Was geschieht, wenn ich einen Brief schreibe und, wie man sagen würde, nach dem richtigen Ausdruck meines Gedankens suche? Diese Art der Beschreibung vergleicht den Vorgang etwa mit einer Übersetzung. Die Gedanken sind schon da und ich will ihren sprachlichen Ausdruck finden. Dabei könnte uns vorschweben, daß die Gedanken Gefühle sind und ihr adäquater Ausdruck diejenigen Worte oder Laute, welche diese Gefühle entladen wie das Seufzen den Kummer; oder daß die Gedanken Bilder sind und ihr Ausdruck die Beschreibung dieser Bilder oder daß sie ein sprachlicher Ausdruck eigener Art sind, etwa der Ausdruck einer privaten Sprache, den wir nun in den Ausdruck einer allgemeinen zugänglichen Sprache übersetzen. Was geschieht aber in Wirklichkeit, wenn wir jetzt nach dem richtigen Ausdruck des Gedankens suchen? Vielleicht überlassen wir uns ganz einer Stimmung und der Ausdruck kommt, den wir als adäquat empfinden. Vielleicht machen wir eine Geste oder wollen immer eine Geste machen und endlich kommt der Ausdruck, der dieser Geste entspricht. Und worin besteht dieses Entsprechen? Vielleicht hat der Ausdruck denselben Rhythmus wie die Geste usw. usw. Ich sage, ich habe den Gedanken und ich suche nach seinem Ausdruck, und das sage ich auch so: “Ich weiß, was ich sagen will, kann es aber noch nicht sagen.” Was ist aber der Fall, wenn ich weiß, was ich sagen will? Es kann mir wirklich der sprachliche Ausdruck einer anderen Sprache vorschweben, z.B. ein englischer und ich will den Gedanken deutsch ausdrücken, oder aber ein Teil eines deutschen Satzes und eine Geste. Der Ausdruck “ich weiß, was ich sagen will, kann es aber nicht
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aussagen” ist eben von dem speziellen Fall hergenommen, wenn mir das, was ich sagen will, in irgendeiner anderen Sprache vorschwebt. Und dieser Fall tritt wohl ein, aber auch unzählige andere, mit ihm nur mehr oder weniger verwandte. Und doch werden sie durch den gewöhnlichen Ausdruck unserer Sprache alle sozusagen über einen Leisten geschlagen. Es ist hier so, wie wenn man sich oft denkt, was man Erinnerung nennt, müsse ein Bild sein und wenn ich mich erinnere, einen Menschen schon einmal gesehen zu haben, so sei es, als trüge ich gleichsam eine Photographie von ihm bei mir, hielte sie neben ihn und vergliche die Photographie mit dem Menschen. Etwas ähnliches kommt wohl auch in manchen Fällen des Erinnerns vor, aber wir reden allgemein von Vergleichen der Erinnerung mit der Wirklichkeit. Und da das Wort vergleichen in den Fällen gebraucht wird, wo wir die verglichenen Objekte nebeneinander halten, so stört es uns nun, und ruft eine Beunruhigung, ein Problem in uns hervor, wenn wir erkennen, daß in einem Fall, welchen unsere Sprache einen Vergleich nennt, gar keine Gegenüberstellung zweier Objekte stattfindet. Ich gebe jemandem den Befehl “bringe mir eine rote Blume! Wie weiß er, wie die Farbe aussieht, die er mir bringen soll? Er könnte einen Zettel in der Tasche tragen mit einer Farbentabelle und bei jedem Farbmuster stünde der Name der Farbe. Er sähe bei dem Wort “rot” nach, ginge auf das darunter liegende Muster über und vergliche mit diesem Muster in der Hand verschiedene Blumen, bis er eine von der gleichen Farbe findet. Dies ist ein möglicher Vorgang des Suchens einer roten Blume nach dem Befehl bringe mir eine rote Blume!” Er ist aber durchaus nicht der einzige und nebenbei bemerkt, auch nicht der gewöhnliche. Man glaubt da wohl, die Vermittlung zwischen dem Wort und dem gesuchten Gegenstand geschähe eben vermittels eines Vorstellungsbildes. Wie ist es aber, wenn ich jemandem den Befehl gebe “stelle dir eine rote Blume vor!”? Dieser Befehl ist doch offenbar dem, eine rote Blume zu holen, in mancher Beziehung ähnlich. (Ja wir könnten ihn uns so ausgeführt denken, daß der Betreffende die Farbentabelle aus der Tasche zöge und mit ihrer Hilfe sich eine rote Blume vorstellte.) Aber der gewöhnliche Vorgang der Ausführung ist jedenfalls ein anderer, und zwar haben wir es nicht mit einem Fall zu tun, in welchem eben beidemals wesentlich dasselbe geschieht und im einen Fall eben nur ein Umweg gemacht wird. Vielmehr spielen wir jedesmal ein anderes Spiel. Denn fragen wir uns nur, was das Kriterium ist, einerseits dafür, daß die Tabelle uns die richtige Farbe zeigt, daß sie sich nicht verändert habe usw. und andererseits, welches das
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Kriterium dafür ist, daß wir uns die richtige Farbe vorstellen, sobald uns das Wort “rot” genannt wird. Ja wir könnten uns absichtlich um den Befehl nicht zu befolgen, einen blauen Gegenstand vorstellen und wüßten dann, in einem Sinn, daß wir uns nicht die richtige Farbe vorgestellt haben. Wenn ich nun hier so viele gänzlich voneinander verschiedene Beispiele des Befolgens ähnlicher Befehle gebe, so geschieht es nicht um zu zeigen, wir wüßten noch nicht, was alle diese Arten der Befolgung gemeinsam haben, sondern im Gegenteil, um zu zeigen, daß ihnen nichts gemeinsam sein muß. Einige gute Epigramme über die Anwendung eines Worts sind besser als meine langweiligen Ausführungen. Der philosophische Denker will ein Porträt der Anwendung der Sprache entwerfen. Und es kommt wie bei jedem Porträt nicht darauf an, viele Striche zu machen, sondern die richtigen, charakteristischen, treffenden. Viele freie Striche ergeben nicht einen treffenden. Damit der Gedankenwagen richtig weiterrollt, muß er genau auf die Schiene gesetzt werden.