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     Es besteht eine Versuchung, die Form der Gleichung
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für die Form von Tautologien und Kontradiktionen zu halten, und zwar darum, weil es scheint, als könne man sagen: || , x = x ist selbstverständlich wahr (und) x = y selbstverständlich falsch. Eher noch kann man natürlich ﹖– sagen, daß x = x die Rolle einer Tautologie spielt, als x = y die der Kontradiktion –﹖ || kann man natürlich x = x mit einer Tautologie vergleichen, als x = y mit einer Kontradiktion, da ja alle richtigen (und “sinnvollen” Gleichungen der Mathematik von der Form x = y sind. Man könnte x = x eine degenerierte Gleichung nennen (Ramsey nannte sehr richtig Tautologien und Kontradiktionen degenerierte Sätze) und zwar eine richtige degenerierte Gleichung (den Grenzfall einer Gleichung). Denn wir gebrauchen Ausdrücke der Form x = x wie richtige Gleichungen, wobei wir uns vollkommen bewußt sind, daß es sich um degenerierte Gleichungen handelt. Im gleichen Fall sind Sätze in geometrischen Beweisen, wie etwa: “der Winkel ist gleich dem Winkel , der Winkel ist sich selbst gleich …”.
     Man könnte nun einwenden, daß richtige Gleichungen der Form x = y auch Tautologien, dagegen falsche, Kontradiktionen sein müßten, weil man ja die richtige Gleichung muß beweisen können und das, indem man die beiden Seiten der Gleichung transformiert, bis eine Identität x = x herauskäme. Aber obwohl durch diesen Prozeß die erste Gleichung als richtig erwiesen ist und insofern die Identität x = x das Endziel der Transformationen war, so ist sie nicht das Endziel in dem Sinne, als hätte man durch die Transformationen der Gleichung ihre richtige Form geben wollen, wie man einen krummen Gegenstand zurechtbiegt, und als habe sie nun in der Identität diese vollkommene Form (endlich) erreicht. Man kann also nicht sagen: die richtige Gleichung ist ja eigentlich eine Identität. Sie ist eben keine Identität.