Wie mit dem Motiv, verhält es sich mit der Erwartung, mit dem Wunsch, der Hoffnung, der Furcht usw. Wieder ist es praktisch, zu fragen: Woran erinnert sich der, der sich erinnert, Herrn N. zu Tisch erwartet zu haben? Im allgemeinen kann man sagen: er wird sich an Gedanken und an Handlungen erinnern. Nehmen wir an, er erinnere sich nur daran, den Tisch statt für sich allein, für zwei Personen gedeckt zu haben, so würde man das im allgemeinen nicht die Erinnerung daran nennen, er habe N. erwartet. Denn ist das der Vorgang der Erwartung, so entspricht er eben sowohl einer Erwartung, die durch das Kommen eines anderen befriedigt worden wäre. War es aber immer der Fall, daß an diesem Wochentag Herr N. bei ihm speiste, so wird man hier dennoch jene Erwartung die Erwartung des Herrn N. nennen, wenn nicht besondere Umstände in eine andere Richtung weisen. (Vergleiche das Baden, weil es heiß war.) Man kann auch hier den Fall der ausdrücklichen Erwartung eines Ereignisses unterscheiden von anderen verwandten Vorgängen, in denen es jedoch keinen Ausdruck der Erwartung gibt. Aber auch der Fall des ausdrücklichen Erwartens wird wieder zwiespältig, durch die Komplikation der Lüge. Und was geht nun vor, wenn ich sage: Ich erwarte N. und erwarte in Wirklichkeit M.? Hier kann wieder das Mannigfachste vorgehen und wieder muß ich sagen, daß “das Ereignis p erwarten” nicht ein Vorgang ist, der allen jenen gemeinsam ist, die uns das Kriterium dafür sind, daß p erwartet wurde. Wir haben aber keinen Grund mehr zu sagen, einer dieser Vorgänge sei nicht einfach das Aussprechen der Erwartung. In der traditionellen Auffassung wehrt man sich gegen die Gleichsetzung von Gedanken und Ausdruck des Gedankens und zwar einerseits, weil man im Gedanken die innere Begleitung des äußeren Ausdrucks sieht, und weil man zweitens richtig bemerkt daß nicht in jedem Fall, den wir ein Denken nennen, das Bilden eines Satzes vor sich geht und weil man endlich glaubt, das Wort “Denken” müsse einen Vorgang bezeichnen, der all den Vorgängen, die wir ein Denken nennen, gemeinsam ist. Fällt die Versuchung weg, einen okkulten Vorgang hinter dem Ausdruck des Gedankens anzunehmen und die, ein Gemeinsames aller Fälle suchen zu wollen, in denen nach unserem Sprachgebrauch ein Denken vorliegt, so verlieren wir eine bestimmte Voreingenommenheit, jene Fesseln fallen von unserer Betrachtungsweise ab und es sträubt sich nichts mehr in uns dagegen, das bloße Kalkulieren mit der Sprache ein Denken zu nennen. Denken wir uns, wir wollten nicht zugeben, die Erde könnte eine andere als die genaue Kugelform haben, weil
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die Kugel für uns die vollkommenste Form sei. Man kann sich dann leicht vorstellen, daß durch den Ausdruck der analytischen Geometrie, welche die Kugelform als einen bloßen Spezialfall der Form des Ellipsoids darstellt, jene einzigartige Stellung der Kugelform erschüttert wird, und wir nun nichts mehr dagegen haben, zuzugeben, die Erde sei keine genaue Kugel, wenn sich dies durch die Messungen erweisen wollte. So ändert die Einführung einer neuen Ausdrucksweise unsern Standpunkt.