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         Einer könnte sagen: “ein Satz, das ist das Alltäglichste von der Welt”, und der
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Andre: “Ein Satz – das ist etwas sehr merkwürdiges!” ‒ ‒ ‒ Und dieser kann nicht: einfach nachschauen, wie Sätze funktionieren, – weil die Formen unserer Ausdrucksweise, die Sätze und das Denken betreffend, ihm im Wege stehen.
         Warum sagen wir, der Satz sei etwas Merkwürdiges? Einerseits wegen der ungeheuren Bedeutung, die ihm zukommt. (Und das ist richtig.) Anderseits verführt uns diese Bedeutung und Missverständnisse der Sprachlogik dazu, dass wir meinen, der Satz müsse etwas Ausserordentliches, ja Einzigartiges, leisten. – Durch ein Missverständnis erscheint es uns, als tue der Satz etwas Seltsames.
         ‘Der Satz, ein merkwürdiges Ding!’: darin liegt schon die Sublimierung der ganzen Darstellung. – Die Tendenz, ein reines Mittelwesen anzunehmen zwischen dem Satzzeichen und den Tatsachen. Oder auch das Satzzeichen selber reinigen, sublimieren, zu wollen. – Denn, dass es mit gewöhnlichen Dingen zugeht, das zu sehen, verhindern uns auf mannigfache Weise unsere Ausdrucksformen, indem sie uns auf die Jagd nach Chimären schicken.
         Oder: “Denken muss etwas Einzigartiges sein.” Wenn wir sagen, meinen, dass es sich so und so verhält, so halten wir mit dem, was wir meinen, nicht irgendwo vor der Tatsache; sondern meinen, dass das und das so und so ist. – Man kann aber dieses Paradox (welches ja die Form einer Selbstverständlichkeit hat) auch so ausdrücken: Man kann denken, was nicht der Fall ist.
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         Der besondern Täuschung, die hier gemeint ist, schliessen sich, von verschiedenen Seiten, andere an. Das Denken, die Sprache, erscheint uns nun als das einzigartige Korrelat, Bild, der Welt. Die Begriffe: Satz, Sprache, Denken, Welt stehen in einer Reihe hintereinander, jeder dem andern äquivalent. (Wozu aber sind diese Wörter nun zu brauchen? Es fehlt das Sprachspiel, das mit ihnen zu spielen ist.)