536.
Wie schätzt man: wieviel Uhr es ist?
Ich meine aber nicht, nach äußeren Anhaltspunkten, dem Stand der
Sonne, der Helligkeit im Zimmer, und dergleichen. –
Man fragt sich etwa “Wieviel Uhr kann es
sein?”, || –
überlegt einen Augenblick, – d.h., man
hält sich still, stellt sich vielleicht das Zifferblatt vor; und dann
spricht man eine gewisse Zeit aus.–
Oder man überlegt sich mehrere Möglichkeiten: man denkt sich
eine Zeit, dann eine andre, und bleibt endlich bei einer
stehen.
So, und ähnlich, geht es vor sich. ‒ ‒
Aber ist nicht der Einfall von einem Gefühl der Überzeugung begleitet;
und heißt das nicht, daß er nun mit einer inneren Uhr
übereinstimmt? –
Nein, ich lese die Zeit von keiner Uhr ab; ein Gefühl der Überzeugung
ist insofern da, als ich mir ohne Empfindung des Zweifels, mit Ruhe und
Sicherheit, eine Zeit sage. –
Aber schnappt nicht etwas bei dieser Zeitangabe
ein? –
Nichts, das ich wüßte; wenn du nicht das
Zur-Ruhe-Kommen der Überlegung, das Stehenbleiben bei einer Zahl,
so nennst.
Ich hätte auch hier nie von einem ‘Gefühl der
Überzeugung’ geredet, sondern gesagt: ich habe eine Weile
überlegt und mich dann dafür entschieden, daß es 6 Uhr
ist. –
Wonach aber hab' ich mich entschieden?
Ich hätte vielleicht gesagt:
“Bloß || bloß
nach dem Gefühl”; das heißt nur: ich habe es dem
Einfall überlassen. ‒ ‒
Aber du mußtest dich doch wenigstens zum Schätzen der Zeit in einen
bestimmten Zustand versetzen; und du nimmst doch nicht jede
Vorstellung irgend einer Zeitangabe als Angabe der
richtigen Zeit! –
Wie gesagt: ich hatte mich
gefragt; || :
“Wieviel Uhr mag es sein?”–
d.h., ich habe diese Frage nicht,
z.B., in einer Erzählung gelesen, noch sie als
Ausspruch eines Andern zitiert, noch mich im Aussprechen dieser Wörter
geübt, u.s.f.
Nicht unter diesen Umständen habe ich die Worte
gesprochen. –
Aber unter welchen also? –
Ich dachte an mein Frühstück, und ob es heute spät damit würde.
Solcher
Art || Solcherart waren die Umstände. –
Aber siehst du denn – 151
– wirklich nicht, daß du doch in einem, wenn auch
gleichsam ungreifbaren, für das Schätzen der Zeit
charakteristischen Zustand, gleichsam in einer dafür charakteristischen
Atmosphäre warst? –
Ja, das Charakteristische war, daß ich mich fragte
“Wieviel Uhr mag es sein?” –
Und hat dieser Satz eine bestimmte Atmosphäre, wie soll ich sie von
ihm selbst trennen können?
Es wäre mir nie eingefallen, der Satz hätte einen solchen Dunstkreis,
hätte ich nicht daran gedacht, wie man ihn auch anders – als Zitat,
im Scherz, als Sprechübung, etc. – sagen
könnte.
Und da wollte ich auf einmal sagen, da erschien es mir
auf einmal; || , ich müßte die
Worte doch irgendwie besonders gemeint haben;
anders nämlich, || sie mit einem andern geistigen
Vorgang begleitet haben, als in jenen anderen
Fällen.
Es hatte sich mir das Bild von der besonderen Atmosphäre
aufgedrängt; ich sehe sie förmlich vor mir – solange ich nämlich
nicht auf das sehe, was, meiner
Erinnerung nach, wirklich geschehen
ist.
Und was das Gefühl der Sicherheit anbelangt: so sage ich mir manchmal “Ich bin sicher, es ist 6 Uhr”; und in mehr oder weniger sicherem Tonfall, etc. Fragst du nach dem Grund für diese Sicherheit, so habe ich keinen. Wenn ich sage: ich lese es auf meiner || einer inneren Uhr ab, so ist das ein Bild, dem nur entspricht, daß ich diese Zeitangabe gemacht habe. Und der Zweck des Bildes ist, diesen Fall dem andern anzugleichen. Ich sträube mich, die beiden verschiedenen Fälle anzuerkennen. (⇒366) |
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