricht ma⌊n⌋ches; aber auch die Feigheit. Und für das Dableiben auch etwas – aber auch Pedantrie, Furcht vor dem Urteil Andrer, & dergl..– Es ist nicht recht davonzulaufen, der Ungeduld & Feigheit nachzugeben, & anderseits erscheint es unvernünftig, & auch wieder feig, hier zu bleiben. Wenn ich hier bleibe, so fürchte ich krank zu werden & dann nicht nach Hause & nach England zu kommen: als ob ich nicht auch Schwerer ist es hier zu bleiben, als wegzufahren. |
| 17.4.
Ist das Alleinsein mit sich selbst – oder mit
Gott, nicht wie das Alleinsein mit einem
Raubtier? Es kann ˇDich jeden Moment
anfallen. – Aber ist es nicht eben darum, daß Du
nicht fortlaufen sollst?! Ist dies nicht,
sozusagen, das herrliche?! Heißt es
nicht: gewinne dieses Raubtier lieb! – Und
doch muß man bitten: “Führe uns
nicht in Versuchung!” |
| 19.4
Ich glaube: es ist durch das Wort “glauben”
in der Religion furchtbar viel Unheil angerichtet worden.
Alle die verzwickten Gedanken über
239 das
‘Paradox’, die ewige Bedeutung einer
historischen Tatsache u. dergl.
Sagst Du aber statt “Glaube an Christus”: “Liebe zu
Christus”, so
verschwindet das Paradox, d.i., die Reizung des
Verstandes. Was hat die Religion mit so einem
Kitzeln des Verstandes zu tun. ˇ (Auch das kann
für den oder den zu seiner Religion gehören)
Nicht dass man nun sagen könnte: Ja jetzt ist alles einfach – oder verstandlich. Es ist gar nichts verständlich, es ist nur nicht unverständlich. – |
| 20.4.
Heute nacht in der Früh wurde beinahe das ganze Eis
am See gegen den Fluß hinunter getrieben, so daß der See
plötzlich beinahe ganz frei ist. Seit ein paar Monaten schon b⌊l⌋ute ich wieder beim Stuhlgang & habe auch etwas Schmerzen. – Fühle mich etwas krank & meine Gedanken kommen nicht in Schwung. Trotz Wärme & gutem Wetter. Ich tue heute etwas Falsches & Schlechtes: nämlich ich vegetiere. Ich kann, scheints, nichts rechtes tun & bin dazu in einer Art dumpfen Angst. – Ich sollte vielleicht unter solchen Umständen fasten & beten; – aber ich bin geneigt zu essen & esse – denn ich fürchte mich an so einem Tage auf mich zu schauen. Habe mich bestimmt am 1. Mai hier wegzureisen – so Gott will. |
|
Heute heult der
23.4
241 Wind ums Haus, was mir
immer sehr arg ist. Es
beänztigt & stört
mich. Ich bemühe mich gegen meine traurigen & bösen Gefühle zu streiten; aber meine Kraft erlahmt so schnell. |
| 26.4
Herrliches Wetter. Die Birken schon belaubt.
Gestern nacht sah ich das erste große Nordlicht. Ich
habe es ungefähr 3 Stunden lang angesehen; ein unbeschreibliches
Schauspiel. Ich ertappe mich oft auf Schäbigkeit & Geiz!! |
| 27.4.
Die Wahrheit solltest du liebhaben: aber Du
liebst immer andere Dinge & die Wahrheit nur
nebenbei! |
| 2[8|9].4.
Irgendwie gerinnen mir jetzt |
| 30.4.
Ich bin im höchsten Grade übelnehmerisch.
Ein böses Zeichen. |
| 24.9.37
Juden! ihr habt der Welt schon lange nichts mehr
gegeben, wofür sie Euch dankt. Und das nicht,
weil sie undankbar ist. Denn man fühlt nicht Dank
für jede Gabe, bloß weil sie für uns
nützlich ist. Drum gebt ihr wieder etwas, wofür Euch nicht kalte Anerkennung, sondern warmer Dank gebührt. Aber das Einzige, was sie von Euch braucht, ist Eure Unter- 243 werfung unter das Schicksal.
Ihr könnt ihr Rosen geben, die blühen werden, nie verwelken. |
| Man hat Recht, sich vor den Geistern
auch großer Männer zu fürchten. Und auch vor
denen guter Menschen. Denn was bei ihm Heil
gewirkt hat, kann bei mir Unheil wirken. Denn der
Geist ohne den Menschen ist nicht gut
|
1) See facsimile; wavy diagonal line.
2) Wittgenstein probably thinks here of Ms-142 (p. 100), not "Band XI." Ms-115.
3) Note right alignment in MS.
4) Arrow pointing from "Wort" to "Gott".
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