Gretl von Ludwig
zu Weihnachten 1936 ein schlechtes Geschenk |
Philosophische Untersuchungen. |
Angefangen anfangs November
1936 |
1
Augustinus
sagt (uns), der Mensch lerne seine Muttersprache
so: |
¤ |
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[Die ersten Seiten verbessert auf S. 77
ff.] |
1)
Augustinus
beschreibt, wie der Mensch die Sprache || das Kind seine
Muttersprache lernt, so: || Augustinus sagt (uns), der Mensch lerne seine
Muttersprache so: (Confessiones
I/8) Cum … || [maiores] appellabant rem aliqam et cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam, et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. … ita verba in variis sententiis locis suis posita et crebro audita quarum rerum signa essent paulatim colligebam measque iam voluntates edomito … per … in eis signis ore per haec enuntiabam. Wir erhalten, so scheint es mir, (hier) dieses Bild vom || von dem Wesen der Sprache: Ihre Wörter benennen Gegenstände; die Sätze sind Zusammenstellungen || Verbindungen solcher Benennungen. Hier ist || haben wir || Dies ist das Bild, in welchem die Idee der ‘Bedeutung’ der Wörter’ ihre Wurzeln hat: Denn die Wörter haben Bedeutung, & die Bedeutung des Wortes ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht. || Wir erhalten hier ein bestimmtes Bild vom Wesen der Sprache: || Es scheint mir wir erhalten hier dieses Bild von der Wesenheit der Sprache: Ihre Wörter dienen zur Bezeichnung von Gegenständen || Mit ihren Wörtern benennen wir Gegenstände || Ihre Wörter dienen dazu, Gegenstände zu benennen/; (die) Sätze sind Verbindungen solcher Benennungen || von solchen Bezeichnungen || von solchen Benennungen || solcher Bezeichnungen || in den Sätzen verbinden sich Benennungen || Bezeichnungen. – In diesem Bild vom || von dem Wesen der Sprache hat die Idee ihre Wurzeln: Das Wort hat eine Bedeutung, diese ist ihm zugeordnet, sie ist der Gegenstand, für welchen es steht. Von einem Unterschied der Wortarten spricht Augustinus nicht; bei seiner Beschreibung schweben uns an erster Stelle || zunächst Hauptwörter vor, wie || denkt man (zunächst) an Hauptwörter; wie ‘Tisch’, “Baum”, ‘Brot’ || ‘Brot’, ‘Baum’ & (die) Eigennamen || Namen von Personen; die andern || & die übrigen Wortarten schließen sichan diesen an || , an, aber gleichsam, gegen den Hintergrund unseres Gedankens zu, an. || zu. || Von einem Unterschied der Wortarten spricht Augustinus nicht. Bei seiner Beschreibung denkt man zunächst an Hauptwörter, || Darstellung schweben uns Hauptwörter vor; wie “Tisch”, “Mann”, “Brot”, & die Namen von Personen; andere || die anderen Wortgruppen schließen sich diesen an, aber gleichsam gegen || gegen den Hintergrund zu. || Bei seiner Beschreibung denken vorerst wir an Hauptwörter – wie “Tisch”, “Mann”, “Brot” & die Namen von Personen; andere Wortgruppen schließen sich diesen an, aber gegen den Hintergrund zu. || 1
Augustinus, in den Confessionen I/8: Cum [majores homines] appellabant rem aliquam, & cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam, et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. Hoc autem eos velle ex motu corporis aperiebatur: tamquam verbis naturalibus omnium gentium, quae fiunt vultu et nutu oculorum, ceterorumque membrorum actu & sonitu vocis indicante affectionem animi in petendis, habendis, rejiciendis, faciendisve rebus. Ita verba in variis sententiis locis suis posita, & crebro audita, quarum rerum signa essent, paulatim colligebam, measque jam voluntates, edomito in eis signis ore, per haec enuntiabam. In diesen Worten erhalten wir – so scheint es mir – ein bestimmtes Bild von dem Wesen der menschlichen Sprache. Nämlich dieses: Die Wörter der Sprache benennen Gegenstände – Sätze sind Verbindungen von solchen Benennungen. In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee: Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht. Von einem Unterschied der Wortarten spricht Augustinus nicht. Wer das Lernen der Sprache so beschreibt, denkt – so möchte ich glauben – zunächst an Hauptwörter, wie “Tisch”, “Stuhl”, “Brot” & die Namen von Personen; & an die übrigen Wortarten wie an etwas, das sich finden wird. || Namen von Personen; || , erst in zweiter Linie am die Namen gewisser Tätigkeiten & Eigenschaften, & an die übrigen Wortarten als an etwas, was sich finden wird. |
2
Stelle Dir
nun || aber
diese || die folgende
Verwendung der Sprache vor: || Nun stelle
dir die folgende Verwendung der Sprache
vor: Ich schicke jemand einkaufen.
Ich gebe || Wir schicken jemand einkaufen.
Wir geben ihm einen Zettel mit, auf diesem
stehen die Zeichen: || 2 Denke nun an diese Verwendung der Sprache: – Ich schicke jemand einkaufen. Ich gebe ihm einen Zettel, auf diesem stehen die Zeichen: “fünf rote Äpfel”. Er trägt den Zettel zum Kaufmann; der öffnet die Lade, auf welcher das Zeichen “Äpfel” steht; 2 dann sucht er in einer
Tabelle das Wort “rot” auf & findet ihm
gegenüber ein färbiges Täfelchen; nun sagt er die
Reihe der Grundzahlwörter – ich nehme an, er weiß sie
auswendig – bis zu
“fünf” her || zum Worte
“fünf” & bei jedem Zahlwort
nimmt er einen Apfel aus der Lade, der die Farbe des Täfelchens
hat. –
So, & ähnlich, operiert man mit
Worten. –
“Wie weiß er aber, wo &
wie er das Wort “rot” nachschlagen soll &
was er mit dem Wort “fünf” anzufangen
hat?” –
Nun, ich nehme eben an, er
handelt, wie ich es beschrieben habe.
Die
Erklärungen haben irgendwo ein Ende. –
Was
ist aber die Bedeutung des Wortes
‘drei’ || ‘fünf’? –
Von einer
solchen war hier gar nicht die Rede; nur davon, wie das Wort
“fünf” gebraucht wird. |
3 Der philosophische
Begriff der ‘Bedeutung der
Wörter’, als des Fundaments der Sprache,
stammt aus einer primitiven Auffassung des Funktionierens der
Sprache her. || ist in einer primitiven Idee vom Funktionieren
der Sprache zu Hause || Jener
philosophische Begriff von || der Bedeutung eines
Wortes ist zu Hause in einer primitiven Vorstellung vom Funktionieren
der || unserer Sprache.
Wir können aber auch sagen, die Vorstellung trifft zu, nur
für eine primitive SpracheDenken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung || Darstellung welche || die Augustinus gegeben hat, gilt || zutrifft: [Neue Zeile] Sie diene der Verständigung || möge der Verständigung dienen || 3 Jener philosophische Begriff der Bedeutung ist in einer primitiven Vorstellung, [wichtiger Beistrich]1 von der Art & Weise, ﹖ wie die Sprache funktioniert, zu Hause. || , davon, wie die Sprache funktioniert, zu Hause. || primitiven Auffassung von der Art & Weise, wie die || unsere Sprache funktioniert, zu Hause. Man kann aber auch sagen, es sei die Vorstellung einer primitiveren Sprache, als der unseren. Denken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung, wie Augustinus sie gegeben hat, stimmt: Die Sprache soll der Verständigung dienen eines Bauenden A mit seinem || einem Gehilfen B. A führt einen Bau auf aus Bausteinen von gegebener Form; er hat dazu Würfel, Säulen, Platten & Balken || es sind Würfel, Säulen, Platten & Balken dar || vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen, || ; wie er sie gerade braucht || benötigt || nacheinander || nach der Reihe || der Reihe nach, wie A sie braucht || benötigt || , die er gerade braucht || den Baustein zuzureichen, den er gerade braucht. Dazu Hierzu || Zu diesem || dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den vier Wörtern: “Würfel”, “Säule”, “Platte”, “Balken”. A ruft sie aus, || – B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen. 3
Fasse dies als vollständige primitive Sprache auf! |
4
Man könnte
sagen: Augustinus beschreibt allerdings || wohl
ein System der Verständigung,
also eine Sprache; nur ist nicht alles, was wir Sprache
nennen, dieses System.(Und das muß man in einer großen Anzahl von Fällen || so vielen Fällen sagen, wo es sich frägt || sich die Frage erhebt: “ist diese Darstellung brauchbar, oder unbrauchbar”. Die Antwort ist || lautet (dann): “Ja, brauchbar; aber nur dafür || für dieses engumschriebene Feld, nicht für das ganze Gebiet, das Du darzustellen dachtest || vorgabst.”) [Theorien der Nationalökonomiker] Es ist so, als erklärte jemand: “Spielen besteht darin, daß man Dinge, gewissen Regeln gemäß, auf einer Fläche verschiebt …”, || – und wir ihm antworteten || antworten: Du denkst da gewiß an die Brettspiele, & auf sie ist Deine Beschreibung auch anwendbar. Aber das sind nicht alle Spiele. – Du kannst also Deine Erklärung || Du scheinst an die Brettspiele zu denken: aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst Deine Erklärung richtigstellen, indem Du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst. Man könnte also sagen, Augustinus stelle das Lernen der Sprache || stelle die Sache zu einfach dar, aber auch: er stelle eine einfachere Sache dar. Man (Wer das Schachspiel einfacher beschriebe || beschreibt – mit einfacheren Regeln – als es ist, || als es ist – mit einfacheren Regeln – beschreibt damit dennoch ein Spiel, aber ein anderes.) |
5
Denke Dir eine
Schrift || Man könnte den Fall mit dem
einer Schrift vergleichen, in
der || welcher Buchstaben zur Bezeichnung
von Lauten benützt würden, aber auch zur Bezeichnung der
Betonung & ja auch als
Interpunktionszeichen.
Fasse diese Schrift als Sprache auf || Fasse diese
Schrift auf als eine Sprache || Die Schrift kann man
auffassen als eine Sprache zur Beschreibung eines
Lautbildes || von Lautbildern; – nun
denke Dir || . Denke Dir nun, daß Einer
sie || jene Schrift so verstünde, als
entspräche einfach jedem Buchstaben ein Laut & als
hätten die Buchstaben nicht auch ganz andere
4 Funktionen.
–
Und so || So einer – zu einfachen –
Beschreibung || Auffassung der Schrift
gleicht
Augustinus'
Beschreibung || Auffassung der
Sprache. |
6
Wenn man
das Beispiel (2) betrachtet, so ahnt man vielleicht, inwiefern
der allgemeine Begriff der Bedeutung der Worte das
Funktionieren der Sprache mit einem Dunst umgibt, so daß
es beinahe unmöglich wird es zu verstehen. || der das
klare Sehen unmöglich macht. Darum ist es
gut || nützlich, wenn wir die
Vorgänge des Gebrauchs der Sprache an primitiven
Verwendungsarten der Sprache betrachten. || Darum ist es nützlich, wenn wir uns die
Vorgänge des Gebrauchs der Sprache an primitiven Beispielen des
Gebrauchs ansehen. || Darum ist es gut, wenn
wir die Vorgänge des Gebrauchs der Sprache in primitiven
Fällen ihrer Verwendung || Anwendung
betrachten. ||
Es zerstreut den Nebel, wenn wir die Erscheinungen
der Sprache an primitiven Arten ihrer Verwendung
studieren an Verwendungsweisen in denen man den
Zweck & das Funktionieren der Wörter klar übersehen
kann.
[Neue
Zeile.]
Solche primitive Formen
der Sprache verwendet das Kind, wenn es sprechen lernt.2
Das Lehren der Sprache ist hier kein Erklären, sondern ein Abrichten. |
7
Wir könnten uns vorstellen,
daß die Sprache (3) || daß das
Beispiel einer Sprache (3) die ganze
Sprache des A und B ist; ja die ganze Sprache eines
Stammes || Volksstammes.
Die Kinder werden
dazu erzogen diese Tätigkeiten zu verrichten, diese Wörter
dabei zu gebrauchen, & so auf die Worte des Andern zu
reagieren.
Ein wichtiger Teil der Abrichtung wird darin bestehen, daß der Lehrende auf die Gegenstände weist, die Aufmerksamkeit des Kindes auf sie lenkt, und dabei ein Wort ausspricht; z.B. das Wort ‘Platte’ beim Vorzeigen einer || dieser Form. (Dies will ich nicht 5 ‘hinweisende
Erklärung’, oder ‘Definition’, nennen,
weil ja das Kind noch nicht nach der Benennung fragen
kann.
Ich will es ‘hinweisendes
Lehren der Wörter’
nennen. –
Ich sage, es wird
einen wichtigen Teil der Abrichtung bilden, weil es bei Menschen so
der Fall ist, nicht, weil es sich nicht anders vorstellen
ließe.)
Dieses hinweisende Lehren der
Wörter, kann man sagen, macht || schlägt
eine assoziative Verbindung zwischen dem
Wort & dem Ding.
Aber was heißt das?
Nun es kann Verschiedenes heißen, – aber man denkt wohl
zunächst daran, daß dem Kind das Bild des Dings vor die Seele tritt wenn
es || dem Lernenden das Bild des Dings vor die Seele tritt wenn
er das Wort hört.
Aber wenn das nun
geschieht, – ist das der Zweck des Worts? –
Ja, es kann der Zweck sein. –
Ich kann
mir denken, daß
Wörter (d.h. also Lautreihen) dazu
verwendet werden || eine solche Verwendung von Wörtern
(d.h. also Lautreihen)
denken.
(Ihr Aussprechen ist gleichsam ein
Anschlagen einer Taste auf dem || einem
Vorstellungsklavier.)
Aber in der Sprache (3) ist
es nicht der Zweck der Wörter Vorstellungen zu
erwecken.
(Es kann freilich auch gefunden
werden, daß dies dem eigentlichen Zweck förderlich
ist.)
Wenn aber das das hinweisende Lehren bewirkt, – soll ich sagen, es bewirkt das Verstehen || Verständnis des Worts? – Versteht nicht der den Ruf “Platte!”, der richtig || so & so nach ihm handelt? – Aber dies half wohl das hinweisende Lehren herbeiführen, aber doch nur zusammen mit einem bestimmten Unterricht. Mit einem anderen Unterricht hätte dasselbe hinweisende 6 Lehren dieser Wörter ein
ganz anderes Verständnis bewirkt. –
Davon
später mehr. –
“Indem ich die Stange durch den Stift mit dem Hebel verbinde, stelle || setze ich die Bremse instand.” – Ja, – gegeben den ganzen übrigen Mechanismus. Nur mit diesem ist er der Bremshebel; & losgelöst von seiner Stütze || vom Gestell || von dem Gestell ist er nicht einmal Hebel, sondern kann alles mögliche sein, oder nichts. |
8
In der
Praxis des Gebrauchs der Sprache (3) ruft der eine Teil die
Wörter, der andre handelt nach ihnen, im Unterricht der
Sprache aber wird sich dieser Vorgang finden: der
Lernende benennt die
Gegenstände; || : d.h.,
er spricht das Wort, wenn der Lehrer auf den Stein zeigt. –
Ja, es wird sich hier die noch einfachere Übung
finden: Der Schüler spricht die Worte nach, die der
Lehrer ihm vorspricht: || :
– Beides sprachähnliche
Vorgänge || Übungen.
Wir können uns auch vorstellen || denken daß die Sprache (3) || der ganze Vorgang des Gebrauchs der Worte in (3) eines der || jener Spiele ist, mittels welcher || durch welche Kinder die Sprache erlernen || unsere || die Sprachen erlernen. Ich will diese “Sprachspiele” nennen, & von einer primitiven Sprache manchmal als von einem “Sprachspiel” reden. Und man könnte die Vorgänge des Benennens der Steine und des Nachsprechens des vorgesagten Wortes auch Sprachspiele nennen. Denke an manchen Gebrauch der von den Worten in Reigenspielen gemacht wird. 7 |
9
Betrachten || Sehen wir jetzt eine
Erweiterung der || unserer Sprache (3)
an: Außer den 4 Wörtern
“Würfel”, “Säule”,
etc. enthalte sie eine Wörterreihe, die verwendet
wird, wie der Kaufmann in (2) die Zahlwörter verwendet,
sie || es kann die Reihe der Buchstaben des Alphabets
sein; ferner: || , zwei Wörter, sie
mögen “dorthin” &
“dieses” lauten, weil dies schon || uns
ungefähr ihren Zweck andeutet, – sie werden in
Verbindung mit einer zeigenden Handbewegung gebraucht;
– & endlich: einige Täfelchen
von verschiedenen Farben || von
verschiedener Farbe || Färbung || – endlich,
einige Täfelchen von verschiedener Farbe.
A gibt nun einen Befehl von der Art: “d
Platte dorthin” – dabei zeigt er dem Gehilfen ein
Farbtäfelchen || läßt er den Gehilfen ein
Farbtäfelchen sehen, & beim Worte
“dorthin” zeigt er an einen
Ort || eine Stelle.
B
nimmt von dem Vorrat der Platten je eine von der Farbe des
Täfelchens für jeden Buchstaben des Alphabets bis zum
“d” & bringt sie an den Ort den
A bezeichnet. –
Bei andren Gelegenheiten gibt
A den || einen Befehl “dieses
dorthin” – bei
“dieses” zeigt er auf einen Baustein, –
u.s.w.. |
10
Wenn das Kind diese Sprache lernt, muß es
die Reihe der ‘Zahlwörter’
“A,
B, C,
… || a, b, c, …” auswendig
lernen. –
Und es muß ihren
Gebrauch || sie gebrauchen
lernen; || :
dabei || & in dem Unterricht kann
wieder ein ‘hinweisendes Lehren’
vorkommen
und auch ein ‘Benennen’ || und auch ein
‘Benennen’ vorkommen.
Es
wird also z.B. auf zwei Platten
gewiesen werden & die Worte “B
Platten” dabei vorgesprochen & gezählt
werden: “A, B, C, D || a, b, c,
d Platten”. – Mehr
Ähnlichkeit || Und es muß ihren Gebrauch
lernen: Wird in diesem || dem Unterricht auch
ein hinweisendes Lehren der Wörter vorkommen? –
Nun, es wird z.B. auf Platten gewiesen
& gezählt werden: “A, B,
C, || a, b, c, Platten”.
– Mehr Ähnlichkeit
mit dem hinweisenden Lehren der Wörter
“Würfel”, “Säule”
etc. || im Beispiel (3)
hätte || hat das hinweisende Lehren
solcher || der Zahlwörter,
¤ Wird auch “dieses” und “dorthin” || “dorthin” und “dieses” hinweisend gelehrt? – Stelle Dir vor, wie man ihren Gebrauch etwa lehren könnte! Es wird dabei auf Örter & Dinge gewiesen || gezeigt werden, – aber hier geschieht ja dieses Zeigen auch im Gebrauch der Wörter & nicht nur beim Lernen des Gebrauchs. – |
11
Was bezeichnen nun die
Wörter dieser Sprache? –
Was sie bezeichnen,
– wie soll sich das zeigen, – es sei denn in der Art ihres
Gebrauchs?
Und den haben wir ja
beschrieben.
Der Ausdruck “dieses Wort
bezeichnet das” müßte also ein Teil dieser
Beschreibung werden.
Oder, || : die Beschreibung soll
in || auf die Form gebracht
werden: “Das Wort … bezeichnet
…”.
Nun, man kann ja die Beschreibung der Verwendung || des Gebrauchs des Wortes “Platte” dahin abkürzen, daß man sagt, dieses Wort bezeichne diesen Gegenstand. Das wird man tun, wenn es sich z.B. nur mehr 9 darum handelt, das
Mißverständnis zu vermeiden || beseitigen,
das Wort “Platte” beziehe sich auf
die Bausteinform, die wir tatsächlich
“Würfel” nennen; die Art & Weise dieses
‘Bezuges’ aber, d.h.
der Gebrauch dieser Worte im übrigen, bekannt ist.
Und ebenso kann man sagen, die Zeichen A, B, C, || a, b, c, etc. bezeichnen Zahlen, wenn dies etwa das Mißverständnis behebt ‘A’, ‘B’, ‘C’ || a, b, c spielten in der Sprache die Rolle, die in Wirklichkeit “Würfel”, “Säule”, “Platte” spielen. Und man kann auch sagen ‘C’ bezeichne diese Zahl, & nicht jene, – wenn damit etwa erklärt wird, die Buchstaben seien in der Reihenfolge ‘A’, ‘B’, C, ‘D’ || a b c d etc. zu verwenden & nicht A B D C || a b d c. Aber dadurch, daß man so die Beschreibungen des Gebrauchs der Wörter einander assimiliert, kann doch dieser Gebrauch nicht ähnlicher werden! Denn, wie wir sehen, ist die Art & Weise ihres Gebrauchs ganz & gar verschieden. Man kann die Wörter in dieser Beziehung am besten vergleichen mit den Werkzeugen || Denk' an die Werkzeuge in einem Werkzeugkasten: Es ist da ein Hammer, eine Zange, eine Säge, ein Stemmeisen || Schraubenzieher, ein Maßstab, ein Leimtopf, Leim, Nägel & Schrauben. – So verschieden die Funktionen dieser Werkzeuge || Gegenstände, so verschieden sind die Funktionen der Wörter. (Und es gibt Ähnlichkeiten hier & dort.) 12 ← [S. 10] ¥ Denke dir, jemand sagte: “Alle Werkzeuge dienen dazu, etwas zu modifizieren: || .” So der Hammer die Lage des Nagels, die Säge die Form des 10
Brett's,
etc.” –
Und was modifiziert der
Maßstab, der Leimtopf, die Nägel? –
“Unser Wissen um die Länge eines Dings, die
Temperatur des Leims und die Festigkeit der Kiste.”
–
Wäre mit dieser Assimilation des Ausdrucks
etwas gewonnen? – |
[Das Folgende bis zum Strich zu S.9] ⍈ 12
Freilich, was uns verwirrt ist die Gleichförmigkeit ihrer Erscheinung, wenn sie || die Wörter uns gesprochen oder in der Schrift & im Druck entgegentreten. Denn ihre Verwendung ist || steht nicht so klar || deutlich vor Augen || vor den Augen. || Denn ihre Verwendung steht nicht so deutlich vor uns. Besonders nicht, wenn wir philosophieren! Wie wenn wir ein Schaltbrett || Stellwerk anschauen || ansehen: wir sehen Handgriffe, die alle mehr oder weniger gleich ausschauen. (Begreiflich; || Das ist begreiflich, denn sie sollen alle mit der Hand angefaßt werden || ¤ denn alle sollen mit der Hand angefaßt werden || denn alle werden mit der Hand angefaßt.) Aber einer ist der Handgriff einer Kurbel, die kontinuierlich verstellt werden kann (sie reguliert z.B. || etwa die Öffnung eines Ventils); || ; ein andrer ist der Handgriff eines Schalters, der nur zweierlei wirksame Stellungen hat; || , er ist (entweder) umgelegt, oder aufgestellt; ein dritter ist der Griff eines Bremshebels, || ; je stärker wir ziehen, desto stärker wird gebremst; & ein vierter der Handgriff einer Pumpe, er wirkt nur, solange er hin & her bewegt wird. Wenn wir sagen, || : “jedes Wort der Sprache bezeichnet etwas”, so ist damit vorerst noch gar nichts gesagt; es sei denn, daß wir genau erklärten, welche Unterscheidung wir zu machen wünschen. (Es könnte ja sein, daß 11 wir die Wörter der
Sprache (9) von Wörtern ‘ohne Bedeutung’
unterscheiden wollen || wollten, wie
sie || die in Gedichten Lewis
Carrolls vorkommen.) [Fortsetzung auf S.9] |
13
Am besten ist das Wort
“bezeichnen” wohl da angewandt, wo das
Zeichen auf dem Gegenstand steht, den es bezeichnet.
Nimm also an, auf Werkzeugen, die A beim Bauen benützt, waren || stünden || stehen Zeichen. Zeigt A dem Gehilfen ein solches Schriftzeichen, so bringt dieser || er das Werkzeug, das mit diesem || dem Zeichen bezeichnet ist. Auf diese & mehr oder weniger ähnliche Weise bezeichnet ein Name ein Ding, & ist || wird ein Name einem Ding gegeben. (Davon später mehr.) – Es wird sich oft nützlich erweisen, wenn wir uns beim Philosophieren sagen: Etwas benennen, das ist etwas Ähnliches, wie, einem Ding ein Namentäfelchen umhängen. – |
14
Wie ist es mit den
Farbtäfelchen || Farbmustern, die
A dem B zeigt, – gehören sie zur
Sprache?
Nun, wie man will.
Zur
Wortsprache gehören sie nicht; aber wenn ich jemandem
sagte || sage:
“Sage || Sprich das Wort
‘das’ aus”, so wirst Du doch dieses
zweite “‘das’” auch noch zum Satz
rechnen.
Und doch spielt es eine ganz ähnliche Rolle,
wie ein Farbtäfelchen im Sprachspiel (9); es ist
nämlich ein Muster dessen, was er || der Andere
sagen soll, wie das Farbtäfelchen ein Muster dessen, was B
bringen soll.
Es ist das Natürlichste & richtet am wenigsten Verwirrung an, wenn wir die Muster zu den Instrumenten der Sprache rechnen. 12 |
15
Wir werden sagen
können: in der Sprache (9) haben wir verschiedene
Wortarten.
Denn die Funktion von
“Platte” und von “Würfel” ist
ähnlicher, als die von “Platte” und von
“d”.
Wie wir aber die
Worte nach Arten zusammenfassen, wird von unserem Zweck
abhängen || wird vom Zweck der Einteilung
abhängen, & von unserer Neigung.
Denke an die verschiedenen Weisen, wie || Gesichtspunkte nach denen man Werkzeuge in Werkzeugarten einteilen könnte. Oder Schachfiguren in Figurenarten. || in Offiziere & Bauern oder …. |
16
Daß die Sprachen (3) &
(9) nur aus Befehlen bestehen, laß dich nicht
stören.
Willst Du sagen sie sei darum nicht komplett,
so frage ich, ob unsere Sprache komplett ist,
– ob sie es war, ehe ihr der chemische Symbolismus
& die Infinitesimalrechnung einverleibt wurden; denn
dies sind, sozusagen, Vorstädte unserer Sprache.
(Und mit wieviel Häusern, oder Straßen, fängt eine
Stadt an, Stadt zu sein?)
Unsere Sprache kann
man dann sehen als || man ansehen als eine
alte Stadt: || , ein
Wirrwarr || Gewinkel || ein Gewirr & Gewinkel von
Gäßchen, Plätzen, alten,
(neuen) & unzählige
Male renovierten, || durch Zubauten
veränderten Häusern; & dies umgeben von
neuen Vororten mit geraden, || & regelmäßigen Straßen &
mit einförmigen Häusern. || : ein Gewinkel von Gassen, &
Gäßchen & Plätzen, alten & neuen
Häusern, & Häusern mit Zubauten verschiedener
Zeiten || aus verschiedenen Zeiten; &
dies umgeben von einer Menge neuer Vorort || neuen
Vororten mit geraden &
regelmäßigen Straßen & mit einförmigen
Häusern.
Man kann sich leicht eine Sprache vorstellen, die nur aus Befehlen und Meldungen in der Schlacht || im Krieg besteht. – Oder eine Sprache, die nur aus Fragen besteht und einem Ausdruck 13 der Bejahung & der
Verneinung.
Und unzähliges
andre || Andre. –
Und
sich eine Sprache vorstellen heißt,
(sich) eine Lebensform vorstellen.
|
17
Wie ist es
aber,, ist der Ruf
“Platte!” im Beispiel (3) ein Satz,
oder ein Wort? –
Wenn ein Wort, so hat es doch nicht
die || dieselbe
Bedeutung, wie das gleichlautende unserer
gewöhnlichen Sprache, denn in der Sprache (3) ist es
ja ein Ruf; wenn aber ein Satz, so ist es doch nicht der
elliptische Satz “Platte!”
unserer Sprache. –
Was die erste Frage
anbelangt, so kannst Du “Platte!” ein
Wort, oder || & auch einen Satz
nennen, aber vielleicht ganz treffend
einen ‘degenerierten Satz’ (wie man
etwa von einer degenerierten Parabel spricht).
Und zwar ist es eben unser
‘elliptischer’ Satz. –
Aber der ist doch nur eine Abkürzung || verkürzte
Form des Satzes “Bring mir
eine Platte!” & diesen Satz gibt es doch
im || in dem
Beispiel (3) nicht. –
Aber warum sollte ich
nicht, umgekehrt, den Satz “Bring mir eine
Platte!” eine Verlängerung des Satzes
“Platte!” nennen? –
Weil
der, der “Platte!” ruft, eigentlich
meint: “Bring mir eine
Platte!”. –
Aber wie machst Du das,
dies meinen, während Du “Platte”
sagst?
Sprichst Du Dir dabei inwendig
den unverkürzten Satz vor?
Und warum soll
man || ich, um zu sagen, was Du mit dem Ruf
“Platte!” meinst, diesen Ausdruck in
den andern || einen längern || den längern || einen andern
übersetzen?
Und wenn sie das Gleiche bedeuten,
– warum soll ich nicht sagen: “Wenn Du
‘Platte!’ sagst, meinst Du
‘Platte!’”? –
Oder: Warum sollst Du nicht
“Platte!” meinen können, wenn Du
“Bring mir die Platte!” meinen
kannst? –
Aber wenn ich
‘Platte!’ 14 rufe, so will ich doch,
er soll mir eine Platte bringen! –
Gewiß, – aber besteht ‘dies wollen’
darin, daß Du in irgend einer Form einen andern Satz denkst,
als den, den Du sagst? – |
18
“Aber wenn
nun Einer sagt “Bring mir eine
Platte!”, so scheint es ja jetzt, als
könnte er also diesen Ausdruck als ein langes
Wort meinen, – entsprechend nämlich dem einen Wort
‘Platte!’” –
Kann man
also jenen Satz einmal || ihn also einmal
als ein Wort, einmal als vier
Wörter meinen?
Und wie meint man ihn
gewöhnlich? –
Ich glaube, wir werden geneigt
sein, zu sagen, || : wir meinen den Satz als
einen von vier Wörtern, wenn wir ihn im Gegensatz zu
andern Sätzen gebrauchen, wie: “Reich mir
eine Platte zu”, “Bring ihm eine
Platte”, “Bring zwei
Platten”, etc.; also im Gegensatz zu
Sätzen, welche die Wörter unseres
Satzes || Befehls in andern
Verbindungen gebrauchen || enthalten. –
Aber worin besteht es, einen Satz im Gegensatz zu andern
Sätzen gebrauchen?
Schweben
Dir || einem dabei etwa diese Sätze
vor?
Und alle?
Und
während man den einen Satz sagt, oder
vor-, oder nachher? – Nein!
Wenn auch so eine Erklärung einige
Versuchung für uns hat, so brauchen wir doch nur einen
Augenblick zu bedenken || sehen, was
wirklich geschieht, um zu sehen, daß wir hier auf
falschem Weg sind. ||
Nein!
Hier sind wir auf falschem Weg!
(Dies wird
späterhin noch klarer werden.)
Wir sagen, wir gebrauchen den Befehl im
Gegensatz zu andern Sätzen, weil unsere Sprache
die Möglichkeit zu diesen andern Sätzen || dieser
andern Sätze enthält.
Wer unsere
Sprache nicht versteht, ein Ausländer, der etwa
öfter gehört hätte, wie jemand den Befehl
“Bring mir eine
Platte!” gibt || gibt “Bring mir eine
Platte!”, könnte 15 der Meinung sein, diese
ganze Lautreihe sei ein Wort & entspräche etwa dem Wort
für “Baustein” in seiner Sprache.
Wenn er selbst dann diesen Befehl zu geben hätte, würde
er ihn vielleicht anders aussprechen, & wir würden
sagen: er spricht ihn so sonderbar aus, weil er ihn für
ein Wort hält. –
Aber geht also nicht,
wenn er ihn ausspricht, eben auch etwas anderes in ihm vor,
entsprechend, seiner anderen
Auffassung || dem entsprechend daß er
unsern || den Satz als ein Wort
auffaßt?
Es kann das Gleiche in
ihm vorgehen, oder auch anderes; was || . Was
geht denn in Dir vor, wenn Du so einen Befehl gibst; bist Du Dir
bewußt, daß er aus vier Wörtern besteht,
während Du ihn aussprichst?
Freilich, Du
beherrschst diese Sprache – in der es auch jene andern
Sätze gibt – aber ist dieses Beherrschen etwas, was
Du tust || geschieht, während Du den einen Satz
aussprichst? –
Und ich habe ja
zugegeben: der Fremde wird den Satz, den er
falsch || anders auffaßt,
wahrscheinlich anders aussprechen; aber was wir die
falsche Auffassung nennen muß nicht in irgend etwas
liegen, was das Aussprechen des Befehls begleitet.
(Davon später mehr.) |
19
‘Elliptisch’ ist der Satz nicht, weil
er etwas ausläßt, was wir meinen, wenn wir ihn
aussprechen, sondern weil er gekürzt ist im
Vergleich mit einem bestimmten Standard unserer
Grammatik. –
Man könnte hier freilich den Einwand
machen: “Du gibst zu, daß der
verkürzte & der unverkürzte Satz den gleichen
Sinn haben. –
Welchen Sinn haben sie also?
Gibt es denn für diesen Sinn keinen || nicht
einen Wortausdruck?”
Und welcher
16 Satz ist also sein
Wortausdruck?
– Aber besteht der gleiche Sinn der
Sätze nicht in ihrer gleichen Verwendung? –
¤
(Im Russischen heißt
es “Stein rot”, statt “der Stein ist
rot”; – geht ihnen die Kopula im Sinn ab? oder
denken sie sich || sie sich dazu?
–)
¤ |
20
Man kann sich auch leicht ein
Sprachspiel denken, in dem B dem A auf dessen Frage
die Anzahl der Bausteine auf einem
Haufen || Platten oder Würfel in einem Stoß
meldet, oder ihre || die
Farbe, oder Form || Farben und
die Anzahlen der Formen || Farben und Formen der Bausteine
die dort und dort liegen.
So eine Meldung könnte also z.B. lauten: “fünf Platten”. Was ist nun der Unterschied zwischen der Meldung, oder Behauptung, “fünf Platten.” & dem Befehl “fünf Platten!”? – Nun, die Rolle, die das Aussprechen dieser Worte im Sprachspiel spielt. Aber es wird wohl auch der Ton, mit dem sie ausgesprochen werden, ein andrer sein, & die Miene, & noch manches andre. Aber wir können uns auch denken, daß der Ton der gleiche ist – denn ein Befehl & eine Meldung können in mancherlei Ton ausgesprochen werden & mit mancherlei Gebärden, etc. || Miene, etc., – & daß der Unterschied allein in der Verwendung liegt. – (Freilich könnten wir auch die Worte “Behauptung” und “Befehl” zur Bezeichnung einer grammatischen Satzform & eines Tonfalls gebrauchen, wie man ja den Satz “Ist das Wetter heute nicht herrlich?” eine Frage nennen wird, obwohl er wie eine Behauptung verwendet wird. Wir könnten uns leicht eine Sprache denken, in der alle Behauptungen die Form & den Ton der rhetorischen Frage hätten, oder jeder Befehl in der Form gegeben wird “Möchtest Du das tun?” || die Form: “Möchtest Du das tun?”. Man wird dann vielleicht sagen: “Was er sagt, hat die Form der Frage ist aber eigentlich || wirklich ein Befehl”, d.h., hat die Funktion des 17 Befehls in der
Praxis der Sprache.
(Ähnlich sagt man
auch “Du wirst das tun”, nicht als
Prophezeiung sondern als Befehl.
Was macht es zu dem einen,
was zu dem andern?) |
21
Frege's Ansicht, daß in einer Behauptung eine Annahme
steckt, die dasjenige ist, was behauptet wird, basiert eigentlich auf
der Möglichkeit, die es in unserer Sprache gibt, jeden
Behauptungssatz in der Form zu schreiben: “Es
wird behauptet, daß das & das der Fall
ist.”
Aber “Daß das &
das der Fall ist.” ist eben in unsrer Sprache kein
Satz, || – es ist noch kein
Zug in unsrem Sprachspiel.
Und
setze || schreibe ich statt
“Es wird behauptet,
daß …”, || :
“Es wird behauptet: das & das ist der
Fall”, dann sind hier die Worte “Es wird
behauptet” eben überflüssig.
Wir könnten sehr gut auch jede Behauptung in Form einer Frage mit nachgesetzter Bejahung schreiben; also, statt “Es regnet”: “Regnet es? Ja!”. Würde das zeigen, daß in jeder Behauptung eine Frage steckt? |
22
Man hat freilich das Recht ein
Behauptungszeichen zu verwenden im Gegensatz
z.B. zu einem Fragezeichen.
Irreführend || Irrig
ist es nur, wenn man meint, daß die
Behauptung nun aus zwei Akten besteht, dem Erwägen
& dem Behaupten (Beilegen des Wahrheitswerts, oder
dergl.) & daß wir diese Akte nach den
Zeichen des Satzes ausführen, ungefähr wie wir nach Noten
singen.
Mit dem Singen nach Noten ist
allerdings das laute, oder leise, Lesen nach dem geschriebenen Satz zu
vergleichen, aber nicht das ‘Meinen’
(Denken) des
geschriebenen || gelesenen Satzes.
18 |
23
Der wichtige Sinn des
Fregeschen
Behauptungszeichens wird vielleicht am besten dadurch || so || damit gefaßt,
daß || indem wir sagen: es
bezeichnet deutlich den Anfang des
Satzes || Behauptungssatzes. –
Das ist wichtig, || : denn
unsere philosophischen Schwierigkeiten das Wesen der ‘Negation’ &
des ‘Denkens’ betreffend rühren, in gewissem
Sinn davon her || daher, daß wir nicht
sehen, || : daß ein Satz
“⊢
~ || nicht
p”, oder
“⊢ ich
denke || glaube p”, oder”, mit dem
Satz ⊢ p” wohl
“p” gemeinsam hat, aber nicht
“⊢ p”.
(Denn wenn ich jemand sagen höre “es
regnet”, so weiß ich nicht was er sagt || gesagt
hat, wenn ich nicht weiß, ob ich den Anfang des Satzes
gehört habe.) |
24
Wieviele Arten der Sätze gibt es
aber?
Etwa:
Behauptung, Frage & Befehl?
Es gibt
unzählige solcher Arten: unzählige
verschiedene Arten der Verwendung || Verwendungsarten
alles dessen, was wir
‘Zeichen’, ‘Worte’,
‘Sätze’, nennen. Diese Mannigfaltigkeit
ändert || verändert sich mit der
Zeit || stetig: neue Typen der
Sprachverwendung entstehen, andre
veralten & werden vergessen.
(Ein
ungefähres Bild davon || hievon
können uns die Wandlungen in der Mathematik geben.)
Führe dir die Mannigfaltigkeit der Typen der Sprachverwendung, || – der “Sprachspiele”, || – wie wir sagen könnten, || – vor Augen; denke an diese Typen & andere Beispiele: Befehle geben, & nach Befehlen handeln – Einen Gegenstand ansehen, messen & beschreiben Einen Gegenstand nach einer Beschreibung, oder Zeichnung, herstellen Einen Hergang berichten, den wir gesehen haben Vermutungen über einen Hergang anstellen 19 Eine Geschichte lesen Eine Geschichte erfinden, oder lesen || Eine Geschichte erfinden, oder lesen Eine Hypothese aufstellen & prüfen Ein Experiment || Die Ergebnisse eines Experiments durch Tabellen & Diagramme darstellen Ein angewandtes Rechnungsexempel lösen. Bitten, Danken, Fluchen Grüßen Rätsel aufgeben & erraten Einen Witz machen || erzählen Aus einer Sprache in eine andere übersetzen Theater spielen Ein Tier auf Zurufe & Zeichen dressieren || Theater spielen || Rätsel aufgeben & erraten Einen Witz machen || erzählen Aus einer Sprache in eine andere übersetzen Theater spielen Ein Tier auf Zurufe & Zeichen dressieren Bitten, Danken, Fluchen Grüßen || Eine Hypothese aufstellen & prüfen Die Ergebnisse eines Experiments durch Tabellen & Diagramme darstellen Eine Geschichte erfinden, oder lesen Theater spielen Ein Rätsel aufgeben & erraten Einen Witz machen || erzählen Ein angewandtes Rechnungsexempel lösen. Aus einer Sprache in eine andere übersetzen Bitten, Danken, Fluchen Grüßen etc. etc. etc. etc. || ¤ Und diese Mannigfaltigkeit ist nichts festes || Festes, ein für alle mal gegebenes || Gegebenes, sondern neue Typen der Sprache, neue Sprachspiele – wie wir sagen können [nicht ‘könnten’] – entstehen & andre veralten & werden vergessen. (Ein ungefähres Bild davon können uns die Wandlungen der || in der Mathematik geben.) ¥ ⋎ [S. 20] Führe Dir die Mannigfaltigkeit der Typen || Sprachspiele an diesen Beispielen & andern vor Augen: Befehlen, & nach Befehlen handeln Beschreiben eines Gegenstands nach dem Aussehen, oder nach Messungen Herstellen eines Gegenstands nach einer Beschreibung (Zeichnung) Berichten eines Hergangs Über den Hergang Vermutungen anstellen Eine Hypothese aufstellen & prüfen Darstellung der Ergebnisse eines Experiments durch Tabellen & Diagramme 20 Eine
Geschichte erfinden, & lesen Theater spielen Reigen singen Rätsel raten Einen Witz machen, erzählen Ein angewandtes Rechnungsexempel lösen Aus einer Sprache in die andere übersetzen Bitten, Danken, Fluchen, Grüßen, Beten. etc. etc. etc. etc. – Es ist interessant die Mannigfaltigkeit der Werkzeuge der Sprache & ihrer Verwendungsweisen, || – die Mannigfaltigkeit der Wort- & Satzarten – mit dem zu vergleichen, was Logiker über den Bau der Sprache gesagt haben. (z.B. || Und auch der Verfasser der Log. Phil. Abh.¤) |
⍈ [Zu S. 19]
Das Wort “Sprachspiel” soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teilvorgang || Teil ist einer Form der Tätigkeit || Tätigkeit oder einer Lebensform. || ein Teilvorgang || Teil einer Tätigkeit oder Lebensform ist. |
25
Wenn wir nicht sehen, daß es eine Menge von
Sprachspielen gibt, sind wir etwa geneigt, zu fragen:
“Was ist eine Frage?”
Ist es die
Feststellung, daß ich das & das nicht weiß, oder die
Feststellung, daß ich wünsche, der Andre möchte mir sagen
…?
Oder ist es die Beschreibung meines seelischen
Zustandes der Ungewißheit? –
Und ist der
Ruf “Hilfe!” so eine Beschreibung?
Denke daran, wie Verschiedenes “Beschreibung” genannt wird: die Beschreibung der Lage eines Körpers durch seine Koordinaten; die Beschreibung des Verlaufs einer Schmerzempfindung. 21
Man kann freilich statt der gewöhnlichen Form der Frage die der Feststellung oder Beschreibung setzen: “Ich will wissen, ob …”, oder “Ich bin im Zweifel, ob …” – aber damit hat man die verschiedenen Sprachspiele einander nicht näher gebracht. Die Bedeutsamkeit solcher Ersetzungsmöglichkeiten || Umformungsmöglichkeiten, z.B. aller Behauptungssätze in Sätze, die mit der Klausel “Ich denke” oder “Ich glaube” anfangen (also sozusagen in Beschreibungen meines Innenlebens) wird sich später noch zeigen. |
26
Man sagt
manchmal: die Tiere || die
Affen sprechen nicht, weil ihnen die
geistigen Fähigkeiten fehlen.
Das || ; das || , &
das heißt: ‘sie denken nicht,
darum sprechen sie nicht’. –
Aber, || : sie sprechen eben nicht.
–
Besser:
sie || Sie verwenden die
Sprache nicht.
(Außer
den || ihren || Ausgenommen die
primitivsten Formen.)
[Kein
Absatz]
Befehlen, fragen, erzählen,
plauschen, sind so natürliche Handlungen, wie
gehen, essen, trinken spielen. || gehören
zu unserer Naturgeschichte, so wie gehen,
essen, trinken, spielen.
(Es
ist hier natürlich
gleichgültig || gleich, ob man
mit dem Mund oder mit den Fingern || mittels des Mundes oder der
Hände spricht. || mit dem Mund oder den Händen
gesprochen wird.)
Das hängt wieder damit zusammen, daß man meint, das Lernen der Sprache bestehe darin, daß man Gegenstände benennt; & zwar: Menschen, Formen, Farben, Schmerzen, Stimmungen, Zahlen, etc..–3 – Wie gesagt – das Benennen ist etwas Ähnliches, wie, einem Ding ein Namenstäfelchen anheften. Man kann das eine Vorbereitung zum Gebrauch eines Wortes nennen. – 22
Aber worauf ist
es eine Vorbereitung?
“Wir benennen die Dinge & können nun über sie reden. Uns in der Rede auf sie beziehen.” Als ob mit dem Akt des Benennens schon das, was wir weiter tun, gegeben sei. Als ob es nur Eines gebe, was heißt: “von Dingen reden”. Während wir doch das Verschiedenartigste mit unsern Sätzen tun. Denken wir allein || nur zum Beispiel an die Ausrufe! Mit || mit || Ausrufe. – Mit ihren ganz verschiedenen Funktionen: || . Wasser! Fort! Au! Hilfe! Schön! Nicht! Bist Du nun noch geneigt, diese Wörter “Namen || Benennungen von Gegenständen” zu nennen? |
27
In den Sprachen (3) und
(9) gab es ein Fragen nach der Benennung nicht.
Dies & sein Korrelat, die hinweisende
Erklärung, Definition, ist, könnten wir
sagen || wie wir sagen könnten, ein eigenes
Sprachspiel.
Das heißt eigentlich: wir
werden erzogen, abgerichtet, dazu, zu fragen:
“Wie heißt das?” – worauf dann
das Benennen erfolgt.
Und es gibt
auch ein Sprachspiel: für etwas einen Namen
erfinden; also || .
Also, zu sagen: “das heißt
…” & nun den neuen Namen zu
verwenden.
(So benennen Kinder
z.B. ihre Puppen & reden dann von
ihnen.
Dabei bedenke gleich || auch, wie
speziell der Gebrauch des Personennamens ist, mit welchem
wir den (so) Benannten
rufen!)
Man kann nun einen Personennamen, ein 23 Farbwort, einen Stoffnamen,
ein Zahlwort, den Namen einer Himmelsrichtung, etc.
etc. hinweisend definieren.
Die Definition der Zwei: “Das
ist || heißt ‘zwei’”
– wobei man auf zwei Nüsse zeigt –, ist
vollkommen exakt. –
Aber wie kann man denn die Zwei so
definieren; der, dem man die Definition gibt, weiß ja dann nicht,
was man mit ‘zwei’ benennen will; er wird
annehmen, daß Du diese Gruppe von Nüssen
‘zwei’ nennst!
–
Er kann dies annehmen, – vielleicht nimmt
er es aber nicht an.
Er könnte ja auch, umgekehrt,
wenn ich dieser Gruppe von Nüssen einen Namen beilegen will, ihn
als Zahlnamen mißverstehen.
Und ebensogut, wenn
ich einen Personennamen hinweisend erkläre, diesen als
Farbnamen, Zahlwort, || Bezeichnung der
Rasse, ja als Namen einer Himmelsrichtung
mißverstehen || auffassen.
Das heißt, die hinweisende Definition kann
immer || in jedem
Fall so & anders gedeutet werden.
|
28
Vielleicht sagst Du:
Die || die
Zwei kann nur so hinweisend definiert werden:
“Diese Zahl heißt
‘zwei’”; aber nicht “Das
heißt zwei” denn das Wort “Zahl”
zeigt hier an, an welchen Platz der Sprache, der
Grammatik, wir das Wort setzen; das heißt aber, es muß das Wort
“Zahl” erklärt sein, ehe jene hinweisende
Definition verstanden werden kann. –
Das Wort
“Zahl” in der Definition zeigt allerdings diesen
Platz an, den Posten, auf || an den wir das Wort
stellen.
Und wir können so
Mißverständnisse vermeiden || Mißverständnissen vorbeugen, indem wir sagen
“Diese Farbe heißt so &
so”, “Diese Länge heißt so
& so” u.s.w..
Das heißt: 24
Mißverständnisse werden manchmal so
vermieden.
Aber läßt sich denn das Wort
“Farbe”, oder “Länge” nur so
auffassen? –
Nun wir müssen sie eben
erklären. –
Also erklären durch andere
Wörter!
Und wie ist es mit der letzten
Erklärung in dieser Kette?!
(Sag' nicht, “Es gibt keine
‘letzte’ Erklärung”; das ist geradeso,
als wolltest Du sagen: “Es gibt kein letztes Haus
in dieser Straße: man kann immer noch eines
dazubauen.”)
Ob das Wort “Zahl” in der hinweisenden Definition der Zwei nötig ist, das hängt davon ab, ob er sie ohne dieses Wort anders auffaßt, als ich es wünsche. Und das wird wohl von den Umständen abhängen, unter welchen sie gegeben wird & von dem Menschen, dem sie gegeben wird. || ich sie gebe. Und wie er die Erklärung ‘auffaßt’, zeigt sich darin, wie er von dem erklärten Wort Gebrauch macht. |
29
Man
könnte also sagen:
die || Die hinweisende
Definition erklärt den Gebrauch – die Bedeutung –
des Wortes, wenn es schon klar ist, welche Rolle das Wort in der
Sprache überhaupt spielen soll.
Wenn ich also
weiß, daß Einer mir ein Farbwort erklären will, so wird mir
die hinweisende Erklärung “Das heißt
‘Sepia’” zum Verständnis des Wortes
verhelfen. –
Dies können wir
|| Und dies, kann man sagen, wenn wir
(dabei) nicht vergessen, daß || man
nicht vergißt, daß sich nun allerlei Fragen an
das Wort “wissen”, oder “klar
sein”
anheften || anknüpfen!
Denke, ich erklärte jemandem die Rolle des Königs im Schachspiel ohne aber das Wort “König” oder || einen Namen für die Figur zu gebrauchen¤ dann || . Dann sage ich, 25 auf einen
Spielstein bestimmter Form || den Schachkönig
weisend, || :
“Das || Die
Figur ist der || Das || Das
heißt
‘König’”.
Wir können
sagen, ich stelle || setze damit die Spielfigur an eine bestimmte Stelle
des Spiels, & die Stelle wurde eben durch die Erklärung
jener Regeln bezeichnet || gebe damit dem Wort
“König” eine bestimmte Rolle im Spiel || habe
damit dem Wort “König” eine bestimmte Rolle im
Spiel gegeben, & diese Rolle wurde eben durch
jene || die Regeln
erklärt || bestimmt.
D.h., ‘die Rolle kennen, die
dieser Stein zu spielen hat’ || ‘wissen
welche Rolle das Wort zu spielen hat’
heißt hier || kann hier
heißen: diese Regeln kennen;
& das heißt etwa, sie sagen können, wenn man
nach ihnen gefragt wird, sie anwenden können, und
dergleichen.
Wir können uns aber auch denken, daß Einer das Spiel gelernt hat, ohne je Regeln zu lernen, oder zu formulieren. Er hat zugesehen, wie Andere spielen, selbst schon einfachere Brettspiele gespielt, – & nun kann er Schach spielen, d.h. zieht den Schachregeln entsprechend – ohne aber von ihnen Gebrauch zu machen –, etc.. Ich zeige diesem nun ein Schachbrett & Figuren die anders geformt sind als die gewöhnlichen & sage auf eine von ihnen & eine gewöhnliche Königsfigur weisend: “das ist das.” Damit habe ich der neuen Figur eine Stelle (d.h. Rolle) im Spiel gegeben || angewiesen. Und auch hier kann man sagen daß dies durch die Erklärung “Das ist das” und das Vorzeigen der gewöhnlichen Königsfigur nur darum geschehen ist weil er die Rolle dieser schon kannte. Aber nun heißt dies nicht die Regeln kennen, sondern eine Praxis im Spiel || Spielen haben. || Ich gebe diesem nun die Erklärung: “Diese Figur heißt König”. Und auch hier erklärt dies die Rolle des Wortes im Spiel nur darum, weil er bereits weiß, welche Rolle die Figur spielt auf die ich zeige. Aber nun heißt ‘dies wissen’ nicht die Regeln kennen, sondern eine Praxis im Spiel haben. || ⍈
[Zu
S. 27]
Betrachte noch diesen
Fall: Ich erkläre jemandem das Schachspiel,
& fange damit an, indem ich auf eine Figur zeige &
sage: “Das ist der König. –
Er kann so & so ziehen, etc.
etc.”.
26
Man muß schon etwas
wissen, um nach der Benennung fragen zu können.
Aber
was muß man wissen?
Wenn man jemandem die Königsfigur im Schachspiel zeigt & sagt: “das || Das ist der Schachkönig”, so erklärt man ihm dadurch nicht den Gebrauch dieser Figur, – es sei denn, daß er die Regeln des Spiels schon kennt, bis auf diese letzte Bestimmung: die Gestalt || Form einer Königsfigur. Man kann sich denken, er habe das Spiel zuerst mit geschriebenen Zeichen gelernt || die Regeln des Spiels gelernt, ohne daß ihm je eine Holzfigur || wirkliche Spielfigur gezeigt wurde. Die Form der Spielfigur entspricht hier dem Klang oder Aussehen || oder der Gestalt eines Wortes. Man kann sich aber auch denken, Einer habe das Spiel gelernt ohne je Regeln zu lernen, oder zu formulieren. Er hat etwa zuerst mit ganz einfachen Brettspielen angefangen || zuerst durch Zusehen ganz einfache Brettspiele gelernt & ist zu immer komplizierteren vorgeschritten. || , immer aber indem er nur zugesehen hat, wie Andere spielten. || durch zusehen wie Andere spielten.. Auch diesem könnte man die Erklärung geben: “Das ist der König”, wenn man ihm z.B. Schachfiguren von einer ihm ungewohnten Form zeigt. Auch diese Erklärung lehrt ihn den Gebrauch der Figur nur darum, weil, wie wir sagen könnten, der Platz schon vorbereitet war, an den sie gestellt wurde. Oder auch: Wir werden nur dann sagen, sie lehre ihn den Gebrauch, wenn der Platz schon vorbereitet ist. Und er ist es hier nicht dadurch, daß der, dem wir die Erklärung geben, schon Regeln weiß, sondern dadurch, daß er in anderm Sinne schon ein 27 Spiel beherrscht.¥ ¥ Wir können sagen: Nach der Benennung fragt der || nur der sinnvoll, der schon etwas mit ihr anzufangen weiß. Wir können uns ja auch denken, daß der Gefragte antwortet: “Bestimm' die Benennung selber” – und nun müßte, der gefragt hat, für alles selber aufkommen. |
30
Wer in ein fremdes Land kommt, wird manchmal
die Sprache der dort Einheimischen durch hinweisende
Erklärungen lernen, die sie ihm geben, & er wird die
Deutung dieser Erklärungen oft raten müssen,
& manchmal richtig, manchmal falsch, raten.
Und nun können wir, glaube ich, sagen: || , Augustinus beschreibe das Lernen der menschlichen Sprache so, als käme das Kind in ein fremdes Land und verstehe die Sprache des Landes nicht, das heißt, || – habe bereits eine Sprache, nur nicht diese. Oder auch: – als könne das Kind schon denken, nur noch nicht reden || sprechen. Und ‘denken’ hieße hier etwa: || etwas, wie, zu sich selbst reden. |
⍈
⋎ [S. 25] –
Auch in || In diesem Fall werden wir
sagen, || : die Worte
“Das ist der König” (oder,
“Das heißt
‘König’”) sind nur dann eine
Worterklärung, wenn
der Lernende schon ‘weiß, was eine Spielfigur
ist’; wenn er also etwa schon mehrere Spiele gespielt
hat, oder dem Spielen Anderer ‘mit Verständnis zugesehen
hat’, und dergleichen.
Auch nur dann
wird er beim Lernen des Spiels relevant fragen können
“wie heißt das?” – nämlich,
diese Spielfigur. |
31
Wie aber, wenn
jener Einer || man
einwendete: “Es ist nicht wahr, daß Einer
schon ein Sprachspiel 28 beherrschen muß, um eine
hinweisende Definition zu verstehen, sondern er muß nur
– selbstverständlich – wissen (oder
erraten), auf
was || worauf der
Erklärer || Erklärende zeigt!
Ob
also, z.B., auf die Form des Gegenstandes, oder
auf seine Farbe, oder auf die Anzahl, etc.,
etc..” –
Und worin besteht es
denn: ‘auf die Form zeigen’, ‘auf die
Farbe zeigen’, etc.?
Zeige auf
ein Stück Papier! –
Und nun zeige auf seine
Form, – nun auf seine Farbe, – nun auf ‘seine
Anzahl’ (das klingt seltsam)! –
Nun,
wie hast Du es gemacht? –
Du wirst sagen, Du
habest jedesmal etwas anderes beim Zeigen
‘gemeint’.
Und wenn ich frage,
wie das vor sich geht, wirst Du sagen, Du habest deine
Aufmerksamkeit auf Farbe, Form, etc.
konzentriert.
Nun aber frage ich noch einmal, wie
das vor sich geht.
Denke, jemand zeigt auf eine Vase und sagt: “Schau das herrliche Blau an! – auf die Form kommt es nicht an. –” Oder: “Schau die herrliche Form an! – die Farbe ist gleichgültig. –” Es ist zweifellos, Du wirst Verschiedenes tun, wenn Du diesen beiden Aufforderungen nachkommst. Aber tust Du immer das Gleiche wenn Du deine Aufmerksamkeit auf die Farbe richtest? Stelle dir doch verschiedene Fälle vor; ich || ! Ich will einige andeuten: “Ist dieses Blau das gleiche, wie das? Siehst Du einen Unterschied? –” Du malst & sagst || Du mischst Farben und sagst: “Dieses Blau des Himmels ist schwer zu treffen.” ¥ “Schau, wie verschieden diese beiden Blau wirken!” “Siehst Du dort das blaue Buch? Bitte bring es mir || her!” ⍈ “Es wird schön, man sieht schon wieder blauen Himmel!” 29
“Dieses blaue Lichtsignal bedeutet ….” “Wie heißt nur dieses Blau, || ? – ist es ‘Indigo’ –?” Die Aufmerksamkeit auf die Farbe richten heißt manchmal, sich die Umrisse der Form mit der Hand weghalten, oder den Blick nicht auf die Kontur des Dinges richten, manchmal, auf den Gegenstand starren & sich zu erinnern trachten, wo man diese Farbe schon gesehen hat. Seine Aufmerksamkeit auf die Form lenken besteht || geschieht manchmal darin, daß man sie nachzeichnet, manchmal darin, daß || Man lenkt || richtet seine Aufmerksamkeit auf die Form manchmalso, indem || , indem man sie nachzeichnet, manchmal so indem || indem man blinzelt, um die Farbe nicht deutlich zu sehen, etc., etc.¤ Ich will sagen: dies & ähnliches geschieht während man ‘die Aufmerksamkeit auf das & das richtet’. Aber das ist es nicht allein, was uns sagen läßt, Einer richte seine Aufmerksamkeit auf die Form, die Farbe, etc.. Wie ‘einen Schachzug machen’ nicht allein darin liegt, daß ein Stein so & so auf dem Schachbrett || Brett verschoben wird, || – aber auch nicht in den Gedanken & Gefühlen des Ziehenden, die den Zug begleiten, || – sondern in den Umständen, die wir nennen “eine Schachpartie spielen”, oder, “ein Schachproblem lösen”, und dergleichen. |
31
Aber nimm an, Einer sagte:
“Ich tue immer das Gleiche, wenn ich
meine Aufmerksamkeit auf die Form richte: ich folge der
Kontur mit den Augen & fühle dabei
…”.
Und nimm an, dieser gibt einem Andern
die hinweisende Erklärung: “Das
ist ein || heißt
‘Kreis’”, indem er, mit allen diesen
Erlebnissen, auf einen kreisförmigen Gegenstand zeigt; –
kann 30 der
Lernende || Andere die Erklärung nicht
dennoch anders deuten, auch wenn er sieht, daß der Erklärende
der Form mit den Augen folgt & auch wenn er fühlt, was
der Erklärende fühlt?
Das heißt:
diese ‘Deutung’ kann doch darin bestehen, wie er nun
von dem erklärten Wort Gebrauch macht,
z.B., worauf er also
z.B. zeigt, wenn er nun den Befehl
erhält “zeige || Zeige auf einen Kreis!”. –
Denn weder der Ausdruck, “die Erklärung so
& so meinen”, noch der: “die
Erklärung so & so deuten”, bezeichnen einen
bestimmten Vorgang, der das Geben, & Hören der
Erklärung begleitet. |
32
Es gibt freilich, was man
‘charakteristische Erlebnisse’
beim || für das Zeigen auf die
Form (z.B.) nennen kann.
Zum
Beispiel || z.B., das
Nachfahren der Kontur mit dem Finger oder mit dem Blick beim
Zeigen. –
Aber so wenig, wie dies in allen
Fällen geschieht, in denen ich ‘die Form
meine’, – so wenig geschieht irgend
ein anderer charakteristischer Vorgang in allen
diesen Fällen.
Aber auch, wenn ein solcher sich
in ihnen allen wiederholte, so käme es doch auf die Umstände
an, || – d.h.,
auf das, das was vor & nach dem Zeigen geschieht – ob wir
sagen würden: “Er hat auf die Form und nicht
auf die Farbe gezeigt”.
Denn es werden die Worte “auf die Form zeigen”, “die Form meinen”, etc. nicht so gebraucht, wie die: “auf das Buch zeigen”, “auf den Buchstaben ‘B’, nicht auf den Buchstaben ‘u’ zeigen”, etc..– Denn denke nur, wie anders wir den Gebrauch der Worte lernen: “auf dieses Buch || Ding zeigen”, “auf jenes Buch || Ding zeigen”, &: “auf die 31 Farbe, nicht auf die Form,
zeigen”, “die Farbe meinen”,
etc. etc.!
Wie gesagt, in gewissen Fällen, besonders beim Zeigen ‘auf die Form’, oder ‘auf die Anzahl’ gibt es charakteristische Erlebnisse & Arten des Zeigens – ‘charakteristisch’, weil sie sich oft, nicht immer wiederholen, wo Form, oder Anzahl, ‘gemeint’ werden; || : – aber kennst Du auch ein charakteristisches Erlebnis für das Zeigen auf die Spielfigur als Spielfigur?! Und doch kann man sagen: “Ich meine: diese Spielfigur heißt ‘König’, nicht dieses bestimmte Stück Holz, worauf ich zeige”. |
33
Und wir tun hier, was wir
in 1000 anderen || ähnlichen Fällen tun:
weil wir nicht eine körperliche Handlung angeben
können, die wir das Zeigen auf die Form (im
Gegensatz z.B. zur Farbe) nennen, so sagen
wir, es entspreche diesen Worten eine geistige
Tätigkeit.
Wo unsere Sprache uns einen Körper vermuten läßt, und wir finden keinen, dort setzen wir einen Geist hin. || Wo unsere Sprache uns einen Körper vermuten läßt, & kein Körper ist, dort , [ich glaube, dieser Beistrich ist
widersinnig] möchten wir sagen, sei
ein || es sei
Geist. |
34
“Was ist die Beziehung
zwischen Namen & Benanntem?” –
Nun
was ist sie?
Schau auf das Sprachspiel
(3), oder ein anderes; || ! dort ist
zu sehen, worin diese Beziehung etwa besteht.
Diese
Beziehung kann, unter vielem andern, auch darin bestehen, daß das
Hören des Namens uns das Bild des Benannten vor die Seele
ruft, & sie besteht unter anderem auch darin, daß |
35
Was benennt aber
z.B. das Wort “dieses” im
Sprachspiel (9), oder das Wort “das” in der
hinweisenden Erklärung “Das heißt
…”?
Nun, wenn Du keine Verwirrung
anrichten willst, so ist es am besten, Du sagst gar nicht, daß
diese Wörter etwas benennen. –
Und
merkwürdigerweise wurde von dem Worte
“dieses” einmal gesagt, es sei der
eigentliche Name.
Alles was wir sonst
“Namen” nennen, sei dies also nur in einem
ungenauen, angenäherten, Sinn.
Diese seltsame Auffassung rührt von einer Tendenz her, die Logik unserer Sprache zu sublimieren – wie man es nennen könnte. Die eigentliche Antwort darauf ist: “Name” nennen wir sehr Verschiedenes; das Wort “Name” charakterisiert viele verschiedene, miteinander auf viele verschiedene Weisen verwandte, Arten des Gebrauchs eines Worts; – aber unter diesen Arten des Gebrauchs ist nicht die des Wortes “dieses”. Es ist wohl wahr, daß wir oft, z.B. in der hinweisenden Erklärung || Definition, auf das Benannte zeigen & dabei den Namen aussprechen. Und ebenso sprechen wir, z.B. in der hinweisenden Definition, das Wort “dieses” aus, indem wir auf ein Ding zeigen. Und das Wort “dieses” & ein Name stehen auch oft im gleichen Satzzusammenhang: wir sagen: “Hole dieses!” & auch “Hole den Paul!” – Aber einer der charakteristischsten Züge des Namens ist es gerade, daß er durch das hinweisende “Das ist N” (oder 33.
“Das heißt ‘N’”)
erklärt wird.
Erklären wir aber auch:
“Das heißt ‘dieses’”,
oder gar, “Dieses heißt
‘dieses’”? |
36
Das hängt mit der
Auffassung des Benennens als eines, sozusagen,
okkulten Vorgangs zusammen.
Das Benennen
erscheint als eine seltsame Verbindung eines Wortes mit dem
Gegenstand. –
Und so eine seltsame
Verbindung gibt es wirklich || findet wirklich
statt || hat wirklich statt,
wenn nämlich der Philosoph, um herauszubringen, was denn
die Beziehung zwischen Namen & Benanntem ist, auf
einen Gegenstand vor sich starrt & immer
dabei unzählige Male einen Namen wiederholt, oder auch das Wort
“dieses”.
Denn die philosophischen
Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert.
Und
dann || da können wir uns
allerdings einbilden, das Benennen sei ein || irgend ein
merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Art Taufe eines
Gegenstandes. || &
Und wir können so auch das Wort
“dieses” gleichsam zu dem Gegenstand
sagen, ihn damit ansprechen; ein
seltsamer Gebrauch dieses Wortes, der wohl nur beim Philosophieren
vorkommt. – |
37
Aber warum kommt man auf die Idee gerade dieses Wort zum Namen
machen zu wollen, wo es doch so offenbar kein
Name ist? –
Gerade darum; – denn man ist
versucht, gegen das, was gewöhnlich
“Namen” heißt, einen Einwand zu machen; &
den kann man so
ausdrücken, || :
daß der Name eigentlich Einfaches bezeichnen
soll.
Und man könnte dies etwa so
begründen: Ein Eigenname im 34 gewöhnlichen Sinn ist
etwa das Wort “Nothung”.
Das
Schwert Nothung aber besteht aus Teilen in einer
bestimmten Zusammensetzung.
Sind sie anders
zusammengesetzt, so existiert Nothung nicht.
Nun hat aber offenbar der Satz “Nothung
hat eine scharfe Schneide” Sinn, ob
Nothung noch ganz ist oder schon zerschlagen.
Ist aber “Nothung” der Name eines
Gegenstandes, so gibt es diesen Gegenstand nicht mehr, wenn
Nothung zerschlagen ist; & da dem Namen dann kein
Gegenstand entspräche, so hätte er keine Bedeutung.
Dann aber stünde in dem Satz “Nothung hat
eine scharfe Schneide” ein Wort, das keine Bedeutung hat
& daher wäre der Satz Unsinn.
Nun hat er aber
Sinn, also muß den Wörtern, aus denen er besteht, immer etwas
entsprechen.
Also muß das Wort Nothung bei
der Analyse des Sinnes verschwinden und statt seiner müssen
Wörter eintreten, die Einfaches benennen.
Diese Wörter werden wir billigerweise die eigentlichen
Namen nennen. |
38
Reden wir
zuerst über den Punkt dieses Raisonnements || Las uns zuerst über den Punkt dieses
Raisonnements reden: daß das Wort keine
Bedeutung hat, wenn ihm nichts entspricht. –
Es ist
wichtig, festzustellen, daß das Wort “Bedeutung”
sprachwidrig gebraucht wird, wenn man damit das Ding
bezeichnet, das dem Wort ‘entspricht’.
Dies heißt, die Bedeutung eines Namens
(zu) verwechseln mit dem
Träger des Namens.
Wenn Paul
stirbt, so sagt man, 35 es sterbe der Träger des Namens,
aber niemand sagt, es sterbe die Bedeutung des Namens.
Und es wäre unsinnig, so zu reden, denn hörte der
Name auf Bedeutung zu haben so könnte man eben
nicht || hätte es eben keinen Sinn zu
sagen “Paul sei || ist
gestorben”; d.h. es wäre
Unsinn. || . |
39
In (13) haben wir in die
Sprache (9) Eigennamen eingeführt.
Nimm
nun an, das Werkzeug mit dem Namen “α” sei
zerbrochen.
A weiß es nicht & gibt
dem B das Zeichen “α”: hat dieses
Zeichen nun Bedeutung oder hat es keine? –
Nun,
was || Was soll B tun, wenn er dieses Zeichen
erhält? –
Wir haben darüber nichts
vereinbart.
Man könnte fragen: was
wird er tun?
Nun er wird vielleicht ratlos
dastehen, oder A die Stücke zeigen.
Man
könnte hier sagen: “α”
sei bedeutungslos geworden; & dieser Ausdruck würde
besagen, daß für das Zeichen “α” in
unserm Sprachspiel nun keine Verwendung mehr ist (es sei denn, wir
gäben ihm eine neue).
“α”
könnte auch dadurch bedeutungslos werden, daß
man, aus irgend einem Grund, dem Werkzeug eine andere
Bezeichnung gibt || einritzt & das Zeichen
“α” im Spiel nicht weiter verwendet. –
Wir können uns aber auch eine Abmachung denken, nach
der B, wenn ein Werkzeug zerbrochen ist und A das Zeichen
dieses Werkzeugs gibt, als Antwort darauf mit dem Kopf zu || den Kopf zu schütteln hat. –
Damit,
könnte man sagen, ist der Befehl “α”,
z.B., auch wenn dieses Werkzeug nicht mehr
existiert, in das Sprachspiel36
eingereiht || aufgenommen
worden.
Und man kann jetzt sagen, das Zeichen
“α” habe Bedeutung,
obwohl || auch wenn sein Träger zu
existieren aufhört. |
40
Man kann für eine
große Klasse von Fällen der Benützung des
Wortes “Bedeutung” – wenn auch nicht
für alle Fälle seiner Benützung –
dieses Wort definieren als || für dieses Wort die
Erklärung geben || dieses Wort so
erklären: “Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.” || Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache. Und die Bedeutung eines Namens erklärt man manchmal dadurch, daß man auf seinen Träger zeigt || weist. |
41
“Aber haben etwa auch
Namen in jenem Spiel Bedeutung, die nie für ein
Werkzeug verwendet worden sind?”
Nehmen
wir also an, “ξ” sei so ein Zeichen &
A gebe dieses Zeichen dem B!” –
Nun, es könnten auch solche Zeichen in das
Sprachspiel eingereiht werden, & B hätte etwa
auch so ein Zeichen || sie mit
einem Kopfschütteln zu beantworten.
Man
könnte sich dies als eine Art Belustigung der Beiden
denken. |
42
Wir
sagten: der Satz,
“Nothung” hat eine scharfe
Schneide”, habe Sinn, auch wenn Nothung schon
zerschlagen ist.
Nun, das ist so, weil in diesem
Sprachspiel ein Name auch in der Abwesenheit seines Trägers
gebraucht wird.
Aber wir können uns ein Sprachspiel
mit Namen denken (d.h. mit Zeichen, die wir
gewiß auch “Namen” nennen werden) in
welchem Namen nur in der Anwesenheit des Trägers
verwendet || gebraucht werden.
Nimm
etwa an, 37 wir beobachten eine
weiße Fläche, auf der sich Farbflecken bewegen
(wie etwa die || auf
der Leinwand im Kino).
Es sind drei solche
Flecken, die langsam ihre Gestalt & Lage
verändern.
Ich benenne sie durch
hinweisende Erklärung “P”,
“Q“, & “R”.
Unsere Sprache beschreibt die Veränderungen dieser drei
& ich sage Dir etwa || Sätze
wie: “Siehst Du, wie sich nun P
zusammenzieht & sich R
nähert?” –
In dieser Sprache nun
werden diese Namen als Synonyme gebraucht || sollen diese Namen als Synonyme gebraucht werden
für das Wort “dieses” zusammen mit
dem Zeigen auf einen Farbfleck.
Verschwindet also
einer der drei Flecke, so darf ich nicht,
z.B., sagen “P ist
verschwunden” – wie ich auch nicht sagen würde
“dieses ist verschwunden” – sondern wir
sagen etwa: Der Name || Das
Zeichen
‘P’ || Der Buchstabe
‘P’ ist aus dem Gebrauch
ausgeschieden || scheidet aus dem
Gebrauch”.
In dieser Sprache, kann man sagen, verliert der Name seine Bedeutung, wenn der Träger aufhört zu existieren & den Wörtern “P”, “Q“ & “R” entspricht immer etwas, so lange sie überhaupt Bedeutung – Verwendung im Sprachspiel haben. (Denn im Satz, “‘P’ scheidet aus” kommt das Zeichen “‘P’” vor, aber nicht “P”; & ich nehme an, daß man über vergangene Vorgänge nicht redet, oder dafür eine andere Ausdrucksweise hat.) In diesem Sprachspiel kann also der Name nicht trägerlos werden; nur ist dies kein Vorzug des Sprachspiels, denn ein Name kann eben auch trägerlos Zweck, Verwendung, d.h., Bedeutung haben. (Und so hat, z.B., der Name “Odysseus” Bedeutung.) |
42
Unser Sprachspiel kann uns aber, glaube 38 ich, einen Grund zeigen,
warum man das hinweisende Fürwort kann zum Namen
machen wollen & || : Denn
das hinweisende
“dieses” kann auch nicht || nie
trägerlos werden.
Man könnte sagen:
“Solange es ein dieses gibt, solange hat das
Wort ‘dieses’ auch
Bedeutung, ob dieses nun einfach oder zusammengesetzt
ist. –
Aber das macht es eben nicht zu einem
Namen.
Im Gegenteil, denn
der || ein Name wird nicht mit der
hinweisenden Geste verwendet, sondern nur durch sie
erklärt. |
43
Was hat es nun für eine Bewandtnis
damit, daß Namen eigentlich das Einfache
bezeichnen? || bezeichnen
müssen? –
Sokrates (im Theätetus): “Täusche ich mich nämlich nicht, so habe ich von etlichen gehört: für die Urelemente – um mich so auszudrücken – aus denen wir & alles übrige zusammengesetzt sind, gebe es keine Erklärung; denn alles was an & für sich ist, könne man nur mit Namen bezeichnen, eine andere Bestimmung sei nicht möglich, weder die, es sei, noch die, es sei nicht. …. Damit lege man ihm nämlich schon ein Sein oder Nichtsein bei; man dürfe ihm jedoch gar nichts hinzufügen, wenn man nur jenes an & für sich nennen wolle. … Was aber an & für sich ist, müsse man, falls es eine bestimmte Erklärung haben könne || … , ohne alle anderen Bestimmungen benennen. Somit aber sei es unmöglich, von irgendeinem Urelement erklärungsweise zu reden; denn für dieses gebe es nichts als die bloße Benennung; es habe ja nur seinen Namen. Wie aber das, was aus diesen Urelementen sich zusammensetze, selbst 39 ein verflochtenes Gebilde
sei, so seien auch seine Benennungen in dieser Verflechtung
zur erklärenden Rede geworden; denn deren Wesen sei die
Verflechtung von Namen.”
Diese Urelemente sind || waren auch Russells ‘Individuals’ & auch meine ‘Gegenstände’ (Log. Phil. Abh.). |
44
Aber welches sind die einfachen
Bestandteile der Realität || , aus denen
sich die Realität zusammensetzt? –4
Was sind die einfachen Bestandteile eines Sessels? – Die Stücke Holz, aus denen er zusammengefügt ist? Oder die Moleküle, die chemischen Elemente oder die Elektronen? “Einfach” heißt: nicht zusammengesetzt; & || . Und da kommt es darauf an: in welchem Sinne ‘zusammengesetzt’ || ‘nicht zusammengesetzt’? Es hat gar keinen Sinn von den ‘einfachen Bestandteilen des Sessels, schlechtweg’, zu reden. Oder: Besteht mein Gesichtsbild dieses Baumes, dieses Sessels, aus Teilen? & welches sind seine einfachen Bestandteile? Mehrfarbigkeit ist eine Art der Zusammengesetztheit; eine andere ist, z.B., die jener || dieser gebrochenen Kontur aus geraden Stücken. Diese || Und diese Kurve || Und dieses Kurvenstück kann man zusammengesetzt nennen aus einem aufsteigenden & einem absteigenden Ast. Wenn ich jemandem ohne weitere Erklärung sage: || , “Was ich jetzt vor mir sehe, ist zusammengesetzt”, so wird er mit Recht fragen: “Was meinst Du mit ‘zusammengesetzt’? Das kann ja alles Mögliche bedeuten || heißen!” Die Frage, “Ist, was Du siehst, zusammengesetzt?”, hat wohl Sinn, wenn bereits feststeht, um welche Art der Zusammengesetztheit, – d.h., um welchen 40 besonderen Gebrauch dieses Wortes
– es sich (hier) handeln
soll.
Wäre also z.B. festgelegt
worden, das Gesichtsbild eines Baumes solle
“zusammengesetzt” heißen, wenn man nicht nur
einen geraden Stamm, sondern auch Äste
sehe || sieht, so hätte nun die
Frage “Ist das Gesichtsbild dieses Baumes einfach oder
zusammengesetzt” & die Frage
“Welches sind seine einfachen
Bestandteile” einen klaren Sinn – eine klare
Verwendung.
Und auf die zweite Frage ist die
Antwort natürlich nicht
“Seine || Die
Äste” , – (dies wäre eine
Antwort auf die grammatische Frage:
“Was nennt man hier die ‘einfachen
Bestandteile’?”) sondern:
etwa eine Beschreibung der einzeln Äste. |
45
Aber ist
z.B. nicht ein Schachbrett offenbar,
& schlechtweg, zusammengesetzt? –
Du
denkst wohl an die Zusammensetzung aus 32 weißen & 32
schwarzen Quadraten; – aber könntest Du
z.B. nicht auch sagen, es sei aus den Farben
Weiß, Schwarz & dem Schema des Quadratnetzes
zusammengesetzt?
Und wenn es hier
(zwei) ganz verschiedene
Betrachtungsweisen gibt, willst Du dann noch sagen, das
Schachbrett sei ‘zusammengesetzt’
schlechtweg? –
Der Fehler, wenn man außerhalb
eines bestimmten Spiels fragt “Ist dieser
Gegenstand zusammengesetzt?” ist ähnlich dem,
welchen einmal ein kleiner Junge machte || gemacht hat, der angeben sollte, ob das
Verbum || Zeitwort in den &
den || gewissen Sätzen || Satzbeispielen in
der tätigen oder in der leidenden Form
gebraucht sei, & der nun nachdachte, ob
z.B. das Zeitwort “schlafen”
etwas Tätiges oder etwas Leidendes || aktiven oder in der
passiven Form gebraucht sei, & der nun nachdachte, ob
z.B. das Zeitwort “schlafen”
etwas Aktives oder etwas Passives bedeute.
Das Wort “zusammengesetzt” (& also das Wort “einfach”) wird von uns in einer Unzahl 41
verschiedener, || – in
verschiedener
Weise || verschiedenen Weisen mit einander verwandten
Arten gebraucht || benützt.
(Ist die Farbe dieses Feldes || Schachfeldes einfach, oder besteht sie aus reinem Gelb & reinem Weiß || reinem Weiß & reinem Gelb? Und ist das Weiß einfach, oder besteht es aus den Farben des Regenbogens? – Ist diese Strecke von 2 cm einfach, oder besteht sie aus zwei Strecken || Teilstrecken von je 1 cm Länge? Aber warum nicht aus einem Stück von 3 cm Länge & einem in negativem Sinn angesetzten Stück von 1 cm?!) |
46
Auf die
philosophische Frage: “Ist das
Gesichtsbild dieses Baumes zusammengesetzt, und welches sind
seine Bestandteile?” ist die richtige Antwort:
“Das kommt drauf an, was Du unter
‘zusammengesetzt’ verstehst.”
(Und das ist natürlich keine Beantwortung,
sondern eine Zurückweisung der
Frage. || der Frage, sondern eine
Zurückweisung.) |
47
Laß uns die Methode
des Kapitels (3) auf die Darstellung im
Theätetus anwenden:
Betrachten wir ein Sprachspiel, für das diese
Darstellung wirklich gilt.
Die Sprache diene dazu
eine Kombination || Kombinationen farbiger Flecken auf einer Fläche
darzustellen. Die Flecke sind alle
Quadrate einer || gleicher
Größe, sie stoßen aneinander wie die Felder des
Schachbretts. || & bilden einen
schachbrettförmigen Komplex.
Es gibt rote,
grüne,
weiße & schwarze Quadrate.
Die Wörter
der Sprache seien
(entsprechend) “r”,
“g“, “s“& || , “w“ und ein Satz ist eine
Reihe dieser Wörter.
Sie beschreiben eine
Zusammenstellung farbiger Quadrate || von
Farbquadraten in der Reihenfolge, die das
folgende || dieses Schema dem Leser zeigt
42
Die Flecken sind Quadrate,
& bilden einen schachbrettförmigen Komplex.
Es gibt rote, ¤
grüne, weiße & schwarze Quadrate. Die Wörter
der Sprache seien (entsprechend)
“r”, “g“, “s“,
“w“ und ein Satz ist eine Reihe dieser Wörter.
Sie beschreiben eine Zusammenstellung von Farbquadraten in der
Reihenfolge, die das folgende || dieses Schema dem
Leser zeigt:
Aber ich weiß nicht, ob ich nun || (nun) sagen soll, die Figur, die unser Satz beschreibt, bestehe aus vier Elementen, oder aus neun! 43
Nun, besteht jener Satz
aus vier Buchstaben oder aus neun? –
Und
welches sind seine Elemente: die Buchstabentypen, oder
die Buchstaben?
Ist es nicht ganz
gleichgültig, welches wir sagen, wenn wir nur im
besonderen Fall Mißverständnisse vermeiden!
|
48
Was heißt es aber,
daß wir diese Elemente nur benennen nicht erklären
– d.h. beschreiben –
sondern nur benennen können?
Das könnte etwa sagen, daß die Beschreibung eines
Komplexes, wenn er, in einem Grenzfall, nur aus einem
Quadrat besteht, einfach der Name des Farbquadrates wird || ist.
Man könnte hier sagen – obwohl dies leicht zu allerlei philosophischem Aberglauben führt – ein Zeichen “r”, oder “s”, etc., könne einmal Wort, & einmal Satz sein. Ob es aber ‘Wort oder Satz ist’ hängt von der Situation ab, in der es ausgesprochen oder geschrieben wird. Hat z.B. A dem B Komplexe von Farbquadraten zu beschreiben & gebraucht er hier das Wort “r” allein, so werden wir sagen können, das Wort sei hier eine Beschreibung – ein Satz. Memoriert er aber, z.B. || etwa, die Zeichen || Wörter & ihre Bedeutungen, um sie später zu gebrauchen & spricht dabei “r” aus indem er auf eine Farbe || ein rotes Muster sieht, oder lehrt er einem Andern den Gebrauch der Wörter & spricht sie beim hinweisenden Lehren aus, so werden wir nicht sagen, sie seien hier Sätze. In dieser Situation ist das Wort “r”, z.B., keine Beschreibung, man benennt damit ein Element; – aber darum wäre es 44 hier seltsam zu sagen; || ,
das Element könne man nur benennen!
Benennen & Beschreiben || beschreiben stehen ja nicht auf einer Ebene:
Das Benennen ist eine Vorbereitung zur Beschreibung.
Das Benennen ist noch gar kein Zug im Sprachspiel, – sowenig,
wie das Aufstellen der Schachfiguren || einer
Schachfigur ein Zug im Schachspiel.
Man kann
sagen: Mit dem Benennen ist || eines Dings ist noch nichts getan.
Es hat auch keinen Namen, – außer im
Spiel.
Das war es auch, was Frege damit meinte: ein Wort habe nur im
Satzzusammenhang Bedeutung. |
49
Was heißt es nun; von den
Elementen zu sagen, daß wir von ihnen
weder Sein noch Nicht-sein aussagen können || ihnen weder
Sein noch Nicht-sein beilegen können? –
Man könnte so sagen: Wenn alles,
was wir “Sein” &
“Nicht-sein” nennen, im Bestehen &
Nicht-bestehen von Verbindungen der Elemente || zwischen den Elementen liegt, dann hat es keinen Sinn vom
Sein (Nichtsein) eines Elements zu
sprechen; || : sowie, wenn alles, was wir
“zerstören” nennen, in der Trennung von
Elementen liegt, es keinen Sinn hat, vom Zerstören eines Elements
zu reden.
Aber man möchte sagen: man kann dem Element nicht Sein beilegen, denn wäre es nicht, so könnte man es auch nicht einmal nennen & also gar nichts von ihm aussagen || sagen. – Betrachten wir doch einen analogen Fall, der die Sache klarer machen wird: Man kann von einem Ding auf Erden nicht sinnvoll aussagen 45 es sei
1 m lang, noch, es sei nicht 1 m lang,
& das ist das Urmeter in Paris.
–
Damit haben wir aber diesem natürlich nicht irgend
eine merkwürdige Eigenschaft zugeschrieben, sondern nur
seine eigenartige Rolle im Spiel des
Messens mit dem Metermaß
beschrieben || gekennzeichnet. –
Denken wir uns auf
ähnliche Weise wie das Urmeter auch die Muster von
Farben in Paris
aufbewahrt: || .
So erklären
wir, || : “Sepia”
heiße die Farbe des dort unter Luftabschluß aufbewahrtem
Ur-Sepia. || in Paris
etc.
Dann wird es keinen Sinn haben, von
diesem Muster auszusagen, es habe diese Farbe, noch, zu sagen,
es habe sie nicht.
Wir können das so ausdrücken: Dieses Muster ist ein Teil der Sprache, mit der wir Farbaussagen machen. Es ist in diesem Spiel nicht Dargestelltes, sondern Mittel der Darstellung. – Und eben das gilt von einem Element im Sprachspiel (47), wenn wir, es benennend, seinen Namen || das Wort “r” aussprechen: wir haben damit diesem Gegenstand || Ding eine Rolle in unserm Sprachspiel gegeben, es ist nun Mittel der Darstellung. Und zu sagen, wäre es nicht, so könnten wir es nicht einmal benennen || könnte es (auch) keinen Namen haben, sagt nun so viel, & so wenig, wie: gäbe es dieses Ding nicht, so könnten wir es in unserem Spiel nicht verwenden. – Was es, scheinbar, geben muß, gehört zur Sprache. Es spielt in unserm Spiel die Rolle des Paradigmas; dessen, womit verglichen wird. Und dies feststellen, kann heißen, eine wichtige Feststellung machen! Aber es ist dennoch 46 eine Feststellung unser
Sprachspiel, || – unsere
Darstellungsweise, || –
betreffend. |
⍈
Denken wir uns
aber das Spiel (47) dahin abgeändert, daß in
ihm Namen nicht einfärbige Quadrate bezeichnen, sondern
Rechtecke, die aus je zwei solchen Quadraten bestehen.
Ein solches Rechteck der Form
, halb rot, halb
blau || grün, heiße
“u”, eines halb rot || grün, halb weiß, “v”
& eines halb weiß, halb
blau || schwarz,
“w”. [Zu S. 56] |
50
In der Beschreibung des
Sprachspiels (47) sagte ich, den Farben der Quadrate
entsprächen die Wörter “r”,
“g“, etc..
Worin aber besteht
diese Entsprechung; inwiefern kann man sagen, diesen Zeichen
entsprächen gewisse Farben der Quadrate?
Die
Erklärung in (47) machte || stellte ja nur einen Zusammenhang zwischen diesen
Zeichen & gewissen Wörtern unserer Sprache
her (unsern Farbnamen). –
Nun, es war
vorausgesetzt, daß die || der Gebrauch
der Zeichen im Spiel anders &
zwar durch den
Hinweis || durch Hinweisen auf Paradigmen,
gelehrt würde.
Wohl, – aber was heißt es nun,
zu sagen, in der Praxis der Sprache entsprächen den
Zeichen gewisse Elemente? –
Liegt es darin, daß
der, welcher die Komplexe von Farbquadraten beschreibt,
dabei || hierbei immer “r” sagt, wo
ein rotes Quadrat steht; “s”, wo
ein schwarzes ist || steht,
etc.?
Aber wie, wenn er sich bei der
Beschreibung irrt, &, fälschlich,
“r” sagt, wo er ein schwarzes Quadrat
sieht; – was ist hier das Kriterium dafür,
daß dies ein Fehler war? –
Oder
besteht, daß “r” ein rotes Quadrat
bezeichnet, darin, 47 daß denen || den
Menschen, die die Sprache gebrauchen, immer ein
solches || rotes Quadrat im Geist vorschwebt, wenn sie
das Zeichen “r” gebrauchen?
Um klar zu sehen, müssen wir hier, wie in unzähligen ähnlichen Fällen, die Einzelheiten der Vorgänge ins Auge fassen, was vorgeht aus || die Vorgänge aus der Nähe betrachten. Wenn ich dazu neige zu glauben || anzunehmen, daß eine Maus durch generatio aequivoca || Zeugung aus grauen Fetzen & Staub entsteht, so wird es gut sein, diese Fetzen genau daraufhin zu untersuchen, wie eine Maus sich in ihnen verstecken konnte, wie sie dort hinkommen konnte, etc.. Bin ich aber überzeugt, daß eine Maus aus diesen Dingen nicht entstehen kann, dann wird diese Untersuchung vielleicht überflüssig sein. Was es aber ist, das sich in der Philosophie einer solchen Betrachtung der Einzelheiten entgegensetzt, müssen wir noch verstehen lernen. – |
51
Es gibt nun verschiedene
Möglichkeiten für unser Sprachspiel (47),
verschiedene Fälle, in denen wir sagen würden, ein Zeichen
benenne in dem Spiel ein Quadrat bestimmter || der
& der Farbe.
Wir würden dies
z.B. sagen, wenn wir wüßten,
daß die Menschen, die die || diese Sprache gebrauchen, auf eine bestimmte Art den
Gebrauch der Zeichen lernten. || –
daß den Menschen, die diese Sprache
gebrauchen, der Gebrauch der Zeichen auf die & die Art
beigebracht werde.
Oder, wenn es
schriftlich, etwa in Form einer Tabelle,
z.B. niedergelegt wäre, daß
diesem Zeichen, dieses Element entspricht, & wenn
diese Tabelle beim Lehren der Sprache benützt & in
gewissen Streitfällen zur Entscheidung
herangezogen würde. –
Wir können uns aber
auch denken, daß
48 eine solche Tabelle ein
Werkzeug || Instrument der Praxis || im Gebrauch der Sprache ist.
Die
Beschreibung eines Komplexes geht dann so vor sich, daß
der, welcher ihn beschreibt eine Tabelle mit sich führt, in
ihr jedes Element des Komplexes aufsucht & den
Übergang zum Zeichen || Wort
macht. || : der den Komplex beschreibt, führt eine
Tabelle mit sich & sucht in ihr jedes Element des Komplexes
auf & geht von ihm zum Zeichen über || in
der Tabelle zum Zeichen über.
(Und es
kann auch der, dem die Beschreibung gegeben wird, die
Worte der Beschreibung || derselben durch eine Tabelle in die
Anschauung von Farbquadraten || färbigen Quadraten
rückübersetzten || übersetzen.)
Man könnte sagen,
diese Tabelle übernehme hier die
Rolle, die in andern Fällen Gedächtnis
oder || & die
Assoziation || das Gedächtnis
oder die Assoziation
spielen || spielt.
(Wir werden den Befehl,
“Bring mir eine rote Blume!”,
für gewöhnlich nicht so ausführen, daß wir die Farbe
Rot in einer Farbentabelle nachschlagen & dann
eine Blume bringen von der Farbe, die wir so finden; || so
gefundenen Farbe; aber wenn es sich darum handelt, einen
bestimmten Ton von Rot zu finden || wählen, oder zu mischen, dann werden
wir uns wohl || geschieht es, daß wir
uns eines Musters oder einer Tabelle
bedienen.)
Nennen wir eine solche Tabelle den Ausdruck einer Regel des Spiels || Sprachspiels, so kann man sagen, daß dem, was wir Regel eines Spiels || Sprachspiels nennen, in verschiedenen Fällen sehr verschiedene Rollen im Spiel zukommen || zufallen können. |
52
Denken wir doch daran, in was
für || welchen Fällen wir sagen, ein Spiel werde
nach einer bestimmten Regel gespielt!
Die Regel könnte || kann im Unterricht ein Behelf || ein Behelf des Unterrichts im Spiel sein. 49
Sie wird dem Lernenden mitgeteilt &
darauf ihre Anwendung eingeübt. –
Oder sie ist ein Werkzeug des Spieles selbst. –
Oder auch: ihr Ausdruck || Eine
Regel findet weder im Unterricht noch noch in der
Praxis des Spiels || im Spiel selbst
Verwendung, noch ist sie in einem Regelverzeichnis
niedergelegt.
Man lernt das Spiel, indem man zusieht,
wie Andere es spielen.
Aber wir sagen, es werde nach
diesen || den & den Regeln gespielt& meinen der Beobachter könne sie aus der Praxis des
Spiels ablesen, gleichsam wie ein Naturgesetz, dem
die Spielhandlungen folgen. – || , weil ein
Beobachter sie aus der Praxis des Spiels
ablesen kann, wie ein Naturgesetz, dem die
Spielhandlungen folgen. –
Wie aber
unterscheidet der Beobachter in diesem Fall zwischen einem
Fehler der Spielenden & einer richtigen Spielhandlung? –
Nun, es gibt (ja)
dafür Merkmale im Benehmen der Spieler. Denke nur an die Art || daran, wie
wir uns
z.B.korrigieren, wenn wir uns versprochen haben || man sich korrigiert, wenn man sich versprochen
hat.
Aber es kann in besonderen Fällen auch
der Unterschied zwischen einem Fehler & einer richtigen
Spielhandlung gänzlich verschwimmen. || Denke an das charakteristische Benehmen dessen, der
ein Versprechen korrigiert. Es wäre möglich
zu erkennen, daß Einer dies tut, auch wenn wir seine Sprache nicht
verstehen. || Denke an das
Benehmen, welches || das für das Korrigieren eines
Versprechens charakteristisch ist.
|
53
“Was die Namen
der Sprache bezeichnen, muß unzerstörbar sein.
Denn
man muß den Zustand beschreiben können, in dem alles, was
zerstörbar ist, zerstört ist.
Und in dieser
Beschreibung wird es Wörter geben; & was ihnen
entspricht, darf dann nicht zerstört50 sein, denn sonst hätten
die Wörter keine Bedeutung.”
Ich darf mir
nicht den Ast absägen, auf welchem ich sitze.
Man könnte nun freilich gleich einwenden, daß ja die Beschreibung sich selbst || selbst sich von der Zerstörung ausnehmen müsse. – Aber das, was den Wörtern der Beschreibung entspricht & also nicht zerstört sein darf, wenn sie wahr ist, ist, was den Wörtern ihre Bedeutung gibt, ohne dem sie keine Bedeutung hätten. – Aber dieser Mensch z.B. ist ja doch in gewissem Sinne || einem Sinne das, was seinem Namen entspricht. Er aber ist zerstörbar; & sein Name verliert seine Bedeutung nicht, wenn der Träger zerstört wird. – Das, was dem Namen entspricht, & ohne dem er keine Bedeutung hätte, ist, z.B., ein Paradigma das im Sprachspiel in Verbindung mit dem Namen gebraucht wird. |
54
Aber wie, wenn kein
solches Muster zur Sprache gehört, wenn wir uns,
z.B., die Farbe, die ein Wort bezeichnet,
merken?
“Und wenn wir sie
uns merken, so tritt sie also vor unser geistiges Auge, wenn wir
etwa das Wort aussprechen.
Sie muß also an sich
unzerstörbar sein, wenn die Möglichkeit bestehen soll,
daß wir uns jederzeit an sie erinnern.”
Aber was sehen wir denn als Kriterium dafür an, daß wir uns richtig an sie erinnern? – Wenn wir mit einem Muster, statt mit unserm Gedächtnis, arbeiten, so sagen wir unter Umständen, das Muster habe seine Farbe verändert & beurteilen dies mit dem Gedächtnis. Aber können 51 wir nicht auch unter
Umständen || unter Umständen auch von einem
Nachdunkeln, || – z.B.
– unseres Erinnerungsbildes reden?
Sind wir dem
Gedächtnis nicht ebenso ausgeliefert wie einem
Muster?
(Denn es könnte Einer sagen || sagen wollen: “Wenn wir kein
Gedächtnis hätten, wären wir einem Muster
ausgeliefert.”)
Oder etwa einer chemischen
Reaktion: Denke, Du solltest eine bestimmte Farbe malen,
ihr Name ist “φ”, und es ist die Farbe, welche
man sieht, wenn der Stoff S sich mit dem Stoff T unter den
und den Umständen verbindet. –
Nimm an, die Farbe
käme Dir an einem Tag heller vor als sonst || an einem
andern, würdest Du da nicht vielleicht || unter Umständen sagen: “Ich muß
mich irren, die Farbe ist gewiß die gleiche wie
gestern”?
Das zeigt nur, daß
wir uns dessen, was das Gedächtnis sagt, nicht immer als
des obersten, inappellablen,
Schiedsspruchs bedienen. |
55
“Etwas Rotes
kann zerstört werden, aber Rot kann nicht zerstört
werden, & darum ist die Bedeutung des Wortes
‘rot’ von der Existenz eines roten Dinges
unabhängig.”
Gewiß, es hat keinen Sinn zu
sagen, die Farbe Rot (color nämlich, nicht
pigmentum) werde zerrissen, oder zerstampft.
Aber sagen
wir nicht, “die Röte verschwindet”? und
klammre Dich nicht daran, daß wir sie uns vor's geistige
Auge rufen können, auch wenn es nichts Rotes
mehr gibt!
Dies ist nicht anders, als wolltest Du sagen,
daß es dann immer noch eine chemische Reaktion gebe, die
etwas Rotes (wieder) erzeugt. || die eine rote Flamme
erzeugt. –
Denn wie, wenn Du Dich
nicht mehr an die Farbe erinnern kannst? – 52
Wenn wir vergessen, welche Farbe es
ist, die ein || das & das Wort
bezeichnet || die so & so heißt, || die
diesen Namen hat, so verliert das Wort seine Bedeutung
für uns; || so verliert er seine Bedeutung
für
uns.
D.h. || ;
d.h., wir können ein
bestimmtes Sprachspiel nicht mehr mit ihm spielen.
Und die Situation ist dann mit der zu vergleichen, daß
das Paradigma, welches ein Mittel unserer Sprache war, verloren
gegangen ist. |
56
“Ich will
‘Name’ nur das
nennen, was nicht in der Verbindung ‘ξ
existiert’ stehen kann. –
Und so kann man
nicht sagen ‘Rot’ existiert’, weil,
wenn es Rot nicht gäbe, davon || von
ihm überhaupt nicht geredet werden
könnte.”
Richtiger: Wenn “ξ existiert” so viel besagen soll, wie || als: “ξ” habe Bedeutung, dann ist es kein Satz, der von ξ handelt, sondern ein Satz über unsern Sprachgebrauch, nämlich den Gebrauch des Namens || Wortes “ξ”. Es erscheint uns, als sagten wir damit etwas über die Natur von Rot: daß “Rot existiert” keinen Sinn ergibt || die Worte “Rot existiert” keinen Sinn ergeben. Es existiere eben ‘in sich || an & für sich’. Die gleiche Idee, – daß dies eine meta-physische Aussage über Rot ist, – drückt sich auch darin aus, wenn wir || daß wir etwa sagen, Rot sei zeitlos &, vielleicht noch stärker, || klarer im Gebrauch des Wortes || im Wort “unzerstörbar”. Aber eigentlich wollen wir eben nur “Rot existiert” auffassen, als Aussage: Das Wort “Rot” hat Bedeutung. Oder vielleicht richtiger (die Aussage) || den Satz “Rot existiert nicht” als “‘Rot’ hat keine Bedeutung”. Nur wollen wir nicht sagen, daß er || jener Satz || jener Ausdruck das sagt, sondern, daß er das sagen müßte, wenn er einen Sinn hätte. Daß er sich aber beim Versuch, das zu sagen, selbst widerspricht – da eben Rot ‘an & für sich’ sei. 53
Während ein
Widerspruch nur etwa darin liegt, daß der Satz aussieht, als rede
er von der Farbe, während er etwas über den Gebrauch des
Wortes “rot” sagen soll. –
In
Wirklichkeit aber sagen wir sehr oft || wohl, eine bestimmte Farbe existiere; & das
heißt, so viel || das gleiche wie:
es existierte etwas, was diese Farbe hat.
Und der erste
Ausdruck ist nicht (etwa) weniger exakt
als der zweite; besonders dort nicht, wo ‘das,
was die Farbe hat’ kein
Körper || physikalischer
Gegenstand ist. |
57
“Namen bezeichnen nur das, was
Element der Wirklichkeit ist.
Was sich nicht
zerstören läßt, was in allem Wandel
gleichbleibt.”
Aber was ist das? –
Während wir den Satz sagten, schwebte es uns ja schon
vor!
Wir sprachen schon aus einer ganz bestimmten
Vorstellung heraus. || eine ganz bestimmte Vorstellung
aus. Ein bestimmtes Bild, das wir verwenden
wollen.
Denn die Erfahrung zeigt uns ja diese
nicht. || diese Elemente ja
nicht.
Wir sehen Bestandteile
eines zusammengesetzten Ganzen || von etwas
Zusammengesetztem (eines Sessels
z.B.) &
ein Ganzes das sich ändert während seine Bestandteile
gleichbleiben. || .
Wir sagen, die
Lehne ist zwar ein Teil des Sessels, aber selbst
noch || wieder zusammengesetzt aus verschiedenen
Hölzern; während ein Fuß, schon, ein
einfacher Bestandteil ist. || nicht weiter zusammengesetzt
ist.
Wir sehen auch ein Ganzes, was sich
ändert – zerstört wird
– || (zerstört wird)
während seine Bestandteile gleichbleiben || unverändert bleiben.
Dies sind die
Materialien, aus denen wir jenes Bild (der
Wirklichkeit) anfertigen. |
58
Wenn ich nun
sage: “Der || Mein Besen
steht in der Ecke”, ist dies eigentlich eine Aussage
über den Stiel || Besenstiel & die
Bürste?
Jedenfalls könnte man doch die Aussage
ersetzen durch eine, die || welche die Lage 54 des Stiels & die Lage
der Bürste angibt.
Und diese Aussage ist
doch nun eine weiter analysierte Form der ersten. –
Aber || Warum aber nenne ich sie
“weiter analysiert”? –
Nun, wenn
der Besen dort steht || sich dort befindet || dort steht so müssen sein Stiel und
seine Bürste doch || heißt das doch, es müssen Stiel
& Bürste dort sein & in bestimmter Lage
zu einander; und dies war früher gleichsam im Sinn des Satzes
verborgen & im analysierten Satz ist es
ausgesprochen.
Also meint der, der sagt, der Besen stehe in der Ecke, eigentlich, der Stiel sei dort & die Bürste & der Stiel stecke in der Bürste? Wenn wir jemand fragten ob er das meint, würde er wohl sagen, daß er gar nicht an den Besenstiel besonders, oder an die Bürste besonders, gedacht habe. Und das wäre die richtige Antwort, denn er wollte weder vom Besenstiel noch von der Bürste, besonders, reden. Denke, Du sagtest jemandem; || , statt “Bring mir den Besen”: “Bring mir den Besenstiel & die Bürste, die an ihm steckt!” Ist die Antwort darauf nicht: “Willst Du den Besen haben? Und warum drückst Du das || Dich so unsinnig aus?” – Wird er den weiter analysierten Satz also leichter || besser verstehen? – Dieser Satz – könnte man sagen – leistet dasselbe, wie der gewöhnliche, aber auf einem umständlichern Wege. –5 Denk' Dir ein Sprachspiel, in den jemandem Befehle gegeben werden, gewisse aus mehreren Teilen zusammengefügte || zusammengesetzte Dinge zu bringen, zu verschieben || bewegen, oder dergleichen; und || . Und zwei Arten, es zu spielen: in der einen a) werden den zusammengesetzten Dingen (Besen, Stühlen, Tischen, etc..) Namen gegeben || haben die zusammengesetzten Dinge (Besen, Stühle, Tische, etc..) Namen, wie in ( ); in der andern b) erhalten nur die Teile Namen & das Ganze wird mit ihrer Hilfe beschrieben. – In wiefern ist denn ein Satz || Befehl des zweiten eine analysierte Form eines Befehls des ersten? Steckt denn jener in diesem & wird nun durch Analyse herausgeholt? – Ja, der Besen wird zerlegt, wenn man Stiel & Bürste 55 trennt; aber wird auch der
Befehl, den Besen zu bringen zerlegt aus || besteht darum auch der
Befehl, den Besen zu bringen, aus entsprechenden
Teilen? |
59
“Aber Du wirst doch nicht leugnen, daß ein bestimmter
Befehl in (a) das Gleiche sagt, wie einer in
(b)!
Und wie willst Du denn den zweiten
nennen, wenn nicht eine analysierte Form des ersten.”
–
Freilich, ich würde auch sagen, ein Befehl in
(a) habe den gleichen Sinn, wie einer in (b);
oder, wie ich es früher ausgedrückt
habe, || : sie leisten dasselbe.
Und das heißt: Wenn mir etwa ein Befehl in
(a) gezeigt & die Frage gestellt
würde: || ,
“Welchem Befehl in (b) ist dieser
gleichsinnig?”, oder auch, “Welchen
Befehlen in (b) widerspricht er?”, so
werde ich die Frage so & so beantworten.
Aber damit
ist nicht gesagt, daß wir uns über die Verwendung des
Ausdrucks “den gleichen Sinn haben”, oder
“dasselbe leisten” im Allgemeinen
verständigt haben.
Es ist
nämlich die Frage: || Man kann nämlich
fragen: In welchen Fällen || welchem Fall sagen
wir: “das sind nur zwei verschiedene Formen
desselben Spiels”? |
|| 60
Denke etwa, der, dem die Befehle in
(a) und (b) gegeben werden, habe in einer
Tabelle, die Namen Bildern zuordnet, nachzusehen, ehe er
das Verlangte bringt: Tut er nun dasselbe, wenn
er einen Befehl in (a) & den entsprechenden in
(b) ausführt? –
Ja &
nein.
Du kannst sagen: “Die Pointe der Befehle ist die gleiche || Der
Witz der beiden Befehle ist der gleiche || selbe”.
Ich würde hier dasselbe
sagen.
Aber es ist nicht überall klar, was man den
‘Witz’ des Befehls nennen soll!
(Ebenso kann man von gewissen 56 Dingen sagen:
ihr Zweck ist das & das.
Das
Wesentliche ist, daß dies || das eine
Lampe ist, zur Beleuchtung dient, – daß sie das
Zimmer schmückt, einen leeren Raum füllt,
etc., ist nicht wesentlich.
Aber nicht
immer sind wesentlich & unwesentlich klar
getrennt.) |
61
Der Ausdruck aber, ein
Satz in (b) sei eine ‘analysierte’ Form
eines in (a) ist leicht
irreleitend: es scheint, als sei die || jene Form fundamentaler als diese || die
fundamentalere, als zeige sie
(erst) || in (a) verführt
uns leicht dazu, zu meinen, jene Form sei die
fundamentalere, sie zeige was mit der andern,
gemeint sei, etc..
Wir denken etwa: Wer nur die unanalysierte Form kennt || besitzt, dem geht die Analyse verloren || ab; wer aber die analysierte Form hat || kennt, der besitze damit alles. – Aber kann ich nicht sagen, daß diesem ein Aspekt der Sache verloren geht, so wie jenem? ¥ [S. 46] Könnten wir uns nicht Menschen denken, die für solche Farbenkombinationen Namen hätten, aber nicht für die (einzelnen) Farben? Denk' an die Fälle, wenn wir sagen: “diese Farbenzusammenstellung – z.B. die Trikolore – || (z.B. die Trikolore) hat einen ganz bestimmten || besonderen Charakter. Inwiefern müssen die Zeichen dieses Sprachspiels analysiert werden || sind die Zeichen dieses Sprachspiels einer Analyse bedürftig? Ja, inwiefern || inwieweit kann das Spiel durch die analysierte Form (47) ersetzt werden? – Es ist eben ein anderes Sprachspiel; wenn auch mit (47) verwandt. |
62
Und hier || Hier stoßen wir auf die große Frage, die hinter
allen diesen Betrachtungen liegt || steht:
Denn man könnte mir nun einwenden: “Du
machst Dir's leicht!
Du redest von allen
möglichen Sprachspielen, hast aber nirgends gesagt,57 was denn das Wesentliche des
Sprachspiels, & d.h. der Sprache,
ist.
Was allen diesen Vorgängen gemeinsam ist und sie
zur Sprache, oder zu Teilen der Sprache,
macht.
Du schenkst Dir also gerade den Teil der
Untersuchung, der Dir selbst seinerzeit das meiste
Kopfzerbrechen gemacht hat, nämlich den, die
allgemeine Form des Satzes & der Sprache
betreffend.”
Und das ist wahr. – Statt zu sagen || etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Vorgängen || Erscheinungen gar nicht Eines gemeinsam, weswegen wir auf || für (sie) alle das gleiche Wort verwenden, – sondern sie sind mit einander auf viele verschiedene || in vielen verschiedenen Weisen verwandt. Und dieser Verwandtschaft, oder diesen Verwandtschaften, wegen nennen wir sie alle “Sprachen”. Ich will versuchen, dies zu erklären. |
63
Betrachte
z.B. einmal die Vorgänge, die wir
“Spiele” nennen.
Ich meine
Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiele, Kampfspiele
u.s.w..
Was ist allen diesen
gemeinsam? –
Sag' nicht, “es
muß ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht
‘Spiele’”; sondern schau,
was
ihnen || ob ihnen allen etwas gemeinsam ist. –
Denn wenn Du sie ansiehst || anschaust so
wirst Du zwar nichts sehen || nicht etwas sehen, was
allen gemeinsam wäre, aber Du wirst Ähnlichkeiten,
Verwandtschaften sehen, & zwar eine ganze Reihe.
Wie gesagt: Denk nicht, sondern schau! –
Schau z.B. die verschiedenen
Brettspiele an, mit ihren mannigfachen Verwandtschaften.
Geh || Nun geh zu den Kartenspielen über; hier
finden
sich || findest Du viele Entsprechungen zu den
Brettspielen58 || zu
der || jener ersten
Klasse || Klasse von
Spielen, aber viele
gemeinsame Merkmale jener gehen verloren & || Züge verschwinden,
neue || andere treten auf.
Nun
sieh Dir etwa Charakterzüge dieser Spiele
an.
Wenn Du nun zu den Ballspielen übergehst, so
bleibt manches Gemeinsame erhalten, aber manches || vieles geht verloren. –
¤ Sind sie z.B. alle
‘unterhaltend’?
Vergleiche Schach, wenn es etwa in einem Turnier gespielt
wird dem Mühlfahren.
Oder: gibt es
überall ein Gewinnen & Verlieren, oder das
Konkurrieren || die Konkurrenz von Spielenden?
Denke an die Patiencen.
Hier gibt es allerdings noch
etwas was ungefähr dem Verlieren & Gewinnen
entspricht aber der Charakterzug der Konkurrenz ist
verschwunden.
Auch in verschiedenen || In den Ballspielen gibt es ein || Gewinnen & Verlieren, aber
wenn ein Kind den Ball an die Wand wirft & wieder
auffängt, so ist dieser Zug verschwunden.
Oder schau || Schau welche Rolle Geschick & Glück
in ihnen allen spielt || spielen.
Und wie verschieden ist wieder
‘Geschick’ || Geschick im Schachspiel & || &
Geschick im Tennisspiel.
Denk'
nun an die Reigenspiele: Hier ist das Element
der Unterhaltung, aber wie viele der andern Charakterzüge sind
hier verschwunden!
Und so können wir
durch die vielen, vielen andern Gruppen von Spielen
gehen.
Ähnlichkeiten auftauchen &
verschwinden sehen.
Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen & kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen & Kleinen. |
64
Ich kann diese Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren,
als durch das Wort “Familienähnlichkeiten”;
denn so übergreifen & kreuzen sich die
verschiedenen Ähnlichkeiten unter den Gliedern einer
Familie || die zwischen den Gliedern einer Familie
bestehen: Wuchs, Gesichtszüge,
Augenfarbe, 59 Gang, Temperament,
etc. etc..–
Und ich
werde sagen: die ‘Spiele’ bilden eine
Familie.
Und ebenso bilden z.B. die Zahlenarten eine Familie. Warum nennen || benennen wir etwas “Zahl”? Nun etwa, weil es eine, || – direkte – Verwandtschaft mit etwas || manchem hat, was man bisher Zahl genannt hat; & dadurch, kann man sagen, erhält es eine indirekte Verwandtschaft zu anderem, was wir auch so nennen. Und wir dehnen unseren Begriff der Zahl aus, wie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß eine Faser durch seine ganze Länge läuft, sondern darin, daß sich viele Fasern || viele Fasern sich übergreifen. Wenn aber Einer sagen wollte, “also || : “Also ist allen diesen Gebilden etwas gemeinsam; nämlich die logische Summe || Disjunktion aller dieser Gemeinsamkeiten”, so würde ich antworten: Hier || hier spielst Du nur mit einem Wort. Ebenso könnte man sagen: es läuft etwas || Etwas durch den ganzen Faden, wenn sich die Fasern einander lückenlos überdecken¤ || da die Fasern einander lückenlos übergreifen etwa || nämlich, das lückenlose Übergreifen dieser Fasern. |
65
“Gut; so ist also
der Begriff der Zahl für Dich die logische Summe jener einzelnen mit einander
verwandten Begriffe: Kardinalzahl, Rationalzahl,
reelle Zahl, etc.
¤ || erklärt als die logische Summe jener
einzelnen mit einander verwandten Begriffe: Kardinalzahl,
Rationalzahl, reelle Zahl,
etc.; & gleicherweise der Begriff des
Spiels als die logische Summe entsprechender
Teilbegriffe.” –
Dies muß nicht
sein.
Denn ich kann so dem Begriff
‘Zahl’ feste Grenzen geben,
d.h. das Wort “Zahl” zur
Bezeichnung eines fest begrenzten Begriffes 60 gebrauchen, aber ich kann es auch so
gebrauchen, daß der Umfang des Begriffes nicht
durch eine Grenze abgeschlossen ist.
So || Und so verwenden wir ja das Wort
“Spiel”.
Wie ist denn der Begriff des
Spiels abgeschlossen?
Was ist noch ein Spiel &
was ist keines mehr?
Kannst Du die Grenzen
angeben? –
Nein.
Du kannst
welche ziehen; denn es sind noch keine gezogen.
(Aber das hat Dich noch nie gestört, wenn Du das Wort
“Spiel” angewendet hast.)
“Aber dann ist ja die Anwendung des Wortes nicht geregelt, das ‘Spiel’, was || welches wir mit diesem Worte || ihm spielen, hat keine klaren Regeln.” || ist nicht geregelt.” – Es ist nicht überall von Regeln begrenzt; aber es gibt ja auch keine Regel dafür, wie hoch man z.B. im Tennis den Ball werfen darf, oder wie stark, aber Tennis ist doch ein Spiel, & es hat auch Regeln. |
66
Wie würdest Du
denn jemandem erklären, was ein Spiel ist?
Ich glaube, Du wirst ihm Spiele beschreiben, und Du
könntest der Beschreibung hinzufügen:
“das, & Ähnliches, nennt man
‘Spiele’”.
Und weißt Du
selbst denn mehr?
Kannst Du etwa nur dem Andern nicht
genau sagen, was ein Spiel ist?
Aber das ist
nicht Unwissenheit.
Du kennst die Grenzen nicht, weil
keine gezogen sind.
Wie gesagt, Du kannst – für
einen bestimmten || irgend einen Zweck – eine Grenze
ziehen.
Machst Du dadurch den Begriff erst
brauchbar?
Durchaus nicht! es sei denn, für
Deinen || den besondern Zweck.
So
wenig wie der das Längenmaß ‘ein
Schritt’ brauchbar machte, der die Definition gab,
“1 Schritt = 75 cm”.
Und
wenn Du sagen willst: “aber vorher war es doch kein exaktes
Längenmaß”,61 so antworte
ich: gut, dann war es ein unexaktes. –
Obgleich Du mir noch die Definition der Exaktheit schuldig
bist. – |
67
“Aber wenn
der Begriff ‘Spiel’ auf diese Weise unbegrenzt ist,
so weißt Du ja eigentlich nicht, was Du mit
“Spiel” meinst.” –
Nimm an, ich sagte Dir in einer Beschreibung || Wenn ich die Beschreibung gebe:
Ich sage: “Der Boden war
ganz mit Kräutern & Pflanzen
bedeckt”; willst Du sagen ||
behaupten, ich wisse || weiß nicht wovon
ich rede, ehe ich nicht eine Definition der
‘Kräuter’ || Pflanze geben kann?
Sokrates (im ): “Du weißt es & kannst hellenisch reden, also mußt Du es doch sagen können.” – Nein; “es || . “Es wissen’ heißt hier eben nicht, es sagen können. Das Kriterium des Wissens ist hier ein anderes. || Wir gebrauchen hier ein anderes Kriterium des Wissens. || Nicht das ist hier unser Kriterium des Wissens. Eine Erklärung dessen, was ich meine, wäre etwa ein gemaltes Bild und die Worte: “So, ungefähr, hat es ausgeschaut || der Boden ausgesehen”. Aber ich sage || Ich sage aber vielleicht auch: “genau so hat es ausgeschaut || ausgesehen”. – Also waren genau diese Gräser & Blätter, in diesen Lagen, dort? Das meine ich nicht || Nein, das heißt es nicht. Und kein Bild würde ich, in diesem Sinne, als das genaue anerkennen. |
68
Man kann sagen, der Begriff
‘Spiel’ ist ein Begriff mit verschwommenen
Rändern. –
“Aber ist ein
verschwommener Begriff überhaupt ein
Begriff?” –
Ist eine unscharfe
Photographie überhaupt ein Bild eines Menschen? –
Ja, kann man
ein unscharfes Bild immer mit Vorteil durch ein scharfes ersetzen || ein unscharfes Bild immer mit Vorteil durch ein scharfes ersetzt
werden?
Ist das unscharfe oft nicht || nicht oft gerade das, was wir brauchen?
Frege vergleicht den Begriff mit einem Bezirk 62 & sagt, || :
einen unklar begrenzten Bezirk könne man überhaupt keinen
Bezirk nennen.
Das heißt wohl, wir
können mit ihm nichts anfangen.
Aber ist es sinnlos zu
sagen: “Halte Dich ungefähr hier
auf!”
Denke Dir ich stünde
mit einem Andern auf einem Platz & sagte dies.
Dabei werde ich nicht einmal irgend eine
Grenze ziehen, sondern etwa mit der Hand eine zeigende Bewegung
machen – ganz als zeigte ich einen bestimmten
Punkt.
Und genau || gerade so
erklärt man etwa, was ein Spiel ist.
Man gibt
Beispiele, & will, daß sie in gewissem Sinn verstanden
werden. –
Aber mit diesem Ausdruck meine ich
nicht, || : er solle nun in
diesen Beispielen das Gemeinsame sehen, welches ich –
aus irgend einem Grunde – nicht aussprechen konnte;
sondern, || : er solle || soll diese Beispiele nun in bestimmter Weise
verwenden.
Das Exemplifizieren ist hier nicht ein
indirektes Mittel der Erklärung, – in
Ermangelung eines
bessern || Bessern. –
Denn, mißverstanden kann auch jede allgemeine
Erklärung werden.
So spielen wir eben das
Spiel.
(Ich meine das
Sprachspiel mit dem Worte “Spiel”.)
|
69
Das
Gemeinsame sehen: Nimm an; ||
– ich zeige jemandem verschiedene bunte Bilder,
& sage: “Die Farbe, die Du in
allen siehst, heißt
‘Ocker’.” –
Das ist eine
Erklärung, die verstanden wird, indem der Lernende || Andere aufsucht & sieht, was jenen
Bildern gemeinsam ist.
Er kann
dann auf das Gemeinsame blicken,
darauf zeigen.
Vergleiche damit: Ich zeige ihm mehrere Vierecke verschiedener Form, alle in der gleichen Farbe gemalt & sage: “Was diese mit einander gemein haben, 63 heißt
‘Ocker’”.
Und vergleiche damit: – Ich zeige ihm Muster verschiedener Schattierungen von Blau & sage: “Die Farbe, die allen gemeinsam ist, nenne ich ‘Blau’”. |
70
Wenn Einer
auf ein Muster zeigt & mir || mir die
Namen der Farben erklärt, indem er auf Muster zeigt
& sagt: “Diese Farbe
heißt ‘Blau’, diese
‘Grün’,
etc.”, so kann man diesen Fall in
vieler Hinsicht dem vergleichen || dieser Fall
in vieler Hinsicht dem verglichen
werden, daß er mir eine Tabelle an die Hand gibt, in der unter den
Mustern von Farben die Wörter stehen. –
Wenn auch
dieser Vergleich in mancher Weise irreführen kann. –
Man ist nun geneigt diesen Vergleich auszudehnen: Die
Erklärung verstanden haben, heißt, einen Begriff des
Erklärten im Geiste besitzen, & das ist || d.i. ein Muster, oder Bild; zeigt
man mir nun verschiedene Blätter & sagt,
“das || Das nennt man ‘Blatt’”,
so erhalte ich einen Begriff des Blattes || der Blattform, und
darum ein Bild von ihr im Geiste. –
Aber wie schaut
denn das Bild eines Blattes aus, das keine bestimmte Form zeigt,
sondern ‘das, was allen Blattformen gemeinsam
ist’?
Welche Farbe hat das
Muster in meinem Geiste der Farbe Grün, dessen, was allen
Tönen von Grün gemeinsam ist?
“Aber könnte es nicht solche ‘allgemeine’ Muster geben? Etwa ein Blattschema oder ein Muster von reinem Grün.” – Gewiß! – Aber, daß dieses Schema als Schema verstanden wird & nicht als die Form eines bestimmten Blattes, & daß ein Täfelchen von reinem Grün als Muster alles dessen verstanden 64 wird, was grünlich ist
& nicht als Muster für reines
Grün, || : das liegt
wieder in der Art der Anwendung dieser Muster.
Frage Dich: Welche Gestalt muß das Muster der Farbe Grün haben. Soll es viereckig sein? Oder würde es dann das Muster für grüne Vierecke sein? – Soll es also ‘unregelmäßig’ geformt sein? Und was verhütet es || verhindert uns, es dann nur als Muster der unregelmäßigen Form anzusehen – d.h. zu verwenden? |
72.
Was heißt es: wissen, was ein Spiel ist?
Was
heißt es, es wissen & es nicht sagen können?
Ist dieses Wissen das || irgend ein
Äquivalent einer unausgesprochenen || nicht ausgesprochenen Definition?
So
daß, wenn sie ausgesprochen 65 würde, ich sie als den Ausdruck
meines Wissens anerkennen würde || könnte || So daß ich sie, wenn
man sie ausspräche als Ausdruck meines
Wissens anerkennen würde || könnte?
Ist nicht mein
Wissen, mein Begriff vom Spiel, ganz in den Erklärungen
ausgedrückt, die ich geben könnte?
nämlich darin, daß ich
Beispiele von Spielen verschiedener Art beschreibe; zeige, wie man
nach Analogie dieser auf alle möglichen Arten andere Spiele
konstruieren könnte || kann; sage, daß ich das
& das wohl kaum mehr ein Spiel nennen würde, und
dergleichen mehr. |
72 || 3
Zöge Einer eine
scharfe Grenze, ich könnte sie || Wenn Einer eine scharfe
Grenze zöge, so könnte ich sie nicht als die
anerkennen, die ich auch schon immer ziehen wollte, oder im Geist
gezogen habe.
Denn ich wollte gar keine ziehen || habe gar
keine ziehen wollen.
Man kann dann sagen: sein
Begriff ist nicht der gleiche wie der meine, aber ihm
verwandt.
Und zwar die Verwandtschaft ist die zweier
Bilder, deren eines aus unscharf begrenzten Farbflecken, das andere
aus ähnlich geformten & verteilten, aber scharf
begrenzten, besteht.
Die Verwandtschaft wäre
so || ist dann eben ebenso unleugbar, wie die
Verschiedenheit. |
74
Und wenn wir diesen
Vergleich noch etwas weiterführen, – so ist es klar, daß
der Grad, bis zu welchem das scharfe Bild dem
verschwommenen ähnlich sein kann, vom Grade
der Unschärfe dieses abhängt.
Denn denk Dir, Du solltest zu einem
verschwommenen Bild ein ihm
‘entsprechendes’ scharfes
malen || entwerfen!
In jenem ist ein unscharfes rotes
Rechteck; Du setzt dafür ein scharfes. 66
Freilich, ||
– es ließen sich ja mehrere solche scharfe Rechtecke
ziehen, die dem unscharfen entsprächen. –
Wenn aber im Original die Farben ohne die Spur einer Grenze in
einander fließen, wird es dann nicht eine hoffnungslose
Aufgabe werden, ein dem verschwommenen entsprechendes scharfes
Bild zu malen || zeichnen?
Wirst Du dann nicht sagen
müssen: “Hier könnte ich
ebensogut einen Kreis, als ein Rechteck, oder eine Herzform
zeichnen; es fließen alle Farben in || durch
einander; es || . Es stimmt
alles, – || , &
nichts.” –
Und in dieser Lage befindet sich
z.B. der, der in der Ästhetik oder
Ethik Definitionen geben möchte || nach Definitionen
sucht, die unseren Begriffen entsprechen.
[Neue Zeile gehört zu
(73)] Frage Dich in dieser Schwierigkeit immer: “Wie haben wir denn die Bedeutung dieses Wortes – ‘gut’ z.B. – gelernt? An was für Beispielen; in welchen Sprachspielen? Du wirst dann leichter sehen, daß dieses || das Wort eine Familie von Bedeutungen haben muß. |
75
Vergleiche:
wissen und sagen, wieviele m hoch der Montblanc ist wie das Wort “Spiel” gebraucht wird wie eine Klarinette klingt. Wer sich wundert, daß man etwas wissen könne & nicht sagen, denkt wohl || vielleicht an einen Fall, wie den ersten; & gewiß || . Gewiß nicht an einen, wie den dritten. |
76
Betrachte dieses
Beispiel: Wenn man sagt,
“Moses hat nicht
existiert”, so kann das verschiedenerlei bedeuten.
Es kann heißen: die Israeliten haben nicht einen
Führer gehabt, als sie von Ägypten
ausgezogen sind – oder: ihr Führer hat nicht
Moses geheißen – oder: es
hat keinen Menschen gegeben, der alles das vollbracht hat, was
die Bibel von Moses
berichtet, || – etc.,
etc..–
Nach
Russell können wir
sagen: der Name
“Moses” kann durch
verschiedene Beschreibungen definiert werden.
Z.B. als: “der 67 Mann, welcher die Israeliten durch die
Wüste geführt hat”, “der Mann, welcher zu
dieser Zeit & an diesem Ort gelebt hat und damals
‘Moses’ genannt
wurde”, “der Mann, welcher als Kind von der Tochter
Pharaos aus dem Nil
gezogen wurde”, etc..
Und je
nachdem wir die eine oder andere Definition annehmen, bekommt der Satz
“Moses hat existiert”
einen andern Sinn & ebenso jeder andere Satz, der von
Moses handelt. –
Und wenn man uns sagt, “N hat
nicht existiert”, fragen wir auch: “Was
meinst Du?
Willst Du sagen, daß …, oder
daß …, etc.?”
Aber wenn ich nun eine Aussage über Moses mache, bin ich immer bereit, irgend eine dieser Beschreibungen statt || für “Moses” zu setzen? Ich werde etwa sagen: unter “Moses” verstehe ich den Mann, der getan hat, was die Bibel von Moses berichtet, oder doch vieles davon. Aber wievieles? Habe ich mich entschieden, wieviel sich als falsch erweisen muß, damit ich meinen Satz, als falsch, aufgebe? Hat also der Name “Moses” für mich einen klaren || festen & eindeutigen || eindeutig bestimmten Gebrauch in allen möglichen Fällen? – Ist es nicht so, daß ich sozusagen eine ganze Reihe von Stützen in Bereitschaft habe & bereit bin, mich auf diese || eine zu stützen, wenn mir die andere entzogen werden sollte, & umgekehrt? – Betrachte noch einen andern Fall: Wenn ich sage, “N ist gestorben”, so kann es mit der Bedeutung des Namens “N” etwa folgende || diese Bewandtnis haben: Ich glaube, daß ein Mensch gelebt hat, den ich (1.) dort 68 & dort gesehen habe, der
(2) so und so ausgeschaut hat (Bilder), (3)
das & das getan hat und (4) in der
bürgerlichen Welt den || diesen
Namen, “N”, führt.
Gefragt,
was ich unter “N” verstehe, würde
ich Alles || alles das, oder
Einiges || einiges
davon, & bei verschiedenen Gelegenheiten
Verschiedenes, aufzählen.
– Meine
Definition von “N” wäre also
etwas “der Mann, von dem alles das stimmt”. –
Aber wenn sich nun einiges || etwas davon
als falsch erwiese! – werde ich bereit sein meinen || den Satz “N ist gestorben” für
falsch zu erklären, – auch wenn nur
etwas mir (ganz)
Nebensächliches || mir nebensächlich
scheinendes sich als falsch
herausstellt?
Wo aber ist die Grenze des
Nebensächlichen? –
Hätte ich in so einem
Fall eine Erklärung des Namens gegeben, so
wäre ich nun bereit, sie abzuändern.
Und das kann man so ausdrücken, [kein Doppelpunkt]6 ich gebrauche den Namen “N” ohne feste Bedeutung. (Aber das tut seiner Verwendung || seinem Gebrauch so wenig Eintrag wie dem des || eines Tisches, daß er auf vier Beinen || Füßen ruht, statt auf dreien, & daher unter Umständen wackelt.) Soll man sagen, ich gebrauche ein Wort, dessen Bedeutung ich nicht kenne, rede also Unsinn? – Sage was Du willst, solange Dich das nicht hindert, zu sehen, wie es sich verhält. (Und wenn Du das siehst, wirst Du manches nicht sagen.) |
77
Ich sage:
“Dort steht ein Sessel”; wie wenn ich hingehe
& ihn holen will und er entschwindet plötzlich
meinem Blick? –
“Also war es kein Sessel,
sondern irgend eine 69 Täuschung.”
–
Aber in einigen || ein paar Sekunden sehen wir
ihn wieder & können ihn angreifen,
etc..–
“Also war der Sessel
doch da, & sein Verschwinden war irgend eine
Täuschung.” –
Aber nimm an, nach
einiger || einer
Zeit verschwindet er wieder, – oder scheint zu verschwinden. –
Was sollen wir nun sagen?
Hast Du für
solche Fälle Regeln bereit; ||
– die sagen, ob man so etwas noch einen
(einen)
“Sessel” nennen darf?
Aber gehen sie
uns beim Gebrauch des Wortes “Sessel”
ab; & sollen wir sagen, daß wir
nicht wissen, was wir mit Sessel
meinen? || mit diesem Wort eigentlich keine Bedeutung
verbinden? || daß wir dieses Wort
eigentlich nicht sinnvoll verwenden
können, da wir nicht für alle
Fälle mit Regeln für seine Anwendung versehen
sind? || Möglichkeiten seiner Anwendung
mit Regeln versehen sind? |
78
Ramsey hat einmal
im Gespräch mit mir betont, die Logik sei eine
“normative Wissenschaft”.
Die genaue
Idee, die ihm dabei || Genau, welche Idee ihm dabei
vorgeschwebt hat, weiß ich nicht; sie war aber
gewiß || zweifellos eng verwandt mit der,
die mir erst später aufgegangen
ist, || : daß wir nämlich in
der Philosophie den Gebrauch der Wörter oft mit Spielen, Kalkülen, nach festen Regeln vergleichen,
aber nicht sagen können, wer die Sprache gebraucht,
müsse ein solches Spiel spielen. –
Sagt man (nun) aber, daß unser
sprachlicher Ausdruck sich solchen fest geregelten
Kalkülen nur nähert, so steht man damit
unmittelbar am Rande einer Reihe von
Mißverständnissen. || Reihe gefährlicher
Mißverständnisse. || am
Rande eines (schweren)
Mißverständnisses.
Denn so
kann es scheinen, als redeten wir 70 in der Logik von einer
idealen Sprache.
Als wäre unsre
Logik eine Logik, gleichsam, für den luftleeren
Raum || unsere Logik, gleichsam, eine
Logik für den luftleeren
Raum.
Während die Logik
doch nicht von der Sprache, || –
beziehungsweise || bezw. vom
Denken, || – handelt wie || in dem Sinne, wie eine Naturwissenschaft von einer
Naturerscheinung; || , & man höchstens sagen
kann, wir konstruierten ideale Sprachen.
Aber
hier wäre das Wort ‘ideal’
irreführend; denn || . Denn
so schiene es || es schiene
also, als wären diese Sprachen besser, vollkommener, als
die || unsere Umgangssprache; & als
brauchte es den Logiker, damit er || der den
Menschen endlich zeige || zeigt, wie ein richtiger
Satz ausschaut.
All das kann aber erst dann richtig verstanden werden, || im rechten Licht erscheinen, wenn wir über die Ideen des Verstehens, & Meinens, & Denkens Klarheit gewonnen haben (werden). Denn erst dann wird auch klar werden, was dazu verleiten kann – & mich verleitet hat (Log. Phil. Abh.) – zu denken, daß, wer einen ‘sinnvollen’ Satz ausspricht & meint, oder versteht, damit || damit einen Kalkül nach festen || bestimmten Regeln betreibt || betreiben muß. || , damit einen Kalkül betreibt, nach bestimmten Regeln. |
79
Denn was || Was nennen wir || nenne ich
die ‘Regel, nach der er vorgeht’?
Die
Hypothese, die seinen Gebrauch der Worte || Sprache, den wir beobachten,
zufriedenstellend beschreibt, oder die Regel, die er beim
Sprachspiel || im Gebrauch der
Zeichen nachschlägt, oder, die er mir
zur Antwort gibt, wenn ich || uns zur Antwort gibt, wenn
wir ihn nach seiner Regel fragen?
Wie aber, wenn
die Beobachtung keine Regel klar erkennen läßt &
die Frage keine zu Tage fördert? –
Denn er gab
mir zwar auf meine Frage, was er unter
“N” verstehe, eine Erklärung, 71 war aber bereit, diese Erklärung
zu widerrufen & abzuändern. –
Wie soll
ich also die Regel bestimmen, nach der er spielt? er weiß
sie selbst nicht.
Oder richtiger: was soll der
Ausdruck “Regel, nach welcher er vorgeht” hier noch
besagen? |
79 || 80
Steckt uns da nicht die Analogie der Sprache mit dem
Spiel ein Licht auf?
Wir können uns doch sehr wohl
denken, daß sich Menschen auf einer Wiese damit unterhielten,
mit einem Ball zu spielen, indem || so zwar,
daß sie verschiedene bestehende
(geregelte) Spiele anfingen, manche nicht zu Ende
spielten || spielen, || –
dazwischen den Ball planlos in die Höhe
werfen || würfen, einander im Scherz mit dem Ball
nachjagen & bewerfen, etc..
–
Und nun sagte Einer: Die ganze Zeit
hindurch spielen die Leute ein Ballspiel & richten sich
daher bei jedem Wurf nach bestimmten
Regeln.
Und gibt es nicht auch den Fall, wo wir spielen & ‘make up the rules as we go along’? Ja auch den, in welchen wir sie abändern, || – as we go along. |
81
Ich sagte in (65)
von einem Sprachspiel es sei || der Anwendung des
Wortes “Spiel”, sie sei nicht
‘überall von Regeln begrenzt’
.
Aber || ; aber wie schaut denn ein Spiel aus, das
überall von Regeln begrenzt ist?
Dessen Regeln
keine Zweifel eindringen lassen; ihnen || keinen Zweifel
eindringen lassen; ihm alle Löcher verstopfen? –
Können wir uns nicht Regeln denken, die die
Anwendung jeder Regel regeln || eine Regel denken, die die
Anwendung einer || der Regel regelt? || ; und einen Zweifel den jene Regel
beseitigt || behebt? || ; und so
fort?
Aber das sagt nicht, daß wir zweifeln, || – weil wir uns einen Zweifel denken können. Ich kann mir sehr wohl denken, daß jemand jedesmal vor 72 dem Öffnen seiner Haustüre
zweifelt, ob sich hinter
ihr || dahinter nicht ein Abgrund aufgetan hat;
& daß er sich darüber vergewissert, eh' er
durch die Tür tritt (& es kann sich einmal erweisen,
daß er recht hatte); aber deswegen zweifle ich in
diesem || im gleichen Falle doch nicht. |
82
Eine Regel steht da,
wie ein Wegweiser.
Läßt er keinen Zweifel offen
über den Weg, den ich zu gehen habe?
Wo
steht || Zeigt er, in welcher Richtung ich
zu gehen
habe || gehen soll, wenn ich an ihm vorbei bin, ob
der Straße nach oder dem Feldweg, oder
querfeldein?
Aber wo steht, in welchem Sinne
ich ihm zu folgen habe; ob in der Richtung der Hand, oder,
z.B., in der entgegengesetzten? –
Und wenn statt eines || des Wegweisers
eine geschlossene Kette von Wegweisern da
stünden, || stünden, oder Kreidestriche auf dem
Boden liefen; gibt es für sie nur eine
Deutung? –
Also kann ich
sagen, || : der Wegweiser
läßt doch keinen Zweifel offen.
Oder
vielmehr: Er läßt manchmal einen Zweifel offen,
manchmal nicht.
Und dies ist nun kein
Satz der Philosophie mehr || philosophischer Satz mehr; sondern ein
Erfahrungssatz. |
83
Ein Sprachspiel wie
(3) werde mit Hilfe einer Tabelle gespielt.
Die
Zeichen, die A dem B gibt, seien nun Schriftzeichen;
B hat eine Tabelle: in der ersten Kolumne stehen die
Schriftzeichen, die im Spiel gebraucht werden, in einer zweiten
Bilder von Bausteinformen.
A macht so ein
Schriftzeichen || zeigt dem B so ein geschriebenes
Zeichen (schreibt es etwa auf eine Tafel): B
sucht es in der Tabelle auf, blickt auf das gegenüberliegende
Bild, etc..
Die Tabelle ist also
eine Regel, nach der er sich beim Ausführen der Befehle
richtet. –
Das Aufsuchen des
Bildes in der Tabelle lernt 73 man durch eine Abrichtung &
ein Teil || Zum Gebrauch der Tabelle wird
man abgerichtet; ein Teil dieser Abrichtung
wird etwa darin bestehen || besteht etwa darin, daß
der Schüler lernt, mit dem Finger in der
Tabelle || in der Tabelle mit dem Finger horizontal von
links nach rechts zu fahren, ||
– lernt, || , also lernt, sozusagen, eine Reihe
horizontaler Striche (zu) ziehen.
Denk' Dir, es würden nun verschiedene Arten eingeführt, die || eine Tabelle zu lesen; nämlich einmal, wie oben, horizontal von links nach rechts, also so: || nach dem Schema: ein andermal etwa || aber nach dem Schema || diesem Schema: oder diesem: etc.. So ein Schema wird der Tabelle beigefügt als Regel, wie sie zu gebrauchen sei. Können wir uns nun nicht weitere Regeln zur Erklärung dieser vorstellen? Und war, anderseits, jene erste Tabelle unvollständig ohne das Schema der horizontalen Pfeile Und sind es die andern ohne das ihre? |
84
Nimm an,
ich erkläre: “Unter
‘Moses’ verstehe ich
den Mann, wenn es einen solchen gegeben hat, der die Israeliten
aus Ägypten geführt hat, wie immer er damals
geheißen hat & was immer er sonst getan oder nicht
74 getan haben mag”:
Aber über die Wörter dieser Erklärung sind
(ganz) ähnliche Zweifel möglich,
wie die über den Namen
“Moses” (was
nennst Du “Ägypten”, wen
“die Israeliten”, etc.).
Ja, diese Fragen kommen auch nicht zu einem Ende, wenn wir bei
Wörtern wie “rot”, “dunkel”,
“süß”, angelangt wären. –
“Aber wie hilft mir dann eine Erklärung zum
Verständnis, wenn sie doch nicht die letzte ist?
Die
Erklärung ist dann ja nie beendet; ich verstehe also noch immer
nicht, & nie, was er meint!”
Als hinge
eine Erklärung, gleichsam, in der Luft, wenn nicht eine andere
sie stützte.
Während eine Erklärung
zwar auf einer andern, gegebenen || die ausgesprochen wurde || die man gegeben
hat || andern, tatsächlich
gegebenen, ruhen kann, aber keine an
sich einer anderen bedarf, – es sei denn, daß
wir sie benötigen, um ein Mißverständnis zu
vermeiden.
Man könnte
sagen, || : eine Erklärung dient
dazu, ein Mißverständnis zu beseitigen, oder zu
verhüten, – also eines, was ohne die Erklärung
eintreten würde; aber nicht: jedes, welches ich mir
vorstellen kann.
Es kann leicht so scheinen als zeigte jeder || der Zweifel nur eine vorhandene schadhafte || schlechte Stelle im Unterbau || eine vorhandene Lücke im Fundament; so daß ein sicheres Verständnis nur dann || dadurch möglich wäre || ist, daß || wenn wir zuerst an allem zweifeln, woran gezweifelt werden kann, & diese Zweifel dann behoben werden. || dann diese Zweifel beheben. |
85
Der Wegweiser ist in
Ordnung, – wenn er, unter normalen Verhältnissen, seinen
Zweck erfüllt.
Wenn ich Einem sage, wie in (68), “Halte 75 Dich ungefähr hier
auf!”, – kann denn diese
Erklärung nicht vollkommen funktionieren?
(Und kann jede andere nicht auch versagen?)
“Aber ist die Erklärung nicht doch unexakt?” – Doch; warum soll man sie nicht “unexakt” nennen? Verstehen wir aber nur, was “unexakt” bedeutet! Denn erstens bedeutet es natürlich nicht “unbrauchbar”, sonst müßte es heißen: “unexakt für diesen Zweck”; zweitens, || – überlegen wir uns, was wir im Gegensatz zu dieser unexakten Erklärung eine “exakte” nennen! Etwa die, wenn man auf dem Platz einen Kreidestrich zieht, einen ‘Bezirk’ abgrenzt. – Aber da fällt uns gleich ein, daß ja der Strich eine Breite hat; exakter wäre also eine Farbgrenze. Aber hat denn diese Exaktheit hier noch (irgend) eine Funktion, läuft sie nicht leer? Und wir haben ja auch noch nicht bestimmt, was als Überschreiten dieser scharfen Grenze gelten soll; wie, mit welchen Instrumenten, sie festzustellen ist. Etc.¤ Wir wissen || verstehen, was es heißt, || : eine Taschenuhr auf die genaue Stunde stellen, oder, || – sie richten, daß sie genau geht. Wie aber, wenn man fragte: ist diese Genauigkeit eine ideale [nicht unterstreichen] Genauigkeit, & || oder wie weit nähert sie sich ihr? – Wir können freilich von Zeitmessungen reden, bei welchen es eine andere &, wie wir sagen würden, größere Genauigkeit gibt, als bei der Zeitmessung mit der Taschenuhr. Wo die Worte, “die Uhr auf die genaue Stunde stellen”, eine andere, wenn auch verwandte, Bedeutung haben, & 76 die Uhr ablesen ein anderer
Prozeß ist, etc..
–
Wenn ich nun jemandem sage: “Du
solltest pünktlicher zum Essen kommen; Du weißt, daß
es genau um 1 Uhr anfängt” – sollte hier von
Genauigkeit eigentlich nicht die Rede
(sein) || ist hier von
Genauigkeit eigentlich nicht die Rede, – weil
man sagen kann: “denk'
(nur) an die Zeitbestimmung im
Laboratorium, oder auf der Sternwarte, da siehst Du, was
‘Genauigkeit’
heißt || bedeutet”?
¥ Denk' also an die Familie der Verwendungen der Wörter || dehnbare Verwendungsweise || Bedeutung der Wörter “genau”, “ungenau”. – Ein Ideal der Genauigkeit gibt es nicht. D.h., || : es ist keins vorgesehen; wir wissen || ist nicht vorgesehen; wir wissen nicht, was wir uns darunter vorstellen sollen, || : || – es sei denn, daß Du selbst bestimmst, || bestimmen willst, was so genannt werden soll || was Du so nennen willst. || , || – es sei denn, daß Du selbst festsetzt, was Ideal sein soll || Du so genannt wissen willst. || – es sei denn, daß Du selbst eins festsetzen willst. || ¤ es sei denn, Du selbst setzt fest, was so genannt werden soll. Aber Du wirst es schwer finden || es wird Dir schwer werden, so eine Bestimmung || Festsetzung zu treffen; nämlich eine, die Dich befriedigt. ⍈
“Unexakt”, das ist eigentlich ein Tadel,
& “exakt” ein Lob.
Und das
heißt doch, || : das Unexakte erreicht das Ziel nicht
so vollkommen, wie das
Exaktere || Exakte.
Da kommt es
also auf das an, was wir “das Ziel” nennen.
Ist es unexakt, wenn wir dem Tischler die Breite des Tisches nicht auf 1000stel mm angeben? und den Abstand der Sonne von der Erde || uns nicht auf m? |
86
Wir stehen || befinden
uns mit diesen Überlegungen
(nun) an dem Ort, wo das Problem
steht || reift: – Inwiefern ist die Logik
etwas Sublimes?7 77 |
[Verbesserung der
ersten Seiten:] |
Denn sieh
nur das Unbestimmte in unserer Betrachtung!
Ihre || in unseren Betrachtungen! –
Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim zu
gehen! Und was ist sie dann noch?! || Denn sieh das Unbestimmte, ja empirische,
in unserer Betrachtung! || Denn dies schien sie zu sein. –
Aber was geschieht nun mit ihr? Denn sieh
nur in unsere Betrachtungen! || :
– Ihre Strenge scheint
hier aus dem Leim zu gehen! Und was ist sie dann
noch?! 79 Denn es schien, daß ihr eine besondere Tiefe – allgemeine Bedeutung – zukomme. Sie schien irgendwie allen Wissenschaften zu Grunde zu liegen, oder über ihnen zu schweben. Und dies, indem sie die Ordnung aller || Aller enthielt, sozusagen den Begriff || die Idee der Ordnung. || Es schien doch, als komme der logischen Betrachtung eine eigentümliche Tiefe zu. Als nähme sie einen höheren Flug. Und zwar, irgendwie, weil sie das Wesen der Dinge zu erforschen trachtet. Sie will den Dingen auf den Grund sehen, & soll sich nicht um die zufälligen, erfahrungsmäßigen Tatsachen || das Geschehen kümmern || bekümmern || das so oder so der Erfahrungstatsachen bekümmern – Sie entspringt nicht einer Neugierde für || einem Interesse für irgendwelche Tatsachen der Erfahrung, noch || auch nicht dem Bestreben, || Bedürfnis || Drang kausale Zusammenhänge zu erfassen; sondern || vielmehr einem Streben, das Fundament, – oder Wesen, – aller Erfahrung zu verstehen. Denn dieses || dieses Tiefste || dies scheint wie von einem Nebel verhüllt & || . Und wir wünschen es klar zu sehen. – Aber nicht so, als || Nicht aber, als sollten || wollten wir dazu neue Tatsachen aufspüren: es ist vielmehr wesentlich daß wir, – in einem gewissen Sinne – gar nichts Neues lernen wollen; || vielmehr ist es uns wesentlich, || – daß wir gar nicht Neues lernen wollen; || vielmehr ist es für unsere Forschung wesentlich, daß wir gar nichts Neues lernen wollen; sondern wir wollen nur verstehen || wir wollen nur das verstehen, || wir wollen aber etwas verstehen, was schon offen vor unsern Augen liegt. Denn das scheinen wir, in irgend einem Sinne, nicht zu verstehen. – Darum sagt Augustinus || Daher Augustinus sagt (Confessiones XI/14): “quid est ergo tempus? si nemo ex me quaerat scio; si quaerenti explicare velim, nescio.”– Das könnte man doch nicht von einer Frage der Naturwissenschaft sagen (etwa von der Frage: wie groß ist das spezifische Gewicht des Wasserstoffes). Das, was man weiß, wenn uns niemand fragt, aber nicht mehr, || mehr weiß, wenn 80 wir es erklären sollen,
ist etwas, worauf man sich besinnen muß.
(Und offenbar etwas, worauf man sich, aus irgend einem Grunde
schwer besinnt.) |
Es ist uns, als müßten wir die Erscheinungen durchschauen: (Das || Dasjenige aber worauf wir uns besinnen, || sich unsere Untersuchung richtet, sind nicht eigentlich die Erscheinungen, – sondern – wie man sagen könnte – die ‘Möglichkeiten || Möglichkeit’ der Erscheinungen, || : d.h.: wir || wir besinnen uns auf die Art der Aussagen, – auf ihr Zutreffen im gegebenen Augenblick kommt es nicht an – die wir über die Erscheinungen (die Zeit, z.B.) machen. Deshalb besinnt sich auch Augustinus darauf, in welcher Weise er die Wörter “Zeit” || das Wort “Zeit”, die Wörter “zukünftig”, “gegenwärtig”, “vergangen”, ,z.B., verwendet. Unsere Betrachtung ist also eine grammatische; & || . Und wenn sie zum Ziele führt, (so) geschieht es || dies indem sie Mißverständnisse beseitigt. || wegräumt. Mißverständnisse nämlich || Nämlich Mißverständnisse den Gebrauch der Worte unsrer Sprache betreffend, || , welche den Gebrauch der Worte unserer Sprache betreffen, & erzeugt durch Analogien zwischen || unter unsern Ausdrucksformen. – [Neue Zeile] Die Mißverständnisse werden dadurch beseitigt, daß Ausdrucksformen durch andere ersetzt werden; & dies kann man “analysieren” || ein “Analysieren” unserer Ausdrucksformen nennen, denn dieser || der Vorgang hat viel || oft Ähnlichkeit mit (dem) einer Zerlegung. Nun aber gewinnt es den Anschein || So gewinnt es aber den Anschein || Nun aber kann es den Anschein gewinnen als gäbe es etwas, wie eine letzte Analyse unserer Sprachformen, also eine || : eine vollkommen zerlegte Form des Ausdrucks. D.h., als seien unsere gebräuchlichen Ausdrucksformen, wesentlich, noch unanalysiert; als 81 sei in ihnen etwas verborgen,
was ans Licht zu befördern ist.
Ist
dies geschehen, so sei || ist der Ausdruck
damit vollkommen geklärt & unsre Aufgabe
erledigt. || gelöst || vollbracht.
Dieses Mißverständnis drückt || Dies drückt sich aus in der Frage nach dem Wesen der Sprache, des Satzes, || – des Denkens. – Denn wenn wir auch wirklich (in einem Sinn) das Wesen der Sprache in unsern Untersuchungen || in unsern Untersuchungen auch wirklich (in einem Sinn) das Wesen der Sprache verstehen zu lernen suchen, so ist es doch nicht das, was jene || die Frage anstrebt. Denn sie sieht in dem ‘Wesen’ nicht etwas, was schon offen zu Tage liegt, & was durch Ordnen übersichtlich wird. Sondern etwas, was unter der Oberfläche liegt. Etwas, was im Inneren || Inneren || Innern liegt, – was wir sehen, wenn wir die Sache durchschauen & was eine Analyse hervorgraben soll. ‘Das Wesen ist uns verborgen’: Das ist die Form, die unser Problem nun annimmt. Wir fragen: “Was ist die Sprache?”, “Was ist der Satz?”. Es scheint wir können nicht in das Innere dieser Dinge dringen. Die Antwort aber auf unsre || Und die Antwort auf diese Fragen ist ein für allemal zu geben, & unabhängig von künftiger || weiterer Erfahrung || künftigen Erfahrungen. |
Einer könnte sagen: “ein Satz, das ist das Alltäglichste von der Welt”, & der Andre: “Ein Satz, || – das ist etwas sehr merkwürdiges!” Und er || dieser kann nicht: einfach || Und er kann nun nicht: einfach nachschauen, wie denn ein Satz funktioniert, || Sätze funktionieren; – weil die Formen unserer Ausdrucksweise die Sätze & das Denken betreffend, ihm im Wege stehen. || den Weg verstellen. Warum sagen wir, er || der Satz sei etwas Merkwürdiges? Einerseits, wegen der ungeheuren Bedeutung, die ihm 82 zukommt.
Dann aber || Aber
anderseits verführt || zukommt: (Und
das ist richtig.) Anderseits verführt
uns diese Bedeutung &
Mißverständnisse
unserer || der
Sprachlogik, anzunehmen || dazu anzunehmen, der
Satz müsse etwas Außerordentliches, ja Einzigartiges,
leisten. –
Durch ein Mißverständnis
erscheint es uns, als tue der Satz etwas Seltsames.
“Der Satz, ein merkwürdiges Ding!”: darin || Darin liegt irgendwie schon die || schon die Sublimierung || Idealisierung der ganzen Darstellung, || . Die Tendenz, entweder ein reines, sublimes, || ätherisches Mittelwesen zwischen dem Satzzeichen & den Tatsachen anzunehmen || anzunehmen zwischen dem Satzzeichen & den Tatsachen, oder auch das Satzzeichen selber quasi reinigen, sublimieren, zu wollen. Denn, daß es ganz hausbacken || trivial || es mit || es nur mit gewöhnlichen Dingen zugeht, das zu sehen, verhindern uns auf mannigfache Weise unsere Ausdrucksformen, || ; – indem sie uns auf die Jagd nach Chimären schicken. Oder auch: || Ich möchte nun sagen: || Ich möchte auch sagen: “Denken muß etwas Einzigartiges sein”. – Wenn wir sagen – meinen – daß es sich so & so verhält, so halten wir mit dem, was wir meinen, nicht irgendwo vor der Tatsache; sondern meinen, daß das & das so & so ist. Und man kann dieses Paradox (welches ja die Form einer Tautologie hat) auch so ausdrücken: Man kann denken, was nicht der Fall ist. |
Der besondern Täuschung, von welcher hier die Rede ist, schließen sich von verschiedenen Seiten andere an. Das Denken, die Sprache, erscheint uns nun als das einzigartige Korrelat – oder Bild – der Welt. | [Auslassen bis zum Strich] |Und unsre Untersuchung 83 das Wesen der Sprache
betreffend, als eine Untersuchung über || ein Eindringen in das Wesen der
Welt.|
¥
Das Denken ist mit einem Nimbus, umgeben. Sein Wesen || Die Logik stellt eine Ordnung dar; & zwar die || dar; die Ordnung a priori der Welt. D.i. || Ordnung der Dinge a priori, d.i. die Ordnung der Möglichkeit, welche || die Welt & Denken gemeinsam sein muß. (Wir scheinen von einem ‘logischen Bau der Welt’ reden zu können.) Diese Ordnung aber, scheint es, muß höchst einfach sein. (Ja ich sagte, || es schien mir, sie dürfe nicht einmal einfach sein.) Sie ist vor aller Erfahrung, sie muß sich durch die ganze Realität || alle Erfahrung hindurchziehen& ihr || ; ihr selbst aber darf also keine erfahrungsmäßige Trübe oder Unsicherheit anhaften. – [Neue Zeile] Sie muß vielmehr vom reinsten Kristall sein. Dieser Kristall (aber) erscheint nicht als eine Abstraktion, sondern als etwas völlig Konkretes – ja als das Konkreteste– || , gleichsam Härteste. [Neue Zeile] Wir erkennen, sehen es in den Erscheinungen, wenn wir gleichsam durch sie hindurchschauen. Und die logische Analyse ist ein Graben nach dem, was wir schon sehen (gefährliche Art des Irrtums). ⍈ Die Begriffe des Satzes, der Sprache, des Denkens, der Welt, stehen || Satz, Sprache, Denken, Welt, stehen in einer Reihe hintereinander, jeder dem andern äquivalent. (Wozu aber sind diese Wörter zu brauchen? Es fehlt das Sprachspiel, das mit ihnen zu spielen ist.) Wir sind in der Täuschung, das Besondere, Tiefe, das uns Wesentliche unserer Untersuchung liege darin, daß sie das unvergleichliche Wesen der Sprache zu begreifen trachtet. – |
84
D.i. die Ordnung, die zwischen den Begriffen
des Satzes, des Wortes, des Schließens, der Wahrheit,
der Erfahrung,
u.s.w. || etc. besteht.
Und diese || ←Diese Ordnung ist eine Über-Ordnung zwischen – sozusagen – Über-Begriffen. Während || Während in Wahrheit || Während doch die Worte “Sprache”, “Erfahrung”, “Welt”, etc., wenn anders sie eine Verwendung haben (sollen), eine (eben) so hausbackene || niedrige Verwendung haben müssen, wie die Worte “Tisch”, “Lampe”; || , “Tür”, – und die Tiefe unseres Problems || unserer Aufgabe nicht daher rührt || darin liegt, daß das Wesen des Einzigartigen von uns zu erforschen ist sondern daher || darin, daß Beunruhigungen || unsre Rätsel || Beunruhigungen aus der Tiefe unserer Sprache || unseres sprachlichen Ausdrucks aufsteigen. Einerseits ist klar, daß jeder Satz unsrer Sprache ‘in Ordnung ist’, wie er ist. D.h., daß wir nicht ‘ein Ideal anstreben’. Als hätten unsere gewöhnlichen vagen Sätze noch keinen Sinn, & wir müßten erst zeigen, wie ein richtiger Satz ausschaut. Anderseits scheint es klar: wo Sinn ist, muß vollkommene Ordnung sein. Also muß die vollkommene Ordnung auch im vagsten Satz stecken. Die Idee: das Ideal ‘müsse’ sich in der Realität finden, während man nicht sieht, wie es sich darin findet; & nicht das Wesen dieses “muß” versteht. “Der Sinn des Satzes kann freilich das eine oder andere || dies oder jenes offen lassen, aber der Satz muß doch einen bestimmten Sinn haben.” Oder auch: “Ein ‘unbestimmter Sinn’, – das wäre eigentlich gar kein Sinn”: Das ist, wie wenn man sagt: “eine unscharfe Begrenzung, das ist eigentlich gar keine 85
Begrenzung”.
Man denkt da
etwa so: Wenn ich sage:
“Ich habe diesen Mann fest im Zimmer
eingeschlossen – nur eine Tür ist offen
geblieben”, – so habe ich ihn eben gar nicht
eingeschlossen; er ist nur zum Schein
eingeschlossen.
Man möchte
da || hier sagen: “also hast Du damit gar
nichts getan.”
Und doch hat er etwas
damit getan.
Eine Umgrenzung, die ein Loch
hat – möchte man sagen ist so gut, wie gar
keine.
Aber ist denn das wahr? |
“Die Regeln eines Spiels können wohl eine gewisse Freiheit lassen, – aber sie müssen doch ganz bestimmt sein.” Das wäre, als sagte man: “Du kannst zwar einem Menschen durch die vier Wände eines Zimmers eine gewisse Freiheit || Bewegungsfreiheit lassen, aber die Wände müssen vollkommen starr sein.” Sagst Du nun aber: “Die Wände können wohl elastisch sein, aber dann haben sie eine || eben eine ganz bestimmte Elastizität”, || – was heißt das nun noch? Es scheint zu sagen, daß man diese Elastizität nun muß angeben können, – aber das ist wieder nicht wahr. – “Der || Ein Stab hat immer eine bestimmte Länge, ob ich sie angeben kann, oder nicht”, das ist eigentlich das Bekenntnis zu einer bestimmten Ausdrucksform. Derjenigen nämlich, die sich der Form eines Ideals der Genauigkeit bedient. Gleichsam als eines Parameters der Darstellung. “Es ist doch kein Spiel, wenn es eine Vagheit in den Regeln gibt.” – Aber ist es dann kein Spiel? – “Ja, vielleicht wirst Du es ‘Spiel’ nennen, aber es ist doch kein || jedenfalls nicht ein ideales, ein reines Spiel”. D.h.: es ist dann ein verunreinigtes Spiel und ich interessiere mich dann für 86 das, was
verunreinigt ist.”
Aber das
Ideal ist Deine Ausdrucksform; & Du wendest sie
unrichtig an.
Es ist, als wenn Du sagtest:
“Der Umfang dieses Rades ist wirklich D
× Π” (so genau ist es
gearbeitet. || ).
[Noch zu durchdenken] Das Bekenntnis zu einer Ausdrucksform, wenn es ausgesprochen wird in der Form eines Satzes über den Gegenstand || die Gegenstände der Betrachtung, muß allerdings ‘a priori’ sein: das heißt; || , sein Gegenteil || sein. Denn sein Gegenteil wird ja wirklich undenkbar, || unbrauchbar, da ihm eine Denkform, (Ausdrucksform) entspricht, die ich eben || ja nicht verwende. || die ich (ja eben) ausgeschaltet || ausgeschlossen habe. (Das ‘a priori’ ist eine Darstellungsform für eine Darstellungsform.) ¤ Wie kann ich den Satz jetzt verstehen, wenn die Analyse soll zeigen können, was ich eigentlich verstehe? – Hier spielt die Idee des Verstehens || vom Verstehen als eines sonderbaren geistigen Vorgangs hinein. Die strengen & klaren Regeln des logischen Satzbaues erscheinen als etwas im Hintergrund; || liegen im Hintergrund; im Medium des Verstehens versteckt. Man kann sagen: “sie müssen da sein”. Ich sehe sie schon jetzt,“ || – wie aus der Entfernung,” || – da ich ja das || die Zeichen verstehe, etwas mit ihm || ihnen meine. Der ideal strenge Bau scheint also etwas Konkretes. || scheint mir als etwas Konkretes. – Ich hatte ein Gleichnis gebraucht, || – aber durch die grammatische Täuschung, – daß dem Begriffswort Eines entspricht || dem Begriffswort entspräche Eines, das Gemeinsame alles unter ihn Fallenden || der Gegenstände, – erschien es nicht als Gleichnis. Wir haben nun eine Theorie (‘dynamische’ Theorie), 87 aber sie
erscheint nicht als
Theorie || Tendenz der
Verallgemeinerung. Wir wollen nicht einfach beschreiben, was schon offen da liegt, sondern ‘in das || ins Innere dringen’: || sondern tiefer dringen: || Wir wollen nicht einfach die Erscheinung beschreiben, sondern ‘in ihr Inneres dringen’: || Wir wollen nicht einfach beschreiben, was schon offen vor uns liegt, sondern ins Innere || hinein sehen: Wir suchen || verlangen eine Idee. – || Wir verlangen nach einer Idee. Schopenhauer: Der Mensch lebt || Die Lebenszeit des Menschen ist eigentlich 100 Jahre. – “So muß es sein!” ”Jetzt haben wir's verstanden.” || “Natürlich! So muß es sein.” Es ist da, als habe man nun die Absicht, sozusagen eines Schöpfers, verstanden. (“Das ergibt Sinn”, könnte man auch sagen.) Man fragt sich nicht: “Wie lange leben Menschen wirklich?” (Ist es überall gleich? etc. etc..﹖)” Das erscheint jetzt beinahe als etwas Oberflächliches; denn || sondern man hat etwas tiefer Liegendes verstanden. – Wir sind auf eine Form der Darstellung gekommen, die uns einleuchtet. Aber es ist, als haben wir nun etwas gesehen, was unter der Oberfläche liegt. Diese Tendenz || Die Tendenz zu verallgemeinern aber scheint in der Logik ihre strenge Berechtigung zu haben; man scheint hier mit voller Berechtigung zu schließen: “Wenn ein Satz ein Bild ist, so muß jeder Satz ein Bild sein, denn sie müssen alle wesensgleich sein. (Jeder Satz sagt: es verhält sich so & so.)” Denn wir sind ja eben in der Täuschung, das Sublime, Wesentliche, unserer Untersuchung liege darin, daß sie ein unvergleichliches || allumfassendes Wesen erfaßt || erfasse. Das Ideal aber sitzt unverrückbar fest. 88
Du kannst nicht aus
ihm heraustreten.
Du mußt immer wieder
zurück.
Es gibt gar kein Draußen; draußen fehlt
die Lebensluft. –
Woher dieses Erlebnis? –
Die Idee scheint unverrückbar fest,
|| unausweichlich: denn sie ist eine
Darstellungsform, aber wir sind weit entfernt davon, sie als
Darstellungsform zu erkennen.
Sie sitzt als Brille auf
unsrer Nase & was wir ansehen, sehen wir durch sie.
Wir kommen gar nicht auf den Gedanken, sie abzunehmen.9
¥
|
Wenn wir nun || aber glauben, jene Ordnung, das Ideal, in unsrer || der wirklichen Sprache finden zu müssen, kommen wir leicht dazu || dahin von einem ‘eigentlichen’ Zeichen (Satz oder Wort) zu reden, das eigentliche Zeichen zu suchen, im Gegensatz zu dem, was || sozusagen hinter dem, was im gemeinen Sprachgebrauch “das Zeichen” “der Satz” “das Wort”, genannt wird. || so heißt. Denn uns verlangt nach etwas Reinerem, als das Zeichen im Sinne des geschriebenen, oder gedruckten Wortes, etc. ist. Wir suchen nach einem sublimeren Wesen. So kommt man auch dazu, statt des Wortes & Satzes – im gewöhnlichen Sinne – die Vorstellung von Wort & Satz als das wahre Zeichen ansehen zu wollen. Man sucht nach || Und man fahndet nach einer ‘vollständigen’ Grammatik der Wörter, die ‘alle Regeln’ angibt || enthält, welche von den Worten gelten || Eine ‘vollständige’ Grammatik der Wörter, enthält ‘alle Regeln’, die von ihnen handeln. ¥ Es ist, als müßten wir die || unsere Sprache selbst erst in Ordnung bringen, & wir werden also || da von || & als würden wir da von allen (unsern) Hilfsmitteln im Stich gelassen || alten Stützen verlassen. || ¤ Allem im Stich gelassen. ⍈ Wir zerbrechen uns nun über das Wesen des Zeichens den Kopf. Hier || In dieser Lage ist es schwer, schrieb ich einmal, gleichsam den Kopf 89
[Weiß nicht, ob es hierher
gehört.] oben zu behalten,
– zu sehen, daß wir bei den Dingen des alltäglichen
Denkens bleiben müssen & nicht auf den Abweg zu
geraten, wo es scheint als müßten wir letzte || die letzten Feinheiten
beschreiben, die wir doch wieder mit unsern Mitteln gar nicht
beschreiben könnten.
Es ist uns, als
sollten wir ein zerstörtes Spinnennetz mit unsern Fingern
(wieder) in Ordnung bringen.
⍈
←
[Nicht weiter]
Wenn wir nun aber den Blick auf die wirkliche Sprache richten, & sie aufmerksam betrachten, – so erkennen wir nach & nach eine seltsame Täuschung.
Die Kristallstruktur, die wir in ihr
zu sehen schienen, erscheint, wie durch eine optische Täuschung
in sie verlegt worden zu sein. –
Wenn10 die Ursachen dieser Täuschung behoben || beseitigt werden, können wir nun die Sprache sehen, wie sie wirklich ist. “Die Sprache (oder, das Denken) ist etwas Einzigartiges”, das erweist sich als ein Aberglaube (nicht Irrtum!) Je näher wir aber die tatsächliche Sprache betrachten || länger wir aber die tatsächliche Sprache aufmerksam betrachten, desto stärker wird der Widerstreit zwischen der || unserer || zwischen ihr & unserer Forderung (der Kristallstruktur) & dem, was wir sehen. || da ist. Wollen wir sie || unsere Annahme aufrecht erhalten, so wird sie nun zu etwas Leerem. || so droht sie nun zu etwas Leerem zu werden. || Der Widerstreit wird unerträglich. Die Forderung droht nun zu etwas Leerem zu werden. Wir sind aufs Glatteis geraten, wo die Reibung fehlt, also die Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind, aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir wollen gehen; || ! – dann brauchen wir die Reibung! || . Zurück auf den rauhen Boden! [Aber wie steht es da mit uns?] [Das heißt doch, ich habe mich verleiten lassen in dem Äther zu schweben & habe die Erde unter den Füßen verloren. Also schnell zurück! – Und nun kommt noch ein Einwand.] 90
Zu wirklichen
Beispielen.
Hier erkennen wir nun, daß was wir “Satz”, “Sprache”, nennen, eine Familie ist || nicht die formelle Einheit, ist die ich mir vorstellte, sondern eine Familie mehr oder weniger mit einander verwandter Gebilde. Aber was || Was aber wird nun aus der Logik? || Was wird nun aber || Was aber wird nun aus der Logik? Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim zu gehen. Nun ist es aber nicht so, daß wir uns etwas von jener Kristallreinheit abhandeln lassen können! Das Vorurteil, was in ihr liegt, kann nur so beseitigt werden, daß wir unsere ganze Betrachtung drehen; & || . Und dadurch jene Reinheit an einen andern Platz stellen. || jener Reinheit einen andern Platz geben. (Man könnte sagen: Die Betrachtung muß gedreht werden, aber um unser eigentliches Bedürfnis als Angelpunkt.) (Man könnte Π ein Ideal nennen, denn es spielt in einem Sinne die Rolle eines Ideals, aber dieser Ausdruck wäre mit Vorsicht zu gebrauchen: “Wir streben bei der Konstruktion eines Kreises || kreisförmigen Gegenstandes das Ideal an, daß der Umfang D × Π betrage”.) ⍈ “Die Sprache (oder, das Denken) ist etwas Einzigartiges”, das erweist sich als ein Aberglaube (nicht Irrtum!) hervorgerufen || erzeugt selbst durch grammatische Täuschungen || logische Mißverständnisse. Und auf diese Täuschungen || auf die Probleme fällt nun das Pathos zurück. Richtig war, daß unsere Betrachtungen nicht wissenschaftliche Betrachtungen sein durften. Die Erfahrung, “daß etwas sich denken lasse” (was immer das heißen mag) konnte uns nicht interessieren. Alle Erklärung mußte fort – & an ihre Stelle nur Beschreibung treten. Und diese Beschreibung empfing || empfängt ihr Licht, d.i. ihren Zweck, von den philosophischen Problemen. Diese sind freilich || nun keine 91 empirischen, sondern sie
werden durch eine Einsicht in das Arbeiten || Funktionieren unserer Sprache gelöst.
Und
zwar so, daß dieses Arbeiten enthüllt wird:
entgegen einer
Versuchung || Tendenz || Versuchung || Neigung es
mißzuverstehen.
Nicht || Und nicht durch Beibringung neuer
Erfahrung, sondern durch Zusammenstellung des längst
Bekannten.
[Das Ideal ein Teil der Darstellung. – “Wie bist Du zu diesem Ideal gekommen?” – Warum sitzt es so fest, wie eine fixe Idee? Welche konkrete Vorstellung stand hinter dem Ideal? –] |
[Anschließend an S.
76]
Denn es schien, daß ihr eine
besondere Tiefe – allgemeine Bedeutung – zukomme.
Sie liege – || , so schien es, am Grunde aller Wissenschaften. – Denn die logische Betrachtung erforsche || erforscht das Wesen aller Dinge. – Sie will den Dingen auf den Grund sehen, & soll sich nicht um das so oder so des tatsächlichen Geschehens kümmern. Sie entspringt nicht einem Interesse für Tatsachen des Naturgeschehens; noch dem Bedürfnisse, kausale Zusammenhänge zu erfassen. Sondern einem Streben, das Fundament, – oder Wesen, – alles Erfahrungsmäßigen || aller Erfahrung zu verstehen. Aber nicht so, als || Nicht aber, als sollten wir dazu neue Tatsachen aufspüren: es ist vielmehr wesentlich für unsere Forschung || es ist vielmehr || vielmehr ist es für unsre Forschung || Bestrebung || unser Streben wesentlich, daß wir nichts Neues mit ihr || in ihr lernen wollen || daß wir nichts Neues lernen wollen || daß wir gar nichts Neues lernen wollen. Wir wollen etwas verstehen, || : – was schon offen vor unsern Augen liegt. Denn das scheinen wir, in irgend einem Sinne, nicht zu verstehen. Augustinus (Confessiones XI/14): “quid es ergo tempus? si nemo ex me quaerat scio; si quaerenti explicare velim, nescio.” 92
Dies könnte man nicht von einer Frage der Naturwissenschaft sagen (z.B.: wie groß || welches ist das spezifische Gewicht des Wasserstoffes). – Das, was man weiß, wenn uns niemand fragt, aber nicht mehr weiß, wenn wir es erklären sollen, ist etwas, worauf man sich besinnen muß. (Und offenbar etwas, worauf man sich, aus irgend einem Grunde, schwer besinnt.) |
87
Es ist uns, als
müßten wir die Erscheinungen
durchschauen:
Unsere || unsere
Untersuchung aber richtet sich nicht auf die Erscheinungen,
sondern – wie man sagen könnte – auf die
‘Möglichkeiten’ der
Erscheinungen: Wir besinnen uns, heißt das,
auf die Art der Aussagen, die wir über die
Erscheinungen machen.
Daher besinnt sich auch
Augustinus auf die
verschiedenen Aussagen, die man über die Dauer von
Ereignissen, über ihre Vergangenheit, Gegenwart, oder
Zukunft macht.
(Dies sind natürlich nicht
philosophische Aussagen über die Zeit,
Vergangenheit, Gegenwart
& || & Zukunft.)
|
88
Unsere Betrachtung ist
daher || also eine grammatische. – Wenn sie aber zum Ziele führt, so geschieht dies
dadurch, daß sie Mißverständnisse
wegräumt. || Und diese Betrachtung || sie bringt Licht in unser Problem: indem sie
Mißverständnisse wegräumt.
Mißverständnisse nämlich, welche den
Gebrauch der Worte || Wörter
(in) unserer Sprache betreffen,
& die hervorgerufen werden || sind durch Analogien unter unseren
Ausdrucksformen || , welche unter unseren
Ausdrucksformen bestehen.
Und die || diese Mißverständnisse kann man dadurch beseitigen, daß man gewisse Ausdrucksformen durch andere ersetzt; & dies kann man ein “Analysieren” unsrer Ausdrucksformen nennen, denn der || dieser Vorgang hat oft || eine 93 Ähnlichkeit mit dem einer
Zerlegung. || Zerlegung. |
89
Nun aber kann es den
Anschein gewinnen, als gäbe es: || so etwas
wie eine letzte Analyse unserer Sprachformen; also
eine vollkommen zerlegte Form des Ausdrucks.
D.h., || : als
seien unsere gebräuchlichen Ausdrucksformen – wesentlich,
noch unanalysiert; als || . Als sei in ihnen
etwas verborgen, was ans Licht zu befördern ist.
Ist
dies geschehen, – so sei der Ausdruck
(damit) vollkommen
geklärt & unsre Aufgabe gelöst.
Man könnte || kann das || dies auch so sagen: Wir beseitigen Mißverständnisse, indem wir unsern Ausdruck exakter machen: aber es kann nun so scheinen, als ob wir einem bestimmten Zustand, der vollkommenen Exaktheit, zustreben; & als sei || wäre das das eigentliche Ziel unsrer Untersuchung. |
90
Dies drückt
sich aus in der Frage – nach dem Wesen der
Sprache, – des Satzes, – des Denkens.
–
Denn wenn wir auch, in unsern
Untersuchungen, das Wesen der Sprache – ihre Funktion, ihren Bau
– zu verstehen trachten || suchen, so ist es doch nicht das was diese
Frage im Auge hat.
Denn sie sieht in dem
‘Wesen’ nicht etwas, was schon offen zutage
liegt, || ; – & was durch Ordnen
übersichtlich wird.
Sondern etwas, was
unter der Oberfläche liegt.
Etwas, was im
Innern liegt, – was wir sehen, wenn wir die Sache durchschauen
& was eine Analyse hervorgraben soll.
‘Das Wesen ist uns verborgen’: Das ist die Form, 94 die unser Problem nun annimmt.
Wir fragen: ‘Was ist die
Sprache?’, ‘Was ist der
Satz?’.
Und die Antwort auf diese Fragen
ist ein für allemal zu geben; & unabhängig von jeder
künftigen Erfahrung. |
91
Einer könnte
sagen: “ein Satz, das ist das Alltäglichste von
der Welt”, & der Andre:
“Ein Satz – das ist etwas sehr
merkwürdiges!”
Und dieser kann nicht: einfach nachschauen, wie ein Satz funktioniert || wie Sätze funktionieren, – weil die Formen unserer Ausdrucksweise, die Sätze & das Denken betreffend, ihm im Wege stehen. |
92
Warum sagen wir, der Satz sei
etwas Merkwürdiges?
Einerseits wegen der
ungeheuren Bedeutung, die ihm zukommt.
(Und das
ist richtig.)
Anderseits verführt uns diese
Bedeutung & Mißverständnisse der Sprachlogik
(dazu), daß wir meinen, der Satz
müsse etwas Außerordentliches, ja Einzigartiges,
leisten. –
Durch ein Mißverständnis
erscheint es uns, als tue der Satz etwas Seltsames.
|
93
‘Der Satz, ein
merkwürdiges Ding!’: Darin liegt
schon die Sublimierung der ganzen Darstellung. –
Die
Tendenz, ein reines Mittelwesen anzunehmen zwischen dem
Satzzeichen & den Tatsachen.
Oder auch
das Satzzeichen selber reinigen, sublimieren, zu wollen. –
Denn, daß es mit gewöhnlichen Dingen zugeht, das zu sehen, verhindern uns auf mannigfache Weise unsere Ausdrucksformen, indem sie uns auf die Jagd nach Chimären schicken. 95 |
94
Oder: “Denken muß etwas Einzigartiges
sein.”
Wenn wir sagen – meinen
– daß es sich so & so verhält, so halten wir mit
dem, was wir meinen, nicht irgendwo vor der Tatsache; sondern meinen,
daß das & das so & so
ist. –
Man kann aber dieses Paradox (welches ja die Form einer Tautologie || Selbstverständlichkeit hat) auch so ausdrücken: Man kann denken, was nicht der Fall ist. Der besondern Täuschung, die hier gemeint ist, schließen sich, von verschiedenen Seiten, andere an. || : Das Denken, die Sprache, erscheint uns nun als das einzigartige Korrelat – Bild – der Welt.11 Die Begriffe: Satz, Sprache, Denken, Welt stehen in einer Reihe hintereinander, jeder dem andern äquivalent. (Wozu aber sind diese Wörter nun zu brauchen? Es fehlt das Sprachspiel, das mit ihnen zu spielen ist.) |
95
Das Denken ist mit einem Nimbus
umgeben. –
Sein Wesen – die Logik – stellt eine Ordnung dar & zwar die Ordnung a priori der Welt, d.i. die Ordnung der Möglichkeit, die Welt & Denken gemeinsam sein muß. Diese Ordnung aber, scheint es, muß höchst einfach sein. Sie ist vor aller Erfahrung, muß sich durch die ganze Erfahrung hindurchziehen; || : ihr selbst darf keine erfahrungsmäßige Trübe oder Unsicherheit anhaften. Sie muß vielmehr vom reinsten Kristall sein. Dieser Kristall aber erscheint nicht als eine Abstraktion, sondern als etwas Konkretes – ja, als das Konkreteste; || – gleichsam [Afterthought]12 Härteste. 96 |
96
Wir sind in der
Täuschung, || : das Besondere, Tiefe, das uns
Wesentliche unserer Untersuchung liege darin, daß sie das
unvergleichliche Wesen der Sprache zu begreifen trachtet:
D.i. die Ordnung, die zwischen den
Begriffen des Satzes, || –
Wortes, || – Schließens, || – der Wahrheit, || – der Erfahrung
– u.s.w.,
besteht.
Diese Ordnung ist eine
Über-Ordnung zwischen –
sozusagen –
Über–Begriffen.
(Während ja || in Wirklichkeit die Worte “Sprache”, “Erfahrung”, “Welt”, wenn sie eine Verwendung haben, eine so niedrige haben müssen, wie die Worte “Tisch”, “Lampe” & “Tür”.) |
97
Einerseits ist klar, daß
jeder Satz unsrer Sprache ‘in Ordnung ist, wie er
ist’.
D.h., daß wir nicht
ein Ideal anstreben.
Als
hätten || besäßen unsere
gewöhnlichen, vagen, Sätze noch keinen Sinn, & wir
müßten erst zeigen, wie ein richtiger Satz
ausschaut.
Anderseits scheint es klar: wo Sinn
ist, muß vollkommene Ordnung sein.
Also muß die
vollkommene Ordnung auch im vagsten Satz stecken. |
98
“Der Sinn des
Satzes”, möchte man sagen, “kann freilich
eines oder das andere offen lassen || dies oder das
offen lassen, || : aber der Satz muß doch
einen bestimmten Sinn haben.”
Oder: “Ein ‘unbestimmter
Sinn’, das wäre eigentlich gar kein
Sinn.”
Das ist so, wie: || Das ist, wie wenn man sagt:
“Eine unscharfe Begrenzung,
ist || das ist eigentlich gar keine
Begrenzung”.
Man denkt da etwa so:
Wenn ich sage: “ich habe den Mann fest im Zimmer
eingeschlossen, || – nur
eine Tür ist offen geblieben”, so habe ich ihn
eben gar nicht eingeschlossen; 97 er ist nur zum Schein
eingeschlossen.
Man möchte hier || wäre
geneigt hier zu sagen: “also hast Du damit gar
nichts getan”.
Und doch hat er etwas
(damit)
getan.
(Eine Umgrenzung, die ein Loch
hat – möchte man sagen – ist so gut, wie gar
keine.
Aber ist denn das wahr?)
|
99
Betrachte auch
diesen Satz: “Die Regeln eines Spiels können
wohl eine gewisse Freiheit lassen, – aber sie müssen
doch ganz bestimmte Regeln sein.”
Das
wäre || ist
(eigentlich), als sagte man:
“Du kannst zwar einem Menschen durch vier Wände
eine gewisse Bewegungsfreiheit lassen, aber die Wände müssen
vollkommen starr sein.” – Sagst Du
nun aber: || sein” – & das ist
nicht wahr. Sagst Du aber: “die
Wände können wohl elastisch sein, aber dann haben sie eine
ganz bestimmte Elastizität”, – was sagt das nun
noch?
Es scheint zu sagen, daß man diese
Elastizität muß angeben können, –
aber das ist wieder nicht wahr.
“Das
Ding hat immer eine bestimmte Länge (ob ich sie
nun weiß, oder nicht”)
, || : das ist eigentlich das
Bekenntnis zu einer bestimmten Ausdrucksform.
Derjenigen
nämlich, die sich der Form eines Ideals der Genauigkeit
bedient.
Gleichsam als eines Parameters der
Darstellung. |
101
“Es ist doch kein Spiel,
wenn es eine Vagheit in den Regeln
gibt.” –
Aber ist es dann kein
Spiel? –
“Ja, vielleicht wirst Du es
‘Spiel’ nennen, aber es ist doch jedenfalls kein
reines Spiel” || vollkommenes
Spiel”.
D.h.:
es ist dann ein verunreinigtes Spiel
& ich interessiere mich
(dann) für das || doch dann
verunreinigt, & ich interessiere mich für
das, was verunreinigt
ist.
Aber das Ideal ist Deine
Ausdrucksform, & Du bist versucht es falsch
anzuwenden. 98
Aber ich will sagen, Du
mißverstehst die Rolle, die das Ideal in Deiner Ausdrucksweise
spielt.
D.h.: auch Du
würdest es ein Spiel nennen, nur bist Du vom Ideal
geblendet & siehst daher nicht deutlich die wirkliche
Anwendung des Wortes “Spiel”.
(Es ist
ähnlich, als wenn Du sagtest: “Der Umfang
dieses Rades ist wirklich D × Π”;
so genau ist es gearbeitet.) |
[Fehlt mir die letzte
Klarheit.] |
⍈
[zu S.
97] 100
Das Bekenntnis zu einer
Ausdrucksform, wenn es ausgesprochen wird in der Verkleidung als
Satz, der von den Gegenständen handelt (statt von
dem Zeichen), muß ‘a priori’
sein.
Denn sein Gegenteil wird wirklich
undenkbar, insofern ihm eine Denkform, Ausdrucksform,
entspricht, die wir ausgeschlossen haben. |
102
Eine
Vagheit in der Logik – wollen wir sagen – kann es nicht
geben.
Wir leben nun in der Idee:
das Ideal ‘müsse’ sich in der
Realität finden.
Während man noch nicht sieht,
wie es sich darin findet; & nicht das Wesen dieses
“muß” versteht.
Wir glauben, || – es muß in ihr
stecken, || – denn wir glauben es schon in ihr zu
sehen.
Das Ideal, in unsern Gedanken, sitzt unverrückbar fest. Du kannst nicht aus ihm heraustreten. Du mußt immer wieder zurück. Es gibt gar kein Draußen; draußen fehlt die Lebensluft. – Woher dies? – Die Idee sitzt gleichsam als Brille auf unsrer Nase & was wir ansehen, sehen wir durch 98 sie.
Wir kommen gar nicht
auf den Gedanken, sie abzunehmen. |
103
Wie kann ich den Satz
jetzt verstehen, wenn die Analyse soll zeigen können,
was ich eigentlich verstehe? –
Hier spielt
die Idee des Verstehens als eines sonderbaren geistigen Vorgangs
hinein. |
104
Die
strengen & klaren Regeln des logischen
Satzbaues erscheinen uns als etwas im Hintergrund; im Medium
des Verstehens versteckt.
Wir
sehen sie schon jetzt (wenn auch durch ein Medium hindurch), da
wir ja das Zeichen verstehen, etwas mit ihm meinen. Der
ideal strenge Bau ist also || ich sehe sie schon jetzt (wenn auch
durch ein Medium hindurch), da ich ja das Zeichen verstehe, etwas
mit ihm meine. Der ideal strenge Bau erscheint mir
als etwas Konkretes: || . –
Ich hatte ein Gleichnis gebraucht; aber durch die grammatische
Täuschung, dem Begriffswort entspräche Eines, das
Gemeinsame aller seiner Gegenstände, erschien es nicht
als Gleichnis. |
105
Wir haben nun eine Theorie (eine
‘dynamische’ Theorie des Satzes,
etc.) aber sie erscheint nicht als Theorie.
Es ist ja das Charakteristikum einer solchen
Theorie, daß sie einen besonderen, klar
anschaulichen, Fall ansieht – & sagt:
“Das zeigt, wie es sich überhaupt
verhält.
Dies || Dieser Fall ist
das Urbild aller Fälle.” –
“Natürlich! So muß es
sein.”, sagen wir, & sind zufrieden.
Wir sind auf eine Form der Darstellung gekommen, die uns
einleuchtet.
Aber es ist, als haben wir nun etwas
gesehen, was unter der Oberfläche liegt. |
106
Diese Tendenz nun, den klaren
Fall zu verallgemeinern, scheint in der Logik 100 ihre strenge Berechtigung zu haben;
man scheint hier mit voller Berechtigung zu
schließen: “Wenn ein Satz ein Bild
ist, so muß jeder Satz ein Bild sein, denn sie müssen
alle wesensgleich sein.”
Denn wir sind ja
(eben) in der Täuschung, das
Sublime, Wesentliche unserer Untersuchung
liege || bestehe darin, daß sie
ein allumfassendes Wesen erfasse. |
107
Wenn wir aber glauben, jene
Ordnung, das Ideal, in der wirklichen Sprache finden zu müssen,
kommen wir leicht dahin, von einem
‘eigentlichen’ Zeichen zu reden, das
eigentliche Zeichen zu suchen, – hinter dem
nämlich, was normalerweise
‘das Zeichen’ genannt wird.
Denn uns verlangt nun nach etwas Reinerem. Der Sinn – (das Wesen –) || das uns Wesentliche || (das Wesen) unserer Betrachtung erfordert || verlangt hier etwas Reineres; wovon || Reineres; wovon die strengen Regeln handeln. Die Gesamtheit dieser Regeln bilde die vollständige Grammatik des Zeichens. Der Satz, das Wort, wovon || von dem die Logik handelt, müsse || muß etwas Klares, Scharfgeschnittenes || mit reinen scharfen Zügen, || mit klaren, scharfen Zügen, sein. || müsse || muß etwas Reines & Scharfgeschnittenes sein. Wir zerbrechen uns nun über das Wesen des Zeichens den Kopf. – Ja, muß es nicht die Vorstellung des Wortes || vom Wort sein, ja die Vorstellung im gegenwärtigen Augenblick?! Hier ist es schwer, gleichsam den Kopf oben zu behalten, – zu sehen, daß wir bei den Dingen des alltäglichen Denkens bleiben müssen & nicht auf den Abweg zu geraten, wo es scheint, als müßten wir letzte || die letzten Feinheiten beschreiben, die wir doch wieder mit unsern Mitteln gar nicht beschreiben 101 könnten.
Es
ist, als sollten wir ein zerstörtes Spinnennetz mit
unsern Fingern in Ordnung bringen.
(Auch hier || in diesen Überlegungen rührt das Problematische nicht daher, daß wir noch nicht auf den Grund der Erscheinungen gekommen wären; sondern daher, daß wir uns in der Grammatik unserer Ausdrucksweise, die Zeichen, die physikalischen Gegenstände, betreffend, nicht auskennen.) |
108
﹖
Je genauer wir aber die
tatsächliche Sprache ansehen || uns ansehen,
desto stärker wird der Widerstreit zwischen ihr
& unsrer Forderung. –
(Die
Kristallreinheit || Kristallklarheit der Logik hatte sich mir ja nicht
ergeben, sondern ich hatte sie gefordert || sie war
ja eine Forderung.)
Der Widerstreit wird
unerträglich; die Forderung droht nun zu etwas Leerem zu
werden.
Wir sind aufs Glatteis geraten, wo die Reibung fehlt, also die Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind, aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir wollen gehen; dann brauchen wir die Reibung. Zurück auf den rauhen Boden! |
109
Hier
erkennen wir nun, daß, was wir “Satz”,
“Sprache”, nennen, nicht die formelle Einheit ist,
die ich mir vorstellte, sondern die Familie mehr oder weniger mit
einander verwandter Gebilde.
[Neue Zeile] Was wird nun aber || aber wird nun aus der Logik? Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim zu gehen. – Verschwindet sie damit aber nicht ganz? – Denn, wie kann die Logik ihre Strenge verlieren?! – Natürlich nicht dadurch, daß 102 man ihr etwas von dieser || ihrer Strenge abhandelt. –
Das
Vorurteil, der
Kristallreinheit kann nur so beseitigt
werden, daß wir unsere ganze Betrachtung drehen.
Und dadurch jene Reinheit an eine andere
Stelle || einen anderen Platz
tritt. || Und dadurch jene Reinheit eine
andere Stelle erhält.
(Man
könnte sagen: Die Betrachtung muß gedreht
werden, aber um unser eigentliches Bedürfnis als
Angelpunkt.) |
110
Richtig war, daß unsere Betrachtungen nicht
wissenschaftliche Betrachtungen sein durften.
Die
Erfahrung, “‘daß sich das oder das denken
lasse¤, entgegen unserm Vorurteil’
– (was immer das heißen mag) –
konnte mich || uns nicht
interessieren.
(Die pneumatische Auffassung
des Denkens.) –
Und wir dürfen keinerlei
Theorie aufstellen.
Es darf nichts
Hypothetisches in unsern Betrachtungen sein.
Alle13 Erklärung muß fort, & nur Beschreibung an ihre Stelle treten. Und diese Beschreibung empfängt ihr Licht, d.i. ihren Zweck, von den philosophischen Problemen. Diese sind freilich keine empirischen, sondern sie werden durch eine Einsicht in das Arbeiten unserer Sprache gelöst: & zwar so, daß dieses erkannt wird: entgegen einem Trieb es mißzuverstehen. Die Probleme werden gelöst, nicht durch Beibringen neuer Erfahrung, sondern durch Zusammenstellung des längst Bekannten. Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer || unsrer Sprache. 103
“Die Sprache (oder das Denken) ist etwas Einzigartiges”, das erweist sich als ein Aberglaube (nicht Irrtum!) erzeugt || hervorgerufen selbst durch grammatische Täuschungen. Und (auf diese Täuschungen,) auf die Probleme, fällt nun das Pathos zurück. |
[Bemerkungen.]
[Unverdaute Brocken heißen nichts.]
Wenn ich (nämlich) über die Sprache – Satz, Wort, etc. – rede, muß ich die Sprache des Alltags reden. – Aber gibt es denn eine andere? (Die Frage “Was ist ein Wort?” ist ganz analog der: “Was ist eine Schachfigur?”.) Daß ich bei meinen Erklärungen die Sprache betreffend schon die volle Sprache anwenden muß (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige), || Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muß, zeigt schon, daß ich nur Äußerliches über die Sprache vorbringen kann. (⋎ [Bemerkung: Rechtschreibung des Wortes “Rechtschreibung”.) Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? – Nun, Deine Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefaßt; mußten in dieser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war! Und Deine Skrupel sind Mißverständnisse. Deine Fragen beziehen sich auf Wörter, so muß ich von Wörtern reden. Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch nur alles Interessante, d.h. alles Große & Wichtige, zu zerstören scheint? (gleichsam alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken 104 & Schutt übrig
läßt.) |
111
Die Probleme, die durch ein
Mißdeuten unserer Sprachformen entstehen, haben den Charakter
der Tiefe. –
Es sind tiefe
Beunruhigungen; sie wurzeln so tief in uns, wie die Formen
unserer Sprache & ihre Bedeutung ist so groß,
wie die Wichtigkeit unserer Sprache. |
112
Fragen wir uns:
Warum empfinden wir einen grammatischen Witz im
gewissen Sinne als tief? || einen
grammatischen Witz
‘tief’?
(Und das ist natürlich || ja die
philosophische Tiefe.)
(Worin liegt die Tiefe des Witzes: “We called him tortoise because he taught us”? Wir werden plötzlich aufmerksam darauf, daß eine solche Ableitung des Substantivs unmöglich ist. – Warum sollte sie aber so unmöglich sein? Sie ließe sich auch sehr wohl denken (tschechische Zunamen die ein Imperfektum sind). Und nun scheint der Witz seine Tiefe verloren zu haben. Dies kommt aber daher, daß wir unsere Aufmerksamkeit verschoben haben. – Betrachte ein anderes Beispiel: Lichtenberg läßt eine Magd in einem Brief über Literatur die Zahl Hundert so schreiben: 001. Wenn man sich sagt: “nun, es könnte ja auch in der andern Richtung geschrieben werden” – so fühlt man die Tiefe der Komik nicht. Diese liegt, glaube ich, in dem Zusammenhang unseres Dezimalsystems, in welchem das Zeichen 105 “001”
eine gewisse Stelle hat || innehat.
Die
Tiefe der Absurdität des
“001” erscheint erst
für den, der, sozusagen, die mathematischen Konsequenzen
aus diesem Schreibfehler ziehen kann.
Nicht für
den, der nur weiß, daß man so nicht ‘hundert’
schreibt. –
Man kann, das
‘taught us’
betreffend, sagen: Ein Verbum hat für uns, eine
Grundstellung (wie man bei Turnübungen
sagt), & dann verschiedene Stellungen
verschiedenen Verrichtungen gemäß.
Eine beliebige
dieser Stellungen als || zur Bezeichnung
dessen nehmen, der (z.B.) lehrt,
ist so, als nähme man für das Standbild eines Menschen
irgend eine Stellung, in der er sich auch einmal befinden
kann.
Die Grundstellung, könnte man sagen,
repräsentiert den Menschen & der Infinitiv das
Verbum.
Es hätte so
für uns nicht das Komische von || des
Substantivs “taught
us”, wenn man statt dessen den Infinitiv des
Verbums || Verbs zur Bezeichnung des Lehrenden verwendet
hätte. –
Die Tiefe der Absurdität liegt hier
wieder in Verhältnissen, die einer längeren
Erklärung bedürfen, || , die eine
längere Erklärung zulassen, weil sie
den eigentümlichen Bau unserer Sprache betreffen. –
Wenn wir auf das System unserer Sprache sehen,
dann haben wir das Gefühl der Tiefe.
Es ist,
als sähen wir durch ihr Netz die ganze
Welt. || durch ihr Netz hindurch die ganze
Welt.¤ ⍈
Gehört auf S. 109
(Die Anlage || Fähigkeit zur Philosophie beruht auf der Fähigkeit, von einer Tatsache der Grammatik einen starken & nachhaltigen Eindruck zu empfangen.) |
113
Die philosophischen Fragen
werden gelöst || zur Ruhe
gebracht, dadurch, daß der Darstellungsform106 unserer Sprache der, uns
beunruhigende || ein uns beunruhigender Aspekt
genommen wird.
Ein Gleichnis, das in die Formen unserer Sprache aufgenommen ist, bewirkt einen falschen Schein: Dieser || der beunruhigt uns: “Es ist doch nicht so!” – sagen wir. – “Aber es muß doch so sein!” Denk, wie uns das Substantiv “Zeit” ein Medium vorspiegeln kann; wie es uns in die Irre führen kann, daß wir einem Phantom auf & ab nachjagen. (“Aber hier ist doch nichts! – Aber hier ist doch nicht nichts!”) – Oder denke an das Problem: Wir können die Dauer eines Ereignisses messen, & doch ist sie nie gegenwärtig. – Oder denk an das Problem, das uns daraus entsteht, daß das Wort “ist” die Kopula & das Gleichheitszeichen ist. Die Rose ist rot, & ist doch wieder nicht rot. – Und das Gesetz || der Satz der Identität sagt doch etwas, – & er sagt doch wieder nichts. Man weiß keinen Ausweg, denn die Sprache scheint uns keinen zu lassen. |
114
Wir
ändern nun den Aspekt, indem wir
unsern Ausdrucksformen || unsre
Ausdrucksform || einem System des
Ausdrucks andere an die Seite setzen || stellen. –
So kann der Banneiner
Analogie || , in dem uns eine Analogie hält,
gebrochen werden, wenn man uns eine andere
angeboten || anbietet || indem ihr eine andere an
die Seite gestellt wird || ¤ wenn
man ihr eine andere an die Seite stellt die
wir als gleichberechtigt anerkennen || anerkennen
müssen. –
Wir sind geneigt, den Satz der
Identität als Grundprinzip || Grundgesetz des Seins aufzugeben, || fallen zu lassen, wenn uns ein System des Ausdrucks
gezeigt wird, das diesen Satz mit andern, die uns auf ähnliche
Weise beunruhigten, || beunruhigt haben,
systematisch aus unsrer 107 Sprache || Notation ausschließt. –
Und wir
greifen zu der Notation, die das Wort “ist” einmal
durch “ε”, einmal durch
“ = ” ersetzt & das Problem der
‘Identität in der Verschiedenheit’
verschwindet.
“Ach so –” sagen wir, wenn uns die
philosophische Erklärung gegeben wird, & atmen
auf. ﹖14
Das Seltsame an der philosophischen Beunruhigung & ihrer Lösung möchte scheinen, daß sie ist, wie die Qual des Asketen || wie die Qual des Asketen ist, der, eine schwere Kugel unter Stöhnen || Leiden stemmend, || unter Stöhnen || Leiden eine schwere Kugel stemmend, || eine schwere Kugel stemmend, betäubt unter Stöhnen || Leiden dastand, & den ein Mann erlöste, indem er ihm sagte: “laß sie fallen”. Man fragt sich: Wenn Dich diese Sätze beunruhigen, Du nichts mit ihnen anzufangen wußtest, warum ließest Du sie nicht schon früher fallen, was hat Dich daran gehindert? – Es war das System des Ausdrucks, welches mich in Bann hielt. |
115
Eine Hauptquelle unseres Unverständnisses ist,
daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht
übersehen. –
Unserer Grammatik fehlt es
an Übersichtlichkeit.
Die übersichtliche Darstellung vermittelt das Verstehen || Verständnis, welches eben﹖﹖, darin besteht, daß wir die ‘Zusammenhänge sehen’. Daher die Wichtigkeit des Findens der Zwischenglieder. [ursprünglich in verkehrter Reihenfolge]15 Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. Er bezeichnet die || unsere Darstellungsform, die Art, wie wir die Dinge sehen. (Vielleicht ist dies eine Art der ‘Weltanschauung’. Spengler.) |
116
Die Philosophie darf den tatsächlichen Gebrauch
der Sprache in keiner Weise antasten, sie kann ihn am Ende also
108 nur beschreiben.
Denn sie kann ihn auch nicht begründen. Sie läßt alles wie es ist. Sie läßt auch die Mathematik wie sie ist (jetzt ist) und keine mathematische Entdeckung kann sie weiter bringen. Ein “führendes Problem der mathematischen Logik” (Ramsey) ist ein Problem der Mathematik, wie jedes andere. |
117
Ein Gleichnis gehört zu unserem
Gebäude; aber wir können auch aus ihm keine Folgen
ziehen; es führt uns nicht über sich selbst hinaus, sondern
muß als Gleichnis stehen bleiben. –
Wir
können keine Folgerungen daraus ziehen.
So, wenn wir
den Satz mit einem Bild vergleichen (wobei ja, was wir unter
“Bild” verstehen, schon früher in uns
festliegen muß) oder die Anwendung der
Sätze, das Operieren mit ihnen || Sätzen, mit einer || der Anwendung
eines Kalküls, z.B. des
Multiplizierens.
Die Philosophie stellt eben alles bloß hin, & erklärt & folgert nichts. Da alles offen daliegt, ist auch nichts zu erklären. Denn, was etwa verborgen ist, interessiert uns nicht. |
118
‘Philosophie’ könnte man auch
das nennen, || : || sagen sei das,
was vor allen neuen Entdeckungen & Erfindungen
möglich ist.
Wenn Einer die Lösung des ‘Problems des Lebens’ gefunden zu haben glaubt, & sich sagen wollte, jetzt ist || sei alles ganz leicht, so brauchte er sich zu seiner Widerlegung nur erinnern, daß es eine Zeit gegeben hat, wo sie || diese Lösung nicht gefunden war; aber auch zu der Zeit || damals 109 mußte man leben können,
& im Hinblick auf sie erscheint die gefundene Lösung
als || wie ein Zufall.
Und so geht es in der
Logik.
Wenn es eine ‘Lösung’ –
wie eines mathematischen Problems – der logischen,
d.i. philosophischen,
Probleme gäbe, so müßten wir uns nur vorhalten, daß
sie ja einmal nicht gelöst waren (& auch da mußte
man leben & denken können). |
119
Die Arbeit des Philosophen
ist ein Zusammentragen von Erinnerungen zu einem bestimmten
Zweck. ⋎[Siehe S. 105 unten] ¥
Das Lernen der Philosophie ist wirklich ein Rückerinnern. Wir erinnern uns, daß wir die Worte wirklich auf diese Weise gebraucht haben. Wollte man Thesen in der Philosophie aufstellen, es könnte nie über sie zur Diskussion kommen, weil || da Alle mit ihnen einverstanden wären. |
120
Die philosophisch wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre
Einfachheit & Alltäglichkeit verborgen.
(Man kann es nicht bemerken, weil man es immer offen vor Augen hat.) (Die eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar nicht auf. Es sei denn, daß ihm dies einmal zum Bewußtsein gekommen || aufgefallen ist. – Und das heißt, das in anderm Sinn Auffallendste (Stärkste) fällt ihm nicht auf.) |
121
Der Philosoph trachtet, das
erlösende Wort zu finden, das ist das Wort, das uns endlich
erlaubt, das zu fassen, was bis
dahin || dorthin || bis jetzt
immer, ungreifbar, unser Bewußtsein belastet
110 hat.
(Es
ist, wie wenn man ein Haar auf der Zunge liegen hat; || uns
ein Haar auf der Zunge liegt; man spürt es, aber kann es
nicht fassen & darum nicht los werden.)
Eine unsrer wichtigsten Aufgaben ist es, alle falschen Gedankengänge, so charakteristisch auszudrücken, daß der Leser sagt: “Ja, genau so habe || hab' ich es gemeint”. Die Physiognomie jedes Irrtums nachzuzeichnen. Wir können auch niemand eines Fehlers überführen, außer wenn er || nur dann den Andern eines Fehlers überführen, wenn || Wir können auch nicht den Andern eines Fehlers überführen, es sei denn daß er diesen Ausdruck als den eigentlichen Ausdruck seines Gefühls anerkennt. Nämlich nur wenn er ihn als solchen anerkennt, ist er der richtige Ausdruck. (Psychoanalyse.) Was der Andre anerkennt, ist die Analogie, die ich ihm darbiete, als Quelle seines Gedankens. |
122
So befreien wir auch vom Bann des Ideals, indem wir es als
Bild anerkennen, dessen Ursprung wir angeben.
– || anerkennen & seinen Ursprung
angeben.
Wie bist Du zu diesem Ideal
gekommen; || ? aus welchem Material hast Du
es geformt?
Welche konkrete Vorstellung war sein
eigentliches Urbild?
Dies müssen wir uns fragen,
sonst können wir seinen Bann || irreführenden Aspekt nicht los werden.
(Ästhetik.)
Es ist von der größten Bedeutung, daß wir uns zu einem Kalkül der Logik immer ein Beispiel denken, worauf er wirklich anzuwenden ist; & nicht Beispiele geben & sagen: dies seien nicht die idealen, für die der Kalkül wirklich gelte, diese aber hätten wir noch nicht. Das ist das Zeichen einer falschen Auffassung. Kann ich den Kalkül 111 überhaupt verwenden, dann ist
das auch die ideale Verwendung & die Verwendung, um
die es geht. –
Man will nämlich nicht das reale
Beispiel als das eigentliche ideale || die ideale
Verwendung anerkennen, da man in ihm allerlei
Verhältnisse sieht, eine Mannigfaltigkeit, um die er
sich nicht kümmert (die er gleichsam
übersieht.), || die ihn nicht
berührt || die ihm nicht
entspricht. (die er
gleichsam
übersieht).
Aber es ist
das Urbild unseres || der wahre Gegenstand,
das || das wahre
Material, des Kalküls & er davon
hergenommen; || , & || .
Und dies ist kein Fehler, keine Unvollkommenheit des
Kalküls.
Der Fehler lag darin, seine
Anwendung in nebelhafter Ferne zu versprechen.
Man könnte sich denken, daß jemand sagt: “Wenn man || ich Rutenbündel || eine Menge Rutenbündel zählt || zähle, – die eigentlichen || das eigentliche Bündel können doch || ja nicht die Stäbe sein. Denn die Stäbe können abbrechen, & herausfallen, – & doch bleibt das Bündel das Bündel. Die Stäbe: || ; das ist eine unreinliche Angelegenheit || etwas Unreinliches, & eine unreinliche Sache, & ich könnte dieses Unklare nicht mit meinen reinen, klaren Zahlen 1, 2, 3, … zählen.” (Aber einmal müßtest Du den Schritt doch machen, vom reinen, Klaren – zum Unreinlichen. Das Reine, Klare aber ist das Spiel der Zeichen.) Nur so nämlich können wir der Ungerechtigkeit – oder Leere unserer Behauptungen entgehen, indem wir das Vorbild als das, was es ist, als Vergleichsobjekt – sozusagen als Maßstab – hinstellen; & nicht als das Vorurteil, dem die Wirklichkeit entsprechen müsse. (Ich denke an die Betrachtungsweise Spenglers.) Hierin nämlich liegt derjenige || ein gewisser Dogmatismus, in den unsre Philosophie so leicht verfallen kann. 112
Es ist wahr: eine Maßeinheit ist gut gewählt, wenn sie viele der Längen, die wir mit ihr messen wollen, in ganzen Zahlen ausdrückt. Aber der Dogmatismus behauptet, jede Länge müsse ein ganzes Vielfaches der || unserer Maßeinheit sein. |
123
Ich habe seinerzeit (in
der Log.
Phil. Abh.) gesagt, der
‘Elementarsatz’ sei eine Verkettung von
Namen.
Den Namen entsprächen Gegenstände
& dem Satz entspreche ein Komplex von
Gegenständen || aus ihnen.
Dem Satz,
“Die Flasche steht rechts vom Glas”, wenn er
wahr ist, entspricht der Komplex bestehend aus der Flasche, dem Glas
& der Relation Rechts-Links (oder wie man
sie bezeichnen will).
Die sprachwidrige Verwendung des Wortes “Gegenstand” & “Komplex”!! Sagt man denn von einem Häuserkomplex er besteht || Ein Häuserkomplex besteht doch bloß aus den Häusern & aber nicht aus ihnen & ihren gegenseitigen Lagen zu einander?! Und wenn ich sage, es stehen || ich sehe drei Gegenstände auf dem Tisch, so meine ich doch nicht: das Glas, die Flasche & ihre räumliche Beziehung! ¥ ˂ ⋎ [auf S. 113] |
124
Aber ich suche, suche
krampfhaft, nach einem System, nach einer Einheit aller
Sätze. –
Und nun werde ich der Gefangene
gewisser || bestimmter Ausdrucksformen
unserer || meiner Sprache, bleibe
im Netze der Sprache hängen.
[Neue
Zeile]
Denn, || Und, wenn ich || wir statt dem Satz “die Flasche ist
blau” sagen: “die Flasche hat die Eigenschaft
Blau”, statt “die Flasche steht auf
dem Tisch || rechts vom Glas” sage:
“die Flasche hat zu dem Tisch
die || steht zum Tisch in der Beziehung des
Daraufstehens”, u.s.f., – so
kann es doch || ja wirklich scheinen, als sei
jeder 113 solche Satz eine Verbindung
von Namen.
Denn alle || die
Wörter mit quasi
‘materieller’ Bedeutung erscheinen hier
verstreut in einem Netz rein logischer Beziehungen.
⍈Man kann, für Andere verständlich, von Kombinationen von Farben mit Formen sprechen (etwa der Farben rot & blau mit den Formen Quadrat und Kreis), ebenso wie von Kombinationen verschiedener Formen oder Körper. Und hier haben wir || dies ist die Wurzel des || Quelle meines irreleitenden || schiefen Ausdrucks, || : die Tatsache sei ein Komplex von Gegenständen. Es wird also, daß ein Mensch krank ist, verglichen mit der Zusammenstellung zweier Dinge, wovon das eine der Mensch, das andre die Krankheit wäre. Und
wieder: Allen Wörtern im Satz
entspricht || Alle Wörter im Satz bezeichnen
etwas, denn “Paul”
bezeichnet das, “haben”
das, “drei” das &
“Apfel” das. || dem Wort
“Paul” entspricht das,
dem Wort “ist” das, dem
Wort “drei” das & dem
Wort “Apfel”
das.
Zu sagen, ein roter Kreis ‘bestehe aus’ Röte & Kreisförmigkeit, sei ein Komplex aus diesen Bestandteilen, ist ein Mißbrauch dieser Wörter(, & irreführend). (Frege sagte mir dies). (Verwandt mit der || damit: die Verwechslung von color und pigmentum.) Die Tatsache aber, daß dieser || der Kreis rot ist, ‘besteht’ aus gar nichts. (Frege beanstandete meinen Ausdruck, indem er zu mir sagte: “der Teil sei || ist doch kleiner als das Ganze.”) ⋎[Zur vorigen Seite] Das Bild hielt mich || uns gefangen. Und heraus konnte ich nicht, denn es lag in meiner Sprache, & sie schien es,﹖ nur,﹖ || mir nur unerbittlich zu wiederholen. 114
Um dem Bann der Ausdrucksformen zu
entgehen, müssen wir dir Sprache durchpflügen || umpflügen. |
125
“Jeder Satz
sagt: Es verhält sich so &
so.”.
Hier ist so eine Form, die uns
verführen kann.
(Mich || Und
mich verführt hat.)
Bei Plato heißt es: “Wer Etwas meint, meint doch etwas Seiendes.” (Theätetus S. 204.) Das ist die Art Satz, die man sich unzählige Male wiederholt. Man glaubt, wieder & wieder der Natur nachzufahren, & fährt nur der Form entlang, durch die wir sie betrachten. Denke Dir, die Menschen pflegten auf Gegenstände immer so || in der Weise zu zeigen, indem || daß sie mit dem zeigenden Finger in der Luft gleichsam einen Kreis um den Gegenstand beschrieben. Man könnte sich dann denken, daß ein Philosoph sagen möchte: “Jedes Ding ist doch kreisrund; denn der Tisch sieht so aus, der Ofen so, die Lampe so”, etc., etc. –, indem er jedesmal einen Kreis um das Ding schlägt. Oder man sagt: “Ich habe doch einen bestimmten Begriff vom Satz! Ein Satz sagt: es || Es ist so & so.” – Oder: “Ich weiß doch, was das Wort ‘Satz’ bedeutet!” Ja, ja – könnte man antworten, aber was heißt denn das? Ich meine, wie wird denn dieser Satz angewandt: || , daß Du weißt, was das Wort “Satz” bedeutet? Von wem sagt man denn das, & von wem das Gegenteil? Rufe Dir doch 115 die praktische Verwendung
dieser Behauptung in die Erinnerung || ins
Gedächtnis!
Wir ziehen immer wieder die Ausdrucksform nach & glauben, wir haben die Sache gezeichnet. – Durch eine optische Täuschung scheinen wir im Innern der Dinge zu sehen, – was auf unsrer Brille gezeichnet ist. |
126
“Es ist doch
so: || –” sagen wir
uns wieder & wieder. –
Es ist uns, als
müßten wir das Wesen der Sache erfassen, wenn wir unsern Blick
nur ganz scharf auf dies
Faktum einstellen
könnten. || auf dies Faktum
einstellen, es in den Brennpunkt rücken
könnten.
Denn es scheint eben
im Innern der Sache zu liegen.
Erst wenn diese optische
Täuschung entfernt ist, können wir nun die Sprache einfach
sehen, wie sie ist.
Der Ausdruck dieser Täuschung aber ist die metaphysische Verwendung unsrer Wörter. Denn man prädiziert nun von der Sache, was in der Darstellungsweise liegt. Die Möglichkeit des Vergleichs, die uns beeindruckt, nehmen wir für die Wahrnehmung einer höchst allgemeinen Sachlage. |
127
Denn,
“Gegenstand” hat man doch nie, z.B., die Lage eines
Dinges genannt.
Und sagt man denn vom Satz
“Es regnet”
(z.B.), er sage: es verhält
sich so & so?
Wie gebraucht man denn diesen
Ausdruck in Wirklichkeit?
Denn von diesem
Gebrauch 116 hast ja Du ihn gelernt!
Verwendest Du ihn nun gegen seinen ursprünglichen Gebrauch
& denkst, Du spieltest noch das alte Spiel mit ihm, so ist
das, als spieltest Du Dame mit Schachfiguren
& bildetest Dir ein || wenn Du mit Schachfiguren
Dame spieltest & Dir einbildetest es
hafte diesen || den Figuren nun doch noch
etwas vom Schachspiel an.
¥ ˂ [Siehe S. 117]
|
128
Wir führen die Wörter von ihrer
metaphysischen, wieder auf ihre normale || praktische || alltägliche Verwendung
(in der Sprache)
zurück.
(Der Mann, der sagte, man könne nicht zweimal in den gleichen Fluß steigen, sagte etwas Falsches; man kann zweimal in den gleichen Fluß steigen. Und ein Gegenstand hört manchmal auf zu existieren, wenn ich aufhöre ihn zu sehen, & manchmal nicht. Und wir wissen manchmal, welche Farbe der Andere sieht, wenn er diesen Gegenstand betrachtet, & manchmal nicht.) Und so sieht die Lösung aller philosophischen Schwierigkeiten aus. Ihre || Unsere Antworten müssen, wenn sie richtig sind, gewöhnliche & triviale sein. – Aber man muß sie im richtigen Geist (d.h. im richtigen Zusammenhang) anschauen, dann macht das nichts. || anschauen || betrachten (d.h. im richtigen Zusammenhang), dann macht das nichts. Denn diese Antworten machen sich gleichsam über die Frage || Fragen lustig. ¥ ˂ [Siehe S. 117] |
129
Die Ergebnisse der Philosophie
sind die Entdeckung irgend eines schlichten Unsinns,
– || & Beulen, die sich der Verstand beim
Anrennen an die Grenze || das
Ende der Sprache geholt hat.
Sie, die
Beulen, 117 lassen uns den Wert jener
Entdeckung verstehen || erkennen.
|
⍈
Wenn die Philosophen ein Wort
(“Wissen”, “Sein”,
“Gegenstand”, “Ich”,
etc.) gebrauchen &
nach seiner Bedeutung forschen || das
Wesen zu erfassen suchen, muß man
sich || mußt Du Dich immer fragen: wird
denn dieses Wort in der Sprache, die es geschaffen hat || für die es geschaffen ist
|| , in der seine Heimat ist || , in der es seine
Heimat hat, je tatsächlich so gebraucht? –
[zu S. 116 oben]
|
⍈ 129
Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch nur alles
Interessante, d.h. alles Große
& Wichtige, zu zerstören scheint?
(Gleichsam alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken &
Schutt übrig läßt.)
Aber es waren || sind nur Luftgebäude, die wir zerstörten || zerstören; & wir legen den Grund der Sprache frei, auf dem sie standen. [Zu S. 116 unten] |
130
Daß
ich bei meinen Erklärungen, die Sprache betreffend, schon die
volle Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige)
anwenden muß, zeigt schon, daß ich nur Äußerliches
über die Sprache vorbringen kann.
Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? – Nun, Deine Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefaßt; mußten in dieser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war! Und Deine Skrupel sind Mißverständnisse. Deine Fragen beziehen sich auf Wörter, so muß ich von Wörtern reden. (Hierher gehört auch: Wenn die 118 Philosophie auch vom
Gebrauch des Worts “Philosophie” redet, so
könnte man glauben || denken
|| meinen, daß es also eine Philosophie zweiter
Ordnung geben müsse || , es muß also eine
Philosophie zweiter Ordnung
geben.
Aber es ist eben nicht so; sondern
der Fall entspricht dem || ist der der
Rechtschreibelehre, die es auch mit dem Wort
“Rechtschreibelehre” zu tun hat, || auch
mit dem Wort
“Rechtschreiblehre” handelt,
aber dann nicht eine Rechtschreibelehre
der zweiten || zweiter Ordnung ist. |
131
Da unser Ziel ist, den Bann von
Sprachformen zu brechen || den Bann zu brechen, in dem
uns gewisse Sprachformen halten, so wollen wir
in unserm Wissen vom Gebrauch der Sprache eine
Ordnung herstellen, die dies möglich macht.
D.i. eine Ordnung zu einem bestimmten Zweck;
also eine von vielen möglichen Ordnungen.
(Keine Über-Ordnung.
Wir werden
dazu || zu diesem Zweck immer wieder
Unterscheidungen hervorheben || durch
zeigen, die
unsere gewöhnlichen Sprachformen leicht übersehen
lassen.
Dadurch kann allerdings der Anschein || Schein
entstehen || es allerdings den Anschein erhalten, als
sähen wir es für unsre Aufgabe an, unsere || die Sprache zu verbessern || reformieren.
So eine Reform für bestimmte praktische Zwecke, die Verbesserung unserer Terminologie zur Vermeidung von Mißverständnissen im praktischen Gebrauch, ist wohl denkbar || möglich. Aber das sind nicht die Fälle, mit denen wir es zu tun haben. Die Konfusionen, die uns beschäftigen, entstehen, gleichsam, wenn die Sprache feiert, nicht wenn sie arbeitet. (Man 119 könnte sagen:
“wenn sie leerläuft”.) |
132
Wir wollen nicht das
Regelsystem für die Verwendung unserer Worte in unerhörter
Weise verfeinern oder vervollständigen.
Wie hätten wir uns ein komplettes Regelverzeichnis für die Verwendung eines Worts zu denken? – Was ist ein komplettes || versteht man unter einem kompletten Regelverzeichnis für die Verwendung einer Figur im Schachspiel? Könnten wir uns nicht Zweifelsfälle konstruieren, in denen das normale Regelverzeichnis nicht entscheidet? Denke etwa an so eine Frage: wie ist es festzustellen, wer zuletzt gezogen hat, wenn die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses der Spieler angezweifelt wird? Die Verkehrsregelung in den Straßen erlaubt & verbietet gewisse Handlungen der Fahrer & Fußgänger; aber sie versucht nicht, ihre sämtlichen Bewegungen durch Vorschriften || Regeln zu regeln || leiten. Und es wäre sinnlos, von einer ‘idealen’ Verkehrsordnung zu reden, die das täte; wir wüßten zunächst gar nicht, was wir uns unter diesem Ideal zu denken hätten. Wünscht Einer die Verkehrsordnung in irgendwelchen Punkten strenger zu gestalten, so bedeutet das nicht, er wünsche sie so einem Ideal anzunähern. |
133
Auch sind unsere exakten
Sprachspiele nicht etwa Studien || Vorstudien zu einer
künftigen vollständigen
Reglementierung unserer tatsächlichen Sprache,
gleichsam erste Annäherungen, ohne Berücksichtigung
120 der Reibung & des
Luftwiderstands.
Diese Idee || Auffassung führt zu Ungerechtigkeiten
(Nicod &
Russell.)
Vielmehr stehen die Sprachspiele da als
Vergleichsobjekte, die durch Ähnlichkeit
& Unähnlichkeit ein Licht in die Verhältnisse unsrer
Sprache werfen sollen.
Denn die Klarheit, die wir anstreben, ist allerdings eine vollkommene. Aber das heißt nur, daß die philosophischen Probleme vollkommen verschwinden sollen. |
134
Die eigentliche || wichtigste Entdeckung ist die, die mich
fähig macht, mit dem Philosophieren aufzuhören, wann
ich will. –
Die die Philosophie zur Ruhe bringt, so
daß sie nicht mehr von Fragen gepeitscht ist || wird,
die sie selbst in Frage stellen. –
Sondern es wird nun an Beispielen eine Methode gezeigt, & die Reihe dieser Beispiele kann man abbrechen. Es werden Probleme gelöst (Schwierigkeiten beseitigt), nicht ein Problem. Die Unruhe in der Philosophie, könnte man sagen, kommt daher, daß wir die Philosophie falsch ansehen, falsch sehen, nämlich gleichsam in (endlose) Längsstreifen zerlegt, statt in (begrenzte) Querstreifen. Diese || Die Umstellung der Auffassung macht die größte Schwierigkeit. Wir wollen also gleichsam den unendlichen || unbegrenzten Streifen erfassen, & klagen, daß es nicht Stück für Stück möglich ist. Freilich || Gewiß nicht, wenn man unter (einem) Stück einen endlosen 121 Längsstreifen versteht.
Wohl aber, wenn man einen Querstreifen als
ganzes, definitives || ein
Stück sieht || ansieht || darunter
versteht. –
Aber dann kommen wir ja mit unserer
Arbeit nie || wieder nicht zu Ende! –
Freilich nicht, denn sie hat ja keins.
(Statt der turbulenten Mutmaßungen & Erklärungen, wollen wir die || eine ruhige Erwägung sprachlicher Tatsachen geben || setzen.) |
135
Laß uns
(also) zu dem Satz
zurückkehren, || :
“Jeder Satz
sage || sagt: es
verhält sich so & so.” –
–
Inwiefern ist denn dies die Form jedes Satzes? –
Es ist vor allem selbst ein
Satz, || – ein deutscher Satz – denn es
hat Subjekt & Prädikat (ein Verbum).
Wie
aber wird dieser Satz angewendet – in unsrer
alltäglichen Sprache angewendet? denn nur daher
habe ich ihn ja genommen.
Wir sagen z.B.: Er erklärte mir die || seine pekuniäre Lage seines Geschäfts, sagte, es verhalte || verhält sich so & so, & ich brauche daher jetzt einen Vorschuß. Man kann also insofern sagen, jener Satz stünde für irgendwelche Aussagen. Er wird als Satzschema verwendet; aber das nur darum, weil er den Bau eines || des deutschen Satzes hat. Man könnte statt seiner ohne weiteres auch sagen: “das & das ist der Fall”, oder “so & so liegen die Sachen”, etc.. Wir könnten uns aber auch leicht vorstellen, daß Leute für diesen Zweck einen ‘sinnvollen’ Satz verwenden – etwa einen sehr abgedroschenen – wie: “Der Himmel ist blau”. Und wer mit || in der neuern Logik 122 aufgewachsen ist wird vielleicht
sagen: “Er
sagte, || : p & ich
brauche daher einen Vorschuß”.
Aber den Buchstaben ‘p’ wird doch niemand die allgemeine Form eines Satzes nennen. Wie gesagt: – “Es verhält sich so & so” war dies nur dadurch, daß es selbst das ist, was man einen deutschen Satz nennt. Denn es enthält das Fürwort “es” & das Verbum in der dritten Person der Einzahl. – Aber obschon es ein Satz ist, so hat es doch nur als Satzvariable Verwendung. Zu sagen: || , dieser Satz stimme mit der Wirklichkeit überein (oder nicht überein) wäre offenbarer Unsinn. Und er illustriert also dies, daß ein Merkmal unseres Satzbegriffes der Satzklang ist – wie wir es nennen könnten. Es wäre mir, z.B., nicht eingefallen, statt jenes Satzschemas die Form “es so” zu setzen, & doch könnte in einer Sprache, die (wie z.B. die russische) keine Kopula verwendet, dies sehr wohl als Satzvariable gebraucht werden. |
136
Ja aber haben wir denn nicht einen Begriff davon, was ein Satz ist,
was wir unter “Satz” verstehen? –
Doch, – insofern wir auch einen Begriff davon haben,
was wir unter Spiel verstehen.
Gefragt, was ein Satz ist
– ob wir nun einem Andern
antworten sollen, oder uns selbst – werden wir Beispiele
geben || angeben & unter diesen auch, was man
induktive Reihen von Sätzen nennen kann; 123 nun, auf diese Weise haben
wir einen Begriff vom Satz.
(Vergleiche den Begriff des
Satzes mit dem Begriff der Zahl!) |
137
Im Grunde ist die Angabe von “es
verhält sich so & so” als allgemeiner Satz || als der allgemeinen
Form des Satzes das Gleiche, wie die
Erklärung, || : ein Satz sei
alles, was wahr oder falsch sein könne.
Denn statt
“es verhält sich …” hätte ich auch
sagen können: “das & das ist
wahr”.
(Aber auch: “das
& das ist falsch”.)
Nun ist aber p ist wahr = p p ist falsch = nicht-p. Und zu sagen, ein Satz sei alles, was wahr oder falsch sein könne, kommt darauf hinaus zu sagen: einen Satz nennen wir das, worauf wir in unserer Sprache den Kalkül der Wahrheitsfunktionen anwenden. Denn hier ist es nun leicht, in einen Irrtum zu verfallen: Es scheint nämlich, als bestimmte die Erklärung, || – Satz sei dasjenige, was wahr oder falsch sein könne – was ein Satz ist, indem sie sage: Was zum Begriff ‘wahr’ paßt – oder, worauf der Begriff ‘wahr’ paßt – das ist ein Satz. Es ist also so, als hätten wir einen Begriff von wahr & falsch mit dessen Hilfe wir nun bestimmen können, was ein Satz ist & was keiner. Was in den Begriff der Wahrheit eingreift, wie ein Zahnrad, das ist ein Satz. Aber das ist ein falsches || irreführendes Bild. – Es ist als sagte man: “Schachkönig ist die Figur, der man Schach ansagen kann”. Aber das 124 kann doch nur heißen, daß wir
in unserm gebräuchlichen Schachspiel nur dem König
Schach geben.
So
wie der Satz, daß nur ein Satz wahr sein könne,
nur sagen kann, daß wir
“wahr” & “falsch” nur von
dem prädizieren, was wir einen Satz nennen.
Und
was ein Satz ist, ist in einem Sinne bestimmt durch
die Regeln des Satzbaus (der deutschen Sprache,
z.B.), in einem andern Sinne durch seinen || den Gebrauch des Zeichens im Sprachspiel.
Und der Gebrauch der Wörter “wahr”
& “falsch” kann auch ein
Teil || Bestandteil dieses Spiels sein; und dann
gehört er für uns zum Satz, aber er
‘paßt’ nicht zu ihm.
Wie wir
auch sagen können, daß Schachgeben gehöre zu
unserm Begriff vom Schachkönig (gleichsam als ein
Bestandteil desselben).
Zu sagen, das Schachgeben
passe nicht auf unsern Begriff vom || von den
Bauern würde heißen daß ein Spiel in welchem den Bauern
Schach gegeben wird, in welchem etwa der verliert, der seine Bauern
verliert, daß ein solches Spiel langweilig wäre,
oder || uninteressant wäre, oder zu kompliziert,
oder dergleichen. |
138
Wie || Aber wie ist es denn, wenn wir das
Subjekt im Satz bestimmen lernen durch die Frage
“Wer oder was …?” –
Hier gibt es (ja) doch ein
‘Passen’ des Subjekts zu dieser
Frage; denn wie erführen wir sonst durch die
Frage, was das Subjekt ist?
Nun wir erfahren es
in ähnlicher Weise, wie wir erfahren welcher Buchstabe
im Alphabet125 nach dem
‘K’ kommt, indem wir uns das Alphabet bis zum
‘K’ hersagen.
Inwiefern
paßt nun das ‘L’ zu jener
Buchstabenreihe? –
Und in sofern
könnte man auch sagen “wahr” &
“falsch” passe zum Satz, & man könnte
ein Kind lehren, Sätze von Ausdrücken zu unterscheiden, die
keine Sätze sind, indem man ihm sagt:
“Frage || Frag'
Dich, ob Du danach sagen kannst ‘ist
wahr’!”
Wenn diese Worte passen,
so ist es ein Satz.”
(Und ebenso hätte man
sagen können: Frage Dich, ob Du davor die Worte
‘Es verhält sich so:’
setzen kannst. |
139
Ja aber kann denn nicht die Bedeutung eines Worts, welche ich
verstehe, zum Sinn des Satzes, den ich verstehe,
passen?
Oder die Bedeutung eines Worts zur Bedeutung
eines andern Worts? –
Freilich, wenn die Bedeutung
des Worts der Gebrauch ist, den wir von ihm machen, das
Spiel, das wir mit ihm spielen, dann hat es keinen Sinn von so einem
Passen zu reden, || : nun
verstehen wir aber doch die Bedeutung eines Wortes, wenn wir
es hören, oder aussprechen; wir erfassen sie mit einem Schlage;
& was wir so erfassen, ist doch etwas
anderes || Anderes, als der in der
Zeit ausgedehnte ‘Gebrauch’! |
140
Wenn mir jemand
z.B. das Wort “Würfel”
sagt, so weiß ich, was es bedeutet.
Aber kann mir
denn die ganze Verwendung des Wortes
gegenwärtig sein || vorschweben, wenn ich es so
verstehe?
Ja, wird aber anderseits die 126 Bedeutung des Worts nicht
auch durch diese Verwendung bestimmt?
Und können
sich diese Bestimmungen nun widersprechen?
Kann,
was wir so mit einem Schlage erfassen, mit einer Verwendung
übereinstimmen, zu ihr passen, oder nicht zu ihr
passen?
Und wie kann das, was uns in einem
Augenblick vorschwebt || Augenblicke gegenwärtig ist, was
uns da vorschwebt, zu einer Verwendung
passen?!
Was ist es denn eigentlich, was uns vorschwebt, wenn wir ein Wort verstehen? Ist es nicht etwas, wie ein Bild? Kann es nicht ein Bild sein? Nun nimm an, beim Hören des Wortes “Würfel” schwebt Dir ein Bild vor. Etwa das Bild Wie || Inwiefern kann dies Bild zu einer Verwendung des Wortes “Würfel” passen, oder nicht zu ihr passen? Vielleicht sagst Du: “Das ist einfach: wenn mir dieses Bild vorschwebt, & ich zeige z.B. auf ein dreieckiges Prisma & sage, dies sei ein Würfel, so paßt diese Verwendung nicht zum Bild.” – Aber paßt sie nicht? – Ich habe das Beispiel absichtlich so gewählt, daß es ganz leicht ist, sich eine ‘Projektionsmethode’ vorzustellen, nach welcher das Bild nun wieder || doch paßt. Das Bild des Würfels legte uns allerdings eine gewisse Verwendung nahe, aber ich konnte es auch anders 127 verwenden. |
141
Welcher Art war dann aber
mein Irrtum; der, welchen man so ausdrücken
möchte: ich hätte geglaubt, das Bild zwinge mich
nun zu einer bestimmten Anwendung?
Wie konnte ich denn
das glauben?
Was habe ich denn da
geglaubt?
Gibt es denn ein Bild, oder etwas einem Bild
Ähnliches, was uns zu einer bestimmten Anwendung zwingt,
– || & war mein Irrtum also
eine Verwechslung? –
Denn wir könnten
geneigt sein, uns auch so auszudrücken: wir seien
höchstens unter einem psychologischen Zwang, aber unter
keinem logischen.
Und da scheint es ja völlig, als
kennten wir zweierlei Fälle.
Was tat denn mein Argument? Es machte Dich drauf aufmerksam (erinnerte Dich daran), daß Du unter Umständen auch bereit wärest, || bereit wärest, auch einen andern Vorgang “Anwendung des Würfelbildes” zu nennen, als nur den, || nicht nur den, an welchen Du ursprünglich gedacht hattest. Zu || Dein ‘Glauben, das Bild zwinge Dich zu dieser || einer bestimmten Anwendung’ bestand also darin, daß Dir nur der eine Fall, & kein andrer, einfiel. “Es gibt auch eine andere Lösung” heißt: “es gibt auch etwas Anderes || anderes, was ich bereit bin ‘Lösung’ zu nennen”, worauf ich bereit bin, das & das Bild, die & die Analogie, anzuwenden etc.. Und das Wesentliche ist nun, daß wir sehen, daß uns das Gleiche beim Hören des Wortes vorschweben, & seine 128 Anwendung doch eine
andere sein kann.
Und hat es dann
beidemal die gleiche Bedeutung?
Ich glaube, das werden wir verneinen. |
142
“Ja
aber || Aber wie, wenn uns nicht
nur || einfach das Bild des
Würfels, sondern dazu auch die Projektionsmethode || dazu auch seine Anwendungsart
vorschwebt?” –
Wie soll ich mir das
denken? –
Ich stelle mir vor: || Ich stelle mir vor: – || Etwa so, indem ich ein Schema der Projektionsmethode || Projektionsart vor mir sehe. Ein Bild, z.B. || etwa || vielleicht, das zwei Würfel zeigt durch Projektionsstrahlen miteinander verbunden. – Aber bringt mich denn das wesentlich weiter? Kann ich mir nun nicht auch verschiedene Anwendungen dieses Schemas denken?! Ja aber kann uns || mir denn also nicht eine Anwendung vorschweben? Doch; – nur müssen wir uns über unsre Anwendung dieses Ausdrucks klarer werden. Nimm an, ich setze jemandem verschiedene Projektionsmethoden auseinander, damit er sie dann anwendet || anwende; & fragen wir uns, in welchem Falle wir hier sagen werden, es schwebe ihm die Projektionsmethode vor, welche ich meine. Wir anerkennen dafür nun offenbar zweierlei Kriterien: einerseits das Bild (welcher Art immer es sei) welches ihm zu irgendeiner Zeit vorschwebt || er zu irgendeiner Zeit vor sich sieht, anderseits die Anwendung, die er – mit der Zeit – von dieser Vorstellung macht. 129
(Und ist es hier nicht klar, daß es durchaus unwesentlich ist, dies Bild sei etwas, schwebe ihm im Geiste vor || daß dieses Bild ihm im Geiste vorschwebe, & liege nicht vielmehr als Zeichnung, oder als Modell vor ihm oder werde von ihm hergestellt? || nicht vielmehr als eine Zeichnung vor ihm liegt, oder als Modell oder von ihm hergestellt wird?) Können nun Bild & Anwendung kollidieren? Nun, sie können in so fern kollidieren, als uns das Bild eine andere Anwendung erwarten läßt: – weil die Menschen im allgemeinen von diesem Bild diese Anwendung machen. Ich will sagen: Es gibt hier einen normalen Fall & abnormale Fälle. |
143
Betrachten wir zur Klärung unsrer
Begriffe diese Art von Sprachspiel: B soll auf den Befehl
des A Reihen von Zeichen niederschreiben nach einem bestimmten
Bildungsgesetz.
Die erste dieser Reihen soll die sein der natürlichen Zahlen im Dezimalsystem. – Wie lernt er dieses System verstehen? – Nun, zunächst werden ihm Zahlenreihen vorgeschrieben & er wird angehalten, sie nachzuschreiben. (Stoße Dich nicht daran, daß ich sage “Zahlenreihen”, statt “Reihen von Zahlzeichen”. Du verstehst mich doch! –) Und schon hier gibt es eine normale & eine abnormale Reaktion des Lernenden. – Wir führen ihm etwa zuerst beim Nachschreiben der Reihe 0 bis 9 die Hand; dann aber wird die Möglichkeit der Verständigung (nun) daran hängen, daß || ob er nun selbständig weiterschreibt. – Und hier können wir uns, z.B., 130 denken, daß er nun
(zwar) selbständig Ziffern kopiert,
aber nicht nach der Reihe, sondern regellos einmal die,
einmal die.
Und dann hört da die
Verständigung auf. –
Oder aber er macht
‘Fehler’ in der Reihenfolge. –
Der Unterschied zwischen diesem & dem ersten Fall
ist offenbar || natürlich einer der
Häufigkeit. –
Oder aber: er macht einen
‘systematischen Fehler’, er schreibt
z.B. immer nur jede zweite Zahl nach; oder er
kopiert die Reihe 0, 1, 2, 3, 4, 5, … so: 1, 0, 3, 2, 5,
4, …
Hier werden wir beinahe versucht sein,
zu sagen, er habe uns
falsch verstanden.
Aber merke: Es gibt keine scharfe Grenze zwischen einem regellosen & einem systematischen Fehler. D.h.: zwischen dem, was Du einen “regellosen”, & dem, was Du einen “systematischen Fehler” zu nennen geneigt bist. Man kann ihm nun vielleicht den systematischen Fehler abgewöhnen (wie eine Unart). Oder, man läßt diese || seine Art des Kopierens gelten & trachtet ihm die normale Art als eine Abart, Variation, der seinigen beizubringen. – Und auch hier kann die Lernfähigkeit unseres Schülers abbrechen. |
144
Nun laß mich diese
Betrachtung für einen Augenblick unterbrechen &
fragen: Was meine ich denn, wenn ich sage:
“hier kann die Lernfähigkeit des Schülers
abbrechen”?
Teile ich das aus meiner Erfahrung
mit? 131
Natürlich
nicht!
(Auch wenn ich so eine Erfahrung gemacht
hätte.)
Und was tue ich denn mit jenem || diesem Satz?
Ich möchte doch, daß Du
sagst: “Ja, es ist wahr, das könnte man sich
auch denken; || , das konnte auch
geschehen!”
Aber wollte ich Dich darauf
aufmerksam machen, daß Du im Stande
bist, Dir dies vorzustellen? ‒ ‒
Ich wollte dies Bild vor Deine Augen stellen, & Deine
Anerkennung dieses Bildes besteht darin, daß Du nun
geneigt bist, einen gegebenen Fall anders zu betrachten:
nämlich ihn mit dieser Bilderreihe zu
vergleichen.
Ich habe Deine
Anschauungsweise geändert.
(Ich
habe irgendwo gelesen, daß bei indischen || indischen Mathematikern der
Beweis eines Satzes (manchmal) eine geometrische Figur
war || ist || indischen Mathematikern zum || als Beweis eines Satzes (manchmal) eine geometrische Figur
dient || in einer geometrischen Figur bestand
mit den Worten: “Sieh' dies
an!”
Auch dieses || dies Ansehen
bewirkt eine Änderung der
Anschauungsweise.) |
145
Der Schüler schreibe nun
die Reihe 0 bis 9 zu unsrer Zufriedenheit.
( || –
Und dies wird nur der
Fall sein, wenn ihm dies oft gelingt, nicht, wenn er es
einmal unter hundert Versuchen richtig macht.
(Aber wie
oft ist ‘oft’?)
Ich
führe ihn nun weiter in der Reihe & lenke seine
Aufmerksamkeit auf die Wiederkehr der ersten Reihe in den
Einern; dann auf diese Wiederkehr in den Zehnern (was nur heißt,
daß ich gewisse Betonungen anwende, Zeichen unterstreiche, in
der & der Weise untereinander schreibe,
u.dgl.).
––
– Und nun setzt er einmal
die Reihe selbständig fort, – oder nicht || er tut es nicht. –
Ja, warum sagst Du
132 das, das ist
selbstverständlich! –
Freilich!
Ich wollte sagen: die Wirkung jeder weiteren
Erklärung hänge von seiner Reaktion
ab.
Aber nehmen wir nun an, er setzt, nach einigen Bemühungen des Lehrers, die Reihe richtig fort, d.h. so, wie Du & ich es tun. Nun können wir also sagen: er beherrscht das System. Aber halt, – wie weit muß er die Reihe richtig fortsetzen, damit wir das mit Recht sagen können? Es ist klar: Du kannst hier keine Grenzlinie || Begrenzung angeben. |
146
Wenn ich nun aber
frage: “Hat er das System verstanden, wenn er
es || die Reihe hundert Stellen weit
fortsetzt?”
Oder, || –
wenn ich in unserm primitiven Beispiel nicht von
‘verstehen’ reden soll: Hat er das
System inne, wenn er es || die
Reihe bis dorthin richtig fortsetzt? –
Da wirst Du vielleicht sagen: Das
System innehaben (oder auch, verstehen) kann nicht darin
bestehen, daß man die Reihe bis zu dieser oder bis
zu jener Zahl fortsetzt; das ist nur die Anwendung
des Verstehens.
Das Verstehen selbst ist ein Zustand,
woraus die richtige Verwendung entspringt.
Und an was denkst Du denn da eigentlich? Denkst Du nicht an das Ableiten einer Reihe aus ihrem algebraischen Ausdruck? Oder doch an etwas dem Analoges? – Aber da waren wir ja schon einmal. Wir können uns ja eben mehr als eine Anwendung eines algebraischen Ausdrucks denken; & jede Anwendungsart kann zwar wieder algebraisch niedergelegt werden, aber dies führt uns, selbstverständlich, 133 nicht
weiter. –
Die Anwendung bleibt ein Kriterium des
Verständnisses. |
147
– “Aber wie kann sie das
sein?
Wenn ich sage, ich verstehe das Gesetz
einer Reihe, so sage ich es doch nicht auf Grund der
Erfahrung, daß ich bis jetzt den algebraischen
Ausdruck so & so angewandt habe!
Ich weiß doch
von mir selbst jedenfalls, daß ich die & die Reihe meine,
auch soweit || gleichgültig, wie weit
ich sie noch
nicht || tatsächlich entwickelt
habe.” –
Du meinst also, || : Du weißt die Anwendung des Gesetzes der Reihe, auch ganz abgesehen von einer Anwendung || Erinnerung an die tatsächliche Anwendung || tatsächlichen Anwendungen auf bestimmte Zahlen. Und Du wirst vielleicht sagen: “Selbstverständlich! denn die Reihe ist ja unendlich & das Reihenstück, das ich entwickeln konnte, endlich.” – |
148
Worin aber besteht dies
Wissen?
Oder laß mich fragen:
Wann weißt Du es || diese
Anwendung?
Ich meine: Immer, –
Tag & Nacht? oder nur während Du gerade an das
Gesetz der Reihe denkst?
D.h.: weißt Du sie, wie Du auch das ABC und das Einmaleins weißt & wie Du verschiedene Gedichte & Melodien, etc. auswendig weißt; oder ist das Wissen, wovon Du redest, ein Bewußtheitszustand oder Vorgang, etwa ein An-etwas-Denken oder dergleichen? Denn, wenn Du jetzt verschiedene Melodien auswendig weißt, wie kommt es, daß sie da zusammen nicht einen fürchterlichen Mißklang geben? Wenn Dich jemand fragt: 134 “Weißt Du das
ABC?” & Du antwortest mit
“ja”, so heißt das doch nicht, daß Du jetzt
eben im Geist das ABC durchgehst, oder in einem besondern
Zustand || Geisteszustand bist, der irgendwie
dem Hersagen des ABC äquivalent ist. |
149
Wenn man also sagen wollte,
das Wissen des ABC sei ein Zustand der Seele, so kann || könnte das nur einen || den Zustand eines hypothetischen
Mechanismus || Seelenapparates
bedeuten, oder || etwa einen Zustand
unsres Gehirns, mit || mittels welchem wir die Äußerungen
dieses Wissens erklären.
Einen solchen
seelischen Zustand in diesem Sinne will ich eine Disposition
nennen. ¥ Die Grammatik des Wortes “wissen” ist offenbar eng verwandt der Grammatik der Worte “können”, “im Stande sein”. ⍈
(Nichts
wäre hier irreführender || irreleitender als
den Gegensatz von welchem wir reden den zwischen
“bewußtem” &
“unbewußtem” Wissen zu nennen || der
Gebrauch der Wörter “bewußtes” &
“unbewußtes” Wissen für jenen
Gegensatz.
Denn dieses
Wortpaar verschleiert || verhüllt einen
grammatischen Unterschied für jenen
Gegensatz.)
Aber auch eng verwandt der des Wortes
“verstehen”.
Denn ich
verstehe wie eine Dampfmaschine funktioniert
& verstehe es schon seit Jahren || – schon seit Jahren
– wie eine Dampfmaschine funktioniert, wie ich
auch seit Jahren das ABC weiß, &
Schachspielen kann. |
150
⇒132
Nun gibt es aber auch diese Verwendung des Wortes
“wissen”: wir sagen:
“Jetzt weiß ich's!” –
& ebenso “jetzt kann
ich's!” & “jetzt versteh
ich's!”. –
Stellen wir
uns dieses Spiel vor: A schreibt Reihen von Zahlen
an, B sieht ihm zu & trachtet in der Zahlenfolge
ein Gesetz zu finden.
Ist es ihm gelungen, so
sagt || ruft er: “Jetzt
kann ich fortsetzen!” –135
Diese Fähigkeit, dieses Verstehen ist also etwas, was in einem
Augenblick eintritt.
Schauen wir also doch
nach! || :
Was ist es, was hier
eintritt? || !
–
A habe also z.B. die
Zahlen 1, 5, 11, 19, 29 hingeschrieben; da sagt B, jetzt wisse
er weiter.
Was geschah da?
Es konnte
verschiedenerlei geschehen sein; z.B.:
Während A langsam eine Zahl nach der andern
hinsetzte, ist B damit beschäftigt, verschiedene
algebraische Formeln an den angeschriebenen Zahlen zu
versuchen.
Als A die Zahl 19 geschrieben hatte
versuchte B die Formel an = n² + n ‒
1; und die nächste Zahl bestätigte seine
Annahme. Oder aber: B denkt nicht an Formeln. Er sieht mit einem gewissen Gefühl von Spannung zu, wie A seine Zahlen hinschreibt; dabei schwimmen ihm allerlei unklare Gedanken im Kopf. Endlich sagt er sich: “Was ist die Reihe der Differenzen?” Er findet: 4, 6, 8, 10 & sagt: “Jetzt kann ich weiter.”. Oder er sieht hin & sagt: “Ja, die Reihe kenn' ich”, & setzt sie fort. Wie er's etwa auch getan hätte, wenn A die Reihe 1, 3, 5, 7, 9, 11 hingeschrieben hätte. Oder er sagt gar nichts & schreibt die Reihe bloß || bloß in der Reihe weiter. Vielleicht hatte er eine Empfindung, die man die Empfindung “das ist leicht!” nennen kann. (Eine solche Empfindung ist z.B. die¤ eines schnellen, leichten || leichten, schnellen Einziehens des Atems, ähnlich, wie bei einem gelinden Schreck.) 136 |
151
Aber sind denn diese
Vorgänge, die ich da beschrieben habe, das
Verstehen?
“B versteht das System der Reihe” heißt doch nicht einfach: B fällt die Formel “an = …” ein! Denn es ist sehr wohl denkbar, daß ihm die Formel einfällt & er doch nicht versteht. “Er versteht”, muß mehr beinhalten, als: ihm fällt die Formel ein. Und || ; und ebenso auch, mehr, als irgend einer jener, mehr oder weniger charakteristischen, Begleitvorgänge – oder Äußerungen – || (oder Äußerungen) des Verstehens. Wir versuchen nun, den || jenen geistigen Vorgang des Verstehens, der sich, scheinbar || scheint es, hinter diesen leichter erkennbaren Begleiterscheinungen versteckt || verbirgt, zu erfassen. || Wir versuchen nun, den seelischen Vorgang des Verstehens, der sich, scheint es, hinter jenen leichter erkennbaren Begleiterscheinungen versteckt, zu erfassen || erkennen. || , der sich, scheint es, hinter jenen gröbern & daher leichter in die Augen fallenden Begleiterscheinungen versteckt, zu erkennen. Aber das gelingt nicht. Oder, richtiger gesagt: es kommt gar nie || nicht zu einem wirklichen Versuch. Denn auch angenommen, ich hätte etwas gefunden, was in allen jenen Fällen des Verstehens, geschähe, – warum sollte das nun das Verstehen sein? Ja wie konnte sich denn der Vorgang des Verstehens hinter Begleiterscheinungen verstecken || denn der Vorgang des Verstehens versteckt sein, wenn ich doch sagte, “jetzt verstehe ich” || “ich verstehe”, weil ich wahrnahm, daß ich verstand?! || verstand?! Und wenn ich sage, er ist versteckt, – wie weiß ich denn, wonach ich zu suchen habe? – Ich bin in einem Wirrwarr. 137 |
152
Aber halt! –
wenn, “jetzt verstehe … || ich das
System” || “jetzt versteh
ich's” nicht das Gleiche
sagt, wie, “mir fällt die Formel
… ein” (oder, was auf dasselbe
hinauskommt; || : “ich
spreche die Formel aus”, “schreibe sie auf”
etc.) – folgt daraus, daß ich den Satz,
“jetzt verstehe ich …”, oder “jetzt
kann ich fortsetzen”, als Beschreibung eines Vorgangs
verwende, der hinter, oder neben, dem des Einfallens || Aussprechens der Formel besteht?
Wenn etwas ‘hinter dem Aussprechen der Formel’ stehen muß, so sind es gewisse Umstände, – die mich berechtigen, zu sagen, ich könne fortsetzen, wenn mir die Formel einfällt. Denk' doch einmal gar nicht an das Verstehen als ‘seelischen Vorgang’! – Denn das ist die Redeweise, die Dich verwirrt. – sondern frage Dich: in was für einem Fall, unter was für Umständen, sagen wir denn: “jetzt kann || weiß ich weiter” – wenn mir die Formel eingefallen ist? Es ist jene Redeweise, die Dich hindert, die Tatsachen unparteiisch zu sehen. (Betrachte die Aussprache eines Worts durch die Darstellungsform seiner || der Schreibung! Wie leicht überredet man sich || kann man sich überreden, daß zwei Worte (z.B. “für” & “führ'”) im tatsächlichen || täglichen Gebrauche doch verschieden klingen, – weil man sie verschieden ausspricht, wenn man sein Augenmerk gerade auf den Unterschied ihrer Schreibung richtet. Damit zu vergleichen: die Meinung ein Violinspieler mit feinem Gehör greife f immer etwas höher als eis. Überlege Dir solche Fälle! So kann das Darstellungsmittel eine Einbildung 138 erzeugen.)
Also denk' nicht, Du
müßtest einen spezifischen seelischen
Vorgang finden, weil hier das Tätigkeitswort || Verbum “verstehen” dasteht
& weil man sagt, || : Verstehen
sei || ist eine seelische
Tätigkeit.
Ich wollte also sagen: Wenn er plötzlich weiter wußte, das System verstand, so hatte er allerdings ein besonderes Erlebnis, || – || – – welches er etwa beschreiben wird, wenn man ihn fragt: “wie war das, was ging da vor, als Du das System plötzlich begriffst?”; || , ähnlich, wie wir es in (150) beschrieben haben – || – – das aber, was ihn für uns berechtigt, in so einem Fall zu sagen, er verstehe, er wisse weiter, sind die Umstände, unter denen er jenes || ein solches Erlebnis hatte. Welche Umstände es || dies sind & welche Rolle sie in der Verwendung der Wörter “verstehen”, “wissen”, etc. spielen, kann ich || wird aber vielleicht klarer erscheinen, wenn ich die Betrachtung eines andern Wortes hier einschalte, nämlich || Dies wird aber klarer werden, wenn ich die Betrachtung der Worte “verstehen” & “wissen” hier unterbreche & die eines andern Wortes einschalte, nämlich des Wortes “lesen”. |
153
Zuerst muß ich bemerken,
daß ich zum “Lesen”, in unsrer || dieser Betrachtung, hier nicht das Verstehen des
Sinns des Gelesenen rechne; sondern Lesen ist hier
bloß die Tätigkeit, Geschriebenes oder
Gedrucktes in Laute umzusetzen; auch aber, nach Diktat zu
schreiben, oder Gedrucktes abzuschreiben, u.
dgl..
Der Gebrauch des Wortes “lesen” unter || dieses Wortes unter¤ den Umständen unsres gewöhnlichen Lebens ist uns natürlich ungemein wohl bekannt. Die Rolle aber, die das Wort in unserm Leben spielt, & damit das Sprachspiel, in dem 139 wir es verwenden, wäre schwer
auch nur in groben Zügen darzustellen.
Ein Mensch,
sagen wir ein Deutscher, ist in der Schule, oder zu Hause, durch eine
der bei uns gebräuchlichen || üblichen
Unterrichtsarten gegangen, er hat in diesem Unterricht seine
Muttersprache || Deutsch lesen gelernt;
später || . Später liest er Bücher,
Briefe, die Zeitung u.a..
Was geht nun vor sich, wenn er, z.B., die Zeitung liest? ‒ ‒ Seine Augen gleiten, || – wie wir sagen, || – den gedruckten Wörtern || Zeilen entlang, er spricht sie entweder laut aus, – oder sagt sie nur zu sich selbst; & zwar gewisse Wörter, indem er ihre Druckform als Ganzes erfaßt, andere, nachdem sein Auge ihre || die ersten Silben erfaßt hat, andere || einige wieder liest er Silbe für Silbe, & das eine oder andre vielleicht Buchstabe für Buchstabe. – Wir würden auch sagen, er habe einen Satz gelesen, wenn er, während des Lesens weder laut noch zu sich selbst spricht, aber danach im Stande ist, den Satz wörtlich, oder annähernd, wiederzugeben. – Er kann auf das achten, was er liest, oder aber || auch – wie wir sagen könnten – als bloße Lesemaschine funktionieren, ich meine, laut, & richtig, lesen, ohne auf die Worte, die er || das, was er liest, zu achten, – vielleicht, während seine Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes gerichtet ist (so daß er nicht im Stande ist, zu sagen, was er gelesen hat, wenn wir ihn gleich darauf fragen). – Vergleiche nun mit diesem || solch einem Leser einen Anfänger. Er liest die Wörter, indem 140 er sie, mit Anstrengung,
buchstabiert || sie mühsam buchstabiert. –
Einige Wörter aber errät er einfach aus dem
Zusammenhang; oder er weiß das Lesestück vielleicht zum
Teil schon auswendig. –
Der Lehrer sagt in
so einem Fall dann, daß er || der
Schüler die Wörter nicht wirklich liest || dann, daß er die Wörter nicht
wirklich liest || , er läse
die Worte nicht wirklich (& in gewissen
Fällen, || : daß er nur vorgibt, sie zu
lesen).
Wenn wir an dieses Lesen, an das Lesen des Anfängers, denken, & uns fragen, worin Lesen besteht, werden wir geneigt sein, zu sagen, || : es sei eine besondere bewußte geistige Tätigkeit. Wir sagen von diesem || dem Schüler aber auch: “Nur er weiß natürlich, ob er wirklich liest, oder die Worte nur || bloß auswendig sagt.” (Von dieser Art Satz || Über diese Aussagen: “Nur er weiß, …” || muß später noch viel geredet werden. || werden wir noch Vieles reden müssen.) Ich will aber sagen, || : wir müssen zugeben, daß beim Aussprechen irgend eines der gedruckten Wörter im || – was das Aussprechen irgend eines der gedruckten Wörter betrifft – im Bewußtsein des Schülers, der ‘vorgibt’, es zu lesen, das Gleiche stattfinden kann, wie im Bewußtsein des geübten Lesers, der es ‘liest’. Das Wort “lesen” wird anders angewandt, wenn wir vom Anfänger – & wenn wir vom geübten Leser sprechen. – – || – Wir möchten nun freilich sagen: Was im Geiste des Anfängers & was im Geiste des geübten Lesers || was im geübten Leser & was im Anfänger vor sich geht, wenn sie das Wort aussprechen, kann nicht dasselbe || das Gleiche sein. Und wenn der || ein Unterschied nicht in dem liegt, was ihnen gerade bewußt ist, so liegt er im Unbewußten des Geistes. || Und wenn kein Unterschied in dem wäre, was ihnen 141 gerade bewußt ist, so im
unbewußten Arbeiten ihres Geistes, || ;
– oder auch im Gehirn.
¤16
– Wir möchten also sagen: Hier sind jedenfalls zwei verschiedene Mechanismen! Was || Und was in ihnen || denen vorgeht, (das) unterscheidet Lesen von Nicht-lesen, ob ich nun in sie hineinsehen kann, oder nicht. || unterscheidet Lesen von Nicht-lesen || muß Lesen von Nicht-lesen unterscheiden. – Aber diese Mechanismen sind doch nur Hypothesen; Modelle || Konstruktionen zur Erklärung, zur Zusammenfassung dessen, was Du wahrnimmst. |
154
Überlege Dir
folgenden Fall: Denke dir, es
würden Menschen, oder auch andere Wesen, von uns || : Menschen, oder andere Wesen,
würden von uns als Lesemaschinen benützt.
Sie werden zu diesem Zweck abgerichtet.
Der,
welcher sie abrichtet, sagt von Einigen, sie können || könnten || könnten schon lesen,
– von Andern, sie können || könnten || können es noch
nicht.
Nimm den Fall eines Schülers, der bisher nicht
mitgetan hat: zeigt man ihm ein gedrucktes || geschriebenes Wort, so wird er
manchmal irgendwelche Laute hervorbringen,
& hie und da geschieht es dann
‘zufällig’, daß sie ungefähr
stimmen.
Ein Dritter hört diesen Schüler in so
einem Moment || Fall & sagt:
“Er liest”.
Aber der Lehrer
sagt: “Nein, er liest nicht; es war nur ein
Zufall.” –
Nehmen wir aber an, dieser
Schüler, wenn ihm nun weitere Wörter vorgelegt werden,
reagiert auf sie fortgesetzt richtig.
Nach einiger Zeit
sagt der Lehrer: “Jetzt kann er
lesen!” –
Aber wie war es mit jenem ersten
Wort?
Soll der Lehrer sagen: “Ich
hatte mich geirrt, er hat es doch gelesen” –
oder soll er sagen: “Er hat erst
später angefangen, wirklich zu lesen”? –
Wann hat er angefangen, zu lesen?
Welches ist
das erste Wort, das er gelesen hat?
Diese Frage
ist 142 hier sinnlos.
Es sei denn, wir erklärten: “Das erste
Wort, das || was Einer
‘liest’, ist das erste Wort der ersten Reihe von 50
Wörtern, die er richtig liest” (oder
dergl.). |
155
Verwenden wir aber || dagegen “lesen” um ein gewisses Erlebnis
des Lesenden zu bezeichnen beim Übergang || Verwenden wir aber “Lesen” für ein
gewisses Erlebnis des Übergangs vom
Lautzeichen || Zeichen zum
gesprochenen Laut, dann hat es wohl Sinn, von einem
ersten Wort zu sprechen, das er wirklich gelesen
hat.
Er kann dann (etwa)
sagen: “Bei diesem Worte hatte ich zum
ersten Male das Gefühl, ‘jetzt lese
ich’.” |
156
Oder aber in dem hievon
verschiedenen Fall einer Lesemaschine, die, etwa nach Art des
Pianolas, Zeichen in Laute übersetzt, könnte man
sagen: “Erst nachdem dies & dies an der
Maschine geschehen war – etwa die & die Teile durch
Drähte verbunden worden waren – hat die Maschine
gelesen; das erste Zeichen, welches sie gelesen hat, war
….” |
157
Im Falle der lebenden Lesemaschine aber || aber der
lebenden Lesemaschine hieß
“lesen”: so & so auf
Schriftzeichen reagieren.
Dieser Begriff war also
ganz unabhängig von dem eines seelischen, oder andern,
Mechanismus. –
Der Lehrer kann hier auch vom
Abgerichteten nicht sagen: “Vielleicht hat er
dieses Wort schon gelesen.”.
Denn es
ist ja kein Zweifel über das, was er getan hat. –
Die Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war
die || eine Veränderung seines
Verhaltens; & vom || von einem
‘ersten Wort im neuen Zustand’ zu reden, hat hier
keinen Sinn. |
158
Aber liegt dies nicht nur an 143 unserer Unkenntnis || zu
geringen Kenntnis der Vorgänge im Gehirn & im
Nervensystem?
Wenn wir diese genauer kennten,
würden wir sehen, welche Verbindungen durch das Abrichten
hergestellt worden waren & wir könnten dann, wenn
wir ihm ins Gehirn sähen, sagen:
‘Dieses Wort hat er jetzt gelesen,
jetzt war die Leseverbindung
hergestellt’.” –
Und das
muß wohl so sein – || , –
denn wie könnten wir sonst so sicher sein, daß
eine solche Verbindung besteht || es eine
solche Verbindung gibt?
Das ist wohl a
priori so, – oder ist es nur wahrscheinlich? –
Und wie wahrscheinlich ist es denn?
Frage Dich
doch, was weißt Du denn von
diesen Sachen?! –
Ist es aber a
priori, nun dann heißt das, daß es eine
(Dir || uns) sehr
einleuchtende Darstellungsform ist. |
159
Aber wir sind, wenn
wir darüber nachdenken, versucht zu sagen: das einzig
wirkliche Kriterium dafür, ob || daß
er || Einer liest,
ist der bewußte Akt des Lesens, des Ablesens der Laute von den
Buchstaben.
“Ein Mensch weiß doch, ob
er liest, oder nur vorgibt, zu lesen!” –
Angenommen, A will den B glauben machen, er
könne kyrillische Schrift lesen.
Er lernt einen russischen Satz auswendig & sagt ihn dann,
während || indem er auf den gedruckten Satz sieht, || die
gedruckten Wörter ansieht als läse er
sie.
Wir werden hier gewiß
sagen, A wisse, daß er nicht
liest, || , & er empfinde,
während er zu lesen vorgibt, eben dies.
Denn es
gibt natürlich eine Menge für das Lesen eines Satzes im
Druck mehr oder weniger charakteristischer Empfindungen;
es ist nicht schwer, sich 144 solche ins Gedächtnis
zu rufen; denke an Empfindungen des Stockens, genaueren Hinsehens,
Verlesens, der größeren & geringeren
Geläufigkeit der Wörter || Wortfolgen, u.a..
Und
ebenso gibt es charakteristische Empfindungen für
das Aufsagen von etwas
Auswendiggelerntem.
Und A wird
in unserm Fall keine von den Empfindungen haben, die für das
Lesen charakteristisch sind & er wird etwa eine Reihe von
Empfindungen haben, die für das Schwindeln charakteristisch
sind. |
160
Denke Dir
nun aber diesen Fall: Wir geben Einem, der
fließend lesen kann, etwas zu lesen,
was || ein Stück zu lesen, das || einen
Text zu lesen, den er nie zuvor gesehen
hat.
Er liest ihn uns vor; aber mit der Empfindung,
als sage er etwas Auswendiggelerntes her (dies
könnte die Wirkung irgend eines Giftes sein).
Würden wir in einem solchen Falle sagen, er läse das
Stück nicht wirklich?
Würden wir hier also
seine Empfindungen als Kriterium dafür gelten lassen, ob er
liest oder nicht? |
161
Oder aber: Wenn man einem Menschen, der
unter dem Einfluß eines bestimmten Giftes steht, eine Reihe
von Schriftzeichen vorlegt, die aber keinem existierenden
Alphabet angehören müssen || anzugehören brauchen, so spricht er nach der Anzahl
der Zeichen Wörter aus, so als wären die Zeichen Buchstaben,
& zwar mit allen äußeren Merkmalen & mit
den Empfindungen des Lesens.
(Solche || Ähnliche Erfahrungen haben wir in
Träumen; nach dem Aufwachen sagt man dann etwa:
“Es kam mir 145 vor, als läse ich die Zeichen,
– obwohl es gar keine Zeichen waren.”)
In
so einem Fall würden Manche geneigt sein, zu
sagen, der Mensch lese diese Zeichen; Andere, er lese sie nicht. –
Angenommen, er
habe auf diese Weise eine Gruppe von vier Zeichen als
“OBEN” gelesen (oder gedeutet); nun
zeigen wir ihm die gleichen Zeichen in umgekehrter Reihenfolge
& er liest “NEBO” & so
behält er bei weiteren Versuchen immer die gleiche Deutung
bei: hier wären wir wohl geneigt zu sagen, er lege
sich ad hoc ein Alphabet zurecht & lese dann
danach. |
162
Bedenke
nun auch, daß es eine kontinuierliche Reihe von
Übergängen gibt zwischen dem Falle, in welchem jemand
das auswendig hersagt, was er lesen soll, & dem, in
welchem er jedes Wort Buchstabe für Buchstaben liest, ohne
jede Hilfe des Erratens aus dem Zusammenhang, oder des
Auswendigwissens.
Mache diesen Versuch: Sage die Zahlenreihe von 1 bis 12. – Nun schau auf das Zifferblatt Deiner Uhr & lies diese Reihe. – Was hast Du in diesem Falle “lesen” genannt? Das heißt: was hast Du getan, um es zum Lesen zu machen? |
163
Versuchen wir noch
diese Erklärung: Jemand liest, wenn er seine
Reproduktion von der Vorlage ableitet.
Und
‘Vorlage’ nenne ich den Text, den || welchen er liest, oder abschreibt, aber auch || oder das Diktat, nach welchem || wonach
er schreibt, die Partitur, die er spielt, etc.
etc..–
Wenn wir nun
z.B. jemand das
kyrillische 146 Alphabet gelehrt hätten und wie
jeder Buchstabe auszusprechen sei; wenn wir ihm dann ein
Lesestück vorlegen & er buchstabiert || liest es, indem er jeden Buchstaben so ausspricht, wie
wir es ihn gelehrt haben; dann werden wir gewiß || wohl sagen || sagen
können, er leite den Klang jedes || eines Wortes vom Schriftbild mit Hilfe der Regel, die
wir ihm gegeben haben, ab.
(Wir hatten ihn
die Regel des Alphabets gelehrt.) ||
Und
dies ist auch ein klarer Fall des Lesens.)
(Wir könnten sagen, wir haben ihn die ‘Regel
des Alphabets’ gelehrt.) [Verschleiert]17 Aber warum sagen wir, er habe die gesprochenen Worte von den gedruckten (mit Hilfe der Regel des Alphabets) abgeleitet? Wissen wir mehr, als daß wir ihn gelehrt haben, wie jeder Buchstabe auszusprechen sei, & daß er dann die Worte laut gelesen habe? Wir werden vielleicht antworten wollen: er || Der Schüler zeige –, daß er den Übergang von den gedruckten zu den gesprochenen Worten || vom Gedruckten zum Gesprochenen mit Hilfe der Regel || Anleitung macht, die wir ihm gegeben haben. – Wie man dies aber zeigen könne, wird klarer werden, wenn wir unser Beispiel etwas abändern, dahin nämlich || dahin abändern daß der Schüler, statt einen || den gedruckten Text laut zu lesen || vorzulesen, ihn abzuschreiben hat, h., ihn aus der Druckschrift in die Schreibschrift zu übertragen hat; denn in diesem Fall können wir ihm die Regel in Form einer Tabelle geben; in einer Kolumne stehen die Druckbuchstaben, in der andern die Kursivbuchstaben. Und daß er die Schrift vom Gedruckten ableitet, zeigt sich darin, daß er in der Tabelle nachsieht. |
164
Aber wie, wenn er dies
täte, & dabei immer ein A immer in
ein b, ein B in ein c,
ein C in 147 ein d umschriebe,
u.s.f., & ein
Z in ein a? –
Auch
das würden wir doch ein Ableiten nach der Tabelle
nennen. –
Er gebraucht sie nun – könnten wir
sagen – nach dem Schema
Aber auch || Auch das wäre wohl noch ein Ableiten
nach der Tabelle, wenn der Gebrauch, den er von ihr macht,
durch ein Pfeilschema ohne alle einfache
Regelmäßigkeit
dargestellt würde. || wiedergegeben
ist. –
Aber nimm an, er bleibe nicht bei seiner || einer Art des Transkribierens || zu transkribieren; sondern ändere sie nach einer einfachen Regel: Hat er einmal ein A in ein n umgeschrieben, so schreibt er das nächste A in ein σ, das nächste in ein p um, u.s.w..– Aber wo ist die Grenze zwischen diesem Vorgehen und dem eines regellosen? ⋎ |
165
Im Falle (163) stand die
Bedeutung des Wortes “ableiten” klar vor
uns. –
Aber wir sagten uns, dies sei nur ein ganz
spezieller Fall des Ableitens; eine ganz spezielle Einkleidung; diese
mußte ihm abgestreift werden, wenn wir das Wesen des Ableitens
erkennen wollten.
Nun streiften wir ihm die besonderen
Hüllen ab; aber da zerging || verschwand das
Ableiten selbst. –
Wir
entkleideten die Artischocke ihrer
Blätter || haben die Artischocke ihrer Blätter
entkleidet, um die eigentliche Artischocke zu
finden. || Um die eigentliche Artischocke zu
finden, haben wir sie ihrer Blätter entkleidet.
Denn es war freilich (163) ein spezieller Fall des Ableitens,
aber das Wesentliche des Ableitens148 war nicht unter dem
Äußerlichen || Äußeren
des || dieses Falls versteckt, sondern dieses
‘Äußere’ war || ist ein Glied der || Fall aus
der Familie der Fälle des Ableitens. || , sondern dieses ‘Äußere’
ist || war ein Fall aus der Familie der Fälle des
Ableitens. Und so verwenden wir auch das Wort “Lesen” für eine Familie von Fällen. Und wir verwenden unter verschiedenen Umständen verschiedene Kriterien || wenden unter verschiedenen Umständen verschiedene Kriterien an dafür, daß Einer liest. |
166
“Aber lesen – möchten wir sagen – ist
doch ein ganz bestimmter
Vorgang!
Lies eine Druckseite, dann kannst Du's
sehen, es geht da etwas Besonderes vor sich & höchst
Charakteristisches || Besonderes & höchst
Charakteristisches vor sich || Besonderes vor
& etwas höchst
Charakteristisches.”
Nun, was
geht denn vor, wenn ich den Druck lese?
Ich sehe Wörter im Druck || gedruckte
Wörter & spreche Wörter || sie aus.
Aber das ist natürlich
nicht alles, denn ich könnte gedruckte Wörter sehen
& Wörter aussprechen & es wäre doch nicht
Lesen.
Auch dann nicht, wenn die Wörter, die ich
spreche, die sind, welche || die man, nach || zufolge einem bestehenden Alphabet, von jenen gedruckten
ablesen soll. –
Und wenn Du sagst, das Lesen
sei ein bestimmtes Erlebnis, so spielt es ja gar keine Rolle, ob
Du nach einer von Menschen allgemein anerkannten Regel
des || eines Alphabets liest oder
nicht. –
Worin besteht also das Charakteristische am
Erlebnis des Lesens? –
Da möchte ich
sagen: “Das Gesprochene kommt || Die Worte, die ich ausspreche,
kommen in besonderer Weise.”
Nämlich die Wörter, die ich spreche, kommen || sie kommen nicht so, wie sie kämen, wenn ich
sie z.B. 149 ersänne. –
Sie
kommen von selbst. –
Aber auch das ist nicht genug;
denn es können mir ja
gesprochene Wörter || Lautzeichen || Wortklänge
einfallen, während ich auf die gedruckten
Worte schaue, & ich habe damit diese doch
nicht gelesen. –
Da könnte ich noch sagen,
daß mir die gesprochenen Wörter auch nicht so einfallen, als
erinnerte mich, z.B., etwas an sie.
Ich möchte z.B. nicht sagen:
‘das Druckwort “nichts” erinnert mich
immer an den Laut “nichts”. –
Sondern die gesprochenen Wörter schlüpfen beim Lesen
gleichsam herein.
Ja, ich kann ein gedrucktes deutsches || deutsches
gedrucktes Wort gar nicht ansehen, ohne einen
eigentümlichen Vorgang des innern Hörens des
Klanges || Wortklangs. |
168
Was ist nun an
dem Satz, das Lesen sei doch ‘ein ganz bestimmter
Vorgang’?
Das heißt doch wohl, beim Lesen
finde immer ein bestimmter Vorgang statt, den wir
wiedererkennen. –
Aber wenn ich nun
einmal einen deutschen Satz im Druck lese &
einandermal nach Noten
Klavier spiele, – ||
einen Satz im Druck lese &
einandermal nach Morsezeichen schreibe,
– findet hier wirklich der gleiche seelische
Vorgang statt? ‒ ‒
Dahingegen ist aber freilich
eine Gleichförmigkeit im || in dem Erlebnis
des Lesens einer Druckseite!
Denn der Vorgang ist ja ein
gleichförmiger.
Und es ist ja leicht
verständlich, daß sich dieser Vorgang151 unterscheidet von dem
etwa, sechs Wörter beim Anblick beliebiger Striche
einfallen zu lassen. –
Denn schon der bloße Anblick
einer gedruckten Zeile ist (ja) ungemein
charakteristisch, d.h., ein ganz
spezielles Bild: Die Buchstaben alle von
ungefähr der gleichen Größe, auch der Gestalt
nach verwandt, immer wiederkehrend; die
Wörter, die sich, zum großen Teil, || die Wörter, die
zum großen Teil sich ständig wiederholen &
uns unendlich wohlvertraut sind, ganz wie wohlvertraute
Gesichter. –
Denke an das Unbehagen, das wir
empfinden, wenn die Rechtschreibung eines Wortes geändert
wird (auch || & an die noch tieferen
Gefühle, die Fragen der Schreibung von Wörtern aufgeregt
haben).
Freilich, nicht jede Zeichenform hat sich uns
tief eingeprägt.
Ein Zeichen, wie
Russells
“~” für die Verneinung, kann
durch irgendein anderes
Zeichen || ein beliebiges andere ersetzt werden, ohne
daß dadurch etwas in uns
aufgeregt würde || tiefe Gefühle in uns aufgeregt
würden. –
Bedenke,
daß das gesehene Wortbild uns in ähnlicher Weise vertraut ist,
wie das gehörte. |
169
Auch gleitet der Blick
anders über die gedruckte Zeile, als über eine
Reihe beliebiger Haken & Schnörkel.
(Ich
rede hier aber nicht von dem, was durch Beobachtung der Augenbewegung
des Lesenden festgestellt werden kann.)
Der Blick
gleitet, möchte man sagen, besonders widerstandslos:
ohne hängen zu bleiben, – & doch rutscht er
nicht.
Und dabei geht ein unwillkürliches Sprechen in
der Vorstellung vor sich.
Und so verhält es sich, wenn
ich Deutsch & andere 152 Sprachen lese, gedruckt oder
geschrieben, & in verschiedenen Schriftformen. –
Aber was || Was
aber von dem allen ist für das Lesen als solches
wesentlich?
Nicht ein Zug, der in allen Fällen des
Lesens vorkäme! (Vergleiche18 mit dem Vorgang beim Lesen unsrer || der gewöhnlichen Druckschrift das Lesen von Worten, die ganz in Großbuchstaben gedruckt sind, wie manchmal die Auflösungen von Rätseln. Welch anderer Vorgang! Oder lies unsre || das Lesen unserer Schrift von rechts nach links.) |
170
Aber empfinden wir nicht, wenn
wir lesen, eine Art Verursachung unseres Sprechens durch die
Wortbilder?
Lies einen Satz, || ! – und nun schau der Reihe
entlang &
sprich dabei einen Satz.
Ist es nicht klar || fühlbar, daß im ersten Fall das Sprechen mit dem
Anblick der Zeichen verbunden war & im zweiten ohne
Verbindung neben dem Sehen der Zeichen
herläuft?
Aber warum sagst Du, wir fühlten eine Verursachung? Verursachung ist doch das, was wir durch Experimente feststellen, indem wir (beiläufig gesprochen) das regelmäßige Zusammentreffen von Vorgängen beobachten. Wie könnte ich denn sagen, daß ich das, was so durch Versuche festgestellt wird, fühle? (Hiervon muß noch später die Rede sein. || müssen wir später noch sprechen.) Eher noch könnte man sagen, ich fühle, daß die Buchstaben der Grund sind, warum ich so & so lese. Denn, wenn mich jemand fragt: “Warum liest Du so? – 153 so begründe ich es durch die
Buchstaben, welche da stehen.
Aber was soll es heißen, diese Begründung, die ich ausgesprochen, gedacht, habe, zu fühlen? Ich möchte sagen: ich fühle beim Lesen einen gewissen Einfluß der Buchstaben auf mich, aber nicht einen Einfluß jener Reihe beliebiger Schnörkel auf das, was ich rede. – Vergleichen wir wieder einen einzelnen Buchstaben mit einem solchen Schnörkel. Würde ich auch sagen, ich fühle den Einfluß von ‘i’, wenn ich diesen Buchstaben lese? Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich beim Anblicken von ‘i’ den Laut i sage, oder beim Anblick von ‘ + ’. Der Unterschied ist, daß beim Anblick des Buchstaben das innere Hören des i-Lauts automatisch, ja gegen meinen Willen, geschieht || vor sich geht; & wenn ich den Buchstaben laut lese, sein Aussprechen anstrengungsloser geschieht || ist, als beim Anblick von ‘ + ’. Das heißt: – es verhält sich so, wenn ich den Versuch mache; – aber natürlich nicht, wenn ich, zufällig auf das Zeichen ‘ + ’ blickend, etwa ein Wort ausspreche, in welchem der i-Laut vorkommt. |
171
Wir wären ja nie auf den
Gedanken gekommen, wir fühlten einen Einfluß
der Buchstaben auf uns beim Lesen, wenn wir nicht den Fall der
Buchstaben mit dem beliebiger Striche verglichen hätten.
Und hier merken wir allerdings einen Unterschied.
Und diesen Unterschied deuten wir als Einfluß – &
Fehlen des Einflusses.
Und zwar sind wir zu dieser Deutung 154 dann besonders geneigt,
wenn wir absichtlich langsam lesen, – etwa um zu sehen, was
denn beim Lesen geschieht.
Wenn wir uns sozusagen recht
absichtlich von den Buchstaben führen lassen.
Aber dieses ‘mich führen lassen’ besteht
eben || wieder nur darin, daß ich mir die Buchstaben
gut anschaue, etwa, gewisse andere Gedanken
ausschalte. –
Überlege Dir hier, was
Du eigentlich tust, wenn Du jemand Dich bei der Hand
(einen Weg) führen läßt.
–
Wir bilden uns ein, wir nähmen durch ein Gefühl, quasi, einen verbindenden Mechanismus wahr zwischen dem Wortbild & dem Laut, den wir sprechen. Denn wenn ich vom Erlebnis des Einflusses, der Verursachung, des Geführtwerdens rede, so soll das ja heißen, daß ich sozusagen die Bewegung der Hebel fühle, die den Anblick der Buchstaben mit dem Sprechen verbinden. |
172
Ich
hätte mein Erlebnis beim Lesen eines Wortes auf verschiedene
Weise treffend || passend in
Worten
malen || Worte
kleiden || ausmalen || fassen können || treffend darstellen können || treffend durch Worte ausdrücken
können.
[Das Wort “darstellen” ist zu abstrakt]
So könnte ich sagen, daß mir das
Geschriebene das was ich sage || das Geschriebene mir die
Laute eingebe. –
Aber ich hätte auch sagen können, || auch dies: daß beim
Lesen der Buchstabe und der Laut eine eigentümliche || besondere || sonderbare || Buchstabe und Laut für
uns || beim Lesen eine Einheit bilden, –
gleichsam eine Legierung.
(Eine ähnliche Verschmelzung besteht
für manchen || gibt es
z.B. zwischen den Gesichtern
berühmter Männer & dem Klang 155 ihrer Namen.
Es kommt uns dann || etwa so vor, als sei
z.B., der Name
Schubert der || Es
kommt uns vor, der || dieser Name
Schubertz.B. sei || sei der
einzig richtige Ausdruck für dieses
Gesicht || Der Name Schubert z.B. scheint der einzig richtige
Ausdruck für dieses Gesicht zu sein.)
Wenn
ich diese Einheit fühle, könnte ich
sagen, || : ich sehe, oder höre
den Laut im || in dem geschriebenen Wort; oder
auch: das Aussprechen sei || ist ein
Teil der Wahrnehmung des Zeichens.
[der Nachsatz ist wahrscheinlich wegzulassen.]
Aber jetzt lies einmal ein paar Sätze im Druck, so wie Du's gewöhnlich tust, wenn Du nicht an den Begriff des Lesens denkst; & dann || nun frage Dich, ob Du beim Lesen solche Erlebnisse der Einheit, des Einflusses, etc., gehabt hast. – Sag nicht, Du habest sie unbewußt gehabt. Auch lassen wir uns nicht durch das Bild verleiten: ‘Beim nähern Hinsehen’ zeigen sich diese Erscheinungen. Wenn ich beschreiben soll, wie ein Gegenstand aus der Ferne ausschaut, so wird diese Beschreibung nicht genauer, dadurch, daß ich sage, was beim Hinsehen aus der Nähe an ihm zu sehen ist. || bei näherem Hinsehen an ihm zu bemerken ist. |
173
Denken wir
nochmals || nocheinmal an das Erlebnis des
Geführtwerdens!
Fragen wir
uns: Worin besteht das Erlebnis des
Geführtwerdens, wenn || dieses Erlebnis, wenn
wir z.B. einen
Weg geführt werden?
Denke
Dir diese Fälle || Stelle Dir diese Fälle
vor: Du bist auf einem Spielplatz (vielleicht mit verbundenen Augen) & wirst von jemand an der Hand geleitet, bald links, bald rechts – Du mußt immer des Zuges seiner Hand gewärtig sein & etwa achtgeben, daß Du bei einem unerwarteten Zug || Ruck nicht stolperst. Oder aber: – Du wirst von jemandem an der 156 Hand mit Gewalt dahin
geschleppt || geführt, wo Du nicht
hingehen || hin
willst.
Oder: Du wirst im Tanz von einem Partner geführt; Du stellst Dich so rezeptiv als möglich ein || machst Dich so rezeptiv wie möglich, um seine Absicht zu erraten & dem leisesten Drucke zu folgen. Oder: || , Jemand führt Dich einen Spazierweg. || ; Ihr geht im Gespräch; wo immer er geht, gehst Du auch. Oder: Du gehst eine Straße entlang (& wirst von ihr geführt). Alle diese Situationen sind einander ähnlich; aber was ist allen den Erlebnissen gemeinsam? |
174
“Aber
Geführtwerden ist doch ein bestimmtes
Erlebnis.” – Über diesen Gebrauch
des Wortes ‘bestimmt’ später. –
Aber es ist jedenfalls nicht immer dasselbe Erlebnis.
Die Antwort darauf ist || Und
¤ sagst Du, es sei ein bestimmtes
Erlebnis, so ist die Antwort: || Wenn du aber sagst, Geführtwerden
sei doch ein bestimmtes Erlebnis, so ist die
Antwort: Du denkst
jetzt an ein bestimmtes Erlebnis des
Geführtwerdens.
Wenn ich mir das Erlebnis dessen vergegenwärtigen will, der in (163) durch einen || den gedruckten Text & eine || die Tabelle beim Schreiben geführt wird, so stelle ich mir das ‘gewissenhafte’ Nachsehen, etc. vor. Ich nehme dabei sogar einen bestimmten Gesichtsausdruck an (den z.B. eines gewissenhaften Buchhalters). An diesem Bild ist z.B. die Sorgfalt sehr wesentlich; an einem andern wieder das Ausschalten jedes eigenen Willens. (Denke Dir aber, daß jemand das, was || Dinge, die der gewöhnliche Mensch mit den Zeichen der Unachtsamkeit tut, mit dem Ausdruck – & 157 warum nicht mit den
Empfindungen? – der Sorgfalt begleitet. –
Ist er nun sorgfältig?
–)
Stelle ich mir nun so einen bestimmten Vorgang
lebendig vor, so erscheint er || Vergegenwärtige ich mir so
ein bestimmtes Erlebnis, so erscheint es mir als das
Erlebnis des Geführtwerdens – (oder
Lesens).
Nun aber frage ich mich:
“Was tust Du? – Du schaust auf jedes
Zeichen, Du machst dieses Gesicht dabei || dazu, Du ziehst || schreibst die
Buchstaben langsam || mit Bedacht
(u.dgl.) –
Das ist also das Erlebnis des
Geführtwerdens?”
Da möchte ich
sagen. “Nein, das ist es nicht; es ist etwas
Innerlicheres, Wesentlicheres.” –
Es ist, als
ob zuerst all diese mehr oder weniger unwesentlichen Vorgänge in
eine bestimmte Atmosphäre gekleidet wären, die sich nun
verflüchtigt, wenn ich genau hinschaue. |
175
Frage Dich, wie Du
‘mit Bedacht’ eine Strecke parallel zu
einer gegebenen Strecke ziehst, ein andermal mit Bedacht in einem
Winkel zu ihr.
Was ist das Erlebnis des
Bedachts?
Da fällt Dir gleich eine bestimmte Miene,
eine Gebärde ein, – & dann möchtest Du
sagen: “& es ist eben ein bestimmtes
inneres Erlebnis”.
(Womit Du natürlich gar
nichts mehr gesagt hast.)
(Du merkst einen Zusammenhang mit der Frage nach dem Wesen der Absicht, des Willens.) |
176
Mache einen beliebigen Fahrer auf dem Papier
& nun
zeichne ihn daneben nach, laß Dich von ihm führen. –
Ich möchte sagen:
“Gewiß! 158 ich habe mich jetzt
führen lassen.
Aber was dabei Charakteristisches
geschehen ist –?
Wenn ich sage, was geschehen ist,
so kommt es mir nicht mehr charakteristisch vor.”
Aber nun merke ich dies: Während ich mich führen lasse, ist alles ganz einfach, ich merke nichts Besonderes; aber danach, wenn ich mich frage, was damals geschehen ist, so scheint es etwas Unbeschreibbares gewesen zu sein. Danach genügt mir keine Beschreibung. Ich kann, sozusagen, nicht glauben, daß ich bloß hingeschaut, das Gesicht gemacht, den Strich gezogen habe. – Aber erinnere ich mich denn an etwas anderes? Nein; & doch kommt mir vor, als müsse etwas anderes gewesen sein; & zwar dann, wenn ich mir dabei das Wort “führen”, “Einfluß”, & andere, vorsage || sage. ‘Denn ich bin doch geführt worden’, sage ich mir. – Dann erst tritt die Idee jenes ätherischen, ungreifbaren, Einflusses auf. |
177
Ich habe, wenn ich
nachträglich über das Erlebnis denke, das Gefühl,
daß das Wesentliche an ihm das ‘Erlebnis eines
Einflusses’, einer Verbindung ist, im
Gegensatz zu irgend einer bloßen
Gleichzeitigkeit von Phänomenen: Zugleich aber
möchte ich kein erlebtes Phänomen “Erlebnis des
Einflusses” nennen.
(Hier liegt die Idee:
der Wille ist keine Erscheinung.)
Ich
möchte sagen; || , ich hätte das
‘Weil’ erlebt; & doch will ich
keine Erscheinung “Erlebnis des Weil”
nennen.
159 |
178
Vergleiche
damit diesen Fall: Jemand soll sagen, was er fühlt,
wenn ihm ein Gewicht auf der flachen Hand ruht. –
Ich
kann mir nun vorstellen, daß hier ein Zwiespalt
entsteht: Einerseits sagt er sich, was er
fühlt || fühle sei ein Druck || eine Pressung
gegen die Handfläche & eine Spannung in den Muskeln
seines Arms; anderseits will er sagen: “aber das ist
doch nicht alles; ich empfinde doch einen Zug, ein
Streben des Gewichts nach unten!” –
Empfindet er denn wirklich ein solches
‘Streben’?
Ja: –
wenn er nämlich an das ‘Streben’
denkt.
Mit dem Wort “Streben”
ist hier
ein bestimmtes Bild, eine Geste, ein Tonfall, verbunden || geht hier
ein bestimmtes Bild, eine Geste || ein Gesichtsausdruck, ein
Tonfall; & in diesem bist
Du geneigt das Erlebnis des Strebens zu sehen || siehst Du das
Erlebnis des Strebens.
(Denke auch daran: manche Leute sagen, von dem & dem ‘gehe ein Fluidum aus’. – Daher fiel uns auch das Wort “Einfluß” ein. –) |
179
Ich möchte sagen:
“ich erlebe das Weil”
–– || , aber nicht, weil ich mich an
dieses Erlebnis erinnere; sondern, weil ich beim Nachdenken
über das || darüber, was ich in einem
solchen Fall erlebe, dies || dieses durch das Medium
des Begriffes ‘weil’ (oder
‘Einfluß’, oder
‘Ursache’, oder
‘Verbindung’) anschaue. –
Denn es
ist freilich richtig, zu sagen, ich habe diese Linie unter dem
Einfluß der Vorlage gezogen: dies liegt aber nicht
einfach in dem, was ich beim Ziehen der Linie empfinde – sondern
auch || unter Umständen
(z.B.) darin, daß ich sie der andern
parallel ziehe – obwohl auch das natürlich || wieder für das Geführtwerden nicht 160 allgemein wesentlich ist. – |
180
Wir sagen
auch: “Du siehst ja, daß ich mich von ihr
führen lasse”; & was sieht der, der das
sieht?
Wenn ich zu mir selbst sage: “Ich werde doch geführt”, so mache ich etwa eine Geste || (Handbewegung) dazu, die das Führen ausdrückt. – Mache eine solche Handbewegung, gleichsam als leitetest Du jemand entlang, & frage Dich dann, worin das Führende dieser Bewegung besteht. Denn Du hast hier ja doch niemand geführt; – & doch möchtest Du die Bewegung eine ‘führende’ nennen. Also war in dieser Bewegung, & der sie begleitenden Empfindung, nicht das Wesen des Führens enthalten & doch drängte es Dich diese Bezeichnung zu gebrauchen. Es ist eben eine Erscheinungsform des Führens, die Dir diesen Ausdruck aufdrängt. |
Es ist klar: wir würden nicht
sagen, daß B nun weiter wisse, die Reihe
fortsetzen könne, wenn || weil ihm die algebraische Formel eingefallen ist, wenn
nicht erfahrungsmäßig ein Zusammenhang bestünde
zwischen dem Einfallen (Aussprechen, Anschreiben) der
Formel & dem tatsächlichen Fortsetzen der
Reihe. |
181
Kehren wir zu unserm Fall
⇒(150)
⇒132
zurück.
Es ist klar: wir würden nicht
sagen, B habe ein Recht, die Worte, “jetzt weiß ich
weiter”, zu gebrauchen, wenn || weil ihm
161 die Formel
einfällt || eingefallen ist, – wenn nicht
erfahrungsmäßig ein Zusammenhang bestünde,
zwischen dem Einfallen – Aussprechen, Anschreiben – der
Formel & dem tatsächlichen Fortsetzen der Reihe.
–
Und so ein Zusammenhang besteht ja
offenbar. –
Und nun könnte man meinen, der Satz
“ich kann fortsetzen” sage
eigentlich || soviel wie: “ich habe ein
Erlebnis, welches erfahrungsgemäß zum Fortsetzen der Reihe
führt”.
Aber meint das B, wenn er sagt
“ich kann fortsetzen”?
Schwebt ihm
jener Satz dabei im Geiste vor, oder ist er bereit, ihn als
Erklärung dessen, was er meint, zu geben?
Nein. – Die Worte “jetzt weiß ich weiter” waren richtig angewandt, wenn ihm die Formel eingefallen war: nämlich unter gewissen Umständen – z.B., wenn er Algebra gelernt, solche Formeln schon früher benutzt hatte. – Das heißt aber nicht, jene Aussage sei nur eine Abkürzung für die Beschreibung sämtlicher Umstände, die den Hintergrund || Schauplatz unseres Sprachspiels bilden. – Denke daran, wie man solche || wir jene Ausdrücke, wie “jetzt weiß ich weiter”, “jetzt kann ich fortsetzen”, u.s.f. || u.a., gebrauchen lernen || – in welcher Familie von Sprachspielen wir ihren Gebrauch lernen. Wir können uns auch den Fall vorstellen, daß im Geist des B gar nichts anderes vorfiel, als daß er plötzlich sagte: “jetzt weiß ich weiter” – etwa mit einem Gefühl der Erleichterung, & daß 162 er nun die Reihe tatsächlich
fortrechnet, ohne die Formel zu benützen.
Und auch in
diesem Falle würden wir – unter gewissen
Umständen – sagen, er habe weiter gewußt.
So werden diese Worte gebraucht. Es wäre in diesem letzteren Fall z.B. ganz irreleitend, sie die ‘Beschreibung eines Geisteszustandes’ zu nennen. – Eher könnte man sie hier ein ‘Signal’ nennen; & ob es richtig angewendet war, beurteilen wir nach dem, was er weiter tut. |
182
Um dies zu verstehen,
müssen wir uns auch folgendes
überlegen: Angenommen B sagt, er wisse weiter
– wenn er aber dann || nun fortsetzen will, stockt
er & kann es nicht, || :
sollen wir dann sagen, er habe mit Unrecht gesagt, er könne
fortsetzen, oder aber: er hätte damals fortsetzen
können, nur jetzt könne er es nicht? –
Es
ist klar, daß wir in verschiedenen Fällen
Verschiedenes sagen werden.
(Überlege Dir beide Arten von Fällen.)
|
183
Sollen wir aber
nun sagen, daß im Fall (150) der Satz
“Jetzt kann ich fortsetzen”
dasselbe geheißen habe, wie
“Mir ist || Jetzt ist
mir die Formel eingefallen”, || Wie
aber, – hat nun der Satz “jetzt kann ich
fortsetzen” im Fall (150) das Gleiche geheißen, wie,
“jetzt ist mir die Formel eingefallen”, oder etwas
anderes?
Wir können sagen, daß
der zweite || dieser Satz, unter diesen Umständen,
den gleichen Sinn habe, wie der erste || jener.
Aber auch, daß, allgemein, diese beiden Sätze
nicht den gleichen Sinn 163 haben.
Wir sagen auch: “Jetzt kann ich fortsetzen, – ich meine, || : ich weiß die Formel”; wie wir sagen: “Ich kann den Weg machen || gehen, d.h., ich habe Zeit”; aber auch: “Ich kann den Weg machen || gehen, d.h., ich bin schon stark genug”, || ; etc. oder: “Ich kann gehen, – was den Zustand meines Beines anbelangt”. || ; Wenn || wenn wir nämlich diese Bedingung des Gehens, andern Bedingungen entgegensetzen. Hier müssen wir uns aber hüten, zu glauben, es gäbe, || , entsprechend der Natur des Falles, eine Gesamtheit aller Bedingungen – z.B. dafür, daß einer geht – so daß er, sozusagen, nicht anders als gehen könnte, wenn sie alle erfüllt sind. |
184
Ich will mich an eine Melodie
erinnern & kann's
nicht || sie fällt mir nicht ein; plötzlich sage
ich, “Jetzt weiß
ich sie || ich's!”, & singe
sie: Wie war es, als ich sie plötzlich
wußte?
Sie konnte mir doch nicht in diesem
Moment || in diesem Moment nicht ganz
eingefallen sein! –
Du sagst vielleicht:
“Es ist ein bestimmtes Gefühl, als wäre sie
jetzt da”, || –
aber ist sie jetzt da?
Wie, wenn Du nun
anfängst, sie zu singen & steckenbleibst? –
Ja aber konnte ich nicht doch in diesem Moment
sicher sein, daß ich sie wüßte?
Sie
war also eben doch in irgendeinem Sinne da!
–
Aber in welchem Sinne?
Du sagst
doch eine || wohl, die Melodie sei da, wenn
er sie etwa gesungen, hätte || durchsingt, oder vom Anfang bis zum Ende vor dem
innern Ohr gehört hätte || hört.
Ich leugne natürlich nicht,
daß Du der Aussage, die Melodie sei 164 da, auch einen ganz andern
Sinn geben kannst – z.B. den, ich
hätte einen Zettel, auf dem sie aufgeschrieben ist || steht. –
Und worin besteht es
denn, daß er sicher ist, er wisse sie? –
Du könntest || kannst natürlich
sagen: Wenn jemand mit Überzeugung sagt, jetzt wisse
er die Melodie, so ist sie || sei || stehe sie in diesem Augenblick
(irgendwie) ganz vor seinem Geist; & das ist
hier eine Erklärung der Worte: “die
Melodie steht ganz vor seinem Geist”. |
185
Gehen wir nun zu unserm
Beispiel (143) zurück.
Der Schüler
beherrscht jetzt – nach den gewöhnlichen Kriterien beurteilt
– die Grundzahlenreihe.
Wir lehren ihn nun auch
andere Reihen von Kardinalzahlen anschreiben & bringen
ihn dahin, daß er z.B. auf
einen Befehl || Befehle von der Form “ + n”
eine Reihe || Reihen anschreibt von der Form 0, n, 2n, 3n,
etc., auf den Befehl “ + 1” aber
die Grundzahlenreihe. –
Wir hätten unsre
Übungen und Stichproben seines Verständnisses im
Zahlenraum bis 1000 gemacht.
Wir lassen nun den Schüler einmal eine Reihe – etwa ‘ + 2’ – || (etwa ‘ + 2’) über 1000 hinaus fortsetzen, – da schreibt er: 1000, 1004, 1008,
1012.
Wir sagen ihm:
“Schau, was Du machst!” –
Er versteht uns nicht.
Wir
sagen: “Du solltest doch 2 addieren; schau,
wie Du die Reihe begonnen hast!” –
Er
antwortet: “Ja! ist es denn nicht
richtig?
Ich dachte, so soll ich's
machen.”
Oder nimm an, er sagte, auf die Reihe
weisend: “Ich bin doch auf die gleiche Weise
fortgefahren!” –
Es würde uns
nun nichts nützen, zu sagen: 165 “Aber siehst Du denn
nicht …?” – & ihm die alten
Erklärungen & Beispiele zu wiederholen. –
Wir könnten in so einem Falle etwa
sagen: Dieser Mensch versteht von Natur aus jenen Befehl
auf unsre Erklärungen hin so, wie wir den Befehl
verstünden: “Addiere bis 1000 immer 2;
bis 2000, 4; bis 3000, 6; etc.!”
Dieser Fall hätte eine Ähnlichkeit mit dem, || : wenn || daß ein Mensch von Natur aus auf eine zeigende Gebärde so reagierte, daß || indem || Handbewegung damit reagierte, daß er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel schaut || blickt, statt umgekehrt || in der Richtung zur Fingerspitze. || daß ein Mensch auf eine zeigende Gebärde von Natur aus so reagierte, daß || indem er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel blickt, statt umgekehrt || in der Richtung zur Fingerspitze. Verstehen ist hier reagieren. |
186
“Was Du sagst, läuft also wohl darauf hinaus, || : es sei zum richtigen Befolgen des Befehls
‘ + n’ auf jeder Stufe eine neue
Einsicht, || – Intuition –
nötig.” –
Zur richtigen
Befolgung!
Wie wird denn entschieden, welches an einem
bestimmten Punkt der richtige Schritt ist? –
“Der richtige Schritt ist der, welcher mit
dem Befehl – wie er gemeint war –
übereinstimmt.” –
Du hast also zur Zeit,
als Du den Befehl “ + 2” gabst, gemeint, er solle
auf ‘1000’ ‘1002’ schreiben
– || ; – & hast Du damals auch
gemeint, || : er solle auf
‘1866’ ‘1868’ schreiben
(&) auf ‘100034’
‘100036’, & || u.s.f.﹖﹖,
eine unendliche Anzahl solcher Meinungen || Sätze? –
“Nein; ich habe
gemeint: er solle nach jeder Zahl, die er schreibt,
die zweitnächste schreiben; & daraus folgen ihres Orts
alle jene Sätze.” –
Aber es ist ja
gerade die Frage, 166 was, an irgend einem Ort, aus jenem
Satz folgt.
Oder auch: – was wir an irgend einem
Ort “Übereinstimmung” mit jenem Satz nennen
sollen, & || (& auch mit der
Meinung, die Du damals dem Satz gegeben hast, – worin
immer diese bestanden haben mag).
Richtiger, als
zu sagen, es sei an jedem Punkt eine neue Intuition nötig,
wäre es, zu sagen: es sei an jedem Punkt eine neue
Entscheidung nötig.
|
187
“Ich habe aber doch
auch damals, als ich den Befehl gab, schon gewußt,
daß er auf ‘1000’ ‘1002’
schreiben soll!” –
Gewiß; & Du
kannst sogar sagen, Du habest es damals gemeint; nur sollst
Du Dich nicht von der Grammatik der Wörter
“wissen” & “meinen”
irreführen lassen.
Denn Du meinst ja nicht,
daß Du damals an den Übergang von 1000 auf 1002 gedacht hast
– & wenn auch an diesen Übergang, so doch an andre
nicht.
Dein “Ich habe damals schon gewußt
…” heißt etwa: “Hätte man
mich damals gefragt, welche Zahl er nach 1000 schreiben soll, so
hätte ich geantwortet, 1002”.
Und daran
zweifle ich nicht.
Es ist das eine Annahme etwa von der Art
derjenigen || dieser: “Wenn er
damals in's Wasser gefallen wäre,
so wäre ich ihm nachgesprungen.” –
Worin lag nun das Irrige Deiner Idee? |
188
Da möchte ich zuerst
sagen: Deine Idee sei die gewesen, jenes Meinen des
Befehls habe auf seine Weise alle die Übergänge
doch schon gemacht, || : Deine 167 Seele fliegt beim Meinen, gleichsam,
voraus & macht alle Übergänge, ehe Du
körperlich bei dem oder jenem angelangt bist.
Du warst also zu Ausdrücken geneigt, wie: “Die Übergänge sind eigentlich schon gemacht; auch ehe ich sie schriftlich, mündlich, oder auch in Gedanken, mache”. Und es schien, als wären sie in einer einzigartigen Weise vorausbestimmt, antizipiert, || : wie nur das Meinen die Wirklichkeit antizipieren könne. (Und dieser Täuschung werden wir noch öfters begegnen.) |
189
“Aber sind die Übergänge also durch die
algebraische Formel nicht bestimmt?”
–
In der Frage liegt ein Fehler. |
1) See facsimile; arrow pointing to the comma.
2) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.
3) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.
4) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.
5) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.
6) See facsimile; arrow pointing to the comma.
7) For dating see dates of text variants Ms-183,148[1]et149[1]et150[1]et151[1]et152[1]et153[1] and Ms-157a,45r[2]et45v[1]et46r[1]et46v[1]et47r[1] ff.
8) See facsimile; arrow pointing to the comma.
9) See facsimile; there are arrows pointing left, probably indicating that the indentation shall be canceled.
10) See facsimile; arrow pointing left and a bar, probably indicating that the indentation shall be canceled.
11) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.
12) See facsimile; arrow pointing up.
13) See facsimile; arrow pointing left, a question mark and a bar, indicating that the indentation should possibly be canceled.
14) See facsimile; there are arrows marking the point of insertion.
15) See facsimile; there are two arrows pointing to the text.
16) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.
17) See facsimile; there are arrows in front and after the comment.
18) See facsimile; arrow pointing right, probably indicating that the line shall be indented.
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