“Ist Distanz in der Struktur des Gesichtsraumes schon enthalten, oder scheint es uns nur so, weil wir gewisse Erscheinungen des Gesichtsbildes mit gewissen Erfahrungen des Tastsinnes assoziieren, welche letztere erst Distanzen betreffen?” Woher nehmen wir diese Vermutung? Wir scheinen dergleichen irgendwo angetroffen zu haben. Denken wir nicht an folgenden Fall? diese Melodie mißfiele mir nicht, wenn ich sie nicht unter diesen unangenehmen Umständen zum erstenmal gehört hätte. Aber hier gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Melodie mißfällt mir, wie manche andere, für deren Mißfallen ich jenen Grund nicht angeben würde, und es ist bloß eine Vermutung, daß die Ursache meines Mißfallens in jenem früheren Erlebnis liegt. Oder aber, wenn immer ich die Melodie höre, fällt mir jenes Erlebnis ein und macht mir das Hören der Melodie unangenehm; dann ist meine Aussage keine Hypothese über die Ursache meines Mißfallens, sondern eine Beschreibung dieses Mißfallens
459
selbst. – Wenn also gefragt wird: “scheint es uns nur so, daß eine Strecke im Gesichtsraum selbst länger ist, als eine andere und bezieht sich das ‘länger’ nicht bloß auf eine Erfahrung des Tastsinns, die wir mit dem Gesehenen assoziieren”, – so ist zu antworten: Weißt Du etwas von dieser Assoziation? beschreibst Du mit ihr Dein Erlebnis, oder vermutest Du sie nur als Ursache Deines Erlebnisses? – Wenn das letztere, so können wir von Distanzen im Gesichtsraum reden, ohne auf die mögliche Ursache unserer Erfahrung Rücksicht zu nehmen. Dabei muß man sich daran erinnern, daß die Aussagen über Distanzen (daß diese Strecke gleichlang ist wie jene, oder länger als jene, etc.) einen andern Sinn haben, wenn sie sich auf den Gesichtsraum, und einen andern, wenn sie sich auf den euklidischen Raum beziehen.