1.12.
Ein seltsamer Traum. Heute gegen Morgen träumte mir: Ich sehe in der || einer Illustrierten Zeitschrift eine Photographie von Vertsagt der ein viel besprochener Tagesheld ist. Das Bild stellt ihn in seinem Auto dar. Es ist von seinen Schandtaten die Rede; Hänsel steht bei mir und noch jemand anderer ähnlich meinem Bruder Kurt. Dieser sagt daß Vertsag1 ein Jude sei aber
die Erziehung eines reichen schottischen Lords genossen habe jetzt ist er Arbeiterführer. Seinen Namen habe er nicht geändert weil das dort nicht Sitte sei. Es ist mir neu daß Vertsagt den ich mit der Betonung auf der ersten Silbe ausspreche ein Jude ist & ich denke || erkenne daß ja sein Name einfach verzagt heißt. Es fällt mir nicht auf daß es mit „ts” geschrieben ist was ich ein wenig fetter als das übrige gedruckt sehe. Ich denke: muß denn hinter jeder Unanständigkeit ein Jude stecken. Nun bin ich und Hänsel auf der Terrasse eines Hauses etwa des großen Blockhauses auf der Hochreit & auf der Straße kommt in seinem Automobil Vertsag er hat ein böses Gesicht ein wenig rötlich blondes Haar & einen solchen Schnauzbart (er sieht nicht jüdisch aus). Er feuert nach rückwärts mit einem Maschinengewehr auf einen Radfahrer der hinter ihm fährt & sich vor Schmerzen krümmt & der unbarmherzig durch viele Schüsse zu Tode getroffen wird. Vertsag ist vorbei & nun kommt ein junges Mädchen ärmlich aussehend auf einem Rade daher & auch sie empfängt die Schüsse von dem weiterfahrenden Vertsag. Und diese Schüsse die ihre Brust treffen machen ein brodelndes Geräusch wie ein
Kessel in dem sehr wenig Wasser ist über einer Flamme. Ich hatte Mitleid mit dem Mädchen und dachte: nur in Österreich kann es geschehen daß dieses Mädchen kein hilfreiches Mitleid findet und die Leute zusehen wie sie leidet und umgebracht wird. Ich selbst fürchte mich auch davor ihr zu helfen weil ich die Schüsse Vertsag's fürchte. Ich nähere mich ihr, suche aber Deckung hinter einer Planke. Dann erwache ich. Ich muß nachtragen daß in dem Gespräch ¤ mit Hänsel das erst in Anwesenheit des anderen dann nachdem er uns verlassen hat ich mich geniere und nicht sagen will daß ich ja selbst von Juden abstamme oder daß der Fall Vertsag's ja auch mein Fall ist. Nach dem Erwachen komme ich darauf daß ja verzagt nicht mit „ts” geschrieben wird glaube aber sonderbarerweise daß es mit „Pf” geschrieben wird „pferzagt”. Ich habe den Traum gleich nach dem Erwachen notiert. Die Gegend die in dem Traum etwa der Gegend hinter der Hochreiter Kapelle entspricht (die Seite gegen den Windhag) stelle ich mir im Traum als einen steilen bewaldeten Abhang und eine Straße im Tal vor wie ich es in einem anderen Traum gesehen habe. Wie Ähnlich einem Stück der Straße von Gloggnitz nach Schlagl. Als ich das arme Mädchen bedauere sehe ich undeutlich ein
altes Weib welches sie bedauert aber sie nicht zu sich nimmt und ihr hilft. Das Blockhaus auf der Hochreit ist auch nicht deutlich wohl aber die Straße und was auf ihr vorgeht. Ich glaube ich hatte eine Idee daß der Name wie ich ihn im Traume ausspreche „Vért-sagt” ungarisch ist. Der Name hatte für || für mich etwas Böses, Boshaftes, und sehr Männliches.

Editorial notes

1) At the beginning of the dream report, Wittgenstein alternates between "Vertsagt" and "Vertsag".