Teilbarkeit. Unendliche Teilbarkeit.

     Die unendliche Teilbarkeit der euklidischen Strecke besteht in der Regel (Festsetzung), dass es Sinn hat, von einem n-ten Teil jedes Teils zu sprechen. Spricht man aber von der Teilbarkeit einer Länge im Gesichtsraum und fragt, ob eine solche noch teilbar, oder endlos teilbar ist, so suchen wir hier nach einer Regel, die einer gewissen Realität ent-
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spricht (aber wie entspricht sie ihr?). Ich sehe einen schwarzen Streifen an der Wand vor mir, – ist seine Breite teilbar? Was ist das Kriterium dafür? Hier gibt es nun unzählige Kriterien, die wir alle als Kriterien der Teilbarkeit im Gesichtsfeld bezeichnen // anerkennen // würden, und die stufenweise in einander übergehen. Vor allem könnte die Bedeutung von “Teilbarkeit” so festgelegt werden, dass ein Versuch sie erweist; dann ist es also nicht “logische Möglichkeit” der Teilung, sondern physische Möglichkeit, und die logische Möglichkeit, die hier in Frage kommt, ist in der Beschreibung des Versuchs der Teilung gegeben – wie immer dieser Versuch ausgehn mag.
     Was würden wir nun einen “Versuch der Teilung” nennen? – Etwa den, einen Strich neben den ersten zu malen, der gleichbreit aussieht und aus einem grünen und roten Längsstreifen besteht, wobei die Erinnerung das Kriterium dafür gäbe, dass der schwarze Streifen die gleiche Breite habe, die er hatte, als wir die Frage stellten. (D.h., dass wir als gleiche Breite des schwarzen Streifens jetzt und früher das bezeichnen, was als gleichbreit erinnert wird.) Anderseits könnte ich als Kriterium der Teilbarkeit des schwarzen Streifens festsetzen, dass zugleich mit ihm ein gleich breit aussehender und geteilter Streifen gesehen wird. Und als Vollzug der möglichen Teilung würde ich dann die Ersetzung des ungeteilten durch einen
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geteilten bezeichnen, bei welcher der zuerst gesehene ungeteilte Streifen bestehen bleibt. Ich würde also sagen “a
ist
sei
geteilt” – weil ich b daneben sehe und “a
ist
sei
geteilt”, wenn ich danach 2 Streifen von der Art b sehe. In der Aussage “a ist geteilt” bezeichnet “a” also einen Ort; das nämlich, was gleichbleibt, ob a geteilt oder ungeteilt ist. Hier gibt es nun wieder Verschiedenes, was wir als “Ort im Gesichtsfeld” und “Festlegung eines Ortes im Gesichtsfeld” bezeichnen. – Wir könnten aber einen Streifen nur dann teilbar nennen, wenn er sich in gleicher (gesehener) Breite in einen geteilten Streifen fortsetzt, oder aber, wenn es uns gelingt, einen geteilten Streifen zeitweilig an ihn (im Gesichtsfeld) anzulegen, etc. etc. – Dann aber gibt es das Kriterium der Vorstellbarkeit der Teilung. Wir sagen: “oh ja, diesen Streifen kann ich mir noch ganz leicht geteilt denken” (oder “vorstellen”). “Wenn eine Teilung dieses Streifens a in ungleiche Teile möglich ist, dann umsomehr
            in gleiche Teile”. Und hier haben wir wieder die Festsetzung eines neuen Kriteriums der Teilbarkeit in gleiche Teile. Und hier sagt man: ich kann mir doch in diesem Fall gewiss denken, dass der Streifen halbiert wäre // wird // . Aber worin besteht diese Möglichkeit // Fähigkeit // des Denkens? Kann ich es, wenn ich es versuche? Und wie, wenn es mir nicht gelingt? Was hier mit dem “ich kann mir … denken” gemeint ist, erfährt man, wenn man fragt “wieso kannst Du Dir nun die Halbierung denken”,. Darauf ist die Antwort: “ich brauche mir doch nur den schwarzen Teil des Streifens etwas breiter zu denken”; und es wird offenbar angenommen, dass das zu denken, keine Schwierigkeit mehr hat. In Wirklichkeit aber handelt es sich hier nicht um Schwierigkeiten // die Schwierigkeit // ,
mir
sich
ein bestimmtes Bild vor's innere Auge zu rufen, und nicht um etwas, was ich versuchen und mir misslingen kann; sondern um die Anerkennung einer Regel der Ausdrucksweise. Diese Regel kann allerdings gegründet sein auf
die
der
Fähigkeit, sich etwas vorzustellen; d.h. die Vorstellung funktioniert in diesem Fall als Muster, also als Zeichen, und kann
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natürlich auch ersetzt werden durch ein gemaltes Muster. Wenn ich nämlich frage: “was versteht man unter dem Wachsen der Breite eines Streifens”, so wird mir als Erklärung so etwas vorgeführt, es wird mir ein Muster gegeben, das ich, oder dessen Erinnerung ich etwa meiner Sprache einverleibe. Und so kann der, den ich frage “wieso ist der breite Streifen a teilbar, weil b teilbar ist” als Antwort den Streifen b verbreitern und mir zeigen vorführen, wie aus b ein geteilter Streifen von der Breite des a wird // werden kann // . Aber bei dieser Antwort hätte es nun sein Bewenden. Und was hat er zur Erklärung getan? Er hat mir ein Zeichen, ein Muster, in mein Zeichensystem gegeben; das ist alles.