168
  Was ist nun an dem Satz, das Lesen sei doch ‘ein ganz bestimmter Vorgang’? Das heißt doch wohl, beim Lesen finde immer ein bestimmter Vorgang statt, den wir wiedererkennen. – Aber wenn ich ˇnun einmal
// einen Satz im Druck lese & einandermal nach Morsezeichen schreibe, – //
einen ˇdeutschen Satz im Druck lese & einandermal nach Noten klavierspiele, –
findet hier wirklich der gleiche seelische Vorgang statt? ‒ ‒ Dahingegen ist aber freilich eine Gleichförmigkeit
in dem
im
Erlebnis des Lesens einer Druckseite! Denn der Vorgang ist ja ein gleichförmiger. Und es ist ja leicht verständlich, daß sich dieser Vor-
151
gang unterscheidet von dem etwa, sechs [w|W]örter beim Anblick beliebiger Striche einfallen zu lassen. – Denn schon der bloße Anblick einer gedruckten Zeile ist (ja) ungemein charakteristissch, d.h., ein ganz spezielles Bild: Die Buchstaben alle von ungefähr der gleichen Größe, ˇauch der Gestalt nach verwandt, immer wiederkehrend; die Wörter, die sich, zum großen Teil, sich ständig wiederholen & uns unendlich wohlvertraut sind, ganz wie wohlvertraute Gesichter. – Denke an das Unbehagen, das wir empfinden, wenn die Rechtschreibung eines Wortes geändert wird (
&
auch
an die noch tieferen Gefühle, die Fragen der Schreibung von Wörtern aufgeregt haben). Freilich, nicht jede Zeichenform hat sich uns tief eingeprägt. Ein Zeichen, wie Russells “~” für die Verneinung, kann durch irgendein ˇbeliebiges anderes Zeichen ersetzt werden, ohne daß ˇtiefe Gefühle in uns dadurch etwas in uns aufgeregt würden. – Bedenke, daß das gesehene Wortbild uns in ähnlicher Weise vertraut ist, wie das gehörte.