Was heisst es nun, dass ein und dasselbe Wort in vers[h|c]hiedenen Bedeutungen gebraucht wird? Zunächst könnte man sagen, es gelten eben in einem Fall andere Regeln als im andern Fall. Aber diese Erklärung kann leicht missverstanden werden. Ich sage z.B., das Wort “ist” habe eine andere Bedeutung im Satz “[d|D]ie Rose ist rot” als im Satz “zweimal zwei ist vier”. Aber die Grammatik des Wortes “ist” erlaubt eben das Wort in beiden Fällen zu gebrauchen. Das Wort “ist” ist eben nur ein Wort. Wie drückt es sich also in der Grammatik aus, dass das Wort in jedem der beiden Fälle eine andere Bedeutung hat? Dadurch, dass die Grammatik es durch zwei Wörter ersetzt und verbietet, eines für das andere zu setzen. Auf die Frage: “verstehst du das Wort ‘ist’ in den Sätzen ‘die Rose ist rot’ und ‘zweimal zwei ist vier’?” wird man wohl antworten “ja”. Denn antwortet man “nein”, so wird einem etwa entgegengehalten, dass man nicht Deutsch verstände. Und wenn man es versteht, so muss man es doch wohl verstehen, während es ausgesprochen wird oder bald danach. Und in diesem Verstehen muss ich also die Bedeutung erfassen und den Unterschied der beiden Bedeutungen. Hier drängt sich uns das Gleichnis vom Bedeutungskörper auf. Die Bedeutung scheint die grammatischen Regeln in nuce zu enthalten. Aber wir brauchen nur an den Gebrauch des Schachkönigs zu denken und etwa an die Empfindungen, die etwa der Schachkundige bei diesem Gebrauch hat, um zu sehen, dass diese Empfindungen wohl im einen Sinn sein Verständnis charakterisieren, dass es sie aber die Regeln des Gebrauchs in keinem Sinn enthälten. Man denke hier an die charakteristischen Empfindu[gn|ng]en beim verständnisvollen Hören der Worte “oder”, “nicht”, “aber”, usw, auf die W. James aufmerksam gemacht hat. Es ist wahr, dass einer durch das Lernen und Spielen des Schachspiels sowohl die Regeln kennenlernt als auch jene Empfindungen erhält. “Worin besethteht der Unterschied z[i|w]ischen dem, der Schach spi[le|el]en kann und dem, der es nicht kann?” = “nur darin, dass der eine die Regel des Spiels kennt, der andere sie nicht kennt”? Und das ist wieder gleich “tut der, der mit den Schachfiguren zieht und das Schachspiel versteht, dasselbe wie der, welcher sie mechanisch oder durch Zufall z[ei|ie]ht, ohne das Spiel zu verstehen?” Nein. “Also müsste in dem Schachzug des ersten die Regel irgendwie verkörpert sein.” Es war uns, als müsste das Verständnis die Art und Weise des Gebrauchs des Wortes auf einmal gleichsam wie eine Atmosphäre des Wortes erfassen. Es war uns, als müssten die möglichen Schritte des Kalküls
im
dem
Verständnis vorausgenommen sein, als hätte es also Sinn zu sagen:
7
einer kann das Einmaleins hersagen, während er es hersagt, und zwar könne er also das ganze Einmaleins hersagen in einer Zeit, in welcher er nur einen Satz desselben ausspricht. Wir sind nun nicht mehr in Versuchung, jene unsichtbare Atmosphäre des Verständnisses/um das Wort herum anzunehmen. Wir vergleichen das Multiplizierenkönnen nicht m[he|eh]r mit einer Atmosphäre, in der die einzelne Multiplikation eingebettet ist. Wir leugnen nun nicht, dass Vorgänge, welche sozusagen hinter dem Wahrnehmen des Schrift- oder Lautzeichens stehen (etwa Assoziationen) auf für die Funktion der Zeichensprache wesentlich sein können. Aber wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass solche Vorgänge stattfinden m[u|ü]ssten, noch zu sagen, dass diese Vorgänge
hinter
vor
dem Wort stünden. Sie sind vielmehr, wo sie stattfinden, für uns auf gleicher Ebene mit dem Hören und Sehen des Zeichens. Sie sind nur Zeichen anderer Art. Und der Kalkül schreitet fort ohne dass ein Schritt schon die nächsten enthält.