Was
heißt es nun, daß
ein und dasselbe Wort in verschiedenen
Bedeutungen gebraucht wird? Zunächst
könnte man sagen, es gelten eben in einem Fall andere Regeln
als im andern Fall. Aber diese Erklärung kann leicht
mißverstanden
werden. Ich sage z.B., das
Wort “ist” habe eine andere Bedeutung im Satz
“Die Rose ist rot” als im Satz
“zweimal zwei ist vier”. Aber die
Grammatik des Wortes “ist” erlaubt eben
das Wort in beiden Fällen zu
gebrauchen. Das Wort “ist” ist
eben nur ein Wort. Wie drückt es sich
also in der Grammatik aus, daß das Wort in
jedem der beiden Fälle eine andere Bedeutung hat?
Dadurch, daß die Grammatik es durch zwei
Wörter ersetzt und verbietet, eines für das andere zu
setzen. Auf die Frage: “verstehst du das
Wort ‘ist’ in den Sätzen ‘die Rose ist
rot’ und ‘zweimal zwei ist
vier’?” wird man wohl antworten
“ja”. Denn antwortet
man “nein”, so wird einem etwa entgegengehalten,
daß man nicht Deutsch verstände.
Und wenn man es versteht, so muß man
es doch wohl verstehen, während es ausgesprochen wird oder
bald danach. Und in diesem Verstehen
muß ich also die Bedeutung erfassen und
den Unterschied der beiden Bedeutungen.
Hier drängt sich uns das Gleichnis vom
Bedeutungskörper auf. Die Bedeutung scheint die
grammatischen Regeln in nuce zu enthalten. Aber wir
brauchen nur an den Gebrauch des Schachkönigs zu denken und
etwa an die Empfindungen, die etwa der Schachkundige bei
diesem Gebrauch hat, um zu sehen, daß
diese Empfindungen wohl im einen Sinn sein Verständnis
charakterisieren, daß
sie aber die Regeln des Gebrauchs in keinem Sinn
¤
enthalten. Man denke hier an die charakteristischen
Empfindungen beim verständnisvollen
Hören der Worte “oder”,
“nicht”, “aber”,
usw., auf die
William James aufmerksam gemacht hat. Es ist wahr,
daß einer durch das Lernen und Spielen des
Schachspiels sowohl die Regeln kennenlernt als auch jene
Empfindungen erhält. “Worin
besteht der Unterschied zwischen dem,
der Schach spielen kann und dem,
der es nicht kann?” = “nur darin,
daß der eine die Regel des Spiels kennt,
der andere sie nicht kennt”? Und das ist wieder
gleich “tut der, der mit den Schachfiguren zieht und das
Schachspiel versteht, dasselbe wie der, welcher sie mechanisch oder
durch Zufall zieht, ohne das Spiel zu
verstehen?” Nein.
“Also müßte in dem Schachzug
des ersten die Regel irgendwie verkörpert
sein.” Es war uns, als
müßte das Verständnis die Art
und Weise des Gebrauchs des Wortes auf einmal gleichsam wie eine
Atmosphäre des Wortes erfassen. Es war
uns, als müßten die
möglichen Schritte des Kalküls
dem || im Verständnis
vorausgenommen sein, als hätte es also Sinn zu sagen:
7 einer kann das Einmaleins hersagen,
während er es hersagt, und zwar könne er also das ganze
Einmaleins hersagen in einer Zeit, in welcher er nur einen Satz
desselben ausspricht. Wir sind nun nicht mehr in
Versuchung, jene unsichtbare Atmosphäre des
Verständnisses um das Wort herum anzunehmen. Wir vergleichen
das Multiplizierenkönnen nicht mehr mit
einer Atmosphäre, in der die einzelne Multiplikation
eingebettet ist. Wir leugnen nun nicht,
daß Vorgänge, welche sozusagen hinter
dem Wahrnehmen des Schrift- oder
Lautzeichens stehen (etwa Assoziationen)
für die Funktion der Zeichensprache
wesentlich sein können. Aber wir
haben keinen Grund, anzunehmen, daß solche
Vorgänge stattfinden
müßten, noch zu
sagen, daß diese Vorgänge
vor || hinter dem Wort
stünden. Sie sind vielmehr, wo sie stattfinden,
für uns auf gleicher Ebene mit dem Hören und Sehen des
Zeichens. Sie sind nur Zeichen anderer Art.
Und der Kalkül schreitet fort ohne
daß ein Schritt schon die nächsten
enthält. |
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