162.
Versuchen wir diese
Erklärung: Jemand liest, wenn er die Reproduktion
von der Vorlage
ableitet. Und
‘Vorlage’ nenne ich den Text, welchen er
liest, oder abschreibt; das Diktat, nach welchem er schreibt; die
Partitur, die er spielt; etc.
etc..– Wenn wir nun
z.B. jemand das cyrillische Alphabet
h
gelehrt hätten und wie jeder Buchstabe auszusprechen sei,
– wenn wir ihm dann ein Lesestück vorlegen und er liest
– 114 –
es, indem er
jeden Buchstaben so ausspricht, wie wir es ihn gelehrt haben; dann
werden wir wohl sagen, er leite den Klang eines Wortes vom
Schriftbild mit Hilfe der Regel, die wir ihm gegeben haben,
ab. Und dies ist auch ein klarer Fall des
Lesens. (Wir könnten sagen, wir haben
ihn die ‘Regel des Alphabet
hs’
gelehrt.)
Aber warum sagen wir, er habe die
gesprochenen Worte von den gedruckten
abgeleitet? Wissen wir mehr, als daß
wir ihn gelehrt haben, wie jeder Buchstabe auszusprechen sei,
und daß er dann die Worte laut gelesen habe? Wir
werden vielleicht antworten: der Schüler zeige –,
daß er den Übergang vom Gedruckten zum Gesprochenen mit
Hilfe der Regel macht, die wir ihm gegeben haben. –
Wie man dies
zeigen könne, wird klarer,
wenn wir unser Beispiel dahin abändern, daß der
Schüler, statt den gedruckten Text vorzulesen, ihn
abzuschreiben hat, die Druckschrift in Schreibschrift zu
übertragen hat. Denn in diesem Fall können
wir ihm die Regel in Form einer Tabelle geben; in einer Spalte
stehen die Druckbuchstaben, in der andern die
Kursivbuchstaben. Und daß er die Schrift vom
Gedruckten ableitet, zeigt sich darin, daß er in der Tabelle
nachsieht.