160.
      Denke dir aber diesen Fall: Wir geben Einem, der fließend lesen kann, einen Text zu lesen, den er nie zuvor gesehen hat. Er liest ihn uns vor; – aber mit der Empfindung, als sage er etwas Auswendiggelerntes (dies könnte die Wirkung irgendeines Giftes sein). Würden wir in einem solchen Falle sagen, er
lese
[ läse ]
das Stück nicht wirklich? Würden wir hier also seine Empfindungen als Kriterium dafür gelten lassen, ob er liest oder nicht?
      Oder aber: Wenn man einem Menschen, der unter dem Einfluß eines bestimmten Giftes steht, eine Reihe von Schriftzeichen vorlegt, die keinem E existierenden Alphabeth anzugehören brauchen, so spreche spricht er nach der Anzahl der Zeichen Wörter aus, so als wären die Zeichen Buchstaben, und zwar mit allen äußeren Merkmalen und mit Empfindungen des Lesens. (Ähnliche Erfahrungen haben wir in Träumen; nach dem Aufwachen sagt man dann etwa: “Es kam mir vor, als läse ich die Zeichen, obwohl es gar keine Zeichen waren.”) In so einem Fall würden
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Manche geneigt sein, zu sagen, der Mensch lese diese Zeichen; Andere, er lese sie nicht. – Angenommen, er habe auf diese Weise eine Gruppe von vier Zeichen als OBEN gelesen (oder gedeutet) – nun zeigen wir ihm die gleichen Zeichen in umgekehrter Reihenfolge und er liest NEBO, und so behält er
in
[ bei ]
weiteren Versuchen immer die gleiche Deutung der Zeichen bei: hier wären wir wohl geneigt, zu sagen, er lege sich ad hoc ein Alphabeth zurecht und lese dann danach.