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     Zuerst muß ich bemerken, daß ich zum ‘Lesen’, in dieser Betrachtung, nicht das Verstehen des Sinns des Gelesenen rechne; sondern Lesen ist hier die Tätigkeit, Geschriebenes oder Gedrucktes in Laute umzusetzen; auch aber, nach Diktat zu schreiben, oder Gedrucktes
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abzuschreiben, und dergleichen.
     Der Gebrauch dieses Wortes unter den Umständen unsres gewöhnlichen Lebens ist uns natürlich ungemein wohl bekannt. Die Rolle aber, die das Wort in unserm Leben spielt, und damit das Sprachspiel, in dem wir es verwenden, wäre schwer auch nur in groben Zügen darzustellen. Ein Mensch, sagen wir ein Deutscher, ist in der Schule, oder zu Hause, durch eine der bei uns üblichen Unterrichtsarten gegangen, er hat in diesem Unterricht seine Muttersprache lesen gelernt. Später liest er Bücher, Briefe, die Zeitung u.a..
     Was geht nun vor sich, wenn er, z.B., die Zeitung liest? ‒ ‒ ‒ Seine Augen gleiten – wie wir sagen – den gedruckten Wörtern entlang, er spricht sie laut aus, – oder sagt sie nur zu sich selbst; und zwar gewisse Wörter, indem er ihre Druckform als Ganzes erfaßt, andere, nachdem sein Auge die ersten Silben erfaßt hat, einige || andere wieder liest er Silbe für Silbe, und das eine oder andre vielleicht Buchstabe für Buchstabe. – Wir würden auch sagen, er habe einen Satz gelesen, wenn er während des Lesens weder laut noch zu sich selbst spricht, aber danach im Stande ist, den Satz wörtlich oder annähernd wiederzugeben. – Er kann auf das achten, was er liest, oder auch – wie wir sagen könnten – als bloße Lesemaschine funktionieren, ich meine, laut und richtig lesen, ohne auf das, was er liest, zu achten, – vielleicht während seine Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes gerichtet ist (so daß er nicht im Stande ist, zu sagen, was er gelesen hat, wenn wir ihn gleich darauf fragen). –
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Vergleiche nun mit diesem Leser einen Anfänger. Er liest die Wörter, indem er sie mühsam buchstabiert. – Einige Wörter aber errät er aus dem Zusammenhang; oder er weiß das Lesestück vielleicht zum Teil schon auswendig. – Der Lehrer sagt dann, daß er die Wörter nicht wirklich liest (und in gewissen Fällen, daß er nur vorgibt, sie zu lesen).
     Wenn wir an dieses Lesen, an das Lesen des Anfängers, denken, und uns fragen, worin Lesen besteht, werden wir geneigt sein, zu sagen: es sei eine besondere bewußte geistige Tätigkeit.
     Wir sagen von dem Schüler auch: “Nur er weiß natürlich, ob er wirklich liest, oder die Worte bloß auswendig sagt.” (Über diese Aussagen: “Nur er weiß, …” muß später noch geredet werden.) Ich will aber sagen: wir müssen zugeben, daß – was das Aussprechen irgend eines der gedruckten Wörter betrifft – im Bewußtsein des Schülers, der ‘vorgibt’ zu lesen, das Gleiche stattfinden kann, wie im Bewußtsein des geübten Lesers, der es liest. Das Wort “lesen” wird anders angewandt, wenn wir vom Anfänger – und wenn wir vom geübten Leser sprechen. ‒ ‒ ‒ Wir möchten nun freilich sagen: Was im geübten Leser und was im Anfänger vor sich geht, wenn sie das Wort aussprechen, kann nicht das Gleiche sein. Und wenn der Unterschied nicht in dem liegt, was ihnen gerade bewußt ist, so liegt er im Unbewußten des Geistes. ||
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Und wenn kein Unterschied in dem wäre, was ihnen gerade bewußt ist, so im unbewußten Arbeiten ihres Geistes; oder auch im Gehirn. –
Wir möchten also sagen: Hier sind jedenfalls zwei verschiedene Mechanismen! Und was in ihnen vorgeht, muß Lesen von Nicht-lesen unterscheiden. – Aber diese Mechanismen sind doch nur Hypothesen; Konstruktionen || Modelle zur Erklärung, zur Zusammenfassung dessen, was Du wahrnimmst.