Gretl von Ludwig
zu Weihnachten 1936
ein schlechtes Geschenk
   
Philosophische


Untersuchungen.





















   
Angefangen anfangs November

1936



   
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     Augustinus sagt (uns), der Mensch lerne seine Muttersprache so:








   
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[Die ersten Seiten verbessert auf S. 77 ff.]

   
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     Augustinus beschreibt, wie der Mensch die Sprache || das Kind seine Muttersprache lernt, so: || Augustinus sagt (uns), der Mensch lerne seine Muttersprache so: (Confessiones I/8)
Cum || [maiores] appellabant rem aliqam et cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam, et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. … ita verba in variis sententiis locis suis posita et crebro audita quarum rerum signa essent paulatim colligebam measque iam voluntates edomito … per … in eis signis ore per haec enuntiabam.
Wir erhalten, so scheint es mir, (hier) dieses Bild vom || von dem Wesen der Sprache: Ihre Wörter benennen Gegenstände; die Sätze sind Zusammenstellungen || Verbindungen solcher Benennungen.
     Hier ist || haben wir || Dies ist das Bild, in welchem die Idee der ‘Bedeutung’ der Wörter ihre Wurzeln hat: Denn die Wörter haben Bedeutung, & die Bedeutung des Wortes ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht. ||
      Wir erhalten hier ein bestimmtes Bild vom Wesen der Sprache: || Es scheint mir wir erhalten hier dieses Bild von der Wesenheit der Sprache: Ihre Wörter dienen zur Bezeichnung von Gegenständen || Mit ihren Wörtern benennen wir Gegenstände || Ihre Wörter dienen dazu, Gegenstände zu benennen/; (die) Sätze sind Verbindungen solcher Benennungen || von solchen Bezeichnungen || von solchen Benennungen || solcher Bezeichnungen || in den Sätzen verbinden sich Benennungen || Bezeichnungen. – In diesem Bild vom || von dem Wesen der Sprache hat die Idee ihre Wurzeln: Das Wort hat eine Bedeutung, diese ist ihm zugeordnet, sie ist der Gegenstand, für welchen es steht.
Von einem Unterschied der Wortarten spricht Augustinus nicht; bei seiner Beschreibung schweben uns an erster Stelle || zunächst Hauptwörter vor, wie || denkt man (zunächst) an Hauptwörter; wie ‘Tisch’, “Baum”, ‘Brot’ || ‘Brot’, ‘Baum’ & (die) Eigennamen || Namen von Personen; die andern || & die übrigen Wortarten schließen sichan diesen an || , an, aber gleichsam, gegen den Hintergrund unseres Gedankens zu, an. || zu. || Von einem Unterschied der Wortarten spricht Augustinus nicht. Bei seiner Beschreibung denkt man zunächst an Hauptwörter, || Darstellung schweben uns Hauptwörter vor; wie “Tisch”, “Mann”, “Brot”, & die Namen von Personen; andere || die anderen Wortgruppen schließen sich diesen an, aber gleichsam gegen || gegen den Hintergrund zu. || Bei seiner Beschreibung denken vorerst wir an Hauptwörter – wie “Tisch”, “Mann”, “Brot” & die Namen von Personen; andere Wortgruppen schließen sich diesen an, aber gegen den Hintergrund zu. ||
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     Augustinus, in den Confessionen I/8: Cum [majores homines] appellabant rem aliquam, & cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam, et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. Hoc autem eos velle ex motu corporis aperiebatur: tamquam verbis naturalibus omnium gentium, quae fiunt vultu et nutu oculorum, ceterorumque membrorum actu & sonitu vocis indicante affectionem animi in petendis, habendis, rejiciendis, faciendisve rebus. Ita verba in variis sententiis locis suis posita, & crebro audita, quarum rerum signa essent, paulatim colligebam, measque jam voluntates, edomito in eis signis ore, per haec enuntiabam.
     In diesen Worten erhalten wir – so scheint es mir – ein bestimmtes Bild von dem Wesen der menschlichen Sprache. Nämlich dieses: Die Wörter der Sprache benennen Gegenstände – Sätze sind Verbindungen von solchen Benennungen.
     In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee: Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht.
     Von einem Unterschied der Wortarten spricht Augustinus nicht. Wer das Lernen der Sprache so beschreibt, denkt – so möchte ich glauben – zunächst an Hauptwörter, wie “Tisch”, “Stuhl”, “Brot” & die Namen von Personen; & an die übrigen Wortarten wie an etwas, das sich finden wird. || Namen von Personen; || , erst in zweiter Linie am die Namen gewisser Tätigkeiten & Eigenschaften, & an die übrigen Wortarten als an etwas, was sich finden wird.
   
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     Stelle Dir nun || aber diese || die folgende Verwendung der Sprache vor: || Nun stelle dir die folgende Verwendung der Sprache vor: Ich schicke jemand einkaufen. Ich gebe || Wir schicken jemand einkaufen. Wir geben ihm einen Zettel mit, auf diesem stehen die Zeichen: ||
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Denke nun an diese Verwendung der Sprache: – Ich schicke jemand einkaufen. Ich gebe ihm einen Zettel, auf diesem stehen die Zeichen:
“fünf rote Äpfel”. Er trägt den Zettel zum Kaufmann; der öffnet die Lade, auf welcher das Zeichen “Äpfel” steht;
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dann sucht er in einer Tabelle das Wort “rot” auf & findet ihm gegenüber ein färbiges Täfelchen; nun sagt er die Reihe der Grundzahlwörter – ich nehme an, er weiß sie auswendig – bis zu “fünf” her || zum Worte “fünf” & bei jedem Zahlwort nimmt er einen Apfel aus der Lade, der die Farbe des Täfelchens hat. – So, & ähnlich, operiert man mit Worten. – “Wie weiß er aber, wo & wie er das Wort “rot” nachschlagen soll & was er mit dem Wort “fünf” anzufangen hat?” – Nun, ich nehme eben an, er handelt, wie ich es beschrieben habe. Die Erklärungen haben irgendwo ein Ende. – Was ist aber die Bedeutung des Wortes ‘drei’ || ‘fünf’? – Von einer solchen war hier gar nicht die Rede; nur davon, wie das Wort “fünf” gebraucht wird.
   
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     Der philosophische Begriff der ‘Bedeutung der Wörter, als des Fundaments der Sprache, stammt aus einer primitiven Auffassung des Funktionierens der Sprache her. || ist in einer primitiven Idee vom Funktionieren der Sprache zu Hause || Jener philosophische Begriff von || der Bedeutung eines Wortes ist zu Hause in einer primitiven Vorstellung vom Funktionieren der || unserer Sprache. Wir können aber auch sagen, die Vorstellung trifft zu, nur für eine primitive Sprache
      Denken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung || Darstellung welche || die Augustinus gegeben hat, gilt || zutrifft: [Neue Zeile] Sie diene der Verständigung || möge der Verständigung dienen ||
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Jener philosophische Begriff der Bedeutung ist in einer primitiven Vorstellung, [wichtiger Beistrich]1 von der Art & Weise, wie die Sprache funktioniert, zu Hause. || , davon, wie die Sprache funktioniert, zu Hause. || primitiven Auffassung von der Art & Weise, wie die || unsere Sprache funktioniert, zu Hause. Man kann aber auch sagen, es sei die Vorstellung einer primitiveren Sprache, als der unseren.
Denken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung, wie Augustinus sie gegeben hat, stimmt: Die Sprache soll der Verständigung dienen
eines Bauenden A mit seinem || einem Gehilfen B. A führt einen Bau auf aus Bausteinen von gegebener Form; er hat dazu Würfel, Säulen, Platten & Balken || es sind Würfel, Säulen, Platten & Balken dar || vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen, || ; wie er sie gerade braucht || benötigt || nacheinander || nach der Reihe || der Reihe nach, wie A sie braucht || benötigt || , die er gerade braucht || den Baustein zuzureichen, den er gerade braucht. Dazu Hierzu || Zu diesem || dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den vier Wörtern: “Würfel”, “Säule”, “Platte”, “Balken”. A ruft sie aus, || B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen.
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     Fasse dies als vollständige primitive Sprache auf!
   
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     Man könnte sagen: Augustinus beschreibt allerdings || wohl ein System der Verständigung, also eine Sprache; nur ist nicht alles, was wir Sprache nennen, dieses System.

     (Und das muß man in einer großen Anzahl von Fällen || so vielen Fällen sagen, wo es sich frägt || sich die Frage erhebt: “ist diese Darstellung brauchbar, oder unbrauchbar”. Die Antwort ist || lautet (dann): “Ja, brauchbar; aber nur dafür || für dieses engumschriebene Feld, nicht für das ganze Gebiet, das Du darzustellen dachtest || vorgabst.”) [Theorien der Nationalökonomiker]

     Es ist so, als erklärte jemand: “Spielen besteht darin, daß man Dinge, gewissen Regeln gemäß, auf einer Fläche verschiebt …”, || und wir ihm antworteten || antworten: Du denkst da gewiß an die Brettspiele, & auf sie ist Deine Beschreibung auch anwendbar. Aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst also Deine Erklärung || Du scheinst an die Brettspiele zu denken: aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst Deine Erklärung richtigstellen, indem Du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst.
      Man könnte also sagen, Augustinus stelle das Lernen der Sprache || stelle die Sache zu einfach dar, aber auch: er stelle eine einfachere Sache dar.
     Man (Wer das Schachspiel einfacher beschriebe || beschreibt – mit einfacheren Regeln – als es ist, || als es ist – mit einfacheren Regeln – beschreibt damit dennoch ein Spiel, aber ein anderes.)
   
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     Denke Dir eine Schrift || Man könnte den Fall mit dem einer Schrift vergleichen, in der || welcher Buchstaben zur Bezeichnung von Lauten benützt würden, aber auch zur Bezeichnung der Betonung & ja auch als Interpunktionszeichen. Fasse diese Schrift als Sprache auf || Fasse diese Schrift auf als eine Sprache || Die Schrift kann man auffassen als eine Sprache zur Beschreibung eines Lautbildes || von Lautbildern; – nun denke Dir || . Denke Dir nun, daß Einer sie || jene Schrift so verstünde, als entspräche einfach jedem Buchstaben ein Laut & als hätten die Buchstaben nicht auch ganz andere
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Funktionen. – Und so || So einer – zu einfachen – Beschreibung || Auffassung der Schrift gleicht Augustinus' Beschreibung || Auffassung der Sprache.
   
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     Wenn man das Beispiel (2) betrachtet, so ahnt man vielleicht, inwiefern der allgemeine Begriff der Bedeutung der Worte das Funktionieren der Sprache mit einem Dunst umgibt, so daß es beinahe unmöglich wird es zu verstehen. || der das klare Sehen unmöglich macht. Darum ist es gut || nützlich, wenn wir die Vorgänge des Gebrauchs der Sprache an primitiven Verwendungsarten der Sprache betrachten. || Darum ist es nützlich, wenn wir uns die Vorgänge des Gebrauchs der Sprache an primitiven Beispielen des Gebrauchs ansehen. || Darum ist es gut, wenn wir die Vorgänge des Gebrauchs der Sprache in primitiven Fällen ihrer Verwendung || Anwendung betrachten. || Es zerstreut den Nebel, wenn wir die Erscheinungen der Sprache an primitiven Arten ihrer Verwendung studieren an Verwendungsweisen in denen man den Zweck & das Funktionieren der Wörter klar übersehen kann. [Neue Zeile.] Solche primitive Formen der Sprache verwendet das Kind, wenn es sprechen lernt.2
     Das Lehren der Sprache ist hier kein Erklären, sondern ein Abrichten.
   
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     Wir könnten uns vorstellen, daß die Sprache (3) || daß das Beispiel einer Sprache (3) die ganze Sprache des A und B ist; ja die ganze Sprache eines Stammes || Volksstammes. Die Kinder werden dazu erzogen diese Tätigkeiten zu verrichten, diese Wörter dabei zu gebrauchen, & so auf die Worte des Andern zu reagieren.
     Ein wichtiger Teil der Abrichtung wird darin bestehen, daß der Lehrende auf die Gegenstände weist, die Aufmerksamkeit des Kindes auf sie lenkt, und dabei ein Wort ausspricht; z.B. das Wort ‘Platte’ beim Vorzeigen einer || dieser Form. (Dies will ich nicht
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‘hinweisende Erklärung’, oder ‘Definition’, nennen, weil ja das Kind noch nicht nach der Benennung fragen kann. Ich will es ‘hinweisendes Lehren der Wörter’ nennen. – Ich sage, es wird einen wichtigen Teil der Abrichtung bilden, weil es bei Menschen so der Fall ist, nicht, weil es sich nicht anders vorstellen ließe.) Dieses hinweisende Lehren der Wörter, kann man sagen, macht || schlägt eine assoziative Verbindung zwischen dem Wort & dem Ding. Aber was heißt das? Nun es kann Verschiedenes heißen, – aber man denkt wohl zunächst daran, daß dem Kind das Bild des Dings vor die Seele tritt wenn es || dem Lernenden das Bild des Dings vor die Seele tritt wenn er das Wort hört. Aber wenn das nun geschieht, – ist das der Zweck des Worts? – Ja, es kann der Zweck sein. – Ich kann mir denken, daß Wörter (d.h. also Lautreihen) dazu verwendet werden || eine solche Verwendung von Wörtern (d.h. also Lautreihen) denken. (Ihr Aussprechen ist gleichsam ein Anschlagen einer Taste auf dem || einem Vorstellungsklavier.) Aber in der Sprache (3) ist es nicht der Zweck der Wörter Vorstellungen zu erwecken. (Es kann freilich auch gefunden werden, daß dies dem eigentlichen Zweck förderlich ist.)
     Wenn aber das das hinweisende Lehren bewirkt, – soll ich sagen, es bewirkt das Verstehen || Verständnis des Worts? Versteht nicht der den Ruf “Platte!”, der richtig || so & so nach ihm handelt? – Aber dies half wohl das hinweisende Lehren herbeiführen, aber doch nur zusammen mit einem bestimmten Unterricht. Mit einem anderen Unterricht hätte dasselbe hinweisende
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Lehren dieser Wörter ein ganz anderes Verständnis bewirkt. – Davon später mehr. –
     “Indem ich die Stange durch den Stift mit dem Hebel verbinde, stelle || setze ich die Bremse instand.” – Ja, – gegeben den ganzen übrigen Mechanismus. Nur mit diesem ist er der Bremshebel; & losgelöst von seiner Stütze || vom Gestell || von dem Gestell ist er nicht einmal Hebel, sondern kann alles mögliche sein, oder nichts.
   
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     In der Praxis des Gebrauchs der Sprache (3) ruft der eine Teil die Wörter, der andre handelt nach ihnen, im Unterricht der Sprache aber wird sich dieser Vorgang finden: der Lernende benennt die Gegenstände; || : d.h., er spricht das Wort, wenn der Lehrer auf den Stein zeigt. – Ja, es wird sich hier die noch einfachere Übung finden: Der Schüler spricht die Worte nach, die der Lehrer ihm vorspricht: || : Beides sprachähnliche Vorgänge || Übungen.
     Wir können uns auch vorstellen || denken daß die Sprache (3) || der ganze Vorgang des Gebrauchs der Worte in (3) eines der || jener Spiele ist, mittels welcher || durch welche Kinder die Sprache erlernen || unsere || die Sprachen erlernen. Ich will diese “Sprachspiele” nennen, & von einer primitiven Sprache manchmal als von einem “Sprachspiel” reden.
     Und man könnte die Vorgänge des Benennens der Steine und des Nachsprechens des vorgesagten Wortes auch Sprachspiele nennen. Denke an manchen Gebrauch der von den Worten in Reigenspielen gemacht wird.
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     Betrachten || Sehen wir jetzt eine Erweiterung der || unserer Sprache (3) an: Außer den 4 Wörtern “Würfel”, “Säule”, etc. enthalte sie eine Wörterreihe, die verwendet wird, wie der Kaufmann in (2) die Zahlwörter verwendet, sie || es kann die Reihe der Buchstaben des Alphabets sein; ferner: || , zwei Wörter, sie mögen “dorthin” & “dieses” lauten, weil dies schon || uns ungefähr ihren Zweck andeutet, – sie werden in Verbindung mit einer zeigenden Handbewegung gebraucht; & endlich: einige Täfelchen von verschiedenen Farben || von verschiedener Farbe || Färbung || – endlich, einige Täfelchen von verschiedener Farbe. A gibt nun einen Befehl von der Art: “d Platte dorthin” – dabei zeigt er dem Gehilfen ein Farbtäfelchen || läßt er den Gehilfen ein Farbtäfelchen sehen, & beim Worte “dorthin” zeigt er an einen Ort || eine Stelle. B nimmt von dem Vorrat der Platten je eine von der Farbe des Täfelchens für jeden Buchstaben des Alphabets bis zum “d” & bringt sie an den Ort den A bezeichnet. – Bei andren Gelegenheiten gibt A den || einen Befehl “dieses dorthin” – bei “dieses” zeigt er auf einen Baustein, – u.s.w..
   
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     Wenn das Kind diese Sprache lernt, muß es die Reihe der ‘Zahlwörter’ “A, B, C, … || a, b, c, …” auswendig lernen. – Und es muß ihren Gebrauch || sie gebrauchen lernen; || : dabei || & in dem Unterricht kann wieder ein ‘hinweisendes Lehren’ vorkommen und auch ein ‘Benennen’ || und auch ein ‘Benennen’ vorkommen. Es wird also z.B. auf zwei Platten gewiesen werden & die Worte “B Platten” dabei vorgesprochen & gezählt werden: “A, B, C, D || a, b, c, d Platten”. – Mehr Ähnlichkeit || Und es muß ihren Gebrauch lernen: Wird in diesem || dem Unterricht auch ein hinweisendes Lehren der Wörter vorkommen? – Nun, es wird z.B. auf Platten gewiesen & gezählt werden: “A, B, C, || a, b, c, Platten”. – Mehr Ähnlichkeit mit dem hinweisenden Lehren der Wörter “Würfel”, “Säule” etc. || im Beispiel (3) hätte || hat das hinweisende Lehren solcher || der Zahlwörter,
wenn man sie nicht zum Zählen verwendet || sofern sie nicht zum Zählen dienen, sondern zur Bezeichnung mit dem Auge unterscheidbarer || erfaßbarer Gruppierungen || Gruppen von Dingen. So lernen ja die Kinder den Gebrauch der Grundzahlwörter von “eins” bis “fünf” oder “sechs”. || den Gebrauch der ersten fünf oder sechs Grundzahlwörter.
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     Wird auch “dieses” und “dorthin” || “dorthin” und “dieses” hinweisend gelehrt? – Stelle Dir vor, wie man ihren Gebrauch etwa lehren könnte! Es wird dabei auf Örter & Dinge gewiesen || gezeigt werden, – aber hier geschieht ja dieses Zeigen auch im Gebrauch der Wörter & nicht nur beim Lernen des Gebrauchs. –
   
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     Was bezeichnen nun die Wörter dieser Sprache? – Was sie bezeichnen, – wie soll sich das zeigen, – es sei denn in der Art ihres Gebrauchs? Und den haben wir ja beschrieben. Der Ausdruck “dieses Wort bezeichnet das” müßte also ein Teil dieser Beschreibung werden. Oder, || : die Beschreibung soll in || auf die Form gebracht werden: “Das Wort … bezeichnet …”.
     Nun, man kann ja die Beschreibung der Verwendung || des Gebrauchs des Wortes “Platte” dahin abkürzen, daß man sagt, dieses Wort bezeichne diesen Gegenstand. Das wird man tun, wenn es sich z.B. nur mehr
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darum handelt, das Mißverständnis zu vermeiden || beseitigen, das Wort “Platte” beziehe sich auf die Bausteinform, die wir tatsächlich “Würfel” nennen; die Art & Weise dieses ‘Bezuges’ aber, d.h. der Gebrauch dieser Worte im übrigen, bekannt ist.
     Und ebenso kann man sagen, die Zeichen A, B, C, || a, b, c, etc. bezeichnen Zahlen, wenn dies etwa das Mißverständnis behebt ‘A’, ‘B’, ‘C’ || a, b, c spielten in der Sprache die Rolle, die in Wirklichkeit “Würfel”, “Säule”, “Platte” spielen. Und man kann auch sagen ‘C’ bezeichne diese Zahl, & nicht jene, – wenn damit etwa erklärt wird, die Buchstaben seien in der Reihenfolge ‘A’, ‘B’, C, ‘D’ || a b c d etc. zu verwenden & nicht A B D C || a b d c.
     Aber dadurch, daß man so die Beschreibungen des Gebrauchs der Wörter einander assimiliert, kann doch dieser Gebrauch nicht ähnlicher werden! Denn, wie wir sehen, ist die Art & Weise ihres Gebrauchs ganz & gar verschieden.
     Man kann die Wörter in dieser Beziehung am besten vergleichen mit den Werkzeugen || Denk' an die Werkzeuge in einem Werkzeugkasten: Es ist da ein Hammer, eine Zange, eine Säge, ein Stemmeisen || Schraubenzieher, ein Maßstab, ein Leimtopf, Leim, Nägel & Schrauben. – So verschieden die Funktionen dieser Werkzeuge || Gegenstände, so verschieden sind die Funktionen der Wörter. (Und es gibt Ähnlichkeiten hier & dort.)
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← [S. 10] ¥
     Denke dir, jemand sagte: “Alle Werkzeuge dienen dazu, etwas zu modifizieren: || . So der Hammer die Lage des Nagels, die Säge die Form des
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Brett's, etc.” – Und was modifiziert der Maßstab, der Leimtopf, die Nägel? – “Unser Wissen um die Länge eines Dings, die Temperatur des Leims und die Festigkeit der Kiste.” – Wäre mit dieser Assimilation des Ausdrucks etwas gewonnen? –
   

[Das Folgende bis zum Strich zu S.9]
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     Freilich, was uns verwirrt ist die Gleichförmigkeit ihrer Erscheinung, wenn sie || die Wörter uns gesprochen oder in der Schrift & im Druck entgegentreten. Denn ihre Verwendung ist || steht nicht so klar || deutlich vor Augen || vor den Augen. || Denn ihre Verwendung steht nicht so deutlich vor uns. Besonders nicht, wenn wir philosophieren!
     Wie wenn wir ein Schaltbrett || Stellwerk anschauen || ansehen: wir sehen Handgriffe, die alle mehr oder weniger gleich ausschauen. (Begreiflich; || Das ist begreiflich, denn sie sollen alle mit der Hand angefaßt werden || ¤ denn alle sollen mit der Hand angefaßt werden || denn alle werden mit der Hand angefaßt.) Aber einer ist der Handgriff einer Kurbel, die kontinuierlich verstellt werden kann (sie reguliert z.B. || etwa die Öffnung eines Ventils); || ; ein andrer ist der Handgriff eines Schalters, der nur zweierlei wirksame Stellungen hat; || , er ist (entweder) umgelegt, oder aufgestellt; ein dritter ist der Griff eines Bremshebels, || ; je stärker wir ziehen, desto stärker wird gebremst; & ein vierter der Handgriff einer Pumpe, er wirkt nur, solange er hin & her bewegt wird.
     Wenn wir sagen, || : “jedes Wort der Sprache bezeichnet etwas”, so ist damit vorerst noch gar nichts gesagt; es sei denn, daß wir genau erklärten, welche Unterscheidung wir zu machen wünschen. (Es könnte ja sein, daß
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wir die Wörter der Sprache (9) von Wörtern ‘ohne Bedeutung’ unterscheiden wollen || wollten, wie sie || die in Gedichten Lewis Carrolls vorkommen.)

      [Fortsetzung auf S.9]
   
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     Am besten ist das Wort “bezeichnen” wohl da angewandt, wo das Zeichen auf dem Gegenstand steht, den es bezeichnet.
     Nimm also an, auf Werkzeugen, die A beim Bauen benützt, waren || stünden || stehen Zeichen. Zeigt A dem Gehilfen ein solches Schriftzeichen, so bringt dieser || er das Werkzeug, das mit diesem || dem Zeichen bezeichnet ist.
     Auf diese & mehr oder weniger ähnliche Weise bezeichnet ein Name ein Ding, & ist || wird ein Name einem Ding gegeben. (Davon später mehr.) – Es wird sich oft nützlich erweisen, wenn wir uns beim Philosophieren sagen: Etwas benennen, das ist etwas Ähnliches, wie, einem Ding ein Namentäfelchen umhängen. –
   
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     Wie ist es mit den Farbtäfelchen || Farbmustern, die A dem B zeigt, – gehören sie zur Sprache? Nun, wie man will. Zur Wortsprache gehören sie nicht; aber wenn ich jemandem sagte || sage: “Sage || Sprich das Wort ‘das’ aus”, so wirst Du doch dieses zweite “‘das’” auch noch zum Satz rechnen. Und doch spielt es eine ganz ähnliche Rolle, wie ein Farbtäfelchen im Sprachspiel (9); es ist nämlich ein Muster dessen, was er || der Andere sagen soll, wie das Farbtäfelchen ein Muster dessen, was B bringen soll.
     Es ist das Natürlichste & richtet am wenigsten Verwirrung an, wenn wir die Muster zu den Instrumenten der Sprache rechnen.
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     Wir werden sagen können: in der Sprache (9) haben wir verschiedene Wortarten. Denn die Funktion von “Platte” und von “Würfel” ist ähnlicher, als die von “Platte” und von “d”. Wie wir aber die Worte nach Arten zusammenfassen, wird von unserem Zweck abhängen || wird vom Zweck der Einteilung abhängen, & von unserer Neigung.
     Denke an die verschiedenen Weisen, wie || Gesichtspunkte nach denen man Werkzeuge in Werkzeugarten einteilen könnte. Oder Schachfiguren in Figurenarten. || in Offiziere & Bauern oder ….
   
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     Daß die Sprachen (3) & (9) nur aus Befehlen bestehen, laß dich nicht stören. Willst Du sagen sie sei darum nicht komplett, so frage ich, ob unsere Sprache komplett ist, – ob sie es war, ehe ihr der chemische Symbolismus & die Infinitesimalrechnung einverleibt wurden; denn dies sind, sozusagen, Vorstädte unserer Sprache. (Und mit wieviel Häusern, oder Straßen, fängt eine Stadt an, Stadt zu sein?) Unsere Sprache kann man dann sehen als || man ansehen als eine alte Stadt: || , ein Wirrwarr || Gewinkel || ein Gewirr & Gewinkel von Gäßchen, Plätzen, alten, (neuen) & unzählige Male renovierten, || durch Zubauten veränderten Häusern; & dies umgeben von neuen Vororten mit geraden, || & regelmäßigen Straßen & mit einförmigen Häusern. || : ein Gewinkel von Gassen, & Gäßchen & Plätzen, alten & neuen Häusern, & Häusern mit Zubauten verschiedener Zeiten || aus verschiedenen Zeiten; & dies umgeben von einer Menge neuer Vorort || neuen Vororten mit geraden & regelmäßigen Straßen & mit einförmigen Häusern.
     Man kann sich leicht eine Sprache vorstellen, die nur aus Befehlen und Meldungen in der Schlacht || im Krieg besteht. – Oder eine Sprache, die nur aus Fragen besteht und einem Ausdruck
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der Bejahung & der Verneinung. Und unzähliges andre || Andre. – Und sich eine Sprache vorstellen heißt, (sich) eine Lebensform vorstellen.
   
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     Wie ist es aber,, ist der Ruf “Platte!” im Beispiel (3) ein Satz, oder ein Wort? – Wenn ein Wort, so hat es doch nicht die || dieselbe Bedeutung, wie das gleichlautende unserer gewöhnlichen Sprache, denn in der Sprache (3) ist es ja ein Ruf; wenn aber ein Satz, so ist es doch nicht der elliptische Satz “Platte!” unserer Sprache. – Was die erste Frage anbelangt, so kannst Du “Platte!” ein Wort, oder || & auch einen Satz nennen, aber vielleicht ganz treffend einen ‘degenerierten Satz’ (wie man etwa von einer degenerierten Parabel spricht). Und zwar ist es eben unser ‘elliptischer’ Satz. – Aber der ist doch nur eine Abkürzung || verkürzte Form des Satzes “Bring mir eine Platte!” & diesen Satz gibt es doch im || in dem Beispiel (3) nicht. – Aber warum sollte ich nicht, umgekehrt, den Satz “Bring mir eine Platte!” eine Verlängerung des Satzes “Platte!” nennen? – Weil der, der “Platte!” ruft, eigentlich meint: “Bring mir eine Platte!”. – Aber wie machst Du das, dies meinen, während Du “Platte” sagst? Sprichst Du Dir dabei inwendig den unverkürzten Satz vor? Und warum soll man || ich, um zu sagen, was Du mit dem Ruf “Platte!” meinst, diesen Ausdruck in den andern || einen längern || den längern || einen andern übersetzen? Und wenn sie das Gleiche bedeuten, – warum soll ich nicht sagen: “Wenn Du ‘Platte!’ sagst, meinst Du ‘Platte!’”? – Oder: Warum sollst Du nicht “Platte!” meinen können, wenn Du “Bring mir die Platte!” meinen kannst? – Aber wenn ich ‘Platte!’
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rufe, so will ich doch, er soll mir eine Platte bringen! – Gewiß, – aber besteht ‘dies wollen’ darin, daß Du in irgend einer Form einen andern Satz denkst, als den, den Du sagst? –
   
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     Aber wenn nun Einer sagt “Bring mir eine Platte!”, so scheint es ja jetzt, als könnte er also diesen Ausdruck als ein langes Wort meinen, – entsprechend nämlich dem einen Wort ‘Platte!’” – Kann man also jenen Satz einmal || ihn also einmal als ein Wort, einmal als vier Wörter meinen? Und wie meint man ihn gewöhnlich? – Ich glaube, wir werden geneigt sein, zu sagen, || : wir meinen den Satz als einen von vier Wörtern, wenn wir ihn im Gegensatz zu andern Sätzen gebrauchen, wie: “Reich mir eine Platte zu”, “Bring ihm eine Platte”, “Bring zwei Platten”, etc.; also im Gegensatz zu Sätzen, welche die Wörter unseres Satzes || Befehls in andern Verbindungen gebrauchen || enthalten. – Aber worin besteht es, einen Satz im Gegensatz zu andern Sätzen gebrauchen? Schweben Dir || einem dabei etwa diese Sätze vor? Und alle? Und während man den einen Satz sagt, oder vor-, oder nachher? – Nein! Wenn auch so eine Erklärung einige Versuchung für uns hat, so brauchen wir doch nur einen Augenblick zu bedenken || sehen, was wirklich geschieht, um zu sehen, daß wir hier auf falschem Weg sind. || Nein! Hier sind wir auf falschem Weg! (Dies wird späterhin noch klarer werden.) Wir sagen, wir gebrauchen den Befehl im Gegensatz zu andern Sätzen, weil unsere Sprache die Möglichkeit zu diesen andern Sätzen || dieser andern Sätze enthält. Wer unsere Sprache nicht versteht, ein Ausländer, der etwa öfter gehört hätte, wie jemand den Befehl “Bring mir eine Platte!” gibt || gibt “Bring mir eine Platte!”, könnte
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der Meinung sein, diese ganze Lautreihe sei ein Wort & entspräche etwa dem Wort für “Baustein” in seiner Sprache. Wenn er selbst dann diesen Befehl zu geben hätte, würde er ihn vielleicht anders aussprechen, & wir würden sagen: er spricht ihn so sonderbar aus, weil er ihn für ein Wort hält. – Aber geht also nicht, wenn er ihn ausspricht, eben auch etwas anderes in ihm vor, entsprechend, seiner anderen Auffassung || dem entsprechend daß er unsern || den Satz als ein Wort auffaßt? Es kann das Gleiche in ihm vorgehen, oder auch anderes; was || . Was geht denn in Dir vor, wenn Du so einen Befehl gibst; bist Du Dir bewußt, daß er aus vier Wörtern besteht, während Du ihn aussprichst? Freilich, Du beherrschst diese Sprache – in der es auch jene andern Sätze gibt – aber ist dieses Beherrschen etwas, was Du tust || geschieht, während Du den einen Satz aussprichst? – Und ich habe ja zugegeben: der Fremde wird den Satz, den er falsch || anders auffaßt, wahrscheinlich anders aussprechen; aber was wir die falsche Auffassung nennen muß nicht in irgend etwas liegen, was das Aussprechen des Befehls begleitet. (Davon später mehr.)
   
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     ‘Elliptisch’ ist der Satz nicht, weil er etwas ausläßt, was wir meinen, wenn wir ihn aussprechen, sondern weil er gekürzt ist im Vergleich mit einem bestimmten Standard unserer Grammatik. – Man könnte hier freilich den Einwand machen: “Du gibst zu, daß der verkürzte & der unverkürzte Satz den gleichen Sinn haben. – Welchen Sinn haben sie also? Gibt es denn für diesen Sinn keinen || nicht einen Wortausdruck?” Und welcher
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Satz ist also sein Wortausdruck? – Aber besteht der gleiche Sinn der Sätze nicht in ihrer gleichen Verwendung? – ¤ (Im Russischen heißt es “Stein rot”, statt “der Stein ist rot”; – geht ihnen die Kopula im Sinn ab? oder denken sie sich || sie sich dazu? –) ¤
   
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     Man kann sich auch leicht ein Sprachspiel denken, in dem B dem A auf dessen Frage die Anzahl der Bausteine auf einem Haufen || Platten oder Würfel in einem Stoß meldet, oder ihre || die Farbe, oder Form || Farben und die Anzahlen der Formen || Farben und Formen der Bausteine die dort und dort liegen.
     So eine Meldung könnte also z.B. lauten: “fünf Platten”. Was ist nun der Unterschied zwischen der Meldung, oder Behauptung, “fünf Platten.” & dem Befehl “fünf Platten!”? – Nun, die Rolle, die das Aussprechen dieser Worte im Sprachspiel spielt. Aber es wird wohl auch der Ton, mit dem sie ausgesprochen werden, ein andrer sein, & die Miene, & noch manches andre. Aber wir können uns auch denken, daß der Ton der gleiche ist – denn ein Befehl & eine Meldung können in mancherlei Ton ausgesprochen werden & mit mancherlei Gebärden, etc. || Miene, etc., – & daß der Unterschied allein in der Verwendung liegt. – (Freilich könnten wir auch die Worte “Behauptung” und “Befehl” zur Bezeichnung einer grammatischen Satzform & eines Tonfalls gebrauchen, wie man ja den Satz “Ist das Wetter heute nicht herrlich?” eine Frage nennen wird, obwohl er wie eine Behauptung verwendet wird. Wir könnten uns leicht eine Sprache denken, in der alle Behauptungen die Form & den Ton der rhetorischen Frage hätten, oder jeder Befehl in der Form gegeben wird “Möchtest Du das tun?” || die Form: “Möchtest Du das tun?”. Man wird dann vielleicht sagen: “Was er sagt, hat die Form der Frage ist aber eigentlich || wirklich ein Befehl”, d.h., hat die Funktion des
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Befehls in der Praxis der Sprache. (Ähnlich sagt man auch “Du wirst das tun”, nicht als Prophezeiung sondern als Befehl. Was macht es zu dem einen, was zu dem andern?)
   
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     Frege's Ansicht, daß in einer Behauptung eine Annahme steckt, die dasjenige ist, was behauptet wird, basiert eigentlich auf der Möglichkeit, die es in unserer Sprache gibt, jeden Behauptungssatz in der Form zu schreiben: “Es wird behauptet, daß das & das der Fall ist.” Aber “Daß das & das der Fall ist.” ist eben in unsrer Sprache kein Satz, || es ist noch kein Zug in unsrem Sprachspiel. Und setze || schreibe ich statt “Es wird behauptet, daß …”, || : “Es wird behauptet: das & das ist der Fall”, dann sind hier die Worte “Es wird behauptet” eben überflüssig.
     Wir könnten sehr gut auch jede Behauptung in Form einer Frage mit nachgesetzter Bejahung schreiben; also, statt “Es regnet”: “Regnet es? Ja!”. Würde das zeigen, daß in jeder Behauptung eine Frage steckt?
   
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     Man hat freilich das Recht ein Behauptungszeichen zu verwenden im Gegensatz z.B. zu einem Fragezeichen. Irreführend || Irrig ist es nur, wenn man meint, daß die Behauptung nun aus zwei Akten besteht, dem Erwägen & dem Behaupten (Beilegen des Wahrheitswerts, oder dergl.) & daß wir diese Akte nach den Zeichen des Satzes ausführen, ungefähr wie wir nach Noten singen. Mit dem Singen nach Noten ist allerdings das laute, oder leise, Lesen nach dem geschriebenen Satz zu vergleichen, aber nicht das ‘Meinen’ (Denken) des geschriebenen || gelesenen Satzes.
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23
     Der wichtige Sinn des Fregeschen Behauptungszeichens wird vielleicht am besten dadurch || so || damit gefaßt, daß || indem wir sagen: es bezeichnet deutlich den Anfang des Satzes || Behauptungssatzes. – Das ist wichtig, || : denn unsere philosophischen Schwierigkeiten das Wesen der ‘Negation’ & des ‘Denkens’ betreffend rühren, in gewissem Sinn davon her || daher, daß wir nicht sehen, || : daß ein Satz “⊢ ~ || nicht p”, oder “⊢ ich denke || glaube p”, oder”, mit dem Satz ⊢ p” wohl “p” gemeinsam hat, aber nicht “⊢ p”. (Denn wenn ich jemand sagen höre “es regnet”, so weiß ich nicht was er sagt || gesagt hat, wenn ich nicht weiß, ob ich den Anfang des Satzes gehört habe.)
   
24
     Wieviele Arten der Sätze gibt es aber? Etwa: Behauptung, Frage & Befehl? Es gibt unzählige solcher Arten: unzählige verschiedene Arten der Verwendung || Verwendungsarten alles dessen, was wir ‘Zeichen’, ‘Worte’, ‘Sätze’, nennen. Diese Mannigfaltigkeit ändert || verändert sich mit der Zeit || stetig: neue Typen der Sprachverwendung entstehen, andre veralten & werden vergessen. (Ein ungefähres Bild davon || hievon können uns die Wandlungen in der Mathematik geben.)
     Führe dir die Mannigfaltigkeit der Typen der Sprachverwendung, || der “Sprachspiele”, || wie wir sagen könnten, || vor Augen; denke an diese Typen & andere Beispiele:
      Befehle geben, & nach Befehlen handeln –
      Einen Gegenstand ansehen, messen & beschreiben
      Einen Gegenstand nach einer Beschreibung,
      oder Zeichnung, herstellen
      Einen Hergang berichten, den wir gesehen haben
      Vermutungen über einen Hergang anstellen
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Eine Geschichte lesen
Eine Geschichte erfinden, oder lesen
|| Eine Geschichte erfinden, oder lesen
Eine Hypothese aufstellen & prüfen
Ein Experiment || Die Ergebnisse eines Experiments durch Tabellen & Diagramme darstellen

Ein angewandtes Rechnungsexempel lösen.
Bitten, Danken, Fluchen
Grüßen
Rätsel aufgeben & erraten
Einen Witz machen || erzählen
Aus einer Sprache in eine andere übersetzen Theater spielen
Ein Tier auf Zurufe & Zeichen dressieren
|| Theater spielen
|| Rätsel aufgeben & erraten
Einen Witz machen || erzählen
Aus einer Sprache in eine andere übersetzen
Theater spielen
     Ein Tier auf Zurufe & Zeichen dressieren
Bitten, Danken, Fluchen
Grüßen
|| Eine Hypothese aufstellen & prüfen
Die Ergebnisse eines Experiments durch Tabellen & Diagramme darstellen
Eine Geschichte erfinden, oder lesen
Theater spielen
Ein Rätsel aufgeben & erraten
Einen Witz machen || erzählen
Ein angewandtes Rechnungsexempel lösen.
Aus einer Sprache in eine andere übersetzen Bitten, Danken, Fluchen
Grüßen
etc. etc. etc. etc. || ¤
Und diese Mannigfaltigkeit ist nichts festes || Festes, ein für alle mal gegebenes || Gegebenes, sondern neue Typen der Sprache, neue Sprachspiele – wie wir sagen können [nicht ‘könnten’] – entstehen & andre veralten & werden vergessen. (Ein ungefähres Bild davon können uns die Wandlungen der || in der Mathematik geben.)
¥
⋎ [S. 20]
     Führe Dir die Mannigfaltigkeit der Typen || Sprachspiele an diesen Beispielen & andern vor Augen:
     Befehlen, & nach Befehlen handeln
     Beschreiben eines Gegenstands nach dem
     Aussehen, oder nach Messungen
     Herstellen eines Gegenstands nach einer
     
Beschreibung (Zeichnung)

     Berichten eines Hergangs
     Über den Hergang Vermutungen anstellen
     Eine Hypothese aufstellen & prüfen
     Darstellung der Ergebnisse eines Experiments
     durch Tabellen & Diagramme
20
     Eine Geschichte erfinden, & lesen
     Theater spielen
Reigen singen
Rätsel raten
Einen Witz machen, erzählen
     Ein angewandtes Rechnungsexempel lösen
     Aus einer Sprache in die andere übersetzen
     Bitten, Danken, Fluchen, Grüßen, Beten.
     etc. etc. etc. etc.
– Es ist interessant die Mannigfaltigkeit der Werkzeuge der Sprache & ihrer Verwendungsweisen, || die Mannigfaltigkeit der Wort- & Satzarten – mit dem zu vergleichen, was Logiker über den Bau der Sprache gesagt haben. (z.B. || Und auch der Verfasser der Log. Phil. Abh.¤)

   


[Zu S. 19]
Das Wort “Sprachspiel” soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teilvorgang || Teil ist einer Form der Tätigkeit || Tätigkeit oder einer Lebensform. || ein Teilvorgang || Teil einer Tätigkeit oder Lebensform ist.




   
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     Wenn wir nicht sehen, daß es eine Menge von Sprachspielen gibt, sind wir etwa geneigt, zu fragen: “Was ist eine Frage?” Ist es die Feststellung, daß ich das & das nicht weiß, oder die Feststellung, daß ich wünsche, der Andre möchte mir sagen …? Oder ist es die Beschreibung meines seelischen Zustandes der Ungewißheit? – Und ist der Ruf “Hilfe!” so eine Beschreibung?
     Denke daran, wie Verschiedenes “Beschreibung” genannt wird: die Beschreibung der Lage eines Körpers durch seine Koordinaten; die Beschreibung des Verlaufs einer Schmerzempfindung.
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     Man kann freilich statt der gewöhnlichen Form der Frage die der Feststellung oder Beschreibung setzen: “Ich will wissen, ob …”, oder “Ich bin im Zweifel, ob …” – aber damit hat man die verschiedenen Sprachspiele einander nicht näher gebracht.
     Die Bedeutsamkeit solcher Ersetzungsmöglichkeiten || Umformungsmöglichkeiten, z.B. aller Behauptungssätze in Sätze, die mit der Klausel “Ich denke” oder “Ich glaube” anfangen (also sozusagen in Beschreibungen meines Innenlebens) wird sich später noch zeigen.
   
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     Man sagt manchmal: die Tiere || die Affen sprechen nicht, weil ihnen die geistigen Fähigkeiten fehlen. Das || ; das || , & das heißt: ‘sie denken nicht, darum sprechen sie nicht’. Aber, || : sie sprechen eben nicht. Besser: sie || Sie verwenden die Sprache nicht. (Außer den || ihren || Ausgenommen die primitivsten Formen.) [Kein Absatz] Befehlen, fragen, erzählen, plauschen, sind so natürliche Handlungen, wie gehen, essen, trinken spielen. || gehören zu unserer Naturgeschichte, so wie gehen, essen, trinken, spielen. (Es ist hier natürlich gleichgültig || gleich, ob man mit dem Mund oder mit den Fingern || mittels des Mundes oder der Hände spricht. || mit dem Mund oder den Händen gesprochen wird.)
     Das hängt wieder damit zusammen, daß man meint, das Lernen der Sprache bestehe darin, daß man Gegenstände benennt; & zwar: Menschen, Formen, Farben, Schmerzen, Stimmungen, Zahlen, etc..–3
– Wie gesagt – das Benennen ist etwas Ähnliches, wie, einem Ding ein Namenstäfelchen anheften. Man kann das eine Vorbereitung zum Gebrauch eines Wortes nennen.
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Aber worauf ist es eine Vorbereitung?
     “Wir benennen die Dinge & können nun über sie reden. Uns in der Rede auf sie beziehen.” Als ob mit dem Akt des Benennens schon das, was wir weiter tun, gegeben sei. Als ob es nur Eines gebe, was heißt: “von Dingen reden”. Während wir doch das Verschiedenartigste mit unsern Sätzen tun.
     Denken wir allein || nur zum Beispiel an die Ausrufe! Mit || mit || Ausrufe. – Mit ihren ganz verschiedenen Funktionen: || .
     Wasser!
     Fort!
     Au!
     Hilfe!
     Schön!
     Nicht!
Bist Du nun noch geneigt, diese Wörter “Namen || Benennungen von Gegenständen” zu nennen?
   
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     In den Sprachen (3) und (9) gab es ein Fragen nach der Benennung nicht. Dies & sein Korrelat, die hinweisende Erklärung, Definition, ist, könnten wir sagen || wie wir sagen könnten, ein eigenes Sprachspiel. Das heißt eigentlich: wir werden erzogen, abgerichtet, dazu, zu fragen: “Wie heißt das?” – worauf dann das Benennen erfolgt. Und es gibt auch ein Sprachspiel: für etwas einen Namen erfinden; also || . Also, zu sagen: “das heißt …” & nun den neuen Namen zu verwenden. (So benennen Kinder z.B. ihre Puppen & reden dann von ihnen. Dabei bedenke gleich || auch, wie speziell der Gebrauch des Personennamens ist, mit welchem wir den (so) Benannten rufen!)
     Man kann nun einen Personennamen, ein
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Farbwort, einen Stoffnamen, ein Zahlwort, den Namen einer Himmelsrichtung, etc. etc. hinweisend definieren. Die Definition der Zwei: “Das ist || heißt ‘zwei’” – wobei man auf zwei Nüsse zeigt –, ist vollkommen exakt. – Aber wie kann man denn die Zwei so definieren; der, dem man die Definition gibt, weiß ja dann nicht, was man mit ‘zwei’ benennen will; er wird annehmen, daß Du diese Gruppe von Nüssen ‘zwei’ nennst! – Er kann dies annehmen, – vielleicht nimmt er es aber nicht an. Er könnte ja auch, umgekehrt, wenn ich dieser Gruppe von Nüssen einen Namen beilegen will, ihn als Zahlnamen mißverstehen. Und ebensogut, wenn ich einen Personennamen hinweisend erkläre, diesen als Farbnamen, Zahlwort, || Bezeichnung der Rasse, ja als Namen einer Himmelsrichtung mißverstehen || auffassen. Das heißt, die hinweisende Definition kann immer || in jedem Fall so & anders gedeutet werden.
   
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     Vielleicht sagst Du: Die || die Zwei kann nur so hinweisend definiert werden: “Diese Zahl heißt ‘zwei’”; aber nicht “Das heißt zwei” denn das Wort “Zahl” zeigt hier an, an welchen Platz der Sprache, der Grammatik, wir das Wort setzen; das heißt aber, es muß das Wort “Zahl” erklärt sein, ehe jene hinweisende Definition verstanden werden kann. – Das Wort “Zahl” in der Definition zeigt allerdings diesen Platz an, den Posten, auf || an den wir das Wort stellen. Und wir können so Mißverständnisse vermeiden || Mißverständnissen vorbeugen, indem wir sagen “Diese Farbe heißt so & so”, “Diese Länge heißt so & so” u.s.w.. Das heißt:
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Mißverständnisse werden manchmal so vermieden. Aber läßt sich denn das Wort “Farbe”, oder “Länge” nur so auffassen? – Nun wir müssen sie eben erklären. – Also erklären durch andere Wörter! Und wie ist es mit der letzten Erklärung in dieser Kette?! (Sag' nicht, “Es gibt keine ‘letzte’ Erklärung”; das ist geradeso, als wolltest Du sagen: “Es gibt kein letztes Haus in dieser Straße: man kann immer noch eines dazubauen.”)
     Ob das Wort “Zahl” in der hinweisenden Definition der Zwei nötig ist, das hängt davon ab, ob er sie ohne dieses Wort anders auffaßt, als ich es wünsche. Und das wird wohl von den Umständen abhängen, unter welchen sie gegeben wird & von dem Menschen, dem sie gegeben wird. || ich sie gebe.
     Und wie er die Erklärung ‘auffaßt’, zeigt sich darin, wie er von dem erklärten Wort Gebrauch macht.
   
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     Man könnte also sagen: die || Die hinweisende Definition erklärt den Gebrauch – die Bedeutung – des Wortes, wenn es schon klar ist, welche Rolle das Wort in der Sprache überhaupt spielen soll. Wenn ich also weiß, daß Einer mir ein Farbwort erklären will, so wird mir die hinweisende Erklärung “Das heißt ‘Sepia’” zum Verständnis des Wortes verhelfen. – Dies können wir || Und dies, kann man sagen, wenn wir (dabei) nicht vergessen, daß || man nicht vergißt, daß sich nun allerlei Fragen an das Wort “wissen”, oder “klar sein” anheften || anknüpfen!
Denke, ich erklärte jemandem die Rolle des Königs im Schachspiel ohne aber das Wort “König” oder || einen Namen für die Figur zu gebrauchen¤ dann || . Dann sage ich,
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auf einen Spielstein bestimmter Form || den Schachkönig weisend, || :Das || Die Figur ist der || Das || Das heißt ‘König’”. Wir können sagen, ich stelle || setze damit die Spielfigur an eine bestimmte Stelle des Spiels, & die Stelle wurde eben durch die Erklärung jener Regeln bezeichnet || gebe damit dem Wort “König” eine bestimmte Rolle im Spiel || habe damit dem Wort “König” eine bestimmte Rolle im Spiel gegeben, & diese Rolle wurde eben durch jene || die Regeln erklärt || bestimmt. D.h., ‘die Rolle kennen, die dieser Stein zu spielen hat’ || ‘wissen welche Rolle das Wort zu spielen hat’ heißt hier || kann hier heißen: diese Regeln kennen; & das heißt etwa, sie sagen können, wenn man nach ihnen gefragt wird, sie anwenden können, und dergleichen.
     Wir können uns aber auch denken, daß Einer das Spiel gelernt hat, ohne je Regeln zu lernen, oder zu formulieren. Er hat zugesehen, wie Andere spielen, selbst schon einfachere Brettspiele gespielt, – & nun kann er Schach spielen, d.h. zieht den Schachregeln entsprechend – ohne aber von ihnen Gebrauch zu machen –, etc.. Ich zeige diesem nun ein Schachbrett & Figuren die anders geformt sind als die gewöhnlichen & sage auf eine von ihnen & eine gewöhnliche Königsfigur weisend: “das ist das.” Damit habe ich der neuen Figur eine Stelle (d.h. Rolle) im Spiel gegeben || angewiesen. Und auch hier kann man sagen daß dies durch die Erklärung “Das ist das” und das Vorzeigen der gewöhnlichen Königsfigur nur darum geschehen ist weil er die Rolle dieser schon kannte. Aber nun heißt dies nicht die Regeln kennen, sondern eine Praxis im Spiel || Spielen haben. || Ich gebe diesem nun die Erklärung: “Diese Figur heißt König”. Und auch hier erklärt dies die Rolle des Wortes im Spiel nur darum, weil er bereits weiß, welche Rolle die Figur spielt auf die ich zeige. Aber nun heißt ‘dies wissen’ nicht die Regeln kennen, sondern eine Praxis im Spiel haben.
||
[Zu S. 27] Betrachte noch diesen Fall: Ich erkläre jemandem das Schachspiel, & fange damit an, indem ich auf eine Figur zeige & sage: “Das ist der König. – Er kann so & so ziehen, etc. etc.”.
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Man muß schon etwas wissen, um nach der Benennung fragen zu können. Aber was muß man wissen?
     Wenn man jemandem die Königsfigur im Schachspiel zeigt & sagt: “das || Das ist der Schachkönig”, so erklärt man ihm dadurch nicht den Gebrauch dieser Figur, – es sei denn, daß er die Regeln des Spiels schon kennt, bis auf diese letzte Bestimmung: die Gestalt || Form einer Königsfigur. Man kann sich denken, er habe das Spiel zuerst mit geschriebenen Zeichen gelernt || die Regeln des Spiels gelernt, ohne daß ihm je eine Holzfigur || wirkliche Spielfigur gezeigt wurde. Die Form der Spielfigur entspricht hier dem Klang oder Aussehen || oder der Gestalt eines Wortes.
     Man kann sich aber auch denken, Einer habe das Spiel gelernt ohne je Regeln zu lernen, oder zu formulieren. Er hat etwa zuerst mit ganz einfachen Brettspielen angefangen || zuerst durch Zusehen ganz einfache Brettspiele gelernt & ist zu immer komplizierteren vorgeschritten. || , immer aber indem er nur zugesehen hat, wie Andere spielten. || durch zusehen wie Andere spielten.. Auch diesem könnte man die Erklärung geben: “Das ist der König”, wenn man ihm z.B. Schachfiguren von einer ihm ungewohnten Form zeigt. Auch diese Erklärung lehrt ihn den Gebrauch der Figur nur darum, weil, wie wir sagen könnten, der Platz schon vorbereitet war, an den sie gestellt wurde. Oder auch: Wir werden nur dann sagen, sie lehre ihn den Gebrauch, wenn der Platz schon vorbereitet ist. Und er ist es hier nicht dadurch, daß der, dem wir die Erklärung geben, schon Regeln weiß, sondern dadurch, daß er in anderm Sinne schon ein
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Spiel beherrscht.
¥ ¥
     Wir können sagen: Nach der Benennung fragt der || nur der sinnvoll, der schon etwas mit ihr anzufangen weiß.
     Wir können uns ja auch denken, daß der Gefragte antwortet: “Bestimm' die Benennung selber” – und nun müßte, der gefragt hat, für alles selber aufkommen.
   
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     Wer in ein fremdes Land kommt, wird manchmal die Sprache der dort Einheimischen durch hinweisende Erklärungen lernen, die sie ihm geben, & er wird die Deutung dieser Erklärungen oft raten müssen, & manchmal richtig, manchmal falsch, raten.
     Und nun können wir, glaube ich, sagen: || , Augustinus beschreibe das Lernen der menschlichen Sprache so, als käme das Kind in ein fremdes Land und verstehe die Sprache des Landes nicht, das heißt, || habe bereits eine Sprache, nur nicht diese. Oder auch: – als könne das Kind schon denken, nur noch nicht reden || sprechen. Und ‘denken’ hieße hier etwa: || etwas, wie, zu sich selbst reden.
   


⋎ [S. 25] – Auch in || In diesem Fall werden wir sagen, || : die Worte “Das ist der König” (oder, “Das heißt ‘König’”) sind nur dann eine Worterklärung, wenn der Lernende schon ‘weiß, was eine Spielfigur ist’; wenn er also etwa schon mehrere Spiele gespielt hat, oder dem Spielen Anderer ‘mit Verständnis zugesehen hat’, und dergleichen. Auch nur dann wird er beim Lernen des Spiels relevant fragen können “wie heißt das?” – nämlich, diese Spielfigur.


   
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     Wie aber, wenn jener Einer || man einwendete: “Es ist nicht wahr, daß Einer schon ein Sprachspiel
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beherrschen muß, um eine hinweisende Definition zu verstehen, sondern er muß nur – selbstverständlich – wissen (oder erraten), auf was || worauf der Erklärer || Erklärende zeigt! Ob also, z.B., auf die Form des Gegenstandes, oder auf seine Farbe, oder auf die Anzahl, etc., etc..” – Und worin besteht es denn: ‘auf die Form zeigen’, ‘auf die Farbe zeigen’, etc.? Zeige auf ein Stück Papier! – Und nun zeige auf seine Form, – nun auf seine Farbe, – nun auf ‘seine Anzahl’ (das klingt seltsam)! – Nun, wie hast Du es gemacht? – Du wirst sagen, Du habest jedesmal etwas anderes beim Zeigen ‘gemeint’. Und wenn ich frage, wie das vor sich geht, wirst Du sagen, Du habest deine Aufmerksamkeit auf Farbe, Form, etc. konzentriert. Nun aber frage ich noch einmal, wie das vor sich geht.
     Denke, jemand zeigt auf eine Vase und sagt: “Schau das herrliche Blau an! – auf die Form kommt es nicht an. –” Oder: “Schau die herrliche Form an! – die Farbe ist gleichgültig. –” Es ist zweifellos, Du wirst Verschiedenes tun, wenn Du diesen beiden Aufforderungen nachkommst. Aber tust Du immer das Gleiche wenn Du deine Aufmerksamkeit auf die Farbe richtest? Stelle dir doch verschiedene Fälle vor; ich || ! Ich will einige andeuten:
     “Ist dieses Blau das gleiche, wie das? Siehst
      Du einen Unterschied? –”
     Du malst & sagst || Du mischst Farben und sagst: “Dieses Blau des Himmels ist
     schwer zu treffen.” ¥
     “Schau, wie verschieden diese beiden Blau
     wirken!”
     “Siehst Du dort das blaue Buch? Bitte
     bring es mir || her!”

     “Es wird schön, man sieht schon wieder blauen Himmel!”
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     “Dieses blaue Lichtsignal bedeutet ….”
     “Wie heißt nur dieses Blau, || ? – ist es ‘Indigo’ –?”
Die Aufmerksamkeit auf die Farbe richten heißt manchmal, sich die Umrisse der Form mit der Hand weghalten, oder den Blick nicht auf die Kontur des Dinges richten, manchmal, auf den Gegenstand starren & sich zu erinnern trachten, wo man diese Farbe schon gesehen hat.
     Seine Aufmerksamkeit auf die Form lenken besteht || geschieht manchmal darin, daß man sie nachzeichnet, manchmal darin, daß || Man lenkt || richtet seine Aufmerksamkeit auf die Form manchmalso, indem || , indem man sie nachzeichnet, manchmal so indem || indem man blinzelt, um die Farbe nicht deutlich zu sehen, etc., etc.¤ Ich will sagen: dies & ähnliches geschieht während man ‘die Aufmerksamkeit auf das & das richtet’. Aber das ist es nicht allein, was uns sagen läßt, Einer richte seine Aufmerksamkeit auf die Form, die Farbe, etc.. Wie ‘einen Schachzug machen’ nicht allein darin liegt, daß ein Stein so & so auf dem Schachbrett || Brett verschoben wird, || aber auch nicht in den Gedanken & Gefühlen des Ziehenden, die den Zug begleiten, || sondern in den Umständen, die wir nennen “eine Schachpartie spielen”, oder, “ein Schachproblem lösen”, und dergleichen.
   
31
     Aber nimm an, Einer sagte: “Ich tue immer das Gleiche, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf die Form richte: ich folge der Kontur mit den Augen & fühle dabei …”. Und nimm an, dieser gibt einem Andern die hinweisende Erklärung: “Das ist ein || heißt ‘Kreis’”, indem er, mit allen diesen Erlebnissen, auf einen kreisförmigen Gegenstand zeigt; – kann
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der Lernende || Andere die Erklärung nicht dennoch anders deuten, auch wenn er sieht, daß der Erklärende der Form mit den Augen folgt & auch wenn er fühlt, was der Erklärende fühlt? Das heißt: diese ‘Deutung’ kann doch darin bestehen, wie er nun von dem erklärten Wort Gebrauch macht, z.B., worauf er also z.B. zeigt, wenn er nun den Befehl erhält “zeige || Zeige auf einen Kreis!”. – Denn weder der Ausdruck, “die Erklärung so & so meinen”, noch der: “die Erklärung so & so deuten”, bezeichnen einen bestimmten Vorgang, der das Geben, & Hören der Erklärung begleitet.
   
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     Es gibt freilich, was man ‘charakteristische Erlebnisse’ beim || für das Zeigen auf die Form (z.B.) nennen kann. Zum Beispiel || z.B., das Nachfahren der Kontur mit dem Finger oder mit dem Blick beim Zeigen. – Aber so wenig, wie dies in allen Fällen geschieht, in denen ich ‘die Form meine’, – so wenig geschieht irgend ein anderer charakteristischer Vorgang in allen diesen Fällen. Aber auch, wenn ein solcher sich in ihnen allen wiederholte, so käme es doch auf die Umstände an, || d.h., auf das, das was vor & nach dem Zeigen geschieht – ob wir sagen würden: “Er hat auf die Form und nicht auf die Farbe gezeigt”.
     Denn es werden die Worte “auf die Form zeigen”, “die Form meinen”, etc. nicht so gebraucht, wie die: “auf das Buch zeigen”, “auf den Buchstaben ‘B’, nicht auf den Buchstaben ‘u’ zeigen”, etc..– Denn denke nur, wie anders wir den Gebrauch der Worte lernen: “auf dieses Buch || Ding zeigen”, “auf jenes Buch || Ding zeigen”, &: “auf die
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Farbe, nicht auf die Form, zeigen”, “die Farbe meinen”, etc. etc.!
     Wie gesagt, in gewissen Fällen, besonders beim Zeigen ‘auf die Form’, oder ‘auf die Anzahl’ gibt es charakteristische Erlebnisse & Arten des Zeigens – ‘charakteristisch’, weil sie sich oft, nicht immer wiederholen, wo Form, oder Anzahl, ‘gemeint’ werden; || : – aber kennst Du auch ein charakteristisches Erlebnis für das Zeigen auf die Spielfigur als Spielfigur?! Und doch kann man sagen: “Ich meine: diese Spielfigur heißt ‘König’, nicht dieses bestimmte Stück Holz, worauf ich zeige”.
   
33
     Und wir tun hier, was wir in 1000 anderen || ähnlichen Fällen tun: weil wir nicht eine körperliche Handlung angeben können, die wir das Zeigen auf die Form (im Gegensatz z.B. zur Farbe) nennen, so sagen wir, es entspreche diesen Worten eine geistige Tätigkeit.
     Wo unsere Sprache uns einen Körper vermuten läßt, und wir finden keinen, dort setzen wir einen Geist hin. || Wo unsere Sprache uns einen Körper vermuten läßt, & kein Körper ist, dort
,
[ich glaube, dieser Beistrich ist widersinnig] möchten wir sagen, sei ein || es sei Geist.
   
34
     “Was ist die Beziehung zwischen Namen & Benanntem?” – Nun was ist sie? Schau auf das Sprachspiel (3), oder ein anderes; || ! dort ist zu sehen, worin diese Beziehung etwa besteht. Diese Beziehung kann, unter vielem andern, auch darin bestehen, daß das Hören des Namens uns das Bild des Benannten vor die Seele ruft, & sie besteht unter anderem auch darin, daß
der Name auf das Benannte geschrieben ist, oder daß er beim Zeigen auf das Benannte ausgesprochen wird.
   
35
     Was benennt aber z.B. das Wort “dieses” im Sprachspiel (9), oder das Wort “das” in der hinweisenden Erklärung “Das heißt …”? Nun, wenn Du keine Verwirrung anrichten willst, so ist es am besten, Du sagst gar nicht, daß diese Wörter etwas benennen. – Und merkwürdigerweise wurde von dem Worte “dieses” einmal gesagt, es sei der eigentliche Name. Alles was wir sonst “Namen” nennen, sei dies also nur in einem ungenauen, angenäherten, Sinn.
     Diese seltsame Auffassung rührt von einer Tendenz her, die Logik unserer Sprache zu sublimieren – wie man es nennen könnte. Die eigentliche Antwort darauf ist: “Name” nennen wir sehr Verschiedenes; das Wort “Name” charakterisiert viele verschiedene, miteinander auf viele verschiedene Weisen verwandte, Arten des Gebrauchs eines Worts; – aber unter diesen Arten des Gebrauchs ist nicht die des Wortes “dieses”.
     Es ist wohl wahr, daß wir oft, z.B. in der hinweisenden Erklärung || Definition, auf das Benannte zeigen & dabei den Namen aussprechen. Und ebenso sprechen wir, z.B. in der hinweisenden Definition, das Wort “dieses” aus, indem wir auf ein Ding zeigen. Und das Wort “dieses” & ein Name stehen auch oft im gleichen Satzzusammenhang: wir sagen: “Hole dieses!” & auch “Hole den Paul!” – Aber einer der charakteristischsten Züge des Namens ist es gerade, daß er durch das hinweisende “Das ist N” (oder
33.
“Das heißt ‘N’”) erklärt wird. Erklären wir aber auch: “Das heißt ‘dieses’”, oder gar, “Dieses heißt ‘dieses’”?
   
36
     Das hängt mit der Auffassung des Benennens als eines, sozusagen, okkulten Vorgangs zusammen. Das Benennen erscheint als eine seltsame Verbindung eines Wortes mit dem Gegenstand. – Und so eine seltsame Verbindung gibt es wirklich || findet wirklich statt || hat wirklich statt, wenn nämlich der Philosoph, um herauszubringen, was denn die Beziehung zwischen Namen & Benanntem ist, auf einen Gegenstand vor sich starrt & immer dabei unzählige Male einen Namen wiederholt, oder auch das Wort “dieses”. Denn die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert. Und dann || da können wir uns allerdings einbilden, das Benennen sei ein || irgend ein merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Art Taufe eines Gegenstandes. || & Und wir können so auch das Wort “dieses” gleichsam zu dem Gegenstand sagen, ihn damit ansprechen; ein seltsamer Gebrauch dieses Wortes, der wohl nur beim Philosophieren vorkommt. –
   
37
     Aber warum kommt man auf die Idee gerade dieses Wort zum Namen machen zu wollen, wo es doch so offenbar kein Name ist? – Gerade darum; – denn man ist versucht, gegen das, was gewöhnlich “Namen” heißt, einen Einwand zu machen; & den kann man so ausdrücken, || : daß der Name eigentlich Einfaches bezeichnen soll. Und man könnte dies etwa so begründen: Ein Eigenname im
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gewöhnlichen Sinn ist etwa das Wort “Nothung”. Das Schwert Nothung aber besteht aus Teilen in einer bestimmten Zusammensetzung. Sind sie anders zusammengesetzt, so existiert Nothung nicht. Nun hat aber offenbar der Satz “Nothung hat eine scharfe Schneide” Sinn, ob Nothung noch ganz ist oder schon zerschlagen. Ist aber “Nothung” der Name eines Gegenstandes, so gibt es diesen Gegenstand nicht mehr, wenn Nothung zerschlagen ist; & da dem Namen dann kein Gegenstand entspräche, so hätte er keine Bedeutung. Dann aber stünde in dem Satz “Nothung hat eine scharfe Schneide” ein Wort, das keine Bedeutung hat & daher wäre der Satz Unsinn. Nun hat er aber Sinn, also muß den Wörtern, aus denen er besteht, immer etwas entsprechen. Also muß das Wort Nothung bei der Analyse des Sinnes verschwinden und statt seiner müssen Wörter eintreten, die Einfaches benennen. Diese Wörter werden wir billigerweise die eigentlichen Namen nennen.
   
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     Reden wir zuerst über den Punkt dieses Raisonnements || Las uns zuerst über den Punkt dieses Raisonnements reden: daß das Wort keine Bedeutung hat, wenn ihm nichts entspricht. – Es ist wichtig, festzustellen, daß das Wort “Bedeutung” sprachwidrig gebraucht wird, wenn man damit das Ding bezeichnet, das dem Wort ‘entspricht’. Dies heißt, die Bedeutung eines Namens (zu) verwechseln mit dem Träger des Namens. Wenn Paul stirbt, so sagt man,
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es sterbe der Träger des Namens, aber niemand sagt, es sterbe die Bedeutung des Namens. Und es wäre unsinnig, so zu reden, denn hörte der Name auf Bedeutung zu haben so könnte man eben nicht || hätte es eben keinen Sinn zu sagen “Paul sei || ist gestorben”; d.h. es wäre Unsinn. || .
   
39
     In (13) haben wir in die Sprache (9) Eigennamen eingeführt. Nimm nun an, das Werkzeug mit dem Namen “α” sei zerbrochen. A weiß es nicht & gibt dem B das Zeichen “α”: hat dieses Zeichen nun Bedeutung oder hat es keine? – Nun, was || Was soll B tun, wenn er dieses Zeichen erhält? – Wir haben darüber nichts vereinbart. Man könnte fragen: was wird er tun? Nun er wird vielleicht ratlos dastehen, oder A die Stücke zeigen. Man könnte hier sagen: “α” sei bedeutungslos geworden; & dieser Ausdruck würde besagen, daß für das Zeichen “α” in unserm Sprachspiel nun keine Verwendung mehr ist (es sei denn, wir gäben ihm eine neue). “α” könnte auch dadurch bedeutungslos werden, daß man, aus irgend einem Grund, dem Werkzeug eine andere Bezeichnung gibt || einritzt & das Zeichen “α” im Spiel nicht weiter verwendet. – Wir können uns aber auch eine Abmachung denken, nach der B, wenn ein Werkzeug zerbrochen ist und A das Zeichen dieses Werkzeugs gibt, als Antwort darauf mit dem Kopf zu || den Kopf zu schütteln hat. – Damit, könnte man sagen, ist der Befehl “α”, z.B., auch wenn dieses Werkzeug nicht mehr existiert, in das Sprachspiel
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eingereiht || aufgenommen worden. Und man kann jetzt sagen, das Zeichen “α” habe Bedeutung, obwohl || auch wenn sein Träger zu existieren aufhört.
   
40
     Man kann für eine große Klasse von Fällen der Benützung des Wortes “Bedeutung” – wenn auch nicht für alle Fälle seiner Benützung – dieses Wort definieren als || für dieses Wort die Erklärung geben || dieses Wort so erklären:
“Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.” || Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.
     Und die Bedeutung eines Namens erklärt man manchmal dadurch, daß man auf seinen Träger zeigt || weist.
   
41
     “Aber haben etwa auch Namen in jenem Spiel Bedeutung, die nie für ein Werkzeug verwendet worden sind?” Nehmen wir also an, “ξ” sei so ein Zeichen & A gebe dieses Zeichen dem B!” – Nun, es könnten auch solche Zeichen in das Sprachspiel eingereiht werden, & B hätte etwa auch so ein Zeichen || sie mit einem Kopfschütteln zu beantworten. Man könnte sich dies als eine Art Belustigung der Beiden denken.
   
42
     Wir sagten: der Satz, “Nothung” hat eine scharfe Schneide”, habe Sinn, auch wenn Nothung schon zerschlagen ist. Nun, das ist so, weil in diesem Sprachspiel ein Name auch in der Abwesenheit seines Trägers gebraucht wird. Aber wir können uns ein Sprachspiel mit Namen denken (d.h. mit Zeichen, die wir gewiß auch “Namen” nennen werden) in welchem Namen nur in der Anwesenheit des Trägers verwendet || gebraucht werden. Nimm etwa an,
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wir beobachten eine weiße Fläche, auf der sich Farbflecken bewegen (wie etwa die || auf der Leinwand im Kino). Es sind drei solche Flecken, die langsam ihre Gestalt & Lage verändern. Ich benenne sie durch hinweisende Erklärung “P”, “Q“, & “R”. Unsere Sprache beschreibt die Veränderungen dieser drei & ich sage Dir etwa || Sätze wie: “Siehst Du, wie sich nun P zusammenzieht & sich R nähert?” – In dieser Sprache nun werden diese Namen als Synonyme gebraucht || sollen diese Namen als Synonyme gebraucht werden für das Wort “dieses” zusammen mit dem Zeigen auf einen Farbfleck. Verschwindet also einer der drei Flecke, so darf ich nicht, z.B., sagen “P ist verschwunden” – wie ich auch nicht sagen würde “dieses ist verschwunden” – sondern wir sagen etwa: Der Name || Das Zeichen ‘P’ || Der Buchstabe ‘P’ ist aus dem Gebrauch ausgeschieden || scheidet aus dem Gebrauch”.
     In dieser Sprache, kann man sagen, verliert der Name seine Bedeutung, wenn der Träger aufhört zu existieren & den Wörtern “P”, “Q“ & “R” entspricht immer etwas, so lange sie überhaupt Bedeutung – Verwendung im Sprachspiel haben. (Denn im Satz, “‘P’ scheidet aus” kommt das Zeichen “‘P’” vor, aber nicht “P”; & ich nehme an, daß man über vergangene Vorgänge nicht redet, oder dafür eine andere Ausdrucksweise hat.) In diesem Sprachspiel kann also der Name nicht trägerlos werden; nur ist dies kein Vorzug des Sprachspiels, denn ein Name kann eben auch trägerlos Zweck, Verwendung, d.h., Bedeutung haben. (Und so hat, z.B., der Name “Odysseus” Bedeutung.)
   
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     Unser Sprachspiel kann uns aber, glaube
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ich, einen Grund zeigen, warum man das hinweisende Fürwort kann zum Namen machen wollen & || : Denn das hinweisende “dieses” kann auch nicht || nie trägerlos werden. Man könnte sagen: “Solange es ein dieses gibt, solange hat das Wort ‘dieses’ auch Bedeutung, ob dieses nun einfach oder zusammengesetzt ist. – Aber das macht es eben nicht zu einem Namen. Im Gegenteil, denn der || ein Name wird nicht mit der hinweisenden Geste verwendet, sondern nur durch sie erklärt.
   
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     Was hat es nun für eine Bewandtnis damit, daß Namen eigentlich das Einfache bezeichnen? || bezeichnen müssen?
     Sokrates (im Theätetus): “Täusche ich mich nämlich nicht, so habe ich von etlichen gehört: für die Urelemente – um mich so auszudrücken – aus denen wir & alles übrige zusammengesetzt sind, gebe es keine Erklärung; denn alles was an & für sich ist, könne man nur mit Namen bezeichnen, eine andere Bestimmung sei nicht möglich, weder die, es sei, noch die, es sei nicht. …. Damit lege man ihm nämlich schon ein Sein oder Nichtsein bei; man dürfe ihm jedoch gar nichts hinzufügen, wenn man nur jenes an & für sich nennen wolle. … Was aber an & für sich ist, müsse man, falls es eine bestimmte Erklärung haben könne || , ohne alle anderen Bestimmungen benennen. Somit aber sei es unmöglich, von irgendeinem Urelement erklärungsweise zu reden; denn für dieses gebe es nichts als die bloße Benennung; es habe ja nur seinen Namen. Wie aber das, was aus diesen Urelementen sich zusammensetze, selbst
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ein verflochtenes Gebilde sei, so seien auch seine Benennungen in dieser Verflechtung zur erklärenden Rede geworden; denn deren Wesen sei die Verflechtung von Namen.”
     Diese Urelemente sind || waren auch Russells ‘Individuals’ & auch meine ‘Gegenstände’ (Log. Phil. Abh.).
   
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     Aber welches sind die einfachen Bestandteile der Realität || , aus denen sich die Realität zusammensetzt? –4
     Was sind die einfachen Bestandteile eines Sessels? – Die Stücke Holz, aus denen er zusammengefügt ist? Oder die Moleküle, die chemischen Elemente oder die Elektronen? “Einfach” heißt: nicht zusammengesetzt; & || . Und da kommt es darauf an: in welchem Sinne ‘zusammengesetzt’ || ‘nicht zusammengesetzt’? Es hat gar keinen Sinn von den ‘einfachen Bestandteilen des Sessels, schlechtweg’, zu reden.
     Oder: Besteht mein Gesichtsbild dieses Baumes, dieses Sessels, aus Teilen? & welches sind seine einfachen Bestandteile? Mehrfarbigkeit ist eine Art der Zusammengesetztheit; eine andere ist, z.B., die jener || dieser gebrochenen Kontur aus geraden Stücken. Diese || Und diese Kurve || Und dieses Kurvenstück kann man zusammengesetzt nennen aus einem aufsteigenden & einem absteigenden Ast.
     Wenn ich jemandem ohne weitere Erklärung sage: || , “Was ich jetzt vor mir sehe, ist zusammengesetzt”, so wird er mit Recht fragen: “Was meinst Du mit ‘zusammengesetzt’? Das kann ja alles Mögliche bedeuten || heißen!” Die Frage, “Ist, was Du siehst, zusammengesetzt?”, hat wohl Sinn, wenn bereits feststeht, um welche Art der Zusammengesetztheit, – d.h., um welchen
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besonderen Gebrauch dieses Wortes – es sich (hier) handeln soll. Wäre also z.B. festgelegt worden, das Gesichtsbild eines Baumes solle “zusammengesetzt” heißen, wenn man nicht nur einen geraden Stamm, sondern auch Äste sehe || sieht, so hätte nun die Frage “Ist das Gesichtsbild dieses Baumes einfach oder zusammengesetzt” & die Frage “Welches sind seine einfachen Bestandteile” einen klaren Sinn – eine klare Verwendung. Und auf die zweite Frage ist die Antwort natürlich nicht “Seine || Die Äste” , – (dies wäre eine Antwort auf die grammatische Frage: “Was nennt man hier die ‘einfachen Bestandteile’?”) sondern: etwa eine Beschreibung der einzeln Äste.
   
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     Aber ist z.B. nicht ein Schachbrett offenbar, & schlechtweg, zusammengesetzt? – Du denkst wohl an die Zusammensetzung aus 32 weißen & 32 schwarzen Quadraten; – aber könntest Du z.B. nicht auch sagen, es sei aus den Farben Weiß, Schwarz & dem Schema des Quadratnetzes zusammengesetzt? Und wenn es hier (zwei) ganz verschiedene Betrachtungsweisen gibt, willst Du dann noch sagen, das Schachbrett sei ‘zusammengesetzt’ schlechtweg? – Der Fehler, wenn man außerhalb eines bestimmten Spiels fragt “Ist dieser Gegenstand zusammengesetzt?” ist ähnlich dem, welchen einmal ein kleiner Junge machte || gemacht hat, der angeben sollte, ob das Verbum || Zeitwort in den & den || gewissen Sätzen || Satzbeispielen in der tätigen oder in der leidenden Form gebraucht sei, & der nun nachdachte, ob z.B. das Zeitwort “schlafen” etwas Tätiges oder etwas Leidendes || aktiven oder in der passiven Form gebraucht sei, & der nun nachdachte, ob z.B. das Zeitwort “schlafen” etwas Aktives oder etwas Passives bedeute.
     Das Wort “zusammengesetzt” (& also das Wort “einfach”) wird von uns in einer Unzahl
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verschiedener, || in verschiedener Weise || verschiedenen Weisen mit einander verwandten Arten gebraucht || benützt.
     (Ist die Farbe dieses Feldes || Schachfeldes einfach, oder besteht sie aus reinem Gelb & reinem Weiß || reinem Weiß & reinem Gelb? Und ist das Weiß einfach, oder besteht es aus den Farben des Regenbogens? – Ist diese Strecke von 2 cm einfach, oder besteht sie aus zwei Strecken || Teilstrecken von je 1 cm Länge? Aber warum nicht aus einem Stück von 3 cm Länge & einem in negativem Sinn angesetzten Stück von 1 cm?!)
   
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     Auf die philosophische Frage: “Ist das Gesichtsbild dieses Baumes zusammengesetzt, und welches sind seine Bestandteile?” ist die richtige Antwort: “Das kommt drauf an, was Du unter ‘zusammengesetzt’ verstehst.” (Und das ist natürlich keine Beantwortung, sondern eine Zurückweisung der Frage. || der Frage, sondern eine Zurückweisung.)
   
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     Laß uns die Methode des Kapitels (3) auf die Darstellung im Theätetus anwenden: Betrachten wir ein Sprachspiel, für das diese Darstellung wirklich gilt. Die Sprache diene dazu eine Kombination || Kombinationen farbiger Flecken auf einer Fläche darzustellen. Die Flecke sind alle Quadrate einer || gleicher Größe, sie stoßen aneinander wie die Felder des Schachbretts. || & bilden einen schachbrettförmigen Komplex. Es gibt rote, grüne, weiße & schwarze Quadrate. Die Wörter der Sprache seien (entsprechend) “r”, “g“, “s& || , “w“ und ein Satz ist eine Reihe dieser Wörter. Sie beschreiben eine Zusammenstellung farbiger Quadrate || von Farbquadraten in der Reihenfolge, die das folgende || dieses Schema dem Leser zeigt
   
765
811114
92313
101112
↑ etc.
12
34
oder
123
456
789
etc.
||
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Die Flecken sind Quadrate, & bilden einen schachbrettförmigen Komplex. Es gibt rote, ¤ grüne, weiße & schwarze Quadrate. Die Wörter der Sprache seien (entsprechend) “r”, “g“, “s“, “w“ und ein Satz ist eine Reihe dieser Wörter. Sie beschreiben eine Zusammenstellung von Farbquadraten in der Reihenfolge, die das folgende || dieses Schema dem Leser zeigt:
12
34
123
456
789
etc.
12345678
910------
17-------
etc.
Der Satz “r r s g g g r w w” beschreibt also z.B. eine Zusammenstellung || Zusammensetzung dieser Art || einen Komplex dieser Art.
     
rgg
wrg
wrb
||
rrs
ggg
rww
Hier ist der Satz ein Komplex von Namen, dem ein Komplex von Elementen entspricht. Die Urelemente || Elemente sind die färbigen Quadrate. “Aber sind diese einfach?” – In diesem Sprachspiel sind sie das Einfache; was aber weiter nichts heißt, als daß ich mich des Wortes “einfach” bedienen werde hier statt des Ausdrucks “farbiges Quadrat” auch den, “einfacher Bestandteil”, oder, “Element” verwenden will. || Ich wüßte nicht, was ich in diesem Sprachspiel natürlicher das “Einfache” nennen sollte. In anderen Sprachspielen könnte ein solches einfärbiges Quadrat als “zusammengesetzt” gelten || Unter anderen Umständen aber würde ich ein einfärbiges Quadrat “zusammengesetzt” nennen, etwa aus zwei Rechtecken, oder aus den Elementen Farbe & Form. Aber der Begriff der Zusammensetzung könnte auch so gedehnt werden, daß das kleinere Quadrat als “zusammengesetzt” gilt || die kleinere Fläche” zusammengesetzt” genannt wird aus einer größeren & eines von ihr subtrahierten Flächenstücks || einer von dieser || ihr subtrahierten. Vergleiche: die Ausdrücke ‘Zusammensetzung’ der Kräfte, ‘Teilung’ einer Strecke durch einen außerhalb ihr gelegenen Punkt || Punkt außerhalb ihr; diese Ausdrücke zeigen, daß wir unter Umständen auch geneigt sind, das Kleinere als Resultat der ‘Zusammensetzung von Größerem zu betrachten || aufzufassen & das Größere als ein Resultat der Teilung des Kleineren.
     Aber ich weiß nicht, ob ich nun || (nun) sagen soll, die Figur, die unser Satz beschreibt, bestehe aus vier Elementen, oder aus neun!
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Nun, besteht jener Satz aus vier Buchstaben oder aus neun? – Und welches sind seine Elemente: die Buchstabentypen, oder die Buchstaben? Ist es nicht ganz gleichgültig, welches wir sagen, wenn wir nur im besonderen Fall Mißverständnisse vermeiden!
   
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     Was heißt es aber, daß wir diese Elemente nur benennen nicht erklären – d.h. beschreiben – sondern nur benennen können? Das könnte etwa sagen, daß die Beschreibung eines Komplexes, wenn er, in einem Grenzfall, nur aus einem Quadrat besteht, einfach der Name des Farbquadrates wird || ist.
     Man könnte hier sagen – obwohl dies leicht zu allerlei philosophischem Aberglauben führt – ein Zeichen “r”, oder “s”, etc., könne einmal Wort, & einmal Satz sein.
     Ob es aber ‘Wort oder Satz ist’ hängt von der Situation ab, in der es ausgesprochen oder geschrieben wird. Hat z.B. A dem B Komplexe von Farbquadraten zu beschreiben & gebraucht er hier das Wort “r” allein, so werden wir sagen können, das Wort sei hier eine Beschreibung – ein Satz. Memoriert er aber, z.B. || etwa, die Zeichen || Wörter & ihre Bedeutungen, um sie später zu gebrauchen & spricht dabei “r” aus indem er auf eine Farbe || ein rotes Muster sieht, oder lehrt er einem Andern den Gebrauch der Wörter & spricht sie beim hinweisenden Lehren aus, so werden wir nicht sagen, sie seien hier Sätze. In dieser Situation ist das Wort “r”, z.B., keine Beschreibung, man benennt damit ein Element; – aber darum wäre es
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hier seltsam zu sagen; || , das Element könne man nur benennen! Benennen & Beschreiben || beschreiben stehen ja nicht auf einer Ebene: Das Benennen ist eine Vorbereitung zur Beschreibung. Das Benennen ist noch gar kein Zug im Sprachspiel, – sowenig, wie das Aufstellen der Schachfiguren || einer Schachfigur ein Zug im Schachspiel. Man kann sagen: Mit dem Benennen ist || eines Dings ist noch nichts getan. Es hat auch keinen Namen, – außer im Spiel. Das war es auch, was Frege damit meinte: ein Wort habe nur im Satzzusammenhang Bedeutung.
   
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     Was heißt es nun; von den Elementen zu sagen, daß wir von ihnen weder Sein noch Nicht-sein aussagen können || ihnen weder Sein noch Nicht-sein beilegen können? – Man könnte so sagen: Wenn alles, was wir “Sein” & “Nicht-sein” nennen, im Bestehen & Nicht-bestehen von Verbindungen der Elemente || zwischen den Elementen liegt, dann hat es keinen Sinn vom Sein (Nichtsein) eines Elements zu sprechen; || : sowie, wenn alles, was wir “zerstören” nennen, in der Trennung von Elementen liegt, es keinen Sinn hat, vom Zerstören eines Elements zu reden.
     Aber man möchte sagen: man kann dem Element nicht Sein beilegen, denn wäre es nicht, so könnte man es auch nicht einmal nennen & also gar nichts von ihm aussagen || sagen. – Betrachten wir doch einen analogen Fall, der die Sache klarer machen wird: Man kann von einem Ding auf Erden nicht sinnvoll aussagen
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es sei 1 m lang, noch, es sei nicht 1 m lang, & das ist das Urmeter in Paris. – Damit haben wir aber diesem natürlich nicht irgend eine merkwürdige Eigenschaft zugeschrieben, sondern nur seine eigenartige Rolle im Spiel des Messens mit dem Metermaß beschrieben || gekennzeichnet. – Denken wir uns auf ähnliche Weise wie das Urmeter auch die Muster von Farben in Paris aufbewahrt: || . So erklären wir, || : “Sepia” heiße die Farbe des dort unter Luftabschluß aufbewahrtem Ur-Sepia. || in Paris etc. Dann wird es keinen Sinn haben, von diesem Muster auszusagen, es habe diese Farbe, noch, zu sagen, es habe sie nicht.
     Wir können das so ausdrücken: Dieses Muster ist ein Teil der Sprache, mit der wir Farbaussagen machen. Es ist in diesem Spiel nicht Dargestelltes, sondern Mittel der Darstellung. – Und eben das gilt von einem Element im Sprachspiel (47), wenn wir, es benennend, seinen Namen || das Wort “r” aussprechen: wir haben damit diesem Gegenstand || Ding eine Rolle in unserm Sprachspiel gegeben, es ist nun Mittel der Darstellung. Und zu sagen, wäre es nicht, so könnten wir es nicht einmal benennen || könnte es (auch) keinen Namen haben, sagt nun so viel, & so wenig, wie: gäbe es dieses Ding nicht, so könnten wir es in unserem Spiel nicht verwenden. – Was es, scheinbar, geben muß, gehört zur Sprache. Es spielt in unserm Spiel die Rolle des Paradigmas; dessen, womit verglichen wird. Und dies feststellen, kann heißen, eine wichtige Feststellung machen! Aber es ist dennoch
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eine Feststellung unser Sprachspiel, || unsere Darstellungsweise, || betreffend.
   
Denken wir uns aber das Spiel (47) dahin abgeändert, daß in ihm Namen nicht einfärbige Quadrate bezeichnen, sondern Rechtecke, die aus je zwei solchen Quadraten bestehen. Ein solches Rechteck der Form       ,     halb rot, halb blau || grün, heiße “u”, eines halb rot || grün, halb weiß, “v” & eines halb weiß, halb blau || schwarz, “w”.
[Zu S. 56]
   
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     In der Beschreibung des Sprachspiels (47) sagte ich, den Farben der Quadrate entsprächen die Wörter “r”, “g“, etc.. Worin aber besteht diese Entsprechung; inwiefern kann man sagen, diesen Zeichen entsprächen gewisse Farben der Quadrate? Die Erklärung in (47) machte || stellte ja nur einen Zusammenhang zwischen diesen Zeichen & gewissen Wörtern unserer Sprache her (unsern Farbnamen). – Nun, es war vorausgesetzt, daß die || der Gebrauch der Zeichen im Spiel anders & zwar durch den Hinweis || durch Hinweisen auf Paradigmen, gelehrt würde. Wohl, – aber was heißt es nun, zu sagen, in der Praxis der Sprache entsprächen den Zeichen gewisse Elemente? – Liegt es darin, daß der, welcher die Komplexe von Farbquadraten beschreibt, dabei || hierbei immer “r” sagt, wo ein rotes Quadrat steht; “s”, wo ein schwarzes ist || steht, etc.? Aber wie, wenn er sich bei der Beschreibung irrt, &, fälschlich, “r” sagt, wo er ein schwarzes Quadrat sieht; was ist hier das Kriterium dafür, daß dies ein Fehler war? – Oder besteht, daß “r” ein rotes Quadrat bezeichnet, darin,
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daß denen || den Menschen, die die Sprache gebrauchen, immer ein solches || rotes Quadrat im Geist vorschwebt, wenn sie das Zeichen “r” gebrauchen?
     Um klar zu sehen, müssen wir hier, wie in unzähligen ähnlichen Fällen, die Einzelheiten der Vorgänge ins Auge fassen, was vorgeht aus || die Vorgänge aus der Nähe betrachten.
     Wenn ich dazu neige zu glauben || anzunehmen, daß eine Maus durch generatio aequivoca || Zeugung aus grauen Fetzen & Staub entsteht, so wird es gut sein, diese Fetzen genau daraufhin zu untersuchen, wie eine Maus sich in ihnen verstecken konnte, wie sie dort hinkommen konnte, etc.. Bin ich aber überzeugt, daß eine Maus aus diesen Dingen nicht entstehen kann, dann wird diese Untersuchung vielleicht überflüssig sein.
     Was es aber ist, das sich in der Philosophie einer solchen Betrachtung der Einzelheiten entgegensetzt, müssen wir noch verstehen lernen. –
   
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     Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten für unser Sprachspiel (47), verschiedene Fälle, in denen wir sagen würden, ein Zeichen benenne in dem Spiel ein Quadrat bestimmter || der & der Farbe. Wir würden dies z.B. sagen, wenn wir wüßten, daß die Menschen, die die || diese Sprache gebrauchen, auf eine bestimmte Art den Gebrauch der Zeichen lernten. || – daß den Menschen, die diese Sprache gebrauchen, der Gebrauch der Zeichen auf die & die Art beigebracht werde. Oder, wenn es schriftlich, etwa in Form einer Tabelle, z.B. niedergelegt wäre, daß diesem Zeichen, dieses Element entspricht, & wenn diese Tabelle beim Lehren der Sprache benützt & in gewissen Streitfällen zur Entscheidung herangezogen würde. – Wir können uns aber auch denken, daß
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eine solche Tabelle ein Werkzeug || Instrument der Praxis || im Gebrauch der Sprache ist. Die Beschreibung eines Komplexes geht dann so vor sich, daß der, welcher ihn beschreibt eine Tabelle mit sich führt, in ihr jedes Element des Komplexes aufsucht & den Übergang zum Zeichen || Wort macht. || : der den Komplex beschreibt, führt eine Tabelle mit sich & sucht in ihr jedes Element des Komplexes auf & geht von ihm zum Zeichen über || in der Tabelle zum Zeichen über. (Und es kann auch der, dem die Beschreibung gegeben wird, die Worte der Beschreibung || derselben durch eine Tabelle in die Anschauung von Farbquadraten || färbigen Quadraten rückübersetzten || übersetzen.) Man könnte sagen, diese Tabelle übernehme hier die Rolle, die in andern Fällen Gedächtnis oder || & die Assoziation || das Gedächtnis oder die Assoziation spielen || spielt. (Wir werden den Befehl, “Bring mir eine rote Blume!”, für gewöhnlich nicht so ausführen, daß wir die Farbe Rot in einer Farbentabelle nachschlagen & dann eine Blume bringen von der Farbe, die wir so finden; || so gefundenen Farbe; aber wenn es sich darum handelt, einen bestimmten Ton von Rot zu finden || wählen, oder zu mischen, dann werden wir uns wohl || geschieht es, daß wir uns eines Musters oder einer Tabelle bedienen.)
     Nennen wir eine solche Tabelle den Ausdruck einer Regel des Spiels || Sprachspiels, so kann man sagen, daß dem, was wir Regel eines Spiels || Sprachspiels nennen, in verschiedenen Fällen sehr verschiedene Rollen im Spiel zukommen || zufallen können.
   
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     Denken wir doch daran, in was für || welchen Fällen wir sagen, ein Spiel werde nach einer bestimmten Regel gespielt!
     Die Regel könnte || kann im Unterricht ein Behelf || ein Behelf des Unterrichts im Spiel sein.
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Sie wird dem Lernenden mitgeteilt & darauf ihre Anwendung eingeübt. – Oder sie ist ein Werkzeug des Spieles selbst. – Oder auch: ihr Ausdruck || Eine Regel findet weder im Unterricht noch noch in der Praxis des Spiels || im Spiel selbst Verwendung, noch ist sie in einem Regelverzeichnis niedergelegt. Man lernt das Spiel, indem man zusieht, wie Andere es spielen. Aber wir sagen, es werde nach diesen || den & den Regeln gespielt& meinen der Beobachter könne sie aus der Praxis des Spiels ablesen, gleichsam wie ein Naturgesetz, dem die Spielhandlungen folgen. – || , weil ein Beobachter sie aus der Praxis des Spiels ablesen kann, wie ein Naturgesetz, dem die Spielhandlungen folgen. – Wie aber unterscheidet der Beobachter in diesem Fall zwischen einem Fehler der Spielenden & einer richtigen Spielhandlung? – Nun, es gibt (ja) dafür Merkmale im Benehmen der Spieler. Denke nur an die Art || daran, wie wir uns z.B.korrigieren, wenn wir uns versprochen haben || man sich korrigiert, wenn man sich versprochen hat. Aber es kann in besonderen Fällen auch der Unterschied zwischen einem Fehler & einer richtigen Spielhandlung gänzlich verschwimmen. || Denke an das charakteristische Benehmen dessen, der ein Versprechen korrigiert. Es wäre möglich zu erkennen, daß Einer dies tut, auch wenn wir seine Sprache nicht verstehen. || Denke an das Benehmen, welches || das für das Korrigieren eines Versprechens charakteristisch ist.
   
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     “Was die Namen der Sprache bezeichnen, muß unzerstörbar sein. Denn man muß den Zustand beschreiben können, in dem alles, was zerstörbar ist, zerstört ist. Und in dieser Beschreibung wird es Wörter geben; & was ihnen entspricht, darf dann nicht zerstört
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sein, denn sonst hätten die Wörter keine Bedeutung.” Ich darf mir nicht den Ast absägen, auf welchem ich sitze.
     Man könnte nun freilich gleich einwenden, daß ja die Beschreibung sich selbst || selbst sich von der Zerstörung ausnehmen müsse. – Aber das, was den Wörtern der Beschreibung entspricht & also nicht zerstört sein darf, wenn sie wahr ist, ist, was den Wörtern ihre Bedeutung gibt, ohne dem sie keine Bedeutung hätten. – Aber dieser Mensch z.B. ist ja doch in gewissem Sinne || einem Sinne das, was seinem Namen entspricht. Er aber ist zerstörbar; & sein Name verliert seine Bedeutung nicht, wenn der Träger zerstört wird. – Das, was dem Namen entspricht, & ohne dem er keine Bedeutung hätte, ist, z.B., ein Paradigma das im Sprachspiel in Verbindung mit dem Namen gebraucht wird.
   
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     Aber wie, wenn kein solches Muster zur Sprache gehört, wenn wir uns, z.B., die Farbe, die ein Wort bezeichnet, merken? “Und wenn wir sie uns merken, so tritt sie also vor unser geistiges Auge, wenn wir etwa das Wort aussprechen. Sie muß also an sich unzerstörbar sein, wenn die Möglichkeit bestehen soll, daß wir uns jederzeit an sie erinnern.”
     Aber was sehen wir denn als Kriterium dafür an, daß wir uns richtig an sie erinnern? – Wenn wir mit einem Muster, statt mit unserm Gedächtnis, arbeiten, so sagen wir unter Umständen, das Muster habe seine Farbe verändert & beurteilen dies mit dem Gedächtnis. Aber können
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wir nicht auch unter Umständen || unter Umständen auch von einem Nachdunkeln, || z.B. – unseres Erinnerungsbildes reden? Sind wir dem Gedächtnis nicht ebenso ausgeliefert wie einem Muster? (Denn es könnte Einer sagen || sagen wollen: “Wenn wir kein Gedächtnis hätten, wären wir einem Muster ausgeliefert.”) Oder etwa einer chemischen Reaktion: Denke, Du solltest eine bestimmte Farbe malen, ihr Name ist “φ”, und es ist die Farbe, welche man sieht, wenn der Stoff S sich mit dem Stoff T unter den und den Umständen verbindet. – Nimm an, die Farbe käme Dir an einem Tag heller vor als sonst || an einem andern, würdest Du da nicht vielleicht || unter Umständen sagen: “Ich muß mich irren, die Farbe ist gewiß die gleiche wie gestern”? Das zeigt nur, daß wir uns dessen, was das Gedächtnis sagt, nicht immer als des obersten, inappellablen, Schiedsspruchs bedienen.
   
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     “Etwas Rotes kann zerstört werden, aber Rot kann nicht zerstört werden, & darum ist die Bedeutung des Wortes ‘rot’ von der Existenz eines roten Dinges unabhängig.” Gewiß, es hat keinen Sinn zu sagen, die Farbe Rot (color nämlich, nicht pigmentum) werde zerrissen, oder zerstampft. Aber sagen wir nicht, “die Röte verschwindet”? und klammre Dich nicht daran, daß wir sie uns vor's geistige Auge rufen können, auch wenn es nichts Rotes mehr gibt! Dies ist nicht anders, als wolltest Du sagen, daß es dann immer noch eine chemische Reaktion gebe, die etwas Rotes (wieder) erzeugt. || die eine rote Flamme erzeugt. – Denn wie, wenn Du Dich nicht mehr an die Farbe erinnern kannst? –
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Wenn wir vergessen, welche Farbe es ist, die ein || das & das Wort bezeichnet || die so & so heißt, || die diesen Namen hat, so verliert das Wort seine Bedeutung für uns; || so verliert er seine Bedeutung für uns. D.h. || ; d.h., wir können ein bestimmtes Sprachspiel nicht mehr mit ihm spielen. Und die Situation ist dann mit der zu vergleichen, daß das Paradigma, welches ein Mittel unserer Sprache war, verloren gegangen ist.
   
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     “Ich will ‘Name’ nur das nennen, was nicht in der Verbindung ‘ξ existiert’ stehen kann. – Und so kann man nicht sagen ‘Rot’ existiert’, weil, wenn es Rot nicht gäbe, davon || von ihm überhaupt nicht geredet werden könnte.”
     Richtiger: Wenn “ξ existiert” so viel besagen soll, wie || als: “ξ” habe Bedeutung, dann ist es kein Satz, der von ξ handelt, sondern ein Satz über unsern Sprachgebrauch, nämlich den Gebrauch des Namens || Wortes “ξ”.
     Es erscheint uns, als sagten wir damit etwas über die Natur von Rot: daß “Rot existiert” keinen Sinn ergibt || die Worte “Rot existiert” keinen Sinn ergeben. Es existiere eben ‘in sich || an & für sich’. Die gleiche Idee, – daß dies eine meta-physische Aussage über Rot ist, – drückt sich auch darin aus, wenn wir || daß wir etwa sagen, Rot sei zeitlos &, vielleicht noch stärker, || klarer im Gebrauch des Wortes || im Wort “unzerstörbar”.
     Aber eigentlich wollen wir eben nur “Rot existiert” auffassen, als Aussage: Das Wort “Rot” hat Bedeutung. Oder vielleicht richtiger (die Aussage) || den Satz “Rot existiert nicht” als “‘Rot’ hat keine Bedeutung”. Nur wollen wir nicht sagen, daß er || jener Satz || jener Ausdruck das sagt, sondern, daß er das sagen müßte, wenn er einen Sinn hätte. Daß er sich aber beim Versuch, das zu sagen, selbst widerspricht – da eben Rot ‘an & für sich’ sei.
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Während ein Widerspruch nur etwa darin liegt, daß der Satz aussieht, als rede er von der Farbe, während er etwas über den Gebrauch des Wortes “rot” sagen soll. – In Wirklichkeit aber sagen wir sehr oft || wohl, eine bestimmte Farbe existiere; & das heißt, so viel || das gleiche wie: es existierte etwas, was diese Farbe hat. Und der erste Ausdruck ist nicht (etwa) weniger exakt als der zweite; besonders dort nicht, wo ‘das, was die Farbe hat’ kein Körper || physikalischer Gegenstand ist.
   
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     “Namen bezeichnen nur das, was Element der Wirklichkeit ist. Was sich nicht zerstören läßt, was in allem Wandel gleichbleibt.” Aber was ist das? – Während wir den Satz sagten, schwebte es uns ja schon vor! Wir sprachen schon aus einer ganz bestimmten Vorstellung heraus. || eine ganz bestimmte Vorstellung aus. Ein bestimmtes Bild, das wir verwenden wollen. Denn die Erfahrung zeigt uns ja diese nicht. || diese Elemente ja nicht. Wir sehen Bestandteile eines zusammengesetzten Ganzen || von etwas Zusammengesetztem (eines Sessels z.B.) & ein Ganzes das sich ändert während seine Bestandteile gleichbleiben. || . Wir sagen, die Lehne ist zwar ein Teil des Sessels, aber selbst noch || wieder zusammengesetzt aus verschiedenen Hölzern; während ein Fuß, schon, ein einfacher Bestandteil ist. || nicht weiter zusammengesetzt ist. Wir sehen auch ein Ganzes, was sich ändert – zerstört wird – || (zerstört wird) während seine Bestandteile gleichbleiben || unverändert bleiben. Dies sind die Materialien, aus denen wir jenes Bild (der Wirklichkeit) anfertigen.
   
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     Wenn ich nun sage: “Der || Mein Besen steht in der Ecke”, ist dies eigentlich eine Aussage über den Stiel || Besenstiel & die Bürste? Jedenfalls könnte man doch die Aussage ersetzen durch eine, die || welche die Lage
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des Stiels & die Lage der Bürste angibt. Und diese Aussage ist doch nun eine weiter analysierte Form der ersten. – Aber || Warum aber nenne ich sie “weiter analysiert”? – Nun, wenn der Besen dort steht || sich dort befindet || dort steht so müssen sein Stiel und seine Bürste doch || heißt das doch, es müssen Stiel & Bürste dort sein & in bestimmter Lage zu einander; und dies war früher gleichsam im Sinn des Satzes verborgen & im analysierten Satz ist es ausgesprochen.
     Also meint der, der sagt, der Besen stehe in der Ecke, eigentlich, der Stiel sei dort & die Bürste & der Stiel stecke in der Bürste? Wenn wir jemand fragten ob er das meint, würde er wohl sagen, daß er gar nicht an den Besenstiel besonders, oder an die Bürste besonders, gedacht habe. Und das wäre die richtige Antwort, denn er wollte weder vom Besenstiel noch von der Bürste, besonders, reden. Denke, Du sagtest jemandem; || , statt “Bring mir den Besen”: “Bring mir den Besenstiel & die Bürste, die an ihm steckt!” Ist die Antwort darauf nicht: “Willst Du den Besen haben? Und warum drückst Du das || Dich so unsinnig aus?” – Wird er den weiter analysierten Satz also leichter || besser verstehen? – Dieser Satz – könnte man sagen – leistet dasselbe, wie der gewöhnliche, aber auf einem umständlichern Wege. –5
     Denk' Dir ein Sprachspiel, in den jemandem Befehle gegeben werden, gewisse aus mehreren Teilen zusammengefügte || zusammengesetzte Dinge zu bringen, zu verschieben || bewegen, oder dergleichen; und || . Und zwei Arten, es zu spielen: in der einen a) werden den zusammengesetzten Dingen (Besen, Stühlen, Tischen, etc..) Namen gegeben || haben die zusammengesetzten Dinge (Besen, Stühle, Tische, etc..) Namen, wie in ( ); in der andern b) erhalten nur die Teile Namen & das Ganze wird mit ihrer Hilfe beschrieben. – In wiefern ist denn ein Satz || Befehl des zweiten eine analysierte Form eines Befehls des ersten? Steckt denn jener in diesem & wird nun durch Analyse herausgeholt? – Ja, der Besen wird zerlegt, wenn man Stiel & Bürste
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trennt; aber wird auch der Befehl, den Besen zu bringen zerlegt aus || besteht darum auch der Befehl, den Besen zu bringen, aus entsprechenden Teilen?
   
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     “Aber Du wirst doch nicht leugnen, daß ein bestimmter Befehl in (a) das Gleiche sagt, wie einer in (b)! Und wie willst Du denn den zweiten nennen, wenn nicht eine analysierte Form des ersten.” – Freilich, ich würde auch sagen, ein Befehl in (a) habe den gleichen Sinn, wie einer in (b); oder, wie ich es früher ausgedrückt habe, || : sie leisten dasselbe. Und das heißt: Wenn mir etwa ein Befehl in (a) gezeigt & die Frage gestellt würde: || , “Welchem Befehl in (b) ist dieser gleichsinnig?”, oder auch, “Welchen Befehlen in (b) widerspricht er?”, so werde ich die Frage so & so beantworten. Aber damit ist nicht gesagt, daß wir uns über die Verwendung des Ausdrucks “den gleichen Sinn haben”, oder “dasselbe leisten” im Allgemeinen verständigt haben. Es ist nämlich die Frage: || Man kann nämlich fragen: In welchen Fällen || welchem Fall sagen wir: “das sind nur zwei verschiedene Formen desselben Spiels”?
   
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     Denke etwa, der, dem die Befehle in (a) und (b) gegeben werden, habe in einer Tabelle, die Namen Bildern zuordnet, nachzusehen, ehe er das Verlangte bringt: Tut er nun dasselbe, wenn er einen Befehl in (a) & den entsprechenden in (b) ausführt? – Ja & nein. Du kannst sagen: “Die Pointe der Befehle ist die gleiche || Der Witz der beiden Befehle ist der gleiche || selbe”. Ich würde hier dasselbe sagen. Aber es ist nicht überall klar, was man den ‘Witz’ des Befehls nennen soll! (Ebenso kann man von gewissen
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Dingen sagen: ihr Zweck ist das & das. Das Wesentliche ist, daß dies || das eine Lampe ist, zur Beleuchtung dient, – daß sie das Zimmer schmückt, einen leeren Raum füllt, etc., ist nicht wesentlich. Aber nicht immer sind wesentlich & unwesentlich klar getrennt.)
   
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     Der Ausdruck aber, ein Satz in (b) sei eine ‘analysierte’ Form eines in (a) ist leicht irreleitend: es scheint, als sei die || jene Form fundamentaler als diese || die fundamentalere, als zeige sie (erst) || in (a) verführt uns leicht dazu, zu meinen, jene Form sei die fundamentalere, sie zeige was mit der andern, gemeint sei, etc..
     Wir denken etwa: Wer nur die unanalysierte Form kennt || besitzt, dem geht die Analyse verloren || ab; wer aber die analysierte Form hat || kennt, der besitze damit alles. – Aber kann ich nicht sagen, daß diesem ein Aspekt der Sache verloren geht, so wie jenem?
¥ [S. 46] Könnten wir uns nicht Menschen denken, die für solche Farbenkombinationen Namen hätten, aber nicht für die (einzelnen) Farben? Denk' an die Fälle, wenn wir sagen: “diese Farbenzusammenstellung – z.B. die Trikolore – || (z.B. die Trikolore) hat einen ganz bestimmten || besonderen Charakter.
     Inwiefern müssen die Zeichen dieses Sprachspiels analysiert werden || sind die Zeichen dieses Sprachspiels einer Analyse bedürftig? Ja, inwiefern || inwieweit kann das Spiel durch die analysierte Form (47) ersetzt werden? – Es ist eben ein anderes Sprachspiel; wenn auch mit (47) verwandt.
   
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     Und hier || Hier stoßen wir auf die große Frage, die hinter allen diesen Betrachtungen liegt || steht: Denn man könnte mir nun einwenden: “Du machst Dir's leicht! Du redest von allen möglichen Sprachspielen, hast aber nirgends gesagt,
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was denn das Wesentliche des Sprachspiels, & d.h. der Sprache, ist. Was allen diesen Vorgängen gemeinsam ist und sie zur Sprache, oder zu Teilen der Sprache, macht. Du schenkst Dir also gerade den Teil der Untersuchung, der Dir selbst seinerzeit das meiste Kopfzerbrechen gemacht hat, nämlich den, die allgemeine Form des Satzes & der Sprache betreffend.”
     Und das ist wahr. – Statt zu sagen || etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Vorgängen || Erscheinungen gar nicht Eines gemeinsam, weswegen wir auf || für (sie) alle das gleiche Wort verwenden, – sondern sie sind mit einander auf viele verschiedene || in vielen verschiedenen Weisen verwandt. Und dieser Verwandtschaft, oder diesen Verwandtschaften, wegen nennen wir sie alle “Sprachen”. Ich will versuchen, dies zu erklären.
   
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     Betrachte z.B. einmal die Vorgänge, die wir “Spiele” nennen. Ich meine Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiele, Kampfspiele u.s.w.. Was ist allen diesen gemeinsam? – Sag' nicht, “es muß ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht ‘Spiele’”; sondern schau, was ihnen || ob ihnen allen etwas gemeinsam ist. – Denn wenn Du sie ansiehst || anschaust so wirst Du zwar nichts sehen || nicht etwas sehen, was allen gemeinsam wäre, aber Du wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften sehen, & zwar eine ganze Reihe. Wie gesagt: Denk nicht, sondern schau! – Schau z.B. die verschiedenen Brettspiele an, mit ihren mannigfachen Verwandtschaften. Geh || Nun geh zu den Kartenspielen über; hier finden sich || findest Du viele Entsprechungen zu den Brettspielen
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|| zu der || jener ersten Klasse || Klasse von Spielen, aber viele gemeinsame Merkmale jener gehen verloren & || Züge verschwinden, neue || andere treten auf. Nun sieh Dir etwa Charakterzüge dieser Spiele an.
Wenn Du nun zu den Ballspielen übergehst, so bleibt manches Gemeinsame erhalten, aber manches || vieles geht verloren. –
¤ Sind sie z.B. alle ‘unterhaltend’? Vergleiche Schach, wenn es etwa in einem Turnier gespielt wird dem Mühlfahren. Oder: gibt es überall ein Gewinnen & Verlieren, oder das Konkurrieren || die Konkurrenz von Spielenden? Denke an die Patiencen. Hier gibt es allerdings noch etwas was ungefähr dem Verlieren & Gewinnen entspricht aber der Charakterzug der Konkurrenz ist verschwunden. Auch in verschiedenen || In den Ballspielen gibt es ein || Gewinnen & Verlieren, aber wenn ein Kind den Ball an die Wand wirft & wieder auffängt, so ist dieser Zug verschwunden. Oder schau || Schau welche Rolle Geschick & Glück in ihnen allen spielt || spielen. Und wie verschieden ist wieder ‘Geschick’ || Geschick im Schachspiel & || & Geschick im Tennisspiel. Denk' nun an die Reigenspiele: Hier ist das Element der Unterhaltung, aber wie viele der andern Charakterzüge sind hier verschwunden! Und so können wir durch die vielen, vielen andern Gruppen von Spielen gehen. Ähnlichkeiten auftauchen & verschwinden sehen.
     Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen & kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen & Kleinen.
   
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     Ich kann diese Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren, als durch das Wort “Familienähnlichkeiten”; denn so übergreifen & kreuzen sich die verschiedenen Ähnlichkeiten unter den Gliedern einer Familie || die zwischen den Gliedern einer Familie bestehen: Wuchs, Gesichtszüge, Augenfarbe,
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Gang, Temperament, etc. etc..– Und ich werde sagen: die ‘Spiele’ bilden eine Familie.
     Und ebenso bilden z.B. die Zahlenarten eine Familie. Warum nennen || benennen wir etwas “Zahl”? Nun etwa, weil es eine, || direkte – Verwandtschaft mit etwas || manchem hat, was man bisher Zahl genannt hat; & dadurch, kann man sagen, erhält es eine indirekte Verwandtschaft zu anderem, was wir auch so nennen. Und wir dehnen unseren Begriff der Zahl aus, wie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß eine Faser durch seine ganze Länge läuft, sondern darin, daß sich viele Fasern || viele Fasern sich übergreifen.

     Wenn aber Einer sagen wollte, “also || : “Also ist allen diesen Gebilden etwas gemeinsam; nämlich die logische Summe || Disjunktion aller dieser Gemeinsamkeiten”, so würde ich antworten: Hier || hier spielst Du nur mit einem Wort. Ebenso könnte man sagen: es läuft etwas || Etwas durch den ganzen Faden, wenn sich die Fasern einander lückenlos überdecken¤ || da die Fasern einander lückenlos übergreifen etwa || nämlich, das lückenlose Übergreifen dieser Fasern.
   
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“Gut; so ist also der Begriff der Zahl für Dich die logische Summe jener einzelnen mit einander verwandten Begriffe: Kardinalzahl, Rationalzahl, reelle Zahl, etc. ¤ || erklärt als die logische Summe jener einzelnen mit einander verwandten Begriffe: Kardinalzahl, Rationalzahl, reelle Zahl, etc.; & gleicherweise der Begriff des Spiels als die logische Summe entsprechender Teilbegriffe.” – Dies muß nicht sein. Denn ich kann so dem Begriff ‘Zahl’ feste Grenzen geben, d.h. das Wort “Zahl” zur Bezeichnung eines fest begrenzten Begriffes
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gebrauchen, aber ich kann es auch so gebrauchen, daß der Umfang des Begriffes nicht durch eine Grenze abgeschlossen ist. So || Und so verwenden wir ja das Wort “Spiel”. Wie ist denn der Begriff des Spiels abgeschlossen? Was ist noch ein Spiel & was ist keines mehr? Kannst Du die Grenzen angeben? Nein. Du kannst welche ziehen; denn es sind noch keine gezogen. (Aber das hat Dich noch nie gestört, wenn Du das Wort “Spiel” angewendet hast.)
“Aber dann ist ja die Anwendung des Wortes nicht geregelt, das ‘Spiel’, was || welches wir mit diesem Worte || ihm spielen, hat keine klaren Regeln.” || ist nicht geregelt.” – Es ist nicht überall von Regeln begrenzt; aber es gibt ja auch keine Regel dafür, wie hoch man z.B. im Tennis den Ball werfen darf, oder wie stark, aber Tennis ist doch ein Spiel, & es hat auch Regeln.
   
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     Wie würdest Du denn jemandem erklären, was ein Spiel ist? Ich glaube, Du wirst ihm Spiele beschreiben, und Du könntest der Beschreibung hinzufügen: “das, & Ähnliches, nennt man ‘Spiele’”. Und weißt Du selbst denn mehr? Kannst Du etwa nur dem Andern nicht genau sagen, was ein Spiel ist? Aber das ist nicht Unwissenheit. Du kennst die Grenzen nicht, weil keine gezogen sind. Wie gesagt, Du kannst – für einen bestimmten || irgend einen Zweck – eine Grenze ziehen. Machst Du dadurch den Begriff erst brauchbar? Durchaus nicht! es sei denn, für Deinen || den besondern Zweck. So wenig wie der das Längenmaß ‘ein Schritt’ brauchbar machte, der die Definition gab, “1 Schritt = 75 cm”. Und wenn Du sagen willst: “aber vorher war es doch kein exaktes Längenmaß”,
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so antworte ich: gut, dann war es ein unexaktes. – Obgleich Du mir noch die Definition der Exaktheit schuldig bist. –
   
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     “Aber wenn der Begriff ‘Spiel’ auf diese Weise unbegrenzt ist, so weißt Du ja eigentlich nicht, was Du mit “Spiel” meinst.” – Nimm an, ich sagte Dir in einer Beschreibung || Wenn ich die Beschreibung gebe: Ich sage: “Der Boden war ganz mit Kräutern & Pflanzen bedeckt”; willst Du sagen || behaupten, ich wisse || weiß nicht wovon ich rede, ehe ich nicht eine Definition der ‘Kräuter’ || Pflanze geben kann?
     Sokrates (im            ): “Du weißt es & kannst hellenisch reden, also mußt Du es doch sagen können.” – Nein; “es || . “Es wissen’ heißt hier eben nicht, es sagen können. Das Kriterium des Wissens ist hier ein anderes. || Wir gebrauchen hier ein anderes Kriterium des Wissens. || Nicht das ist hier unser Kriterium des Wissens.
     Eine Erklärung dessen, was ich meine, wäre etwa ein gemaltes Bild und die Worte: “So, ungefähr, hat es ausgeschaut || der Boden ausgesehen”. Aber ich sage || Ich sage aber vielleicht auch: “genau so hat es ausgeschaut || ausgesehen”. – Also waren genau diese Gräser & Blätter, in diesen Lagen, dort? Das meine ich nicht || Nein, das heißt es nicht. Und kein Bild würde ich, in diesem Sinne, als das genaue anerkennen.
   
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     Man kann sagen, der Begriff ‘Spiel’ ist ein Begriff mit verschwommenen Rändern. – “Aber ist ein verschwommener Begriff überhaupt ein Begriff?” – Ist eine unscharfe Photographie überhaupt ein Bild eines Menschen? – Ja, kann man ein unscharfes Bild immer mit Vorteil durch ein scharfes ersetzen || ein unscharfes Bild immer mit Vorteil durch ein scharfes ersetzt werden? Ist das unscharfe oft nicht || nicht oft gerade das, was wir brauchen?
      Frege vergleicht den Begriff mit einem Bezirk
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& sagt, || : einen unklar begrenzten Bezirk könne man überhaupt keinen Bezirk nennen. Das heißt wohl, wir können mit ihm nichts anfangen. Aber ist es sinnlos zu sagen: “Halte Dich ungefähr hier auf!” Denke Dir ich stünde mit einem Andern auf einem Platz & sagte dies. Dabei werde ich nicht einmal irgend eine Grenze ziehen, sondern etwa mit der Hand eine zeigende Bewegung machen – ganz als zeigte ich einen bestimmten Punkt. Und genau || gerade so erklärt man etwa, was ein Spiel ist. Man gibt Beispiele, & will, daß sie in gewissem Sinn verstanden werden. – Aber mit diesem Ausdruck meine ich nicht, || : er solle nun in diesen Beispielen das Gemeinsame sehen, welches ich – aus irgend einem Grunde – nicht aussprechen konnte; sondern, || : er solle || soll diese Beispiele nun in bestimmter Weise verwenden. Das Exemplifizieren ist hier nicht ein indirektes Mittel der Erklärung, – in Ermangelung eines bessern || Bessern. – Denn, mißverstanden kann auch jede allgemeine Erklärung werden. So spielen wir eben das Spiel. (Ich meine das Sprachspiel mit dem Worte “Spiel”.)
   
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     Das Gemeinsame sehen: Nimm an; || ich zeige jemandem verschiedene bunte Bilder, & sage: “Die Farbe, die Du in allen siehst, heißt ‘Ocker’.” – Das ist eine Erklärung, die verstanden wird, indem der Lernende || Andere aufsucht & sieht, was jenen Bildern gemeinsam ist. Er kann dann auf das Gemeinsame blicken, darauf zeigen.
     Vergleiche damit: Ich zeige ihm mehrere Vierecke verschiedener Form, alle in der gleichen Farbe gemalt & sage: “Was diese mit einander gemein haben,
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heißt ‘Ocker’”.
     Und vergleiche damit: – Ich zeige ihm Muster verschiedener Schattierungen von Blau & sage: “Die Farbe, die allen gemeinsam ist, nenne ich ‘Blau’”.
   
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     Wenn Einer auf ein Muster zeigt & mir || mir die Namen der Farben erklärt, indem er auf Muster zeigt & sagt: “Diese Farbe heißt ‘Blau’, diese ‘Grün’, etc.”, so kann man diesen Fall in vieler Hinsicht dem vergleichen || dieser Fall in vieler Hinsicht dem verglichen werden, daß er mir eine Tabelle an die Hand gibt, in der unter den Mustern von Farben die Wörter stehen. – Wenn auch dieser Vergleich in mancher Weise irreführen kann. – Man ist nun geneigt diesen Vergleich auszudehnen: Die Erklärung verstanden haben, heißt, einen Begriff des Erklärten im Geiste besitzen, & das ist || d.i. ein Muster, oder Bild; zeigt man mir nun verschiedene Blätter & sagt, “das || Das nennt man ‘Blatt’”, so erhalte ich einen Begriff des Blattes || der Blattform, und darum ein Bild von ihr im Geiste. – Aber wie schaut denn das Bild eines Blattes aus, das keine bestimmte Form zeigt, sondern ‘das, was allen Blattformen gemeinsam ist’? Welche Farbe hat das Muster in meinem Geiste der Farbe Grün, dessen, was allen Tönen von Grün gemeinsam ist?
     “Aber könnte es nicht solche ‘allgemeine’ Muster geben? Etwa ein Blattschema oder ein Muster von reinem Grün.” – Gewiß! – Aber, daß dieses Schema als Schema verstanden wird & nicht als die Form eines bestimmten Blattes, & daß ein Täfelchen von reinem Grün als Muster alles dessen verstanden
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wird, was grünlich ist & nicht als Muster für reines Grün, || : das liegt wieder in der Art der Anwendung dieser Muster.
     Frage Dich: Welche Gestalt muß das Muster der Farbe Grün haben. Soll es viereckig sein? Oder würde es dann das Muster für grüne Vierecke sein? – Soll es also ‘unregelmäßig’ geformt sein? Und was verhütet es || verhindert uns, es dann nur als Muster der unregelmäßigen Form anzusehen – d.h. zu verwenden?
   
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     Hierher gehört auch Gedanke, daß der, welcher dieses Blatt als Muster der Blattform, im allgemeinen, sieht, es anders sieht, als der, welcher es etwa als Muster für diese bestimmte Form sieht || betrachtet. Nun, das könnte ja so sein – obwohl es nicht so ist –, denn es würde nur besagen, daß erfahrungsgemäß der, welcher das Blatt in bestimmter Weise sieht, es dann so & so, oder nach den und den Regeln || den und den Regeln gemäß, verwendet.
     Es gibt natürlich ein so & anders sehen, & auch || es gibt auch Fälle, in denen der, welcher || der ein Muster so sieht, es im allgemeinen in dieser Weise verwenden wird, & wer es anders sieht, in anderer Weise. Wer, z.B., die Zeichnung als ebene Figur sieht, bestehend aus einem Quadrat & zwei Rhomben, der wird den Befehl, “Bringe mir so etwas!”, vielleicht anders ausführen, als der, welcher es || das Bild räumlich sieht.
   
72.
     Was heißt es: wissen, was ein Spiel ist? Was heißt es, es wissen & es nicht sagen können? Ist dieses Wissen das || irgend ein Äquivalent einer unausgesprochenen || nicht ausgesprochenen Definition? So daß, wenn sie ausgesprochen
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würde, ich sie als den Ausdruck meines Wissens anerkennen würde || könnte || So daß ich sie, wenn man sie ausspräche als Ausdruck meines Wissens anerkennen würde || könnte
? Ist nicht mein Wissen, mein Begriff vom Spiel, ganz in den Erklärungen ausgedrückt, die ich geben könnte? nämlich darin, daß ich Beispiele von Spielen verschiedener Art beschreibe; zeige, wie man nach Analogie dieser auf alle möglichen Arten andere Spiele konstruieren könnte || kann; sage, daß ich das & das wohl kaum mehr ein Spiel nennen würde, und dergleichen mehr.
   
72 || 3
     Zöge Einer eine scharfe Grenze, ich könnte sie || Wenn Einer eine scharfe Grenze zöge, so könnte ich sie nicht als die anerkennen, die ich auch schon immer ziehen wollte, oder im Geist gezogen habe. Denn ich wollte gar keine ziehen || habe gar keine ziehen wollen. Man kann dann sagen: sein Begriff ist nicht der gleiche wie der meine, aber ihm verwandt. Und zwar die Verwandtschaft ist die zweier Bilder, deren eines aus unscharf begrenzten Farbflecken, das andere aus ähnlich geformten & verteilten, aber scharf begrenzten, besteht. Die Verwandtschaft wäre so || ist dann eben ebenso unleugbar, wie die Verschiedenheit.
   
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     Und wenn wir diesen Vergleich noch etwas weiterführen, – so ist es klar, daß der Grad, bis zu welchem das scharfe Bild dem verschwommenen ähnlich sein kann, vom Grade der Unschärfe dieses abhängt. Denn denk Dir, Du solltest zu einem verschwommenen Bild ein ihm ‘entsprechendes’ scharfes malen || entwerfen! In jenem ist ein unscharfes rotes Rechteck; Du setzt dafür ein scharfes.
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Freilich, || es ließen sich ja mehrere solche scharfe Rechtecke ziehen, die dem unscharfen entsprächen. – Wenn aber im Original die Farben ohne die Spur einer Grenze in einander fließen, wird es dann nicht eine hoffnungslose Aufgabe werden, ein dem verschwommenen entsprechendes scharfes Bild zu malen || zeichnen? Wirst Du dann nicht sagen müssen: “Hier könnte ich ebensogut einen Kreis, als ein Rechteck, oder eine Herzform zeichnen; es fließen alle Farben in || durch einander; es || . Es stimmt alles, – || , & nichts.” – Und in dieser Lage befindet sich z.B. der, der in der Ästhetik oder Ethik Definitionen geben möchte || nach Definitionen sucht, die unseren Begriffen entsprechen. [Neue Zeile gehört zu (73)]
Frage Dich in dieser Schwierigkeit immer: “Wie haben wir denn die Bedeutung dieses Wortes – ‘gut’ z.B. – gelernt? An was für Beispielen; in welchen Sprachspielen? Du wirst dann leichter sehen, daß dieses || das Wort eine Familie von Bedeutungen haben muß.
   
75
     Vergleiche: wissen und sagen,
     wieviele m hoch der Montblanc ist
     wie das Wort “Spiel” gebraucht wird
     wie eine Klarinette klingt.
Wer sich wundert, daß man etwas wissen könne & nicht sagen, denkt wohl || vielleicht an einen Fall, wie den ersten; & gewiß || . Gewiß nicht an einen, wie den dritten.
   
76
     Betrachte dieses Beispiel: Wenn man sagt, “Moses hat nicht existiert”, so kann das verschiedenerlei bedeuten. Es kann heißen: die Israeliten haben nicht einen Führer gehabt, als sie von Ägypten ausgezogen sind – oder: ihr Führer hat nicht Moses geheißen – oder: es hat keinen Menschen gegeben, der alles das vollbracht hat, was die Bibel von Moses berichtet, || etc., etc..– Nach Russell können wir sagen: der Name “Moses” kann durch verschiedene Beschreibungen definiert werden. Z.B. als: “der
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Mann, welcher die Israeliten durch die Wüste geführt hat”, “der Mann, welcher zu dieser Zeit & an diesem Ort gelebt hat und damals ‘Moses’ genannt wurde”, “der Mann, welcher als Kind von der Tochter Pharaos aus dem Nil gezogen wurde”, etc.. Und je nachdem wir die eine oder andere Definition annehmen, bekommt der Satz “Moses hat existiert” einen andern Sinn & ebenso jeder andere Satz, der von Moses handelt. – Und wenn man uns sagt, “N hat nicht existiert”, fragen wir auch: “Was meinst Du? Willst Du sagen, daß …, oder daß …, etc.?”
     Aber wenn ich nun eine Aussage über Moses mache, bin ich immer bereit, irgend eine dieser Beschreibungen statt || für “Moses” zu setzen? Ich werde etwa sagen: unter “Moses” verstehe ich den Mann, der getan hat, was die Bibel von Moses berichtet, oder doch vieles davon. Aber wievieles? Habe ich mich entschieden, wieviel sich als falsch erweisen muß, damit ich meinen Satz, als falsch, aufgebe? Hat also der Name “Moses” für mich einen klaren || festen & eindeutigen || eindeutig bestimmten Gebrauch in allen möglichen Fällen? – Ist es nicht so, daß ich sozusagen eine ganze Reihe von Stützen in Bereitschaft habe & bereit bin, mich auf diese || eine zu stützen, wenn mir die andere entzogen werden sollte, & umgekehrt? – Betrachte noch einen andern Fall: Wenn ich sage, “N ist gestorben”, so kann es mit der Bedeutung des Namens “N” etwa folgende || diese Bewandtnis haben: Ich glaube, daß ein Mensch gelebt hat, den ich (1.) dort
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& dort gesehen habe, der (2) so und so ausgeschaut hat (Bilder), (3) das & das getan hat und (4) in der bürgerlichen Welt den || diesen Namen, “N”, führt. Gefragt, was ich unter “N” verstehe, würde ich Alles || alles das, oder Einiges || einiges davon, & bei verschiedenen Gelegenheiten Verschiedenes, aufzählen. Meine Definition von “N” wäre also etwas “der Mann, von dem alles das stimmt”. – Aber wenn sich nun einiges || etwas davon als falsch erwiese! – werde ich bereit sein meinen || den Satz “N ist gestorben” für falsch zu erklären, – auch wenn nur etwas mir (ganz) Nebensächliches || mir nebensächlich scheinendes sich als falsch herausstellt? Wo aber ist die Grenze des Nebensächlichen? – Hätte ich in so einem Fall eine Erklärung des Namens gegeben, so wäre ich nun bereit, sie abzuändern.
     Und das kann man so ausdrücken, [kein Doppelpunkt]6 ich gebrauche den Namen “N” ohne feste Bedeutung. (Aber das tut seiner Verwendung || seinem Gebrauch so wenig Eintrag wie dem des || eines Tisches, daß er auf vier Beinen || Füßen ruht, statt auf dreien, & daher unter Umständen wackelt.)
     Soll man sagen, ich gebrauche ein Wort, dessen Bedeutung ich nicht kenne, rede also Unsinn? – Sage was Du willst, solange Dich das nicht hindert, zu sehen, wie es sich verhält. (Und wenn Du das siehst, wirst Du manches nicht sagen.)
   
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     Ich sage: “Dort steht ein Sessel”; wie wenn ich hingehe & ihn holen will und er entschwindet plötzlich meinem Blick? – “Also war es kein Sessel, sondern irgend eine
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Täuschung.” – Aber in einigen || ein paar Sekunden sehen wir ihn wieder & können ihn angreifen, etc..– “Also war der Sessel doch da, & sein Verschwinden war irgend eine Täuschung.” – Aber nimm an, nach einiger || einer Zeit verschwindet er wieder, – oder scheint zu verschwinden. – Was sollen wir nun sagen? Hast Du für solche Fälle Regeln bereit; || die sagen, ob man so etwas noch einen (einen) “Sessel” nennen darf? Aber gehen sie uns beim Gebrauch des Wortes “Sessel” ab; & sollen wir sagen, daß wir nicht wissen, was wir mit Sessel meinen? || mit diesem Wort eigentlich keine Bedeutung verbinden? || daß wir dieses Wort eigentlich nicht sinnvoll verwenden können, da wir nicht für alle Fälle mit Regeln für seine Anwendung versehen sind? || Möglichkeiten seiner Anwendung mit Regeln versehen sind?
   
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     Ramsey hat einmal im Gespräch mit mir betont, die Logik sei eine “normative Wissenschaft”. Die genaue Idee, die ihm dabei || Genau, welche Idee ihm dabei vorgeschwebt hat, weiß ich nicht; sie war aber gewiß || zweifellos eng verwandt mit der, die mir erst später aufgegangen ist, || : daß wir nämlich in der Philosophie den Gebrauch der Wörter oft mit Spielen, Kalkülen, nach festen Regeln vergleichen, aber nicht sagen können, wer die Sprache gebraucht, müsse ein solches Spiel spielen. – Sagt man (nun) aber, daß unser sprachlicher Ausdruck sich solchen fest geregelten Kalkülen nur nähert, so steht man damit unmittelbar am Rande einer Reihe von Mißverständnissen. || Reihe gefährlicher Mißverständnisse. || am Rande eines (schweren) Mißverständnisses. Denn so kann es scheinen, als redeten wir
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in der Logik von einer idealen Sprache. Als wäre unsre Logik eine Logik, gleichsam, für den luftleeren Raum || unsere Logik, gleichsam, eine Logik für den luftleeren Raum. Während die Logik doch nicht von der Sprache, || beziehungsweise || bezw. vom Denken, || handelt wie || in dem Sinne, wie eine Naturwissenschaft von einer Naturerscheinung; || , & man höchstens sagen kann, wir konstruierten ideale Sprachen. Aber hier wäre das Wort ‘ideal’ irreführend; denn || . Denn so schiene es || es schiene also, als wären diese Sprachen besser, vollkommener, als die || unsere Umgangssprache; & als brauchte es den Logiker, damit er || der den Menschen endlich zeige || zeigt, wie ein richtiger Satz ausschaut.
     All das kann aber erst dann richtig verstanden werden, || im rechten Licht erscheinen, wenn wir über die Ideen des Verstehens, & Meinens, & Denkens Klarheit gewonnen haben (werden). Denn erst dann wird auch klar werden, was dazu verleiten kann – & mich verleitet hat (Log. Phil. Abh.) – zu denken, daß, wer einen ‘sinnvollen’ Satz ausspricht & meint, oder versteht, damit || damit einen Kalkül nach festen || bestimmten Regeln betreibt || betreiben muß. || , damit einen Kalkül betreibt, nach bestimmten Regeln.
   
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     Denn was || Was nennen wir || nenne ich die ‘Regel, nach der er vorgeht’? Die Hypothese, die seinen Gebrauch der Worte || Sprache, den wir beobachten, zufriedenstellend beschreibt, oder die Regel, die er beim Sprachspiel || im Gebrauch der Zeichen nachschlägt, oder, die er mir zur Antwort gibt, wenn ich || uns zur Antwort gibt, wenn wir ihn nach seiner Regel fragen? Wie aber, wenn die Beobachtung keine Regel klar erkennen läßt & die Frage keine zu Tage fördert? – Denn er gab mir zwar auf meine Frage, was er unter “N” verstehe, eine Erklärung,
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war aber bereit, diese Erklärung zu widerrufen & abzuändern. – Wie soll ich also die Regel bestimmen, nach der er spielt? er weiß sie selbst nicht. Oder richtiger: was soll der Ausdruck “Regel, nach welcher er vorgeht” hier noch besagen?
   
79 || 80
     Steckt uns da nicht die Analogie der Sprache mit dem Spiel ein Licht auf? Wir können uns doch sehr wohl denken, daß sich Menschen auf einer Wiese damit unterhielten, mit einem Ball zu spielen, indem || so zwar, daß sie verschiedene bestehende (geregelte) Spiele anfingen, manche nicht zu Ende spielten || spielen, || dazwischen den Ball planlos in die Höhe werfen || würfen, einander im Scherz mit dem Ball nachjagen & bewerfen, etc.. – Und nun sagte Einer: Die ganze Zeit hindurch spielen die Leute ein Ballspiel & richten sich daher bei jedem Wurf nach bestimmten Regeln.
     Und gibt es nicht auch den Fall, wo wir spielen & ‘make up the rules as we go along’? Ja auch den, in welchen wir sie abändern, || as we go along.
   
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     Ich sagte in (65) von einem Sprachspiel es sei || der Anwendung des Wortes “Spiel”, sie sei nicht ‘überall von Regeln begrenzt’ . Aber || ; aber wie schaut denn ein Spiel aus, das überall von Regeln begrenzt ist? Dessen Regeln keine Zweifel eindringen lassen; ihnen || keinen Zweifel eindringen lassen; ihm alle Löcher verstopfen? – Können wir uns nicht Regeln denken, die die Anwendung jeder Regel regeln || eine Regel denken, die die Anwendung einer || der Regel regelt? || ; und einen Zweifel den jene Regel beseitigt || behebt? || ; und so fort?
     Aber das sagt nicht, daß wir zweifeln, || weil wir uns einen Zweifel denken können. Ich kann mir sehr wohl denken, daß jemand jedesmal vor
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dem Öffnen seiner Haustüre zweifelt, ob sich hinter ihr || dahinter nicht ein Abgrund aufgetan hat; & daß er sich darüber vergewissert, eh' er durch die Tür tritt (& es kann sich einmal erweisen, daß er recht hatte); aber deswegen zweifle ich in diesem || im gleichen Falle doch nicht.
   
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     Eine Regel steht da, wie ein Wegweiser. Läßt er keinen Zweifel offen über den Weg, den ich zu gehen habe? Wo steht || Zeigt er, in welcher Richtung ich zu gehen habe || gehen soll, wenn ich an ihm vorbei bin, ob der Straße nach oder dem Feldweg, oder querfeldein? Aber wo steht, in welchem Sinne ich ihm zu folgen habe; ob in der Richtung der Hand, oder, z.B., in der entgegengesetzten? – Und wenn statt eines || des Wegweisers eine geschlossene Kette von Wegweisern da stünden, || stünden, oder Kreidestriche auf dem Boden liefen; gibt es für sie nur eine Deutung? – Also kann ich sagen, || : der Wegweiser läßt doch keinen Zweifel offen. Oder vielmehr: Er läßt manchmal einen Zweifel offen, manchmal nicht. Und dies ist nun kein Satz der Philosophie mehr || philosophischer Satz mehr; sondern ein Erfahrungssatz.
   
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     Ein Sprachspiel wie (3) werde mit Hilfe einer Tabelle gespielt. Die Zeichen, die A dem B gibt, seien nun Schriftzeichen; B hat eine Tabelle: in der ersten Kolumne stehen die Schriftzeichen, die im Spiel gebraucht werden, in einer zweiten Bilder von Bausteinformen. A macht so ein Schriftzeichen || zeigt dem B so ein geschriebenes Zeichen (schreibt es etwa auf eine Tafel): B sucht es in der Tabelle auf, blickt auf das gegenüberliegende Bild, etc.. Die Tabelle ist also eine Regel, nach der er sich beim Ausführen der Befehle richtet. – Das Aufsuchen des Bildes in der Tabelle lernt
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man durch eine Abrichtung & ein Teil || Zum Gebrauch der Tabelle wird man abgerichtet; ein Teil
dieser Abrichtung wird etwa darin bestehen || besteht etwa darin, daß der Schüler lernt, mit dem Finger in der Tabelle || in der Tabelle mit dem Finger horizontal von links nach rechts zu fahren, || lernt, || , also lernt, sozusagen, eine Reihe horizontaler Striche (zu) ziehen.
     Denk' Dir, es würden nun verschiedene Arten eingeführt, die || eine Tabelle zu lesen; nämlich einmal, wie oben, horizontal von links nach rechts, also so: || nach dem Schema:
ein andermal etwa || aber nach dem Schema || diesem Schema:
oder diesem:
etc..
So ein Schema wird der Tabelle beigefügt als Regel, wie sie zu gebrauchen sei.
     Können wir uns nun nicht weitere Regeln zur Erklärung dieser vorstellen? Und war, anderseits, jene erste Tabelle unvollständig ohne das Schema der horizontalen Pfeile
?
Und sind es die andern ohne das ihre?
   
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     Nimm an, ich erkläre: “Unter ‘Moses’ verstehe ich den Mann, wenn es einen solchen gegeben hat, der die Israeliten aus Ägypten geführt hat, wie immer er damals geheißen hat & was immer er sonst getan oder nicht
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getan haben mag”: Aber über die Wörter dieser Erklärung sind (ganz) ähnliche Zweifel möglich, wie die über den Namen “Moses” (was nennst Du “Ägypten”, wen “die Israeliten”, etc.). Ja, diese Fragen kommen auch nicht zu einem Ende, wenn wir bei Wörtern wie “rot”, “dunkel”, “süß”, angelangt wären. – “Aber wie hilft mir dann eine Erklärung zum Verständnis, wenn sie doch nicht die letzte ist? Die Erklärung ist dann ja nie beendet; ich verstehe also noch immer nicht, & nie, was er meint!” Als hinge eine Erklärung, gleichsam, in der Luft, wenn nicht eine andere sie stützte. Während eine Erklärung zwar auf einer andern, gegebenen || die ausgesprochen wurde || die man gegeben hat || andern, tatsächlich gegebenen, ruhen kann, aber keine an sich einer anderen bedarf, – es sei denn, daß wir sie benötigen, um ein Mißverständnis zu vermeiden. Man könnte sagen, || : eine Erklärung dient dazu, ein Mißverständnis zu beseitigen, oder zu verhüten, – also eines, was ohne die Erklärung eintreten würde; aber nicht: jedes, welches ich mir vorstellen kann.
     Es kann leicht so scheinen als zeigte jeder || der Zweifel nur eine vorhandene schadhafte || schlechte Stelle im Unterbau || eine vorhandene Lücke im Fundament; so daß ein sicheres Verständnis nur dann || dadurch möglich wäre || ist, daß || wenn wir zuerst an allem zweifeln, woran gezweifelt werden kann, & diese Zweifel dann behoben werden. || dann diese Zweifel beheben.
   
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     Der Wegweiser ist in Ordnung, – wenn er, unter normalen Verhältnissen, seinen Zweck erfüllt.
     Wenn ich Einem sage, wie in (68), “Halte
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Dich ungefähr hier auf!”, – kann denn diese Erklärung nicht vollkommen funktionieren? (Und kann jede andere nicht auch versagen?)
     “Aber ist die Erklärung nicht doch unexakt?” – Doch; warum soll man sie nicht “unexakt” nennen? Verstehen wir aber nur, was “unexakt” bedeutet! Denn erstens bedeutet es natürlich nicht “unbrauchbar”, sonst müßte es heißen: “unexakt für diesen Zweck”; zweitens, || überlegen wir uns, was wir im Gegensatz zu dieser unexakten Erklärung eine “exakte” nennen! Etwa die, wenn man auf dem Platz einen Kreidestrich zieht, einen ‘Bezirk’ abgrenzt. – Aber da fällt uns gleich ein, daß ja der Strich eine Breite hat; exakter wäre also eine Farbgrenze. Aber hat denn diese Exaktheit hier noch (irgend) eine Funktion, läuft sie nicht leer? Und wir haben ja auch noch nicht bestimmt, was als Überschreiten dieser scharfen Grenze gelten soll; wie, mit welchen Instrumenten, sie festzustellen ist. Etc.¤
     Wir wissen || verstehen, was es heißt, || : eine Taschenuhr auf die genaue Stunde stellen, oder, || sie richten, daß sie genau geht. Wie aber, wenn man fragte: ist diese Genauigkeit eine ideale [nicht unterstreichen] Genauigkeit, & || oder wie weit nähert sie sich ihr? – Wir können freilich von Zeitmessungen reden, bei welchen es eine andere &, wie wir sagen würden, größere Genauigkeit gibt, als bei der Zeitmessung mit der Taschenuhr. Wo die Worte, “die Uhr auf die genaue Stunde stellen”, eine andere, wenn auch verwandte, Bedeutung haben, &
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die Uhr ablesen ein anderer Prozeß ist, etc.. – Wenn ich nun jemandem sage: “Du solltest pünktlicher zum Essen kommen; Du weißt, daß es genau um 1 Uhr anfängt” – sollte hier von Genauigkeit eigentlich nicht die Rede (sein) || ist hier von Genauigkeit eigentlich nicht die Rede, – weil man sagen kann: “denk' (nur) an die Zeitbestimmung im Laboratorium, oder auf der Sternwarte, da siehst Du, was ‘Genauigkeit’ heißt || bedeutet”?
¥
     Denk' also an die Familie der Verwendungen der Wörter || dehnbare Verwendungsweise || Bedeutung der Wörter “genau”, “ungenau”. – Ein Ideal der Genauigkeit gibt es nicht. D.h., || : es ist keins vorgesehen; wir wissen || ist nicht vorgesehen; wir wissen nicht, was wir uns darunter vorstellen sollen, || : || es sei denn, daß Du selbst bestimmst, || bestimmen willst, was so genannt werden soll || was Du so nennen willst. || , || es sei denn, daß Du selbst festsetzt, was Ideal sein soll || Du so genannt wissen willst. || – es sei denn, daß Du selbst eins festsetzen willst. || ¤ es sei denn, Du selbst setzt fest, was so genannt werden soll. Aber Du wirst es schwer finden || es wird Dir schwer werden, so eine Bestimmung || Festsetzung zu treffen; nämlich eine, die Dich befriedigt.
“Unexakt”, das ist eigentlich ein Tadel, & “exakt” ein Lob. Und das heißt doch, || : das Unexakte erreicht das Ziel nicht so vollkommen, wie das Exaktere || Exakte. Da kommt es also auf das an, was wir “das Ziel” nennen.
     Ist es unexakt, wenn wir dem Tischler die Breite des Tisches nicht auf 1000stel mm angeben? und den Abstand der Sonne von der Erde || uns nicht auf m?
   
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     Wir stehen || befinden uns mit diesen Überlegungen (nun) an dem Ort, wo das Problem steht || reift: – Inwiefern ist die Logik etwas Sublimes?7
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[Verbesserung der ersten Seiten:]

   
   


   
     Denn sieh nur das Unbestimmte in unserer Betrachtung! Ihre || in unseren Betrachtungen! – Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim zu gehen! Und was ist sie dann noch?! || Denn sieh das Unbestimmte, ja empirische, in unserer Betrachtung! || Denn dies schien sie zu sein. – Aber was geschieht nun mit ihr? Denn sieh nur in unsere Betrachtungen! || : – Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim zu gehen! Und was ist sie dann noch?!
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Denn es schien, daß ihr eine besondere Tiefe – allgemeine Bedeutung – zukomme. Sie schien irgendwie allen Wissenschaften zu Grunde zu liegen, oder über ihnen zu schweben. Und dies, indem sie die Ordnung aller || Aller enthielt, sozusagen den Begriff || die Idee der Ordnung. || Es schien doch, als komme der logischen Betrachtung eine eigentümliche Tiefe zu. Als nähme sie einen höheren Flug. Und zwar, irgendwie, weil sie das Wesen der Dinge zu erforschen trachtet.
Sie will den Dingen auf den Grund sehen, & soll sich nicht um die zufälligen, erfahrungsmäßigen Tatsachen || das Geschehen kümmern || bekümmern || das so oder so der Erfahrungstatsachen bekümmern – Sie entspringt nicht einer Neugierde für || einem Interesse für irgendwelche Tatsachen der Erfahrung, noch || auch nicht dem Bestreben, || Bedürfnis || Drang kausale Zusammenhänge zu erfassen; sondern || vielmehr einem Streben, das Fundament, – oder Wesen, – aller Erfahrung zu verstehen. Denn dieses || dieses Tiefste || dies scheint wie von einem Nebel verhüllt & || . Und wir wünschen es klar zu sehen. – Aber nicht so, als || Nicht aber, als sollten || wollten wir dazu neue Tatsachen aufspüren: es ist vielmehr wesentlich daß wir, – in einem gewissen Sinne – gar nichts Neues lernen wollen; || vielmehr ist es uns wesentlich, || daß wir gar nicht Neues lernen wollen; || vielmehr ist es für unsere Forschung wesentlich, daß wir gar nichts Neues lernen wollen; sondern wir wollen nur verstehen || wir wollen nur das verstehen, || wir wollen aber etwas verstehen, was schon offen vor unsern Augen liegt. Denn das scheinen wir, in irgend einem Sinne, nicht zu verstehen. – Darum sagt Augustinus || Daher Augustinus sagt (Confessiones XI/14): “quid est ergo tempus? si nemo ex me quaerat scio; si quaerenti explicare velim, nescio.” Das könnte man doch nicht von einer Frage der Naturwissenschaft sagen (etwa von der Frage: wie groß ist das spezifische Gewicht des Wasserstoffes). Das, was man weiß, wenn uns niemand fragt, aber nicht mehr, || mehr weiß, wenn
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wir es erklären sollen, ist etwas, worauf man sich besinnen muß. (Und offenbar etwas, worauf man sich, aus irgend einem Grunde schwer besinnt.)
   

Es ist uns, als müßten wir die Erscheinungen durchschauen: (Das || Dasjenige aber worauf wir uns besinnen, || sich unsere Untersuchung richtet, sind nicht eigentlich die Erscheinungen, – sondern – wie man sagen könnte – die ‘Möglichkeiten || Möglichkeit’ der Erscheinungen, || : d.h.: wir || wir besinnen uns auf die Art der Aussagen, – auf ihr Zutreffen im gegebenen Augenblick kommt es nicht an – die wir über die Erscheinungen (die Zeit, z.B.) machen. Deshalb besinnt sich auch Augustinus darauf, in welcher Weise er die Wörter “Zeit” || das Wort “Zeit”, die Wörter “zukünftig”, “gegenwärtig”, “vergangen”, ,z.B., verwendet.
     Unsere Betrachtung ist also eine grammatische; & || . Und wenn sie zum Ziele führt, (so) geschieht es || dies indem sie Mißverständnisse beseitigt. || wegräumt. Mißverständnisse nämlich || Nämlich Mißverständnisse den Gebrauch der Worte unsrer Sprache betreffend, || , welche den Gebrauch der Worte unserer Sprache betreffen, & erzeugt durch Analogien zwischen || unter unsern Ausdrucksformen. – [Neue Zeile] Die Mißverständnisse werden dadurch beseitigt, daß Ausdrucksformen durch andere ersetzt werden; & dies kann man “analysieren” || ein “Analysieren” unserer Ausdrucksformen nennen, denn dieser || der Vorgang hat viel || oft Ähnlichkeit mit (dem) einer Zerlegung.
     Nun aber gewinnt es den Anschein || So gewinnt es aber den Anschein || Nun aber kann es den Anschein gewinnen als gäbe es etwas, wie eine letzte Analyse unserer Sprachformen, also eine || : eine vollkommen zerlegte Form des Ausdrucks.
D.h., als seien unsere gebräuchlichen Ausdrucksformen, wesentlich, noch unanalysiert; als
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sei in ihnen etwas verborgen, was ans Licht zu befördern ist. Ist dies geschehen, so sei || ist der Ausdruck damit vollkommen geklärt & unsre Aufgabe erledigt. || gelöst || vollbracht.
     Dieses Mißverständnis drückt || Dies drückt sich aus in der Frage nach dem Wesen der Sprache, des Satzes, || des Denkens. – Denn wenn wir auch wirklich (in einem Sinn) das Wesen der Sprache in unsern Untersuchungen || in unsern Untersuchungen auch wirklich (in einem Sinn) das Wesen der Sprache verstehen zu lernen suchen, so ist es doch nicht das, was jene || die Frage anstrebt. Denn sie sieht in dem ‘Wesen’ nicht etwas, was schon offen zu Tage liegt, & was durch Ordnen übersichtlich wird. Sondern etwas, was unter der Oberfläche liegt. Etwas, was im Inneren || Inneren || Innern liegt, – was wir sehen, wenn wir die Sache durchschauen & was eine Analyse hervorgraben soll.
     ‘Das Wesen ist uns verborgen’: Das ist die Form, die unser Problem nun annimmt. Wir fragen: “Was ist die Sprache?”, “Was ist der Satz?”. Es scheint wir können nicht in das Innere dieser Dinge dringen. Die Antwort aber auf unsre || Und die Antwort auf diese Fragen ist ein für allemal zu geben, & unabhängig von künftiger || weiterer Erfahrung || künftigen Erfahrungen.
   

Einer könnte sagen: “ein Satz, das ist das Alltäglichste von der Welt”, & der Andre: “Ein Satz, || das ist etwas sehr merkwürdiges!”
     Und er || dieser kann nicht: einfach || Und er kann nun nicht: einfach nachschauen, wie denn ein Satz funktioniert, || Sätze funktionieren; – weil die Formen unserer Ausdrucksweise die Sätze & das Denken betreffend, ihm im Wege stehen. || den Weg verstellen.
     Warum sagen wir, er || der Satz sei etwas Merkwürdiges?
Einerseits, wegen der ungeheuren Bedeutung, die ihm
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zukommt. Dann aber || Aber anderseits verführt || zukommt: (Und das ist richtig.) Anderseits verführt uns diese Bedeutung & Mißverständnisse unserer || der Sprachlogik, anzunehmen || dazu anzunehmen, der Satz müsse etwas Außerordentliches, ja Einzigartiges, leisten. – Durch ein Mißverständnis erscheint es uns, als tue der Satz etwas Seltsames.
     “Der Satz, ein merkwürdiges Ding!”: darin || Darin liegt irgendwie schon die || schon die Sublimierung || Idealisierung der ganzen Darstellung, || . Die Tendenz, entweder ein reines, sublimes, || ätherisches Mittelwesen zwischen dem Satzzeichen & den Tatsachen anzunehmen || anzunehmen zwischen dem Satzzeichen & den Tatsachen, oder auch das Satzzeichen selber quasi reinigen, sublimieren, zu wollen.
     Denn, daß es ganz hausbacken || trivial || es mit || es nur mit gewöhnlichen Dingen zugeht, das zu sehen, verhindern uns auf mannigfache Weise unsere Ausdrucksformen, || ; – indem sie uns auf die Jagd nach Chimären schicken.
     Oder auch: || Ich möchte nun sagen: || Ich möchte auch sagen: “Denken muß etwas Einzigartiges sein”. Wenn wir sagen – meinen – daß es sich so & so verhält, so halten wir mit dem, was wir meinen, nicht irgendwo vor der Tatsache; sondern meinen, daß das & das so & so ist.
     Und man kann dieses Paradox (welches ja die Form einer Tautologie hat) auch so ausdrücken: Man kann denken, was nicht der Fall ist.
   

Der besondern Täuschung, von welcher hier die Rede ist, schließen sich von verschiedenen Seiten andere an. Das Denken, die Sprache, erscheint uns nun als das einzigartige Korrelat – oder Bild – der Welt. | [Auslassen bis zum Strich] |Und unsre Untersuchung
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das Wesen der Sprache betreffend, als eine Untersuchung über || ein Eindringen in das Wesen der Welt.| ¥
     Das Denken ist mit einem Nimbus, umgeben. Sein Wesen || Die Logik stellt eine Ordnung dar; & zwar die || dar; die Ordnung a priori der Welt. D.i. || Ordnung der Dinge a priori, d.i. die Ordnung der Möglichkeit, welche || die Welt & Denken gemeinsam sein muß. (Wir scheinen von einem ‘logischen Bau der Welt’ reden zu können.) Diese Ordnung aber, scheint es, muß höchst einfach sein. (Ja ich sagte, || es schien mir, sie dürfe nicht einmal einfach sein.) Sie ist vor aller Erfahrung, sie muß sich durch die ganze Realität || alle Erfahrung hindurchziehen& ihr || ; ihr selbst aber darf also keine erfahrungsmäßige Trübe oder Unsicherheit anhaften. [Neue Zeile] Sie muß vielmehr vom reinsten Kristall sein. Dieser Kristall (aber) erscheint nicht als eine Abstraktion, sondern als etwas völlig Konkretes – ja als das Konkreteste || , gleichsam Härteste. [Neue Zeile] Wir erkennen, sehen es in den Erscheinungen, wenn wir gleichsam durch sie hindurchschauen. Und die logische Analyse ist ein Graben nach dem, was wir schon sehen (gefährliche Art des Irrtums).
     Die Begriffe des Satzes, der Sprache, des Denkens, der Welt, stehen || Satz, Sprache, Denken, Welt, stehen in einer Reihe hintereinander, jeder dem andern äquivalent. (Wozu aber sind diese Wörter zu brauchen? Es fehlt das Sprachspiel, das mit ihnen zu spielen ist.)

     Wir sind in der Täuschung, das Besondere, Tiefe, das uns Wesentliche unserer Untersuchung liege darin, daß sie das unvergleichliche Wesen der Sprache zu begreifen trachtet. –
   
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D.i. die Ordnung, die zwischen den Begriffen des Satzes, des Wortes, des Schließens, der Wahrheit, der Erfahrung, u.s.w. || etc. besteht.
     Und diese || ←Diese Ordnung ist eine Über-Ordnung zwischen – sozusagen – Über-Begriffen.
     Während || Während in Wahrheit || Während doch die Worte “Sprache”, “Erfahrung”, “Welt”, etc., wenn anders sie eine Verwendung haben (sollen), eine (eben) so hausbackene || niedrige Verwendung haben müssen, wie die Worte “Tisch”, “Lampe”; || , “Tür”, – und die Tiefe unseres Problems || unserer Aufgabe nicht daher rührt || darin liegt, daß das Wesen des Einzigartigen von uns zu erforschen ist sondern daher || darin, daß Beunruhigungen || unsre Rätsel || Beunruhigungen aus der Tiefe unserer Sprache || unseres sprachlichen Ausdrucks aufsteigen.
     Einerseits ist klar, daß jeder Satz unsrer Sprache ‘in Ordnung ist’, wie er ist. D.h., daß wir nicht ‘ein Ideal anstreben’. Als hätten unsere gewöhnlichen vagen Sätze noch keinen Sinn, & wir müßten erst zeigen, wie ein richtiger Satz ausschaut. Anderseits scheint es klar: wo Sinn ist, muß vollkommene Ordnung sein. Also muß die vollkommene Ordnung auch im vagsten Satz stecken. Die Idee: das Ideal ‘müsse’ sich in der Realität finden, während man nicht sieht, wie es sich darin findet; & nicht das Wesen dieses “muß” versteht.
     “Der Sinn des Satzes kann freilich das eine oder andere || dies oder jenes offen lassen, aber der Satz muß doch einen bestimmten Sinn haben.”
Oder auch: “Ein ‘unbestimmter Sinn’, das wäre eigentlich gar kein Sinn”: Das ist, wie wenn man sagt: “eine unscharfe Begrenzung, das ist eigentlich gar keine
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Begrenzung”. Man denkt da etwa so: Wenn ich sage: “Ich habe diesen Mann fest im Zimmer eingeschlossen – nur eine Tür ist offen geblieben”, – so habe ich ihn eben gar nicht eingeschlossen; er ist nur zum Schein eingeschlossen. Man möchte da || hier sagen: “also hast Du damit gar nichts getan.” Und doch hat er etwas damit getan. Eine Umgrenzung, die ein Loch hat – möchte man sagen ist so gut, wie gar keine. Aber ist denn das wahr?
   

“Die Regeln eines Spiels können wohl eine gewisse Freiheit lassen, – aber sie müssen doch ganz bestimmt sein.” Das wäre, als sagte man: “Du kannst zwar einem Menschen durch die vier Wände eines Zimmers eine gewisse Freiheit || Bewegungsfreiheit lassen, aber die Wände müssen vollkommen starr sein.” Sagst Du nun aber: “Die Wände können wohl elastisch sein, aber dann haben sie eine || eben eine ganz bestimmte Elastizität”, || was heißt das nun noch? Es scheint zu sagen, daß man diese Elastizität nun muß angeben können, – aber das ist wieder nicht wahr. – “Der || Ein Stab hat immer eine bestimmte Länge, ob ich sie angeben kann, oder nicht”, das ist eigentlich das Bekenntnis zu einer bestimmten Ausdrucksform. Derjenigen nämlich, die sich der Form eines Ideals der Genauigkeit bedient. Gleichsam als eines Parameters der Darstellung.
     “Es ist doch kein Spiel, wenn es eine Vagheit in den Regeln gibt.” – Aber ist es dann kein Spiel? – “Ja, vielleicht wirst Du es ‘Spiel’ nennen, aber es ist doch kein || jedenfalls nicht ein ideales, ein reines Spiel”.
D.h.: es ist dann ein verunreinigtes Spiel und ich interessiere mich dann für
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das, was verunreinigt ist. Aber das Ideal ist Deine Ausdrucksform; & Du wendest sie unrichtig an. Es ist, als wenn Du sagtest: “Der Umfang dieses Rades ist wirklich D × Π” (so genau ist es gearbeitet. || ).
     [Noch zu durchdenken]
     Das Bekenntnis zu einer Ausdrucksform, wenn es ausgesprochen wird in der Form eines Satzes über den Gegenstand || die Gegenstände der Betrachtung, muß allerdings ‘a priori’ sein: das heißt; || , sein Gegenteil || sein. Denn sein Gegenteil wird ja wirklich undenkbar, || unbrauchbar, da ihm eine Denkform, (Ausdrucksform) entspricht, die ich eben || ja nicht verwende. || die ich (ja eben) ausgeschaltet || ausgeschlossen habe. (Das ‘a priori’ ist eine Darstellungsform für eine Darstellungsform.) ¤
     Wie kann ich den Satz jetzt verstehen, wenn die Analyse soll zeigen können, was ich eigentlich verstehe? – Hier spielt die Idee des Verstehens || vom Verstehen als eines sonderbaren geistigen Vorgangs hinein.
     Die strengen & klaren Regeln des logischen Satzbaues erscheinen als etwas im Hintergrund; || liegen im Hintergrund; im Medium des Verstehens versteckt. Man kann sagen: “sie müssen da sein”. Ich sehe sie schon jetzt,“ || wie aus der Entfernung,” || da ich ja das || die Zeichen verstehe, etwas mit ihm || ihnen meine. Der ideal strenge Bau scheint also etwas Konkretes. || scheint mir als etwas Konkretes. – Ich hatte ein Gleichnis gebraucht, || aber durch die grammatische Täuschung, – daß dem Begriffswort Eines entspricht || dem Begriffswort entspräche Eines, das Gemeinsame alles unter ihn Fallenden || der Gegenstände, – erschien es nicht als Gleichnis.

     Wir haben nun eine Theorie (‘dynamische’ Theorie),
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aber sie erscheint nicht als Theorie || Tendenz der Verallgemeinerung.
Wir wollen nicht einfach beschreiben, was schon offen da liegt, sondern ‘in das || ins Innere dringen’: || sondern tiefer dringen: || Wir wollen nicht einfach die Erscheinung beschreiben, sondern ‘in ihr Inneres dringen’: || Wir wollen nicht einfach beschreiben, was schon offen vor uns liegt, sondern ins Innere || hinein sehen: Wir suchen || verlangen eine Idee. – || Wir verlangen nach einer Idee.
     Schopenhauer: Der Mensch lebt || Die Lebenszeit des Menschen ist eigentlich 100 Jahre. – So muß es sein! ”Jetzt haben wir's verstanden.” || “Natürlich! So muß es sein.” Es ist da, als habe man nun die Absicht, sozusagen eines Schöpfers, verstanden. (“Das ergibt Sinn”, könnte man auch sagen.) Man fragt sich nicht: “Wie lange leben Menschen wirklich?” (Ist es überall gleich? etc. etc..) Das erscheint jetzt beinahe als etwas Oberflächliches; denn || sondern man hat etwas tiefer Liegendes verstanden. – Wir sind auf eine Form der Darstellung gekommen, die uns einleuchtet. Aber es ist, als haben wir nun etwas gesehen, was unter der Oberfläche liegt.
     Diese Tendenz || Die Tendenz zu verallgemeinern aber scheint in der Logik ihre strenge Berechtigung zu haben; man scheint hier mit voller Berechtigung zu schließen: “Wenn ein Satz ein Bild ist, so muß jeder Satz ein Bild sein, denn sie müssen alle wesensgleich sein. (Jeder Satz sagt: es verhält sich so & so.)” Denn wir sind ja eben in der Täuschung, das Sublime, Wesentliche, unserer Untersuchung liege darin, daß sie ein unvergleichliches || allumfassendes Wesen erfaßt || erfasse.
     Das Ideal aber sitzt unverrückbar fest.
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Du kannst nicht aus ihm heraustreten. Du mußt immer wieder zurück. Es gibt gar kein Draußen; draußen fehlt die Lebensluft. – Woher dieses Erlebnis? – Die Idee scheint unverrückbar fest, || unausweichlich: denn sie ist eine Darstellungsform, aber wir sind weit entfernt davon, sie als Darstellungsform zu erkennen. Sie sitzt als Brille auf unsrer Nase & was wir ansehen, sehen wir durch sie. Wir kommen gar nicht auf den Gedanken, sie abzunehmen.9 ¥
   

Wenn wir nun || aber glauben, jene Ordnung, das Ideal, in unsrer || der wirklichen Sprache finden zu müssen, kommen wir leicht dazu || dahin von einem ‘eigentlichen’ Zeichen (Satz oder Wort) zu reden, das eigentliche Zeichen zu suchen, im Gegensatz zu dem, was || sozusagen hinter dem, was im gemeinen Sprachgebrauch “das Zeichen” “der Satz” “das Wort”, genannt wird. || so heißt. Denn uns verlangt nach etwas Reinerem, als das Zeichen im Sinne des geschriebenen, oder gedruckten Wortes, etc. ist. Wir suchen nach einem sublimeren Wesen. So kommt man auch dazu, statt des Wortes & Satzes – im gewöhnlichen Sinne – die Vorstellung von Wort & Satz als das wahre Zeichen ansehen zu wollen. Man sucht nach || Und man fahndet nach einer ‘vollständigen’ Grammatik der Wörter, die ‘alle Regeln’ angibt || enthält, welche von den Worten gelten || Eine ‘vollständige’ Grammatik der Wörter, enthält ‘alle Regeln’, die von ihnen handeln. ¥ Es ist, als müßten wir die || unsere Sprache selbst erst in Ordnung bringen, & wir werden also || da von || & als würden wir da von allen (unsern) Hilfsmitteln im Stich gelassen || alten Stützen verlassen. || ¤ Allem im Stich gelassen.
Wir zerbrechen uns nun über das Wesen des Zeichens den Kopf.

Hier || In dieser Lage ist es schwer, schrieb ich einmal, gleichsam den Kopf
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[Weiß nicht, ob es hierher gehört.]
oben zu behalten, – zu sehen, daß wir bei den Dingen des alltäglichen Denkens bleiben müssen & nicht auf den Abweg zu geraten, wo es scheint als müßten wir letzte || die letzten Feinheiten beschreiben, die wir doch wieder mit unsern Mitteln gar nicht beschreiben könnten.
Es ist uns, als sollten wir ein zerstörtes Spinnennetz mit unsern Fingern (wieder) in Ordnung bringen.
[Nicht weiter]

     

Wenn wir nun aber den Blick auf die wirkliche Sprache richten, & sie aufmerksam betrachten, – so erkennen wir nach & nach eine seltsame Täuschung.
Die Kristallstruktur, die wir in ihr zu sehen schienen, erscheint, wie durch eine optische Täuschung in sie verlegt worden zu sein. –
      Wenn10 die Ursachen dieser Täuschung behoben || beseitigt werden, können wir nun die Sprache sehen, wie sie wirklich ist.

     “Die Sprache (oder, das Denken) ist etwas Einzigartiges”, das erweist sich als ein Aberglaube (nicht Irrtum!)
     Je näher wir aber die tatsächliche Sprache betrachten || länger wir aber die tatsächliche Sprache aufmerksam betrachten, desto stärker wird der Widerstreit zwischen der || unserer || zwischen ihr & unserer Forderung (der Kristallstruktur) & dem, was wir sehen. || da ist. Wollen wir sie || unsere Annahme aufrecht erhalten, so wird sie nun zu etwas Leerem. || so droht sie nun zu etwas Leerem zu werden. || Der Widerstreit wird unerträglich. Die Forderung droht nun zu etwas Leerem zu werden.
     Wir sind aufs Glatteis geraten, wo die Reibung fehlt, also die Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind, aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir wollen gehen; || ! – dann brauchen wir die Reibung! || . Zurück auf den rauhen Boden! [Aber wie steht es da mit uns?] [Das heißt doch, ich habe mich verleiten lassen in dem Äther zu schweben & habe die Erde unter den Füßen verloren. Also schnell zurück! – Und nun kommt noch ein Einwand.]
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Zu wirklichen Beispielen.
     Hier erkennen wir nun, daß was wir “Satz”, “Sprache”, nennen, eine Familie ist || nicht die formelle Einheit, ist die ich mir vorstellte, sondern eine Familie mehr oder weniger mit einander verwandter Gebilde. Aber was || Was aber wird nun aus der Logik? || Was wird nun aber || Was aber wird nun aus der Logik? Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim zu gehen.
     Nun ist es aber nicht so, daß wir uns etwas von jener Kristallreinheit abhandeln lassen können! Das Vorurteil, was in ihr liegt, kann nur so beseitigt werden, daß wir unsere ganze Betrachtung drehen; & || . Und dadurch jene Reinheit an einen andern Platz stellen. || jener Reinheit einen andern Platz geben.

     (Man könnte sagen: Die Betrachtung muß gedreht werden, aber um unser eigentliches Bedürfnis als Angelpunkt.)
     (Man könnte Π ein Ideal nennen, denn es spielt in einem Sinne die Rolle eines Ideals, aber dieser Ausdruck wäre mit Vorsicht zu gebrauchen: “Wir streben bei der Konstruktion eines Kreises || kreisförmigen Gegenstandes das Ideal an, daß der Umfang D × Π betrage”.)
     “Die Sprache (oder, das Denken) ist etwas Einzigartiges”, das erweist sich als ein Aberglaube (nicht Irrtum!) hervorgerufen || erzeugt selbst durch grammatische Täuschungen || logische Mißverständnisse.
     Und auf diese Täuschungen || auf die Probleme fällt nun das Pathos zurück.

     Richtig war, daß unsere Betrachtungen nicht wissenschaftliche Betrachtungen sein durften. Die Erfahrung, “daß etwas sich denken lasse” (was immer das heißen mag) konnte uns nicht interessieren. Alle Erklärung mußte fort – & an ihre Stelle nur Beschreibung treten. Und diese Beschreibung empfing || empfängt ihr Licht, d.i. ihren Zweck, von den philosophischen Problemen. Diese sind freilich || nun keine
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empirischen, sondern sie werden durch eine Einsicht in das Arbeiten || Funktionieren unserer Sprache gelöst. Und zwar so, daß dieses Arbeiten enthüllt wird: entgegen einer Versuchung || Tendenz || Versuchung || Neigung es mißzuverstehen. Nicht || Und nicht durch Beibringung neuer Erfahrung, sondern durch Zusammenstellung des längst Bekannten.
     [Das Ideal ein Teil der Darstellung. – “Wie bist Du zu diesem Ideal gekommen?” – Warum sitzt es so fest, wie eine fixe Idee? Welche konkrete Vorstellung stand hinter dem Ideal? –]





   
[Anschließend an S. 76]
     Denn es schien, daß ihr eine besondere Tiefe – allgemeine Bedeutung – zukomme.
     Sie liege || , so schien es, am Grunde aller Wissenschaften. – Denn die logische Betrachtung erforsche || erforscht das Wesen aller Dinge. – Sie will den Dingen auf den Grund sehen, & soll sich nicht um das so oder so des tatsächlichen Geschehens kümmern.
      Sie entspringt nicht einem Interesse für Tatsachen des Naturgeschehens; noch dem Bedürfnisse, kausale Zusammenhänge zu erfassen. Sondern einem Streben, das Fundament, – oder Wesen, – alles Erfahrungsmäßigen || aller Erfahrung zu verstehen. Aber nicht so, als || Nicht aber, als sollten wir dazu neue Tatsachen aufspüren: es ist vielmehr wesentlich für unsere Forschung || es ist vielmehr || vielmehr ist es für unsre Forschung || Bestrebung || unser Streben wesentlich, daß wir nichts Neues mit ihr || in ihr lernen wollen || daß wir nichts Neues lernen wollen || daß wir gar nichts Neues lernen wollen. Wir wollen etwas verstehen, || : – was schon offen vor unsern Augen liegt. Denn das scheinen wir, in irgend einem Sinne, nicht zu verstehen.
     Augustinus (Confessiones XI/14): “quid es ergo tempus? si nemo ex me quaerat scio; si quaerenti explicare velim, nescio.”
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     Dies könnte man nicht von einer Frage der Naturwissenschaft sagen (z.B.: wie groß || welches ist das spezifische Gewicht des Wasserstoffes). – Das, was man weiß, wenn uns niemand fragt, aber nicht mehr weiß, wenn wir es erklären sollen, ist etwas, worauf man sich besinnen muß. (Und offenbar etwas, worauf man sich, aus irgend einem Grunde, schwer besinnt.)
   
87
     Es ist uns, als müßten wir die Erscheinungen durchschauen: Unsere || unsere Untersuchung aber richtet sich nicht auf die Erscheinungen, sondern – wie man sagen könnte – auf die ‘Möglichkeiten’ der Erscheinungen: Wir besinnen uns, heißt das, auf die Art der Aussagen, die wir über die Erscheinungen machen. Daher besinnt sich auch Augustinus auf die verschiedenen Aussagen, die man über die Dauer von Ereignissen, über ihre Vergangenheit, Gegenwart, oder Zukunft macht. (Dies sind natürlich nicht philosophische Aussagen über die Zeit, Vergangenheit, Gegenwart & || & Zukunft.)
   
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     Unsere Betrachtung ist daher || also eine grammatische. – Wenn sie aber zum Ziele führt, so geschieht dies dadurch, daß sie Mißverständnisse wegräumt. || Und diese Betrachtung || sie bringt Licht in unser Problem: indem sie Mißverständnisse wegräumt. Mißverständnisse nämlich, welche den Gebrauch der Worte || Wörter (in) unserer Sprache betreffen, & die hervorgerufen werden || sind durch Analogien unter unseren Ausdrucksformen || , welche unter unseren Ausdrucksformen bestehen.
     Und die || diese Mißverständnisse kann man dadurch beseitigen, daß man gewisse Ausdrucksformen durch andere ersetzt; & dies kann man ein “Analysieren” unsrer Ausdrucksformen nennen, denn der || dieser Vorgang hat oft || eine
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Ähnlichkeit mit dem einer Zerlegung. || Zerlegung.
   
89
     Nun aber kann es den Anschein gewinnen, als gäbe es: || so etwas wie eine letzte Analyse unserer Sprachformen; also eine vollkommen zerlegte Form des Ausdrucks. D.h., || : als seien unsere gebräuchlichen Ausdrucksformen – wesentlich, noch unanalysiert; als || . Als sei in ihnen etwas verborgen, was ans Licht zu befördern ist. Ist dies geschehen, – so sei der Ausdruck (damit) vollkommen geklärt & unsre Aufgabe gelöst.
     Man könnte || kann das || dies auch so sagen: Wir beseitigen Mißverständnisse, indem wir unsern Ausdruck exakter machen: aber es kann nun so scheinen, als ob wir einem bestimmten Zustand, der vollkommenen Exaktheit, zustreben; & als sei || wäre das das eigentliche Ziel unsrer Untersuchung.
   
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     Dies drückt sich aus in der Frage nach dem Wesen der Sprache, – des Satzes, – des Denkens. – Denn wenn wir auch, in unsern Untersuchungen, das Wesen der Sprache – ihre Funktion, ihren Bau – zu verstehen trachten || suchen, so ist es doch nicht das was diese Frage im Auge hat. Denn sie sieht in dem ‘Wesen’ nicht etwas, was schon offen zutage liegt, || ; – & was durch Ordnen übersichtlich wird. Sondern etwas, was unter der Oberfläche liegt. Etwas, was im Innern liegt, – was wir sehen, wenn wir die Sache durchschauen & was eine Analyse hervorgraben soll.
     ‘Das Wesen ist uns verborgen’: Das ist die Form,
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die unser Problem nun annimmt. Wir fragen: ‘Was ist die Sprache?’, ‘Was ist der Satz?’. Und die Antwort auf diese Fragen ist ein für allemal zu geben; & unabhängig von jeder künftigen Erfahrung.
   
91
     Einer könnte sagen: “ein Satz, das ist das Alltäglichste von der Welt”, & der Andre: “Ein Satz – das ist etwas sehr merkwürdiges!”
     Und dieser kann nicht: einfach nachschauen, wie ein Satz funktioniert || wie Sätze funktionieren, – weil die Formen unserer Ausdrucksweise, die Sätze & das Denken betreffend, ihm im Wege stehen.
   
92
     Warum sagen wir, der Satz sei etwas Merkwürdiges? Einerseits wegen der ungeheuren Bedeutung, die ihm zukommt. (Und das ist richtig.) Anderseits verführt uns diese Bedeutung & Mißverständnisse der Sprachlogik (dazu), daß wir meinen, der Satz müsse etwas Außerordentliches, ja Einzigartiges, leisten. – Durch ein Mißverständnis erscheint es uns, als tue der Satz etwas Seltsames.
   
93
     ‘Der Satz, ein merkwürdiges Ding!’: Darin liegt schon die Sublimierung der ganzen Darstellung. – Die Tendenz, ein reines Mittelwesen anzunehmen zwischen dem Satzzeichen & den Tatsachen. Oder auch das Satzzeichen selber reinigen, sublimieren, zu wollen. –
     Denn, daß es mit gewöhnlichen Dingen zugeht, das zu sehen, verhindern uns auf mannigfache Weise unsere Ausdrucksformen, indem sie uns auf die Jagd nach Chimären schicken.
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     Oder: “Denken muß etwas Einzigartiges sein.” Wenn wir sagen – meinen – daß es sich so & so verhält, so halten wir mit dem, was wir meinen, nicht irgendwo vor der Tatsache; sondern meinen, daß das & das so & so ist. –
     Man kann aber dieses Paradox (welches ja die Form einer Tautologie || Selbstverständlichkeit hat) auch so ausdrücken: Man kann denken, was nicht der Fall ist.
     Der besondern Täuschung, die hier gemeint ist, schließen sich, von verschiedenen Seiten, andere an. || : Das Denken, die Sprache, erscheint uns nun als das einzigartige Korrelat – Bild – der Welt.11
     Die Begriffe: Satz, Sprache, Denken, Welt stehen in einer Reihe hintereinander, jeder dem andern äquivalent. (Wozu aber sind diese Wörter nun zu brauchen? Es fehlt das Sprachspiel, das mit ihnen zu spielen ist.)
   
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     Das Denken ist mit einem Nimbus umgeben. –
     Sein Wesen – die Logik – stellt eine Ordnung dar & zwar die Ordnung a priori der Welt, d.i. die Ordnung der Möglichkeit, die Welt & Denken gemeinsam sein muß. Diese Ordnung aber, scheint es, muß höchst einfach sein. Sie ist vor aller Erfahrung, muß sich durch die ganze Erfahrung hindurchziehen; || : ihr selbst darf keine erfahrungsmäßige Trübe oder Unsicherheit anhaften.
     Sie muß vielmehr vom reinsten Kristall sein. Dieser Kristall aber erscheint nicht als eine Abstraktion, sondern als etwas Konkretes – ja, als das Konkreteste; || gleichsam [Afterthought]12 Härteste.
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     Wir sind in der Täuschung, || : das Besondere, Tiefe, das uns Wesentliche unserer Untersuchung liege darin, daß sie das unvergleichliche Wesen der Sprache zu begreifen trachtet: D.i. die Ordnung, die zwischen den Begriffen des Satzes, || Wortes, || Schließens, || der Wahrheit, || der Erfahrung u.s.w., besteht. Diese Ordnung ist eine Über-Ordnung zwischen – sozusagen – Über–Begriffen.
     (Während ja || in Wirklichkeit die Worte “Sprache”, “Erfahrung”, “Welt”, wenn sie eine Verwendung haben, eine so niedrige haben müssen, wie die Worte “Tisch”, “Lampe” & “Tür”.)
   
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     Einerseits ist klar, daß jeder Satz unsrer Sprache ‘in Ordnung ist, wie er ist’. D.h., daß wir nicht ein Ideal anstreben. Als hätten || besäßen unsere gewöhnlichen, vagen, Sätze noch keinen Sinn, & wir müßten erst zeigen, wie ein richtiger Satz ausschaut. Anderseits scheint es klar: wo Sinn ist, muß vollkommene Ordnung sein. Also muß die vollkommene Ordnung auch im vagsten Satz stecken.
   
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     “Der Sinn des Satzes”, möchte man sagen, “kann freilich eines oder das andere offen lassen || dies oder das offen lassen, || : aber der Satz muß doch einen bestimmten Sinn haben.” Oder: “Ein ‘unbestimmter Sinn’, das wäre eigentlich gar kein Sinn.” Das ist so, wie: || Das ist, wie wenn man sagt:Eine unscharfe Begrenzung, ist || das ist eigentlich gar keine Begrenzung”. Man denkt da etwa so: Wenn ich sage: “ich habe den Mann fest im Zimmer eingeschlossen, || nur eine Tür ist offen geblieben”, so habe ich ihn eben gar nicht eingeschlossen;
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er ist nur zum Schein eingeschlossen. Man möchte hier || wäre geneigt hier zu sagen: “also hast Du damit gar nichts getan”. Und doch hat er etwas (damit) getan. (Eine Umgrenzung, die ein Loch hat – möchte man sagen – ist so gut, wie gar keine. Aber ist denn das wahr?)
   
99
     Betrachte auch diesen Satz: “Die Regeln eines Spiels können wohl eine gewisse Freiheit lassen, – aber sie müssen doch ganz bestimmte Regeln sein.” Das wäre || ist (eigentlich), als sagte man: “Du kannst zwar einem Menschen durch vier Wände eine gewisse Bewegungsfreiheit lassen, aber die Wände müssen vollkommen starr sein.” – Sagst Du nun aber: || sein” – & das ist nicht wahr. Sagst Du aber: “die Wände können wohl elastisch sein, aber dann haben sie eine ganz bestimmte Elastizität”, – was sagt das nun noch? Es scheint zu sagen, daß man diese Elastizität muß angeben können, aber das ist wieder nicht wahr. “Das Ding hat immer eine bestimmte Länge (ob ich sie nun weiß, oder nicht”) , || : das ist eigentlich das Bekenntnis zu einer bestimmten Ausdrucksform. Derjenigen nämlich, die sich der Form eines Ideals der Genauigkeit bedient. Gleichsam als eines Parameters der Darstellung.
   
¥
100
[Siehe S. 98]
   
101
     “Es ist doch kein Spiel, wenn es eine Vagheit in den Regeln gibt.” – Aber ist es dann kein Spiel? – “Ja, vielleicht wirst Du es ‘Spiel’ nennen, aber es ist doch jedenfalls kein reines Spiel” || vollkommenes Spiel”. D.h.: es ist dann ein verunreinigtes Spiel & ich interessiere mich (dann) für das || doch dann verunreinigt, & ich interessiere mich für das, was verunreinigt ist. Aber das Ideal ist Deine Ausdrucksform, & Du bist versucht es falsch anzuwenden.
98
Aber ich will sagen, Du mißverstehst die Rolle, die das Ideal in Deiner Ausdrucksweise spielt. D.h.: auch Du würdest es ein Spiel nennen, nur bist Du vom Ideal geblendet & siehst daher nicht deutlich die wirkliche Anwendung des Wortes “Spiel”. (Es ist ähnlich, als wenn Du sagtest: “Der Umfang dieses Rades ist wirklich D × Π”; so genau ist es gearbeitet.)
   
[Fehlt mir die letzte Klarheit.]
   
[zu S. 97]
100
Das Bekenntnis zu einer Ausdrucksform, wenn es ausgesprochen wird in der Verkleidung als Satz, der von den Gegenständen handelt (statt von dem Zeichen), muß ‘a priori’ sein. Denn sein Gegenteil wird wirklich undenkbar, insofern ihm eine Denkform, Ausdrucksform, entspricht, die wir ausgeschlossen haben.
   
102
     Eine Vagheit in der Logik – wollen wir sagen – kann es nicht geben. Wir leben nun in der Idee: das Ideal ‘müsse’ sich in der Realität finden. Während man noch nicht sieht, wie es sich darin findet; & nicht das Wesen dieses “muß” versteht. Wir glauben, || es muß in ihr stecken, || denn wir glauben es schon in ihr zu sehen.
     Das Ideal, in unsern Gedanken, sitzt unverrückbar fest. Du kannst nicht aus ihm heraustreten. Du mußt immer wieder zurück. Es gibt gar kein Draußen; draußen fehlt die Lebensluft. – Woher dies? – Die Idee sitzt gleichsam als Brille auf unsrer Nase & was wir ansehen, sehen wir durch
98
sie. Wir kommen gar nicht auf den Gedanken, sie abzunehmen.
   
103
     Wie kann ich den Satz jetzt verstehen, wenn die Analyse soll zeigen können, was ich eigentlich verstehe? – Hier spielt die Idee des Verstehens als eines sonderbaren geistigen Vorgangs hinein.
   
104
     Die strengen & klaren Regeln des logischen Satzbaues erscheinen uns als etwas im Hintergrund; im Medium des Verstehens versteckt. Wir sehen sie schon jetzt (wenn auch durch ein Medium hindurch), da wir ja das Zeichen verstehen, etwas mit ihm meinen. Der ideal strenge Bau ist also || ich sehe sie schon jetzt (wenn auch durch ein Medium hindurch), da ich ja das Zeichen verstehe, etwas mit ihm meine. Der ideal strenge Bau erscheint mir als etwas Konkretes: || . – Ich hatte ein Gleichnis gebraucht; aber durch die grammatische Täuschung, dem Begriffswort entspräche Eines, das Gemeinsame aller seiner Gegenstände, erschien es nicht als Gleichnis.
   
105
     Wir haben nun eine Theorie (eine ‘dynamische’ Theorie des Satzes, etc.) aber sie erscheint nicht als Theorie. Es ist ja das Charakteristikum einer solchen Theorie, daß sie einen besonderen, klar anschaulichen, Fall ansieht – & sagt: “Das zeigt, wie es sich überhaupt verhält. Dies || Dieser Fall ist das Urbild aller Fälle.” – “Natürlich! So muß es sein.”, sagen wir, & sind zufrieden. Wir sind auf eine Form der Darstellung gekommen, die uns einleuchtet. Aber es ist, als haben wir nun etwas gesehen, was unter der Oberfläche liegt.
   
106
     Diese Tendenz nun, den klaren Fall zu verallgemeinern, scheint in der Logik
100
ihre strenge Berechtigung zu haben; man scheint hier mit voller Berechtigung zu schließen: “Wenn ein Satz ein Bild ist, so muß jeder Satz ein Bild sein, denn sie müssen alle wesensgleich sein.” Denn wir sind ja (eben) in der Täuschung, das Sublime, Wesentliche unserer Untersuchung liege || bestehe darin, daß sie ein allumfassendes Wesen erfasse.
   
107
     Wenn wir aber glauben, jene Ordnung, das Ideal, in der wirklichen Sprache finden zu müssen, kommen wir leicht dahin, von einem ‘eigentlichen’ Zeichen zu reden, das eigentliche Zeichen zu suchen, – hinter dem nämlich, was normalerweise ‘das Zeichen’ genannt wird.
     Denn uns verlangt nun nach etwas Reinerem. Der Sinn (das Wesen –) || das uns Wesentliche || (das Wesen) unserer Betrachtung erfordert || verlangt hier etwas Reineres; wovon || Reineres; wovon die strengen Regeln handeln. Die Gesamtheit dieser Regeln bilde die vollständige Grammatik des Zeichens. Der Satz, das Wort, wovon || von dem die Logik handelt, müsse || muß etwas Klares, Scharfgeschnittenes || mit reinen scharfen Zügen, || mit klaren, scharfen Zügen, sein. || müsse || muß etwas Reines & Scharfgeschnittenes sein. Wir zerbrechen uns nun über das Wesen des Zeichens den Kopf. – Ja, muß es nicht die Vorstellung des Wortes || vom Wort sein, ja die Vorstellung im gegenwärtigen Augenblick?!
     Hier ist es schwer, gleichsam den Kopf oben zu behalten, – zu sehen, daß wir bei den Dingen des alltäglichen Denkens bleiben müssen & nicht auf den Abweg zu geraten, wo es scheint, als müßten wir letzte || die letzten Feinheiten beschreiben, die wir doch wieder mit unsern Mitteln gar nicht beschreiben
101
könnten. Es ist, als sollten wir ein zerstörtes Spinnennetz mit unsern Fingern in Ordnung bringen.
     (Auch hier || in diesen Überlegungen rührt das Problematische nicht daher, daß wir noch nicht auf den Grund der Erscheinungen gekommen wären; sondern daher, daß wir uns in der Grammatik unserer Ausdrucksweise, die Zeichen, die physikalischen Gegenstände, betreffend, nicht auskennen.)
   
108 ﹖
     Je genauer wir aber die tatsächliche Sprache ansehen || uns ansehen, desto stärker wird der Widerstreit zwischen ihr & unsrer Forderung. (Die Kristallreinheit || Kristallklarheit der Logik hatte sich mir ja nicht ergeben, sondern ich hatte sie gefordert || sie war ja eine Forderung.) Der Widerstreit wird unerträglich; die Forderung droht nun zu etwas Leerem zu werden.
     Wir sind aufs Glatteis geraten, wo die Reibung fehlt, also die Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind, aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir wollen gehen; dann brauchen wir die Reibung. Zurück auf den rauhen Boden!
   
109
     Hier erkennen wir nun, daß, was wir “Satz”, “Sprache”, nennen, nicht die formelle Einheit ist, die ich mir vorstellte, sondern die Familie mehr oder weniger mit einander verwandter Gebilde. [Neue Zeile]
Was wird nun aber || aber wird nun aus der Logik? Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim zu gehen. –
     Verschwindet sie damit aber nicht ganz? – Denn, wie kann die Logik ihre Strenge verlieren?! – Natürlich nicht dadurch, daß
102
man ihr etwas von dieser || ihrer Strenge abhandelt. – Das Vorurteil, der Kristallreinheit kann nur so beseitigt werden, daß wir unsere ganze Betrachtung drehen. Und dadurch jene Reinheit an eine andere Stelle || einen anderen Platz tritt. || Und dadurch jene Reinheit eine andere Stelle erhält. (Man könnte sagen: Die Betrachtung muß gedreht werden, aber um unser eigentliches Bedürfnis als Angelpunkt.)
   
110
     Richtig war, daß unsere Betrachtungen nicht wissenschaftliche Betrachtungen sein durften. Die Erfahrung, ‘daß sich das oder das denken lasse¤, entgegen unserm Vorurteil’ (was immer das heißen mag) konnte mich || uns nicht interessieren. (Die pneumatische Auffassung des Denkens.) – Und wir dürfen keinerlei Theorie aufstellen. Es darf nichts Hypothetisches in unsern Betrachtungen sein.
     Alle13 Erklärung muß fort, & nur Beschreibung an ihre Stelle treten. Und diese Beschreibung empfängt ihr Licht, d.i. ihren Zweck, von den philosophischen Problemen. Diese sind freilich keine empirischen, sondern sie werden durch eine Einsicht in das Arbeiten unserer Sprache gelöst: & zwar so, daß dieses erkannt wird: entgegen einem Trieb es mißzuverstehen. Die Probleme werden gelöst, nicht durch Beibringen neuer Erfahrung, sondern durch Zusammenstellung des längst Bekannten. Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer || unsrer Sprache.
103

     “Die Sprache (oder das Denken) ist etwas Einzigartiges”, das erweist sich als ein Aberglaube (nicht Irrtum!) erzeugt || hervorgerufen selbst durch grammatische Täuschungen.
     Und (auf diese Täuschungen,) auf die Probleme, fällt nun das Pathos zurück.
   
[Bemerkungen.] [Unverdaute Brocken heißen nichts.]

     Wenn ich (nämlich) über die Sprache – Satz, Wort, etc. – rede, muß ich die Sprache des Alltags reden. – Aber gibt es denn eine andere?
     (Die Frage “Was ist ein Wort?” ist ganz analog der: “Was ist eine Schachfigur?”.)
     Daß ich bei meinen Erklärungen die Sprache betreffend schon die volle Sprache anwenden muß (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige), || Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muß, zeigt schon, daß ich nur Äußerliches über die Sprache vorbringen kann. (⋎ [Bemerkung: Rechtschreibung des Wortes “Rechtschreibung”.)
     Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? – Nun, Deine Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefaßt; mußten in dieser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war!
     Und Deine Skrupel sind Mißverständnisse.
     Deine Fragen beziehen sich auf Wörter, so muß ich von Wörtern reden.
     Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch nur alles Interessante, d.h. alles Große & Wichtige, zu zerstören scheint? (gleichsam alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken
104
& Schutt übrig läßt.)
   
111
     Die Probleme, die durch ein Mißdeuten unserer Sprachformen entstehen, haben den Charakter der Tiefe. Es sind tiefe Beunruhigungen; sie wurzeln so tief in uns, wie die Formen unserer Sprache & ihre Bedeutung ist so groß, wie die Wichtigkeit unserer Sprache.
   
112
     Fragen wir uns: Warum empfinden wir einen grammatischen Witz im gewissen Sinne als tief? || einen grammatischen Witz ‘tief’? (Und das ist natürlich || ja die philosophische Tiefe.)
     (Worin liegt die Tiefe des Witzes: “We called him tortoise because he taught us”? Wir werden plötzlich aufmerksam darauf, daß eine solche Ableitung des Substantivs unmöglich ist. – Warum sollte sie aber so unmöglich sein? Sie ließe sich auch sehr wohl denken (tschechische Zunamen die ein Imperfektum sind). Und nun scheint der Witz seine Tiefe verloren zu haben. Dies kommt aber daher, daß wir unsere Aufmerksamkeit verschoben haben. – Betrachte ein anderes Beispiel: Lichtenberg läßt eine Magd in einem Brief über Literatur die Zahl Hundert so schreiben: 001. Wenn man sich sagt: “nun, es könnte ja auch in der andern Richtung geschrieben werden” – so fühlt man die Tiefe der Komik nicht. Diese liegt, glaube ich, in dem Zusammenhang unseres Dezimalsystems, in welchem das Zeichen
105
“001” eine gewisse Stelle hat || innehat. Die Tiefe der Absurdität des “001” erscheint erst für den, der, sozusagen, die mathematischen Konsequenzen aus diesem Schreibfehler ziehen kann. Nicht für den, der nur weiß, daß man so nicht ‘hundert’ schreibt. – Man kann, das ‘taught us’ betreffend, sagen: Ein Verbum hat für uns, eine Grundstellung (wie man bei Turnübungen sagt), & dann verschiedene Stellungen verschiedenen Verrichtungen gemäß. Eine beliebige dieser Stellungen als || zur Bezeichnung dessen nehmen, der (z.B.) lehrt, ist so, als nähme man für das Standbild eines Menschen irgend eine Stellung, in der er sich auch einmal befinden kann. Die Grundstellung, könnte man sagen, repräsentiert den Menschen & der Infinitiv das Verbum. Es hätte so für uns nicht das Komische von || des Substantivs “taught us”, wenn man statt dessen den Infinitiv des Verbums || Verbs zur Bezeichnung des Lehrenden verwendet hätte. – Die Tiefe der Absurdität liegt hier wieder in Verhältnissen, die einer längeren Erklärung bedürfen, || , die eine längere Erklärung zulassen, weil sie den eigentümlichen Bau unserer Sprache betreffen. – Wenn wir auf das System unserer Sprache sehen, dann haben wir das Gefühl der Tiefe. Es ist, als sähen wir durch ihr Netz die ganze Welt. || durch ihr Netz hindurch die ganze Welt.¤
Gehört auf S. 109

     (Die Anlage || Fähigkeit zur Philosophie beruht auf der Fähigkeit, von einer Tatsache der Grammatik einen starken & nachhaltigen Eindruck zu empfangen.)
   
113
     Die philosophischen Fragen werden gelöst || zur Ruhe gebracht, dadurch, daß der Darstellungsform
106
unserer Sprache der, uns beunruhigende || ein uns beunruhigender Aspekt genommen wird.
     Ein Gleichnis, das in die Formen unserer Sprache aufgenommen ist, bewirkt einen falschen Schein: Dieser || der beunruhigt uns: “Es ist doch nicht so!” – sagen wir. – “Aber es muß doch so sein!
     Denk, wie uns das Substantiv “Zeit” ein Medium vorspiegeln kann; wie es uns in die Irre führen kann, daß wir einem Phantom auf & ab nachjagen. (“Aber hier ist doch nichts! – Aber hier ist doch nicht nichts!”) – Oder denke an das Problem: Wir können die Dauer eines Ereignisses messen, & doch ist sie nie gegenwärtig. – Oder denk an das Problem, das uns daraus entsteht, daß das Wort “ist” die Kopula & das Gleichheitszeichen ist. Die Rose ist rot, & ist doch wieder nicht rot. – Und das Gesetz || der Satz der Identität sagt doch etwas, – & er sagt doch wieder nichts.
     Man weiß keinen Ausweg, denn die Sprache scheint uns keinen zu lassen.
   
114
     Wir ändern nun den Aspekt, indem wir unsern Ausdrucksformen || unsre Ausdrucksform || einem System des Ausdrucks andere an die Seite setzen || stellen. – So kann der Banneiner Analogie || , in dem uns eine Analogie hält, gebrochen werden, wenn man uns eine andere angeboten || anbietet || indem ihr eine andere an die Seite gestellt wird || ¤ wenn man ihr eine andere an die Seite stellt die wir als gleichberechtigt anerkennen || anerkennen müssen. – Wir sind geneigt, den Satz der Identität als Grundprinzip || Grundgesetz des Seins aufzugeben, || fallen zu lassen, wenn uns ein System des Ausdrucks gezeigt wird, das diesen Satz mit andern, die uns auf ähnliche Weise beunruhigten, || beunruhigt haben, systematisch aus unsrer
107
Sprache || Notation ausschließt. – Und wir greifen zu der Notation, die das Wort “ist” einmal durch “ε”, einmal durch “ = ” ersetzt & das Problem der ‘Identität in der Verschiedenheit’ verschwindet.
“Ach so –” sagen wir, wenn uns die philosophische Erklärung gegeben wird, & atmen auf.
14
     Das Seltsame an der philosophischen Beunruhigung & ihrer Lösung möchte scheinen, daß sie ist, wie die Qual des Asketen || wie die Qual des Asketen ist, der, eine schwere Kugel unter Stöhnen || Leiden stemmend, || unter Stöhnen || Leiden eine schwere Kugel stemmend, || eine schwere Kugel stemmend, betäubt unter Stöhnen || Leiden dastand, & den ein Mann erlöste, indem er ihm sagte: “laß sie fallen”. Man fragt sich: Wenn Dich diese Sätze beunruhigen, Du nichts mit ihnen anzufangen wußtest, warum ließest Du sie nicht schon früher fallen, was hat Dich daran gehindert? – Es war das System des Ausdrucks, welches mich in Bann hielt.
   
115
     Eine Hauptquelle unseres Unverständnisses ist, daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen. – Unserer Grammatik fehlt es an Übersichtlichkeit.
     Die übersichtliche Darstellung vermittelt das Verstehen || Verständnis, welches eben, darin besteht, daß wir die Zusammenhänge sehen. Daher die Wichtigkeit des Findens der Zwischenglieder. [ursprünglich in verkehrter Reihenfolge]15
     Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. Er bezeichnet die || unsere Darstellungsform, die Art, wie wir die Dinge sehen. (Vielleicht ist dies eine Art der ‘Weltanschauung’. Spengler.)
   
116
     Die Philosophie darf den tatsächlichen Gebrauch der Sprache in keiner Weise antasten, sie kann ihn am Ende also
108
nur beschreiben.
     Denn sie kann ihn auch nicht begründen.
     Sie läßt alles wie es ist.
     Sie läßt auch die Mathematik wie sie ist (jetzt ist) und keine mathematische Entdeckung kann sie weiter bringen.
     Ein “führendes Problem der mathematischen Logik” (Ramsey) ist ein Problem der Mathematik, wie jedes andere.
   
117
     Ein Gleichnis gehört zu unserem Gebäude; aber wir können auch aus ihm keine Folgen ziehen; es führt uns nicht über sich selbst hinaus, sondern muß als Gleichnis stehen bleiben. Wir können keine Folgerungen daraus ziehen. So, wenn wir den Satz mit einem Bild vergleichen (wobei ja, was wir unter “Bild” verstehen, schon früher in uns festliegen muß) oder die Anwendung der Sätze, das Operieren mit ihnen || Sätzen, mit einer || der Anwendung eines Kalküls, z.B. des Multiplizierens.
     Die Philosophie stellt eben alles bloß hin, & erklärt & folgert nichts.
     Da alles offen daliegt, ist auch nichts zu erklären. Denn, was etwa verborgen ist, interessiert uns nicht.
   
118
     ‘Philosophie’ könnte man auch das nennen, || : || sagen sei das, was vor allen neuen Entdeckungen & Erfindungen möglich ist.
     Wenn Einer die Lösung des ‘Problems des Lebens’ gefunden zu haben glaubt, & sich sagen wollte, jetzt ist || sei alles ganz leicht, so brauchte er sich zu seiner Widerlegung nur erinnern, daß es eine Zeit gegeben hat, wo sie || diese Lösung nicht gefunden war; aber auch zu der Zeit || damals
109
mußte man leben können, & im Hinblick auf sie erscheint die gefundene Lösung als || wie ein Zufall. Und so geht es in der Logik. Wenn es eine ‘Lösung’ – wie eines mathematischen Problems – der logischen, d.i. philosophischen, Probleme gäbe, so müßten wir uns nur vorhalten, daß sie ja einmal nicht gelöst waren (& auch da mußte man leben & denken können).
   
119
     Die Arbeit des Philosophen ist ein Zusammentragen von Erinnerungen zu einem bestimmten Zweck. ⋎[Siehe S. 105 unten] ¥
     Das Lernen der Philosophie ist wirklich ein Rückerinnern. Wir erinnern uns, daß wir die Worte wirklich auf diese Weise gebraucht haben.
     Wollte man Thesen in der Philosophie aufstellen, es könnte nie über sie zur Diskussion kommen, weil || da Alle mit ihnen einverstanden wären.
   
120
     Die philosophisch wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit & Alltäglichkeit verborgen.
     (Man kann es nicht bemerken, weil man es immer offen vor Augen hat.)
     (Die eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar nicht auf. Es sei denn, daß ihm dies einmal zum Bewußtsein gekommen || aufgefallen ist. – Und das heißt, das in anderm Sinn Auffallendste (Stärkste) fällt ihm nicht auf.)
   
121
     Der Philosoph trachtet, das erlösende Wort zu finden, das ist das Wort, das uns endlich erlaubt, das zu fassen, was bis dahin || dorthin || bis jetzt immer, ungreifbar, unser Bewußtsein belastet
110
hat. (Es ist, wie wenn man ein Haar auf der Zunge liegen hat; || uns ein Haar auf der Zunge liegt; man spürt es, aber kann es nicht fassen & darum nicht los werden.)
     Eine unsrer wichtigsten Aufgaben ist es, alle falschen Gedankengänge, so charakteristisch auszudrücken, daß der Leser sagt: “Ja, genau so habe || hab' ich es gemeint”. Die Physiognomie jedes Irrtums nachzuzeichnen.
     Wir können auch niemand eines Fehlers überführen, außer wenn er || nur dann den Andern eines Fehlers überführen, wenn || Wir können auch nicht den Andern eines Fehlers überführen, es sei denn daß er diesen Ausdruck als den eigentlichen Ausdruck seines Gefühls anerkennt.
     Nämlich nur wenn er ihn als solchen anerkennt, ist er der richtige Ausdruck. (Psychoanalyse.)
     Was der Andre anerkennt, ist die Analogie, die ich ihm darbiete, als Quelle seines Gedankens.
   
122
     So befreien wir auch vom Bann des Ideals, indem wir es als Bild anerkennen, dessen Ursprung wir angeben. – || anerkennen & seinen Ursprung angeben. Wie bist Du zu diesem Ideal gekommen; || ? aus welchem Material hast Du es geformt? Welche konkrete Vorstellung war sein eigentliches Urbild? Dies müssen wir uns fragen, sonst können wir seinen Bann || irreführenden Aspekt nicht los werden. (Ästhetik.)
     Es ist von der größten Bedeutung, daß wir uns zu einem Kalkül der Logik immer ein Beispiel denken, worauf er wirklich anzuwenden ist; & nicht Beispiele geben & sagen: dies seien nicht die idealen, für die der Kalkül wirklich gelte, diese aber hätten wir noch nicht. Das ist das Zeichen einer falschen Auffassung. Kann ich den Kalkül
111
überhaupt verwenden, dann ist das auch die ideale Verwendung & die Verwendung, um die es geht. – Man will nämlich nicht das reale Beispiel als das eigentliche ideale || die ideale Verwendung anerkennen, da man in ihm allerlei Verhältnisse sieht, eine Mannigfaltigkeit, um die er sich nicht kümmert (die er gleichsam übersieht.), || die ihn nicht berührt || die ihm nicht entspricht. (die er gleichsam übersieht). Aber es ist das Urbild unseres || der wahre Gegenstand, das || das wahre Material, des Kalküls & er davon hergenommen; || , & || . Und dies ist kein Fehler, keine Unvollkommenheit des Kalküls. Der Fehler lag darin, seine Anwendung in nebelhafter Ferne zu versprechen.
     Man könnte sich denken, daß jemand sagt: “Wenn man || ich Rutenbündel || eine Menge Rutenbündel zählt || zähle, – die eigentlichen || das eigentliche Bündel können doch || ja nicht die Stäbe sein. Denn die Stäbe können abbrechen, & herausfallen, – & doch bleibt das Bündel das Bündel. Die Stäbe: || ; das ist eine unreinliche Angelegenheit || etwas Unreinliches, & eine unreinliche Sache, & ich könnte dieses Unklare nicht mit meinen reinen, klaren Zahlen 1, 2, 3, … zählen.” (Aber einmal müßtest Du den Schritt doch machen, vom reinen, Klaren – zum Unreinlichen. Das Reine, Klare aber ist das Spiel der Zeichen.)
     Nur so nämlich können wir der Ungerechtigkeit – oder Leere unserer Behauptungen entgehen, indem wir das Vorbild als das, was es ist, als Vergleichsobjekt – sozusagen als Maßstab – hinstellen; & nicht als das Vorurteil, dem die Wirklichkeit entsprechen müsse. (Ich denke an die Betrachtungsweise Spenglers.) Hierin nämlich liegt derjenige || ein gewisser Dogmatismus, in den unsre Philosophie so leicht verfallen kann.
112

     Es ist wahr: eine Maßeinheit ist gut gewählt, wenn sie viele der Längen, die wir mit ihr messen wollen, in ganzen Zahlen ausdrückt. Aber der Dogmatismus behauptet, jede Länge müsse ein ganzes Vielfaches der || unserer Maßeinheit sein.
   
123
     Ich habe seinerzeit (in der Log. Phil. Abh.) gesagt, der ‘Elementarsatz’ sei eine Verkettung von Namen. Den Namen entsprächen Gegenstände & dem Satz entspreche ein Komplex von Gegenständen || aus ihnen. Dem Satz, “Die Flasche steht rechts vom Glas”, wenn er wahr ist, entspricht der Komplex bestehend aus der Flasche, dem Glas & der Relation Rechts-Links (oder wie man sie bezeichnen will).
     Die sprachwidrige Verwendung des Wortes “Gegenstand” & “Komplex”!! Sagt man denn von einem Häuserkomplex er besteht || Ein Häuserkomplex besteht doch bloß aus den Häusern & aber nicht aus ihnen & ihren gegenseitigen Lagen zu einander?! Und wenn ich sage, es stehen || ich sehe drei Gegenstände auf dem Tisch, so meine ich doch nicht: das Glas, die Flasche & ihre räumliche Beziehung! ¥ ˂ ⋎ [auf S. 113]
   
124
     Aber ich suche, suche krampfhaft, nach einem System, nach einer Einheit aller Sätze. – Und nun werde ich der Gefangene gewisser || bestimmter Ausdrucksformen unserer || meiner Sprache, bleibe im Netze der Sprache hängen. [Neue Zeile] Denn, || Und, wenn ich || wir statt dem Satz “die Flasche ist blau” sagen: “die Flasche hat die Eigenschaft Blau”, statt “die Flasche steht auf dem Tisch || rechts vom Glas sage: “die Flasche hat zu dem Tisch die || steht zum Tisch in der Beziehung des Daraufstehens”, u.s.f., – so kann es doch || ja wirklich scheinen, als sei jeder
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solche Satz eine Verbindung von Namen. Denn alle || die Wörter mit quasi ‘materieller’ Bedeutung erscheinen hier verstreut in einem Netz rein logischer Beziehungen.

     Man kann, für Andere verständlich, von Kombinationen von Farben mit Formen sprechen (etwa der Farben rot & blau mit den Formen Quadrat und Kreis), ebenso wie von Kombinationen verschiedener Formen oder Körper.
     Und hier haben wir || dies ist die Wurzel des || Quelle meines irreleitenden || schiefen Ausdrucks, || : die Tatsache sei ein Komplex von Gegenständen. Es wird also, daß ein Mensch krank ist, verglichen mit der Zusammenstellung zweier Dinge, wovon das eine der Mensch, das andre die Krankheit wäre.
     
Und wieder: Allen Wörtern im Satz entspricht || Alle Wörter im Satz bezeichnen etwas, denn “Paul” bezeichnet das, “haben” das, “drei” das & “Apfel” das. || dem Wort “Paul” entspricht das, dem Wort “ist” das, dem Wort “drei” das & dem Wort “Apfel” das.

     Zu sagen, ein roter Kreis ‘bestehe aus’ Röte & Kreisförmigkeit, sei ein Komplex aus diesen Bestandteilen, ist ein Mißbrauch dieser Wörter(, & irreführend). (Frege sagte mir dies). (Verwandt mit der || damit: die Verwechslung von color und pigmentum.)
     Die Tatsache aber, daß dieser || der Kreis rot ist, ‘besteht’ aus gar nichts.
     (Frege beanstandete meinen Ausdruck, indem er zu mir sagte: “der Teil sei || ist doch kleiner als das Ganze.”) ⋎[Zur vorigen Seite]
Und wieder: Allen Wörtern im Satz entsprechen Gegenstände; || , denn “Paul” bezeichnet das, “ißt” bezeichnet das, “drei” das & “Äpfel” das.
     Das Bild hielt mich || uns gefangen. Und heraus konnte ich nicht, denn es lag in meiner Sprache, & sie schien es, nur, || mir nur unerbittlich zu wiederholen.
114
Um dem Bann der Ausdrucksformen zu entgehen, müssen wir dir Sprache durchpflügen || umpflügen.
   
125
     “Jeder Satz sagt: Es verhält sich so & so.”. Hier ist so eine Form, die uns verführen kann. (Mich || Und mich verführt hat.)
     Bei Plato heißt es: “Wer Etwas meint, meint doch etwas Seiendes.” (Theätetus S. 204.)
     Das ist die Art Satz, die man sich unzählige Male wiederholt. Man glaubt, wieder & wieder der Natur nachzufahren, & fährt nur der Form entlang, durch die wir sie betrachten.
     Denke Dir, die Menschen pflegten auf Gegenstände immer so || in der Weise zu zeigen, indem || daß sie mit dem zeigenden Finger in der Luft gleichsam einen Kreis um den Gegenstand beschrieben. Man könnte sich dann denken, daß ein Philosoph sagen möchte: “Jedes Ding ist doch kreisrund; denn der Tisch sieht so aus, der Ofen so, die Lampe so, etc., etc., indem er jedesmal einen Kreis um das Ding schlägt.
     Oder man sagt: “Ich habe doch einen bestimmten Begriff vom Satz! Ein Satz sagt: es || Es ist so & so.” –
     Oder: “Ich weiß doch, was das Wort ‘Satz’ bedeutet!”
     Ja, ja – könnte man antworten, aber was heißt denn das? Ich meine, wie wird denn dieser Satz angewandt: || , daß Du weißt, was das Wort “Satz” bedeutet? Von wem sagt man denn das, & von wem das Gegenteil? Rufe Dir doch
115
die praktische Verwendung dieser Behauptung in die Erinnerung || ins Gedächtnis!
     Wir ziehen immer wieder die Ausdrucksform nach & glauben, wir haben die Sache gezeichnet. – Durch eine optische Täuschung scheinen wir im Innern der Dinge zu sehen, – was auf unsrer Brille gezeichnet ist.
   
126
     “Es ist doch so: || ” sagen wir uns wieder & wieder. – Es ist uns, als müßten wir das Wesen der Sache erfassen, wenn wir unsern Blick nur ganz scharf auf dies Faktum einstellen könnten. || auf dies Faktum einstellen, es in den Brennpunkt rücken könnten. Denn es scheint eben im Innern der Sache zu liegen. Erst wenn diese optische Täuschung entfernt ist, können wir nun die Sprache einfach sehen, wie sie ist.
     Der Ausdruck dieser Täuschung aber ist die metaphysische Verwendung unsrer Wörter. Denn man prädiziert nun von der Sache, was in der Darstellungsweise liegt. Die Möglichkeit des Vergleichs, die uns beeindruckt, nehmen wir für die Wahrnehmung einer höchst allgemeinen Sachlage.
   
127
     Denn, “Gegenstand” hat man doch nie, z.B., die Lage eines Dinges genannt. Und sagt man denn vom Satz “Es regnet” (z.B.), er sage: es verhält sich so & so? Wie gebraucht man denn diesen Ausdruck in Wirklichkeit? Denn von diesem Gebrauch
116
hast ja Du ihn gelernt! Verwendest Du ihn nun gegen seinen ursprünglichen Gebrauch & denkst, Du spieltest noch das alte Spiel mit ihm, so ist das, als spieltest Du Dame mit Schachfiguren & bildetest Dir ein || wenn Du mit Schachfiguren Dame spieltest & Dir einbildetest es hafte diesen || den Figuren nun doch noch etwas vom Schachspiel an. ¥ ˂ [Siehe S. 117]
   
128
     Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre normale || praktische || alltägliche Verwendung (in der Sprache) zurück.
     (Der Mann, der sagte, man könne nicht zweimal in den gleichen Fluß steigen, sagte etwas Falsches; man kann zweimal in den gleichen Fluß steigen.
     Und ein Gegenstand hört manchmal auf zu existieren, wenn ich aufhöre ihn zu sehen, & manchmal nicht.
     Und wir wissen manchmal, welche Farbe der Andere sieht, wenn er diesen Gegenstand betrachtet, & manchmal nicht.)
     Und so sieht die Lösung aller philosophischen Schwierigkeiten aus. Ihre || Unsere Antworten müssen, wenn sie richtig sind, gewöhnliche & triviale sein. – Aber man muß sie im richtigen Geist (d.h. im richtigen Zusammenhang) anschauen, dann macht das nichts. || anschauen || betrachten (d.h. im richtigen Zusammenhang), dann macht das nichts. Denn diese Antworten machen sich gleichsam über die Frage || Fragen lustig. ¥ ˂ [Siehe S. 117]
   
129
     Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgend eines schlichten Unsinns, || & Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze || das Ende der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen,
117
lassen uns den Wert jener Entdeckung verstehen || erkennen.
   
     Wenn die Philosophen ein Wort (“Wissen”, “Sein”, “Gegenstand”, “Ich”, etc.) gebrauchen & nach seiner Bedeutung forschen || das Wesen zu erfassen suchen, muß man sich || mußt Du Dich immer fragen: wird denn dieses Wort in der Sprache, die es geschaffen hat || für die es geschaffen ist || , in der seine Heimat ist || , in der es seine Heimat hat, je tatsächlich so gebraucht? – [zu S. 116 oben]
   
129
     Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch nur alles Interessante, d.h. alles Große & Wichtige, zu zerstören scheint? (Gleichsam alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken & Schutt übrig läßt.)
     Aber es waren || sind nur Luftgebäude, die wir zerstörten || zerstören; & wir legen den Grund der Sprache frei, auf dem sie standen.
     [Zu S. 116 unten]
   
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     Daß ich bei meinen Erklärungen, die Sprache betreffend, schon die volle Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muß, zeigt schon, daß ich nur Äußerliches über die Sprache vorbringen kann.
     Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? – Nun, Deine Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefaßt; mußten in dieser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war!
     Und Deine Skrupel sind Mißverständnisse.
     Deine Fragen beziehen sich auf Wörter, so muß ich von Wörtern reden.
     (Hierher gehört auch: Wenn die
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Philosophie auch vom Gebrauch des Worts “Philosophie” redet, so könnte man glauben || denken || meinen, daß es also eine Philosophie zweiter Ordnung geben müsse || , es muß also eine Philosophie zweiter Ordnung geben. Aber es ist eben nicht so; sondern der Fall entspricht dem || ist der der Rechtschreibelehre, die es auch mit dem Wort “Rechtschreibelehre” zu tun hat, || auch mit dem Wort “Rechtschreiblehre” handelt, aber dann nicht eine Rechtschreibelehre der zweiten || zweiter Ordnung ist.
   
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     Da unser Ziel ist, den Bann von Sprachformen zu brechen || den Bann zu brechen, in dem uns gewisse Sprachformen halten, so wollen wir in unserm Wissen vom Gebrauch der Sprache eine Ordnung herstellen, die dies möglich macht. D.i. eine Ordnung zu einem bestimmten Zweck; also eine von vielen möglichen Ordnungen. (Keine Über-Ordnung. Wir werden dazu || zu diesem Zweck immer wieder Unterscheidungen hervorheben || durch zeigen, die unsere gewöhnlichen Sprachformen leicht übersehen lassen. Dadurch kann allerdings der Anschein || Schein entstehen || es allerdings den Anschein erhalten, als sähen wir es für unsre Aufgabe an, unsere || die Sprache zu verbessern || reformieren.
     So eine Reform für bestimmte praktische Zwecke, die Verbesserung unserer Terminologie zur Vermeidung von Mißverständnissen im praktischen Gebrauch, ist wohl denkbar || möglich. Aber das sind nicht die Fälle, mit denen wir es zu tun haben. Die Konfusionen, die uns beschäftigen, entstehen, gleichsam, wenn die Sprache feiert, nicht wenn sie arbeitet. (Man
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könnte sagen: “wenn sie leerläuft”.)
   
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     Wir wollen nicht das Regelsystem für die Verwendung unserer Worte in unerhörter Weise verfeinern oder vervollständigen.
     Wie hätten wir uns ein komplettes Regelverzeichnis für die Verwendung eines Worts zu denken? – Was ist ein komplettes || versteht man unter einem kompletten Regelverzeichnis für die Verwendung einer Figur im Schachspiel? Könnten wir uns nicht Zweifelsfälle konstruieren, in denen das normale Regelverzeichnis nicht entscheidet? Denke etwa an so eine Frage: wie ist es festzustellen, wer zuletzt gezogen hat, wenn die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses der Spieler angezweifelt wird?
     Die Verkehrsregelung in den Straßen erlaubt & verbietet gewisse Handlungen der Fahrer & Fußgänger; aber sie versucht nicht, ihre sämtlichen Bewegungen durch Vorschriften || Regeln zu regeln || leiten. Und es wäre sinnlos, von einer ‘idealen’ Verkehrsordnung zu reden, die das täte; wir wüßten zunächst gar nicht, was wir uns unter diesem Ideal zu denken hätten. Wünscht Einer die Verkehrsordnung in irgendwelchen Punkten strenger zu gestalten, so bedeutet das nicht, er wünsche sie so einem Ideal anzunähern.
   
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     Auch sind unsere exakten Sprachspiele nicht etwa Studien || Vorstudien zu einer künftigen vollständigen Reglementierung unserer tatsächlichen Sprache, gleichsam erste Annäherungen, ohne Berücksichtigung
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der Reibung & des Luftwiderstands. Diese Idee || Auffassung führt zu Ungerechtigkeiten (Nicod & Russell.) Vielmehr stehen die Sprachspiele da als Vergleichsobjekte, die durch Ähnlichkeit & Unähnlichkeit ein Licht in die Verhältnisse unsrer Sprache werfen sollen.
     Denn die Klarheit, die wir anstreben, ist allerdings eine vollkommene. Aber das heißt nur, daß die philosophischen Probleme vollkommen verschwinden sollen.
   
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     Die eigentliche || wichtigste Entdeckung ist die, die mich fähig macht, mit dem Philosophieren aufzuhören, wann ich will. – Die die Philosophie zur Ruhe bringt, so daß sie nicht mehr von Fragen gepeitscht ist || wird, die sie selbst in Frage stellen. –
     Sondern es wird nun an Beispielen eine Methode gezeigt, & die Reihe dieser Beispiele kann man abbrechen.
     Es werden Probleme gelöst (Schwierigkeiten beseitigt), nicht ein Problem.
     Die Unruhe in der Philosophie, könnte man sagen, kommt daher, daß wir die Philosophie falsch ansehen, falsch sehen, nämlich gleichsam in (endlose) Längsstreifen zerlegt, statt in (begrenzte) Querstreifen. Diese || Die Umstellung der Auffassung macht die größte Schwierigkeit. Wir wollen also gleichsam den unendlichen || unbegrenzten Streifen erfassen, & klagen, daß es nicht Stück für Stück möglich ist. Freilich || Gewiß nicht, wenn man unter (einem) Stück einen endlosen
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Längsstreifen versteht. Wohl aber, wenn man einen Querstreifen als ganzes, definitives || ein Stück sieht || ansieht || darunter versteht. – Aber dann kommen wir ja mit unserer Arbeit nie || wieder nicht zu Ende! – Freilich nicht, denn sie hat ja keins.
     (Statt der turbulenten Mutmaßungen & Erklärungen, wollen wir die || eine ruhige Erwägung sprachlicher Tatsachen geben || setzen.)
   
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     Laß uns (also) zu dem Satz zurückkehren, || : “Jeder Satz sage || sagt: es verhält sich so & so.” – Inwiefern ist denn dies die Form jedes Satzes? – Es ist vor allem selbst ein Satz, || ein deutscher Satz – denn es hat Subjekt & Prädikat (ein Verbum). Wie aber wird dieser Satz angewendet – in unsrer alltäglichen Sprache angewendet? denn nur daher habe ich ihn ja genommen.
     Wir sagen z.B.: Er erklärte mir die || seine pekuniäre Lage seines Geschäfts, sagte, es verhalte || verhält sich so & so, & ich brauche daher jetzt einen Vorschuß. Man kann also insofern sagen, jener Satz stünde für irgendwelche Aussagen. Er wird als Satzschema verwendet; aber das nur darum, weil er den Bau eines || des deutschen Satzes hat. Man könnte statt seiner ohne weiteres auch sagen: “das & das ist der Fall”, oder “so & so liegen die Sachen”, etc.. Wir könnten uns aber auch leicht vorstellen, daß Leute für diesen Zweck einen ‘sinnvollen’ Satz verwenden – etwa einen sehr abgedroschenen – wie: “Der Himmel ist blau”. Und wer mit || in der neuern Logik
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aufgewachsen ist wird vielleicht sagen: “Er sagte, || : p & ich brauche daher einen Vorschuß”.
     Aber den Buchstaben ‘p’ wird doch niemand die allgemeine Form eines Satzes nennen.
     Wie gesagt: – “Es verhält sich so & so” war dies nur dadurch, daß es selbst das ist, was man einen deutschen Satz nennt. Denn es enthält das Fürwort “es” & das Verbum in der dritten Person der Einzahl. – Aber obschon es ein Satz ist, so hat es doch nur als Satzvariable Verwendung. Zu sagen: || , dieser Satz stimme mit der Wirklichkeit überein (oder nicht überein) wäre offenbarer Unsinn. Und er illustriert also dies, daß ein Merkmal unseres Satzbegriffes der Satzklang ist – wie wir es nennen könnten.
     Es wäre mir, z.B., nicht eingefallen, statt jenes Satzschemas die Form “es so” zu setzen, & doch könnte in einer Sprache, die (wie z.B. die russische) keine Kopula verwendet, dies sehr wohl als Satzvariable gebraucht werden.
   
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     Ja aber haben wir denn nicht einen Begriff davon, was ein Satz ist, was wir unter “Satz” verstehen? – Doch, – insofern wir auch einen Begriff davon haben, was wir unter Spiel verstehen. Gefragt, was ein Satz ist – ob wir nun einem Andern antworten sollen, oder uns selbst – werden wir Beispiele geben || angeben & unter diesen auch, was man induktive Reihen von Sätzen nennen kann;
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nun, auf diese Weise haben wir einen Begriff vom Satz. (Vergleiche den Begriff des Satzes mit dem Begriff der Zahl!)
   
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     Im Grunde ist die Angabe von “es verhält sich so & so” als allgemeiner Satz || als der allgemeinen Form des Satzes das Gleiche, wie die Erklärung, || : ein Satz sei alles, was wahr oder falsch sein könne. Denn statt “es verhält sich …” hätte ich auch sagen können: “das & das ist wahr”. (Aber auch: “das & das ist falsch”.)
     Nun ist aber
      p ist wahr = p
      p ist falsch = nicht-p.
     Und zu sagen, ein Satz sei alles, was wahr oder falsch sein könne, kommt darauf hinaus zu sagen: einen Satz nennen wir das, worauf wir in unserer Sprache den Kalkül der Wahrheitsfunktionen anwenden.
     Denn hier ist es nun leicht, in einen Irrtum zu verfallen: Es scheint nämlich, als bestimmte die Erklärung, || Satz sei dasjenige, was wahr oder falsch sein könne – was ein Satz ist, indem sie sage: Was zum Begriff ‘wahr’ paßt – oder, worauf der Begriff ‘wahr’ paßt – das ist ein Satz. Es ist also so, als hätten wir einen Begriff von wahr & falsch mit dessen Hilfe wir nun bestimmen können, was ein Satz ist & was keiner. Was in den Begriff der Wahrheit eingreift, wie ein Zahnrad, das ist ein Satz.
     Aber das ist ein falsches || irreführendes Bild. – Es ist als sagte man: “Schachkönig ist die Figur, der man Schach ansagen kann”. Aber das
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kann doch nur heißen, daß wir in unserm gebräuchlichen Schachspiel nur dem König Schach geben. So wie der Satz, daß nur ein Satz wahr sein könne, nur sagen kann, daß wir “wahr” & “falsch” nur von dem prädizieren, was wir einen Satz nennen. Und was ein Satz ist, ist in einem Sinne bestimmt durch die Regeln des Satzbaus (der deutschen Sprache, z.B.), in einem andern Sinne durch seinen || den Gebrauch des Zeichens im Sprachspiel. Und der Gebrauch der Wörter “wahr” & “falsch” kann auch ein Teil || Bestandteil dieses Spiels sein; und dann gehört er für uns zum Satz, aber er ‘paßt’ nicht zu ihm. Wie wir auch sagen können, daß Schachgeben gehöre zu unserm Begriff vom Schachkönig (gleichsam als ein Bestandteil desselben). Zu sagen, das Schachgeben passe nicht auf unsern Begriff vom || von den Bauern würde heißen daß ein Spiel in welchem den Bauern Schach gegeben wird, in welchem etwa der verliert, der seine Bauern verliert, daß ein solches Spiel langweilig wäre, oder || uninteressant wäre, oder zu kompliziert, oder dergleichen.
   
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     Wie || Aber wie ist es denn, wenn wir das Subjekt im Satz bestimmen lernen durch die Frage “Wer oder was …?” – Hier gibt es (ja) doch ein ‘Passen’ des Subjekts zu dieser Frage; denn wie erführen wir sonst durch die Frage, was das Subjekt ist? Nun wir erfahren es in ähnlicher Weise, wie wir erfahren welcher Buchstabe im Alphabet
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nach dem ‘K’ kommt, indem wir uns das Alphabet bis zum ‘K’ hersagen. Inwiefern paßt nun das ‘L’ zu jener Buchstabenreihe? – Und in sofern könnte man auch sagen “wahr” & “falsch” passe zum Satz, & man könnte ein Kind lehren, Sätze von Ausdrücken zu unterscheiden, die keine Sätze sind, indem man ihm sagt: “Frage || Frag' Dich, ob Du danach sagen kannst ‘ist wahr’! Wenn diese Worte passen, so ist es ein Satz.” (Und ebenso hätte man sagen können: Frage Dich, ob Du davor die Worte ‘Es verhält sich so:’ setzen kannst.
   
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     Ja aber kann denn nicht die Bedeutung eines Worts, welche ich verstehe, zum Sinn des Satzes, den ich verstehe, passen? Oder die Bedeutung eines Worts zur Bedeutung eines andern Worts? – Freilich, wenn die Bedeutung des Worts der Gebrauch ist, den wir von ihm machen, das Spiel, das wir mit ihm spielen, dann hat es keinen Sinn von so einem Passen zu reden, || : nun verstehen wir aber doch die Bedeutung eines Wortes, wenn wir es hören, oder aussprechen; wir erfassen sie mit einem Schlage; & was wir so erfassen, ist doch etwas anderes || Anderes, als der in der Zeit ausgedehnte ‘Gebrauch’!
   
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     Wenn mir jemand z.B. das Wort “Würfel” sagt, so weiß ich, was es bedeutet. Aber kann mir denn die ganze Verwendung des Wortes gegenwärtig sein || vorschweben, wenn ich es so verstehe?
     Ja, wird aber anderseits die
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Bedeutung des Worts nicht auch durch diese Verwendung bestimmt? Und können sich diese Bestimmungen nun widersprechen? Kann, was wir so mit einem Schlage erfassen, mit einer Verwendung übereinstimmen, zu ihr passen, oder nicht zu ihr passen? Und wie kann das, was uns in einem Augenblick vorschwebt || Augenblicke gegenwärtig ist, was uns da vorschwebt, zu einer Verwendung passen?!
     Was ist es denn eigentlich, was uns vorschwebt, wenn wir ein Wort verstehen?
     Ist es nicht etwas, wie ein Bild? Kann es nicht ein Bild sein?
     Nun nimm an, beim Hören des Wortes “Würfel” schwebt Dir ein Bild vor. Etwa das Bild
     Wie || Inwiefern kann dies Bild zu einer Verwendung des Wortes “Würfel” passen, oder nicht zu ihr passen?
     Vielleicht sagst Du: “Das ist einfach: wenn mir dieses Bild vorschwebt, & ich zeige z.B. auf ein dreieckiges Prisma & sage, dies sei ein Würfel, so paßt diese Verwendung nicht zum Bild.” – Aber paßt sie nicht? – Ich habe das Beispiel absichtlich so gewählt, daß es ganz leicht ist, sich eine ‘Projektionsmethode’ vorzustellen, nach welcher das Bild nun wieder || doch paßt.
     Das Bild des Würfels legte uns allerdings eine gewisse Verwendung nahe, aber ich konnte es auch anders
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verwenden.
   
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     Welcher Art war dann aber mein Irrtum; der, welchen man so ausdrücken möchte: ich hätte geglaubt, das Bild zwinge mich nun zu einer bestimmten Anwendung? Wie konnte ich denn das glauben? Was habe ich denn da geglaubt? Gibt es denn ein Bild, oder etwas einem Bild Ähnliches, was uns zu einer bestimmten Anwendung zwingt, || & war mein Irrtum also eine Verwechslung? – Denn wir könnten geneigt sein, uns auch so auszudrücken: wir seien höchstens unter einem psychologischen Zwang, aber unter keinem logischen. Und da scheint es ja völlig, als kennten wir zweierlei Fälle.
     Was tat denn mein Argument? Es machte Dich drauf aufmerksam (erinnerte Dich daran), daß Du unter Umständen auch bereit wärest, || bereit wärest, auch einen andern Vorgang “Anwendung des Würfelbildes” zu nennen, als nur den, || nicht nur den, an welchen Du ursprünglich gedacht hattest. Zu || DeinGlauben, das Bild zwinge Dich zu dieser || einer bestimmten Anwendung’ bestand also darin, daß Dir nur der eine Fall, & kein andrer, einfiel. “Es gibt auch eine andere Lösung” heißt: es gibt auch etwas Anderes || anderes, was ich bereit bin ‘Lösung’ zu nennen, worauf ich bereit bin, das & das Bild, die & die Analogie, anzuwenden etc..
     Und das Wesentliche ist nun, daß wir sehen, daß uns das Gleiche beim Hören des Wortes vorschweben, & seine
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Anwendung doch eine andere sein kann. Und hat es dann beidemal die gleiche Bedeutung? Ich glaube, das werden wir verneinen.
   
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     “Ja aber || Aber wie, wenn uns nicht nur || einfach das Bild des Würfels, sondern dazu auch die Projektionsmethode || dazu auch seine Anwendungsart vorschwebt?” – Wie soll ich mir das denken? – Ich stelle mir vor: ||
Ich stelle mir vor: – || Etwa so, indem ich ein Schema der Projektionsmethode || Projektionsart vor mir sehe. Ein Bild, z.B. || etwa || vielleicht, das zwei Würfel zeigt durch Projektionsstrahlen miteinander verbunden. – Aber bringt mich denn das wesentlich weiter? Kann ich mir nun nicht auch verschiedene Anwendungen dieses Schemas denken?!

     Ja aber kann uns || mir denn also nicht eine Anwendung vorschweben? Doch; nur müssen wir uns über unsre Anwendung dieses Ausdrucks klarer werden.
     Nimm an, ich setze jemandem verschiedene Projektionsmethoden auseinander, damit er sie dann anwendet || anwende; & fragen wir uns, in welchem Falle wir hier sagen werden, es schwebe ihm die Projektionsmethode vor, welche ich meine.
     Wir anerkennen dafür nun offenbar zweierlei Kriterien: einerseits das Bild (welcher Art immer es sei) welches ihm zu irgendeiner Zeit vorschwebt || er zu irgendeiner Zeit vor sich sieht, anderseits die Anwendung, die er – mit der Zeit – von dieser Vorstellung macht.
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     (Und ist es hier nicht klar, daß es durchaus unwesentlich ist, dies Bild sei etwas, schwebe ihm im Geiste vor || daß dieses Bild ihm im Geiste vorschwebe, & liege nicht vielmehr als Zeichnung, oder als Modell vor ihm oder werde von ihm hergestellt? || nicht vielmehr als eine Zeichnung vor ihm liegt, oder als Modell oder von ihm hergestellt wird?)
     Können nun Bild & Anwendung kollidieren? Nun, sie können in so fern kollidieren, als uns das Bild eine andere Anwendung erwarten läßt: – weil die Menschen im allgemeinen von diesem Bild diese Anwendung machen.
     Ich will sagen: Es gibt hier einen normalen Fall & abnormale Fälle.
   
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     Betrachten wir zur Klärung unsrer Begriffe diese Art von Sprachspiel: B soll auf den Befehl des A Reihen von Zeichen niederschreiben nach einem bestimmten Bildungsgesetz.
     Die erste dieser Reihen soll die sein der natürlichen Zahlen im Dezimalsystem. – Wie lernt er dieses System verstehen? – Nun, zunächst werden ihm Zahlenreihen vorgeschrieben & er wird angehalten, sie nachzuschreiben. (Stoße Dich nicht daran, daß ich sage “Zahlenreihen”, statt “Reihen von Zahlzeichen”. Du verstehst mich doch! –) Und schon hier gibt es eine normale & eine abnormale Reaktion des Lernenden. – Wir führen ihm etwa zuerst beim Nachschreiben der Reihe 0 bis 9 die Hand; dann aber wird die Möglichkeit der Verständigung (nun) daran hängen, daß || ob er nun selbständig weiterschreibt. – Und hier können wir uns, z.B.,
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denken, daß er nun (zwar) selbständig Ziffern kopiert, aber nicht nach der Reihe, sondern regellos einmal die, einmal die. Und dann hört da die Verständigung auf. – Oder aber er macht ‘Fehler’ in der Reihenfolge. – Der Unterschied zwischen diesem & dem ersten Fall ist offenbar || natürlich einer der Häufigkeit. – Oder aber: er macht einen ‘systematischen Fehler’, er schreibt z.B. immer nur jede zweite Zahl nach; oder er kopiert die Reihe 0, 1, 2, 3, 4, 5, … so: 1, 0, 3, 2, 5, 4, … Hier werden wir beinahe versucht sein, zu sagen, er habe uns falsch verstanden.
     Aber merke: Es gibt keine scharfe Grenze zwischen einem regellosen & einem systematischen Fehler. D.h.: zwischen dem, was Du einen “regellosen”, & dem, was Du einen “systematischen Fehler” zu nennen geneigt bist.
     Man kann ihm nun vielleicht den systematischen Fehler abgewöhnen (wie eine Unart). Oder, man läßt diese || seine Art des Kopierens gelten & trachtet ihm die normale Art als eine Abart, Variation, der seinigen beizubringen. – Und auch hier kann die Lernfähigkeit unseres Schülers abbrechen.
   
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     Nun laß mich diese Betrachtung für einen Augenblick unterbrechen & fragen: Was meine ich denn, wenn ich sage: “hier kann die Lernfähigkeit des Schülers abbrechen”? Teile ich das aus meiner Erfahrung mit?
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Natürlich nicht! (Auch wenn ich so eine Erfahrung gemacht hätte.) Und was tue ich denn mit jenem || diesem Satz? Ich möchte doch, daß Du sagst: “Ja, es ist wahr, das könnte man sich auch denken; || , das konnte auch geschehen!” Aber wollte ich Dich darauf aufmerksam machen, daß Du im Stande bist, Dir dies vorzustellen? ‒ ‒ Ich wollte dies Bild vor Deine Augen stellen, & Deine Anerkennung dieses Bildes besteht darin, daß Du nun geneigt bist, einen gegebenen Fall anders zu betrachten: nämlich ihn mit dieser Bilderreihe zu vergleichen. Ich habe Deine Anschauungsweise geändert. (Ich habe irgendwo gelesen, daß bei indischen || indischen Mathematikern der Beweis eines Satzes (manchmal) eine geometrische Figur war || ist || indischen Mathematikern zum || als Beweis eines Satzes (manchmal) eine geometrische Figur dient || in einer geometrischen Figur bestand mit den Worten: “Sieh' dies an!” Auch dieses || dies Ansehen bewirkt eine Änderung der Anschauungsweise.)
   
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     Der Schüler schreibe nun die Reihe 0 bis 9 zu unsrer Zufriedenheit. ( || Und dies wird nur der Fall sein, wenn ihm dies oft gelingt, nicht, wenn er es einmal unter hundert Versuchen richtig macht. (Aber wie oft ist ‘oft’?) Ich führe ihn nun weiter in der Reihe & lenke seine Aufmerksamkeit auf die Wiederkehr der ersten Reihe in den Einern; dann auf diese Wiederkehr in den Zehnern (was nur heißt, daß ich gewisse Betonungen anwende, Zeichen unterstreiche, in der & der Weise untereinander schreibe, u.dgl.). – Und nun setzt er einmal die Reihe selbständig fort, – oder nicht || er tut es nicht. – Ja, warum sagst Du
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das, das ist selbstverständlich! – Freilich! Ich wollte sagen: die Wirkung jeder weiteren Erklärung hänge von seiner Reaktion ab.
     Aber nehmen wir nun an, er setzt, nach einigen Bemühungen des Lehrers, die Reihe richtig fort, d.h. so, wie Du & ich es tun. Nun können wir also sagen: er beherrscht das System. Aber halt, – wie weit muß er die Reihe richtig fortsetzen, damit wir das mit Recht sagen können? Es ist klar: Du kannst hier keine Grenzlinie || Begrenzung angeben.
   
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     Wenn ich nun aber frage: “Hat er das System verstanden, wenn er es || die Reihe hundert Stellen weit fortsetzt?” Oder, || wenn ich in unserm primitiven Beispiel nicht von ‘verstehen’ reden soll: Hat er das System inne, wenn er es || die Reihe bis dorthin richtig fortsetzt? – Da wirst Du vielleicht sagen: Das System innehaben (oder auch, verstehen) kann nicht darin bestehen, daß man die Reihe bis zu dieser oder bis zu jener Zahl fortsetzt; das ist nur die Anwendung des Verstehens. Das Verstehen selbst ist ein Zustand, woraus die richtige Verwendung entspringt.
     Und an was denkst Du denn da eigentlich? Denkst Du nicht an das Ableiten einer Reihe aus ihrem algebraischen Ausdruck? Oder doch an etwas dem Analoges? – Aber da waren wir ja schon einmal. Wir können uns ja eben mehr als eine Anwendung eines algebraischen Ausdrucks denken; & jede Anwendungsart kann zwar wieder algebraisch niedergelegt werden, aber dies führt uns, selbstverständlich,
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nicht weiter. – Die Anwendung bleibt ein Kriterium des Verständnisses.
   
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     – “Aber wie kann sie das sein? Wenn ich sage, ich verstehe das Gesetz einer Reihe, so sage ich es doch nicht auf Grund der Erfahrung, daß ich bis jetzt den algebraischen Ausdruck so & so angewandt habe! Ich weiß doch von mir selbst jedenfalls, daß ich die & die Reihe meine, auch soweit || gleichgültig, wie weit ich sie noch nicht || tatsächlich entwickelt habe.” –
     Du meinst also, || : Du weißt die Anwendung des Gesetzes der Reihe, auch ganz abgesehen von einer Anwendung || Erinnerung an die tatsächliche Anwendung || tatsächlichen Anwendungen auf bestimmte Zahlen. Und Du wirst vielleicht sagen: “Selbstverständlich! denn die Reihe ist ja unendlich & das Reihenstück, das ich entwickeln konnte, endlich.” –
   
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     Worin aber besteht dies Wissen? Oder laß mich fragen: Wann weißt Du es || diese Anwendung? Ich meine: Immer, – Tag & Nacht? oder nur während Du gerade an das Gesetz der Reihe denkst?
     D.h.: weißt Du sie, wie Du auch das ABC und das Einmaleins weißt & wie Du verschiedene Gedichte & Melodien, etc. auswendig weißt; oder ist das Wissen, wovon Du redest, ein Bewußtheitszustand oder Vorgang, etwa ein An-etwas-Denken oder dergleichen?
     Denn, wenn Du jetzt verschiedene Melodien auswendig weißt, wie kommt es, daß sie da zusammen nicht einen fürchterlichen Mißklang geben? Wenn Dich jemand fragt:
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“Weißt Du das ABC?” & Du antwortest mit “ja”, so heißt das doch nicht, daß Du jetzt eben im Geist das ABC durchgehst, oder in einem besondern Zustand || Geisteszustand bist, der irgendwie dem Hersagen des ABC äquivalent ist.
   
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     Wenn man also sagen wollte, das Wissen des ABC sei ein Zustand der Seele, so kann || könnte das nur einen || den Zustand eines hypothetischen Mechanismus || Seelenapparates bedeuten, oder || etwa einen Zustand unsres Gehirns, mit || mittels welchem wir die Äußerungen dieses Wissens erklären. Einen solchen seelischen Zustand in diesem Sinne will ich eine Disposition nennen.
¥
     Die Grammatik des Wortes “wissen” ist offenbar eng verwandt der Grammatik der Worte “können”, “im Stande sein”.
(Nichts wäre hier irreführender || irreleitender als den Gegensatz von welchem wir reden den zwischen “bewußtem” & “unbewußtem” Wissen zu nennen || der Gebrauch der Wörter “bewußtes” & “unbewußtes” Wissen für jenen Gegensatz. Denn dieses Wortpaar verschleiert || verhüllt einen grammatischen Unterschied für jenen Gegensatz.)
Aber auch eng verwandt der des Wortes “verstehen”. Denn ich verstehe wie eine Dampfmaschine funktioniert & verstehe es schon seit Jahren || – schon seit Jahren – wie eine Dampfmaschine funktioniert, wie ich auch seit Jahren das ABC weiß, & Schachspielen kann.
   
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132      Nun gibt es aber auch diese Verwendung des Wortes “wissen”: wir sagen: “Jetzt weiß ich's!” – & ebenso “jetzt kann ich's!” & “jetzt versteh ich's!”. Stellen wir uns dieses Spiel vor: A schreibt Reihen von Zahlen an, B sieht ihm zu & trachtet in der Zahlenfolge ein Gesetz zu finden. Ist es ihm gelungen, so sagt || ruft er: “Jetzt kann ich fortsetzen!” –
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Diese Fähigkeit, dieses Verstehen ist also etwas, was in einem Augenblick eintritt. Schauen wir also doch nach! || : Was ist es, was hier eintritt? || ! – A habe also z.B. die Zahlen 1, 5, 11, 19, 29 hingeschrieben; da sagt B, jetzt wisse er weiter. Was geschah da? Es konnte verschiedenerlei geschehen sein; z.B.: Während A langsam eine Zahl nach der andern hinsetzte, ist B damit beschäftigt, verschiedene algebraische Formeln an den angeschriebenen Zahlen zu versuchen. Als A die Zahl 19 geschrieben hatte versuchte B die Formel an = n² + n ‒ 1; und die nächste Zahl bestätigte seine Annahme.

     Oder aber: B denkt nicht an Formeln. Er sieht mit einem gewissen Gefühl von Spannung zu, wie A seine Zahlen hinschreibt; dabei schwimmen ihm allerlei unklare Gedanken im Kopf. Endlich sagt er sich: “Was ist die Reihe der Differenzen?” Er findet: 4, 6, 8, 10 & sagt: “Jetzt kann ich weiter.”.

     Oder er sieht hin & sagt: “Ja, die Reihe kenn' ich”, & setzt sie fort. Wie er's etwa auch getan hätte, wenn A die Reihe 1, 3, 5, 7, 9, 11 hingeschrieben hätte. Oder er sagt gar nichts & schreibt die Reihe bloß || bloß in der Reihe weiter. Vielleicht hatte er eine Empfindung, die man die Empfindung “das ist leicht!” nennen kann. (Eine solche Empfindung ist z.B. die¤ eines schnellen, leichten || leichten, schnellen Einziehens des Atems, ähnlich, wie bei einem gelinden Schreck.)
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     Aber sind denn diese Vorgänge, die ich da beschrieben habe, das Verstehen?
     “B versteht das System der Reihe” heißt doch nicht einfach: B fällt die Formel “an = …” ein! Denn es ist sehr wohl denkbar, daß ihm die Formel einfällt & er doch nicht versteht. “Er versteht”, muß mehr beinhalten, als: ihm fällt die Formel ein. Und || ; und ebenso auch, mehr, als irgend einer jener, mehr oder weniger charakteristischen, Begleitvorgänge – oder Äußerungen – || (oder Äußerungen) des Verstehens.
Wir versuchen nun, den || jenen geistigen Vorgang des Verstehens, der sich, scheinbar || scheint es, hinter diesen leichter erkennbaren Begleiterscheinungen versteckt || verbirgt, zu erfassen. || Wir versuchen nun, den seelischen Vorgang des Verstehens, der sich, scheint es, hinter jenen leichter erkennbaren Begleiterscheinungen versteckt, zu erfassen || erkennen. || , der sich, scheint es, hinter jenen gröbern & daher leichter in die Augen fallenden Begleiterscheinungen versteckt, zu erkennen. Aber das gelingt nicht. Oder, richtiger gesagt: es kommt gar nie || nicht zu einem wirklichen Versuch. Denn auch angenommen, ich hätte etwas gefunden, was in allen jenen Fällen des Verstehens, geschähe, – warum sollte das nun das Verstehen sein? Ja wie konnte sich denn der Vorgang des Verstehens hinter Begleiterscheinungen verstecken || denn der Vorgang des Verstehens versteckt sein, wenn ich doch sagte, “jetzt verstehe ich” || “ich verstehe”, weil ich wahrnahm, daß ich verstand?! || verstand?! Und wenn ich sage, er ist versteckt, – wie weiß ich denn, wonach ich zu suchen habe? – Ich bin in einem Wirrwarr.
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     Aber halt! – wenn, “jetzt verstehe || ich das System || “jetzt versteh ich's” nicht das Gleiche sagt, wie, “mir fällt die Formel … ein” (oder, was auf dasselbe hinauskommt; || : “ich spreche die Formel aus”, “schreibe sie auf” etc.) – folgt daraus, daß ich den Satz, “jetzt verstehe ich …”, oder “jetzt kann ich fortsetzen”, als Beschreibung eines Vorgangs verwende, der hinter, oder neben, dem des Einfallens || Aussprechens der Formel besteht?
     Wenn etwas ‘hinter dem Aussprechen der Formel’ stehen muß, so sind es gewisse Umstände, – die mich berechtigen, zu sagen, ich könne fortsetzen, wenn mir die Formel einfällt.
     Denk' doch einmal gar nicht an das Verstehen als ‘seelischen Vorgang’! – Denn das ist die Redeweise, die Dich verwirrt. – sondern frage Dich: in was für einem Fall, unter was für Umständen, sagen wir denn: “jetzt kann || weiß ich weiter” wenn mir die Formel eingefallen ist?
     Es ist jene Redeweise, die Dich hindert, die Tatsachen unparteiisch zu sehen. (Betrachte die Aussprache eines Worts durch die Darstellungsform seiner || der Schreibung! Wie leicht überredet man sich || kann man sich überreden, daß zwei Worte (z.B. “für” & “führ'”) im tatsächlichen || täglichen Gebrauche doch verschieden klingen, – weil man sie verschieden ausspricht, wenn man sein Augenmerk gerade auf den Unterschied ihrer Schreibung richtet. Damit zu vergleichen: die Meinung ein Violinspieler mit feinem Gehör greife f immer etwas höher als eis. Überlege Dir solche Fälle! So kann das Darstellungsmittel eine Einbildung
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erzeugen.) Also denk' nicht, Du müßtest einen spezifischen seelischen Vorgang finden, weil hier das Tätigkeitswort || Verbum “verstehen” dasteht & weil man sagt, || : Verstehen sei || ist eine seelische Tätigkeit.
     Ich wollte also sagen: Wenn er plötzlich weiter wußte, das System verstand, so hatte er allerdings ein besonderes Erlebnis, || || – – welches er etwa beschreiben wird, wenn man ihn fragt: “wie war das, was ging da vor, als Du das System plötzlich begriffst?”; || , ähnlich, wie wir es in (150) beschrieben haben || – – das aber, was ihn für uns berechtigt, in so einem Fall zu sagen, er verstehe, er wisse weiter, sind die Umstände, unter denen er jenes || ein solches Erlebnis hatte.
     Welche Umstände es || dies sind & welche Rolle sie in der Verwendung der Wörter “verstehen”, “wissen”, etc. spielen, kann ich || wird aber vielleicht klarer erscheinen, wenn ich die Betrachtung eines andern Wortes hier einschalte, nämlich || Dies wird aber klarer werden, wenn ich die Betrachtung der Worte “verstehen” & “wissen” hier unterbreche & die eines andern Wortes einschalte, nämlich des Wortes “lesen”.
   
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     Zuerst muß ich bemerken, daß ich zum “Lesen”, in unsrer || dieser Betrachtung, hier nicht das Verstehen des Sinns des Gelesenen rechne; sondern Lesen ist hier bloß die Tätigkeit, Geschriebenes oder Gedrucktes in Laute umzusetzen; auch aber, nach Diktat zu schreiben, oder Gedrucktes abzuschreiben, u. dgl..
     Der Gebrauch des Wortes “lesen” unter || dieses Wortes unter¤ den Umständen unsres gewöhnlichen Lebens ist uns natürlich ungemein wohl bekannt. Die Rolle aber, die das Wort in unserm Leben spielt, & damit das Sprachspiel, in dem
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wir es verwenden, wäre schwer auch nur in groben Zügen darzustellen. Ein Mensch, sagen wir ein Deutscher, ist in der Schule, oder zu Hause, durch eine der bei uns gebräuchlichen || üblichen Unterrichtsarten gegangen, er hat in diesem Unterricht seine Muttersprache || Deutsch lesen gelernt; später || . Später liest er Bücher, Briefe, die Zeitung u.a..
     Was geht nun vor sich, wenn er, z.B., die Zeitung liest? ‒ ‒ Seine Augen gleiten, || wie wir sagen, || den gedruckten Wörtern || Zeilen entlang, er spricht sie entweder laut aus, – oder sagt sie nur zu sich selbst; & zwar gewisse Wörter, indem er ihre Druckform als Ganzes erfaßt, andere, nachdem sein Auge ihre || die ersten Silben erfaßt hat, andere || einige wieder liest er Silbe für Silbe, & das eine oder andre vielleicht Buchstabe für Buchstabe. – Wir würden auch sagen, er habe einen Satz gelesen, wenn er, während des Lesens weder laut noch zu sich selbst spricht, aber danach im Stande ist, den Satz wörtlich, oder annähernd, wiederzugeben. – Er kann auf das achten, was er liest, oder aber || auch – wie wir sagen könnten – als bloße Lesemaschine funktionieren, ich meine, laut, & richtig, lesen, ohne auf die Worte, die er || das, was er liest, zu achten, – vielleicht, während seine Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes gerichtet ist (so daß er nicht im Stande ist, zu sagen, was er gelesen hat, wenn wir ihn gleich darauf fragen). – Vergleiche nun mit diesem || solch einem Leser einen Anfänger. Er liest die Wörter, indem
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er sie, mit Anstrengung, buchstabiert || sie mühsam buchstabiert. – Einige Wörter aber errät er einfach aus dem Zusammenhang; oder er weiß das Lesestück vielleicht zum Teil schon auswendig. – Der Lehrer sagt in so einem Fall dann, daß er || der Schüler die Wörter nicht wirklich liest || dann, daß er die Wörter nicht wirklich liest || , er läse die Worte nicht wirklich (& in gewissen Fällen, || : daß er nur vorgibt, sie zu lesen).
     Wenn wir an dieses Lesen, an das Lesen des Anfängers, denken, & uns fragen, worin Lesen besteht, werden wir geneigt sein, zu sagen, || : es sei eine besondere bewußte geistige Tätigkeit.
     Wir sagen von diesem || dem Schüler aber auch: “Nur er weiß natürlich, ob er wirklich liest, oder die Worte nur || bloß auswendig sagt.” (Von dieser Art Satz || Über diese Aussagen: “Nur er weiß, …” || muß später noch viel geredet werden. || werden wir noch Vieles reden müssen.)
     Ich will aber sagen, || : wir müssen zugeben, daß beim Aussprechen irgend eines der gedruckten Wörter im || – was das Aussprechen irgend eines der gedruckten Wörter betrifft – im Bewußtsein des Schülers, der ‘vorgibt’, es zu lesen, das Gleiche stattfinden kann, wie im Bewußtsein des geübten Lesers, der es ‘liest’. Das Wort “lesen” wird anders angewandt, wenn wir vom Anfänger – & wenn wir vom geübten Leser sprechen. – – || Wir möchten nun freilich sagen: Was im Geiste des Anfängers & was im Geiste des geübten Lesers || was im geübten Leser & was im Anfänger vor sich geht, wenn sie das Wort aussprechen, kann nicht dasselbe || das Gleiche sein. Und wenn der || ein Unterschied nicht in dem liegt, was ihnen gerade bewußt ist, so liegt er im Unbewußten des Geistes. || Und wenn kein Unterschied in dem wäre, was ihnen
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gerade bewußt ist, so im unbewußten Arbeiten ihres Geistes, || ; – oder auch im Gehirn. ¤
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     – Wir möchten also sagen: Hier sind jedenfalls zwei verschiedene Mechanismen! Was || Und was in ihnen || denen vorgeht, (das) unterscheidet Lesen von Nicht-lesen, ob ich nun in sie hineinsehen kann, oder nicht. || unterscheidet Lesen von Nicht-lesen || muß Lesen von Nicht-lesen unterscheiden. – Aber diese Mechanismen sind doch nur Hypothesen; Modelle || Konstruktionen zur Erklärung, zur Zusammenfassung dessen, was Du wahrnimmst.
   
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     Überlege Dir folgenden Fall: Denke dir, es würden Menschen, oder auch andere Wesen, von uns || : Menschen, oder andere Wesen, würden von uns als Lesemaschinen benützt. Sie werden zu diesem Zweck abgerichtet. Der, welcher sie abrichtet, sagt von Einigen, sie können || könnten || könnten schon lesen, – von Andern, sie können || könnten || können es noch nicht. Nimm den Fall eines Schülers, der bisher nicht mitgetan hat: zeigt man ihm ein gedrucktes || geschriebenes Wort, so wird er manchmal irgendwelche Laute hervorbringen, & hie und da geschieht es dann ‘zufällig’, daß sie ungefähr stimmen. Ein Dritter hört diesen Schüler in so einem Moment || Fall & sagt: “Er liest”. Aber der Lehrer sagt: “Nein, er liest nicht; es war nur ein Zufall.” – Nehmen wir aber an, dieser Schüler, wenn ihm nun weitere Wörter vorgelegt werden, reagiert auf sie fortgesetzt richtig. Nach einiger Zeit sagt der Lehrer: “Jetzt kann er lesen!” – Aber wie war es mit jenem ersten Wort? Soll der Lehrer sagen: “Ich hatte mich geirrt, er hat es doch gelesen” – oder soll er sagen: “Er hat erst später angefangen, wirklich zu lesen”? – Wann hat er angefangen, zu lesen? Welches ist das erste Wort, das er gelesen hat? Diese Frage ist
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hier sinnlos. Es sei denn, wir erklärten: “Das erste Wort, das || was Einer ‘liest’, ist das erste Wort der ersten Reihe von 50 Wörtern, die er richtig liest” (oder dergl.).
   
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     Verwenden wir aber || dagegen “lesen” um ein gewisses Erlebnis des Lesenden zu bezeichnen beim Übergang || Verwenden wir aber “Lesen” für ein gewisses Erlebnis des Übergangs vom Lautzeichen || Zeichen zum gesprochenen Laut, dann hat es wohl Sinn, von einem ersten Wort zu sprechen, das er wirklich gelesen hat. Er kann dann (etwa) sagen: “Bei diesem Worte hatte ich zum ersten Male das Gefühl, ‘jetzt lese ich’.”
   
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     Oder aber in dem hievon verschiedenen Fall einer Lesemaschine, die, etwa nach Art des Pianolas, Zeichen in Laute übersetzt, könnte man sagen: “Erst nachdem dies & dies an der Maschine geschehen war – etwa die & die Teile durch Drähte verbunden worden waren – hat die Maschine gelesen; das erste Zeichen, welches sie gelesen hat, war ….”
   
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     Im Falle der lebenden Lesemaschine aber || aber der lebenden Lesemaschine hieß “lesen”: so & so auf Schriftzeichen reagieren. Dieser Begriff war also ganz unabhängig von dem eines seelischen, oder andern, Mechanismus. – Der Lehrer kann hier auch vom Abgerichteten nicht sagen: “Vielleicht hat er dieses Wort schon gelesen.”. Denn es ist ja kein Zweifel über das, was er getan hat. – Die Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war die || eine Veränderung seines Verhaltens; & vom || von einem ‘ersten Wort im neuen Zustand’ zu reden, hat hier keinen Sinn.
   
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     Aber liegt dies nicht nur an
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unserer Unkenntnis || zu geringen Kenntnis der Vorgänge im Gehirn & im Nervensystem? Wenn wir diese genauer kennten, würden wir sehen, welche Verbindungen durch das Abrichten hergestellt worden waren & wir könnten dann, wenn wir ihm ins Gehirn sähen, sagen: ‘Dieses Wort hat er jetzt gelesen, jetzt war die Leseverbindung hergestellt’.” – Und das muß wohl so sein || , – denn wie könnten wir sonst so sicher sein, daß eine solche Verbindung besteht || es eine solche Verbindung gibt? Das ist wohl a priori so, – oder ist es nur wahrscheinlich? – Und wie wahrscheinlich ist es denn? Frage Dich doch, was weißt Du denn von diesen Sachen?! – Ist es aber a priori, nun dann heißt das, daß es eine (Dir || uns) sehr einleuchtende Darstellungsform ist.
   
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     Aber wir sind, wenn wir darüber nachdenken, versucht zu sagen: das einzig wirkliche Kriterium dafür, ob || daß er || Einer liest, ist der bewußte Akt des Lesens, des Ablesens der Laute von den Buchstaben. “Ein Mensch weiß doch, ob er liest, oder nur vorgibt, zu lesen!” – Angenommen, A will den B glauben machen, er könne kyrillische Schrift lesen. Er lernt einen russischen Satz auswendig & sagt ihn dann, während || indem er auf den gedruckten Satz sieht, || die gedruckten Wörter ansieht als läse er sie. Wir werden hier gewiß sagen, A wisse, daß er nicht liest, || , & er empfinde, während er zu lesen vorgibt, eben dies. Denn es gibt natürlich eine Menge für das Lesen eines Satzes im Druck mehr oder weniger charakteristischer Empfindungen; es ist nicht schwer, sich
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solche ins Gedächtnis zu rufen; denke an Empfindungen des Stockens, genaueren Hinsehens, Verlesens, der größeren & geringeren Geläufigkeit der Wörter || Wortfolgen, u.a.. Und ebenso gibt es charakteristische Empfindungen für das Aufsagen von etwas Auswendiggelerntem. Und A wird in unserm Fall keine von den Empfindungen haben, die für das Lesen charakteristisch sind & er wird etwa eine Reihe von Empfindungen haben, die für das Schwindeln charakteristisch sind.
   
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     Denke Dir nun aber diesen Fall: Wir geben Einem, der fließend lesen kann, etwas zu lesen, was || ein Stück zu lesen, das || einen Text zu lesen, den er nie zuvor gesehen hat. Er liest ihn uns vor; aber mit der Empfindung, als sage er etwas Auswendiggelerntes her (dies könnte die Wirkung irgend eines Giftes sein). Würden wir in einem solchen Falle sagen, er läse das Stück nicht wirklich? Würden wir hier also seine Empfindungen als Kriterium dafür gelten lassen, ob er liest oder nicht?
   
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     Oder aber: Wenn man einem Menschen, der unter dem Einfluß eines bestimmten Giftes steht, eine Reihe von Schriftzeichen vorlegt, die aber keinem existierenden Alphabet angehören müssen || anzugehören brauchen, so spricht er nach der Anzahl der Zeichen Wörter aus, so als wären die Zeichen Buchstaben, & zwar mit allen äußeren Merkmalen & mit den Empfindungen des Lesens. (Solche || Ähnliche Erfahrungen haben wir in Träumen; nach dem Aufwachen sagt man dann etwa: “Es kam mir
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vor, als läse ich die Zeichen, – obwohl es gar keine Zeichen waren.”) In so einem Fall würden Manche geneigt sein, zu sagen, der Mensch lese diese Zeichen; Andere, er lese sie nicht. – Angenommen, er habe auf diese Weise eine Gruppe von vier Zeichen als “OBEN” gelesen (oder gedeutet); nun zeigen wir ihm die gleichen Zeichen in umgekehrter Reihenfolge & er liest “NEBO” & so behält er bei weiteren Versuchen immer die gleiche Deutung bei: hier wären wir wohl geneigt zu sagen, er lege sich ad hoc ein Alphabet zurecht & lese dann danach.
   
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     Bedenke nun auch, daß es eine kontinuierliche Reihe von Übergängen gibt zwischen dem Falle, in welchem jemand das auswendig hersagt, was er lesen soll, & dem, in welchem er jedes Wort Buchstabe für Buchstaben liest, ohne jede Hilfe des Erratens aus dem Zusammenhang, oder des Auswendigwissens.
     Mache diesen Versuch: Sage die Zahlenreihe von 1 bis 12. – Nun schau auf das Zifferblatt Deiner Uhr & lies diese Reihe. – Was hast Du in diesem Falle “lesen” genannt? Das heißt: was hast Du getan, um es zum Lesen zu machen?
   
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     Versuchen wir noch diese Erklärung: Jemand liest, wenn er seine Reproduktion von der Vorlage ableitet. Und ‘Vorlage’ nenne ich den Text, den || welchen er liest, oder abschreibt, aber auch || oder das Diktat, nach welchem || wonach er schreibt, die Partitur, die er spielt, etc. etc..– Wenn wir nun z.B. jemand das kyrillische
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Alphabet gelehrt hätten und wie jeder Buchstabe auszusprechen sei; wenn wir ihm dann ein Lesestück vorlegen & er buchstabiert || liest es, indem er jeden Buchstaben so ausspricht, wie wir es ihn gelehrt haben; dann werden wir gewiß || wohl sagen || sagen können, er leite den Klang jedes || eines Wortes vom Schriftbild mit Hilfe der Regel, die wir ihm gegeben haben, ab. (Wir hatten ihn die Regel des Alphabets gelehrt.) || Und dies ist auch ein klarer Fall des Lesens.) (Wir könnten sagen, wir haben ihn die ‘Regel des Alphabets’ gelehrt.)
[Verschleiert]17
     Aber warum sagen wir, er habe die gesprochenen Worte von den gedruckten (mit Hilfe der Regel des Alphabets) abgeleitet? Wissen wir mehr, als daß wir ihn gelehrt haben, wie jeder Buchstabe auszusprechen sei, & daß er dann die Worte laut gelesen habe? Wir werden vielleicht antworten wollen: er || Der Schüler zeige –, daß er den Übergang von den gedruckten zu den gesprochenen Worten || vom Gedruckten zum Gesprochenen mit Hilfe der Regel || Anleitung macht, die wir ihm gegeben haben. – Wie man dies aber zeigen könne, wird klarer werden, wenn wir unser Beispiel etwas abändern, dahin nämlich || dahin abändern daß der Schüler, statt einen || den gedruckten Text laut zu lesen || vorzulesen, ihn abzuschreiben hat, h., ihn aus der Druckschrift in die Schreibschrift zu übertragen hat; denn in diesem Fall können wir ihm die Regel in Form einer Tabelle geben; in einer Kolumne stehen die Druckbuchstaben, in der andern die Kursivbuchstaben. Und daß er die Schrift vom Gedruckten ableitet, zeigt sich darin, daß er in der Tabelle nachsieht.
   
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     Aber wie, wenn er dies täte, & dabei immer ein A immer in ein b, ein B in ein c, ein C in
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ein d umschriebe, u.s.f., & ein Z in ein a? – Auch das würden wir doch ein Ableiten nach der Tabelle nennen. – Er gebraucht sie nun – könnten wir sagen – nach dem Schema
etc. statt nach dem:
     Aber auch || Auch das wäre wohl noch ein Ableiten nach der Tabelle, wenn der Gebrauch, den er von ihr macht, durch ein Pfeilschema ohne alle einfache Regelmäßigkeit dargestellt würde. || wiedergegeben ist.
     Aber nimm an, er bleibe nicht bei seiner || einer Art des Transkribierens || zu transkribieren; sondern ändere sie nach einer einfachen Regel: Hat er einmal ein A in ein n umgeschrieben, so schreibt er das nächste A in ein σ, das nächste in ein p um, u.s.w..– Aber wo ist die Grenze zwischen diesem Vorgehen und dem eines regellosen? ⋎
   
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     Im Falle (163) stand die Bedeutung des Wortes “ableiten” klar vor uns. – Aber wir sagten uns, dies sei nur ein ganz spezieller Fall des Ableitens; eine ganz spezielle Einkleidung; diese mußte ihm abgestreift werden, wenn wir das Wesen des Ableitens erkennen wollten. Nun streiften wir ihm die besonderen Hüllen ab; aber da zerging || verschwand das Ableiten selbst. – Wir entkleideten die Artischocke ihrer Blätter || haben die Artischocke ihrer Blätter entkleidet, um die eigentliche Artischocke zu finden. || Um die eigentliche Artischocke zu finden, haben wir sie ihrer Blätter entkleidet. Denn es war freilich (163) ein spezieller Fall des Ableitens, aber das Wesentliche des Ableitens
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war nicht unter dem Äußerlichen || Äußeren des || dieses Falls versteckt, sondern dieses ‘Äußere’ war || ist ein Glied der || Fall aus der Familie der Fälle des Ableitens. || , sondern dieses ‘Äußere’ ist || war ein Fall aus der Familie der Fälle des Ableitens.
Und so verwenden wir auch das Wort “Lesen” für eine Familie von Fällen. Und wir verwenden unter verschiedenen Umständen verschiedene Kriterien || wenden unter verschiedenen Umständen verschiedene Kriterien an dafür, daß Einer liest.
   
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      “Aber lesen – möchten wir sagen – ist doch ein ganz bestimmter Vorgang! Lies eine Druckseite, dann kannst Du's sehen, es geht da etwas Besonderes vor sich & höchst Charakteristisches || Besonderes & höchst Charakteristisches vor sich || Besonderes vor & etwas höchst Charakteristisches.” Nun, was geht denn vor, wenn ich den Druck lese? Ich sehe Wörter im Druck || gedruckte Wörter & spreche Wörter || sie aus. Aber das ist natürlich nicht alles, denn ich könnte gedruckte Wörter sehen & Wörter aussprechen & es wäre doch nicht Lesen. Auch dann nicht, wenn die Wörter, die ich spreche, die sind, welche || die man, nach || zufolge einem bestehenden Alphabet, von jenen gedruckten ablesen soll. – Und wenn Du sagst, das Lesen sei ein bestimmtes Erlebnis, so spielt es ja gar keine Rolle, ob Du nach einer von Menschen allgemein anerkannten Regel des || eines Alphabets liest oder nicht. – Worin besteht also das Charakteristische am Erlebnis des Lesens? – Da möchte ich sagen: “Das Gesprochene kommt || Die Worte, die ich ausspreche, kommen in besonderer Weise.” Nämlich die Wörter, die ich spreche, kommen || sie kommen nicht so, wie sie kämen, wenn ich sie z.B.
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ersänne. – Sie kommen von selbst. – Aber auch das ist nicht genug; denn es können mir ja gesprochene Wörter || Lautzeichen || Wortklänge einfallen, während ich auf die gedruckten Worte schaue, & ich habe damit diese doch nicht gelesen. – Da könnte ich noch sagen, daß mir die gesprochenen Wörter auch nicht so einfallen, als erinnerte mich, z.B., etwas an sie. Ich möchte z.B. nicht sagen: das Druckwort “nichts” erinnert mich immer an den Laut “nichts”. – Sondern die gesprochenen Wörter schlüpfen beim Lesen gleichsam herein. Ja, ich kann ein gedrucktes deutsches || deutsches gedrucktes Wort gar nicht ansehen, ohne einen eigentümlichen Vorgang des innern Hörens des Klanges || Wortklangs.
   
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     Ich sagte, die gesprochenen Worte kämen beim Lesen || wenn wir sie lesen ‘in besonderer Weise’; aber in welcher Weise? Ist dies nicht eine Fiktion? Sehen wir uns einzelne Buchstaben an & geben wir acht, in welcher Weise der Laut des Buchstabens kommt. Lies den Buchstaben A. Nun, wie kam der Laut? – Wir wissen gar nichts darüber zu sagen. – Nun schreibe || schreib' ein kleines lateinisches a || A. – Wie kam die Handbewegung des Schreibens || beim Schreiben? anders als der Laut im vorigen Versuch? Ich sah auf den Druckbuchstaben || habe auf den Druckbuchstaben gesehen & schrieb den Kursivbuchstaben; mehr weiß ich nicht. – Nun schau auf das Zeichen & laß Dir dabei einen Buchstaben || Laut einfallen; sprich ihn aus. Mir fiel der Laut ‘U’ ein, aber ich könnte nicht sagen, es war ein wesentlicher Unterschied in der Art & Weise, wie dieser Laut kam. Der Unterschied lag in der etwas andern Situation: ich hatte mir vorher gesagt,
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ich solle mir einen Laut einfallen lassen; es war eine gewisse Spannung da, ehe der Laut kam. Und ich sagte mir nicht: “Das ist ein ‘U’”, wie beim Anblick des Buchstaben ‘U’. Auch war mir jenes Zeichen nicht vertraut, wie die Buchstaben; ich sah es gleichsam gespannt, mit einem gewissen Interesse für seine Form, an, ich dachte dabei an ein umgekehrtes σ. ‒ ‒ Stelle Dir vor, Du müßtest nun dieses Zeichen wirklich als Lautzeichen benützen; Du gewöhnst Dich also daran, bei seinem Anblick einen bestimmten Laut auszusprechen, etwa den Laut ‘sch’. Können wir mehr sagen, als daß nach einiger Zeit dieser Laut automatisch kommt, wenn wir das Zeichen sehen? D.h.: ich frage mich bei seinem Anblick nicht mehr: “Was ist das für ein Buchstabe?” – auch sage ich mir natürlich nicht: “Ich will bei diesem Zeichen den Laut ‘sch’ aussprechen” – noch auch: “Dieses Zeichen erinnert mich irgendwie an den Laut ‘sch’”.
   
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     Was ist nun an dem Satz, das Lesen sei doch ‘ein ganz bestimmter Vorgang’? Das heißt doch wohl, beim Lesen finde immer ein bestimmter Vorgang statt, den wir wiedererkennen. – Aber wenn ich nun einmal einen deutschen Satz im Druck lese & einandermal nach Noten Klavier spiele, – || einen Satz im Druck lese & einandermal nach Morsezeichen schreibe, – findet hier wirklich der gleiche seelische Vorgang statt? ‒ ‒ Dahingegen ist aber freilich eine Gleichförmigkeit im || in dem Erlebnis des Lesens einer Druckseite! Denn der Vorgang ist ja ein gleichförmiger. Und es ist ja leicht verständlich, daß sich dieser Vorgang
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unterscheidet von dem etwa, sechs Wörter beim Anblick beliebiger Striche einfallen zu lassen. – Denn schon der bloße Anblick einer gedruckten Zeile ist (ja) ungemein charakteristisch, d.h., ein ganz spezielles Bild: Die Buchstaben alle von ungefähr der gleichen Größe, auch der Gestalt nach verwandt, immer wiederkehrend; die Wörter, die sich, zum großen Teil, || die Wörter, die zum großen Teil sich ständig wiederholen & uns unendlich wohlvertraut sind, ganz wie wohlvertraute Gesichter. – Denke an das Unbehagen, das wir empfinden, wenn die Rechtschreibung eines Wortes geändert wird (auch || & an die noch tieferen Gefühle, die Fragen der Schreibung von Wörtern aufgeregt haben). Freilich, nicht jede Zeichenform hat sich uns tief eingeprägt. Ein Zeichen, wie Russells “~” für die Verneinung, kann durch irgendein anderes Zeichen || ein beliebiges andere ersetzt werden, ohne daß dadurch etwas in uns aufgeregt würde || tiefe Gefühle in uns aufgeregt würden. – Bedenke, daß das gesehene Wortbild uns in ähnlicher Weise vertraut ist, wie das gehörte.
   
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     Auch gleitet der Blick anders über die gedruckte Zeile, als über eine Reihe beliebiger Haken & Schnörkel. (Ich rede hier aber nicht von dem, was durch Beobachtung der Augenbewegung des Lesenden festgestellt werden kann.) Der Blick gleitet, möchte man sagen, besonders widerstandslos: ohne hängen zu bleiben, – & doch rutscht er nicht. Und dabei geht ein unwillkürliches Sprechen in der Vorstellung vor sich. Und so verhält es sich, wenn ich Deutsch & andere
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Sprachen lese, gedruckt oder geschrieben, & in verschiedenen Schriftformen. – Aber was || Was aber von dem allen ist für das Lesen als solches wesentlich? Nicht ein Zug, der in allen Fällen des Lesens vorkäme!
(Vergleiche18 mit dem Vorgang beim Lesen unsrer || der gewöhnlichen Druckschrift das Lesen von Worten, die ganz in Großbuchstaben gedruckt sind, wie manchmal die Auflösungen von Rätseln. Welch anderer Vorgang! Oder lies unsre || das Lesen unserer Schrift von rechts nach links.)
   
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     Aber empfinden wir nicht, wenn wir lesen, eine Art Verursachung unseres Sprechens durch die Wortbilder? Lies einen Satz, || ! – und nun schau der Reihe
entlang & sprich dabei einen Satz. Ist es nicht klar || fühlbar, daß im ersten Fall das Sprechen mit dem Anblick der Zeichen verbunden war & im zweiten ohne Verbindung neben dem Sehen der Zeichen herläuft?
     Aber warum sagst Du, wir fühlten eine Verursachung? Verursachung ist doch das, was wir durch Experimente feststellen, indem wir (beiläufig gesprochen) das regelmäßige Zusammentreffen von Vorgängen beobachten. Wie könnte ich denn sagen, daß ich das, was so durch Versuche festgestellt wird, fühle? (Hiervon muß noch später die Rede sein. || müssen wir später noch sprechen.) Eher noch könnte man sagen, ich fühle, daß die Buchstaben der Grund sind, warum ich so & so lese. Denn, wenn mich jemand fragt: “Warum liest Du so?
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so begründe ich es durch die Buchstaben, welche da stehen.
     Aber was soll es heißen, diese Begründung, die ich ausgesprochen, gedacht, habe, zu fühlen? Ich möchte sagen: ich fühle beim Lesen einen gewissen Einfluß der Buchstaben auf mich, aber nicht einen Einfluß jener Reihe beliebiger Schnörkel auf das, was ich rede. – Vergleichen wir wieder einen einzelnen Buchstaben mit einem solchen Schnörkel. Würde ich auch sagen, ich fühle den Einfluß von ‘i’, wenn ich diesen Buchstaben lese? Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich beim Anblicken von ‘i’ den Laut i sage, oder beim Anblick von ‘ + ’. Der Unterschied ist, daß beim Anblick des Buchstaben das innere Hören des i-Lauts automatisch, ja gegen meinen Willen, geschieht || vor sich geht; & wenn ich den Buchstaben laut lese, sein Aussprechen anstrengungsloser geschieht || ist, als beim Anblick von ‘ + ’. Das heißt: – es verhält sich so, wenn ich den Versuch mache; – aber natürlich nicht, wenn ich, zufällig auf das Zeichen ‘ + ’ blickend, etwa ein Wort ausspreche, in welchem der i-Laut vorkommt.
   
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     Wir wären ja nie auf den Gedanken gekommen, wir fühlten einen Einfluß der Buchstaben auf uns beim Lesen, wenn wir nicht den Fall der Buchstaben mit dem beliebiger Striche verglichen hätten. Und hier merken wir allerdings einen Unterschied. Und diesen Unterschied deuten wir als Einfluß – & Fehlen des Einflusses.
     Und zwar sind wir zu dieser Deutung
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dann besonders geneigt, wenn wir absichtlich langsam lesen, – etwa um zu sehen, was denn beim Lesen geschieht. Wenn wir uns sozusagen recht absichtlich von den Buchstaben führen lassen. Aber dieses ‘mich führen lassen’ besteht eben || wieder nur darin, daß ich mir die Buchstaben gut anschaue, etwa, gewisse andere Gedanken ausschalte. – Überlege Dir hier, was Du eigentlich tust, wenn Du jemand Dich bei der Hand (einen Weg) führen läßt. –
     Wir bilden uns ein, wir nähmen durch ein Gefühl, quasi, einen verbindenden Mechanismus wahr zwischen dem Wortbild & dem Laut, den wir sprechen. Denn wenn ich vom Erlebnis des Einflusses, der Verursachung, des Geführtwerdens rede, so soll das ja heißen, daß ich sozusagen die Bewegung der Hebel fühle, die den Anblick der Buchstaben mit dem Sprechen verbinden.
     
   
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     Ich hätte mein Erlebnis beim Lesen eines Wortes auf verschiedene Weise treffend || passend in Worten malen || Worte kleiden || ausmalen || fassen können || treffend darstellen können || treffend durch Worte ausdrücken können. [Das Wort “darstellen” ist zu abstrakt] So könnte ich sagen, daß mir das Geschriebene das was ich sage || das Geschriebene mir die Laute eingebe. – Aber ich hätte auch sagen können, || auch dies: daß beim Lesen der Buchstabe und der Laut eine eigentümliche || besondere || sonderbare || Buchstabe und Laut für uns || beim Lesen eine Einheit bilden, – gleichsam eine Legierung. (Eine ähnliche Verschmelzung besteht für manchen || gibt es z.B. zwischen den Gesichtern berühmter Männer & dem Klang
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ihrer Namen. Es kommt uns dann || etwa so vor, als sei z.B., der Name Schubert der || Es kommt uns vor, der || dieser Name Schubertz.B. sei || sei der einzig richtige Ausdruck für dieses Gesicht || Der Name Schubert z.B. scheint der einzig richtige Ausdruck für dieses Gesicht zu sein.) Wenn ich diese Einheit fühle, könnte ich sagen, || : ich sehe, oder höre den Laut im || in dem geschriebenen Wort; oder auch: das Aussprechen sei || ist ein Teil der Wahrnehmung des Zeichens. [der Nachsatz ist wahrscheinlich wegzulassen.]
     Aber jetzt lies einmal ein paar Sätze im Druck, so wie Du's gewöhnlich tust, wenn Du nicht an den Begriff des Lesens denkst; & dann || nun frage Dich, ob Du beim Lesen solche Erlebnisse der Einheit, des Einflusses, etc., gehabt hast. – Sag nicht, Du habest sie unbewußt gehabt. Auch lassen wir uns nicht durch das Bild verleiten: ‘Beim nähern Hinsehen’ zeigen sich diese Erscheinungen. Wenn ich beschreiben soll, wie ein Gegenstand aus der Ferne ausschaut, so wird diese Beschreibung nicht genauer, dadurch, daß ich sage, was beim Hinsehen aus der Nähe an ihm zu sehen ist. || bei näherem Hinsehen an ihm zu bemerken ist.
   
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     Denken wir nochmals || nocheinmal an das Erlebnis des Geführtwerdens! Fragen wir uns: Worin besteht das Erlebnis des Geführtwerdens, wenn || dieses Erlebnis, wenn wir z.B. einen Weg geführt werden? Denke Dir diese Fälle || Stelle Dir diese Fälle vor:
Du bist auf einem Spielplatz (vielleicht mit verbundenen Augen) & wirst von jemand an der Hand geleitet, bald links, bald rechts – Du mußt immer des Zuges seiner Hand gewärtig sein & etwa achtgeben, daß Du bei einem unerwarteten Zug || Ruck nicht stolperst.
     Oder aber: – Du wirst von jemandem an der
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Hand mit Gewalt dahin geschleppt || geführt, wo Du nicht hingehen || hin willst.
     Oder: Du wirst im Tanz von einem Partner geführt; Du stellst Dich so rezeptiv als möglich ein || machst Dich so rezeptiv wie möglich, um seine Absicht zu erraten & dem leisesten Drucke zu folgen.
     Oder: || , Jemand führt Dich einen Spazierweg. || ; Ihr geht im Gespräch; wo immer er geht, gehst Du auch.
     Oder: Du gehst eine Straße entlang (& wirst von ihr geführt).
     Alle diese Situationen sind einander ähnlich; aber was ist allen den Erlebnissen gemeinsam?
   
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     “Aber Geführtwerden ist doch ein bestimmtes Erlebnis.” – Über diesen Gebrauch des Wortes ‘bestimmt’ später. – Aber es ist jedenfalls nicht immer dasselbe Erlebnis. Die Antwort darauf ist || Und ¤ sagst Du, es sei ein bestimmtes Erlebnis, so ist die Antwort: || Wenn du aber sagst, Geführtwerden sei doch ein bestimmtes Erlebnis, so ist die Antwort: Du denkst jetzt an ein bestimmtes Erlebnis des Geführtwerdens.
     Wenn ich mir das Erlebnis dessen vergegenwärtigen will, der in (163) durch einen || den gedruckten Text & eine || die Tabelle beim Schreiben geführt wird, so stelle ich mir das ‘gewissenhafte’ Nachsehen, etc. vor. Ich nehme dabei sogar einen bestimmten Gesichtsausdruck an (den z.B. eines gewissenhaften Buchhalters). An diesem Bild ist z.B. die Sorgfalt sehr wesentlich; an einem andern wieder das Ausschalten jedes eigenen Willens. (Denke Dir aber, daß jemand das, was || Dinge, die der gewöhnliche Mensch mit den Zeichen der Unachtsamkeit tut, mit dem Ausdruck – &
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warum nicht mit den Empfindungen? – der Sorgfalt begleitet. – Ist er nun sorgfältig? ) Stelle ich mir nun so einen bestimmten Vorgang lebendig vor, so erscheint er || Vergegenwärtige ich mir so ein bestimmtes Erlebnis, so erscheint es mir als das Erlebnis des Geführtwerdens (oder Lesens). Nun aber frage ich mich: “Was tust Du? – Du schaust auf jedes Zeichen, Du machst dieses Gesicht dabei || dazu, Du ziehst || schreibst die Buchstaben langsam || mit Bedacht (u.dgl.) – Das ist also das Erlebnis des Geführtwerdens?” Da möchte ich sagen. “Nein, das ist es nicht; es ist etwas Innerlicheres, Wesentlicheres.” – Es ist, als ob zuerst all diese mehr oder weniger unwesentlichen Vorgänge in eine bestimmte Atmosphäre gekleidet wären, die sich nun verflüchtigt, wenn ich genau hinschaue.
   
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     Frage Dich, wie Du ‘mit Bedacht’ eine Strecke parallel zu einer gegebenen Strecke ziehst, ein andermal mit Bedacht in einem Winkel zu ihr. Was ist das Erlebnis des Bedachts? Da fällt Dir gleich eine bestimmte Miene, eine Gebärde ein, – & dann möchtest Du sagen: “& es ist eben ein bestimmtes inneres Erlebnis”. (Womit Du natürlich gar nichts mehr gesagt hast.)
     (Du merkst einen Zusammenhang mit der Frage nach dem Wesen der Absicht, des Willens.)
   
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     Mache einen beliebigen Fahrer auf dem Papier
& nun zeichne ihn daneben nach, laß Dich von ihm führen. – Ich möchte sagen: “Gewiß!
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ich habe mich jetzt führen lassen. Aber was dabei Charakteristisches geschehen ist –? Wenn ich sage, was geschehen ist, so kommt es mir nicht mehr charakteristisch vor.”
     Aber nun merke ich dies: Während ich mich führen lasse, ist alles ganz einfach, ich merke nichts Besonderes; aber danach, wenn ich mich frage, was damals geschehen ist, so scheint es etwas Unbeschreibbares gewesen zu sein. Danach genügt mir keine Beschreibung. Ich kann, sozusagen, nicht glauben, daß ich bloß hingeschaut, das Gesicht gemacht, den Strich gezogen habe. – Aber erinnere ich mich denn an etwas anderes? Nein; & doch kommt mir vor, als müsse etwas anderes gewesen sein; & zwar dann, wenn ich mir dabei das Wort “führen”, “Einfluß”, & andere, vorsage || sage. ‘Denn ich bin doch geführt worden’, sage ich mir. – Dann erst tritt die Idee jenes ätherischen, ungreifbaren, Einflusses auf.
   
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     Ich habe, wenn ich nachträglich über das Erlebnis denke, das Gefühl, daß das Wesentliche an ihm das ‘Erlebnis eines Einflusses’, einer Verbindung ist, im Gegensatz zu irgend einer bloßen Gleichzeitigkeit von Phänomenen: Zugleich aber möchte ich kein erlebtes Phänomen “Erlebnis des Einflusses” nennen. (Hier liegt die Idee: der Wille ist keine Erscheinung.) Ich möchte sagen; || , ich hätte das ‘Weil’ erlebt; & doch will ich keine Erscheinung “Erlebnis des Weil” nennen.
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     Vergleiche damit diesen Fall: Jemand soll sagen, was er fühlt, wenn ihm ein Gewicht auf der flachen Hand ruht. – Ich kann mir nun vorstellen, daß hier ein Zwiespalt entsteht: Einerseits sagt er sich, was er fühlt || fühle sei ein Druck || eine Pressung gegen die Handfläche & eine Spannung in den Muskeln seines Arms; anderseits will er sagen: “aber das ist doch nicht alles; ich empfinde doch einen Zug, ein Streben des Gewichts nach unten!” – Empfindet er denn wirklich ein solches ‘Streben’? Ja: wenn er nämlich an das ‘Streben’ denkt. Mit dem Wort “Streben” ist hier ein bestimmtes Bild, eine Geste, ein Tonfall, verbunden || geht hier ein bestimmtes Bild, eine Geste || ein Gesichtsausdruck, ein Tonfall; & in diesem bist Du geneigt das Erlebnis des Strebens zu sehen || siehst Du das Erlebnis des Strebens.
     (Denke auch daran: manche Leute sagen, von dem & dem ‘gehe ein Fluidum aus’. – Daher fiel uns auch das Wort “Einfluß” ein. )
   
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      Ich möchte sagen: “ich erlebe das Weil” – || , aber nicht, weil ich mich an dieses Erlebnis erinnere; sondern, weil ich beim Nachdenken über das || darüber, was ich in einem solchen Fall erlebe, dies || dieses durch das Medium des Begriffes ‘weil’ (oder ‘Einfluß’, oder ‘Ursache’, oder ‘Verbindung’) anschaue. – Denn es ist freilich richtig, zu sagen, ich habe diese Linie unter dem Einfluß der Vorlage gezogen: dies liegt aber nicht einfach in dem, was ich beim Ziehen der Linie empfinde – sondern auch || unter Umständen (z.B.) darin, daß ich sie der andern parallel ziehe – obwohl auch das natürlich || wieder für das Geführtwerden nicht
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allgemein wesentlich ist. –
   
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     Wir sagen auch: “Du siehst ja, daß ich mich von ihr führen lasse”; & was sieht der, der das sieht?
     Wenn ich zu mir selbst sage: “Ich werde doch geführt”, so mache ich etwa eine Geste || (Handbewegung) dazu, die das Führen ausdrückt. – Mache eine solche Handbewegung, gleichsam als leitetest Du jemand entlang, & frage Dich dann, worin das Führende dieser Bewegung besteht. Denn Du hast hier ja doch niemand geführt; – & doch möchtest Du die Bewegung eine ‘führende’ nennen. Also war in dieser Bewegung, & der sie begleitenden Empfindung, nicht das Wesen des Führens enthalten & doch drängte es Dich diese Bezeichnung zu gebrauchen. Es ist eben eine Erscheinungsform des Führens, die Dir diesen Ausdruck aufdrängt.
   
     Es ist klar: wir würden nicht sagen, daß B nun weiter wisse, die Reihe fortsetzen könne, wenn || weil ihm die algebraische Formel eingefallen ist, wenn nicht erfahrungsmäßig ein Zusammenhang bestünde zwischen dem Einfallen (Aussprechen, Anschreiben) der Formel & dem tatsächlichen Fortsetzen der Reihe.
   
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     Kehren wir zu unserm Fall (150) 132 zurück. Es ist klar: wir würden nicht sagen, B habe ein Recht, die Worte, “jetzt weiß ich weiter”, zu gebrauchen, wenn || weil ihm
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die Formel einfällt || eingefallen ist, – wenn nicht erfahrungsmäßig ein Zusammenhang bestünde, zwischen dem Einfallen – Aussprechen, Anschreiben – der Formel & dem tatsächlichen Fortsetzen der Reihe. Und so ein Zusammenhang besteht ja offenbar. – Und nun könnte man meinen, der Satz “ich kann fortsetzen” sage eigentlich || soviel wie: “ich habe ein Erlebnis, welches erfahrungsgemäß zum Fortsetzen der Reihe führt”. Aber meint das B, wenn er sagt “ich kann fortsetzen”? Schwebt ihm jener Satz dabei im Geiste vor, oder ist er bereit, ihn als Erklärung dessen, was er meint, zu geben?

     Nein. – Die Worte “jetzt weiß ich weiter” waren richtig angewandt, wenn ihm die Formel eingefallen war: nämlich unter gewissen Umständen – z.B., wenn er Algebra gelernt, solche Formeln schon früher benutzt hatte. – Das heißt aber nicht, jene Aussage sei nur eine Abkürzung für die Beschreibung sämtlicher Umstände, die den Hintergrund || Schauplatz unseres Sprachspiels bilden. – Denke daran, wie man solche || wir jene Ausdrücke, wiejetzt weiß ich weiter”, “jetzt kann ich fortsetzen”, u.s.f. || u.a., gebrauchen lernen || in welcher Familie von Sprachspielen wir ihren Gebrauch lernen.
     Wir können uns auch den Fall vorstellen, daß im Geist des B gar nichts anderes vorfiel, als daß er plötzlich sagte: “jetzt weiß ich weiter” – etwa mit einem Gefühl der Erleichterung, & daß
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er nun die Reihe tatsächlich fortrechnet, ohne die Formel zu benützen. Und auch in diesem Falle würden wir – unter gewissen Umständen – sagen, er habe weiter gewußt.
     So werden diese Worte gebraucht. Es wäre in diesem letzteren Fall z.B. ganz irreleitend, sie die ‘Beschreibung eines Geisteszustandes’ zu nennen. – Eher könnte man sie hier ein ‘Signal’ nennen; & ob es richtig angewendet war, beurteilen wir nach dem, was er weiter tut.
   
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     Um dies zu verstehen, müssen wir uns auch folgendes überlegen: Angenommen B sagt, er wisse weiter – wenn er aber dann || nun fortsetzen will, stockt er & kann es nicht, || : sollen wir dann sagen, er habe mit Unrecht gesagt, er könne fortsetzen, oder aber: er hätte damals fortsetzen können, nur jetzt könne er es nicht? – Es ist klar, daß wir in verschiedenen Fällen Verschiedenes sagen werden. (Überlege Dir beide Arten von Fällen.)
   
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     Sollen wir aber nun sagen, daß im Fall (150) der Satz “Jetzt kann ich fortsetzen” dasselbe geheißen habe, wie “Mir ist || Jetzt ist mir die Formel eingefallen”, || Wie aber, – hat nun der Satz “jetzt kann ich fortsetzen” im Fall (150) das Gleiche geheißen, wie, “jetzt ist mir die Formel eingefallen”, oder etwas anderes? Wir können sagen, daß der zweite || dieser Satz, unter diesen Umständen, den gleichen Sinn habe, wie der erste || jener. Aber auch, daß, allgemein, diese beiden Sätze nicht den gleichen Sinn
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haben.
     Wir sagen auch: “Jetzt kann ich fortsetzen, – ich meine, || : ich weiß die Formel”; wie wir sagen: “Ich kann den Weg machen || gehen, d.h., ich habe Zeit”; aber auch: “Ich kann den Weg machen || gehen, d.h., ich bin schon stark genug”, || ; etc. oder: “Ich kann gehen, was den Zustand meines Beines anbelangt”. || ; Wenn || wenn wir nämlich diese Bedingung des Gehens, andern Bedingungen entgegensetzen. Hier müssen wir uns aber hüten, zu glauben, es gäbe, || , entsprechend der Natur des Falles, eine Gesamtheit aller Bedingungen – z.B. dafür, daß einer geht – so daß er, sozusagen, nicht anders als gehen könnte, wenn sie alle erfüllt sind.
   
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     Ich will mich an eine Melodie erinnern & kann's nicht || sie fällt mir nicht ein; plötzlich sage ich, “Jetzt weiß ich sie || ich's!”, & singe sie: Wie war es, als ich sie plötzlich wußte? Sie konnte mir doch nicht in diesem Moment || in diesem Moment nicht ganz eingefallen sein! – Du sagst vielleicht: “Es ist ein bestimmtes Gefühl, als wäre sie jetzt da, || aber ist sie jetzt da? Wie, wenn Du nun anfängst, sie zu singen & steckenbleibst? – Ja aber konnte ich nicht doch in diesem Moment sicher sein, daß ich sie wüßte? Sie war also eben doch in irgendeinem Sinne da! – Aber in welchem Sinne? Du sagst doch eine || wohl, die Melodie sei da, wenn er sie etwa gesungen, hätte || durchsingt, oder vom Anfang bis zum Ende vor dem innern Ohr gehört hätte || hört. Ich leugne natürlich nicht, daß Du der Aussage, die Melodie sei
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da, auch einen ganz andern Sinn geben kannst – z.B. den, ich hätte einen Zettel, auf dem sie aufgeschrieben ist || steht. – Und worin besteht es denn, daß er sicher ist, er wisse sie? – Du könntest || kannst natürlich sagen: Wenn jemand mit Überzeugung sagt, jetzt wisse er die Melodie, so ist sie || sei || stehe sie in diesem Augenblick (irgendwie) ganz vor seinem Geist; & das ist hier eine Erklärung der Worte: “die Melodie steht ganz vor seinem Geist”.
   
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     Gehen wir nun zu unserm Beispiel (143) zurück. Der Schüler beherrscht jetzt – nach den gewöhnlichen Kriterien beurteilt – die Grundzahlenreihe. Wir lehren ihn nun auch andere Reihen von Kardinalzahlen anschreiben & bringen ihn dahin, daß er z.B. auf einen Befehl || Befehle von der Form “ + n” eine Reihe || Reihen anschreibt von der Form 0, n, 2n, 3n, etc., auf den Befehl “ + 1” aber die Grundzahlenreihe. – Wir hätten unsre Übungen und Stichproben seines Verständnisses im Zahlenraum bis 1000 gemacht.
     Wir lassen nun den Schüler einmal eine Reihe – etwa ‘ + 2’ – || (etwa ‘ + 2’) über 1000 hinaus fortsetzen, – da schreibt er:
1000, 1004, 1008, 1012.
     Wir sagen ihm: “Schau, was Du machst!” – Er versteht uns nicht. Wir sagen: “Du solltest doch 2 addieren; schau, wie Du die Reihe begonnen hast!” – Er antwortet: “Ja! ist es denn nicht richtig? Ich dachte, so soll ich's machen.” Oder nimm an, er sagte, auf die Reihe weisend: “Ich bin doch auf die gleiche Weise fortgefahren!” – Es würde uns nun nichts nützen, zu sagen:
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“Aber siehst Du denn nicht …?” – & ihm die alten Erklärungen & Beispiele zu wiederholen. – Wir könnten in so einem Falle etwa sagen: Dieser Mensch versteht von Natur aus jenen Befehl auf unsre Erklärungen hin so, wie wir den Befehl verstünden: “Addiere bis 1000 immer 2; bis 2000, 4; bis 3000, 6; etc.!”
     Dieser Fall hätte eine Ähnlichkeit mit dem, || : wenn || daß ein Mensch von Natur aus auf eine zeigende Gebärde so reagierte, daß || indem || Handbewegung damit reagierte, daß er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel schaut || blickt, statt umgekehrt || in der Richtung zur Fingerspitze. || daß ein Mensch auf eine zeigende Gebärde von Natur aus so reagierte, daß || indem er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel blickt, statt umgekehrt || in der Richtung zur Fingerspitze. Verstehen ist hier reagieren.
   
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     “Was Du sagst, läuft also wohl darauf hinaus, || : es sei zum richtigen Befolgen des Befehls ‘ + n’ auf jeder Stufe eine neue Einsicht, || Intuition – nötig.” – Zur richtigen Befolgung! Wie wird denn entschieden, welches an einem bestimmten Punkt der richtige Schritt ist? – “Der richtige Schritt ist der, welcher mit dem Befehl – wie er gemeint war – übereinstimmt.” – Du hast also zur Zeit, als Du den Befehl “ + 2” gabst, gemeint, er solle auf ‘1000’ ‘1002’ schreiben || ; – & hast Du damals auch gemeint, || : er solle auf ‘1866’ ‘1868’ schreiben (&) auf ‘100034’ ‘100036’, & || u.s.f.﹖, eine unendliche Anzahl solcher Meinungen || Sätze? – “Nein; ich habe gemeint: er solle nach jeder Zahl, die er schreibt, die zweitnächste schreiben; & daraus folgen ihres Orts alle jene Sätze.” – Aber es ist ja gerade die Frage,
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was, an irgend einem Ort, aus jenem Satz folgt. Oder auch: – was wir an irgend einem Ort “Übereinstimmung” mit jenem Satz nennen sollen, & || (& auch mit der Meinung, die Du damals dem Satz gegeben hast, – worin immer diese bestanden haben mag). Richtiger, als zu sagen, es sei an jedem Punkt eine neue Intuition nötig, wäre es, zu sagen: es sei an jedem Punkt eine neue Entscheidung nötig.
   
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     “Ich habe aber doch auch damals, als ich den Befehl gab, schon gewußt, daß er auf ‘1000’ ‘1002’ schreiben soll!” – Gewiß; & Du kannst sogar sagen, Du habest es damals gemeint; nur sollst Du Dich nicht von der Grammatik der Wörter “wissen” & “meinen” irreführen lassen. Denn Du meinst ja nicht, daß Du damals an den Übergang von 1000 auf 1002 gedacht hast – & wenn auch an diesen Übergang, so doch an andre nicht. Dein “Ich habe damals schon gewußt …” heißt etwa: “Hätte man mich damals gefragt, welche Zahl er nach 1000 schreiben soll, so hätte ich geantwortet, 1002”. Und daran zweifle ich nicht. Es ist das eine Annahme etwa von der Art derjenigen || dieser: “Wenn er damals in's Wasser gefallen wäre, so wäre ich ihm nachgesprungen.” – Worin lag nun das Irrige Deiner Idee?
   
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     Da möchte ich zuerst sagen: Deine Idee sei die gewesen, jenes Meinen des Befehls habe auf seine Weise alle die Übergänge doch schon gemacht, || : Deine
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Seele fliegt beim Meinen, gleichsam, voraus & macht alle Übergänge, ehe Du körperlich bei dem oder jenem angelangt bist.
     Du warst also zu Ausdrücken geneigt, wie: “Die Übergänge sind eigentlich schon gemacht; auch ehe ich sie schriftlich, mündlich, oder auch in Gedanken, mache”. Und es schien, als wären sie in einer einzigartigen Weise vorausbestimmt, antizipiert, || : wie nur das Meinen die Wirklichkeit antizipieren könne. (Und dieser Täuschung werden wir noch öfters begegnen.)
   
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     “Aber sind die Übergänge also durch die algebraische Formel nicht bestimmt?” – In der Frage liegt ein Fehler.





















Editorial notes

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3) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.

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5) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.

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7) For dating see dates of text variants Ms-183,148[1]et149[1]et150[1]et151[1]et152[1]et153[1] and Ms-157a,45r[2]et45v[1]et46r[1]et46v[1]et47r[1] ff.

8) See facsimile; arrow pointing to the comma.

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10) See facsimile; arrow pointing left and a bar, probably indicating that the indentation shall be canceled.

11) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.

12) See facsimile; arrow pointing up.

13) See facsimile; arrow pointing left, a question mark and a bar, indicating that the indentation should possibly be canceled.

14) See facsimile; there are arrows marking the point of insertion.

15) See facsimile; there are two arrows pointing to the text.

16) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.

17) See facsimile; there are arrows in front and after the comment.

18) See facsimile; arrow pointing right, probably indicating that the line shall be indented.