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     Wenn ich den Vorgang der Intention beschreiben will, so fühle ich zuerst, daß sie noch am ehesten leisten kann, was sie soll, wenn sie ein äußerst getreues Bild von dem ist, was intendiert wird. Aber ferner, daß auch das nicht ausreicht, weil ja das Bild, was immer es ist, sich verschieden deuten läßt; daß also dieses Bild doch wieder isoliert dasteht. Wie man das Bild allein ins Auge faßt, ist es plötzlich tot, und es ist, als wäre ihm hier etwas genom-
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men worden, was es zuvor belebt hatte. Es ist kein Gedanke, keine Intention; und wovon immer wir es uns begleitet denken, durch artikulierte
oder
wie
unartikulierte Vorgänge, und durch von welchen Empfindungen immer, – es bleibt isoliert, weiß weist nicht aus sich heraus auf eine Realität außer ihm.
     Nun sagt man: “Freilich intendiert das Bild nicht, sondern wir müßßen müssen mit ihm etwas intendieren”. Aber wenn dieses Intendieren, Meinen, wieder etwas ist, was mit dem Bild
vorgenommen wird,
geschieht,
so sehe ich nicht ein, warum
dieser
der
Vorgang an einen Menschen gebunden sein soll. Man kann ja auch den Vorgang der Verdauung als chemischen Prozeß studieren, unabhängig davon, ob er in einem Lebewesen stattfindet. Wir wollen sagen: “Das Meinen ist doch wesentlich ein geistiger Vorgang, ein Vorgang des bewußten Lebens, nicht der toten Materie.” Aber was soll einen ˇdas Wesen eines solchen ausmachen,
wenn nicht
als
die spezifische Art
desjenigen
dessen
, was vorgeht – solange wir eben an einen Vorgang denken. Und nun scheint es uns, als ob gar kein Vorgang, welcher Art immer, das Intendieren sein kann. – Wir sind eben hier mit der Grammatik des Vorgangs nicht zufrieden; und nicht ein spezifischer ˇder eine oder andere mit dem oder jenem Vorgang genügt uns nicht nicht unzufrieden mit einem spezifischen Vorgang. – Man könnte sagen: jeden Vorgang würden wir in diesem Sinne “tot” nennen!
(
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