“Nur die Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks hat Realität”. – Soll das heissen, dass ich heute früh nicht aufgestanden bin? Oder, dass ein Ereignis, dessen ich mich in diesem Augenblick nicht erinnere // entsinne // , nicht stattgefunden hat? – Soll hier ‘gegenwärtige Erfahrung’ im Gegensatz stehen zu zukünftiger und vergangener Erfahrung? Oder ist es ein Beiwort, wie das Wort “rational” in “rationale Zahl”, so dass man die beiden Wörter auch durch eines ersetzen könnte und das Beiwort auf eine grammatische Eigentümlichkeit hinweist. Und was wird in diesem Falle vom Subjekt ausgesagt, wenn ihm Realität zugesprochen wird? Betonen wir hier nicht wieder eine grammatische Eigentümlichkeit, in derselben Weise, wie wenn man sagt // etwa, als wenn man sagte: // “nur die Kardinalzahlen sind wirkliche Zahlen”. (Kronecker soll gesagt haben, nur die Kardinalzahlen seien von Gott erschaffen, alle anderen seien Men-
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schenwerk.) – Heisst es ‘gegenwärtige Erfahrung’ im Gegensatz zu zukünftiger und vergangener, dann meint man mit diesen Erfahrungen etwa physikalische Vorgänge; und wenn ich das Bild von der Laterna magica gebrauche und die zeitlichen Beziehungen in räumliche übersetze, so ist die gegenwärtige Erfahrung im physikalischen Sinn das Bild auf dem Filmstreifen, das sich vor dem Objektiv der Laterne befindet. (Ich kann nicht sagen: “das sich jetzt vor dem Objektiv der Laterne befindet”.) Auf der einen Seite dieses Bildes sind // liegen // die vergangenen, auf der andern die zukünftigen Bilder (die beiden Seiten sind durch Eigentümlichkeiten des Apparates charakterisiert). Das Bild auf der Leinwand gehört der Zeit des Filmstreifens nicht an; man kann von ihm nicht in dem eben beschriebenen Sinne sagen, es sei gegenwärtig. (Im Gegensatz wozu? Das Wort ‘gegenwärtig’, wenn man es hier benützt, bezeichnet nicht einen Teil [d|e]ines Raumes im Gegensatz zu andern Teilen, sondern charakterisiert einen Raum.) Der Satz, nur die gegenwärtige Erfahrung habe Realität, wäre nun hier der Satz, dass nur das Bild vor dem Objektiv dem Bild auf der Leinwand entspricht. Und das könnte allerdings ein Erfahrungssatz sein und das Gleichnis lässt uns hier in Stich, wenn wir die Entsprechung zwischen Film und Leinwand (die Projektionsart) nicht so festsetzen // festlegen // , dass sich dadurch das Bild auf dem Film, welches dem Bild auf der Leinwand entspricht, als das Bild vor dem Objektiv der La[g|t]erne ergibt.
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