Mir ist in diesen Tagen etwas Trauriges geschehen: Ich hole immer meine Milch bei der Anna Rebni & ich glaube, ich kann sagen, wir waren vom ersten Augenblick gute Freunde. Mir wenigstens schien & scheint es so. Sie war immer sehr freundlich mit mir & ich in meiner Weise mit ihr. Vor ca. 2 Monaten
(oder schon vorher?) merkte ich eine Veränderung ihres Benehmens gegen mich. Aber ich war gar nicht sicher, schob es auf dies & jenes, bis vor ca. 2 Wochen; da dachte ich: nein nun ist doch kein Zweifel, es ist eine Veränderung & ich muß sie fragen was der Grund ist. Ich wartete noch etwa eine Woche dann fragte ich. Ich hatte mir allerlei Vermutungen gemacht; aber hätte man mir erlaubt hundertmal zu raten so hätte ich nicht ihre Antwort erraten. Sie sagte nämlich ich habe ihr mit dem Stock gedroht.
Ich trage nämlich immer einen Gehstock, und es ist meine Gewohnheit, wenn
ich jemand sehr gern habe & auf gutem Fuß mit ihm stehe im Spaß, gleichsam, wie man jemand auf den Rücken klopft, mit der Faust oder dem Stock zu drohen. Es ist eine Art der Liebkosung. Das mußte sie natürlich wissen, denn es geschah ja nur, wenn wir beide lachten & freundlich waren. Dennoch könnte ich verstehen daß sie es einmal oder öfters übelnahm – aber nicht daß sie darum ihr Benehmen gegen mich änderte & lieber kalt & fremd war, als etwas zu sagen. Natürlich ist es möglich daß ich ihre Freundschaft, ich meine, ihre Zuneigung zu mir überschätzt habe.
In gewissem Sinne: schrecklich, wenn es so war, wenn ich so wenig Gefühl, dafür habe, daß ich mich so irren kann! Und doch kann ich, wenigstens unmittelbar, nichts dafür. Habe ich ein falsches Gefühl, so habe ich es! || Ich schrieb ihr am nächsten Tag einen Brief, in welchem ich ihr die Lage noch einmal erklärte & ihr Benehmen gegen mich tadelte. Ich erhielt (natürlich) keine Antwort. – Ich halte es für möglich, daß der Grund den sie mir gab nicht der eigentliche, oder nicht der einzige war obschon ich mir schwer einen anderen, d.h. überhaupt
einen denken kann, der mir irgendwie plausibel klingt. –