Ich habe manchmal über mein seltsames Verhältnis zu Moore nachgedacht. Ich achte ihn hoch
43
& habe eine gewisse nicht geringe Zuneigung zu ihm. Er dagegen? Er schätzt meinen Verstand, mein philosophisches Talent hoch, d.h. er glaubt daß ich sehr gescheit bin aber seine Zuneigung zu mir ist wahrscheinlich recht gering. Und ich konstruiere dies mehr als ich es fühle, denn er ist freundlich zu mir, wie zu jedem & wenn er hierin mit verschiedenen Leuten verschieden ist so merke ich doch den Unterschied nicht weil ich gerade diese Nuance nicht verstehe. Ich bin aktiv oder aggressiv er aber passiv & darum merke ich während unseres Verkehrs gar nicht wie fremd ich ihm bin. Ich erinnere mich darin an meine Schwester Helene der es mit Menschen geradeso geht. Es kommt dann die peinliche
Situation heraus daß man fühlt man habe sich den Menschen aufgedrängt ohne daß man es wollte oder wußte. Plötzlich kommt man darauf daß man mit ihnen nicht so steht wie man annahm weil sie die Gefühle nicht erwidern die man ihnen entgegenbringt || entgegenträgt; man hat es aber nicht bemerkt da die Verschiedenheit der Rollen in diesem Verkehr auf jeden Fall so groß ist daß sich dahinter Nuancen von Zuneigung & Abneigung leicht verstecken können. Ich fragte Moore heute, ob er sich freue wenn ich zu ihm regelmäßig (wie im vorigen Jahr) komme & sagte ich werde nicht gekränkt sein wie immer die Antwort ausfalle. Er sagte es sei ihm selbst nicht klar & ich: er solle sich's überlegen & mir mitteilen, was er versprach. Ich sagte
45
ich könne nicht versprechen daß mich die Antwort nicht traurig machen, wohl aber daß sie mich nicht kränken werde. – Und ich glaube daß es Gottes Wille mit mir ist, daß ich das hören & es tragen soll.