Aber um den Satz zu verstehen, muß ich doch seine Worte verstehen! Und ich verstehe doch Worte beim Lesen, & andere wieder, nicht.
              Ich höre ein Wort & man fragt mich: “hast Du es verstanden?” & ich antworte, der Wahrheit gemäß, “ja”. Was geschah da, als ich es verstand? : wie unterscheidet sich dieses –
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Verstehen, von dem was geschieht, wenn ich das Wort nicht verstehe? – Das Wort sei etwa “Baum” gewesen. Muß mir, damit ich wahrheitsgemäß sagen konnte, ich habe es verstanden, das Bild eines Baumes vorgeschwebt sein? Nein. Und auch keine andre Vorstellung. Alles, was ich sagen kann ist, daß ich auf die Frage “verstehst Du das Wort ‘Baum’” unbedenklich, & ohne zu lügen, mit “ja” geantwortet hätte. – Hätte der Andre mich weiter gefragt: “also, was ist ein Baum?” so hätte ich ihm nun einen beschrieben, gezeigt, aufgezeichnet; vielleicht aber hätte ich geantwortet: “ich weiß es, will es aber nicht erklären”. Und bei meinen Worten konnte mir die Vorstellung eines Baumes vorschweben, vielleicht sah ich nach etwas, was irgend eine Ähnlichkeit mit einem Baum hatte, oder mir gingen andre Worte dabei im Kopf herum, etc. etc..
              Sehen wir eben zu, wie wir das Wort “verstehen” tatsächlich gebrauchen.
              Jenes Wort konnte auch eines sein, von dem ich sagte: “ich habe gewußt, was es bedeutet, & es wird mir auch wieder einfallen”, & später sagte ich: “jetzt ist es mir eingefallen!” – Was ist war da geschehen? – Es war mir vielleicht die Situation eingefallen, in der mir das Wort erklärt worden war: ich sah mich mit Andern in einem Zimmer etc. etc.. (Wenn ich aber nun dieses Wort mit Verständnis in einem Satz lese, so mußte mir nicht wieder dieses Bild vorschweben; sondern vielleicht gar keines.)
              Oder es war ein Wort einer fremden Sprache, das; & ich ˇhatte es schon oft gehört, hatte aber nicht verstanden. hatte. Ich hatte mir vielleicht gesagt: “was mag es heißen?” & ihm eine in den Zusammenhang passende Bedeutung zu geben versucht (wieder verschiedenste Möglichkeiten). Jetzt fällt mir etwa diese Situation ein & ich sage: “ich verstehe das Wort nicht”. Ich konnte aber auch auf das fremde Wort unmittelbar mit der Antwort “ich verstehe es nicht” reagieren; wie auf das Wort Baum mit der entgegengesetzten.
              Angenommen Es sei das Wort “rot” gewesen, & ich sagte automatisch, ich verst[ehe|ünde] es; nun fragt er aber nochmals: “verstehst Du es wirklich?” Da rufe ich mir, quasi zur Kontrolle, ein rotes Vorstellungsbild vor die Seele. Aber wie weiß ich, daß das die richtige Farbe ist, die mir erscheint? Und doch sage ich jetzt, gänzlich überzeugt, ich verstehe es. – Aber ich konnte auch auf eine Farbentabelle schau blicken, wo unter der Farbe das Wort “rot” steht. – Ich könnte die Beschreibung solcher Vorgänge ins Unermessliche verlängern.

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