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      Die Unsicherheit: ob ein Mensch wirklich dies Gefühl hat, oder sich nur so stellt. Aber natürlich ist es auch unsicher, ob er sich nicht nur so stellt, als verstelle er sich. Nur ist diese Verstellung seltener und hat nicht so leicht verständliche Gründe. – Worin besteht aber diese Unsicherheit? Bin ich wirklich immer im Ungewissen darüber, ob einer wirklich zornig, traurig, froh etc. etc. ist? Nein. So wenig, wie darüber, dass ich ein Schreibbuch vor mir und eine Feder in der Hand habe, oder darüber, dass das Buch fallen wird, wenn ich es auslasse, oder darüber, dass ich mich nicht verrechnet habe wenn ich sage 25 × 25 sei 125 // 625 // . Aber das ist wahr: Ich kann nicht Kriterien angeben, die das Vorhandensein der Empfindung ausser Zweifel setzen; und das heisst: es gibt solche Kriterien nicht. – Was ist das aber für eine Tatsache? Ist es eine psychologische, die Empfindungen betreffend? Man wird sagen wollen, es liege im Wesen der Empfindung, oder des Ausdrucks der Empfindung. Ich ◇◇◇ könnte sagen: es ist eine Eigentümlichkeit unseres Sprachspiels. – Aber wenn das auch wahr ist, so übergeht es doch eine Hauptsache: In gewissen Fällen bin ich in Unsicherheit darüber, ob der andere Schmerzen hat oder nicht, ich ruhe z.B. nicht sicher in meinem Mitleid mit ihm, und keine Äusserung kann diese Unsicherheit beheben. – Ich sage dann etwa: “Er könnte sich ja doch auch jetzt verstellen”. Aber warum soll es notwendig sein, dass er sich verstellt; denn Verstellung ist ja nur ein ganz spezieller Fall davon, dass einer Schmerz äussert und nicht fühlt. Ein bestimmtes Gift könnte ihn in einen Zustand versetzen, in welchem er ‘als Automat handelt’, sich nicht verstellt, aber nichts fühlt, obgleich er Gefühle äussert. Ich denke mir etwa, dies Gift bewirke es, dass er einige Zeit nach einer wirklichen Krankheit alle Handlungen seiner Krankheit genau, der Reihe nach, wiederholt, während die objektive Krankheit, die Schmerzursachen z.B., aufgehört haben zu existieren. Wir haben dann mit ihm so wenig Mitleid, wie mit einem unter Narkose. Wir sagen, er wiederhole alle
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Äusserungen des Schmerzes etc. rein automatisch, verstelle sich dabei natürlich nicht.