85.
         Der Wegweiser ist in Ordnung, – wenn er, unter normalen Verhältnissen, seinen Zweck erfüllt.
         Wenn ich Einem sage, wie in (68), : “Halte Dich ungefähr hier auf!“ – Kann denn diese Erklärung nicht vollkommen funktionieren? (Und kann jede andere nicht auch versagen?)
         “Aber ist die Erklärung nicht doch unexakt?” – Doch; warum soll man sie nicht “unexakt” nennen? Verstehen wir aber nur, was “unexakt” bedeutet! Denn erstens bedeutet es nicht “unbrauchbar”, sonst müsste es heissen: “unexakt für diesen Zweck”; zweitens – überlegen wir uns, was wir im Gegensatz zu dieser unexakten Erklärung eine “exakte” nennen! Etwa die, wenn man auf dem Platz einen Kreidestrich zieht, einen ‘Bezirk’ abgrenzt. – Aber da fällt uns gleich ein, dass ja der Strich eine Breite hat,
65.
exakter wäre xx also eine Farbgrenze. Aber hat denn diese Exaktheit hier noch eine Funktion, läuft sie nicht leer? Und wir haben ja auch noch nicht bestimmt, was als Ueberschreiten dieser scharfen Grenze gelten soll; wie, mit welchen Instrumenten, sie festzustellen ist. etc..
         Wir verstehen, was es heisst: eine Taschenuhr auf die genaue Stunde stellen, oder – sie richten, dass sie genau geht. Wie aber, wenn man fragte: ist diese Genauigkeit eine ideale Genauigkeit, oder wie weit nähert sie sich ihr? – Wir können freilich von Zeitmessungen reden, bei welchen es eine andere, und wie wir sagen würden, grössere Genauigkeit gibt, als bei der Zeitmessung mit der Taschenuhr. Wo die Worte “die Uhr auf die genaue Stunde stellen”, eine andere, wenn auch verwandte, Bedeutung haben, und die Uhr ablesen ein anderer Prozess ist, etc..– Wenn ich nun jemandem sage: “Du solltest pünktlicher zum Essen kommen: Du weisst, dass es genau um 1 Uhr anfängt” – ist hier von Genauigkeit eigentlich nicht die Rede, – weil man sagen kann: “denk an die Zeitbestimmung im Laboratorium, oder auf der Sternwarte, da siehst Du was ‘Genauigkeit’ bedeutet”?
         “Unexakt”, das ist eigentlich ein Tadel, und “exakt” ein Lob. Und das heisst doch: das Unexakte erreicht das Ziel nicht so vollkommen, wie das Exaktere. Da kommt es also auf das an, was wir “das Ziel” nennen. Ist es unexakt, wenn wir dem Tischler die Breite des Tisches nicht auf 1000stel mm angeben? Und den Abstand der Sonne von uns nicht auf m?
         Denk also an die dehnbare Verwendungsweise der Wörter “genau”, “ungenau”. – Ein Ideal der Genauigkeit ist nicht vorgesehen wir wissen nicht, was wir uns darunter vorstellen sollen – es sei denn, Du selbst setzt fest, was so genannt werden soll. Aber es wird Dir schwer werden, so eine Festsetzung zu treffen; eine, die Dich befriedigt.
66.